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Die Highlights

Nach der recht anstrengenden Anreise per Auto, die von Dauerregen auf unserer Fahrt durch Holland, Belgien und Frankreich geprägt war und schließlich noch von einem Platzregen am Fährhafen Dünnkirchen gekrönt wurde, hatten wir am Spätabend endlich unser Hotel in einem südlichen Stadtteil Londons gefunden und sanken ermattet in unsere Hotelbetten.

Am nächsten Morgen waren wir wieder frisch und ausgeruht. Voller Tatendrang machten wir uns zum Bahnhof East Croydon auf, der von unserem Hotel fußläufig in nur wenigen Minuten zu erreichen war. Der Regen, der uns bis Dover begleitet hatte, war nun endgültig strahlendem Sonnenschein gewichen und blieb uns auch während unseres dreitägigen Aufenthaltes in London treu.

Wir kauften Tagestickets für den Public Transport, stiegen in einen Nahverkehrszug und erreichten innerhalb von 20 Minuten London Victoria Station. Dort standen wir zunächst ein wenig verloren in dem dort herrschenden Menschengewimmel und suchten den Wegweiser zur Underground, der Londoner U-Bahn. Endlich hatten wir die District Line gefunden, die uns in wenigen Minuten zur Station Westminister brachte. Wir gingen durch die schier endlos langen Katakomben, erreichten endlich den Ausgang, traten ins Freie, und…. wir waren da, angekommen, mitten im bunten Treiben Londons!

 

 

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 Victoria Station

 

 

Houses of Parliament und Big Ben

 

 

 

Die falschen Queens

 

Nun standen wir auf der Westminster Bridge, rechts von uns grüßten die Houses of Parliament und Big Ben, die Themse floss ruhig und gemächlich in ihrem Bett und vom anderen Ufer grüßte majestätisch das London Eye. Auf der Brücke hatten sich Straßenkünstler ein festes Plätzchen erobert. Sogleich fiel unser Auge auf zwei von ihnen, die sich schrill-bunt mit Masken und langen Kleidern als Queen Elisabeth II. verkleidet hatten. Aus einem Kassettenrecorder dudelte Musik und die falschen Königinnen forderten die Passanten zum Mittanzen auf. Ein Rastamann hatte gleich daneben seine Klampfe ausgepackt und intonierte Songs von Bob Marley, ein paar Meter weiter blies ein Mann im Schottenrock kräftig in seinen Dudelsack. Touristen flanierten vorbei und schossen emsig Fotos.

Da die Sonne lachte, beschlossen wir spontan, eine Bootsfahrt auf der Themse zu unternehmen. Schnell war ein „Kahn“ gefunden und wir setzten uns zu den anderen Touristen aufs Sonnendeck. Der „Moderator“ an Bord machte uns mit den Sehenswürdigkeiten bekannt, an denen wir vorbeifuhren: „Das London Eye ist 135 m hoch und wurde zur Jahrtausendwende, dem Millennium, erbaut. Es hat sich mittlerweile zur größten Touristenattraktion unserer Stadt entwickelt. Das Riesenrad dreht sich in einer Stunde einmal, d.h. nach 30 Minuten sind Sie ganz oben und nach 60 wieder unten. Sie sehen dort auch ein freies Gestänge. Die Plexiglaskugel, die dort eigentlich hineingehört und Fahrgäste befördert, ist letzte Woche abgestürzt. Jetzt können Sie dort kostenlos mitfahren. Sie müssen sich nur an die Stangen klammern und sich hängen lassen. Diese Sonderfahrt heißt ‚Free Hanging‘.“

 

 

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 London Eye

 


Großes Gelächter an Bord und selbst ich hatte den Gag verstanden! Denn das Cockney-Englisch, das viele Londoner sprechen, unterscheidet sich doch sehr von dem Schulenglisch, das ich gelernt hatte.


„Sie können sich auch eine Plexiglaskugel für 1000 Britische Pfund mieten“, fuhr der Moderator fort, „und dann dort heiraten. Drinnen gibt es genug Platz für den Pfarrer, die Trauzeugen und die engsten Verwandten. Ganz oben auf der Spitze können Sie sich das Ja-Wort geben oder es sich noch schnell anders überlegen.“ Wieder großes Gelächter!

