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Haute cuisine auf dem Dorfe

Haute cuisine auf dem Dorf

Gestern waren wir eingeladen. Unser lieber Doktor ist sechzig geworden und das sollte groß gefeiert werden. Er hatte uns auf einen  Landgasthof eingeladen, den wir nicht kannten. Auch der Ortsname war uns kein Begriff.

Weil wir neugierig waren, fuhren wir vor zwei Wochen schon einmal dort hin, um uns den Gasthof anzuschauen. Das Dorf liegt wirklich weit draußen auf dem Lande, sehr idyllisch in die fränkische Landschaft eingebettet. Bevor wir das Dorf erreichten, rochen wir es schon – würzige Landluft empfing uns…

Der Gasthof – in dem offensichtlich gerade eine Hochzeit gefeiert worden war – liegt mitten im Ort neben der Kirche und wirkte schon von außen recht romantisch. Im Innenhof wurde gerade eine lange Tafel festlich eingedeckt und die Hochzeitsgesellschaft war am Abreisen oder Beine vertreten.

 Am vergangenen Freitag  nun um 19 Uhr begann der Spaß mit Stehempfang und Sekt. Wir waren pünktlich vor Ort. Und wie man das vor einer großen Einladung so macht, hatten wir mittags nur sparsam einen Salat gegessen.

Nach etwa einer Stunde verteilten lauter nette junge Mädchen auf großen schiffchenähnlichen Tellern eine sehr kleine Vorspeise aus Jakobsmuschelwürfelchen, Chili und geeistem Mangopüree. Das ergab schon mal ein kleineres Problem: Sekt in der einen Hand - Teller in der anderen... aber das ließ sich lösen. Bis 20.30 Uhr etwa standen wir essend, trinkend und plaudernd im Hof herum bei angenehmer Temperatur.

Dann wurden wir in die ehemalige Tenne gebeten, wo viele weiß gedeckte Tische auf achtzig Personen warteten. Unser Doktor und seine Frau haben beide große Familien und zusammen auch vier Kinder und dann einen großen Freundes- und Kollegenkreis. So ein Fest feiern sie nur alle zehn Jahre.

Als endlich alle ihre Plätze gefunden hatten - die Platzkarten waren große, golden beschriftete Efeublätter - gab es die Suppe, nein das Süppchen, ein Petersilienweinschaumsüppchen - ein halbes Whiskeyglas voll - mit einer winzigen und hauchdünnen, sehr würzigen, gerösteten Roggenbrotscheibe und einem Klecks köstlichen Möhren-Ingwer-Pürees.

Jeder Gang wurde von den netten Bedienungen nach dem Auftragen genau erklärt.

Dann gab es etwa eine Stunde musikalische Darbietungen von Familie und Freunden. Frau und Töchter des Doktors sind alle musikalisch begabt, die Söhne mehr sportlich.

Und dann der lang ersehnte Hauptgang! Ach nein - der Fischgang kam erst noch: Ein Löffelchen voll Limonenrisotto - sehr lecker - und darauf ein minimalistisches Stück Zander - leider ohne jeden Geschmack - nicht mal nach Fisch - und einem kleinen Kartoffelchip als Dekoration.

Selbstverständlich gab es jeden Gang auf riesigen schweren Tellern! Die Mädchen hatte wirklich schwer zu tragen an dem, was wir zu Essen bekamen.

Dann gab es wieder nette Aufführungen und Lobpreisungen für den Jubilar.

Gegen halb elf Uhr nachts kam endlich der Hauptgang! Rehfilet - zwei Ministücke! - ein Löffel voll Mais-Polenta - ein Schlückchen köstliche Bratensoße und zwei (!) etwa teelöffelgroße Blätter von Pak Choi. Das ist ein Mangold ähnliches asiatisches Gemüse, das eigentlich ziemlich große Blätter hat. Für die haute cuisine nimmt der Koch offensichtlich nur die kleinsten inneren Blätter. Sonst hätten sie ja auch nicht zu dem Rest der Portion gepasst.

Und - es gab Nachschlag! Wenn man Glück hatte, von allem etwas! Ich hatte Glück und bekam noch zwei Fusselchen von dem köstlichen Reh. Mein Mann bekam nur eines. Links neben mir saß ein passionierter Jäger und Genießer... Er hielt sich mit Kommentaren sehr zurück, aber sie sprachen trotzdem Bände!

Nach dem Hauptgang gab es wieder eine Stunde lang Aufführungen - jede Menge Wasser aus besonders schönen und praktischen Karaffen und natürlich Wein oder Bier – ganz nach Wunsch und Geschmack.

Um halb zwölf etwa wurde Espresso serviert, für die, die ihn wollten. Auch da wurde an der Menge gespart - mein Tässchen war jedenfalls nicht mal zu einem Drittel voll. Man hätte ihn eigentlich in Fingerhüten kredenzen können.

Und gleich darauf kam die Nachspeise.

Da haben wir dann endlich mal an ein Foto gedacht und mein Mann hat das Handy gezückt und abgedrückt:

 

links - das ist keine Traube oder Kirsche, sondern ein Klecks Schokolade - dann irgendetwas Erdbeeriges, eine Mousse mit Erdbeersauce - rechts eine weiße Mousse, gehackte Mandeln oder andere Nüsse und eine Schokospirale.

Ich finde, auf dem Foto wirkt es noch größer.... Alles fraglos köstlich, edel und teuer.

Und gewürzt wurde die Party im Hof von lieblich-ländlichem Gülleduft - leicht übertönt von Vanilleduftkerzen.

Dank der großen Pause zwischen den einzelnen Gängen, waren wir schließlich gegen vier Uhr nachts wieder zu Hause – mit knurrendem Magen…

 

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Tag der Veröffentlichung: 28.07.2013

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