Eine Hochzeit in Sri Lanka, auf dieser wunderschönen Tropeninsel, dauert in der Regel drei Tage. Am ersten Tag findet die eigentliche Trauungszeremonie statt, je nach Geldbeutel mal mehr, mal weniger pompös. Am zweiten Tag darf das Brautpaar in einem Hotel logieren und sich ausruhen, wobei es jedoch häufig durch Besuche gestört wird. Verwandte und Freunde wollen ja schließlich wissen, ob das junge Glück wohlauf ist und wie es die erste gemeinsam verbrachte Nacht überstanden hat.
Am dritten Tag ist Homecoming, dann bringt der Bräutigam seine Braut heim in sein Elternhaus. Auch wenn das junge Paar nach der Hochzeit eine eigene Wohnung bezieht, wird trotzdem Homecoming gefeiert. Das ist Tradition! Dafür wird das Elternhaus des Bräutigams mit Blumen und Girlanden geschmückt, Tische und Bänke werden für die Gäste in Haus und Garten bereit gestellt und tagelang vorher wird gebacken und gekocht.
Der eigentliche Höhepunkt dieses Tages ist jedoch die Möbelübergabe, das heißt wenn die Aussteuer, das sind die Möbel, die Freunde und Verwandte schenken, im elterlichen Garten abgeladen werden. Bei meinem jüngeren Schwager ging dies relativ schnell vonstatten, denn er hatte seine Jugendfreundin, die im gleichen Dorf wohnte, geehelicht. Warum die Braut dann allerdings zum Steinerweichen heulte, als sie mein Schwager in sein Elternhaus brachte, das sich nur wenige Straßen entfernt von dem Haus befand, in dem sie aufgewachsen war, habe ich nicht verstanden.
Nun möchte ich jedoch ausführlicher von der Hochzeit meiner Schwägerin, der jüngsten Schwester meines Ex-Mannes, erzählen. Sie hatte in Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, studiert, hat den „Master of Arts“ und ist in meinen Augen ein sehr patentes Mädchen. Ich war mir sicher, dass sie unter ihren Studienkollegen einen netten Mann finden würde. Aber nein, kurz bevor sie mit ihrem Studium fertig war, bat sie ihre Mutter, also meine Schwiegermutter, einen passenden Mann für sie zu finden. Alle ihre Studienkolleginnen wären schon verheiratet und aus diesem Grunde würde sie ihren Abschluss auch gerne als verheiratete Frau machen. Die Mutter sprach dann bei einer Tante vor, die einen Sohn im heiratsfähigen Alter hatte, und die Heirat war eine beschlossene Sache.
Mein Mann – damals waren wir noch verheiratet – mein Sohn und ich wurden zur Hochzeit eingeladen und wir verbanden diesen Termin mit einem dreiwöchigen Urlaub auf der Insel. Die Trauungszeremonie fand in einem Lokal an der Küste statt. Viele Gäste waren geladen – es müssen ungefähr 300 gewesen sein – es wurde geschmaust und getanzt. Wir, der Besuch aus Deutschland, war natürlich die Attraktion und ich wurde schmunzelnd beäugt, ob ich denn auch richtig mit den Fingern essen konnte.
Am dritten Tag sollten sich die Hochzeitsgäste morgens um neun Uhr treffen, wir wollten dann gemeinsam zum Homecoming ins srilankische Hochland fahren. Wir waren pünktlich am vereinbarten Treffpunkt, wo bereits ein gecharterter Bus auf uns wartete. Als alle Gäste eingetroffen waren, fuhr der Bus jedoch nicht los, sondern blieb weiter in der prallen Sonne stehen. Die Sonne knallte aufs Busdach, es wurde wärmer und wärmer und wir fingen an zu schwitzen.
„Worauf warten wir eigentlich noch?“, erkundigte ich mich und fächelte mir mit meinem Strohhut Luft zu.
„Auf den Möbelwagen“, gab mir ein Verwandter Auskunft, „aber der hat leider Verspätung! Die Leute haben erst ziemlich spät mit dem Aufladen der Möbel angefangen.“
„Das darf doch nicht wahr sein! Die lassen uns hier warten und warten!“, ich schüttelte den Kopf. „Warum sind denn die Möbel nicht gestern Abend aufgeladen worden?“
„Das geht doch nicht!“, wurde mir nun kopfschüttelnd erklärt. “Das Aufladen darf nur am Morgen vom Homecoming gemacht werden, sonst bringt das Unglück.“
Endlich traf der voll bepackte Möbelwagen ein und so gegen elf Uhr fuhren wir schließlich los. Die Spitze unserer Kolonne bildeten zwei PKWs: Im ersten saß das Brautpaar, im zweiten saßen die Brauteltern. Es folgte unser Bus mit den Gästen und als Schlusslicht zockelte der offene Möbelwagen die engen Serpentinen hinauf. Trotz unseres Wartens und trotz der Hitze waren unsere srilankischen Freunde und Verwandten in bester Stimmung und fingen an, Lieder in der Landessprache zu singen.
