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Episode 1 - Prolog




Es war wie jeden Abend. Wir saßen da im Roosevelt Park in South L.A. und dachten über unser Perspektivloses Leben nach. Mein Name ist Kevin Salieri und Ich bin der Sohn eines Italieners, der nach Amerika ausgewandert ist, um sein großes Glück zu finden. Er sucht noch immer danach, und daran wird sich in der nächsten Jahren auch nichts ändern. Entweder, man hat einmal Glück im Leben und schafft es nach oben, oder man bleibt für den Rest seines Lebens am Ende der Nahrungskette.
Neben mir saß Carlos, der in die selbe Kategorie von Menschen gehörte. Sein Vater wurde in Florenz wegen kriminellen Machenschaften verfolgt und schließlich von der Carabinieri erschossen. Seine Mutter, sein Bruder und er flüchteten nach Amerika, um ein neues Leben zu beginnen, doch viel hat sich nicht geändert. Wir haben uns beide in der Schule kennen gelernt, als wir um die 8 Jahre alt waren. Das war noch die Zeit, wo Ich Hoffnung in die Zukunft hatte und regelmäßig zur Schule gegangen bin. Irgendwann wird die Welt meinen Namen kennen, dachte Ich damals, irgendwann werde Ich mächtig werden, und die Welt wird mir gehören.
Doch jetzt, knappe 8 Jahre später, lässt das alles immer noch auf sich warten. Mein letzter Schulbesuch liegt eine gefühlte Ewigkeit zurück, und die einzigsten Menschen, die den Namen Kevin Salieri kennen, sind die Cops aus Hollywood und Downtown. Einer von denen hat mich und Carlos nach einem Ladendiebstahl im Rodeo Drive gefragt, warum wir die ganze Scheiße eigentlich machen. Wir haben damals zusammen ein paar DVDs unter unseren Jacken mitgehen lassen und wurden am Ausgang des Kaufhaus von der Security festgehalten. Die Sache mit den DVDs war ein Auftrag von Vick, einem reichen Bonzensohn aus Beverly Hills. Er hat genug Geld, um seine Träume wahr werden zu lassen und zu kaufen, was er will, aber er genießt das Gefühl von Macht und Respekt, deswegen macht Verlieren wie mir und Carlos solche bescheuerten Angebote. Auf die Frage des Security-Beamten antwortete Ich mit “Irgendwie muss man sein Geld verdienen. Nicht jeder wird reich geboren.”
Ich und Carlos haben damals 400 Sozialstunden in einem Altenheim wegen Hehlerei gekriegt.
Ich sah sie wieder. Die ganzen reichen Geschäftsmänner in schwarzen Anzügen, die den Platz überquerten. Manche telefonierten mit ihren Handy, manche tranken einen Kaffe, während sie wahrscheinlich zu ihrem nächsten Termin eilten und manche gingen einfach mit gesenkten Blick über den Platz und dachten über ihr Leben nach.
“Wenn du so einen Anzug hast,” sagte Carlos zu mir und nahm einen Schluck Bier aus einer Flasche, “Dann hast du es im Leben zu was gebracht. Dieser Anzug ist wie eine Bestätigung, dass du es ganz nach oben gebracht hast.”
“Irgendwann kommen wir auch nach ganz oben.” sagte Ich.
“Mit unseren kleinen Hehlereien? Wohl kaum. Man muss Glück haben, und das haben wir eben nicht.”
“Eines Tages kommt auch unsere Zeit, glaub mir.”
