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Es waren noch drei Wochen, dann würde ich endlich die Schallmauer durchbrechen. Was für eine Schallmauer? Na, dreimal dürft ihr raten! Ich meine meinen 16. Geburtstag. Zu meiner Zeit war es ein besonderes Ereignis, wenn man endlich 16 wird. Mit 16 fühlt man sich so richtig erwachsen, abends durfte man länger ausgehen, naja, wenn die Eltern es erlauben. Bei mir war das nicht der Fall. In der Woche musste ich spätestens um 19.00 Uhr zu Hause sein und wehe, ich kam eine halbe Stunde später. Dann gab es gleich mächtigen Ärger und ich durfte die nächsten Tage nicht raus. Da hatten meine Eltern ihre eigenen Regeln.
Die Jugendlichen heutzutage haben für solche Sachen ein müdes Lächeln übrig, da wird mit dem Handy schnell zu Hause angerufen und gesagt, „Bus verpasst“ oder „Zeit vergessen“. Es wird eine Ausrede erfunden. In der handylosen Zeit war das anders. Da wurde auf Pünktlichkeit besonderen Wert gelegt.
Das Festnetz-Telefon wurde für Notfälle genutzt, oder um mit der Oma zu telefonieren. Längere Privatgespräche waren nicht drin. War auch nicht so prickelnd, es gab noch keine schnurlosen Telefone. Unser Apparat war fest in der Diele an der Wand montiert. Jedes Familienmitglied konnte die Gespräche mithören. Privatsphäre war ein Fremdwort. Wichtige Sachen besprach man in der Schule oder am Nachmittag in der Freizeit. Das hatte den Vorteil, dass man seine Freunde täglich treffen konnte. .
Meinen ersten Freund konnte ich nur von der Telefonzelle aus anrufen, hätten meine Eltern was mitbekommen. Stundenlanges Telefonieren war nicht drin, nicht weil es teuer war, es reichten 20 Pfennig für ein längeres Telefonat innerhalb des Ortsnetzes aus. Nein! Die Wartenden an der Telefonzelle wurden schnell ungeduldig. Da fasst man sich heutzutage an den Kopf.

Aber nun zur eigentlichen Geschichte. Meinem Geburtstag.
Zu Hause durfte ich meinen Geburtstag nicht feiern, nicht mit der halben Klasse. Meine Eltern hatten eine kleine Dreieinhalb Zimmerwohnung und sie wollten auf keinem Fall viele laute und Alkohol trinkende Jugendliche in ihrer Wohnung haben. Laut waren wir hin und wieder, aber Alkohol? Was gab es schon Hochprozentiges? Im Familienkreis durften wir Jugendlichen zu Sylvester ein kleines Glas Bowle trinken, oder einen Eierlikör, wenn die Oma oder Patentante zu Besuch war. Hochprozentiges war tabu. Da wurde einem eher eine Zigarette zugestanden. Ich bin allerdings Nichtraucher geblieben. Obwohl, auf unseren Feten machte die eine oder andere Flasche Apfelkorn manchmal die Runde. Apfelkorn war in unserem Kreis der Renner, manche habe noch gerne Pernod mit Cola getrunken, war ebenfalls sehr lecker, das haben wir unseren Eltern selbstverständlich verschwiegen.
Oh, Gott, wenn das mein Vater herausbekommen hätte, da wäre tagelang dicke Luft gewesen. Hausarrest, Fernsehverbot und noch eine Taschengeldkürzung!
Ja, in dieser Hinsicht waren meine Eltern komisch. Ich durfte selten eine Freundin zu mir nach Hause einladen.
Mein Vater wollte nach getaner Arbeit seine Ruhe haben und wollte keine lauten, gackernden Mädchen in seiner Wohnung haben. Prickelnd war das auch nicht, ich teilte mir ein Zimmer mit meinen kleinen Bruder und der klebte ständig wie eine Klette an mir. Die Zimmertüren durften in unserer Wohnung nicht geschlossen werden. Das muss man sich mal vorstellen.

“ Die Tür bleibt auf, damit ich höre, was ihr da treibt“, waren die Worte meiner Mutter.

„Mama, wir unterhalten uns bloß, da kann ich doch die Tür zumachen.“

Wenn ihr euch unterhalten wollt, kann die Tür ebenso gut aufbleiben, außerdem klemmt sie. Und Peter knallt immer die Türen.“

Also blieb die Tür auf, wir flüsterten und gingen wir nach kurzer Zeit raus, da konnte man sich ungestört unterhalten.
Wie beneidete ich da meine Freundin Ulrike. Ihre Eltern hatten ein tolles Haus mit großem Garten und Ulrike hatte ein supertolles, großes Zimmer. Da konnten stundenlang ungestört unsere Geschichten erzählen über andere Mitschüler herziehen und uns die neusten Schallplatten anhören. So ein Zimmer habe ich mir auch gewünscht. Das Zimmer lag in der ersten Etage, direkt daneben war das Zimmer ihres Bruders, den wir selten zu Gesicht bekamen. Meist nahmen wir uns etwas zu trinken mit aufs Zimmer, schlossen die Tür und verbrachten schwatzend und träumend unsere Nachmittage.
Es waren herrliche Stunden. In den Wochen vor meinem Geburtstag schmiedeten wir zwei viele Pläne rund um meinen Geburtstag. Dass wir bei mir nicht feiern konnten, war schnell geklärt.
„Wir feiern deinen Geburtstag bei mir“, sagte Ulrike. „Meine Eltern haben nichts dagegen, und viel mehr Platz ist hier auch.“

