Cover

Prolog

Werte Eltern, liebe Kinder. Bitte beachtet die Altersempfehlung bei allen Büchern, denn es werden auch Bücher geschrieben, welche nicht von Kindern oder Jugendlichen verstanden würden oder gelesen werden sollten. Dieses Buch wurde hauptsächlich für Kinder, Jugendliche und jung Gebliebene geschrieben.

 

Im dritten Teil der Reihe »Geschichten von unter der Meeresoberfläche« geht es um eine Spezialagentin, die bereits vom Buch ‚Roberta und der ägyptische Mumiendelphin‘ bekannt sein sollte. Die Handlung findet jedoch vor der Geburt von Roberta und Ignazius statt und bietet auch Einblicke in das Leben in der alten Siedlung, aus der Robertas Eltern ursprünglich stammen.

 

Es gibt viele neue und einige bereits bekannte Charaktere. Es ist nicht erforderlich, die ersten beiden Bücher gelesen zu haben, um dieses Buch genießen zu können.

 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

Oma Helga

»Ich will nischt. Lass mir in Ruhe«, maulte der Katzenhai mit seiner tiefen Reibeisenstimme. Doch Oma Helga ignorierte ihn einfach. Zielbewusst schwamm sie mit ihrer Beute zurück zu ihrer Delphinhöhle in der kleinen Siedlung weit im Süden des großen Ozeans. Die Schwanzflosse des Katzenhaies hatte sie mit ihrem Schnabel fest eingeklemmt und schleifte den armen Katzenhai einfach mit, obwohl ihm das gar nicht recht zu sein schien. Über der Siedlung nickten ihr einige Siedlungsdelphine zum Gruß kichernd zu und Oma Helga nickte zurück. Sie wohnte erst seit kurzem hier, aber die Delphine hier in der Gegend hatten sich bereits an ihre neue Nachbarin und ihr seltsames Gebaren gewöhnt.

Delphinsiedlungen hatten meistens keinen Namen, denn so etwas war für Delphine einfach nicht wichtig. Delphine brauchten nur eine Richtung und eine Entfernung, um überall hinzufinden. Oma Helga war hierher übersiedelt, weil es hier angeblich die beste Auswahl an Seegurken gab und das war Oma ziemlich wichtig. Anders als bei anderen Siedlungen, hatten die Meermenschen hier zwar beim Ausstatten der Höhlen geholfen, aber keine neuen Gebäude errichtet. Alle Siedlungshöhlen waren in Felsen gegraben worden und die Höhlen waren auch recht gemütlich. Jede Höhle hatte in der Eingangshöhle und in der Wohnhöhle einen Spiegel montiert. Über diese Spiegel wurde tagsüber Licht in die Höhle reflektiert und es war ausreichend hell in jeder Höhle.

Die kleine Oma Helga mit ihrem übergroßen Katzenhai im Schnabel wurde langsamer, als sie den Höhleneingang zu ihrer neuen Delphinhöhle ansteuerte. Der Katzenhai knurrte nur mehr leise, denn eigentlich verstanden sich Delphine und Katzenhaie ja prächtig. Keine andere Haiart hätte sich eine solche Behandlung gefallen lassen. Irgendwie war der Katzenhai auch neugierig geworden, was dieser alten Delphinoma als Nächstes einfallen würde.

Kaum war Oma Helga mit ihrer Beute in ihrer hübschen Eingangshöhle angelangt, hörte sie schon leise Stimmen. Ihr Sohn Norbert hatte sie wohl bei seinen Brüdern verpetzt, denn er hatte seine Mutter als Erster wieder aufgespürt. Umzuziehen und zu vergessen ihrer Familie Bescheid zu geben, war nur eine von Oma Helgas Eigenarten. Oma grinste, denn sie hatte die Stimme von Gerhard und seiner Frau Ulli erkannt. Anders als ihr Sohn Thomas, hatten die beiden nur eine einzige Tochter und für eine Wohnhöhle, die mit den vielen Nachkommen aus Thomas’ Großfamilie vollgestopft war, hatte Oma Helga heute eindeutig keine Nerven. Schließlich war sie gerade im Begriff ihre eigene unmittelbare Familie, um einen Katzenhai zu erweitern.

Von der Wohnhöhle aus gab es einen kleinen Gang, der zur Vorratshöhle und den anderen Höhlenabteilen führte. Omas Katzenhaie hatten die Bewegung im Wasser gespürt und kamen jetzt von dort in die Wohnhöhle geschwommen, denn ihr Frauchen kam heim und das bedeutete im Regelfall, dass es Essenszeit war. Brav hatten die Katzenhaie ihre Futterschüsseln im Maul und blickten erwartungsvoll Richtung Eingangshöhle. Das Gespräch zwischen Gerhard und Ulli war sofort verstummt, als die Katzenhaie auftauchten. Auch sie beobachteten jetzt den Höhlendurchgang zur Eingangshöhle. Es war an der Zeit für Oma Helgas großen Auftritt.

