Caspar de Fries
Schriftsteller
Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben
Texte : Bearbeitet von Caspar de Fries
Frei nach: Jean de la Fontaine,
Gotthold Ephraim Lessing,
Aesop
Dazu indische Werke aus Panchatantra
Bildmaterialien: Caspar de Fries
Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 06.11.2014
Spruch von Wilhelm Busch:
Der klugen Leute Ungeschick,
stimmt uns besonders heiter.
Man fühlt sich doch für den Augenblick,
sich auch einmal gescheiter.
Dieses Buch zeigt einen Querschnitt durch die Vielfalt der Märchen und Fabeln. Dazu wählte ich verschiedene Epochen der Schreib- und Erzählkunst, die im asiatischen Raum, vornehmlich aus Indien und China seinen Ursprung hat. Das „Pantachantra“, wörtlich fünf Gewebe, ist eine altindische Dichtung aus dem 3. Und 6. Jahrhundert nach Chr. Die Sammlung beinhaltet Fabeln, moralische und Tier-Geschichten. Sie wurden im indo-iranischen Kulturkreis zur Erziehung der Prinzen am Hofe benutzt, um die Kunst der Verwaltung und weltliche Weisheiten zu vermitteln. Die Fabeln von Lessing, de la Fontaine und Aesop behandelten erzieherische Themen mit Hilfe der Tierwelt, Mystik und Erzählungen mit Gleichnischarakter.
lEine Ziege, ein Hammel und ein fettgemästetes Schwein wurden gemeinsam auf einem Karren zum Markt gefahren. Die Ziege reckte ihren Hals und schaute neugierig in die Landschaft. Der Hammel hing seinen Gedanken nach. Nur das Schwein war aufsässig und fand gar keine Freude an diesem Ausflug. Es schrie so entsetzlich, dass es sogar dem gutmütigen Hammel zu viel wurde.
„Warum machst du denn so einen Lärm? Man kann dabei ja keinen vernünftigen Gedanken fassen."
Auch die Ziege schimpfte mit dem Schwein und meckerte: „Hör endlich auf mit dem albernen Gezeter und benimm dich anständig. Schau dir die herrlichen, saftigen Wiesen an und sei dankbar dafür, dass du gefahren wirst und nicht zu Fuß gehen musst."
„Törichte Ziege, dummer Hammel", schnäuzte das Schwein, „ihr haltet euch wohl für sehr klug und gebildet, dass ihr mir Vorschriften machen wollt. Glaubt ihr denn, dass der Bauer uns allein zu unserem Vergnügen herumkutschiert? Hättet ihr nur ein Fünkchen Verstand, dann wüsstet ihr, auf welchem Weg wir uns befinden. Bestimmt denkt die leichtsinnige Ziege, man will auf dem Markt nur ihre Milch verkaufen. Du, törichter Hammel, glaubst vielleicht, dass man es einzig auf deine Wolle abgesehen hat. Ich aber für meinen Teil weiß es ganz genau, dass man mich mit dem vielen guten Essen ausschließlich zu dem Zweck vollgestopft hat, weil man mich töten und verspeisen will. Darum lasst mich um Hilfe schreien, solange ich es noch kann."
„Wenn du schon so verständig bist", rief die Ziege zornig, weil das Schwein sie beunruhigt und ihr die schöne Fahrt verdorben hatte, „dann höre auch auf zu jammern! Du weißt, dein Unheil steht fest, was hilft also noch das Weinen und Klagen, wenn du doch nichts mehr ändern kannst?"
In einem gewissen Orte wohnte ein Brahmane namens Swab. Dieser hatte mit dem erbettelten Reisbrei, der ihm nach dem Essen übrigblieb, einen Topf angefüllt; diesen Topf hatte er an einen Nagel an der Wand gehängt, darunter seine Bettstelle gestellt und schaute ihn nun in der Nacht, ohne einen Blick davon zu verwenden, an und dachte dabei:
„Dieser Topf ist doch über und über voll von Reisbrei. Wenn nun eine Hungersnot entsteht, dann wird er hundert Silberstücke einbringen.