Die Gedanken kamen wieder. Es sind diese Gedanken, die Ich öfters habe, wenn Ich mit Carlos am Abend auf der Bank an diesen Park sitze. Es sind die Gedanken, dass das verdammte Leben sich noch ändern wird. Diese Gedanken habe Ich seit Jahren, und keiner hat sich bis jetzt erfüllt. Ich und Carlos verdienen unserer Geld mit mal mehr, mal weniger nicht legalen Sachen, aber so richtig große Dinger, wo man Freunde findet, die einem im Leben weiter und nebenbei ordentlich viel Kohle einbringen, waren noch nicht dabei. Ich habe manchmal, wenn Ich Nachts im Bett lag, der Schlaf nicht kam und die Gedanken über das elende Dasein einen zu erdrücken scheinen, über die Mafia nachgedacht. Ich habe mal ein paar Menschen in Clubs getroffen, die für einen Mafia-Clan in Los Angeles oder generell in Amerika tätig waren. Sie haben mir von ihren Job erzählten, meistens war das der Handel mit Drogen oder Mädchen, die über die Mexikanische Grenze nach Amerika geschmuggelt wurden. Sie sahen gut aus, trugen schicke Anzüge und redeten von Sachen wie Ehre, Macht, Geld, Familie und Zusammenhalt im Leben und Beruf. Das war meine Welt, stellte Ich damals fest. Ehre, Macht und Geld waren die Sachen, die das Leben regieren, alles andere ist zweitrangig. Wenn man mir den Eingang in diese Welt zeigen würde, wenn man mir den Schlüssel für die Tür, die dort hinführt, in die Hand drücken würde, würde Ich sie ohne zu Zögern betreten.
Wenn man einmal ganz unten ist, will man nur nach oben. Und Ich werde es schaffen. Irgendwann wird sich die Gelegenheit ergeben, aus diesen Dasein zu flüchten und die Träume wahr werden zu lassen.

Als Ich zuhause ankam, wurde Ich in die Realität zurückgeholt. Meine Mutter und meine Schwester stritten sich, mein Vater hockte deprimiert in seinen Kiosk, das nahe an der Grenze zum Bankrott entlangschrammte und mir wurde wieder klar, was für ein Versager Ich war. Nach den Träumen von einer besseren Zukunft geht es mir eigentlich immer besser, doch das verfliegt, wenn einem mit aller Deutlichkeit das eigene, unbedeutende Dasein vor die Augen geführt wird. Wenn man sich für einen kurzen Moment nach ganz oben denkt, wird der Sturz nach ganz unten um so härter.
Ich ging in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir, um den Lärm halbwegs abzuschirmen. Unsere Wohnung lag im dritten Stock einer Reihenhauswohnung in South Los Angeles. Manche sagen, das sei eine üble Gegend, und Ich kann ihnen nur Recht geben. Hier regiert nicht das amerikanische, sondern das Gesetzt des stärkeren. Die Cops scheren sich einen Dreck um die ganzen Gangs, die sich gegenseitig bekriegen und eine Leiche nach der anderen auf unseren Strassen hinterlassen. Einzeln sind sie alle schwach und gehen früher oder später unter, aber wenn man ihre ganze Kraft bündeln könnte, würde eine Armee entstehen, der niemand gewachsen wäre.
Ich trat an das Fenster.
Es war Nacht, und Los Angeles wurde zu einem einzigsten Lichtermeer.
Irgendwann wird das alles mir gehören. Irgendwann kommt meine Zeit, irgendwann wird man meinen Namen kennen.
Ich wusste noch nicht, das diese Nacht mein Leben verändern sollte.

Es war keine gewöhnliche Nacht heute. Um 3 Uhr Nacht schlich Ich mich aus den Haus, gekleidet in einer schwarzen Jogginghose und einer langen, schlabberigen, schwarzen Kapuzenshirt. Wenn man die Nacht liebt, muss man eines mit ihr werden. Carlos und noch ein anderer Kerl warteten in einem kleinen Auto vor den Haus auf mich. Beide stiegen aus und begrüßten mich.
“Kevin, das ist Dexter.” sagte Carlos und legte den Mann neben ihm die Hand auf die Schulter, “Dexter, das ist Kevin. Er kennt sich aus mit solchen Jobs.”
“Hoffentlich,” sagte Dexter und gab mir die Hand, “Sonst gehen wir heute Nacht leicht drauf.”