Wir fuhren am Nationaltheater vorbei, einem grauen Gebäude, das selbst Prinz Charles als den hässlichsten Bau Londons bezeichnet. Dann war links hinter den Gebäuden für einen kurzen Moment eine Säule zu sehen, die an den großen Brand von 1666 n. Chr. erinnert, dem mehr als Zweidrittel der damaligen Fläche Londons zum Opfer fielen, der aber auch gleichzeitig die Pest ausgerottet haben soll.

Wir sahen das Kuppeldach von St. Paul‘s Cathedral herüberleuchten, fuhren unter den vielen Brücken hindurch und erreichten schließlich die Tower Bridge und den Tower, die ehemalige Festung, die viele Jahre als Gefängnis genutzt wurde. In diesen alten Mauern werden heutzutage immer noch die Kronjuwelen der Queen aufbewahrt, unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen, versteht sich.

 

 

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 Tower Bridge

 

 

 

Tower of London

 

 

Wer mochte, konnte aussteigen und den Tower besichtigen. Angesichts der endlos langen Schlangen vor dem Eingang konnte ich mich jedoch dazu nicht überwinden. So machte ich einen Bummel am Ufer und in den Parkanlagen und mein Sohn fuhr alleine zum London Eye zurück. Meine Rückfahrt zur Westminster Bridge verlief etwas „trockener“, da diesmal ein munterer „Moderator“ an Bord fehlte.

Als ich wieder am Ausgangspunkt der Tour ankam, wartete dort bereits mein Sohn, der ein langes Gesicht zog. Er erzählte mir sogleich von seinem Pech, das ihm widerfahren war. Wochenlang hatte er sich nämlich darauf gefreut, einmal eine Runde auf dem Riesenrad drehen zu können! Leider dürfen Jugendliche unter 16 Jahren dort nur in Begleitung Erwachsener mitfahren. Und ich hatte ihm ja schon vor dem Urlaub zu verstehen gegeben, dass ich ihn aufgrund meiner Höhenangst auf keinen Fall begleiten würde.

Um ihn wieder aufzumuntern, spendierte ich zunächst eine Runde Kaffee und einen Snack. Mit unseren Pappbechern in der Hand setzten wir uns auf eine Bank an der Themse, genossen das Uferpanorama und dann… dann glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen, denn dort am Ufer stand plötzlich Robbie Williams, ehemaliges Mitglied der Boyband TakeThat und mittlerweile international bekannter Solokünstler! Beim näheren Hingucken entpuppte er sich jedoch als ein junger Mann, der sich eine Robbie-Maske aufgesetzt hatte. Ich sprach ihn an und erzählte ihm lachend von dem tollen Konzert, das ich von TakeThat vor einer Woche in meiner Heimatstadt besucht hatte. Ich durfte den Robbie-Verschnitt fotografieren, unter der Bedingung, dass ich ihn in meinem Buch erwähnen würde.

 

 

 

 

Robbie-Williams-Verschnitt

 


Mein Sohn und ich wollten nun der echten Queen unsere Aufwartung machen – wenn man denn schon mal in London ist – und so schlenderten wir an der Westminster Abbey vorbei, Richtung James Park, das ist einer der vielen grünen Lungen Londons. Dort amüsierten wir uns köstlich darüber, dass man auf den Wiesen sogar Liegestühle stundenweise mieten kann. Und viele Geschäftsleute und Einheimische machen von diesem Angebot gerne Gebrauch und verzehren dort gemütlich ihr Lunch- oder Imbisspaket.

Die Wachablösung, sprich Changing of the Guards, in der Nähe des Buckingham Palastes, dem Wohnsitz der englischen Monarchin, verpassten wir um wenige Minuten. Und Lisbett war leider auch nicht zu Hause, worüber uns der Union Jack, die englische Nationalflagge, die auf dem Dach des Palastes wehte, aufklärte. Trotz ihrer Abwesenheit waren die königlichen Gemäuer von Heerscharen von Touristen umzingelt. Nun ja, es war ja schließlich Ferien- und Hauptreisezeit!

