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Bienchen und Blümchen

Von meinen Eltern wurde ich nicht wirklich aufgeklärt. Als ich so etwa zwölf Jahre alt war und meine Mutter annahm, dass ich demnächst meine erste Regel bekäme, versuchte sie es einmal mit den Bienchen und Blümchen, aber das war irgendwie nichts Gescheites. Vater hielt sich da sowieso heraus. Aber vom Storch wurde uns nichts erzählt, nicht mal von den Großeltern. Es wurde einfach nicht weiter drüber gesprochen. Zum Nachfragen war ich viel zu schüchtern.

 

Die erste Regel hat mich doch irgendwie überraschend ereilt und erst einmal sehr beschämt, so dass ich meine Höschen versteckte, bis meine Mutter sie fand und mir erklärte, dass das ganz normal sei und mich mit der nötigen Ausrüstung versorgte, die damals noch recht martialisch anmutete mit rosa Bindengürtel, der vorn und hinten eine ewig drückende und kratzende Metallöse hatte, in die grässliche scheuernde Binden aus Zellstoff und Gaze eingehängt wurden. Dass es auch andere und angenehmere Binden gab, entdeckte ich irgendwann selbst. Tampons waren dann die „Befreiung“! Meine Mutter benutzte so was alles nicht. Sie brauchte nur ein kleines Stück Watte. Mir war ein Rätsel, wie sie damit auskam.

 

Als Kinder machten wir natürlich die berühmten Doktorspiele im Hof unter einer Treppe. Aber da ich jüngere Brüder hatte, waren mir die anatomischen Gegebenheiten von Anfang an bekannt.

 

Etwa von meinem zehnten Lebensjahr an waren wir mit unseren Eltern im Sommer regelmäßig am FKK-Strand. Also waren Männlein und Weiblein rein äußerlich kein Geheimnis für mich.

 

Aber wie das mit der Vermehrung funktionierte, war mir doch längere Zeit ein Rätsel. Eine zeitlang fürchtete ich, es könnte schon beim Küssen „passieren“.

 

Im Teenageralter wurde ich natürlich neugieriger und wollte mehr wissen. Aber ich hätte mich niemals getraut, meine Mutter danach zu fragen. Unter Freundinnen wurden schon mal die verschiedensten Vermutungen diskutiert, aber schlauer wurden wir davon auch nicht.

 

In meiner Klasse war ein Mädchen, Monika, so mit vierzehn, die reifer wirkte als die meisten anderen und schon einen festen Freund hatte. Offensichtlich „tat“ sie „es“ auch schon mit ihm – das, wovon wir anderen nur eine vage Ahnung hatten. Als eine von den Mädchen sie mal fragte, ob sie keine Angst hätte, schwanger zu werden, antwortete sie: „Ach nein, Klausi passt auf!“ Das wurde bei uns zum geflügelten Wort, das ich nie vergessen habe. Offenbar hat Klausi gut aufgepasst. Solange wir in einer Klasse waren, wurde sie nicht schwanger.

 

Ich wollte unbedingt etwas für meine sexuelle Fortbildung lesen, aber es gab bei uns kaum etwas über dieses Thema. Irgendwann fand ich mal ein kleines Büchlein darüber, das ich dann eifrig studierte und immer gut versteckte.

 

Ein paar mal schickte meine Freundin Gaby mir aus dem Westen die „Bravo“. Da konnte ich lesen, was „Dr. Sommer“ zu dem Thema zu sagen hatte. Das wurde natürlich verschlungen.

 

Mein späterer Mann, der auf dem Land aufgewachsen ist, hatte es da bedeutend einfacher, wie er gern erzählt. Er hatte desöfteren sowohl tierischen als auch menschlichen Anschauungsunterricht.

 

Bei unseren Kindern war er es, der Wert darauf legte, dass sie rechtzeitig und umfassend aufgeklärt wurden. Als eine unserer Töchter eines Tages – sie waren noch im Grundschulalter – eine Frage in dieser Richtung stellte, setzte er sich mit den beiden älteren Töchtern an den Esstisch in der Küche und hielt ihnen einen längeren wissenschaftlichen Vortrag. So viel wollten sie damals noch gar nicht wissen. Aber gut, sie waren gerüstet.

 

Als ich mit unserer dritten Tochter schwanger war, schenkte uns jemand aus dem Westen das wunderbare, mehrfach prämierte und gut illustrierte Sachbuch „Peter, Ida und Minimum“ von Grete Fagerström, das wir uns oft alle zusammen angesehen haben. Die Kinder liebten es! Inzwischen ist es wohl in der Familie weiter gewandert.

 

Um die Aufklärung unserer beiden jüngeren Kinder brauchten wir uns dann eigentlich keine Gedanken mehr zu machen…

 

Tochter Nummer drei wurde umfassend und ausführlich von ihren Schwestern in die Welt der „Erwachsenen“ eingewiesen.

 

Bei unserem Sohn war es schwierig. Mein Mann hat es mal versucht, mit ihm ein klärendes Gespräch zu führen. Das hat er abgelehnt. Als er zu pubertieren begann, kaufte ich ihm ein Buch speziell für Jungen und legte es ihm ins Zimmer. Sohnemann kam aus der Schule nach Hause und das Buch flog postwendend in hohem Bogen aus seinem Zimmer.

 

Ich denke, seine großen Schwestern haben es ebenfalls vergeblich versucht, ihn einzuweihen. Aber es gab dann ja schon bald das Internet und er meinte sowieso, alles zu wissen – auch dank dem Sexualkundeunterricht in der Schule.

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Tag der Veröffentlichung: 03.04.2013

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