Mit ihrer Beute im Schnabel schwamm Oma Helga freudestrahlend in die Wohnhöhle und beobachtete dabei alle Anwesenden genau. Gerhard und Ulli klappten die Schnäbel auf und Omas Katzenhaie ließen die Schüsseln aus ihren Mäulern fallen. Die Katzenhaie strahlten Oma Helga freudig an. Mit einem lauten, »Miau!«, begrüßten sie die heimgekehrte Katzenhaimama. Das Missfallen ihres Sohnes und seiner Frau nahm Oma zur Kenntnis, aber es war aus Omas Sicht auch unbedeutend. Ihre geliebten Katzenhaie schienen zufrieden und das war alles, was zählte. Sanft landete sie mit der Beute vor ihren Hausthaien und erklärte, »Hier habt ihr noch einen Spielgefährten. Er ist schon halb verhungert, daher muss ich ihn gleich füttern.« Oma verschwand sofort zur Vorratshöhle und ließ ihr neues Haustier verdutzt zurück. Der Katzenhai gehörte zu einer stämmigeren Art Katzenhaie und war fast zwei Meter lang. Damit übertraf er nicht nur Oma Helga um einen halben Meter, sondern auch Gerhard und Ulli um zwanzig Zentimeter mindestens. Der Katzenhai sah an sich herunter und inspizierte seinen stattlichen Bauch. War die alte Delphinoma vielleicht nicht nur verrückt, sondern auch blind? Die anderen Katzenhaie kicherten, aber Gerhard und Ulli schmollten. »Ihre Katzenhaie sind ihr schon wieder wichtiger, als ihre eigene Familie«, meckerte Gerhard leise und Ulli nickte zustimmend. Es war gefährlich so etwas laut auszusprechen, denn dann könnte es eine Kopfnuss von Oma geben. Die Katzenhaie hatten das Gemecker aber gehört und streckten jetzt frech die Zungen heraus, was Gerhard und Ulli nur noch mehr ärgerte.

Oma Helga war gleich wieder zurück. Im Schnabel hatte sie eine ziemlich große, runde Futterschüssel und in Menschensprache war das Wort »Rambo« an der Seite der Schüssel zu lesen. »Heißen wir unseren neuen Freund Rambo in unserer Familie willkommen«, verkündete Oma, nachdem sie die Futterschüssel abgelegt hatte, und sauste wieder aus der Wohnhöhle. Rambo hatte schon das Maul geöffnet, um der Delphinoma seinen richtigen Namen zu nennen, aber die anderen Katzenhaie schüttelten heftig den Kopf. Rambo schwieg und vertraute auf den Ratschlag seiner Artgenossen. Oma war zurück und diesmal hatte sie den Schnabel voll mit unzähligen Futterfischen. Die kleineren ließ sie in die Futterschüsseln ihrer kleineren Katzenhaie purzeln, aber den dicken, fetten, bodenständigen Futterfisch ließ sie in Rambos Schüssel fallen. »Lass es dir schmecken, mein kleiner Schatz«, flüsterte die glückliche Oma ihrem neuen Katzenhai zu und streichelte liebevoll mit ihrem Schnabel seine Schnauze. Rambo blickte von ihr zu seiner neuen Schüssel und dem leckeren Inhalt und beschloss, dass Karl-Rüdiger ohnehin weniger gut klang, als Rambo. Sein neuer Name gefiel ihm, wie er umsorgt wurde, gefiel ihm und alles was er tun musste, war mitzuspielen. Mit seiner tiefen Reibeisenstimme bedankte sich Rambo artig mit einem liebevollen, »Miau.«

Gerhard kochte schon fast vor Wut, »Mama! Die Katzenhaie sind intelligente Meeresbewohner und können selbst zur Jagd schwimmen. Du musst sie nicht füttern. Sie können sogar wie wir Delphine sprechen. Lass dich bloß nicht immer von ihnen um die Flosse wickeln.« Oma Helga sah zu ihren Katzenhaien und diese hoben den Kopf aus ihren Futterschüsseln. Unschuldig fragten sie, »Miau?« Ruhig schwamm Oma Helga zum Esstisch, an dem ihr Sohn und ihre Schwiegertochter in zwei Liegemulden lagen, und starrte beide an. »Katzenhaie können sprechen? Na sicher. Wollt ihr mir beim Essen Gesellschaft leisten? Ich bringe euch ein paar leckere Seegurken. Vielleicht funktioniert euer Verstand heute nicht, weil ihr Hunger habt.« Oma Helga wartete nicht auf eine Antwort und sauste wieder davon.

»Mist. Sie ist noch immer auf dem Seegurken-Trip, so wie unsere Tochter«, fluchte Ulli. »Nur die Katzenhaie kriegen einen leckeren Futterfisch. Ich fühle mich schon ganz schwach«, seufzte Gerhard leise und schon war seine Mutter wieder zurück. Heute gab es dunkelgrüne, extra saure Seegurken und Oma Helga hatte gleich einen ganzen Stapel davon mitgebracht, der jetzt auch aufgegessen werden musste. Seegurken waren zwar eine gute Abwechslung, aber wenn man sich ausschließlich von ihnen ernährte, war die Ernährung doch recht einseitig. Fröhlich und vergnügt begann Oma eine saure Seegurke zu essen und biss herzhaft hinein, KNACKS. Die Katzenhaie futterten fröhlich und laut ihre Futterfische, SCHMATZ. Gerhard und Ulli begannen mit weniger herzhaften Knackgeräuschen verdrießlich an ihren Seegurken zu knabbern, WÜRG.