Dexter war jung, vielleicht um die 20 Jahre alt. Er hatte schwarzes, kurzes Haar und einen leicht angedeuteten Dreitagebart. Er trug einen grauen, eigentlich viel zu großen Pullover und weite Jeans. Es war diese Art von Look, den man bei jeden Gangster in South L.A. sah.
Carlos hatte uns den Job zufällig besorgt. Er war Abends mal wieder unterwegs gewesen, während Ich mit meinen Vater sein Kiosk repariert habe, nachdem eine Bande von Schlägern es ein wenig demoliert hatte, und er traf in einem Club in Lynwood schließlich auf Dexter, der ihn fragte, ob er für eine spezielle Art von Job zu haben wäre. Es war kein großes Ding, für so Einbrüche und Überfälle werden gerne Jugendliche genommen, die gerade nichts zu tun haben und ein wenig Geld verdienen wollen. Wenn die ganze Sache nämlich aufliegt, steht nur einer blöd da, und das sind die Täter, die nicht reden werden, weil sie sonst nicht mehr lange leben. Jeder ist sich dieses Risikos bewusst, trotzdem nehmen die meisten so ein Angebot an, weil sie sowieso keine Wahl haben.
Keine Toten, keine Schießerei hat man uns gesagt.
Man weiß nie, was die Nacht für einen bereithält.
“Also, packen wir es an.” sagte Ich, “Die Nacht dauert auch nicht ewig.”
Sicher, es war keine gewöhnliche Nacht, doch Ich mache das alles nicht zum ersten Mal. Die Nacht ist die Zeit für die einsamen, verlorenen Seelen und Menschen, die was zu verbergen haben.
Und wir sein letzteres, dachte Ich während Ich vorne im Auto neben Dexter saß, der über den Harbor Freeway nach Hollywood fuhr.

Dexter hielt das Auto in der Nähe von North Hollywood, einer Gegend, in der sich eine schicke Villa an die nächste reihte.
“Mach das Handschuhfach auf.” sagte Dexter zu mir.
Ich gehorchte ihm und zog eine geladene P99 hervor.
“Vorsicht, das Ding ist scharf. Fabrikat aus Europa, 9mm. Man weiß nie, was die Nacht für einen bereithält.
Ich gab die Pistole an Carlos, der hinter mir saß, weiter und zog eine zweite, Modell Delta Colt Gold Cup, 10mm, hervor. Sie war silbern, lag schwer in der der Hand und glänzte leicht.
“Ihr wisst, wie die Sache abläuft?” fragte uns Dexter.
“Wenn alles nach Plan läuft, ja.” sagte Carlos und lud die P99 durch.
“Wir dürfen keine Grenze überschreiten. Die Kleine ist zwar alleine zuhause, aber du weißt nie, mit was für Alarmanlagen diese Buden ausgestattet sind. Keine Toten, verstanden? Wir öffnen die Tür, machen ihr klar, wie der Abend laufen wird, dann bewacht einer sie, während die anderen 2 ein paar Sachen einpacken und dann hauen wir ab. Risikofrei und ertragreich. Der Boss wird zufrieden sein.”
“Welcher Boss?” fragte Ich ihn.
“Du wirst ihn schon noch kennen lernen. Wenn du dich gut anstellst, will er vielleicht mehr von dir hören. Der Boss kann Männer gebrauchen, auf die er sich verlassen kann.”
Der Boss. Das klingt nach Mafia, das klingt nach einer Welt, für die Ich immer offen bin, das klingt nach einer Welt, die aus Ehre, Macht und Geld besteht.
Meine Welt, dachte Ich, während wir zur Haustür gingen, jeder eine Pistole im rechten Arm und die Kapuzen über den Kopf, das ist meine Welt, und Ich werde alles tun, um ihr zu bestehen.
Dexter klingelte an der Haustür. Nach kurzer Zeit öffnete ein braunhaariges, junges Mädchen um die 16 die Tür.
“Schatz, Ich bin es.” sagte Dexter und stellte sich vor uns in den Türrahmen, “Ich habe noch ein paar Freunde mitgebracht.”
