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Prolog

Caspar de Fries

Schriftsteller

 

Zitat   : Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben.                       

 

 

Texte und Bildmaterialien: Caspar de Fries

 

 Alle Rechte vorbehalten

 

 Tag der Veröffentlichung: 08.10.2013

 

Vorwort

Die Geschichte schreibt das Jahr 1452. Preußische Hansestädte gründeten den Preußischen Bund, um sich gegen das Deutschordensland des Deutschen Ordens zur Wehr zu setzen. Die vielen Kleinkriege, das Anwerben und Bezahlen von Söldnerheeren, sowie die Verpflichtung vergangener Reparationen durch den Friedensvertrag von Thorn, veranlasste den Orden kräftige Steuererhöhungen in den Hansestädten und im Ordensland durch zu setzen. Mit dieser Wirtschaftspolitik waren sehr viele Bürger der Hansestädte nicht einverstanden und verlangten mehr Unabhängigkeit und Autonomie. Der Orden begann auf zu rüsten. Söldnerheere waren das große Stichwort. Zusätzliches Eingreifen in die Verfassungen der Städte und das Untergraben der führenden Positionen der Stadtherrschaft führte zu immer weiter greifenden Zwistigkeiten. Politisch bestärkte der polnische König Kasimir IV. Jagiello als einziger Herrscher eines Landes den Preußischen Bund, er übernahm letztlich sogar die Schutzherrschaft.

Die Ritterdienste der Inhaber von Dienstgütern waren für den Orden wegen des Aufkommens der Söldnerheere uninteressant geworden. Deshalb versuchte man, die Rechte der Dienstgüter mit allen Mitteln zu verschlechtern. Das Herzogtum Pommern versuchte sich aus diesen Streitereien heraus zu halten, konnte es aber nicht verhindern, dass man das Land mehr oder weniger zwang, sich für eine Seite zu entscheiden, und das war letztlich das Königreich Polen, was durch verwandtschaftliche Gegebenheiten schon für sich sprach. Kasper von Greifenberg und seine Freunde waren froh, nicht für den Deutschen Orden eingespannt zu werden und kümmerten sich erst einmal um die eigenen Belange und geschäftlichen Unternehmungen. Doch, wie immer kam es anders, als alle Beteiligten sich es je gewünscht hatten. Die Zeichen standen auf Krieg, aus dem sie sich nicht so einfach enthalten konnten.

 

Herzogliche Konferenz

Kasper von Greifenberg und Konrad von der Furt waren mit ihren Pferdezuchterfolgen inzwischen bis weit über die Grenzen von Pommern bekannt. Fuhrunternehmen aus vielen Ländern Westeuropas kauften die starken Zugpferde, die Brabanter, die Armeen erhielten vorab ausgebildete Reitpferde und die Osthandelsgesellschaft, die sich aus verdienten Fuhrmännern gebildet hatte, folgte den vielen Handelsabkommen, die auf den verschiedenen Handelsreisen der letzten Jahre, mit der finanziellen Unterstützung des Landes Pommern, abgeschlossen wurden. Eigentlich sollten alle Beteiligten rund herum zufrieden sein. Aber, die Weltpolitik meinte es zurzeit nicht gut mit Ihnen. Wie immer wollten die Mächtigen mehr, die anderen waren auch schon mächtig, gaben aber von ihrer Macht nichts ab, der Konflikt war unausweichlich.

In Greifenberg hatte sich in den vergangenen Jahren auch viel verändert. Es gab eine Schule, wo alle Kinder, ob arm oder reich, schreiben, Lesen und rechnen lernten. Diese Anregung brachte Samuel, der ehemalige Prediger, der nach einem Siedlertreck aus den Westländern Leiter des Kontors der Osthandelsgesellschaft wurde, und es mit seiner Hilfe zu einem sehr florierenden Unternehmen machte. Die Kinder von Kasper, Viktoria und Josua besuchten die neue Schule in Greifenberg. Babara, Kaspers Ehefrau, leitete das Unternehmen Pferdefarm, führte genau Buch über alle Zuchtergebnisse, kümmerte sich um die Löhne für die Farmangestellten und produzierte in ihrer Freizeit Honig mit eigenen Bienenvölkern. Die Aufzeichnungen des Bienenhändlers aus Kaunas halfen allen, mehr aus dieser sehr interessanten Tätigkeit zu machen. Inzwischen versuchten sich viele Menschen der Umgebung, an der Gewinnung von Honigprodukten. Das Getränk Met fand als Nebenprodukt sehr großen Anklang bei größeren Feiern.

Konrad, Kasper und Barbara, Clara, Elisabeth und Samuel saßen an einem schönen lauen Sommerabend im Juli 1452 vor ihrem Wohnhaus auf der Sitzgruppe und genossen den Abend mit einem Glas Wein, und wer rauchte, genoss noch zusätzlich seine Pfeife. Samuel, Kaspers Bruder, brach das Schweigen, er, der mittlerweile ein sehr anerkannter Schuhmachermeister geworden war, und mit vielen Ideen neue Schuhkreationen entwarf. „In der Stadt erzählt man, dass die Zeichen auf Krieg stehen. Der Deutsche Orden und der Preußische Bund rüsten auf. Wisst ihr etwas Genaues?“ „Nein“, meinte Kasper, „ich denke, wir werden in den nächsten Tagen nach Rügenwalde kommen müssen, da werden wir mehr erfahren.“ „Wird denn so ein Krieg sich auch auf unsere Region ausdehnen?“ fragte Barbara ganz besorgt. „Noch wissen wir gar nichts, noch hat kein Krieg begonnen. Aber möglich ist natürlich alles, “ brummelte Konrad so vor sich hin. „ Sag mal Konrad, wenn es wirklich zum Äußersten kommt, was machen wir dann mit den Pferden? Egal wer in unsere Nähe kommt, unsere Brabanter werden ein bevorzugtes Ziel sein. Sie werden viele Pferde brauchen.“ „Vielleicht sollten wir sie wegbringen, aber wohin?“ „Wir sollten uns darüber frühzeitig Gedanken machen.“