Katzenhaie waren zwar als die Schelme der Meere bekannt und für sie war vieles immer nur ein Spaß, aber den leidenden Gerhard und seiner Frau beim Gurkenmümmeln zuzusehen, störte sie doch ein wenig. Vor allem Rambo fühlte sich nicht sehr wohl, wenn er den beiden Delphinen beim Essen zusah. Andererseits ging es den Katzenhaien in diesem Haushalt offensichtlich sehr gut und es mangelte ihnen an nichts. Als Oma sich noch eine gelbe Seegurke aus der Vorratshöhle holen wollte, handelte Rambo sofort. Er nahm den Rest von seinem bodenständigen, leckeren Futterfisch ins Maul und sauste damit zum Esstisch. Bettelnd blickte er Gerhard und Ulli an, damit sie schnell den leckeren Futterfisch verschlingen mögen. Beide schüttelten aber nur traurig den Kopf und sahen Rambo dabei freundlich an. Rambo war verblüfft, denn der knurrende Magen von Ulli und Gerhard bewies doch, dass beide den leckeren Futterfisch wollten. Durch ein Geräusch aus dem Gang wusste Rambo, dass sein Frauchen zurückkam. Sofort sauste er zurück zu seiner Schüssel und fraß weiter an seinem Futterfisch. Den Kopf hatte er abgewandt und tat so, als ob nichts passiert wäre. »Jut gemacht. Ham wa och schon probiert«, flüsterte das kleine Katzenhaiweibchen neben ihm in verschwörerischem Tonfall. Ihre Futterschüssel war mit dem Namen »Kunibert« beschriftet. Rambo blickte auf und sah, dass ihm alle seine Artgenossen anerkennend zunickten. Dann sah er sich alle Futterschüsseln genauer an und stellte fest, dass Oma Helga nicht nur bei Kunibert das Geschlecht verwechselt hatte. Es war aber auch möglich, dass solche Details für Oma Helga einfach nicht wichtig waren.

Nach dem Essen begann das Verhör. Oma Helga war schlau und wusste schon die ganze Zeit über, dass dies heute kein reiner Höflichkeitsbesuch war. Während Gerhard und Ulli mit Oma redeten, flüsterten die Katzenhaie ihrem neuen Gefährten nützliche Informationen zu. Rambo war hin und hergerissen, wem er nun zuhören sollte. »In da Nacht können wa Mutprobe spieln, wenn se schläft.«, »Das Verhalten von Karina wird immer seltsamer.«, »… ist nischt so glücklich mit uns. Schlimmer Norbert. Seen Bruder Thomas is cooler ….«, »… nicht gut auf meine Enkeltochter aufgepasst. Ihr beiden solltet euch ...«, »Immer brav mitspieln und nischt reden. Nur Miau. Allet klar?«, »… in der Schule sind merkwürdig. Ich denke, Gerhard meldet sich freiwillig und berichtet über diese Vorfälle in der Hauptstadt. Am besten wäre es ...«, »Oje. Karina is lustig. Is och Vegetarier. Unsere Delphinschen haben Problemschen.«

Im Kopf von Rambo drehte sich schon alles. Es waren einfach zu viele Informationen. Dann bemerkte er Oma Helga, die über ihm schwebte und auf ihn heruntergrinste. Rambo fragte, »Miau?« »Ich bin in fünf oder sechs Tagen zurück, wenn ich schnell schwimme. Bis bald«, maulte Gerhard aus der Eingangshöhle und schwamm verärgert los. »Komm, Schwiegertochter. Du kannst mir helfen, meine Katzenhaie zu streicheln«, befahl Oma Helga. »Wieso hast du Gerhard geschickt und nicht mich? Ich wäre sicher genauso schnell dort und wieder zurück gewesen«, erkundigte sich Ulli und kam vom Esstisch zu ihrer Schwiegermutter geschwommen. »Ach, Schatz. Als voll emanzipierte Delphinfrau muss ich dir sagen, dass Männer dazu da sind, um die anstrengenden Sachen zu erledigen. Du musst dir Gerhard einfach besser erziehen.« Ulli schaute ihre Schwiegermutter groß an. Das klang ja nicht sehr emanzipiert, sich nur die guten Dinge aus der Gleichberechtigung herauszupicken. Ihre Schwiegermutter hatte eben ihre eigene Denkweise. Oma fuhr blitzschnell mit ihrem Schnabel unter Rambos Seitenflosse und wirbelte ihn herum. Verblüfft lag Rambo plötzlich auf dem Rücken und Oma Helga kraulte ihn mit ihrem Schnabel unter den Flossen. Ein wohlig warmes Gefühl durchflutete ihn und er begann zufrieden zu schnurren. Neben ihm lag plötzlich Kunibert und sie schnurrte ebenfalls schon glücklich und zufrieden, denn ihr wurde von Ulli der Bauch gekrault.

Norbert hörte das Schnurren schon aus der Eingangshöhle. An manchen Tagen fragte er sich, warum er überhaupt noch heimkam, wenn seine Mutter ohnehin nur auf Katzenhaie zu stehen schien. Mit den Zähnen knirschend schwamm er leise weiter in die Wohnhöhle.