„Ich weiß nicht, meinen Eltern machen bestimmt Ärger, du kennst sie doch. Ob sie mir eine Party bei dir erlauben, glaube ich nicht!“

„Ach, das lass mal meine Sorge sein, ich werde dir helfen, deine Mutter kriegen wir schnell rum, deinen Vater musst du mit Charme um den kleinen Finger wickeln. Das kriegst du hin.“

„Es wäre toll, wenn wir das bei dir machen würden, ich könnte mehr Leute einladen. In etwa die gleichen Leute, die letztens bei Manu zur Party waren. Das war Klasse. Ich möchte gerne Volker noch einladen. Du weißt, ja?!“

„Ja, ja, ich weiß! In den bist du seit Monaten verschossen, aber fragen musst du ihn.“

Ob das alles so klappen würde, wie wir es uns vorstellten? Die Idee meinen Geburtstag bei Ulrike zu feiern war eine super Idee. Wir hatten in unserem Haus keinen großen Kellerraum, den man zu einem Partyraum umfunktionieren konnte. Und unseren eigenen kleinen Kohlenkeller konnte ich auch nicht nutzen, der war total zugestellt und darin hatte mein Vater seine Bastelwerkstatt. Schade, der kleine Keller hätte ausgereicht.
Einer meiner Freunde aus unserer Straße feierte seinen Geburtstag in so einem kleinen Keller und wir hatten es da richtig gemütlich. Was brauchten 16-Jährige 1978, eine kleine gemütliche Ecke, Chips und Cola, was Alkoholisches und hippe Musik.
Ulrike hatte mit ihren Eltern schnell geklärt, dass mein Geburtstag bei ihr gefeiert werden sollte. Sie hatten nichts dagegen und wir durften bei schönem Wetter den Garten benutzen. Ansonsten sollte die Party in der Garage stattfinden. Ich brauchte nur noch für ein paar Knabbereien sorgen, die alkoholfreien Getränke besorgten Ulrikes Eltern. Und die wollten noch nicht einmal Geld, sie wollten mir eine schöne Party schenken. Super! Also kaufte ich noch zwei Flaschen Apfelkorn und die Party könnte steigen. Ich war total begeistert, jetzt mussten noch meine Eltern mitspielen.
Meine Mutter war da nicht das Problem, eher mein Vater. Natürlich musste ich bei Ulrike übernachten. Wäre ja schön blöd, um 22.00 Uhr nach Hause zu gehen, weil die Eltern es nicht schön finden, wenn Tochter woanders übernachtet. Man, da hatte ich wirklich hinterwäldlerische Eltern. Die Eltern meiner Freunde stellten sich da nicht so an, meine Freundinnen durften häufig auswärts übernachten. Oh, Gott, ich glaube wenn ich das mal zwischendurch angefragt hätte, wären meine Eltern aus allen Wolken gefallen. Das hätte eine Standpauke gegeben. Meine Eltern haben nämlich ihre Prinzipien.
Das Übernachtungsproblem würde eine harte Nuss werden. Na, das würde ich noch hinbekommen, dachte ich. Zuerst überredete ich meine Mutter. Sie sollte das Ganze meinem Vater schonend beibringen. Meine Güte, es ging um meinen 16. Geburtstag. Das war eh die letzte Gelegenheit, um mit all meinen Freunden und Klassenkameraden zu feiern, der Schulabschluss rückte immer näher und ich hatte meinen Ausbildungsplatz bereits in der Tasche. Wer weiß wann man dann alle unter einen Hut bekommt.

Die Party war bis ins letzte Detail geplant und die halbe Klasse war eingeladen. Bis zu diesem Punkt war alles geklärt. Oder? Einer fehlte noch! Volker! Den musste ich noch einladen. Wie sollte ich das anstellen, ohne gleich knallrot zu werden? Richtig an ihn herangetraut hatte ich mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir lächelten uns zwar manchmal zu, aber das war auch alles. Die Klassenfahrt, Ende der neunten Klasse, hatte leider ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg. Mein Geburtstag war die letzte Gelegenheit Volker näher kennenzulernen. Aber dazu müsste ich ihn erst einladen, schließlich war es meine Party. Ich weiß zwar nicht mehr, wie ich es hinbekommen habe, aber irgendwie habe ich es noch geschafft, Volker einzuladen. Allerdings hatte ich bis zu meinen Geburtstag keine Ahnung ob er kommt oder nicht.
Endlich kam mein Geburtstag, an die Geschenke meiner Eltern kann ich mich nicht mehr erinnern. War Nebensache! Ich war in Gedanken den ganzen Tag bei meiner abendlichen Party. Was war ich froh, als die Schule endlich aus war. Jetzt rückte mein Abend immer näher. Als ich zu Hause meine Sachen packte, kam meine Mutter noch zu mir.

