Herbert Grönemeyer hat eine großartige Hymne über die Stadt geschrieben, in der er aufgewachsen ist. Mit den Zeilen:
"Bochum… du bist keine Weltstadt
auf deiner Königsallee
finden keine Modenschau'n statt
hier, wo das Herz noch zählt,
nicht das große Geld
wer wohnt schon in Düsseldorf"
bedient er allerdings ein Klischee der Stadt, in der ich lebe, das leider auch viele Nicht-Düsseldorfer teilen. Ich möchte nun versuchen, mit diesem Vorurteil ein wenig aufzuräumen. Zunächst werde ich aber etwas über meine Geburtsstadt erzählen.
Geboren und aufgewachsen bin ich in der bergischen Klingenstadt. Während des Studiums habe ich zwei Jahre in Köln gelebt, war aber an den Wochenenden und in den Ferien oft zuhause bei meiner Mutter und traf mich mit meinem Freund.
Gerne hätte ich als Au-pair-Mädchen eine Zeitlang im Ausland gelebt, aber irgendwie habe ich damals nicht den Absprung geschafft. Meine erste Arbeitsstelle nach Studienabschluss fand ich in einer Solinger Schneidwarenfabrik. Dort habe ich in der Export-Abteilung gearbeitet, wo ich meine guten Sprachkenntnisse anwenden konnte. Als dann die Beziehung mit meinem Freund in die Brüche ging, wollte ich fort aus Solingen und fand dann schnell eine Anstellung bei einem japanischen Handelshaus in Düsseldorf. Und das gleich bei einer Top-Adresse: Königsallee 92a. Mein Büro, das im dritten Stock lag, hatte eine Super-Aussicht auf die Straße und das auf ihr herrschende Treiben. Leider war mein Gehalt zu jener Zeit so niedrig, dass ich dort nur gucken und bummeln, aber nicht einkaufen konnte.
Ja, und arbeitsmäßig war doch gleich viel mehr los, hier in der rheinischen Großstadt, als bei meiner allerersten Stelle! Täglich korrespondierte ich nun mit dem Mutterhaus in Tokio und den weltweiten Filialen der Firma. Die Besucher aus In- und Ausland gaben sich die Klinke in die Hand und ich durfte auch auf Geschäftsreisen gehen. Endlich atmete ich den Duft der großen weiten Welt ein!
Und das ist ein Merkmal an Düsseldorf, das mich immer noch nach so vielen Jahren – im Mai d. J. wohne ich 35 Jahre hier - fasziniert: Diese Aufgeschlossenheit Fremden gegenüber, die vielen Besucher und Touristen, die das ganz Jahr über hierherkommen und die vielen ausländischen Firmen, die hier ansässig sind und weltweite Beziehungen pflegen.
Dabei ist Düsseldorf keine Millionenstadt, es leben gerade einmal 600.000 Menschen hier. Seit Jahren wächst jedoch die Einwohnerzahl kontinuierlich. Und… wir sind Landeshauptstadt, was die Kölner, die 50 km flussaufwärts wohnen und über eine Million Einwohner verfügen, nur schwer verknusern können.
Als ich damals, 1980, nach Düdo zog, hatte ich als erstes eine Wohnung in der Innenstadt, von dort konnte ich zu Fuß zur Firma gehen und mich mit Freunden am Wochenende in der Altstadt treffen. Später, als ich heiratete, bin ich mit meinem Mann in einen Stadtteil gezogen, der mehr Grün und Parkplätze als die City zu bieten hat. Hier ist auch mein Sohn aufgewachsen. Wenn man jedoch am Stadtrand wohnt, ist man spätestens in einer halben Stunde mit ÖTV in der Innenstadt. Düdo verfügt in der Tat über ein gut ausgebautes Straßenbahn-, Bus- und U-Bahnnetz.