Kitty war die Letzte, die verwöhnt wurde und von Oma Helga und Ulli gleichzeitig am Bauch unter den Seitenflossen gekrault wurde. Dann klappte ihr Maul auf und mit einem ‚Plopp‘ fiel die Zunge heraus, die auch gleich auf den Höhlenboden klatschte. Kittys Augen rollten und ihr ganzer Gesichtsausdruck war der, einer glücklichen Katzenhaidame. Während Kitty noch genüsslich schmatzte, knurrte Ullis Magen schon wieder. Ulli fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis sich ihre Verdauung endlich auf die Seegurken umgestellt hatte. Schließlich knurrten die Mägen von Oma Helga, Karina und sogar der Magen vom langen Norbert nie.

Norbert räusperte sich und seinem Gesichtsausdruck zufolge war er nicht glücklich. Norbert hatte den riesigen, zwei Meter langen Rambo schon entdeckt und starrte ihn jetzt säuerlich an. Rambo war zwar größer als ein durchschnittlicher Schwarz-Weißer Delphin, aber Norbert war noch ein Stück länger und wäre er nicht so schlaksig gewesen, dann könnte man ihn leicht mit einem der zwei Meter und zwanzig Zentimeter langen Blau-Weißen Delphine verwechseln. Doch waren die meisten Siedlungsdelphine eher von den Schwarz-Weißen Delphinen. Rambo glupschte Norbert am Rücken liegend an und drehte sich mit einer schnellen Seitwärtsrolle wieder in eine normale Lage. Er wich auch ein Stück zurück, da ihm die Situation jetzt unangenehm wurde.

»Willst du unser neues Familienmitglied, Rambo, nicht willkommen heißen?«, erkundigte sich Oma Helga. Norbert öffnete den Schnabel und sagte lediglich, »Hallo, Mama. Hallo, Schwägerin.« Oma Helga schnellte nach vor und verpasste Norbert mit dem Schnabel sehr flink eine Kopfnuss. TOCK

»Willkommen in der Familie, Rambo«, erklärte Norbert freudlos, während eine Beule auf seinem Kopf wuchs. Ulli war bei der Blitzaktion zurückgeschreckt und auch Rambo war zusammengezuckt. »Geht doch. Ich bring dir gleich eine leckere Seegurke«, freute sich Oma Helga und sauste in den Gang zur Vorratshöhle. Norbert sah die Katzenhaie wütend an und zischte, »Ihr kleinen Terroristen.« Bis auf Rambo kicherten alle Katzenhaie und miauten auch unschuldig. Rambo kannte sich gerade nicht wirklich aus und verstand auch nicht, warum seine Artgenossen bei dieser merkwürdigen Delphinoma blieben. Ulli streichelte Rambos Kopf mit dem Schnabel und erklärte, »Meine Schwiegermutter liebt ihre Söhne, aber sie hat eine sehr eigenwillige Art, es ihnen zu zeigen. Daran gewöhnst du dich recht schnell.«

Oma Helga sauste wieder in die Wohnhöhle und legte eine dunkelgrüne Seegurke auf den Esstisch. Dann sah sie sich Norbert nochmal genauer an, aber dieser wirkte noch immer nicht fröhlich. »Bist du sauer, weil wir Zuwachs bekommen haben?«, erkundigte sie sich. Norbert nickte nur stumm. »Bei Poseidon. Was habe ich nur verbrochen, zwei so schlimme Söhne wie Thomas und Norbert zu haben. Schwimm Gerhard nach und begleite ihn auf den Weg in die Hauptstadt. Essen darfst du zur Strafe unterwegs. Und tschüss.«

Bevor sich Ulli noch verabschieden konnte, war Norbert auch schon wieder verschwunden. »Sag mal, Schwiegermutter. In der letzten Siedlung, in der du gewohnt hast, war doch Norbert immer der Brave. Gerhard und Thomas waren immer die schlimmen Söhne. Hast du jetzt drei schlimme Söhne?«, erkundigte sich Ulli. »Wieso? Gerhard ist doch eh ein braver Sohn, oder etwa nicht?«, war die Antwort. Ulli freute sich zwar, weil ihr Gerhard jetzt ein braver Sohn war, aber ihre Augen rollten trotzdem, denn jetzt hatte sie Probleme ihrer Schwiegermutter noch zu folgen. »Schwiegertochter, du musst noch viel lernen. Es ist das Vorrecht einer Frau, ihre Meinung zu ändern«, erklärte Oma Helga mit freundlicher Stimme. Die Bäuche der Katzenhaie glucksten, denn jetzt kam sicher Omas Ansprache zu den Vorteilen, eine Frau und Mutter zu sein. Für Rambo und Ulli würde es jetzt ein interessanter Morgen werden.