“Dexter?” sagte sie verwundert und versuchte, ihm über die Schulter zu schauen, “Haben wir für heute was ausgemacht?”
“Nicht direkt.” sagte Dexter und haute mir leicht in die Rippen.
Ich wusste, was zu tun war.
Ich wusste inzwischen auch, wie die ganze Geschichte davor gelaufen ist. Dexter freundet sich mit so ein paar verwöhnten Gören aus Beverly Hills und Hollywood an, die Denken, es sei aufregend und cool mit Gangstern befreundet zu sein und ins Bett zu steigen, gewinnt ihr Vertrauen und die Adresse, und dann schließlich endet alles so.
“Keinen Laut oder es war dein letzter,” sagte Ich und richtete meine Pistole auf ihren Kopf, “Mach das für uns alle so leicht wie möglich.”
Sie wich leicht zurück, mit einem erschreckten Ausdruck in den Augen.
Dexter stellte seinen Fuß zwischen Türrahmen und Tür, so dass sie diese nicht mehr schließen konnte.
“Dexter, was zur Hölle soll das?” sagte sie panisch, als wir in ihr Haus traten und die Tür hinter uns schlossen.
“Sorry, kleine,” sagte Dexter und richtete nun auch seine Pistole auf sie, “Ich hol nur ein paar Sachen ab, dann verschwinden wir wieder.”
“Du… du kleiner Bastard.” flüsterte sie.
Ich spannte den Hahn.
Sie wich wieder zurück.
Carlos legte seine Hand auf meine Schulter.
“Nimm sie in die Küche und pass auf sie auf,” flüsterte er mir ins Ohr, “Ich und Dexter regeln das andere so schnell wie möglich.”
Ich nickte nur.
“In die Küche, los.” sagte Ich und wedelte mit der Pistole. Sie ging langsam rückwärts, ohne dabei Dexter und Carlos aus den Augen zu lassen.
“Beeilt euch,” sagte Ich zu Carlos und Dexter, “Ich pass auf sie auf.”

Ein paar Minuten später saß sie in der Küche auf einen Tisch und Ich zündete mir eine Zigarette an, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen.
“Mein Vater hasst Rauchen, und Ich auch.” sagte sie.
“Dann werdet Ihr mich auch hassen.” sagte Ich nur warf einen Blick auf die Uhr.
Sie schwieg kurz, saß nur da, zittrig und verängstigt, dass typische Bild eines Menschen, der nicht weiß, wie das System da draußen läuft und solche Situationen nicht gewöhnt ist.
“Warum machst du das eigentlich?” fragte sie mich schließlich.
“Ich habe halt keinen Vater, der mir ein paar Riesen im Monat auf mein Bankkonto überweist.”
“Du machst das also alles als richtigen Job?”
“Du hast es erfasst.”
Sie schwieg wieder.
“Macht Dexter das immer so?” fragte sie mich.
“Die Methode ist sehr effektiv.”
Ich lehnte mich gegen die Wand und ließ das Nikotin der Zigarette auf mich wirken. Die Nacht war noch lang, und das hier sind die besten Stunden des Tages, wenn man was für seine Zukunft tut. Wenn man weiß, das man irgendwann kein Verlierer wie die ganzen anderen sein wird, sondern dass man es nach oben schafft, und wenn man dabei über Leichen gehen muss.
Würdest du über Leichen gehen? Fragte Ich mich und schloss die Augen.
Ja, über dutzende, und irgendwann wird die Welt mir gehören.
“Kevin, du sollst nicht schlafen!” Dexters Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
Ich sah ihn, wie er in die Küche trat und seine Pistole neben den Herd legte.
“Ich werde mir Mühe geben.” sagte Ich und zog wieder an meiner Zigarette,
“Lass mich auch mal. Wir haben ein kleines Problem oben.” sagte Dexter und ging auf mich zu. Ich gab ihm die Zigarette, er zog kurz und gab sie mir wieder.
“So Kleine,” sagte er und ging auf sie zu, “Ich habe eine Frage an dich.”
“Ich rede nicht mehr mit dir.” sagte sie und verschränkte die Arme.