Die schöne Lage am Rhein zieht natürlich viele Besucher an! Ich selbst breche gerne hin und wieder zu einem Spaziergang an der Uferpromenade auf. Wenn ich dann vom Altstadt-Ufer aus auf das unverbaute Oberkasseler-Rheinufer mit den weitläufigen Grünflächen schaue, bin immer wieder angenehm überrascht, wenn ich dort auch Schafe weiden sehe. Es gibt aber auch viele Naherholungsgebiete rund um die Stadt und einige Randstadtteile sind sogar etwas hügelig und sehr waldreich, da sie an den Ausläufern des Bergischen Landes liegen.
In Düdo ist immer etwas los: die Stadt hat drei große Musikhallen, in denen ich selbst auch schon einige Pop- und Rockgrößen bei Live-Auftritten erlebt habe, mehrere renommierte Theater, Museen, einen eigenen Flughafen, viele kulturelle und gastronomische Veranstaltungen, um nur den alljährlichen Bücherbummel auf der Königsallee und den Rosenmontagszug zu erwähnen, ganz zu schweigen von der Ausrichtung der Bambi-Verleihung im Jahr 2013 und des Eurovision-Song-Contests 2011.
Um jedoch noch einmal auf Herbert Grönemeyer und die Anspielung auf die Königsallee zurückzukommen…
Ja, die Kö, wie sie von uns, den Einwohnern, liebevoll genannt wird, ist tatsächlich unsere Prachtstraße. Sie ist architektonisch wirklich sehr schön, denn sie wird durch einen malerischen Wassergraben in der Mitte geteilt und von großen Platanen gesäumt. Wenn die Bauarbeiten zur Erweiterung der U-Bahn-Linie Ende d. J. endlich abgeschlossen sein werden, wird die Straße auch an den Hofgarten angeschlossen sein und ich kann dann bequem von der Shopping-Meile ins Grüne schlendern.
In den Geschäften an der Kö wird exklusive Mode angeboten und viele betuchte Besucher – in den letzten Jahren vermehrt aus den reichen Ölstaaten – machen davon Gebrauch. In diesen "Häusern" finden sicherlich die Modeschauen statt, die Herbie in seinem Lied erwähnt hat. Aber… ich habe tatsächlich einmal eine Modenschau mitten auf der Kö erlebt. Das war eine einmalige Sache vor ca. zehn Jahren, da wurde auf dieser Straße ein 0,8 Kilometer (!) langer Laufsteg aufgebaut. Donnerlüttchen, das war wirklich ein großes Ereignis und eine irre Schau! Stellt euch vor, Naomi Campbell, Erol Sander und Lucy von den ehemaligen "No Angels" sind in ihren schicken Modeklamotten ganz dicht an mir vorbeigelaufen. Und damals war der Erol noch faltenfrei, ähem… ich meine sein Gesicht, nicht sein Anzug.
Obwohl… ich muss gestehen… so eine Open-Air-Modenschau auf der Kö, wäre doch so langsam mal wieder an der Zeit. Das ist Düsseldorf seinem Ruf schließlich schuldig!
Und… ich bin wirklich gespannt darauf zu sehen, wie die Düsseldorfer City ohne die vielen U-Bahnbaustellen, die uns nunmehr seit acht Jahren quälen, aussehen wird. Aber ich fühle mich hier auch so wohl, ob mit oder ohne Baustellen. Ich muss ja nicht in die Innenstadt fahren.
Denn Düsseldorf ist nicht nur Kö und Altstadt. Fast alle Stadtteile (52 insgesamt), auch der in dem ich wohne, haben einen eigenen kleinen, gewachsenen "Stadtkern" mit Kirche, Marktplatz, Szenekneipen, urigen Lokalen und Einkaufsmöglichkeiten. Und dort geht es viel gemütlicher zu als in der betriebsamen Innenstadt.
Seit sechs Jahren arbeite ich nicht mehr bei den Japanern. Nach einem unschönen Erlebnis mit meinem letzten japanischen Chef habe ich mich beruflich völlig umorientiert: Ich habe eine Ausbildung zur Kinderfrau und Tagesmutter gemacht und betreue in zwei Familien vier Mädchen von drei bis neun Jahren. Die Arbeit macht mir großen Spaß und viel Freude.