 

»Tagchen. Ich brauch kurz Verpflegung für eine Reise in die Hauptstadt«, begrüßte Norbert die einzige Delphindame, die im Versorgungsstützpunkt der Siedlung gerade Dienst hatte. Es war eine junge und äußerst attraktive Delphindame namens Miranda und sie kicherte auch sofort, als der lange Norbert hereinkam. Miranda war Single und Norbert war auch Single. Sofort klimperte Miranda mit den Augen und sauste in das Vorratsabteil. Gleich darauf legte sie einen kleinen Stapel Seegurken vor Norbert, aber dieser lehnte dankend ab. Statt dessen fragte er, »Kann ich nicht die drei leckeren Futterfische hier am Tresen haben?« Verblüfft sah Miranda ihn an, »Bist du nicht ein vegetarischer Delphin, wie deine Mutter?« Norbert erwiderte, »Im Prinzip schon, aber mit Seegurken im Bauch kann man keine langen Reisen unternehmen. Ich gehöre zu den vernünftigen Vegetariern, die sich nicht ausschließlich einseitig ernähren.« »Du bist zwar süß, aber wenn mich deine Mutter fragt, was du gegessen hast, werde ich ihr die Wahrheit sagen müssen«, seufzte Miranda betrübt. Norbert grinste und gesellte sich zu den drei Futterfischen, »Also das ist die Futterfischfamilie Seegurke. Das hier ist Herr Seegurke mit seiner Frau. Der kleine hier ist Walter Seegurke, ihr Sohn.« Mirandas Augen rollten. Irgendwie hatte sie Norbert nicht verstanden. Es dauerte keine Minute, da waren die Futterfische verputzt. Norbert schmatzte noch und erklärte, »Sollte meine Mutter nachfragen, dann habe vor meiner Abreise nur Seegurken gegessen. Alles klar?« Miranda kicherte, »Alles klar, du Schelm. Mit so einer exzentrischen Mutter, muss man wohl kreativ werden.« Norbert legte sanft seinen Schnabel auf Mirandas Schnabel und flüsterte, »Danke. Wir sehen uns in ein paar Tagen, wenn ich zurück bin.« Miranda freute sich über den liebevollen Abschied. Norbert schien sie zu mögen und abgesehen davon, dass er das Leben nicht allzu ernst zu nehmen schien, war er ein kreativer und sehr toller Delphin. Wer weiß, was die Zukunft für die beiden bringen würde.

 

Eine Stunde später hatte Norbert seinen Bruder eingeholt. »Ich musste nur deinem knurrenden Magen folgen. Den hört man schon von weitem«, feixte Norbert. Gerhard erwiderte verdrießlich, »Zwei Jahre sind wir jetzt schon unserer Tochter zuliebe Vegetarier. Ich weiß nicht, wie du das mit Mama schon fünf Jahre lang aushältst. Deinen Magen habe ich jedenfalls noch nie knurren gehört.« »Ich hab mich ja schon als Jungdelphin daran gewöhnt. Außerdem kann mein Magen nicht knurren, wenn ich vor meinem Aufbruch schnell noch drei ganze Seegurken gegessen habe«, erwiderte Norbert, ohne dabei rot zu werden. »Bei deiner Geschwindigkeit brauchen wir eine Woche. Schwimm mir einfach nach«, erklärte Norbert und übernahm die Führung, damit Gerhard nicht so viele Fragen stellen konnte.

Chefausbilderin Nordstrom

Frau Nordstrom war glücklich. Sie hatte den tollsten Job der Welt, denn sie arbeitete in der Ausbildung der Wächterdelphine als Chefausbilderin. Die Wächterdelphine schützten die Siedlungen und im Besonderen die Jagdreviere der Delphine. War in der Nähe ein Strand der Menschen, dann schützten sie die Menschen unauffällig vor Haiangriffen und versuchten Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Es war eine Ehre und eine große Verantwortung in der Ausbildung zu arbeiten. Erst heute hatte sie mit den Azubis bei der Sicherung eines Jagdreviers geholfen. Ein frecher Hai hatte sich blicken lassen und unter Frau Nordstroms Aufsicht hatten sich die Azubis vorbildlich verhalten. Die Azubis hatten den Hai höflich aufgefordert, sich aus dem Jagdrevier der Delphine zu verziehen. Dabei waren sie nach Art der Wächterdelphine die ganze Zeit über wachsam und kampfbereit gewesen. Ihre Seitenflossen hatten leicht vibriert, um sich für einen möglichen Kampf aufzuwärmen. Auch ihre Schwanzflosse hatte leicht gewedelt. Der freche Drescherhai hatte die Botschaft verstanden. Er hatte die Lippen hochgezogen und mit seinen vielen Reihen rasiermesserscharfer Zähne dümmlich gegrinst. Zudem hatte er versucht riesengroße Glupschaugen zu machen, um seine Unschuld noch zusätzlich zu beteuern. Es war die dümmliche Art der Haie, entschuldigend oder unschuldig zu grinsen. Leider versuchten dieses Grinsen auch umtriebige Delphinehemänner oder Jungdelphine anzuwenden. Bei erwachsenen Delphinen sah dieses Grinsen ebenso dümmlich aus, wie bei den Haien. Die angehenden Wächterdelphine hatte sich tadellos verhalten und heute hatte Frau Nordstrom auch noch erfahren, dass sich die Hälfte der Azubis für ein neues Siedlungsbauprojekt melden wollte. Dort gab es nicht nur ein paar Strände, die geschützt werden mussten, es gab auch noch jede Menge anderer Sicherungs- und Hilfsaufgaben. Frau Nordstrom war zufrieden, dass so viele engagierte Jungdelphine unter den Azubis waren.

