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Prolog

Noch nie in seinem ganzen Leben war sich Adam Cromwell so sicher gewesen, dass etwas absolut schief lief. Bis eben noch war die Nachtschicht als Wachmann im Black and Son- Tower ruhig verlaufen, wie eigentlich jeden Abend.

Doch vor wenigen Minuten hatte er einen lauten Knall gehört und das unverkennbare Klirren von zerbrechendem Glas. Scheinbar hatte sich jemand, ein Einbrecher höchstwahrscheinlich, durch eines der Fenster im unteren Stockwerk zutritt zum Gebäude verschafft, denn Adam stand nun vor den blindlings verstreuten Überresten der Glasscheibe. Stumpfsinnig starrte er einfach nur auf den Bodenbelag aus Scherben.

Er war weder sonderlich intelligent, noch wirklich mutig, was seinem ursprünglichen Plan zur Polizei zu gehen nicht gerade förderlich gewesen war.

Zudem war sein Kollege, Joe Perry, ausgerechnet heute nicht da. Er war der mutige von beiden. Und der mit mehr logischem Verstand.

Angeblich lag Joe von einer Grippe niedergestreckt im Bett. Aber es war zu 95℅ wahrscheinlicher, dass er gerade von einer Nutte aufs Kreuz gelegt worden war und sich munter durchficken ließ, während sein Kollege die Probleme hatte.

Also lag es nun an Adam allein, den Einbrecher zu stellen.

Langsam setzte der Wachmann sich in Bewegung und schlug den Weg nach links ein, eine mächtige Taschenlampe in der Hand.

Diese war weniger dafür geeignet zu leuchten, wie der schwache Lichtstrahl bewies, sondern eher dazu, irgendeinem armen Trottel den Schädel einzuschlagen.

Hier im Tower, wo reiche Geschäftsleute noch bis spät in die Nacht arbeiteten, sollte noch Grausames passieren.

Doch das wusste Adam natürlich noch nicht.

Er schlurfte gerade die Treppe zu den Aufzügen nach oben, als ein schriller, lauter Schrei durch das Gebäude hallte, der abrupt wieder verstummte.

Wie erstarrt blieb Adam auf der Treppe stehen und blickte nach oben. Ganz sicher war dort oben jemand verletzt.

Plötzlich waren die Handflächen des Wachmannes feucht vor Schweiß.

Als unausgebildeter Wachmann hatte er zur Verteidigung nur diese Lampe und ein mickriges Pfefferspray zur Hand.

Doch es war seine Pflicht, die Leute in diesem Gebäude zu beschützen.

Leise vor sich hin fluchend stapfte er die Treppe weiter hoch, obwohl er all seinen Mut dazu aufwenden musste.

Wieder zeigte er eine beeindruckende Zurückhaltung in Sachen Intelligenz. Ein schlauerer Mensch wäre zurück zur Rezeption gegangen und hätte erst die Polizei gerufen.

Am Treppenabsatz blieb Adam wieder stehen. Hier waren alle Lichter aus, nur seine Taschenlampe erhellte den Korridor.

Rechts waren die Aufzüge in Reih und Glied, die Rufknöpfe leuchteten schwach.

Links lagen schon die ersten Büroräume der Black- Foundation.

Alles war ruhig.

Misstrauisch sah Adam sich um und ging weiter.

Seine Schritte hallten von den Wänden wieder und ließen ihn immer wieder zusammenzucken.

Er hatte beinahe das Ende des langen Ganges erreicht, als aus dem vorletzten Raum jemand stolperte.

"He, wer ist da?", rief Adam und riss in einem Anflug von Intelligenz die Lampe nach oben.

Würgend drehte der Mann sich um, direkt hinein in den Lichtstrahl.

Blut rann aus seiner aufgeschlitzten Kehle und färbte das teure Markenhemd schwarz ein.

Für einen Moment starrte der blasse, sterbende Mann mit weit aufgerissenen Augen in das rundliche Gesicht des Wachmannes, bevor mit einem grauenvollen Gurgeln Blut aus seinem Mund spritzte und er noch auf der Stelle zusammenbrach.

Aufkeuchend stürzte Adam nach vorne und fiel neben dem Mann auf die Knie.

Klappernd fiel die Taschenlampe zu Boden, während der Verletzte seinen letzten, blutigen Atemzug tat.

Dann erlosch das Licht in seinen Augen und sein Gesicht nahm einen Ausdruck starren, maskenhaften Entsetzens an, welches der Tod mit sich zu bringen pflegte.

"Was zum...? Kann man nicht ein Mal in Ruhe morden?"

Die fauchende, leicht gedämpfte Stimme kam direkt aus den Büroraum vor ihnen.

Erschrocken packte Adam die Taschenlampe und riss sie nach oben, um dem Fremden damit direkt ins Gesicht zu leuchten.

Dieser hob fliegend die Hände, um fluchend seine Augen abzuschirmen.

"Du blöde Aushilfsamöbe! Nimm gefälligst das Ding runter, oder sehe ich etwa aus wie eine Lampe, dass du mich erleuchten willst?"

Perplex starrte Adam den Mörder an, der sich ein rotes Bandana vor Nase und Mund gebunden hatte, um sein Gesicht zu verschleiern.

Seine schwarzen Klamotten und seine ebenfalls dunklen Haare verschmolzen mit den Schatten hinter ihm, nur seine leichenblasse Haut und die hellen Augen leuchteten durch die Finsternis.

In seiner linken Hand hielt der Killer ein Messer, an dessen Griff ein Schlagring befestigt war.

Die Klinge bog sich an der Spitze leicht nach oben und war über und über mit Blut besuddelt.

Zitternd hielt Adam die Lampe fester umklammert, als sei sie ein Rettungsanker.

Gänsehaut kroch seinen Rücken hinauf und er biss sich so heftig auf die Zunge, dass er Blut schmecken konnte.

Vor ihm stand jemand, der einem Mann einfach so die Kehle durchgeschnitten hatte.

Das überforderte seinen Verstand und wie versteinert blieb er am Boden hocken.

Unbewusst und ebenso unpassend wanderten seine Gedanken plötzlich zu seiner Verlobten, die zu Hause auf ihn wartete.

Bald würden sie ihr erstes Kind bekommen. In einem Monat würde er Vater werden.

"Bitte", flüsterte er plötzlich.

"Ich bin verlobt, ich werde bald Vater. Bitte lassen sie mich am Leben."

Der Killer schnaubte hörbar und ließ die Hände sinken. Blinzelnd im hellen Licht blickte er auf den jungen Wachmann nieder und zog gekonnt eine Augenbraue in die Höhe.

"Wenn ich jedes Mal, wenn ich diesen Satz höre, einen Dollar bekommen würde, könnte ich meinen Arsch in einer Wanne voll Geld parken. Ist. Mir. Egal."

Seine Stimme triefte nur so vor Spott. Adams Unterlippe bebte leicht, als er weiter zu dem Mann aufsah.

Er dachte an all die Dinge, die er noch hatte tun wollen. All die Sachen, die er geplant hatte und nun für immer unvollendet bleiben würden.

Wenigstens musste er sich nicht lange mit solchen Gedanken quälen, denn plötzlich blitzte im Licht der Taschenlampe eine Messerklinge silbern auf.

Klappernd fiel die Lampe zu Boden und rollte langsam davon, während Adams Hände hilflos zu der tödlichen Wunde glitten. Dunkelrotes Blut lief über seine Hände und nahm ihn den Atem.

Die Klinge hatte seine Kehle sauber durchtrennt und der Wachmann spürte schmerzhaft, wie seine Lungen nach Luft schrien und sich doch nur mit Flüssigkeit füllten.

Dumpf fiel der schwere Körper vollendens zu Boden und blieb reglos liegen.

Adam hauchte seinen letzten Atemzug aus, während er vor seinem inneren Auge noch ein einziges Mal seine Verlobte sah.

Unbekümmert säuberte der Mörder seine Waffe an der Hose des Toten und wandte sich zum Gehen. Eine einzelne Krähenfeder glitt zu Boden, als Beweis, dass er hier gewesen war.

Blake Crow hatte wieder zugeschlagen.

 

 

 

Impressum

Texte: ©Constantin Vrenna
Bildmaterialien: Cover made by Constantin
Tag der Veröffentlichung: 03.12.2016

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