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Dora



Trauer:
Du fehlst mir...
...ich vermisse dich.
Vermisse ich dich?
Vermisse ich mich?
In dir?

Schwermut -
Bleischwerer Körper
schleicht durch die Gegend.
Schmerzende Schultern
tragen die Last des Verlustes.

Hoffnung -
Immer wieder die Hoffnung,
du mögest gleich
um die Ecke geschossen kommen.
Die Hoffnung,
du mögest gleich
über die Wiese geflitzt kommen.


Sehnsucht -
Die Sehnsucht meiner Hände
deine Öhrchen zu kraulen,
deinen Rücken zu streicheln,
dein Schnäuzchen zu knuddeln.

Dora:
Du fehlst mir...
...ich vermisse dich.
Vermisse ich dich -
Vermisse ich mich -
In dir!


Liebeskummer



Es ist Sonntag.
Sie wacht auf und hat gleich Tränen in den Augen. Dora ist nicht da. Nein, sie will gar nicht richtig wach werden. Nein, sie will nicht aufstehen und unten die leere Hundehütte sehen. Sie schließt die Augen, kneift die Tränen weg, will nicht, dass ihr Mann sieht, dass sie weint.

Sie dreht sich zu ihm herum. Alle Gliedmaßen tun ihr weh, die Kniegelenke schmerzen. Waren doch etliche Kilometer, die sie abgelaufen ist. Drei Tage ist sie auf der Suche nach der entlau-
fenen Hündin, durch Wälder, über Wiesen und Äcker gestapft. Hat kiloschwere Erdklumpen an den Stiefeln gehabt, hat sich die Kehle wundgerufen und die Seele aus dem Leib gepfiffen. Nichts, keine Dora. Wieso tun die Schultern weh? Sie hat doch nichts Schweres getragen? Oder… trägt sie schwer? (Wie kann denn etwas, was nicht da ist, schwer wiegen?)

Ihr Mann ist schon wach. Ein zufriedenes Lächeln huscht auf seinem Gesicht hin und her. Er war gestern zum Preisskat, hat den ersten Platz belegt. Einen riesengroßen Hinterschinken hat er nach Hause geschleppt. Das war ein gutes Spiel, hat er ihr gestern Abend noch vorgeschwärmt. Grand ohne 4 - Spiel 5 - und gewonnen. Da möchte ich morgen Schnitzel satt, hat er sich gewünscht, schön mit Butterspargel und Mischgemüse.

Sie zwingt sich ein Grinsen in ihr Gesicht und stupst ihn an.
„Na? Spielst du immer noch Skat?“
Er schaut verträumt in die Ferne.
„O man, o man, hab ich ein Dusel gehabt. Wenn die mir die Dame gestochen hätten statt abzuschmeißen, dann hätte ich aber alt ausgesehen.“
So stehen sie auf: Sie - gefangen in ihrer Traurigkeit, er - stolzer Jäger, der gute Beute gemacht hat.

Die Mittagszubereitung gestaltet sich etwas schwierig, statt Mischgemüse hat sie gedankenverloren eine Tüte Porree aus der Gefriertruhe gefischt. Er reagiert etwas ungehalten:
„Wieso hast du denn Porree rausgenommen! Ich denke es gibt Butterspargel mit Mischgemüse! Porree und Schnitzel, das passt ja gar nicht!“
„Weiß nicht, hab wohl nicht richtig hingeschaut, bin 'n bisschen durch 'n Wind, is' wegen Dora“, murmelt sie vor sich hin.
„Durch 'n Wind! Wind! Hund! Hund! Hier dreht sich alles nur noch um den Hund. Ich höre nichts anderes mehr als Hund! Dora Hund! Ich bin auch noch da!“, entgegnet er schroff.

Er kann mit ihrem Kummer nichts anfangen. Will das Häufchen Elend, das seine Frau ist, nicht sehen. Er hat einen ordentlichen Klumpen Fleisch nach Hause gebracht und will zur Belohnung ein anständiges Mittag. Sie schaut ihn verständnislos an, wünscht sich nichts sehnlicher als von ihm in den Arm genommen zu werden. Begreift aber im gleichen Moment seine Hilflosigkeit. Idiot, denkt sie und Wut bahnt sich ihren Weg.
„Du hast doch gar keine Ahnung“, faucht sie ihn an.
„Hör mal, ich erlebe das hier pur, ohne Verdrängung und ich brauche meine Zeit, um damit klar zu kommen und um eine Lösung zu finden.“

Sie weiß mit sich umzugehen, schließlich lebt sie schon ein paar Jahrzehnte mit sich zusammen. Weiß, dass es für sie in der Traurigkeit einen Punkt gibt, in dem sie verharren wird, lange verharren, bis sie Dankbarkeit empfindet. Dankbarkeit, um dann loslassen zu können. Loslassen, um Kopf und Hände wieder frei zu haben für neue Dinge. Aber hier und jetzt findet sie diesen Punkt nicht, denn sie will nicht loslassen. Dora ist nicht weg. Dora hat sich nur verbummelt. Weiter nichts. Es ist nicht die Zeit zum loslassen, nein, es ist noch viel Hoffnung und ganz naiv will sie glauben, alles, alles wird wieder gut.
„Himmelherrgott, es ist doch bloß ein Hund!“

Er beginnt die Schnitzel auseinander zu legen und zu würzen. Sicher ist sicher, sonst macht seine Frau noch Zucker statt Salz auf das Fleisch! Ja, denkt sie, Himmelherrgott, es geht doch bloß um einen Hund und schweigend schält sie Kartoffeln, macht eine Dose Mischgemüse auf. Nein, für sie geht es nicht nur um einen Hund. Dora ist Teil ihres Lebens und sie zermartert sich den Kopf vor Sorge. Wie es Dora wohl geht? Wo sie wohl ist? Hat sie Futter? Wird sie fortgejagt… oder ist sie verletzt?

Beim Essen langt er ordentlich zu. Sie schiebt sich anstandshalber ein paar Bissen in den Mund.
„Hm lecker“, schwärmt er genießerisch.
„Ja…“, sie macht ihren Rücken gerade.
„Ich hab eine Entscheidung getroffen“, sagt sie.
„Ich werde morgen in die Stadt fahren und eine Suchanzeige in der Zeitung aufgeben.“
„Das machen wir gleich“, antwortet er und steht von seinem Platz auf. Sie schaut ihn fragend an.
„Was? Jetzt? Es ist Sonntag, da ist doch gar keiner da in der Redaktion!“
„Machen wir per E-Mail, das geht auch sonntags, ok?“

Ein wenig unbeholfen geht er auf sie zu, nimmt sie in den Arm und drückt sie ganz fest an sich.







Gefunden -
Herzblut verströmt,
Zurück -
bist wieder da.

Seele ausgeschickt,
dich zu suchen.




Gibt es irdische Wörter
für himmlische Gefühle?

Wir sind die Gleichen.
Nicht mehr dieselben

Mehr als du mitnahmst,
bringst du zurück.
Mehr du.
Für mich.

Impressum

Texte: RangerWoman
Bildmaterialien: RangerWoman
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2012

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