Ich habe mich so nach Dir gesehnt.
Ich wusste nicht, wie Du aussiehst, aber ich wusste, wie es wäre, wenn ich Dein Gesicht berühren könnte, dein Haar. Ich würde Dir all meine verborgene Zärtlichkeit schenken wie die Goldmünzen im Märchen, die mehr werden, wenn man sie verschenkt. Ein anschwellender Strom.
Wenn ich Dich nur endlich umarmen könnte, ganz und gar umarmen, dann würde das Leuchten tief ihn mir aufglühen, durch meine Haut dringen und mein altes Ich verbrennen, das Grau, das meine Farben verbirgt.
Mit Dir zusammen könnte ich tanzen. Wenn ich Dich lieben könnte, wenn ich endlich lieben könnte, meine Arme ausbreiten und dich umfangen, dann wäre ich angekommen.
Endlich ich selbst.
Aber du kamst nicht.
In den Nächten streckte ich meine Arme nach Dir aus, bis sie schmerzten. Das Leuchten in mir wurde zu einer zehrenden Glut.
Du müsstest nicht bleiben, dachte ich. Wenn ich Dich nur einmal treffen könnte, um zu fühlen, um zu erkennen, daß es wahr ist, daß es das wirklich gibt, dieses Leuchten, dann wäre alles gut. Dann wäre ich frei.
Aber du kamst nicht.
Bisweilen, glaubte ich Dich zu erkennen. Du gingst vorbei und ich wagte nicht, zu rufen. Aber du warst es nicht. Vielleicht würde ich Dich sehen und du mich nicht, bis ans Ende meiner Tage und schlimmer noch, lange davor, wenn alle meine Farben verschwunden waren unter der Haut der grauen Alten, eine wandelnde Tote.
Ich reiste über das Meer, um dich zu finden. Aber ich fand dich nicht.
Die Glut schmerzte, bis alle Hoffnung darin verglühte. Alle Goldmünzen erloschen zu Blei.
Ich konnte mich nicht mehr bewegen.
Ich hatte es nicht geschafft, dich zu finden.
Ich hatte es nicht geschafft.
Ich nicht.
Ich.
Inzwischen wird mein Haar grau und mein Gesicht wandelt sich zu dem der Alten. Aber ich bin noch immer lebendig und da ist noch immer das Leuchten in mir.
Vielleicht bist Du ja schon lange da. Vielleicht warst Du immer schon da und ich sehe Dich jeden Morgen beim Zähneputzen. Vielleicht besitze ich mehr Freiheit, als ich jemals ahnte. Und vielleicht, wenn es mir endlich gelingt, Dich ganz und gar zu umarmen, vielleicht dringt das Leuchten dann durch meine Haut und all meine Farben sind frei.
Und ich bin ganz ich selbst.
Es gelingt mir Tag für Tag ein wenig mehr.
Texte: eM
Bildmaterialien: eM
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2014
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