Dafür werde ich dann ein paar Ziegen kaufen, die alle sechs Monate Zicklein werfen, so wird draus eine Herde Ziegen entstehen.
Dann für die Ziegen Rinder. Sobald die Kühe gekalbt haben, verkaufe ich die Kälber.
Dann für die Rinder Büffel.
Für die Büffel Stuten!
Sobald die Stuten geworfen haben, werde ich viele Pferde besitzen.
Aus dem Verkauf von diesen löse ich viel Gold ein.
Für das Gold bekomme ich ein Haus mit vier Gebäuden in einem Viereck.
Dann kommt ein Brahmane in mein Haus und gibt mir ein sehr schönes Mädchen mit großer Mitgift zur Frau.
Die wird einen Sohn gebären. Dem werde ich den Namen Somas geben.
Wenn der Junge dann alt genug ist, damit er auf meinen Knien schaukeln kann, werde ich ein Buch nehmen, mich hinten in den Pferdestall setzen und studieren.
Mittlerweile sieht mich Somas, und ist begierig, auf meinen Knien zu schaukeln, klettert er von da in den Schoß seiner Mutter und kommt von da aus direkt unter die Hufe der Pferde.
Dann werde ich, von Zorn erfüllt, der Brahmanin zurufen: „Nimm das Kind! Nimm das Kind.“
Sie aber, mit Hausarbeit beschäftigt, hört meinen Ruf nicht. Dann springe ich auf und gebe ihr einen Fußtritt. Indem er so tief in seine Gedanken versunken war, stieß er mit dem Fuße gegen den Topf, der zerbrach, und der ganze Reisbrei landete auf ihm,, weiß wie der Reis gefärbt ist. Daher sage ich:
"Wer unvernünftige Projekte über die Zukunft ausspinnt, dem geht's wie Somas Vater: da liegt er nun im Reisbrei, und ist weiß gefärbt.“
Einmal hatten sich vier Priester verabredet, eine Nacht in tiefster Meditation zu verbringen, und nahmen sich gegenseitig das Gelübde ab, dass keiner, komme auch, was da wolle, durch ein Wort die Meditation stören dürfe. Für die Bußübung wurde der Hauptraum des Tempels ausersehen, und dort wurden vier Kerzen in Leuchtern aufgestellt. Ein junger Priesterschüler wurde beauftragt aufzupassen, dass die Kerzen hell und gleichmäßig brannten, und sie, falls sich Schuppen bilden sollten, zu putzen. Nach einiger Zeit bildeten sich auch Schuppen an den Dochten, und die Kerzen fingen an, trüber zu leuchten. Der Tempelschüler aber sah es nicht, da er vergeblich versuchte, gegen die Müdigkeit anzukämpfen. Einer der Priester suchte ihn nun durch wiederholtes Winken auf seine Pflicht aufmerksam zu machen. Als der Schüler aber seine Gesten nicht beachtete, verlor er die Geduld und schnäuzte ihn an:
"He, du Bursche, siehst du denn nicht, dass die Lichter geputzt werden müssen?“
Da wandte sich der zweite Priester dem Sprecher zu: „Hast du denn vergessen, dass während der Meditation nicht gesprochen werden sollte?“
Ärgerlich rief nun der Dritte: „Wenn ihr beiden euch hier unterhalten wollt, kann man beim besten Willen nicht meditieren!“
Und der Vierte sagte, nachdem er alle der Reihe nach angeblickt hatte, selbstgefällig:„Ich bin der einzige, der das Gelübde nicht gebrochen hat.“
Früher, als die Erde noch ganz jung war, lebte an einem Teich, auf dem wunderschöne Wasserblumen schwammen, ein graugefiederter Kranich.Mücken, Fliegen und bunte Schmetterlinge schwirrten um ihn herum; Schnecken krochen von Blatt zu Blatt; Würmer durchwühlten die Erde; und Eidechsen huschten durchs Gras. Der Kranich lebte wie in einem Paradies.Das Quaken der Frösche im Teich war Musik in seinen Ohren, denn es erinnerte ihn ständig an köstliche Festessen. Jeden Tag wählte sich der anspruchsvolle Feinschmecker eine andere Speise.Es gab auch Zeiten, in denen er nur Pflanzenkost zu sich nahm. Die unzähligen Kräuter, Blüten und Gräser, die ihn umgaben, forderten ihn geradezu heraus, von der reichlichen Auswahl ein erlesenes grünes Menü zusammenzustellen.Damals besaßen die Tiere noch das Feuer, und der Kranich liebte es ganz besonders, Frösche und Fische in glühender Asche zu rösten.Eines Mittags, als er wieder einmal einige gute Bissen in der heißen Asche liegen hatte, flog eine Krähe herbei, die den Kranich schon eine Weile bei seiner Arbeit beobachtet hatte, und bat ihn um einen Fisch.