„Du rufst heute Abend, gegen 22.00 Uhr zu Hause an und dann klären wir am Telefon ob, du bei Ulrike übernachtest. Jedenfalls bekommt Papa nicht mit, dass wir beide das im Vorfeld abgeklärt haben.“

„Ja, Mama, mache ich, versprochen.“

„Du weißt, dass es sonst morgen Ärger gibt. Wir wollen abends noch zum Essen gehen, und dann wäre die schöne Stimmung dahin. Du kennst Papa, er hat es nicht so gerne, wenn du nicht zu Hause schläfst.“

„Ja, Mama!“

Das war typisch für meinen Vater, wenn andere Partys losgehen, sollte ich brav zu Hause sein. Gut, das ich meine Mutter überreden konnte.
Um 16.00 Uhr habe ich mich auf mein Fahrrad geschwungen und bin die 10 Minuten zu ihr hin geradelt.
Meine Party sollte um 18.00 Uhr beginnen und Ulrike wollte mit mir die Garage ihrer Eltern ein wenig auf hübschen. Nach und nach kamen die ersten Freundinnen hinzu und es wurde alles partyfein gemacht. Meinen Kassettenrekorder hatte ich mit und wir legten die neusten Hits ein. Die „Bay City Rollers“ waren bei uns Mädels gerade angesagt. Wir waren alle in bester Stimmung. Nachdem die Garage geschmückt war, mussten wir Mädels uns noch stylen. Make up, Lippenstift und Nagellack kamen zum Einsatz.
Währenddessen haben wir den einen oder anderen Apfelkorn getrunken, ich war leicht beschwipst. Und nervös! Es ging auf 18.00 Uhr zu und bald würden die ersten Jungen kommen. Ob Volker dabei wäre? Je weiter die Zeit fortschritt umso ungeduldiger wurde ich. Tja, Volker war bisher nicht unter meinen Gästen. Gegen 20.00 Uhr, die Party war in vollem Gange, ich wurde immer unzufriedener und trank einen Apfelkorn nach dem anderen. Und irgendwann war ich so dicht, dass meine Freundin mich in ihr Zimmer brachte.
Ich sollte mich hinlegen und eine Runde schlafen, danach würde es mir besser gehen. Ich zerfloss vor Selbstmitleid und igelte mich ins Ulrikes Zimmer ein. Ich war total sauer, dass mein Schwarm Volker es vorgezogen hatte, nicht zu meiner Party zu kommen. Und jetzt ging es mir noch dermaßen mies, weil ich zu viel Apfelkorn getrunken habe.
Sollten die anderen ohne mich feiern, wahrscheinlich fiel außer meinen besten Freundinnen eh niemand auf, dass ich nicht dabei war. Was für ein blöder Geburtstag.
Nach einer Stunde weckte Ulrike mich. Mir war schwindelig, es ging mir überhaupt nicht gut. Ehrlich gesagt war mir kotzübel. Alkohol war nicht mein übliches Getränk. Ich rappelte mich langsam hoch und mir wurde speiübel. Jetzt nicht auf den Teppich kotzen, dachte ich noch und rannte so schnell es ging ins Bad.
Man was peinlich, an seinen eigenen Geburtstag sich die Kante zu geben und das wegen eines Jungen, der eh nichts von mir wissen wollte. Wie blöd kann man nur sein. Ich ging zurück ins Zimmer und dachte: „Jetzt sehe ich Gespenster.“ Da stand er. Mit einem Blumenstrauß in der Hand, gratulierte Volker mir zum Geburtstag. Und was mache ich? Ich stottere ein paar Wortfetzen vor mich hin renne im nächsten Augenblick zurück auf Klo. Erneut hänge ich über der Kloschüssel. Prima, habe ich super hingekriegt. Tja, das war´s wohl.
Vom Abend habe ich nicht mehr viel mitbekommen, die anderen Partygäste hatten viel Spaß und sich bestens amüsiert. Ich habe meinen Rausch ausgeschlafen.
Das dicke Ende kam am nächsten Morgen. Meine Mutter war schlechter Laune, weil ich mein Versprechen nicht eingehalten habe. Ich habe ihr zwar verschwiegen, dass ich total dicht war, und redete mich heraus. - Zeit vergessen und dann war es schon zu spät.- Mama war total sauer und Papa sprach kein Wort mit mir.

Ach ja, aus Volker und mir ist kein Paar geworden, wir gingen uns seit dem Abend aus dem Weg und ich war froh, als meine Schulzeit beendet war. Wiedergesehen habe ich Volker nicht.
Apfelkorn habe ich nach dieser verkorksten Party nicht wieder angerührt.

Impressum

Texte: Karin Blome
Bildmaterialien: Karin Blome
Tag der Veröffentlichung: 07.08.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mein Beitrag zum August-Wettbewerb der Biografie und Autobiografik-Gruppe

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