Name: Rainer Göcht
Buchautor und Schriftsteller
Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben
Texte und Bildmaterialien:
Rainer Göcht
Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 03.12.2013
Meine Großmutter Wanda erzählte oft Geschichten vom Nikolaus. Diese Geschichte, in ähnlicher Form und mit ihren Worten, hörte ich sehr gerne. Schon in meiner Kindheit mochte ich das Tier Esel sehr gerne. Eine Mischung aus Trotz, bockig, störrisch, aber sehr liebebedürftig und verschmust. Wenn man so einen Esel länger betrachtete, hatte man den Eindruck vom verwunschenen Pferd, dass so traurig, wegen seines Schicksals, schaute und so eigenartige Töne von sich gab.
Es schneite unaufhörlich, ein eisiger Ostwind trieb die dichten Schneeflocken vor sich her. Für die Tiere im Winterwald begann die futterarme Zeit. Alle Blätter und Reste der Samen wurden von einer hohen Schneeschicht zugedeckt.
Carlos, der schlaue Fuchs, streunte hungrig durch die Kälte, gierig darauf, irgendeine Beute zu finden, um seinen so knurrenden Bauch zu beruhigen.
Tief, hinter hohen Tannen versteckt, sah er das Haus vom heiligen Nikolaus, und natürlich die vielen Futterhäuschen für die Vögel, die im Winter unsere Regionen nicht verließen. Wie gerne würde Carlos eines dieser flatternden Tiere erbeuten, aber, der Nikolaus verbot ihm, nur in die Nähe der Fütterungsplätze zu schleichen, sonst würde er eine Menge Ärger bekommen. St. Nikolaus steckte ihm schon mal etwas für den Hunger zu, was aber nur seinen großen Appetit anregte. Er wusste, er musste sich eine große Portion List ausdenken, um an die guten Leckereien des Nikolaus zu gelangen.
Im Stall stand Friedolin, der treue Esel, der wirklich niemand etwas antun könnte, eine ganz ehrliche Seele. Den Esel wollte sich Carlos mal vorknöpfen, sobald der Nikolaus die entfernten Futterstellen der Rehe und Hasen aufsuchte, um auch ihnen die tägliche Nahrungsration zu geben.
„Tag Friedolin“, biederte sich Carlos in seinem freundlichsten Ton an, „Ich denke gerade daran, dass am morgigen Tag dein schlimmster Arbeitstag im Jahr sein wird. Wie hältst du das nur aus, die viele Schlepperei auf deinem Rücken?“
Friedolin schaute Carlos lange in die Augen, schüttelte den Kopf und meinte: „Wieso schlimmster Arbeitstag, ich gehe mit dem Nikolaus zu den vielen Kindern, um ihnen eine große Freude zu bereiten.“
Während Friedolin dies sagte, beäugte Carlos neugierig alle Ecken des Stalles, um vielleicht vorab etwas Brauchbares für sich zu entdecken. „Weißt du Friedolin, warum musst du immer dem Nikolaus den schweren Sack tragen. Während er dann in die warmen Stuben der Kinder gehen darf, musst du so lange draußen in der Eiseskälte auf ihn warten. Findest du das gerecht? So wird das Jahr für Jahr gehen, du bleibst der unbekannte Esel, der noch nie ein Nikolausgedicht hören durfte, der noch nie die erwartungsvollen Augen der Kinder erblickte. Warum schlüpfst du nicht in den Mantel des Nikolaus und besuchst einmal selbst die Kinder, dazu setzt du die rote Kapuze auf, keiner wird es merken. Die Kinder freuen sich, wenn ihr Nikolaus einen Tag früher erscheint.“
„Meinst du wirklich, ich sollte das tun? Vielleicht hast du recht, warum sollte ich so etwas nicht auch mal ausprobieren.“
Carlos half den Mantel anzuziehen, die rote Kapuze aufzusetzen, und den schweren Sack mit den wunderbaren Dingen für die Kinder aufzuladen. Friedolin lief selig mit aufkommender Freude den verschneiten Waldweg entlang, während Carlos das Haus des Nikolaus nach brauchbaren Fressalien für seine Zwecke durchsuchte.