„Du musst noch ein bisschen warten“, antwortete der Kranich und fächelte mit seinen breiten Schwingen dem glimmenden Feuer etwas Luft zu. „Es dauert nur noch wenige Flügelschläge, dann sind die Fische gar.“
Die Krähe schaute ungeduldig in die Glut, wo die Fische lagen, und hopste unwillig auf und ab.„Jetzt sind sie aber gut!“ entschied sie und wollte sich mit einem Stock einen wohlduftenden Bissen aus der Asche angeln – sie war so vorsichtig, weil sie ihr Kleid nicht beschmutzen wollte; denn in jener Zeit besaßen die Krähen noch schneeweiße Federn.
„Weißfeder!“ schimpfte der Kranich, der sich in seiner Küchenehre gekränkt fühlte. „Du wirst doch wohl noch warten können, bis ich dir ein paar Fische anbiete. Sie sind noch nicht fertig!“
Die gefräßige Krähe versuchte mit allen Mitteln, den Kranich davon zu überzeugen, dass die Fische halb gar am besten schmecken. Dabei fiel dem Kranich etwas ein, und er stellte kennerhaft fest: „Am besten schmecken sie mit Dillkraut und Salbei.“
Und er drehte sich vom Feuer weg, um ein paar Kräuter zu pflücken.Die Krähe, die es nicht erwarten konnte, nützte den Augenblick und ergriff den Stock. Flink stocherte sie einen Fisch aus der Asche.Als der Kranich das sah, wurde er sehr böse. Er nahm den Fisch, den die Krähe sich mopsen wollte, und schlug damit nach ihrem weißen Köpfchen.Entsetzt wich die Krähe zurück, stolperte und flog in die schwarze Asche. Sie schrie vor Wut und Angst und konnte sich nicht sofort wieder aufrappeln.
Der Kranich zog sie wortlos heraus. Mit leerem Magen und die Federn voller Asche eilte sie laut keifend davon.Seit dieser Zeit haben alle Krähen ein dunkles Gefieder. Die Krähe konnte es nicht überwinden, dass sie wegen einer solchen Kleinigkeit ihre weiße Federpracht hatte einbüßen müssen. Sie sann auf Rache.
Eines Nachmittags, als der Kranich nach einer reichlichen Mahlzeit am Ufer des Teiches ein Schläfchen hielt und behaglich schnarchte, pirschte sich die Krähe leise heran. Sie packte eine der abgenagten Fischgräten und steckte sie dem Kranich ganz vorsichtig in den halbgeöffneten Schnabel. Dann flog sie geräuschlos in einen dichtbelaubten Baum und linste in schadenfroher Erwartung zu dem ahnungslosen Schläfer hinüber.
Endlich erwachte der Kranich. Er reckte sich genüsslich und sperrte weit den Schnabel auf, um kräftig zu gähnen. Sofort fühlte er ein Kratzen und Stechen im Hals. Er spuckte und würgte, aber die Fischgräte rührte sich nicht. Er wollte
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Bearbeitet von Caspar de Fries/ frei nach Lessing/de la Fontaine und Äsop
Bildmaterialien: Caspar de Fries
Tag der Veröffentlichung: 08.11.2014
ISBN: 978-3-7368-5472-7
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