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Das plötzliche Ende meiner Schulzeit

 

 So richtig gern und mit Leidenschaft bin ich wohl nie in die Schule gegangen. Ich mochte den Kontakt mit den Mitschülern, der aber zu keinem richtig eng war. Unsere Lebenseinstellung und Mentalität waren sehr verschieden. Ich glaube, ich war meinen Mitschülern ziemlich suspekt durch mein Elternhaus und unsere ganz andere Lebensweise.

 

Mein Vater war ja Anwalt und meine Mutter Bildhauerin und Malerin. Folglich verkehrten wir in völlig anderen Kreisen und sprachen sozusagen verschiedene Sprachen.

 

Das Lernen fiel mir in ungeliebten Fächern wie den naturwissenschaftlichen ausgesprochen schwer, so dass ich da immer am Abgrund schrammte. Mathe, Physik und Chemie vor allem blieben immer Böhmische Wälder für mich. Der Taschenrechner war von Anfang an meine Rettung und ein Segen.

 

Mit Deutsch und den Fremdsprachen Englisch und Schwedisch hatte ich keine Probleme, während Russisch mir weniger lag. Aber das lag auch ganz eindeutig an den Lehrern.

 

Musik, Kunst und Sport waren – außer den Sprachen - meine Lieblingsfächer.

 

In der neunten und zehnten Klasse wurden wir schon mit dem zukünftigen Arbeitsleben bekannt gemacht, indem wir neben der Schule wochenweise in verschiedene Betriebe geschickt wurden und eine Art Ausbildung nebenbei machten.

 

Da ich keine Lust hatte, im Dieselmotorenwerk an der Drehbank zu stehen, blieb mir nur eine Ausbildung zur Stenotypistin. Ich glaube, die Drehbank hätte mir doch mehr Spaß gemacht. Stenografie war der Horror für mich. Nie war ich schnell genug. Das Maschineschreiben ging etwas besser. Aber während dieser Zeit habe ich es nie geschafft, richtig blind und mit zehn Fingern zu tippen.

Das ist mir erst gelungen, seit ich viel am Computer schreibe.

 

Die Stenotypistinnen-Ausbildung war purer Stress für mich. Ich ging da nur ungern hin und war immer froh, wenn die zwei Wochen rum waren. Ich glaube, das waren immer zwei Wochen am Stück. Aber wie oft im Schuljahr, weiß ich nicht mehr.

 

Dann war die zehnte Klasse endlich geschafft und ich war mal wieder geradeso durchgekommen und heilfroh, in die elfte Klasse versetzt worden zu sein.

 

Zwei Jahre noch! Die würde ich auch noch irgendwie schaffen, dachte ich….

 

Erstmal kamen die acht Wochen Sommerferien! Freizeit, Freiheit an der Ostsee! Nicht an Schule denken, lesen, faulenzen….

 

Die Ferien gingen zu Ende, da teilten meine Eltern mir mit, sie wollten, dass ich die Schule abbreche. Ich sollte nur die Stenotypistinnenausbildung fertig machen und ab sofort zu Vater ins Büro gehen und dort als seine Sekretärin arbeiten. Diesen Schulstress wollten sie sich und mir nicht mehr antun. Und überhaupt – Mädchen heiraten ja sowieso… Ich war sechzehn!

 

Aha!? Ich war erstmal platt und wie vor den Kopf gestoßen – buchstäblich ausgeknockt, sprachlos und völlig überrollt.

 

Warum haben sie mich nicht einmal gefragt, ob ich das so möchte? Das ist mir bis heute ein Rätsel.

 

Ich hatte mir bis dahin noch keine Gedanken über einen zukünftigen Beruf gemacht, sah das noch in weiter Ferne…

 

Als die Ferien herum waren, schickten meine Eltern mich in die Schule. Ich sollte mich abmelden! Ist das nicht eigentlich Sache der Eltern bei Minderjährigen?

 

Ich ging also in meine Schule und zwar während der Unterricht lief, um möglichst wenigen zu begegnen. Aus irgendeinem trotzigen Grund hatte ich mich ziemlich sexy angezogen. Ich trug einen knallroten weiten knielangen Rock mit schmaler Taille und einen sehr tief ausgeschnittenen schwarzen Pullover mit dreiviertellangen Ärmeln, der viel zu warm war. Dazu einen breiten schwarzen Gummigürtel mit so einer Schnalle zum Zusammenschieben, wie sie damals todchic waren.

 

Wie die Abmeldung ablief, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass plötzlich mein Klassenlehrer da war und mich vor die ganze Klasse zerrte, wo er mich dann offiziell verabschiedete. Ein Grund dafür wurde nicht genannt – höchstens „aus persönlichen Gründen“.

 

Mein Dekollete glühte rotfleckig und die Gerüchteküche brodelte sofort los…

 

Erst viel später hörte ich, dass es ja gar nicht anders sein konnte, als dass ich schwanger war. Was auch sonst sollte der Grund für einen Schulabbruch gewesen sein.

 

Das hat mich aber nicht großartig tangiert, denn ich hatte ab sofort so gut wie keinen Kontakt mehr mit meinen Mitschülern. Eine richtige Freundin hatte ich in der Klasse sowieso nie.

 

Und dann stellte sich heraus, dass die Ausbildung natürlich nur in Koppelung mit der Oberschule weiter ging und war damit für mich ebenfalls „beendet“. Eine andere Möglichkeit schien es nicht zu geben.

Auf diese Weise bin ich um sämtliche Abschlussprüfungen herum gekommen. Das war mir natürlich nicht unrecht, fühlte sich aber auch nicht vollständig an.

 

Ich wollte gern wenigstens in Schwedisch und Englisch einen richtigen Abschluss haben und die Sprachen weiter lernen. Dazu meldete ich mich gleich in der Volkshochschule an und belegte Kurse. Mein ehemaliger Klassenlehrer war der einzige Lehrer in Rostock, der Schwedisch unterrichtete. Also sah ich ihn an der Abendschule wieder und machte nach zwei Jahren meine Abiturprüfung in Schwedisch bei ihm und zwar mit „sehr gut“! Dasselbe in Englisch.

 

Danach fühlte ich mich nicht mehr so ganz als Versagerin.

 

Später legte ich auch noch meine Sprachkundigenprüfung in Schwedisch ab.

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Cover: Cover - meine Schule aus dem Internet
Tag der Veröffentlichung: 01.07.2015

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