Wir lenkten unsere müden Füße wieder zur U-Bahn und fuhren mit der Circle Line – die heißt so, weil sie immer im Kreis fährt – zunächst nach Victoria Station zurück. Ich sinnierte darüber, wo denn die Bahnen der Circle Line ihre Nachtruhe einhalten, wahrscheinlich irgendwo auf der Strecke?? Die Rückfahrt mit dem Zug nach Croydon verlief unspektakulär und glücklich und erschöpft sanken wir wieder auf unsere Hotelbetten! Es war wirklich ein schöner Tag gewesen, der uns für die Strapazen der Anreise mehr als entschädigt hatte. Am nächsten Tag gingen mein Sohn und ich getrennte Wege: Ich begab mich auf Spurensuche nach Lady Diana und mein Sohn fuhr nach Greenwich.

 

 

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 Durch den St. James Park zum Buckingham Palast

 

 

 

Mittagspause im St. James Park

 

 

 

Auf mein Klingeln machte niemand auf

 

 

 

Beliebter Touristentreffpunkt: die Queen Victoria Säule vor dem Buckingham Palast

 

 

 

Ausschreitungen in London

Wir hatten in einem Touristenhotel in London Croydon übernachtet und von dort aus unsere Unternehmungen gestartet. Innerhalb weniger Minuten waren wir mit dem Zug downtown, d.h. in der eigentlichen Londoner City, wo die weltbekannten Sehenswürdigkeiten liegen.

Das Zentrum von Croydon selbst bietet einige nette Lokale und ein belebtes Geschäftszentrum mit einer Fußgängeroase, in die Hinterhöfe schaut man besser nicht hinein. Was uns während unseres Aufenthaltes besonders auffiel war, dass zum Stadtbild viele Einwohner mit asiatischen und afrikanischen Wurzeln gehören.

Nach drei Tagen fuhren wir weiter nach Cornwall. Dort erfuhren wir eines Morgens in den BBC-Nachrichten, dass es am Vorabend, am 6. August, in London zu Ausschreitungen gekommen war, die durch einen Vorfall im Stadtteil Tottenham, der als sozialer Brennpunkt bekannt ist, ausgelöst worden waren. Ein Farbiger namens Mark Duggan, der unter dem Verdacht stand, mit Drogen gehandelt zu haben, war während seiner Festnahme von der Polizei erschossen worden. Bei der Aufklärung dieses Schusswechsels kamen viele Ungereimtheiten ans Licht und die Polizei stand unter heftiger Kritik. Die diensthabenden Beamten wären bei den Vernehmungen der Angehörigen und Personen im Umfeld dieses Drogendealers sehr rüde vorgegangen, so wurde ihnen vorgeworfen.

Bei einem anschließenden Solidaritätsprotestmarsch für Duggan kam es zunächst in mehreren Londoner Stadtteilen zu Ausschreitungen, bei denen Schaufensterscheiben zertrümmert, Geschäfte geplündert, Autos abgefackelt und Häusern angezündet wurden. Nach und nach sprangen diese Gewaltausbrüche auf andere Großstädte wie Birmingham, Bristol, Leeds, Liverpool, Manchester und Nottingham über.

An unserem Urlaubsort in Cornwall blieb zum Glück alles idyllisch und friedlich! Doch jedes Mal, wenn ich den Fernseher einschaltete, glaubte ich, Szenen aus einem Hollywood-Blockbuster zu sehen! Ich konnte zunächst nicht glauben, dass sich dieses Szenario tatsächlich in England abspielte! In London Croydon, wo wir logiert hatten, steckten die Randalierer einen Doppeldeckerbus an und setzten ein Möbelhaus in Brand. Schließlich wurden die Bahnstation West Croydon und Teile des Croydoner Zentrums wegen zunehmender Gewalt und Übergriffe auf die Polizei geschlossen.