Ein weiterer Grund zur Freude war Manfred. Manfred war Frau Nordstroms geliebter Sohn und er besuchte gerade die dritte Klasse. Dieses letzte Schuljahr ging gerade seinem Ende zu und dann würde sich Manfred am Wächterposten bewerben, um in alter Nordstromtradition auch ein Wächterdelphin zu werden. Manfreds beste Freundin Silke war der Bonus, denn sie wollte schon von Babytagen an ebenfalls ein Wächterdelphin werden und manchmal sah es so aus, als könnte sie sogar schon schneller schwimmen als Manfred. Eine kräftige Schwanzflosse war ein Vorteil in jedem Beruf, aber für einen Wächterdelphin war das ein Muss.

Vergnügt schwamm Frau Nordstrom zur Schule, um nach ihrem Sohn zu suchen. Daheim war er nicht gewesen, obwohl er eigentlich freigestellt war, da er sich beruflich schon entschieden hatte. Nur Delphine, die noch keine fixen Zukunftspläne hatten, mussten in der dritten Klasse tatsächlich in die Schule schwimmen. Die anderen durften sich schon voll und ganz auf ihre neue Lebensaufgabe konzentrieren und bei dem ausgewählten Beruf geringfügig mitarbeiten oder für die Aufnahmeprüfung trainieren.

»Hallo, Frau Nordstrom«, quietschte eine vergnügte junge Mädchenstimme, als Frau Nordstrom vor der Schule wartete. Frau Nordstrom erkannte die Stimme sofort und drehte sich Richtung Sportplatz, »Hallo, Nadja. Weißt du, wo mein Sohn steckt?« Erstaunt sah Frau Nordstrom ihre junge Zweitklässlerfreundin an, denn Nadja kam schon wieder nicht alleine. Ein verträumt wirkender Zweitklässler klebte förmlich auf Nadjas Schwanzflosse und bekam offensichtlich nicht einmal mit, wo Nadja überhaupt hinschwamm. Frau Nordstrom kicherte, »Dir klebt da jemand an der Schwanzflosse.« Nadja grinste breit und säuselte, »Jaaaaaaaa. Ist das nicht wundervoll.« Offensichtlich hatte es die beiden ziemlich erwischt, dachte sich Frau Nordstrom und schmunzelte. »Ach ja. Manfred. Die Drittklässler waren heute alle nicht in der Schule. Ich nehme an, er trainiert mit Silke für die Aufnahmeprüfung der Wächterdelphine. Morgen sind aber alle Drittklässler da und sollen uns Zweitklässlern berichten, wie sie sich auf die Aufnahmeprüfungen zu den verschiedenen Berufen vorbereiten«, erklärte Nadja. Frau Nordstrom nickte zufrieden. Die Zweitklässler würden sicher von ihrem disziplinierten und braven Sohn begeistert sein, dessen war sich Frau Nordstrom sicher. Dann bemerkte sie, wie Nadja herumzappelte. »Du willst wohl schon wieder mit mir um die Wette schwimmen?«, erkundigte sie sich lächelnd. Nadja nickte wie verrückt. »Also gut. Ich schwimme zurück zum Schulungsposten. Falls du es schaffst, an mir dranzubleiben, kannst du ja gerne mitkommen und mir bei der Ausbildung der Azubis helfen.« Nadja riss die Augen weit auf und nickte sogar noch heftiger. Allerdings war sie da zu optimistisch, denn Frau Nordstrom war unglaublich schnell, obwohl sie für einen Schwarz-Weißen Delphin ziemlich klein war. Nadja durfte zuerst losschwimmen und für eine kurze Zeit hatte sie die Führung. Die eigene Siedlung war recht klein und hatte keinen Strand, daher war der Wächterposten in der Siedlung recht klein und auch nicht als Schulungsposten geeignet. Der Schulungsposten war in einer größeren Siedlung mit Strand weit weg gelegen. Bei normaler Geschwindigkeit musste man eine Stunde schwimmen, um dorthin zu gelangen. Bereits nach fünf Minuten war Frau Nordstrom gleich auf mit Nadja und ermunterte sie, schneller zu schwimmen. Nadja biss die Zähne zusammen und strengte sich immer mehr und mehr an. Nach zwei weiteren Minuten musste sie aber aufgeben. »Wahnsinn«, keuchte sie und hechelte heftig. Frau Nordstrom tauchte zur Meeresoberfläche auf, damit Nadja ihr folgen und an der frischen Luft besser durchatmen konnte. »Wenn ich erst erwachsen bin, werde ich sicher auch so schnell schwimmen«, presste Nadja schnell heraus und hechelte dann weiter. Frau Nordstrom lachte und bestätigte, dass dies wahrscheinlich der Fall sein würde. Dann verabschiedete sich Nadja. Sie drehte sich zu ihrem Anhang um, den Frau Nordstrom erst jetzt bemerkte, und deutete Richtung Siedlung. Zügig schwammen beide davon und ließen eine verblüffte Frau Nordstrom zurück. »Da soll mich doch der Seeteufel holen«, fluchte Frau Nordstrom. »Der Kleine hat ja nicht einmal leicht gehechelt und ich habe kein Anzeichen von Ermüdung feststellen können. Das ist erstaunlich. Der Zweitklässler muss ja schon ein gewaltiges Lungenvolumen haben. Nachdem Nadja ihn noch nicht vorgestellt hat, sollte ich ihn vielleicht einfach nur Lunge nennen«, kicherte Frau Nordstrom. Dann schwamm sie zurück in die Arbeit.

