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Erinnerungen an meine Schulzeit

 

An meine Einschulung am 3. September 1954 kann ich mich nicht erinnern. Aber am Anfang bin ich wohl gern in die Schule gegangen. Nein, ich bin eigentlich immer gern in die Schule gegangen, aber nicht in jedes Unterrichtsfach. Und ich war eine sehr schüchterne und zurückhaltende Schülerin. Ich konnte mich immer erst melden, wenn ich sicher war, dass meine Antwort richtig ist. Das wurde mir leider immer wieder als schlechte Mitarbeit angekreidet.

 

Zu Anfang hatten wir in der damaligen St. Georg-Schule – die heute wieder diesen Namen trägt - sehr nette ältere Lehrerinnen. Meine erste Klassenlehrerin war Frau Jennerjahn. Schon in der zweiten Klasse bekamen wir eine andere Klassenleiterin, die ganz liebe Elsa Böckmann. Eine richtig liebe Omi. Ich meine, sie war eigentlich Handarbeitslehrerin und musste wohl einspringen.

 

In der Grundschule gab es in meiner Klasse mehrere Mädchen, Marlies und Maria zum Beispiel und noch ein paar andere, die ich sehr gern mochte. Es waren alles Töchter von Ärzten oder anderen Intellektuellen. Ungefähr während der großen Ferien vor der dritten Klasse verschwanden sie nach und nach in den Westen und ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört. Ich vermute, dass auch unsere erste Klassenlehrerin auf diese Weise verschwunden ist.

 

Dageblieben ist Martin, ein verwöhntes und verhätscheltes Professorensöhnchen und Einzelkind. Irgendwie mochte ich ihn. Vielleicht tat er mir auch Leid, weil er öfter mal gehänselt wurde. Unsere Eltern freundeten sich an und die Freundschaft mit seiner Mutter hält noch heute. Sie ist jetzt über neunzig. Sein Vater ist schon lange tot. Martin habe ich leider doch irgendwann aus den Augen verloren, bin aber mit seiner ersten Frau gut befreundet und weiß dadurch noch heute, was er treibt und wie es ihm geht.

 

Schon in der zweiten Klasse wurde „gesiebt“ und es hieß, Kinder, die gut genug seien, könnten ab der dritten Klasse auf die Schule für erweiterten Russischunterricht – später Herderschule - gehen und ab da Russisch lernen und würden später automatisch bis zum Abitur kommen.

 

Martin ging nicht mit auf diese Schule, aber durch die Freundschaft unserer Eltern blieb die Verbindung weiter bestehen. In der Pubertät haben wir uns sogar einmal geküsst, aber mehr ist daraus nicht geworden, obwohl es der sehnliche Wunsch seiner Mutter war, dass er einmal mich oder eine meiner Schwestern heiratet.

 

Zu Anfang ging das noch ganz gemütlich auf der neuen Schule und mit guten Lehrern. Ich erinnere mich an unseren gut aussehenden weißhaarigen Direktor, Herrn Gutknecht, der leider bald abgelöst wurde, weil er vermutlich nicht in das „rote“ Konzept dieser Schule passte. Oder er ist einfach nur in Rente gegangen.

An die erste Klassenleiterin, Frau Wilkens habe ich keinerlei Erinnerung, sehe nur ihre einmalige Unterschrift auf meinem Zeugnis.

 

Es muss in der vierten Klasse im Heimatkundeunterricht gewesen sein. Da hatten wir eine richtige kleine Giftnatter als Lehrerin. Sie fragte irgendwann, wer von uns denn zur Christenlehre ginge. Naiv, wie ich war, meldete ich mich brav – natürlich als einziges Kind – und wurde vor der ganzen Klasse von ihr lächerlich gemacht und gefragt, ob ich meinen Gott denn schon mal gesehen hätte.

Ihr Name fällt mir nicht mehr ein, aber das ist wohl auch kein Schaden.