In Düdo ist die Betreuung von drei- bis sechsjährigen Kindern für die Eltern kostenfrei, egal ob sie in einer KiTa oder bei einer Tagesmutter stattfindet. Das ist für viele junge Familien ein Anreiz, hierherzuziehen. Unsere Stadt ist z. Z. noch schuldenfrei und aus diesem Grunde konnte in den letzten Jahren auch immer viel in soziale und städtebauliche Projekte investiert werden. Leider hat der Sturm "Ela", der Pfingsten 2014 über NRW gezogen ist, große Schäden in der Stadt angerichtet und die Stadtverwaltung macht sich große Sorgen, ob alle Reparatur- und Aufforstungsarbeiten aus der Stadtkasse bezahlt werden können. So wurden alle D-dorfer zu einer pekuniären "Baumspende" aufgerufen. Sogar Campino von den "Toten Hosen" hat mit einer großen Plakataktion mitgemacht.
Mit den Kids, die ich betreue, bin ich oft auf die Spielplätze und Grünflächen des Hofgartens gegangen. Ich habe wirklich richtig geweint, als ich sah, welche Verwüstungen "Ela" dort angerichtet hatte. Viele Bäume wurden entwurzelt und große Schneisen sind in den dichten Blätterwald geschlagen worden. Es wird Jahrzehnte dauern, bis alles neu gepflanzt und nachgewachsen ist! Monatelang war der Park gesperrt. Erst Ende d. J. soll er wieder komplett freigegeben werden, zusammen mit einer Feier zum Abschluss der U-Bahn-Erweiterungs-Arbeiten.
Einmal im Jahr treffe ich mich mit meinen ehemaligen Schulkameraden. Mal findet das Treffen in Solingen, mal in D-dorf statt. Schließlich wollen die Solinger ja auch hin und wieder Großstadtluft schnuppern. Aber seitdem auch meine Mutter gestorben ist, die noch in meiner Geburtsstadt lebte, zieht mich eigentlich nicht mehr viel dahin. Dort ist mir alles zu provinziell! Ich gebe jedoch zu, dass Solingen eine wunderschöne grüne Umgebung hat und dass man dort sehr gut wandern kann. Und wenn ich Besuch von außerhalb bekomme, fahre ich auch schon mal mit ihm nach Schloss Burg oder auf den malerischen Marktplatz in Solingen-Gräfrath, wo man im Sommer wunderbar draußen sitzen und schlemmen kann.
Fasziniert hat mich die Stadtgeschichte Düsseldorfs, da sie wiederum eng mit der meiner Geburtsstadt verbunden ist: Graf Adolf von Berg, der auf Schloss Burg in Solingen residierte, ging aus der Schlacht von Worringen (1288 n. Chr.) als Sieger hervor und er war derjenige, der Düsseldorf die Stadtrechte verlieh. Ihm zu Ehren wurde ein Platz in der Innenstadt nach ihm benannt.
Düsseldorf ist, seit ich 1980 hierhergezogen bin, wirklich Heimat für mich geworden. Und aus welchem Hauptgrund – außer den Gründen, die ich schon beschrieben habe - hänge ich noch so sehr an dieser Stadt? Es ist wegen der Kinder! Mein Sohn lebt hier und will hier auch studieren. Und die Mädchen, die ich betreue, sind genau wie mein Sohn waschechte Düsseldorfer: Alle fünf sind hier geboren (im Gegensatz zu mir, da ich nur "zugereist" bin). Ich möchte "meine Kids“ auch weiterhin betreuen und aufwachsen sehen, mich freuen, wenn sie sich hoffentlich weiterhin so gut entwickeln wie bisher und wenn ich von ihnen gebraucht werde.
Wenn die Kids dann groß sind und mich nicht mehr brauchen, kann ich ja meinen Jugendtraum verwirklichen, zwar nicht mehr als Au-pair-Girl, aber als Au-pair-Granny.
Düsseldorf wird dann immer mein Ankerplatz bleiben, zu dem ich gerne zurückkehren werde.
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Bilder von der Königsallee
Mein Sohn am Rheinufer
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Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: wikipedia commons, gemeinnützig
Lektorat: Rebekka Weber
Tag der Veröffentlichung: 03.01.2015
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