Zu Besuch bei Norberts Freunden

Es wurde Abend und nicht nur der Magen von Gerhard knurrte. Auch Norberts Magen machte schon einen Aufstand. »Da vorne ist die Siedlung, Gerhard. Wir können sicher bei meinem Kumpel Bernhard übernachten. Er hat die Höhle seiner Eltern übernommen und mit etwas Glück hat er sogar schon seine angebetete Barbara geheiratet«, keuchte Norbert. Gerhard war zu erschöpft, um noch zu antworten. Er nickte einfach nur. »Ein Stück westlich ist übrigens eine Meermenschenstadt. Sie heißt Ankerstadt und ist wunderschön«, keuchte Norbert. Gerhard wunderte sich schon den ganzen Tag über, woher Norbert das alles wusste. Vermutlich lernte er viele Delphine und Meermenschen kennen, wenn ihre Mutter wieder einmal umgezogen war, ohne jemand zu verraten - wohin. Norbert war immer der Erste, der die verschollene Mama mit ihren vielen Katzenhaien suchen schwamm.

»Die Ankerstraße«, stöhnte Norbert. Gerhard folgte seinem Bruder mit heraushängender Zunge. Der rostige Anker, der den Beginn der Ankerstraße markierte, war schon von weitem zu sehen gewesen und Norberts Stimmung war trotz seines erschöpften Zustands stetig gestiegen, seitdem sie ihrem Ziel immer näher kamen. Bei der dritten Höhle in der unteren Etage hielt Norbert an und schwamm gleich direkt durch in die Wohnhöhle. Gerhard war zurückhaltender. Langsam schwamm er an den Haken mit den aufgehängten Delphinbeuteln in der recht ordentlichen Eingangshöhle vorbei und staunte über den schönen Spiegel, der sich fast über die gesamte Länge der Eingangshöhle zog. Der eine Delphinbeutel war für einen Versorgerdelphin der Jagdtruppe gewesen, aber der große Beutel war für einen Versorgerdelphin, der die Deckenblasen in den Delphinhöhlen mit Luft auffüllte. Nur war dieser Beutel viel zu groß. Dieser Bernhard musste ein ziemlich großer Delphin sein, wenn er mit so einem Beutel Luft von der Meeresoberfläche holen konnte.

»Norbert!«, rief eine erfreut klingende, weibliche Delphinstimme aus der Wohnhöhle. Gerhard war sofort neugierig und schwamm ebenfalls in die Wohnhöhle. Aus dem hinteren Teil der Wohnhöhle waren offensichtlich gerade zwei junge Schwarz-Weiße Delphine gekommen, die seinen Bruder überschwänglich begrüßten. Bernhard war also doch kein so riesiger Delphin, wie Gerhard aufgrund des Beutels vermutet hatte, und offensichtlich war Norbert mit beiden Delphinen tatsächlich sehr vertraut. »Das ist mein kleiner Bruder, Gerhard«, stellte Norbert ihn vor. »Hey, ich bin älter«, meckerte Gerhard, der nur ungern Ziel von Norberts Witzeleien war. Schließlich begann eine kurze Vorstellungsrunde, die vom lauten Knurren von Gerhards Magen rasch beendet wurde. »Bitte zu Tisch, bevor es ganz dunkel ist. Im Finsteren ist es schwerer zu essen«, schlug Bernhard vor und Barbara sauste schon nach hinten, um Essen aus der Vorratshöhle zu holen. »Norbert und ich sind Vegetarier. Für uns bitte nur Seegurken«, bat Gerhard höflich. Dann musste er heftig niesen. »’tschuldigung. Hab wohl eine kalte Strömung erwischt«, bemerkte Gerhard. Bernhard schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.

Barbara starrte kopfschüttelnd in die Vorratshöhle. Einseitige Ernährung schwächte das Immunsystem. Das lernte man doch schon in der ersten Klasse und von den eigenen Eltern. Schnell nahm sie die vier Seegurken aus der Vorratshöhle in den Schnabel und schluckte sie beinahe unzerkaut hinunter. Dann nahm sie die größten und fettesten Futterfische, die in der Vorratshöhle waren und schwamm zurück. Die Futterfische klatschten auf den Esstisch und während Gerhard enttäuscht war, dass keine Seegurke dabei war, schien Norbert überglücklich. »Es tut mir wirklich leid, aber Seegurken sind gerade aus. Ihr werdet wohl mit denen hier vorlieb nehmen müssen oder morgen im Versorgungsstützpunkt nachfragen müssen«, entschuldigte sich Barbara. Bernhard schwamm unauffällig näher an seine Frau und schnüffelte an dem unschuldig grinsenden Schnabel seiner Frau. Jetzt wusste er, wo die Seegurken aus der Vorratshöhle hinverschwunden waren. Er zwinkerte ihr zu und sein Bauch gluckste leicht. Norbert startete das Gemetzel am Esstisch, ohne auch nur eine Sekunde über seinen offiziellen Vegetarierstatus nachzudenken. Da sein Bruder ihm nur sehnsüchtig beim Essen beobachtete, drehte sich Norbert um und fragte, »Was? Willst du verhungern? Schnabel auf und lang tüchtig zu, sonst schaffen wir es morgen nicht in die Hauptstadt.« Gerhard knabberte vorsichtig und offensichtlich von Schuldgefühlen geplagt an einem der Futterfische. Schließlich fing er an, wie ein Verrückter die Futterfische herunterzuschlingen. Bernhard und Barbara beobachteten die beiden vegetarischen Brüder und freuten sich, dass sie auch einmal etwas Vernünftiges aßen. Bei Norbert war es aber allzu offensichtlich, dass er sich ganz sicher nicht nur ausschließlich von Seegurken ernährte.

 

»Hallo, Oma«, erklang die liebliche Stimme von Karina. Ulli leistete ihrer Schwiegermutter Gesellschaft, aber ihre Tochter nickte ihr nur kühl zu und ignorierte ihre Anwesenheit. Oma Helga brachte zwei mittelgrüne Seegurken für Karina und diese wurden sogleich gierig unter lautem Knacksen verspachtelt. »Danke, Oma. Das war sehr lecker.« »Aber gerne doch, mein Schatz. Es ist schön, dass du mich besuchen kommst.« »Was macht eigentlich Mama hier? Hat sie dir erzählt, dass sie und Paps mir hinterherschnüffeln und ich kaum mehr Privatsphäre habe?«, beschwerte sich Karina und sah ihre Mutter verärgert an. Ulli schien ein wenig geschrumpft und lamentierte, »Wir sind deine Eltern. Wir müssen doch ein Auge darauf haben, dass in der Schule alles passt und du wohl behütet aufwächst.« Karinas Augen sprühten Funken, aber bevor sie etwas erwidern konnte, ertönte ein, »Miau?«, ausgesprochen von einer tiefen Reibeisenstimme. Neugierig sah sich Karina im verblassenden Tageslicht Omas Katzenhaie genauer an und entdeckte den riesigen Brocken sofort. Es war der gewaltigste Katzenhai, den Karina jemals gesehen hatte. Sofort war sie bei ihm und streichelte ihn mit ihrem Schnabel zwischen den Augen. Rambo freute sich über die Aufmerksamkeit und fing leise an zu schnurren.

Diese schlaksige, junge Drittklässlerin war also Karina. Rambo war beeindruckt und mochte sie auf Anhieb. Wo aber war hier das Problem? Gab es wirklich ein Problem in der Schule, wie Oma Helga befürchtete oder ging es hier lediglich um einen Teenager-Delphin, welcher nach Unabhängigkeit strebte? Waren es vielleicht eher Karinas Eltern, die nicht wollten, dass das junge Delphinmädchen jemals erwachsen wurde? Bis gestern waren Rambo die Delphine lediglich als nette und freundliche Meeresbewohner bekannt gewesen, mit denen man ganz toll Delphinschnappen oder Mutprobe spielen konnte. Seit heute wusste er, dass Delphinfamilien ebenso interessante und komplexe Verhaltensweisen hatten, wie sie ihm nur von Haifamilien bekannt gewesen waren. Karina war mit streicheln fertig und zwinkerte Rambo zum Abschied noch zu. Dann begab sie sich wieder an den Esstisch, um den Disput mit ihrer Mutter fortzusetzen.

»Sie streichelt dir. Ik bin neidisch«, lamentierte Kunibert leise, während der Disput am Esstisch hitziger wurde. »Is dat unjewöhnlich?«, erkundigte sich Rambo. Seine Artgenossen nickten. Aber es war kein Neid in ihren Augen, sondern einfach nur die Freude, dass Karina ihren Artgenossen Rambo gerne zu haben schien. Rambo beschloss, einige Tage zu bleiben und den Delphinen ein wenig beizustehen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass dies genau der Grund war, warum Oma Helga ihn mitgenommen hatte.

Das Ende einer langen Reise

»Bernhard ist schon arbeiten geschwommen«, informierte Barbara ihre Gäste beim Frühstück. »Es sind gerade ein paar Versorgerdelphine auf Schulung in der Hauptstadt und daher haben wir einen kleinen Personalengpass. Bei den Luftversorgern ist es besonders eng«, erläuterte sie weiter. Gerhard nickte und endete sein Mahl vorzeitig. Sein schlechtes Gewissen war wieder da, da er eigentlich auch Seegurken vom Versorgungsstützpunkt holen hätte können. Norbert verzog das Gesicht und hörte auch auf zu essen. »Schon satt? Dann verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg«, schlug Gerhard vor. Norbert zappelte nur herum und dann presste er schnell hervor, »Ich glaub, ich hab mir

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: E.Dence
Cover: Natsu
Tag der Veröffentlichung: 06.12.2017
ISBN: 978-3-7438-4492-6

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
In liebevoller Erinnerung an Oma Helga und ihre vielen Katzen(-haie)

Nächste Seite
Seite 1 /