Dexter fackelte nicht lange rum, er holte aus und schlug ihr mit aller Macht ins Gesicht. Sie wimmerte und ging zu Boden.
“Ich will die Kombination für den Safe, der im Schlafzimmer deine Eltern steht.” sagte er und stellte sich vor ihr auf.
“Dexter, wir nehmen nur das nötigste, sonst wird es zu Riskant.” sagte Ich teilweise aus Mitleid, teilweise aus Angst vor den Cops.
“Halt deine Klappe, Kevin, hier geht es um eine Menge Geld.” sagte er und wendete sich wieder ihr zu.
Ich sah sie da liegen, wimmernd auf den Boden, und etwas regte sich in meiner Seele.
War es Mitleid?
Wo ist die Grenze zwischen Gangster und Psychokiller erreicht? Fragte Ich mich, gibt es überhaupt eine? Wozu ist der Mensch fähig, wenn Geld und macht ihn antreiben?
“Ich will die Kombination, Kleine, und wenn es um Geld geht, kann Ich auch ganz schön ungemütlich werden.” sagte Dexter.
“Ich weiß sie nicht, nur mein Vater und meine Mutter wissen sie!” sagte sie panisch.
Auch diesmal zögerte Dexter nicht, er trat ihr einfach mit seinen Stiefeln ins Gesicht und sie begann zu schreien.
“Ich will den Scheiß Code, du kleine Schlampe!” brüllte er und trat ihr wieder, diesmal ein wenig kräftiger ins Gesicht.
Sie begann leicht zu weinen.
“Es sind die Geburtsdaten meiner Mutter,” schluchzte sie schließlich, “Du musst einfach nur 121075 eingeben, du verdammter Bastard.”
Er schlug sie wieder mit seinen Stiefeln, diesmal jedoch so, dass sie nach hinten und mit den Kopf gegen die Wand flog und stürmte aus den Zimmer.
“Wenn sie Probleme macht, er schieß sie einfach.” sagte er noch, dann verschwand er im ersten Stock.
Ich schaute sie an. Da lag sie, ihr rechtes Auge war blau, ihre Lippen waren aufgeplatzt und bluteten und auf ihrer linken Wange hatte sie ein paar Blutergüsse.
Da saß sie nun, ein Mädchen, vielleicht 17 Jahre alt, dessen Welt nur aus Mode, Partys und Freunden bestand. Sie war hübsch, keine Frage. Braunes Pony, grüne, schöne Augen und ein Gesicht wie ein Engel, das auf einen perfekt geformten Körper ruhte.
Sie hatte Glück in ihrem Leben, dachte Ich, sie hatte mehr Glück als wir alle drei Versager zusammen. Sie wird irgendwann ihr Abi mit einem Einserdurchschnitt machen, studieren, einen netten Job und irgendwann auch einen Mann haben. Sie braucht sich keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen, denn diese ist ihr wie auf Schienen vorgelegt. Die einzigsten Probleme drehen sich wahrscheinlich um Jungs und darum, welches Kleid nächsten Sommer in sein wird.
Kann man sie deswegen verurteilen?
Nur weil das Schicksal es besser mit ihr meinte?
Nur weil sie es als cool empfand, mit so jemanden wie Dexter zusammen zu sein?
Wo ist die Grenze?
Ich wendete mich wieder zu ihr um und blickte in den Lauf von Dexters Pistole, die sie auf mich richtete.
Ich seufzte nur.
“Mädchen, leg das Ding weg, Du wirst sowieso nicht abdrücken.”
“Du und deine kranken Freunde, ihr verlässt auf der Stelle mein Haus!” sagte sie leise, doch auch drohend.
“Weißt du, wie viel Überwindung es kostet, jemanden zu erschießen?”
“Verschwindet einfach, dann muss Ich es nicht ausprobieren.” flüsterte sie.
“Denkst du echt, die werden auf mich Rücksicht nehmen? Die werden dich abdrücken lassen und dann erschießen. Ich bin nur ein kleines Teil in einem großen Getriebe und habe nichts zu sagen.”