Ein Bote des Herzogs brachte die Einladung zu einer dringenden Konferenz in Rügenwalde. Konrad und Kasper sattelten ihre schwarzen Rappen und machten sich sofort auf den Weg. Sie waren gespannt über die Neuigkeiten, die sie auf die so wichtigen politischen Gegebenheiten einstimmen sollten. In Treptow trafen sie sich mit Daniel Lukovic, dem Schiffskommandanten ihrer Schiffsflotte, Ambrosius von Lingen, der die Sicherheitsabteilung der gesamten Trecks leitete, und Nicolaus von Lebbin, der Treckführer aller Handelsunternehmungen. Gemeinsam ritten sie zur herzoglichen Schlossanlage in Rügenwalde, um die wichtigen politischen Ereignisse in dieser Zusammenkunft aller wichtigen Persönlichkeiten des Herzogtums Pommern zu erfahren. Auf dem Innenhof vor dem großen Eingangsportal warteten bereits die Diener in ihrer rotweißen Livree, um die Gäste in den großen Konferenzraum zu geleiten. Ein Stallbursche kümmerte sich derweilen um die Versorgung der Pferde. Im Konferenzraum warteten bereits der Kanzler, der Militärattaché aus Kopenhagen, der Kriegsminister und noch weitere maßgebliche Persönlichkeiten aus dem Wirtschaftsleben. Der persönliche Diener des Herzogs stieß zwei Mal mit seinem Stab auf den Boden: „Seine Majestät Herzog Erich I.“ Eine große Flügeltür öffnete sich, und der Herzog schritt schnellen Schrittes bis in die Mitte des Konferenzraumes und begrüßte seine Gäste: „Meine Herren, ich begrüße Euch ganz herzlich zu dieser etwas außergewöhnlichen Konferenz, die, wie ich meine, von großer Wichtigkeit für unser Land, und darüber hinaus, sein wird. Bevor wir mit den wichtigen Informationen beginnen, möchte ich Euch alle, im Namen unseres Landes, für die wichtigen Erfolge im wirtschaftlichen Aufschwung unserer Region danken. Nur durch viel Pionierarbeit, Eigeninitiative und Vorausschau gelang es uns gemeinsam, das Land in eine aufstrebende und gewinnbringende Wirtschaftseinheit zusammen zu halten. Darauf möchte ich mit Euch mit einem traditionellen Doppelbrandigen anstoßen.“ Ein Saaldiener reichte auf einem Tablett die gefüllten Gläser, ein gemeinsames „Prost“ ertönte, und alle Anwesenden setzten sich an den großen, runden Konferenztisch. „Meine Herren, ich möchte zuerst den politischen Hintergrund erklären, damit Ihr Euch über die komplizierte Situation selbst ein Bild machen könnt. Seit langer Zeit gab es wiederholt kriegerische Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und seinem Nachbarn Polen und Litauen. Bereits 1409 verlor der Orden in der Schlacht bei Tannenberg den ausgebrochenen Konflikt mit der Polnisch-Litauischen Union. Im Friedensvertrag von Thorn musste sich der Orden zu Reparationen verpflichten, worauf Hochmeister Heinrich der Ältere von Plauen massive Steuererhöhungen im Deutschordenland durchsetzte. Mit dieser Wirtschaftspolitik waren viele Bürger in den Hansestädten nicht einverstanden und versuchten mehr Unabhängigkeit und Autonomie zu erreichen, vergleichbar mit dem Status der reichunmittelbaren Städte im Heiligen Römischen Reich. Zu diesem Zweck wurde der Preußische Bund unter Führung des Deutschritters Johann von Baysen gegründet und beim polnischen König Kasimir IV. Jagiello um Hilfe ersucht. Gleichzeitig wollte der Hochmeister vom Deutschen Orden, Heinrich von Plauen, sich nicht mit dem Ersten Thorner Frieden abfinden. Er begann auf zu rüsten. Bloß, dafür, und für die Zahlungsverpflichtungen aus dem Friedensvertrag benötigte er viel Geld, welches er den Städten und Landständen abverlangen wollte. Für alle Beteiligten verbesserte sich nicht die Gesamtsituation, als man Heinrich von Plauen absetzte. Für den Deutschen Orden begannen die Ritterdienste der Inhaber von Dienstgütern, den Rittergütern, uninteressant zu werden, weil die Ansiedlung von Bauern, als Wehrbauern, auf den Ländereien der Rittergüter mehr Zinseinnahmen brachten, demnach waren die Ritterdienste weniger wert. Der Orden untergrub die Rechte der Ritter mit allen Mitteln, selbst ein massives Eingreifen in die Verfassungen der Städte mit dem Besetzen führender Positionen in den Stadtherrschaften sollte die gewünschte Autorität stärken.“ Der Herzog nahm ein Schluck Wasser zu sich, hüstelte etwas in ein Leinentuch, trank noch einen Schluck um weiter fort zu fahren. Man merkte ihm an, dass seine Gesundheit nicht die Beste war. Er riss sich sehr zusammen und erklärte die derzeitige Lage weiter: „Politisch stärkte der polnische König die preußischen Stände. Er machte sie zu den Garanten der Friedensverträge von 1422 und 1435. Er gab dem Adel und den Städten die Macht, auf die Außenpolitik des Ordens Einfluss zu üben, der sich natürlich sämtliche Einmischungen in seine Belange verbat. Das Alles zusammen führte zu einer sehr bedrohlichen Stimmung gegen den Orden. Am 14.März 1440 schlossen sich die preußischen Stände, der Adel und die Städte in Marienwerder zu einem „Bund der Gewalt“ zusammen, um sich nicht vom Orden zu lösen, sondern sich gegen die Unterdrückung zu wehren und mit einer Stimme zu sprechen. Die vielen Meuchelmorde in Danzig und anderen Städten trugen nicht zur Befriedung dieser aufgeheizten Stimmung bei. Nach Gründung des „Engen Rates“ mit Sitz in Thorn, verlangte der neue Hochmeister des Ordens, Ludwig von Erlichshausen, die Auflösung des Bundes. Der Bund lehnte ab. Jetzt obliegt es beim Kaiser, ob der Bund rechtmäßig ist oder nicht. Nächstes Jahr, am 24. Juni 1453 soll der Gerichtstag in Wien sein. Der Bruch mit dem Deutschen Orden ist damit vollzogen worden, ohne dass bisher eine feste Vereinbarung mit dem König getroffen worden war. Soweit steht es jetzt, alles deutet auf einen Krieg hin.“ Die am Konferenztisch sitzenden Herren mussten diese doch sehr emotionale Berichterstattung ihrer Landesherren erst einmal sacken lassen, und sich der Gefahr, in der sie sich befanden, bewusst werden. Der Kanzler, zweiter Mann im Staat, durchbrach das Schweigen: „Meine Herren, unser Staat steht in einer verzwickten Situation. Wir können sagen, dass wir uns aus Allem heraushalten, was sicherlich die bessere Variante ist. Aber die herzogliche Familie hat auch verwandtschaftliche wie auch wirtschaftliche Berührungspunkte mit beiden Parteien zu erfüllen. Das ist unser Problem, dem wir uns stellen müssen.“ Kasper von Greifenberg rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, so, als wenn er was sagen wollte, aber nicht genau wusste, wie er das Problem anpacken sollte. Der Kanzler sah diese unruhigen Regungen, und wusste sofort, dass gleich ein intensives Frage- und Antwortspiel auch mit den anderen Konferenzteilnehmern kam, weil der junge von Greifenberg eine Begabung hatte, sehr umsichtig und detailliert in die Problematik ein zu steigen. „Herr von Greifenberg, ich sehe Euch an, dass Ihr mit dieser kommenden politischen Entscheidung einen etwas anderen Vorschlag habt, als es in der gängigen Praxis üblich ist.“ „ Ja, in der Tat sehe ich unseren Landesanteil zu kriegerischen Auseinandersetzungen etwas anders. Welche verwandtschaftlichen Verpflichtungen hat das Herzogtum Pommern zu unseren Nachbarn? Inwiefern ist Polen auf unsere militärische Hilfe angewiesen? Soweit ich weiß, ist deren Heer mit dem der Litauer eines der größten Armeen um uns herum. Wir Pommern brauchen doch unsere Soldaten mehr zur Grenzbewachung und zur Ordnung im eigenen Land. Militärisch sind wir für die nur ein unbedeutender Fleck.“ „Ihr habt sicherlich recht. Unser Herzog ist ein entfernter Cousin der polnischen Königin. Wir besitzen eine Vertragsurkunde mit Polen, zu einem Nichtangriffspakt der Polen, und einen weitgehenden Handelsvertrag mit der Hauptstadt Warschau. Außerdem dürfen wir uneingeschränkt deren Gewässer für unsere Schifffahrt nutzen.“ „Das sagt also nichts über einen militärischen Beistand aus. Und solange die Polen keine offizielle Anfrage stellen, brauchen wir auch nichts unternehmen? Ist das so richtig?“ „Das ist richtig.“ „Mit der anderen Seite, dem Deutschen Orden, haben wir keinen Vertrag oder Vereinbarung, außer laufend Ärger. Ist das auch so richtig?“ „Soweit ich informiert bin, bestehen dahin keinerlei Verpflichtungen.“ „Wie sieht es denn nun mit der Hanse aus? Es gab in der Vergangenheit ein paar Neider innerhalb der Hanse, die uns ständig etwas anhängen wollten. Wir haben damals diese Tauschverträge installiert, was ihnen gar nicht gefiel. Aber wie stehen denn die oberen Kaufleute in Lübeck und Hamburg zu unserem Land Pommern?“ „Wir haben mit den Städten Lübeck und Hamburg direkte Handelsabkommen, mehr nicht.“ „Also brauchen wir uns nicht in diese gesamte Angelegenheit einmischen, oder werden wir aufgefordert, da mit zu machen?“ „So weit ist es noch nicht.“ „Kann es sein, dass die Hanse von uns gewisse technische Errungenschaften verlangt, oder erst darum bittet? Ich dachte an unsere Schiffe, die Armbrustkanonen und ähnliches?“ „Das könnte eine Möglichkeit werden, die wir hier aber noch nicht ausdiskutiert haben.“ „Wenn beide Seiten aufrüsten, kann es sein, dass wir, das Land Pommern, Sachgüter an die großen Nachbarn abgeben müssen?“ „Bis jetzt hat noch keiner angefragt.“ „Wir haben uns mit den Erfolgen der Handelsfahrten und der Ostbesiedelung einen Namen gemacht. Unsere Handelsgesellschaft ist überall bekannt, und man kennt unsere saubere Arbeitsweise. Kann es sein, dass man mit dieser Auseinandersetzung uns zwingen will, einer Seite bei zu stehen, egal wer, um unsere Handelsbeziehungen zu untergraben, sie unmöglich zu machen? Wenn das so ist, und ich glaube, da liege ich gar nicht verkehrt, wäre es besser, wir würden in der Zeit des nahen Krieges eine Handelsreise in die andere Richtung unternehmen, um unsere Kapazitäten anderswo zu binden. Ich meine damit, kein Wagen, kein Schiff, kein verfügbares Zugpferd könnte von einem der Kontrahenten verlangt werden, sie sind eben im Einsatz.“ Es folgte ein längeres Schweigen, weil man an diese Möglichkeit noch gar nicht gedacht hatte. Denn, wo nichts ist, kann man nichts holen, so einfach ist das. Der Herzog grinste in die Runde, musste dabei etwas husten, hatte sich aber nach kurzer Zeit wieder im Griff. Ein paar andere Herren grinsten mit. Nicolaus von Lebbin hatte sich bisher aus der Diskussion herausgehalten, mischte sich aber jetzt ein, weil sein Ressort gefragt war. „Meine Herren, ich denke auch, das wäre diplomatisch wie auch wirtschaftlich für unser Land eine weitere Möglichkeit, mit friedlichen Mitteln zu versuchen, einer ernsthaften Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Wir hatten bei unseren Unternehmungen auch kriegerische Momente zu überstehen, versuchen aber stets den humanen Weg zu wählen. Ich glaube auch, dass wir mit dieser Möglichkeit uns allen helfen.“ Der Militärattaché von Kopenhagen meldete sich zu Wort: „Meine Herren, ich verfolge mit großem Interesse diese Konferenz, und ich muss sagen, hier wird mit sehr viel Weitsicht in die Zukunft operiert. Ich glaube, wenn sich alle Kriegskontrahenten an diese Nase fassen würden, gäbe es bald keine Kriege mehr, bloß das ist nur ein Wunschtraum. Mein Vorschlag für Ihre Unternehmungen wären die nordischen Länder, eingeschlossen Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland. Deren Handelskapazität ist enorm, angefangen mit Holz, Felle, Handwerksprodukte in allen Möglichkeiten. Ich glaube, das wäre eine Überlegung wert.“ „Gehe ich recht mit meiner Annahme, dass vor dem 24. Juni 1453, dem Gerichtstag, die gegnerischen Parteien sich noch zurückhalten, um im Hintergrund, in aller Stille, sich auf den Ernstfall vorbereiten?“ fragte Kasper und nahm seinen Zettel hervor, auf dem er sich verschiedene Stichpunkte notiert hatte. „Ich gehe davon aus, dass vorher keinerlei offene kriegerische Handlungen ausgetragen werden“, meinte der Kanzler. „Das hieße dann, wenn wir ein Unternehmen planen, hätten wir Zeit bis in das Frühjahr 1453. Das hieße auch, dass unser Unternehmen so große Dimensionen haben sollte, dass wir alle Reserven unserer Frachtmöglichkeiten ausschöpfen müssten, und eventuell noch gewisse Neuerungen mit einfließen lassen.“ „An welche neuen Überlegungen denkt Ihr“, fragte der Herzog, „Auf unserer letzten Krimreise überlegten wir, einen Wagen für die Schiffe zu konstruieren, den man auseinandernehmen kann. Das spart Platz, und schafft mehr Frachtraum. Die zweite Überlegung ist ein Schiff mit Rädern zu versehen, die man nach Bedarf wegklappen kann, und zwar so, dass die Räder gleichzeitig als Seitenschilder zur Stabilisierung bei Seegang dienen. Als Drittes überlegten wir ein Schiff so zu konstruieren, dass der Bug mit einer Bugklappe bei Landungsmöglichkeiten auf einem Strand oder Sandbank dienen kann. Das wäre ein Vorteil für den Transport von Pferden, die dann gleich durch den Bug das Schiff verlassen können. Als vierte Überlegung war unsere Schiffsflotte zu erhöhen, um viel mehr die Flüsse als Handelswege aus zu nutzen. Unsere zehn Schiffe, mit den Pferden sind einfach zu wenig für große Unternehmungen. Geeignete Lastprähmen zum Umbau liegen schon länger parat.“ Wie immer hörten alle Anwesenden gespannt zu und ließen die Worte von Kasper von Greifenberg erst einmal auf sich wirken. „Meine Herren, ich denke wir haben heute viele Informationen vernommen, die Anlass zu weiteren Diskussionen geben. Wir werden am heutigen Abend noch ausreichend Zeit finden, das ein oder andere Thema beim abendlichen gemeinsamen Mahl zu vertiefen. Auch nachher in einer gemütlichen Runde, bei einem oder auch mehreren Gläsern Wein in einer lockeren Atmosphäre den Abend ausklingen lassen. Ich sage bis nachher.“

Die Konferenzteilnehmer trafen sich nach einem vorzüglichen Abendessen in dem blauen Salon, wo sie sich an verschiedenen runden Tischen setzten, gemütlich ihre Pfeifen stopften und genussvoll den Rauch inhalierten. Ambrosius, Kasper, Konrad, Daniel und Nicolaus saßen an einem Tisch, ließen sich von einem der Saaldiener ein Tablett mit Gläsern voll Doppelbrandigen bringen, um ihre Zusammenkunft nach einigen Monaten mit einem kräftigen Schluck zu genießen. „Was haltet ihr von unserer jetzigen Lage in Pommern?“ fragte Konrad und schaute seine Freunde in der Runde an. „Ich weiß auch noch nicht, was ich davon halten soll,“ meinte Ambrosius und zog nachdenklich an seiner Pfeife, „die Idee von Kasper, ein neues Unternehmen zu starten finde ich gut, und werde es voll unterstützen, aber wie lange müssen wir abwesend sein, um allen Meinungen aus dem Weg zu gehen? Wie lange wird dieser Konflikt andauern?“ „Ich denke, wir sollten auch noch einmal über das Ziel unserer neuen Reise nachdenken“, fügte Nicolaus von Lebbin hinzu, „der Norden? Hilft uns das entscheidend weiter?“ „Ich glaube, wenn wir diesmal eine richtig große Tour machen wollen, dann nehmen wir uns Britannien vor, dann gehen wir allen Schwierigkeiten mit dem Orden, der Hanse, Polen und Litauen aus dem Weg,“ meinte Daniel und schaute in die Runde. „Britannien, da müssten wir aber über die Nordsee fahren, schaffen das unsere Schiffe?“ fragte Kasper. „Warum nicht, die sind seetüchtiger, als ich es für möglich gehalten habe. Die Idee mit den Zwillingsschiffen hatte sich bewährt. Aber sage mal, deine neuen Ideen mit den Schiffen, wie hast du das gemeint?“ „In unserer Runde saßen zwei Herren ganz außen am Fenster mit den grauen Haaren. Ich überlegte die ganze Zeit, wo ich diese Herren schon einmal gesehen hatte. Mich traf es wie der Blitz. Schaut einmal nach vorne zu dem Tisch, neben dem blauen Vorhang, die beiden meine ich. Die kennt ihr auch. Das sind Handelsreisende im Auftrag der Hanse. Die werden der Hanse brühwarm erzählen, was hier so besprochen wurde. Als wir die Schwierigkeiten in Danzig hatten, waren diese Beiden auch da. Jetzt zu deiner Frage. Das Schiff mit der Bugklappe war nur ein blödsinniger Einfall, ich denke nicht, dass so etwas klappt, da kommt Wasser durch. Außerdem sollte es als Irreführung für die Hanse sein, denn sonst wäre es ein wunderbarer Einfall als Truppentransporter. Alles andere, was ich vorgeschlagen hatte, sollten wir testen.“ „Ein Schiff mit einer Bugklappe funktioniert. So etwas hat schon mal jemand versucht, da kam dann ständig Wasser rein. Wenn aber eine gute Verriegelung zur Verfügung steht, klappt das. Wir sollten den Versuch wagen.“ Meinte Daniel und zündete sich erneut eine Pfeife an. „Wer bestimmt nun, wo unsere Reise hingehen soll, “ fragte Konrad und lehnte sich etwas zurück, „oder ist uns das selbst überlassen?“ „Nein, letztlich bestimmt der Herzog mit Absprache des Kanzlers über weitere Aktivitäten, aber wir können durch unsere Einwände die Wünsche steuern.“ Sagte Nicolaus und schaute zu dem Tisch der beiden Hanse-Vertreter und noch so einigen anderen Wirtschaftsexperten des Landes. „Wir sollten uns ein wenig unter die Leute mischen, um noch mehr Informationen zu erhalten. Kasper, ich sehe dir an, dass es dir unter den Nägeln brennt, diese Herren etwas aus der Reserve zu locken, tue deinen Gefühlen keinen Zwang an. Ich gehe derweil an den Tisch des Herzogs, wir sprechen uns dann später.“ Daniel Lukovic grinste vor sich hin, schaute Konrad an und meinte: „Das wird sicherlich gleich wieder spaßig, wenn Kasper diese Herren befragt, komm Konrad, sollten wir uns nicht entgehen lassen.“ Ambrosius ging zum Tisch des Kriegsministers, während Kasper an den Tisch der verschiedenen Wirtschaftsexperten trat:

„Meine Herren, darf ich mich einen Augenblick zu Euch setzen, denn Eure Meinung über die jetzige politische Lage würde mich auch einmal interessieren.“ „Bitte gerne, setzt Euch zu uns, von Euch haben wir schon eine Menge gehört.“ „Ich hoffe nur Gutes, “ meinte Kasper und schaute die beiden Handelsvertreter an, „Sagt einmal, liege ich da richtig, hatten wir uns nicht schon mal in Danzig gesehen? Ach ja, richtig, Ihr wart damals im Auftrag der Hanse in Danzig, als wir mit den Schiffen auf unserer Handelstour unterwegs waren. Naja, die Welt ist wirklich klein.“ Den beiden Herren war dieser Ausspruch, von wegen Hanse und Danzig, recht unangenehm, man merkte ihnen an, dass sie sich etwas unwohl in ihrer Haut fühlten. „Und was verschlägt Euch so nach Pommern? Will die Hanse hier bei uns ein Kontor errichten? Oder seid Ihr extra wegen unserer Konferenz hier in Rügenwalde?“ „ Nein wir sind auf ausdrücklichen Wunsch Eures Kriegsministers einer Einladung gefolgt, weil wir durch unsere Tätigkeit viel mit anderen Nationen zu tun haben.“ Welche Meinung habt Ihr zur politischen Gesamtlage, können wir uns dem allgemeinen Sog entziehen?“ „Wahrscheinlich nicht, denn Pommern liegt mitten im Streitgebiet. Es wird für das Herzogtum nicht zu verhindern sein, sich zuletzt für eine Seite zu entscheiden.“ „Für wen sollten wir uns denn entscheiden?“ „ Naja, für die Mächtigeren, die nachher die Oberhand haben.“ „Und wer wird das sein?“ „Wir, die Hanse wird als Gesamtsieger aus diesem Konflikt hervorgehen.“ „Wenn wir aber versuchen uns neutral zu verhalten, werden wir von allen Seiten wirtschaftlich isoliert, ist das so?“ „Die Hanse akzeptiert nachher nur die, die auch in den schwierigen Zeiten zu ihr gehalten hat.“ „Das heißt, keine Akzeptanz heißt gegen die Hanse. Ihr macht es Euch aber sehr einfach. Wir halten uns heraus, das heißt aber, dass wir andere akzeptieren, da ist der feine Unterschied. Die Hanse musste unsere Tauschverträge mit den Städten auch akzeptieren, auch wenn ihr es sehr schwer fiel. Wer kontrolliert die Handelsverträge?“ „Das ist unsere Aufgabe, dafür bereisen wir die Städte und Länder.“ „Dann ward Ihr die ersten der Hanse, die über die Tauschverträge Bescheid wussten.“ „So kann es gewesen sein.“ „Meine Herren, dann weiß ich auch, wer uns gewisse Leute geschickt hatte, um unsere Reise auf zu halten. Seid froh, dass Ihr hier als Gast im Schloss des Herzogs von Pommern seid, sonst würde ich Euch zu recht weisen.“ „Mein Herr, wie sprecht Ihr mit uns?“ „So wie Ihr es verdient, wir versuchen schon länger zu ergründen, wer am Meisten von unseren Misserfolgen profitieren würde, wenn man uns erledigt hätte. Unsere Vertragsformen konnten noch gar nicht so schnell nach Lübeck oder Hamburg gelangen. Es mussten Leute vor Ort sein, die nur ihren eigenen Profit im Auge hatten, die auch noch, wie sich herausstellte, an der Hanse vorbei in die eigene Tasche wirtschafteten. Ihr seid die Wölfe im Schafsfell.“ Die anderen Herren am Tisch waren sehr irritiert und wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Kasper drehte sich um und ließ die verdutzten Herren am Tisch sitzen, um wieder seinen alten Platz ein zu nehmen. Daniel und Konrad hatten das gesamte Gespräch mit angehört und waren sich der Tragweite dieser Anschuldigung bewusst. Denn dies gab gewaltigen Ärger. Nicolaus wurde bereits leise über diesen Zwischenfall informiert und fühlte sich verantwortlich, hier etwas zu unternehmen. Er sagte zum Herzog ein paar Worte, der stand auf und sagte laut in die Runde: „Meine Herren, Herr von Lingen möchte Euch eine wichtige Mitteilung machen, bitte Herr von Lingen.“ „Meine Herren, ich war verantwortlich für die Handelsreise auf die Krim. Unser Auftrag lautete, mit vielen Städten unterwegs Handelsabkommen zu treffen. Klar, in den größeren Städten existierten bereits die Handelsverträge mit der Hanse, die laut Vertrag kein weiteres Vertragswerk duldete. Aber einem Tauschvertrag, Ware gegen Ware, konnten sie nichts entgegensetzen und mussten erst einmal klein bei geben. Aber so etwas hat mit Verlust zu tun. Die Hanse duldet keinen Verlust, nur Gewinn. Also wurde unser kleines Handelsunternehmen schlecht gemacht, wir wurden als Banditen, Seeräuber und was nicht alles tituliert. Man schickte uns Söldnerheere hinterher, Soldaten in verschiedenen Städten sollten uns aufhalten, immer wieder mit den gleichen Anschuldigungen. Als es uns gelang, ein paar dieser Wegelagerer gefangen zu nehmen, konnten wir zumindest erfahren, wer etwas gegen uns hatte. Nur, wir wussten nie, wer bei der Hanse dahintersteckte, jetzt wissen wir es. Die beiden grauhaarigen Herren, dort an dem Tisch, sind für diese hinterhältigen Aufträge verantwortlich. Dadurch, dass man sie am Warenumsatz der Städte beteiligte, verloren sie durch unsere Tauschhandelsverträge eine Menge Geld. Verständlich, aber diese Mordaufträge gingen doch etwas zu weit. Ich beantrage hiermit die Festsetzung dieser beiden Herren und eine gerichtliche Verurteilung.“ Der Herzog stand auf und sagte: „ Meine Herren, es tut mir leid, Euch so viel Umstände machen zu müssen, aber mit diesen Anschuldigungen kann ich die beiden Herren nicht gehen lassen und werde sie von der Schlosswache in unserem Kerker einsperren lassen. Wache, bitte waltet Eures Amtes.“ Vier Schlosswachen geleiteten die zwei Hanse-Vertreter zum Gefängnis, damit in den nächsten Tagen ein ordentliches Gericht über sie entschied.

Mit so einem Auftritt am Abend hatte keiner der Beteiligten gerechnet, Kasper am Wenigsten. Der Herzog winkte ihn zu sich an den Tisch, um mehr über diese so prekäre Situation zu erfahren. „Herr von Greifenberg, wie kamt Ihr darauf, dass diese beiden Männer die Drahtzieher verschiedener Überfälle waren?“ „Eigentlich durch Zufall. Es war schon jedes Mal recht seltsam, dass wir kurz nach einem Vertragsabschluss mit weiteren Überfällen zu tun hatten. Als man versuchte, uns mit einer ganzen Hanseflotte ein zu kreisen, mit Kanonen auf den Grund der Ostsee zu befördern, konnten wir es noch nicht verstehen. In Memel verweigerte man uns als Banditen und Seeräuber die Liegeerlaubnis, das machte uns das erste Mal recht stutzig. Danach setzten sich viele einzelne Steinchen als Mosaik zusammen. Am heutigen Abend sah ich diese beiden Männer. Ich erkannte sie aus Gesprächen in Danzig wieder. Das Frage und Antwortspiel vorhin ergab dann die Gewissheit, ihre Antworten, ihre Gesten, ihr Verhalten. Sie leugneten letztlich auch nicht, weil sie wussten, dass das Spiel aus ist. Das sind die Schuldigen. Sie haben sich für den Tod von vielen Hanseleuten, Soldaten und auch Zivilisten zu verantworten. Deren Profitgier ließ sie blind werden, sie konnten die Realität und den eigenen Wunschtraum nicht mehr trennen. Sie sind schuldig, im Sinne der Anklage.“ „Ich werde unseren obersten Richter bitten, sich der Sache an zu nehmen. Ein Schuldspruch würde für beide die Todesstrafe bedeuten.“

„Eigentlich sollte der heutige Tag anders ausgehen, aber wie ist Eure Meinung zum Thema neue Handelsreise?“ fragte Kasper, um wieder auf das wesentliche zu gelangen. „Grundsätzlich fand ich Euren Vorschlag, eine weitere Fahrt zu unternehmen, um alle Reserven in puncto Zugtiere zu binden, sehr gut. Aber wir sollten auch überlegen, wo wir in Zukunft die meisten Vorteile herausziehen können.“ „Haben wir in Pommern noch freie Hufen zur Verfügung, die wir an Siedler vergeben könnten?“ „Da habt Ihr eines meiner Lieblingsüberlegungen angeschnitten. Wir hätten noch einige brachliegende Hufen zu vergeben. Vielleicht sollten wir diesmal nicht einfach werben, sondern uns ausgebildete Handwerker ins Land holen. Menschen die gewillt sind, sich hier zu entfalten.“ „Die Idee finde ich besonders gut, denn nur mit solchen Leuten halten wir unser Land wirtschaftlich stabil. Dann käme für uns nur eine Reise in den äußersten Westen in Frage, wo es gute Schiffsbauer, Weber, Zimmerleute und Mauerer gibt.“ „Ich sehe, Eure Weitsicht ist anders gestrickt, als nur das Abenteuer.“ Der Herzog nahm wieder sein Leinentuch heraus und hustete in das Tuch. Kasper sah einige Blutflecken in dem Tuch und machte sich ernsthafte Sorgen um den Herzog. Jemand der beim Husten Blut spuckt, ist gesundheitlich nicht auf der Höhe. „Euer Durchlaucht, ich sehe Eure Blutflecken im Tuch, was ist geschehen?“ „Ich habe Schwindsucht, eine unheilbare Lungenkrankheit, die unweigerlich zum Tod führt. Mein Leibarzt kann mir das Fortschreiten der Krankheit nur noch lindern.“ „Können wir Euch denn nicht helfen?“ „Junger Mann, helft dem Land Pommern, dann helft Ihr mir. Für jeden von uns ist mal die Zeit abgelaufen. Aber noch ist es nicht so weit.“ Kasper ging sehr nachdenklich zu seinem Platz zurück und musste das Gehörte erst einmal verarbeiten.

Treckvorbereitungen

Ein Bote brachte einen umfangreichen Bericht vom Ablauf der Konferenz. Weiterhin wurde nach vielen Diskussionen beschlossen, das nächste Reiseziel eines pommerschen Wagenzuges an den Golf von Biscaya, nach Bordeaux, zu schicken. Die Aufgabe bestand darin, ausgebildete Handwerker zu werben, die bereit waren, den weiten Weg in den Osten von Europa zu wagen.

Kasper, Konrad und Barbara saßen draußen vor der Haustür auf ihrem Lieblingsplatz, der Sitzgruppe um den klobigen Eichentisch. Kasper las das Ergebnis der Konferenz vor und fügte noch den Schlusssatz dazu: „Herr von Greifenberg, Ihr werdet gebeten, eine ausgewogene Reiseroute zu erstellen, damit wieder damit begonnen werden kann, umfangreiche politische und herrschaftliche Zusammenhänge der einzelnen Länder zu erforschen. Zusätzlich erteile ich Euch hiermit den offiziellen Auftrag, Eure vorgeschlagenen Neuheiten der Schiffe und Treckwagen vor zu nehmen und auf den Weg zu bringen.“ Gez. Seine Durchlaucht, Herzog Erich I. von Pommern.

„Dann sollten wir die Zeit auch nutzen, und unseren Handwerkern die Zeit geben, ihre Arbeiten aus zu führen. Gleich morgen früh reiten wir nach Greifenberg, um die Aufträge zu erteilen.“ „Seht mal, da kommen Nicolaus und Ambrosius“, meinte Barbara. „Hallo, habt ihr auch schon Nachricht bekommen? Ach ja, ich sehe, ihr habt die Nachricht gerade gelesen. Und, wie ist Eure Meinung dazu?“ Fragte Nicolaus. „Ich glaube, damit wären wir weit genug von allen Geschehnissen entfernt, “ sagte Konrad. „ Es zeichnete sich bereits ab, dass wir diese Richtung wählen, es ist ein Herzenswunsch vom Herzog. Als ich mit ihm alleine im Blauen Salon sprach, äußerte er diesen Wunsch. Die Frage stellt sich nur, wie lange können wir unterwegs sein? Das ist ein sehr weiter Weg dahin. Nehmen wir den Landweg, oder versuchen wir es mit einem größeren Schiffsverband immer in Küstennähe. Wir werden uns mit Daniel eingehend beraten.“ „Die Anwerber sind bereits unterwegs und fangen bereits in diesem Jahr mit ihren Werbetouren an. Es steht, dass wir uns handwerklich begabte Leute suchen, es wird sicherlich nicht einfach werden, denn die Herrscher ihrer Länder sind natürlich auch interessiert, diese Menschen zu halten. Wir werden eine ganze Menge Schwierigkeiten bekommen.“ „Deshalb ist es um so wichtiger genaue Vorbereitungen zu treffen. Unsere Reiseroute muss so gewählt werden, dass wir sehr schnell Ausweichmöglichkeiten haben und auch hier wissen, wer uns helfen kann oder eventuell feindlich gesinnt ist. Ich würde auch vorschlagen, wir wählen einen Teil altbekannter Wege. Über die Ostsee nach Lübeck, durch den Kanal nach Lauenburg. Hier entscheidet es sich, durch die Elbe in die Nordsee, immer an der Küste entlang, oder quer über Land bis zum Rhein.“

Kasper und Konrad suchten zuerst den Schreinermeister Johann auf, der mit neuen Aufträgen versehen werden sollte. „Johann, wie ist es mit Deinen Aufträgen bestellt? Hast Du Zeit?“ „Naja, im Moment ist alles etwas ruhiger geworden, aber ich sollte nicht klagen. Was kann ich denn für euch tun?“ „Wir möchten, dass du herausfindest, ob es möglich ist, ein Schiff so um zu bauen, dass es so wohl als Schiff, wie auch als Wagen gebraucht werden kann, also ein Schiff auf Rädern. Die Räder müssen nach oben wegklappbar sein, sodass sie als Seitenschwerter zur Stabilität verwandt werden können, demnach haben die Räder keine Speichen. Weiterhin soll dieses Schiff eine Bugklappe haben, die es ermöglicht, auf flachen Uferstellen oder Sandbänken direkt die Pferde und Menschen ein- aussteigen zu lassen, oder von da Fracht auf zu nehmen. Als Zweites benötigen wir einen Schiffswagen, den man schnell auseinander nehmen kann, oder auch wieder zusammenbauen kann. Das spart Platz und gibt mehr Stauraum. Ist so etwas zu bauen?“ „Ich komme in der nächsten Woche vorbei, und sage Bescheid, ob es geht oder auch nicht.“

Kasper und Konrad suchten Daniel Lukovic auf, um mit ihm über die Fahrtroute zu sprechen. Sie fanden ihn in seiner Stammkneipe mit anderen Schifferkollegen beim Essen. Sie setzten sich beide mit an den Tisch und tranken einen Krug Bier. „Hallo, alle in der Runde. Daniel, wir müssten uns gleich über die neue Fahrtroute unterhalten.“ „Gehen wir am besten dahinten an den Ecktisch, da sind wir ungestört.“ „Schaffen unsere Schiffe den Weg im Küstenbereich der Nordsee?“ Ich denke schon, wenn das Wetter einigermaßen mitspielt. Bei schwerer See sollten wir es nicht wagen.“ Also du meinst, wir könnten an Friesland, den Niederlanden vorbei, durch die Straße von Dover bis runter zum Golf von Biscaya mit unseren Schiffen fahren?“ Ja, da bin ich fest von überzeugt. Unsere Schiffe haben bewiesen, dass sie seetauglich sind, allerdings nur in Küstennähe.“ „Hm, noch etwas anderes, ich habe Johann dem Schreiner ein paar Aufträge erteilt, du könntest ja mal so nebenbei schauen, ob das alles so funktioniert.“ Kasper erklärte ihm, was die Aufträge beinhalteten, Daniel grinste nur.

Kasper und Konrad ritten nach Hause, um an Hand des Kartenmaterials, was ihnen der herzogliche Kanzler zur Verfügung gestellt hatte, eine mögliche, und vorläufige Reiseroute fest zu legen. Sie setzten sich beide vor ihrem Farmhaus an den großen Eichentisch und breiteten die handgezeichneten Karten aus.

„Ich denke, wir probieren den Seeweg, bei schlechtem Wetter, oder zu rauer See, können wir die naheliegenden Häfen anlaufen. Der Landweg kostet zu viel Zeit, die wir vor Ort, oder in der unmittelbaren Umgebung, besser für sinnvolle Aktivitäten nutzen sollten.“ Meinte Kasper und machte sich diverse Notizen. Konrad sagte: „Ich gebe zu, ich sitze lieber auf einem schaukelnden Kutschbock, als auf einem schwankendem Schiff. Aber ich sehe die Notwendigkeit dieser gesamten Unternehmung. Ihr werdet sicherlich noch einige Zeit auf dem Bock sitzen müssen, da bin ich fest von überzeugt. Ich wollte dir noch etwas im Vertrauen sagen. Dieses Unternehmen wird mein letztes sein. Ich merke, dass meine Kraft, und meine Ausdauer nachlassen, das ist kein gutes Zeichen. Bitte verstehe es nicht falsch, aber ich habe inzwischen ein Alter erreicht, wo ich gewisse Gegebenheiten akzeptieren muss. Ich hoffe, dass ich noch genügend Zeit habe, dir zu helfen. Diese Farm ist mein erstes richtiges Zuhause, ich hoffe, dass ich mich noch länger an den kommenden Jungtieren erfreuen kann, aber, man muss wissen, wo die Grenzen sind.“ Kasper schaute Konrad lange und durchdringend an. Diese Nachricht musste er erst einmal verdauen. Konrad war für ihn nicht nur ein enger Freund, sondern Ratgeber, Vaterersatz und Lehrmeister. Alles, was er über Pferde, Fuhrwerke und viele praktische Dinge des täglichen Lebens wusste, hatte Konrad ihm gezeigt und erklärt. Er musste ganz feste schlucken, um diesen dicken Klos herunter zu schlucken. „Bist du ernsthaft krank? Muss ich mir Sorgen machen?“ „Nein, ich bin nicht krank, sondern meine Jahre sind gezählt, dann ist es normal, wenn die Kraft nachlässt. Ich fühle mich einfach nicht mehr lange in der Lage, solche Strapazen durch zu halten. Und in den Kämpfen fehlt mir meine sonstige Schnelligkeit. An verschiedenen Situationen im täglichen Leben merke ich, dass es nicht mehr so klappt, wie es sein soll. Nehme es so hin und suche beizeiten einen Nachfolger, der die Fuhrmänner überlegt führen kann. Ich werde dir helfen, jemanden zu finden.“ Barbara stand im Hintergrund und vernahm die letzten Sätze von Konrad. „Konrad, ich kann deine Beweggründe verstehen und hoffe auch, dass du uns hier noch lange auf der Farm erhalten bleibst. Kasper wird sich eben damit abfinden müssen, andere Wege zu gehen, sich von dir ab zu nabeln. Das ist der Lauf des Schicksals.“

Johann kam mit den Plänen vorbei, und erklärte, was möglich wäre und was nicht. „Ein Schiff mit eigenen Rädern ist keine gute Idee, technisch möglich, aber wenn die Achsen so lange im Wasser sind, wird der Rost sie zerfressen. Aber ein Schiff mit einer Bugklappe, gerade zum Transport von Pferden eine Möglichkeit, in flachen Gewässern die Bugklappe wie ein Steg zu gebrauchen, ist technisch machbar, nächste Woche kannst du dir das erste Landungsschiff dieser Art anschauen. Interessant sind die Wagen, die man auseinander nehmen und wieder zusammensetzen kann. Ich habe solch einen Wagen mitgebracht, können wir nachher ausprobieren. Solch einen Wagen kannst du auch im Wasser ganz schnell darunter bauen, so hättest du dein Schiff auf Rädern. Eine weitere Neuheit der Armbrustkanone habe ich mitgebracht. Du hast jetzt Platz für 20 kurze Eisenpfeile, und rechts und links je eine Kammer für einen langen Pfeil oder auch einen größeren Eisenpfeil, den man auch mit einer Sprengladung ausstatten kann. Die Spannvorrichtung wird mit einem Hebel vollbracht, Entfernung für genaues Schießen dürfte etwa 400 Meter sein. Oben auf den Kammern ist eine Zielvorrichtung angebracht, die es ermöglicht, das Ziel genau an zu peilen und auch zu treffen. Das Gerät steht auf einem Dreh- und Schwenkfuß, sodass man sich nach allen Seiten bewegen kann. Sicherheitshalber sollten zwei Mann diesen Schussapparat bedienen.“ Sie probierten sogleich den Schussapparat wie auch den zusammen setz baren Wagen aus, und waren hell auf begeistert. „ Johann, kannst du bis ins Frühjahr nächsten Jahres mit allem fertig sein? Wir wollen nach der Schneeschmelze die neue Reise starten.“ „Ich werde mein möglichstes tun.“ Sagte dies und machte sich auf nach Greifenberg.

Ein langer Törn

Es war Anfang März des Jahres 1453, der Schnee schmolz, die Fuhrwege konnten passiert werden und die Flüsse wurden wieder eisfrei. Das normale Leben begann wieder zu existieren. Die kleine Stadt Greifenberg nahm eine Betriebsamkeit auf, wie es die Bürger der Stadt noch nie gesehen hatten. Die Schiffsflotte, die den weiten Törn in den Golf von Biskaya unternehmen sollte, war auf 20 Schiffe angewachsen, größere für die Fuhrmannswagen, kleinere mit Bugklappe und ausreichend Pferdeboxen an Bord, um die vielen Kaltblüter, die Brabanter, auch unterbringen zu können. Zu jedem Schiff gehörten eine eigene Seemannschaft, dazu die Fuhrmänner und ausreichend Sicherheitsleute mit ihren Reitpferden. Alles musste verstaut werden, angefangen von den vielen Lebensmitteln, Tierfutter, ausreichend Wasser, Waffen, Munition, Ersatzteile, und vieles mehr. Außerdem sollten noch viele siedlungswillige Menschen nach Pommern gebracht werden, die dann später in den Wagen und Schiffen einen Platz beanspruchten. Ein Mammutunternehmen, deren Logistik schon einige Nerven kostete. Bald kam der Tag des Abschieds. Eine große Menschenmenge verabschiedete die Treckfahrer und stand winkend auf den Schiffsanlegern. Nicolaus von Lebbin schaute über die Schiffsflotte, hob den Arm und rief: „Schiffe, Treck marsch.“ Sogleich kamen die Kommandos der Schiffsführer, mit einem lauten: „Setzt Segel.“ Die großen Segel flatterten in der schwachen Brise und die Schiffsflotte setzte sich in Richtung Treptow, darüber hinaus in die Ostsee in Bewegung. Auch hier wurden wieder je zwei Schiffe über starke Bohlen als Zwilling zusammengesetzt, diese Art zu reisen bewährte sich bereits auf der langen Krimreise nach Südeuropa.