Friedolin beeilte sich, seine Vorfreude auf die vielen Kinder nahm mit jedem Schritt zu. Er merkte gar nicht, dass er von vielen Augenpaaren der Waldbewohner beobachtet wurde, die nur erstaunt mit dem Kopf schüttelten. War dem Nikolaus etwas passiert? War er krank, weil er seinen Esel alleine schickte, oder kommt er noch hinterher?
Ein Hase schaute unter einem Strauch hervor und rief: „ Wer kommt denn da in der Gestalt des Nikolaus? Seit wann hat denn der Nikolaus so lange herabhängende Ohren?“ Er schaute genauer hin und lachte, dass es im Wald schallte. „ Seit wann hat denn der Nikolaus so einen langen Schwanz? Ha, ha, ha.“ Viele der in der Nähe verweilenden Waldbewohner hörten das laute Lachen und eilten neugierig näher. „ Das ist doch Friedolin, der Esel vom Nikolaus“, rufen sie. „ Ich bin nicht Friedolin der Esel, ich bin selbst der Nikolaus, und werde schon heute den Kindern eine Freude bereiten.“
Während er das sagte, rutschte ihm die rote Kapuze immer weiter über die Augen und die Nase, der Sack drückte ihn, und er versuchte gleichzeitig die Kapuze und den Sack zu richten.
Der Sack fiel herunter, und die ganzen Gaben für die Kinder ergossen sich auf dem verschneiten Waldboden.
Ein wundersamer Geruch nach Äpfeln, Nüssen, Mandarinen, Zimtsternen und Lebkuchen erfüllte die kalte Luft, der viele Waldbewohner, wie Rehe, Hasen und Hörnchen anlockte. Sie tanzten um Friedolin herum, sangen ein Lied, und freuten sich auf diese schönen Sachen, die ihnen Friedolin, der Esel vom Nikolaus vorbeibrachte. Sie dachten Alle, dass dies so gewollt war und machten sich über die Leckereien her. Sie waren so begeistert von diesem außergewöhnlichen Geschenk, dass sie gar nicht das traurige Gesicht des armen Esels beachteten. Friedolin stand ganz still neben der schwatzenden und schmatzenden Waldgemeinschaft, dass er ganz seinen eigenen Hunger vergaß.
Währenddessen bemerkte der Nikolaus das Fehlen seines Esels Friedolin. Das laute Jauchzen der Waldbewohner erregte seine Aufmerksamkeit. Diesen ungewöhnlichen lauten Rufe und Freudengesänge ging er nach. Er schaute als Erstes auf seinen unglücklich dreinschauenden Esel mit dem roten Mantel und der roten Kapuze. Die ganze Situation sah so grotesk aus, dass er lauthals lachte und seinen treuen Gefährten an den Ohren kraulte. Mit dieser Tat machte er so viele Tiere im Wald glücklich, dass er gar nicht mehr an die erneute, so viele nächtliche Arbeit dachte, um die vielen Zimtsterne und Lebkuchen erneut für die wartenden Kinder am Nikolaustag zu backen.
Friedolin beichtete, dass Carlos der Fuchs ihn zu dieser Tat überredete, um selbst einen Vorteil daraus zu ziehen. Aber der Nikolaus verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr an dieses Ereignis, sondern gab Friedolin noch eine extra Portion Heu für den großen Hunger.
Carlos, der hungrige, überschlaue Fuchs hatte sich selbst in riesige Gefahr gebracht. Seine Neugier auf süße Annehmlichkeiten war so groß, dass er seinen Kopf in den großen Honigeimer steckte und in den Eimer hineinfiel. Die äußerst klebrige Masse verschmierte sein Fell, seine Augen und Nase, sodass er halbblind durch den kalten Winterwald irrte, und es zulassen musste, dass die anderen Waldbewohner sich über seinen Zustand lustig machten. So schnell wird er wohl nicht mehr seine neugierige Nase in fremde Angelegenheiten stecken. Aus Schaden sollte man bekanntlich klug werden.
Texte: Rainer Göcht
Bildmaterialien: Rainer Göcht
Tag der Veröffentlichung: 03.12.2013
Alle Rechte vorbehalten