Zweifel. Ich sah Zweifel in ihren Augen, aber noch richtete sie die verdammte Knarre auf mich.
“Lass es einfach.” sagte Ich, “Dir passiert nichts, glaub es mir.”
Sie gehorchte mir.
Langsam.
Zitternd.
Sie ließ die Waffe auf den Boden fallen und warf sich um meinen Hals.
Ich wusste nicht, wie Ich reagieren sollte. Sie weinte, sie schluchzte, Ich konnte ihre Brüste unter ihrem Top zittern fühlen
Hatte Ich Mitleid? Ich wusste, was zu tun war.
Erschieß sie, wenn sie Probleme macht, hat Dexter gesagt.
Was Dexter sagt, ist für mich Gesetzt.
“Ich will hier weg.” flüsterte sie und begann stärker zu weinen.
Mitleid?
Nein, denn niemand hat es mit dir.
Ich stieß sie von mir weg und richtete meine Pistole auf sie. Sie schaute mich an, mit verquollenen und traurigen Augen, sie wusste, was jetzt kommen würde.
“Das wirst du nicht tun,” flüsterte sie, “Das kannst du nicht tun! Du hast gesagt…”
“Sorry. Was Leute wie Ich sagen, zählt meistens nicht.” sagte Ich nur, mehr nicht.
Ich drückte ab. Zwei Schüsse, die sie in der Brust trafen und nach hinten in ein Lebensmittelregal krachen ließen, dass unter ihren Aufprall zusammenfiel und sie begrub.
Ich hörte Dexter und Carlos, wie sie zur Treppe rannten.
Ich betrachtete sie, wie sie wie ein gefallener, blutüberströmter Engel vor mir lag. Ihre Haar… Sie waren nicht mehr braun, sie waren vermischt mit dem roten Blut, dass sich aus einer Schusswunde in ihrem Kopf einen Weg nach draußen bahnte. Ihre grünen Augen… Starr und leblos, vorwurfvoll und traurig schauten sie mich an. Was hast du getan? Schienen sie zu fragen, doch Ich konnte nicht antworten.
Das ist das System.
Wenn einmal drinnen ist, kommt man nicht mehr raus.
Sorry, Mädchen. Du hattest den guten Teil deines Lebens, Ich muss meinen erst durch so einen Scheiß erkämpfen.
Irgendwann wird die Welt dir gehören, und diese Leiche wird nur eine von vielen auf deinen Weg nach oben sein.
Dexter und Carlos, beide mit ihren Pistolen in der Hand, stürmten in die Küche.
“Was zur Hölle ist hier passiert?” fragte Carlos.
“Die Kleine hat Probleme gemacht,” sagte Ich und lud ein neues Magazin in meine Pistole, “Tut mir leid, aber Ich musste sie erschießen.”
Dexter betrachtete ihre Leiche.
“Nicht schlecht,” sagte er, “Du weißt, wie das Geschäft läuft. Du gefällst mir, und du wirst auch dem Boss gefallen, glaub mir. Wir mögen Menschen, die so spontan handeln können. Manchmal gibt es Situationen im Leben, wo du nicht auf Kinderkram wie Moral oder Ehre achten darfst, sondern nur auf deinen eigenen Vorteil.”
“Ich weiß,” sagte Ich und zog den Lauf meiner Pistole zurück, “Ich erkenne solche Situationen.”

Eine Viertelstunde später saßen wir wieder in Dexters Auto und ließen Beverly Hills hinter uns. Nach der Sache mit Ihr ist nicht mehr viel passiert, wie haben ihre Leiche genommen, sie in einen Müllsack gesteckt und sie im Kofferraum verstaut. Der Safe im Schlafzimmer hatte einen üppigen Inhalt, an die 500.000 Dollar in bar, die zusammen mit ein paar anderen Wertstücken in einem Stoffsack verstaut wurden, den Carlos hinter mir auf seinem Schoß festhielt.
Keiner sagte ein Wort, selbst dann nicht, als wir in einer Gasse in LA hielten und ihre Leiche in einer Mülltonne verstauten. Erst als wir vor einem Club in LA anhielten, unterbrach Dexter das Schweigen.
“Geht schon mal rein und sagt, ihr kommt von mir und müsst die Ware abgeben. Ich verstaue solange die Karre.”
Wir stiegen aus und gingen auf den Clubeingang zu, während Dexter im Hintergrund Gas gab.
Im Club war es laut und voll. An der Bar versuchten ein Mann und zwei junge Frauen in Jeans und BH den Ansturm der Menge standzuhalten, ein wenig hinter der Bar befand sich eine Doppeltür, hinter der eine Treppe lag, die in den ersten Stock führte. Auf der Bühne legten halbnackte Tänzerinnen eine Schau für die hungrige Meute hin, während aus den Boxen Rap-Musik dröhnte und die kriminelle Stimmung im Club nur noch dicker unterstrich. Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, was in diesem Club alles vorgeht und was seine Haupteinnahmequelle ist. Dealer versuchen sich normalerweise so unauffällig wie möglich zu verhalten, doch hier gingen die ganzen Deals auffällig genug über die Bühne, um neue Kunden zu gewinnen. Wohin man auch blickte, überall entweder Männer und Teenager in Gangstermontur oder knapp bekleidete Mädchen und Frauen, die sich an diese ranmachten und entweder auf ein paar Gramm Gratisstoff oder eine gemeinsame Nacht hofften. Auf ein paar Tischen in einer Ecke wurde Black Jack und Poker gespielt, eine Gruppe Menschen hatte sie um die Spiele versammelt und betrachteten sie neugierig.

Wir gingen zu einem schwarz gekleideten Mann, der eine Tür bewachte, die zur Treppe führte.
Carlos hielt den Stoffsack hoch.
“Wir kommen von Dexter und sollen die Ware abliefern.” sagte Carlos.
Der Mann betrachtete uns kurz, dann winkte er einen Kollegen herbei, der uns die Treppe in den ersten Stock und in ein Zimmer am Ende des Ganges begleitete. Er öffnete die Tür, ließ uns in das Zimmer eintreten und schloss anschließend die Tür hinter uns.
Das Zimmer war im etwas altmodischen Stil eingerichtet. Ein Wuchtiger Schreibtisch stand direkt zwischen uns und der Fensterfront, von der man auf die Strasse blicken konnte. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Dokumente und bekritzelte Blätter. An der Wand hingen Bilder, die ein paar Städte und eine Landschaft in Italien zeigte. Ansonsten war der Raum leer, bis auf ein paar Stühle, die an der Wand standen und einem Safe, der rechts neben dem Schreibtisch eingemauert war.
Die Tür hinter uns öffnete sich wieder und ein Mann trat ein. Er war schon etwas älter, ungefähr um die 40 und trug einen gestreiften, ihm eigentlich viel zu großen Pulli und eine schwarze Jeans. Er trug eine Brille mit runden Gläsern und hatte einen leichten Schnurrbart.
“Ihr müsst Kevin und Carlos sein.” sagte er und reichte jedem von uns die Hände, “Mein Name ist Emilio und Ich bin der Boss in diesem Gebiet.”
Er ging an uns vorbei und setzte sich hinter den Schreibtisch.
“Wie Ich sehe, ist die ganze Geschichte mit Dexter glatt gelaufen.” sagte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, “Dexter ist ein Profi auf diesen Gebiet und wollte eigentlich nicht mit euch Anfängern zusammenarbeiten. Er hat vor kurzen mit mir unten gesprochen und mir von dir erzählt, Kevin. Was du getan hast, war nicht falsch, glaub es mir, es war die einzigste richtige Möglichkeit, die ganze Situation aufzulösen. Ich mag Menschen wie dich, die wissen, wie sie handeln müssen.”
Er stand auf und ging zum Fenster.
“Die Zeiten werden härter, Jungs.” sagte er und blickte auf die Strasse, “Es ist nicht mehr alles so einfach wie früher. Wer heute Macht haben und es zu etwas bringen will, muss andere Wege als früher beschreiten. Früher, da war es einfacher. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten…. Dieser Spruch stammt aus der Vergangenheit, doch wir leben in der Gegenwart. Seht ihr die ganzen Menschen in ihren Häusern und Wohnungen? Die ganzen Menschen, die alle hier in dieser Stadt leben. Die meisten von ihnen sind unbedeutend und nur Mittel zum Zweck, um im Leben voranzukommen, doch es gibt manche Ausnahmen. Das sind Leute, die sich nicht an die Regeln halten, die ihren eigenen Weg gehen in dem Glauben, es irgendwann nach ganz oben zu schaffen und über die ganzen Versager, die es nie zu etwas bringen werden, zu lachen. Wir sind solche Menschen, Jungs. Wir sind Menschen, die unseren eigenen Regeln haben.”
Er ging wieder auf uns zu und legte mir und Carlos den Arm auf die Schulter.
“Wir müssen zusammenhalten in Zeiten wie diesen. Die Cops machen Probleme, Los Angeles ist nicht mehr das, was es einmal war und die Bandenkriege in Inglewood, South Los Angeles und Downtown überziehen die Strassen mit Blut und behindern unser Geschäft. Seid ihr da, wenn Ich euch brauche?”
Keiner sagte was.
Ich nickte nur mit den Kopf.
Carlos tat es mir gleich.

Ich war wieder zuhause. Ich stand wieder vor meinen Fenster und blickte über das nächtliche Los Angeles hinweg. Du hast sie erschossen, dachte Ich andauernd und versuchte, das Bild ihrer blutüberströmten Leiche aus meinen Gedanken zu verdrängen.
Du hast sie erschossen, ohne nachzudenken. Ohne Skrupel, ohne Gnade, ohne Mitleid.
Richtig. Kein Mitleid, denn niemand hat es mit dir.
Du hast dich stark gefühlt dabei. Du hast gefühlt wie einer von diesen reichen Mafiabossen, die jemanden umlegen, weil er kein Schutzgeld bezahlt hat.
Ja, Ich habe mich stark gefühlt. Ich habe den Moment der Macht genossen, doch Ich habe ihn auch verdammt. Sie hat für meine Zukunft mit dem Leben bezahlt. Ich habe sie davor nie getroffen, nie gesehen und jetzt ist sie tot. Ihre Familie wird in einem Meer aus Trauer untergehen, ein Zimmer in dihrem Haus wird von nun an immer leer stehen und ein weiterer Mord wird in die Kriminalitätsstatistik von Los Angeles eingetragen.
Keine Gnade, denn niemand hat sie verdient. Jeder geht auf seinen Lebensweg über Leichen, warum sollte Ich anders sein? Hätte Ich sie nicht erschossen, würde Ich morgen Abend wieder auf einer Bank im Roosevelt Park sitzen und zusammen mit Carlos über mein Perspektivloses Dasein fluchen. Dexter hätte mich ganz nett gefunden, aber mich nicht für später gebraucht und Ich würde weiterhin von der Zukunft nur träumen.
Doch Ich habe sie erschossen, und Dexter hat gesehen, dass man mich gebrauchen kann. Er hat gesehen, dass Ich kein so Möchtegerngangster aus Downtown oder Inglewood bin, der mit eine Knarre im Gürtel durch die Strassen marschiert und sich dabei erwachsen vorkommt.
Ich bin anders.
Ich weiß, worauf es ankommt im Leben, und deswegen werde Ich es ganz nach oben schaffen. Die Welt wird mir gehören und die Menschen werden meinen Namen kennen.
Ich schaute aus den Fenster. Nur der Mond teilte diesen Anblick mit mir.
Los Angeles, ein Lichtermeer, ein einziger Strudel aus Angst, Einsamkeit und Gewalt.
Und Ich befinde mich mitten drinnen.

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Tag der Veröffentlichung: 24.06.2009

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