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Im Supermarkt

 

 

Da stehe ich nun, habe meine Einkaufliste in der Hand und suche all die Dinge, die man mir aufgetragen hat. Das Kind will Schokolade, mein Mann möchte Bier und ich suche Klopapier. Nicht, dass ich wirklich welches bräuchte, aber der momentane Hype-darauf gibt mir ja zu denken. Zumindest denke ich; ‚nie wieder wird es Klopapier in ausreichenden Mengen geben. Besser ist, du nimmst was mit.‘

Einen Gang weiter sehe ich eine Frau, die ihren Einkaufswagen mit Mehl füllt. Die Schlange hinter ihr an der Palette, die gerade erst vom Personal in den Gang geschoben wurde, nimmt rapide zu. Die Kunden hinter ihr mosern, schieben sie (nachdem das nicht hilft) unsanft zur Seite. Eine wahre Mehlschlacht beginnt. Eins ist klar, wenn ich mich nicht ins Getümmel stürze, bekomme ich vom Mehl nichts ab. Eigentlich brauche ich auch kein Mehl. Steht gar nicht auf meinem Zettel. Aber wenn Mehl so umkämpft wird, hat das sicher seinen Grund ...! Während ich noch mit mir hadere, ob ich Mehl brauche oder nicht, wird mein Verlangen danach immer größer ...! Ich kann nicht anders, bei der Schlacht ums Mehl muss ich dabei sein. Ohne Frage ... ich brauche Mehl!

Unglücklicherweise hat eine Rothaarige mein Zögern schamlos ausgenutzt und die letzten zwanzig Pakete in ihren Einkaufswagen geschmissen. Für mich bleibt nur noch ein kaputtes Päckchen im Gang liegen – und das will ich auch nicht. Jeder hat ja seinen Stolz. Eins ist sicher: Einkaufen will neu gelernt werden. Ich fühle mich wie ein Versager! Hoffentlich habe ich bei den Süßigkeiten mehr Glück ...!

Ich gehe leicht betrübt zum nächsten Gang.

Hier ist die Auswahl groß. Ich packe meinen Einkaufswagen mit Chips und Haribo voll und bekomme selbst Appetit auf die leckeren Sachen. Kann ja nicht schaden und außerdem, wozu braucht man Mehl, wenn man Kekse haben kann? Als ich mir zwanzig Pakete Kekse in den Wagen packe beginnt jemand zu schimpfen. „Hey, lassen Sie was für andere Kunden da!“

„Die anderen backen alle selbst“, erwidere ich leicht pikiert, stelle aber das 21. Paket wieder ins Regal zurück. Dafür packe ich noch ordentlich Schokolade ein. Die ist sogar im Angebot! Kostet statt 1,25 Euro nur noch 99 Cent. Ein echtes Schnäppchen! Ich beeile mich damit, den Aufsteller zu plündern, bevor der unfreundliche Typ den Rest der Kekse in seinen Wagen geschmissen hat. 39 Tafeln Schokolade! Mein Ärger ums Mehl ist vergessen. Ich fühle mich großartig!

Wo habe ich nur den Einkaufszettel? Oh je ..! Ich wühle meine Liste aus den Keksen wieder raus und suche weiter. Eine Kiste Bier für meinen Mann. Auch Bier ist genügend da. Ich stelle seine Lieblingsmarke unter meinen Wagen und könnte nun eigentlich zur Kasse gehen. Vergessen habe ich nichts, oder doch?

Ein paar Meter weiter schlagen sich zwei Frauen um Milch. Milch sollte ich unbedingt auch mitnehmen. Milch ist sehr gesund. Ich brauche Milch! ‚Wozu brauchst du Milch?‘, höre ich mein Unterbewusstsein fragen und bringe es abrupt zum Schweigen, als ich mir die letzte Stiege Milch schnappe und in meinen Einkaufswagen schmeiße. Zu meiner Erleichterung sind die beiden so in Rage, dass sie das gar nicht bemerkt haben. Schwein gehabt!

Apropos Schwein. An „richtiges Essen“ habe ich ja noch gar nicht gedacht. Da wir nun alle zu Hause sind, muss ich ja auch kochen.

Ich sollte Fleisch mitnehmen und Gemüse. Ich ergattere noch zwölf Pakete Frikadellen und 10 Gläser Bockwürstchen. Die Gemüseabteilung ist bereits abverkauft, aber bei den Dosen habe ich noch Glück. Eigentlich mag ich ja keine Kidney-Bohnen und Rotkohl ist auch nicht so mein Ding – aber wo ich schon mal da bin, nehme ich lieber etwas mit. Als ich meine Hand nach den letzten fünfzig Dosen Kidney Bohnen ausstrecke, bekommt eine Kundin neben mir hektische Flecken im Gesicht.

Ohne ein Wort packen wir beide im Akkord die Dosen in unsere Wagen. Mein Blick schweift zwischen Regal und meiner Konkurrentin hin und her. Sie ist weitaus jünger als ich, aber das schnelle Arbeiten scheint ihr nicht so zu liegen ...! Ich gewinne unseren Wettkampf um die Kidney Bohnen mit 28:22 und schiebe meinen Wagen stolzen Hauptes weiter als plötzlich ein gellender Schrei ertönt: „Toilettenpapier!“

Ich lasse alles stehen und liegen und renne den anderen hinterher um auch noch ein paar Rollen abzubekommen. Diesmal werde ich den Kampf nicht einfach aufgeben! Ich ringe mit einem Rentner, der mir mit seiner Gehhilfe welche über die Rübe zieht, aber auch dieser Schmerz hält mich nicht auf! Ich brauche Klopapier!

Irgendwer reißt nun an meiner Jacke, ein anderer zieht mir an den Haaren und auch ich bin nun in meinem Element und halte meine Konkurrentin von den Kidney Bohnen, am Rock vom Klopapier fern.

Irgendwer schreit: „Es gibt noch mehr!“, Wir schauen von unserem Kampfplatz auf und entspannen uns kurzzeitig, als ein Marktmitarbeiter eine zweite Palette Toilettenpapier in den Laden schiebt. „Jeder darf nur fünf Pakete!“, bestimmt der Mann entschieden.

Natürlich gebe ich ihm vollkommen Recht! Wenn diese elenden Leute nicht so hamstern würden, hätte ich auch noch Mehl abbekommen und nicht so viele Kekse kaufen müssen! Ist echt verrückt geworden, diese Welt!

Während ich versuche mein Klopapier irgendwie im Einkaufswagen zu verstauen, geht das Gerangel um die dritte Palette wieder los. Wird Zeit, dass ich zur Kasse komme. Nur wie? Das Klopapier passt einfach nicht mehr in den Wagen rein! Die Bierkiste muss weichen, auch wenn meinem Mann das sicher nicht gefällt. Aber in schweren Zeiten muss man eben Opfer bringen ;-)

 

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 01.04.2020

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