Cover

Wie ich zum Schreiben kam

Wie ich zum Schreiben kam? Keine Ahnung! Vielleicht, weil ich so schüchtern war, dass ich mich kaum getraut habe, den Mund aufzumachen.

Am Anfang war es nicht leicht. Ich bin so „halbe Linkshänderin“. In der Schule kam mit Links schreiben natürlich überhaupt nicht in Frage – zu meiner Zeit. Ich habe es auch gar nicht erst versucht, war ja ein „braves“ Mädchen und wollte sicher auch nicht auffallen.

Damals mussten wir oft Schönschrift üben. Das hat mir Spaß gemacht und ging auch ganz gut. Aber ich war immer langsam beim Schreiben.

Ich glaube, dass durch das mit Rechts Schreiben in meinem Kopf ein leichtes Chaos angerichtet worden ist, denn ich hatte immer große Probleme bei Geschicklichkeitsübungen oder Koordinationsübungen mit Händen und Füssen – Klatschen, Arme berühren, auf die Knie schlagen in schneller Folge – das ging gar nicht. Da gab es bei mir sofort ein heilloses Durcheinander. Da half auch kein Üben.

In der Pubertät begann ich dann mit dem Tagebuchschreiben. Dem vertraute ich alles an, was ich mich niemandem zu sagen traute – bis meine Mutter es entdeckte und las, weil sie „mich besser verstehen“ wollte… Da war es natürlich aus damit. Meine Tagebücher – ich glaube, es waren drei – habe ich verbrannt.

Heute finde ich es schade, denn ich würde meine Jugendergüsse gern noch einmal lesen.

Statt Tagebuch zu schreiben, begann ich dann, Briefe an Lore zu schreiben. Von ihr – einer Freundin meiner Eltern – fühlte ich mich verstanden und ernst genommen. Wenn wir uns im Sommer sahen, konnte ich mit ihr auch über alles reden, was mich beschäftigte. Mit meiner Mutter ging das gar nicht. Lore antwortete auch immer postwendend.

An der Oberschule hatten wir damals die Möglichkeit, einen Beruf nebenbei zu erlernen. Meine Eltern fanden es toll, dass ich dabei Stenografie und Schreibmaschine lernen konnte und hatten meinen Weg offenbar schon beschlossen. Schlosser im Dieselmotorenwerk wollte ich nicht unbedingt werden. Also blieb nur diese Möglichkeit – Sekretärin.

Besonders Stenografie fiel mir ausgesprochen schwer. Ich kam nie mit dem vorgegebenen Tempo mit. Ebenso war es mit dem Schreibmaschine Schreiben. Ich war ständig total verspannt und fürchtete mich regelrecht vor dem Unterricht. Die Bemerkungen der Lehrer trugen auch nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei.

Nach der zehnten Klasse nahmen meine Eltern mich von der Schule – obwohl ich in die elfte versetzt worden war – und steckten mich zu meinem Vater ins Anwaltsbüro. Gefragt wurde ich nicht. Was ihnen nicht klar war – auf diese Weise konnte ich meine Ausbildung nicht beenden. Das ging nur in Verbindung mit der Oberschule. Aber sie trösteten sich und mich dann mit der alten Floskel „Mädchen heiraten ja sowieso“.

Wenn ich sah, wie meine Kollegin auf der Schreibmaschine herum hämmerte, konnte ich mich nur schämen für mein lahmes Geklapper.

Wenn mein Vater mich zum Diktat rief, war das ein mittlerer Albtraum für mich. Später hatte ich dann größte Mühe, mein Gekritzel, das niemand als Steno erkannt hätte, zu entziffern und einen gescheiten Brief  oder Schriftsatz daraus zu machen. Zum Glück fasste mein Vater sich meistens ziemlich kurz.

Lieber als alle Büroarbeit machte ich Botengänge zur Bank und zu den Gerichten, die ich schamlos auf eine Stunde und mehr ausdehnte.

Ich möchte nicht wissen, was meine Kolleginnen hinter meinem Rücken über die Tochter vom Chef geredet haben. Aber wir verstanden uns eigentlich ganz gut und es war ihnen lieb und recht, wenn ich die Botengänge übernahm. Offenbar kamen unsere Interessen uns da entgegen.

