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Prolog



Emma lief den hellen Flur mit dem gelben Wänden entlang und fühlte sich allein. Ihre Schritte hallten laut wieder und sie war froh das Geräusch nicht mehr hören zu müssen, als sie vor einer Tür am ende des Flures halt machte. Sie klopfte und eine weiche Stimme rief: „Herein!“ Emma öffnete die Tür und befand sich in einem ebenfalls hellen Raum wieder. Auf einem Sessel vor einem Fenster an der Wand saß eine mollige Frau und schaute sie freundlich an. „Hallo Emma. Setz dich doch zu mir.“, sagte sie und wies auf die Couch ihr gegenüber. Emma wollte sie mit ihrem Namen ansprechen, aber er war ihr entfallen, also lächelte sie nur und setzte sich zaghaft. Ihr war unwohl und sie fühlte sich noch immer peinlich berührt hier zu sein. „Wie geht es dir heute?“, die mollige Frau schaute Emma freundlich an und wartete auf ihre Antwort. „Gut.“, log Emma. Die Frau lachte leise und wartete noch immer. „Geht so.“, brachte Emma heraus und schlug die Augen nieder. Sie wollte nicht erzählen. Sie wollte über glückliche Dinge reden. „Was ist denn heute passiert?“, wollte die Frau wissen. „Ich war in der Schule und als ich nach Hause kam, war mein Vater bei uns.“, sagte Emma schlicht und ließ ihre Augen durch den Raum schweifen. Auf einem kleinen Schild auf der Fensterbank stand: Mrs Dr. Claudia Ross. Emma hüstelte leise und war froh ihren Namen wieder zu wissen. „Wissen sie Mrs Ross, mein Vater hat noch ein paar Dinge abgeholt und wollte sich von mir und meiner Schwester verabschieden.“ Mrs Ross nickte und bedeutete ihr weiter zu reden. Aber Emma konnte nicht. Sie wollte nicht. Sei ehrlich zu ihr. Dann kann sie dir auch helfen. Also raffte Emma ihren Mut zusammen und sah Mrs Ross offen in die Augen und sagte: „Können wir heute über etwas anderes reden? Etwas schönes vielleicht?“ Mrs Ross war keines Wegs überrascht sondern fragte nur: „Du sagtest letzte Stunde, du hättest eine beste Freundin? Erzähl mir doch etwas von ihr.“ Emma war erleichtert und ihre Stimmung hellte sich mit dem Gedanken an Holly sofort auf. „Ihr Name ist Holly. Wir sind schon seid sehr lange Zeit beste Freundinnen. Für sie ist es sehr schwer Freunde zu finden, weil sie Stumm ist und nur die Geberdensprache beherrscht. Aber sie hat mir sie beigebracht und wir verstehen uns super.“
„Findest du es nicht komisch, nie ihre Stimme zu hören?“, fragte Mrs Ross, die etwas verwirrt war, als Emma sagte das Holly nicht sprechen konnte.
„Wieso sollte ich? Ich höre dich ihre Stimme, aber eben nicht mit meinen Ohren.“, antwortete Emma ganz sachlich. Mrs Ross nickte, „Fahr fort.“
„Wir gehen zusammen auf die High School und wohnen nicht weit von einander entfernt. Ich bin sehr froh, dass ich sie habe. Holly wohnt bei ihrer Tante, da ihre Mutter vor vielen Jahren gestorben ist und über ihren Vater weiß sie nichts. Aber sie ist dort gut aufgehoben. Sie ist kein schwieriger Mensch. Holly ist wie alle anderen, nur anders.“ Emma lächelte, als sie den Widerspruch erkannte, aber besser konnte man es nicht ausdrücken.
„Es hört sich so an als ob Holly etwas gutes für dich ist. Was findest du denn besonders toll an ihr?“
„Holly ist jemand der auf ihre ganz eigene Art und Weise lebt. Sie hat Angewohnheiten die etwas seltsam sind, aber ich finde es Ok.“, sprach Emma weiter.
„Was denn zum Beispiel?“, fragte Mrs Ross interessiert.
„Da gibt es ganz viel! Sie trägt in ihrer Manteltasche immer eine lange Rabenfeder mit sich rum. Jedes mal, wenn sie nervös oder sich unsicher fühlt, holt sie sie hervor und streicht sie glatt. Nur ich weiß das sie nie ohne ihre Feder aus dem Haus geht. Und Holly sammelt Buchstaben. Wann immer sie irgendwo einen sieht, fotografiert sie ihn und steckt ihn zusammen mit allen anderen in ihre Kiste. Egal wo und egal wann, immer findet sie Buchstaben die ihr gefallen. Auch ist es eine tolle Eigenschaft von Holly, dass sie Dinge genießen kann, die anderen noch nicht einmal auffallen. Wie zum Beispiel, liebt sie den Geruch von frisch bedrucktem Papier und das Gefühl, wenn man in einen großen Sack voll Kaffeebohnen greift. Sie kann hören was in der Ruhe alles erzählt wird und verstehen was der Wind in den Bäumen ihr erzählt. Und sie weiß, was das Feuer ihr sagen will, wenn sie mit ihm spielt.“, erzählte Emma und sie war so dankbar das sie Holly als beste Freundin in ihrem Leben hatte. Aber als sie wieder zu Mrs Ross blickte, erschrak sie. Mrs Ross war ganz bleich geworden fragte entsetzt: „Was meinst du mit `wenn sie mit dem Feuer spielt´ ?“
Emma lachte. „Keine Sorge. Sie ist keine Verrückte oder so. Holly arbeitet als Artistin im Zirkus und tritt dort als Feuerakrobatin auf.“
Mrs Ross Miene wurde wieder weicher. Auch sie lachte. „Ich dachte mir schon, dass Holly keine Häuser ansteckt. Aber sie hört sich wirklich besonders an. Hast du schon einmal so einen Auftritt von ihr gesehen?“
Emma nickte. „Ja ich habe schon oft zugesehen. Es ist toll, es sieht so aus als ob sie mit dem Feuer spricht, so das es das macht was sie sagt. Sie hat sich noch nie verbrannt oder sonstiges. Das Feuer tanzt um sie herum und lodert auf ihrer Haut. Manchmal schnipst sie einfach mit den Fingern und es entsteht eine kleine Flamme.“
Mrs Ross schaute sie ungläubig an. „Wow! Das ist ja super!“
Emma freute sich, dass Mrs ihr gerne zuhörte und sie hätte gerne noch mehr von Holly erzählt, aber Mrs Ross sagte „Wir müssen leider schon Schluss machen für heute. Aber es macht mir Spaß dir zuzuhören! Nächste Woche reden wir weiter.“
Emma lächelte und stand auf. „Danke Mrs Ross! Auf Wiedersehen“
„Tschüss Emma.“
Emma ging aus der Praxis und fühlte sich gut.

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Tag der Veröffentlichung: 12.11.2010

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