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Hochzeitsnacht zu viert

 

Ende des Winters 1973 luden unsere Freunde Sigi und Ulli uns eines freitags abends in die Bar des Hotel Neptun in Warnemünde ein. Das war damals das chicste Hotel in der Umgebung von Rostock und natürlich auch das teuerste. Die Bar ebenso. Da war es nicht leicht, einen Tisch zu bekommen.

 

Wir warfen uns in Schale. Ich weiß noch genau, ich trug einen langen, schmalen leuchtend orangefarbenen Samtrock und eine weiße eng anliegende Spitzenbluse. Die Kinder – wir hatten schon zwei Töchter – überließen wir meinen Eltern, bei denen wir damals noch wohnten. Unsere jüngere Tochter war noch ein Baby, aber ich stillte sie nur noch morgens.

 

Als wir im Hotel ankamen, trat unser Freund Ulli im dunklen Anzug aus dem Fahrstuhl und bat uns, erst einmal mit hoch zu kommen auf's Zimmer. Auf's Zimmer? Sie wohnten doch auch ganz in der Nähe. Und warum trug er ein Sträußchen am Revers? Wir waren leicht irritiert.

 

Oben im Zimmer empfing Sigi uns in einem weißen Spitzenoverall. Langsam dämmerte uns, die beiden hatten geheiratet und zwar heimlich! So war es dann auch. Und wir waren ihre einzigen Gäste! Ihren Eltern hatten sie Telegramme geschickt.

 

Wenn sie glaubten, so um eine große Feier herum zu kommen, hatten sie sich geirrt! Sie kamen beide aus einem Dorf von der Insel Rügen. Da wurden die Feste gefeiert! Und Hochzeit erst recht! Als sie zwei Wochen später die Familien besuchten, gab es dann eine größere Nachfeier.

 

Nun musste natürlich erst einmal angestoßen werden auf das junge Glück unserer Freunde. Anschließend ging es ins Restaurant zum Abendessen. Da sie uns ziemlich früh am Abend eingeladen hatten, war die Bar wohl noch gar nicht geöffnet. Also gab es zuerst ein feines Abendessen.

 

Irgendwann begaben wir uns dann in den obersten Stock in die Sky-Bar. Von dort oben aus dem neunzehnten Stock hat man einen traumhaften Blick über den Strand und die Ostsee. Im Sommer bei schönem Wetter öffnet sich das Dach und man kann unter freiem Sternenhimmel tanzen. Das habe ich aber leider noch nie erlebt und da es Winter war, war auch damals keine Gelegenheit dazu.

 

Leider bekamen wir einen Tisch direkt neben den Lautsprechern der Musikanlage. Das war ziemlich laut, uns aber egal. Es zählten andere Dinge.

 

Wir verbrachten einen vergnügten Abend in der Bar.

 

Als wir zu sehr später Stunde und rechtschaffen müde nach Hause wollten, meinte Sigi, wir sollten doch dableiben. In ihrem Zimmer sei genug Platz... Auch Ulli hatte nichts dagegen. Müde genug waren wir alle und Anna musste erst gegen sieben Uhr morgens wieder gestillt werden. So fuhren wir mit unseren Freunden auf ihr Hotelzimmer. Sie hatten kein Doppelbett, sondern zwei getrennte Betten mit einem Nachtschränkchen dazwischen. Das kam für das Flitterpaar sowieso nicht in Frage. Sie wollten näher beieinander sein und brauchten sowieso nur eins der Betten. Also legten sie sich in das eine und wir uns in das andere, nachdem wir den Weckdienst des Hotels vorher gebeten hatten, uns kurz vor sieben zu wecken und für sieben Uhr ein Taxi zu bestellen.

 

Pünktlich zum Erwachen unserer Kinder waren wir wieder zu Hause.

 

Noch heute macht es uns eine diebische Freude, darüber zu feixen, dass wir damals heimlich im feinsten Hotel genächtigt und uns sogar haben wecken lassen. Niemand hat es bemerkt. Und das alles in der Hochzeitsnacht unserer ältesten und besten Freunde!

 

 

Impressum

Bildmaterialien: Cover: Internet
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
unseren lieben und treuesten Freunden Sigi und Ulli

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