 

Eine meiner Lieblingslehrerinnen war Marianne K., eine junge Sport- und Mathematiklehrerin, die auch ab der vierten Klasse drei Jahre lang unsere Klassenleiterin war. Sie mochte mich wohl auch ganz gern. Jedenfalls förderte sie mich immer im Sport, so dass ich sogar in der siebten Klasse einmal bei Kreismeisterschaften im Geräteturnen antreten und einen guten Platz erringen konnte.

 

In der DDR hatten Lehrer es sicher besonders schwer, wenn sie mit der „verordneten“ Gesinnung nicht konform gingen. Aber man hatte ein Gespür füreinander. Als ich die Schule verlassen hatte, haben wir uns sogar richtig angefreundet und ich habe sie und ihren Mann öfter zu Hause besucht.

 

Ab der siebten Klasse wehte ein schärferer Wind an unserer „Elite“-Schule. Wir bekamen einen jungen ehrgeizigen Lehrer, Horst H. Er unterrichtete uns in Deutsch und bot außerdem Schwedisch an, wofür ich mich mit Freuden meldete. Sprachen – außer Russisch – haben mir schon immer Freude gemacht und sind mir relativ leicht gefallen.

 

Herr H. unterrichtete Schwedisch auch an der Volkshochschule. Nachdem ich nach der zehnten Klasse auf Anraten meiner Eltern die Schule verlassen hatte, habe ich Schwedisch und Englisch an der Volkshochschule weiter gemacht und in beiden Sprachen die Abiturprüfung abgelegt.

 

Dann war da ein sehr nettes Lehrerehepaar, die Schmidtmanns. Bei ihm hatten wir Musik und bei ihr, leider erst in der zehnten Klasse, sehr guten Englischunterricht. Beides gehörte zu meinen Lieblingsfächern. Ab der siebten Klasse habe ich sehr gern im Chor mitgesungen, was zu meinem Glück als „gesellschaftliche Arbeit“ anerkannt wurde, so dass ich mich bei politischen Aktivitäten zurückhalten konnte.

 

Aber um Russisch kam man auf dieser Schule natürlich nicht herum.

 

Ab der neunten Klasse war da nach den Sommerferien plötzlich ein russischer Lehrer an unserer Schule, der uns ab sofort unterrichten sollte. Er hatte es nicht leicht mit uns und wir es nicht mit ihm. Anatoli Pawlowitsch sprach kein Wort Deutsch! Die Vorlauten in unserer Klasse nutzten das schamlos aus und warfen ihm so manch unfeines Wort an den Kopf. Als es ihm zuviel wurde, merkte er sich die Ausdrücke und fragte dann in der Pause seine Kollegen, was sie bedeuteten….

 

Irgendwie wurden wir nicht recht warm mit Anatoli P. und er auch nicht mit uns, obwohl er eigentlich ein netter Kerl war. Manchmal tat er mir sogar Leid, wenn es wieder mal drunter und drüber ging und niemand ihm zuhörte.

 

Ich glaube, er ist nur ein Jahr geblieben.

 

Herr H. hat unsere Klasse von der siebten bis zur zehnten Klasse begleitet. Er war mir rein äußerlich nicht besonders sympathisch. Obwohl er noch sehr jung war, hatte er schütteres farbloses Haar und war sehr blass. Nicht unbedingt mein Typ. Aber sein Unterricht war gut. Und er hatte eine wunderschöne Schrift, wie ich sie noch von keinem Mann gesehen habe. Die Klasse ist ihm nie auf der Nase herum getanzt. Obgleich er nur zehn Jahre älter war als wir, hatten alle Respekt vor ihm.

 

Mit ihm haben wir an den obligatorischen Wandertagen immer schöne Ausflüge und auch Klassenfahrten gemacht.

 

Viel später wurde ich einmal zu einem Klassentreffen eingeladen – dreißig Jahre nach dem Abitur, obwohl ich das gar nicht mitgemacht hatte. Ich bin hingefahren und war entsetzt – lauter alte Leute! Horst H. war auch da. Er war noch mit Abstand der Jugendlichste von allen. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er als einziger Jeans trug.

 

 

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 01.02.2014

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