Ich erinnere mich an ein Interview mit einem Farbigen, das in den BBC Nachrichten gezeigt wurde.
Dieser Mann lebte schon seit vielen Jahren in England und klagte an: „Warum hat die Polizei diesen Mann in Tottenham einfach so erschossen? Warum hat sie seine Angehörigen so schlecht behandelt? Hat sie keinen Respekt? Ich habe einen elfjährigen Enkel, der wirklich ein Engel ist. Die Polizei hat ihn an die Wand gestellt und geohrfeigt. Er ist seitdem traumatisiert. Wie kann die Polizei Menschen nur so respektlos behandeln?“
Die BBC Reporterin fragte ihn: „Ist das ein Grund, auf die Straße zu gehen, Autos anzuzünden, Schaufensterscheiben einzuschlagen und Auslagen zu plündern?“
Das Interview wurde abgebrochen, als sich beide Gesprächsteilnehmer mehr und mehr echauffierten.

 

 

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Blick aus dem Hotelfenster: Morgensonne über dem friedlichen London Croydon

 

 

 

Hinterhofidylle in Croydon

 

 

 

Gibt's hier keine Müllabfuhr?

 

 

 

Randalierer und Vandalen bestimmen das Stadtbild

 

 


Nach den ersten Verhaftungen stellte sich heraus, dass zunächst 14- bis 17jährige Jugendliche mit den Ausschreitungen begonnen hatten, dann waren organisierte Banden hinzugekommen, die sich über Twitter und Facebook verabredet hatten. Die Polizei war zunächst völlig überfordert und bekam die Situation nicht unter Kontrolle. Die Gewalt in London erreichte schließlich ihren Höhepunkt in der Nacht von Montag auf Dienstag in der folgenden Woche.

Inzwischen war der Londoner Bürgermeister Boris Johnson frühzeitig von einer Dienstreise aus Kanada zurückgekehrt und Premierminister David Cameron hatte seinen Urlaub abgebrochen. Seit seiner Amtsübernahme im Jahre 2010 sah sich das englische Regierungsoberhaupt seiner bisher größten Herausforderung, die es zu bewältigen galt, gegenüber. Ein Freundschaftsspiel England gegen Holland, das in Wembley stattfinden sollte, wurde abgesagt, weil man Angst um die Sicherheit der Spieler hatte. Die englische Regierung erwog sogar, bei weiteren Ausschreitungen Wasserkanonen, die bisher nur in Nordirland stationiert waren, einzusetzen und eventuell Ausgangssperren zu verhängen.

Damit die Nacht von Dienstag auf Mittwoch nicht wieder Horrorszenarien herbeiführte, wurde schließlich die Londoner Polizei von 6.000 auf 16.000 Mann aufgestockt. Und diese immense Polizeipräsenz und Bürgerinitiativen (Einwohner, die bereit waren, mit Bratpfannen und Töpfen ihr Eigentum zu verteidigen) zeigte Wirkung! Im Vergleich zu den Vortagen blieb es in dieser Nacht relativ ruhig.

Nach einer Woche war der ganze Spuk vorüber! Die Bilanz war jedoch erschreckend: viele Verletzte und fünf Tote waren zu beklagen. Und Sachschäden in mehreren Millionen Höhe waren entstanden.

Diese schlimmen Ereignisse warfen große Schatten auf die Olympischen Sommerspiele, die ja 2012 in London stattfinden sollen. Über die Sicherheitsaspekte wurden heftige Diskussionen geführt und alle diesbezüglichen Pläne und Vorbereitungen akribisch unter die Lupe genommen.

Zum Glück ist es seit diesem „heißen englischen Sommer“ nicht wieder zu Ausschreitungen gekommen und so werden die diesjährigen Olympischen Spiele hoffentlich ruhig und friedlich ablaufen.

 

 

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David Cameron versucht, die Situation in der Griff zu bekommen

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Hier geht es zu meinem Artikel über Lady Diana:

http://www.bookrix.de/_ebook-rebekka-w-lady-diana/

 

 

Impressum

Texte: Rebekka W., zusätzliche Quellen: http://www.bbc.co.uk/news/uk-14452097 und http://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Duggan
Bildmaterialien: alle Rebekka W. außer* / Cover Foto: Blick von der Westminster Bridge auf die Themse und London Eye, * Foto London Riots / wikipedia commons, Fotograf Hughe Paul
Tag der Veröffentlichung: 15.07.2012

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