Zu meinem Glück wollte mein Vater in Sachen Technik immer up to date sein und schaffte schon bald das erste Diktiergerät an, so dass ich dann in Ruhe danach schreiben konnte. Den meisten Schriftkram übernahm sowieso meine Kollegin Brigitte, die darin viel schneller war.

Als meine ältere Kollegin, Frau Wagner, dann ausschied, musste ich die Buchführung übernehmen – ohne das je gelernt zu haben. Noch so ein Albtraum für mich…

Nach zehn Jahren befreite mich endlich der Beruf beziehungsweise die Versetzung meines Mannes auf’s Land von der ungeliebten Büroarbeit. Das war ein Aufatmen für mich, das ich kaum beschreiben kann.

Dann hatte ich erst einmal zwei kleine Kinder und einen großen Pfarrhaushalt zu versorgen und dachte nicht weiter ans Schreiben. Nur Briefe schrieb ich weiter sehr gern und oft.

Das ging zwölf Jahre so. Dann begann unser neues Leben im Westen.

Ziemlich bald beschäftigte sich mein Mann intensiv mit Computern. Mich interessierten diese Kisten erst einmal gar nicht.

Gleich im ersten Jahr kaufte mein Mann eine riesige gebrauchte elektrische Schreibmaschine – ein Ungetüm, aber für uns ein Riesenfortschritt. Danach folgte eine neue, sehr chice japanische – klein und flach. Damit schrieb ich auch gern mal einen Brief. Sie hatte aber einen großen Nachteil – sie „fraß“ teure Farbbänder.

Und dann begann das Computerzeitalter bei uns. Diese ersten Riesenmaschinen interessierten mich wenig bis gar nicht. Die waren „Männersache“. Auch die Computerspiele interessierten mich nicht.

Aber irgendwann tauchten die ersten Laptops auf und mit ihnen – jedenfalls in meiner Wahrnehmung – das Internet und seine vielen Möglichkeiten.

Es begann wieder mit einem gebrauchten, den mein Mann mir auf den Schreibtisch stellte…

Und das „Verhängnis“ nahm seinen Lauf! In der Zeitschrift „Brigitte“ entdeckte ich einen Aufruf von „Dove“. Die Kosmetikmarke hatte ein Internet-Forum nur für Frauen gegründet, wo ich mich sofort anmeldete.

Dort konnten wir uns austauschen über alles, was Frauen so interessiert und bewegt. Das machte mir großen Spaß. Ich saß täglich vor dem Computer und tauschte mich aus.

Irgendwann gab es auch ein erstes Treffen, so dass wir uns im kleinen Kreis auch persönlich kennen lernten.

Auch unsere Gitta hatte sich in diesem Forum angemeldet, war aber nicht aktiv. Sie hatte ihren Beruf „Psychologin“ angegeben. Das interessierte mich und ich schrieb sie an. Sie reagierte sofort. Von da an waren wir in ständiger schriftlicher Verbindung – erzählten uns unsere Leben und vieles andere mehr. Und ich besuchte sie auch.

Das war für mich außerordentlich bereichernd und inspirierend.

Dann machte das „Dove“-Forum sehr plötzlich dicht. Aber eines unserer Mitglieder reagierte schnell und gründete ein eigenes kleines Forum, so dass wir weiter in Verbindung bleiben konnten. Das sind wir bis heute.

Durch dieses Forum bekam ich unglaublich viel Übung im Schreiben und Tippen. Ich bin so schnell geworden, wie nie zuvor und kann endlich auch blind und mit nahezu zehn Fingern schreiben. Links mehr als Rechts. Das habe ich in meiner Bürozeit nie geschafft.

Dann entdeckte Gitta bookrix und lud mich irgendwann ein, es mir einmal anzuschauen, was ich natürlich tat….

Ich schreibe nach wie vor leidenschaftlich gern über alles, was ich so erlebe. Meine Familie belächelt das, aber das ist mir egal.

Ich schreibe auch immer noch gern Briefe – heute eher e-mails. Aber es ist gar nicht so einfach, Partner zu finden, die auch antworten! Ich möchte natürlich nicht mit irgendwem Briefe austauschen, sondern mit echten Freunden. Leider sind meine Freunde fast alle schreibfaul.

Also schreibe ich „Bücher“. Bedauerlich nur, dass man diese „Bücher“ nicht in die Hand nehmen und darin blättern kann – es sei denn, man lässt sie selbst drucken.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.05.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /