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Alle Jahre wieder...

da liest, hört oder sieht man sie, die tausend und erste Weihnachtsgeschichte, die zum Erbrechen zielgenau seit Oktober die Gazetten, Buchregale, Fernsehzeitschriften und Bildschirme, Kultursender oder Kleinkunstbühnen füllt. Fast einheitlich kitschig, zuckersüß, knallebunt und lecker wie der Vorjahreschriststollen, den Oma noch aus der Vorratskammer kramt. Ein Happy End ist verpflichtend, und dass sich Herr und Frau Weihnachtsmann am Ende bekommen und tausend kleine Elfen zeugen, wäre die konsequente Fortführung bereits allem Gesagten zu diesem leidigen Thema. Doch die Weihnachtsmannkonjunktur hat es gleich der gesamtwirtschaftlichen Depression schwer, in Gang zu kommen. Zu viele Kinder glauben zuwenig an den dicken, nach Schweiß und schlechten Atem riechenden Mann im Jogginganzug, der so faul ist, dass er sich nur einmal im Jahr von seinem Rastlager erhebt und Kinder erschreckt oder Obdachlosenzeitschriften verkauft. „Mama, Mama ich mag nicht auf den Schoß von diesem Mann, der schaut aus wie Onkel Theo, und der will mir immer beim Pipi machen zuschauen“. Jaja, Kindermund reimt sich auf kunterbunt und schon wird’s wieder fröhlich bei Bing, Bing, Bing und Trallala, Festtagsdepression und Sternsingerei, Brudermord und Massenexekution, Gruppensex und Kinderschlagen. Letzteres sogar im Namen der Erziehung, wenn der Krampus die Rute schwingt und Mama entzückt jauchzt, wie artig klein Blödi jetzt wohl wieder seine Hausaufgaben machen wird. Zum Schluss gibt’s noch zwei, drei Korn und ein wenig mit der Rute für Mami, der Papi macht gerade Überstunden auf dem Christkind. Schöner die Glocken nie klingen. Der ganz normale Wahnsinn der staden Zeit, wo Kinderlachen und Vor-den-ICE-Springen zum alltäglichen Erscheinungsbild überfüllter Weihnachtsmärkte und Großmarkthallen gehören. Die Nerven liegen blank und was freuen wir uns auf Omas Besuch zu den Feiertagen, die ihrem Namen erst alle Ehre machen, wenn Oma wieder fährt, gerupft und gefleddert wie die dürre Ente am Heiligabend, als sich alle am Tisch Befindlichen gegenseitig wünschten, das Blaukraut möge Blausäure enthalten und dem harmoniesüchtigen Elend ein baldiges Ende bereiten. Was waren die Geschenke wieder lieblos ausgesucht, zusammen geramscht und vom Wühltisch geklaut. Schnell musste es gehen, zur Not tat’s für Oma die Tankstelle um die Ecke, ne Flasche Eckes Edelkirsch und ein paar Pralinen, genau das Richtige für eine Diabetikerin, wenn es was zu erben gibt. Der Göttergatte macht sich über die Festschmausreste her, während sich der Rest der Familie zum heiteren nachmittäglichen Weihnachtsmärchenfilm vor dem Fernseher einfindet. Es kommt Blut-und-Sperma, Teil II, diesmal nicht von Disney. Ostern kam der erste Teil. Sobald das Hausschwein die Reste verschlungen hat, begibt er sich ins gemeinschaftliche Ehebett, denn essen strengt an und ein Zentner Übergewicht muss ruhen. Zur besten Sendezeit rennt alsdann die halbe Gemeinde in die ortsnächste Kirche am anderen Ende der Stadt, nachdem man feststellte, dass die Kirche vom letzten Jahr mittlerweile eine Moschee ist. Da drängt sich Pöbel an Mopp und heizt die klare, kalte Luft mit wärmenden Verdauungsgeräuschen und transpirierender Gemütlichkeit auf, die Engel sind im Stimmbruch und das Christkind in der Krippe wurde geklaut. Jetzt liegt halt dem Christkind sein Nachbar in der Wiege, wir sollen ja offen für neue Gäste in unserem Land sein und hoch von der Kanzel schallt die frohe Botschaft dem neuen Jahr entgegen, in dem sich die überlebensnotwendigsten Dinge, wie Zigaretten, Schnaps, Benzin und der Puff wieder verteuern und die Studiengebühren steigen. Soll das Balg halt was Anständiges lernen. Es kehrt Frieden in die Herzen der Leute, denn sie wissen, in zwei Tagen ist alles vorbei, die schimmelige Verwandtschaft reist ab, die Läden öffnen für den obligatorischen Umtausch der Geschenke und bis Silvester ist man selbst auch wieder nüchtern genug, um das neue Jahr gebührend begrüßen zu können, auf dass all das seine Fortsetzung nimmt und man sich abermals 51 Wochen auf das Fest der Liebe, den Rausch der Räusche und die Gelegenheit zum Sprung aus dem Fenster freuen kann.
In dem Sinne...

ein Frohes Fest


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Tag der Veröffentlichung: 08.12.2009

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