Nach einer Weile – ich hatte es befürchtet – wurden mein Mann und ich aufgefordert, doch einmal etwas auf Deutsch zu singen. Oh je, damals war ich noch nicht im Gemeindechor und meine Gesangsstimme war ziemlich eingerostet! Und mein Mann, als gebürtiger Srilanker und Soul- und Rockmusikfan, kannte auch noch keine deutschen Schlager, geschweige denn Volkslieder. Zum Glück fiel uns D.J. Ötzi ein: Sein Antonlied dudelte damals ständig in den deutschen Radioanstalten und war auch meinem Mann ein Begriff.
So legten wir beide los: „Ich bin so schön, ich bin so toll, ich bin der Anton aus Tirol!“
Mein kleiner Sohn – er war damals fünf Jahre alt – sang munter mit.
Wir brachten den Srilankern bei, Anton! Anton! zu rufen und dabei mit Armen und Händen zu wedeln und zu winken. Das Lied gefiel den einheimischen Fahrgästen sehr gut und die Stimmung schlug hohe Wellen.
Am frühen Nachmittag trafen wir im malerischen Hochland der Insel und somit im festlich geschmückten Elternhaus meines Schwagers ein. Die Luft war wunderbar frisch und klar, ganz im Gegensatz zu der schwülen Wärme, die immer in den Küstenregionen herrscht. Wir hatten kein einziges Möbelstück verloren und nun halfen alle Gäste fleißig mit, das Mobiliar im Garten auszuladen.
Die Eltern des Bräutigams hatten Tische und Bänke ins Freie gestellt, um die vielen Verwandten, Freunde und Bekannten des Brautpaares angemessen bewirten zu können. Ein üppiges Büffet mit landestypischen Spezialitäten war einladend im Schatten des Hauses aufgebaut und wurde von den Gästen eifrig frequentiert. Und nun saß ich da, inmitten der fröhlichen Hochzeitsfeier, der Besuch aus dem fernen Deutschland und war der einzige hellhäutige Gast. Mein Sohn, der auch die Gene seines Vaters geerbt hat und in der Sonne sehr schnell braun wird, hatte sich gleich unter die anderen Kinder gemischt.
Auf einmal gab mir die Mutter des Bräutigams ein Zeichen und führte mich an eine Ecke des langen Büffets. Die Gastgeber hatten doch tatsächlich dafür gesorgt, dass für mich und meinen Sohn ein paar Gerichte separat gestellt wurden! Sie wussten ja, dass Touristen und Besucher aus Europa oft nicht die höllisch scharf gewürzten landestypischen Gerichte vertragen. Ich fand es außerordentlich lieb und aufmerksam, dass für uns – für zwei Leute unter so vielen anderen Gästen – extra eine Ausnahme gemacht wurde.
Bewundernd ließ ich dann meine Blicke über die Garderobe und das Festtags-Make-up der weiblichen Gäste schweifen. Fast alle Frauen trugen farbenprächtige Saris. Sie hatten ihre Haare kunstvoll aufgesteckt und mit Blumen verziert. Wie hübsch sie doch aussahen!
Auf einmal kam der Bräutigam auf mich zu, er im dunklen Anzug und weißem Hemd, dem Anlass entsprechend gekleidet. Neben ihm ging eine kleine zierliche Frau im traditionellen Sari.
„Darf ich vorstellen?“, sagte er zu mir. „Das ist meine Kusine Chandrika aus Colombo. Unsere Präsidentin!“
Skeptisch blickte ich die Frau an seiner Seite an. Ob das wirklich die Präsidentin war? Obwohl es sich um eine recht große Feier mit ungefähr einhundert, wenn nicht sogar noch mehr Gästen handelte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass das Staatsoberhaupt Sri Lankas ebenfalls eingeladen und tatsächlich auf diesem Fest erschienen war.
„Really? Wirklich?“, fragte ich.
Der Bräutigam und die umstehenden Gäste lachten schallend.
„Nein, nein, unsere Kusine heißt nur Chandrika mit Vornamen, genauso wie Frau Kumaratunga*. Deshalb nennen wir sie Frau Präsidentin!“
Wir haben lange im schattigen Garten gesessen, geschmaust, gelacht und uns unterhalten. Spät am Abend fuhren wir dann mit dem Bus wieder zur Küste hinunter, wo auch unser Hotel lag. Das frisch vermählte Brautpaar residierte noch ein paar Tage in der Hochlandidylle.
Und es ist kaum zu glauben, aber wahr: Die Möbel wurden wieder aufgeladen und hinunter an die Küste nach Colombo gebracht, wo das Brautpaar eine Wohnung bezog.
Verstanden habe ich die Sache mit dem Auf – und Abladen der Möbel nicht, aber Hochzeiten feiern können sie, die Srilanker!
* * *
*Anmerkung der Autorin: Chandrika Kumaratunga, Tochter von Sirimavo Bandaranaike war von 1994 bis 2005 Staatsoberhaupt Sri Lankas.
Die Hochzeitsgesellschaft in den Bergen. Im Hintergrund die srilankische Flagge, vorne mein Sohn (mit 5 Jahren).
Alle helfen mit, die Möbel auszuladen.
Das Brautpaar
Im Hochland Sri Lankas
Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: eigene Fotos, aufgenommen in Srilanka
Lektorat: Rebekka Weber
Tag der Veröffentlichung: 07.02.2015
Alle Rechte vorbehalten