Daniel Lukovic, bewährter Schiffsführer, leitete die gesamte Seemannschaft, so etwas wie in der heutigen Zeit ein Admiral. Über Flaggensignale gab er den anderen Schiffen zu verstehen, ob der Kurs zu wechseln sei, Segel mehr oder weniger und vieles mehr. Er hatte sich um alles zu kümmern, was mit Seefahrt zu tun hatte. Mit Kasper von Greifenberg besprach er die Segelroute, und beriet sich mit ihm bei eventuellen Gefahren, weil Kasper sich ständig innovativ auf sein Gefühl und sein Instinkt verlassen konnte. Man schätzte allgemein sein Urteilsvermögen auf die geistige Einstellung gewisser Gegebenheiten, seine Vorausschau auf spontane Pläne in Gefahrenbereichen und dem damit verbundenen Ergebnis waren weit bekannt. Selbst der Treckleiter Nicolaus von Lebbin hörte sich gerne die einfache Plangestaltung an, die bis jetzt auch regelmäßig sehr erfolgreich war.

Der Schiffsverband folgte dem Flüsschen Rega an Treptow vorbei zur Mündung in die Ostsee, den kleinen Ort Deep hinter sich lassend, ein Winken mit einigen dort stehenden Fischern, und schon nahmen sie westlichen Kurs in Richtung Rügen auf. Daniel Lukovic ließ alle Mastkörbe mit einem Ausguck besetzen, um auf eventuelle Besucher vorbereitet zu sein. Es versprach ein sonniger Tag zu werden. Einige Dunstschwaden hingen noch über dem Wasser, konnten aber vom Ausguck überschaut werden, eine sehr seltsame Wettersituation. Doch je weiter die Sonne an Kraft zu nahm, verflüchtigten sich die Nebelschwaden und die nahe Küste von der Insel Usedom schälte sich langsam aus den Schwaden heraus. Sie schauten auf die weitgedehnten Sandstrände und eine weitläufige Dünenlandschaft. Vereinzelt zeigten sich ein paar Fischerkaten, davor hingen verschiedene Fischernetze, die von einigen Fischern repariert wurden. Am Strand spielten einige Kinder, die bei so einer großen Ansammlung von Schiffen ihr Spiel unterbrachen, erst erstaunt guckten, um dann ganz übermäßig zu winken. Auf den Schiffen winkten einige Seeleute zurück. Der Wind frischte auf und Daniel Lukovic ließ zusätzlich die Vorsegel setzen, um noch mehr Fahrt auf zu nehmen. Der Ausguck meldete ein paar Segel, aber alle fuhren nicht ihren Kurs. Der Ausguck meldete Land voraus. Die Schiffe hielten auf die Insel „Ruden“ zu, eine kleine vorgelagerte Insel vor Usedom im Bereich des Peenestroms, der aus Mecklenburg in die Ostsee floss. Die kleine Insel bildete früher einmal eine Landverbindung zu der zu Rügen gehörenden Halbinsel „Mönchsgut“, aber durch die schwere Allerheiligenflut im Jahre 1304 wurde diese Landverbindung zerstört. Übrig blieb ein 2 KM langer und knapp 400 Meter breiter Inselstreifen, den gerne verschiedene Piraten als Standort nutzten. Die Durchfahrt zu Usedom betrug gerade mal knapp eine 2 Km breite Wasserstraße, eine sehr gute Möglichkeit für eine Falle, weil in diesem Wasserstreifen auch Stromschnellen durch die Peene das Navigieren eines Schiffes erschwerten. Der Ausguck meldete ein paar Segel, die aber hinter der Insel aus der Sicht verschwanden. „Sag mal Daniel, als wir damals auf die Piratenschiffe stießen, wollten sie uns in der Meerenge von Rügen stellen. Kann es sein, dass sie es hier wieder probieren? Diese Segel gerade, sie verschwanden aus unserem Blick, wo wollen sie hin? Da gibt es doch noch die andere Insel, „Greifswalder Ole“, mit einem Naturhafen. Was meinst du, sollen wir da nicht mal nachschauen, wer so alles auf uns wartet, oder nachher hinter uns her fährt?“ „Ich glaube, du könntest recht haben. Wir sollten Nicolaus davon unterrichten.“ Daniel gab per Flaggen Nachricht über den Kurswechsel und was sie wahrscheinlich erwartet. „Noch was, hast du auch dieses seltsame, immer wieder kehrende Blitzen gesehen? Wir haben kein Gewitter, kein Wetterleuchten, was wird das sein?“ „Ich weiß es nicht, vielleicht spiegelt sich die Sonne in einem Glas oder einem Stein.“ „ Meine Güte, ich habe es, du sagtest gerade spiegeln. Es gibt auf den Inseln Leute, die mit Hilfe eines Spiegels und der Sonne Signale zur anderen Insel senden, um unsere Ankunft zu melden. Gar nicht so dumm. Die wissen sehr frühzeitig, dass wir kommen, und werden uns entsprechend empfangen.“ Kasper schaute sich wieder die Karte an. „Der kleine Hafen von Greifswalder Ole soll unsere Falle sein, wenn wir da hineinfahren, um zu pausieren, schießen sie uns von See aus zusammen. Wenn wir aber auf der anderen Seite der Insel mit unseren Landungsschiffen nach Sonnenuntergang landen, können sie mit ihren Spiegeln nichts mehr ausrichten. Einen größeren Trupp Leute schicken wir zum Aufräumen, mit den anderen Schiffen warten wir, bis es dunkel ist, um dann auf ein Signal am Hafeneingang zum Eingreifen zu erhalten. Ich denke, dann haben wir sie in der Zange, wer es auch immer sein wird.“ Nicolaus und Daniel nickten hierzu. „Wir haben noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang, wir ändern unseren Kurs auf Nord, und verwirren sie noch mehr.“ Daniel gab per Flagge die nötigen Befehle zur Kursänderung, und die Schiffe vollführten alle eine saubere Halse, so als wenn es zu diesem Zeitpunkt das Natürlichste auf der Welt war. Keinem Zuschauer würde in den Sinn kommen, dass hier etwas von Falle oder ähnlichem bemerkt worden sei. Die Sonne ging unter, sogleich änderten die Schiffe wieder ihren Kurs und steuerten direkt die Rückseite der kleinen Insel Greifswalder Ole an, um mit den Landungsschiffen in einer kleinen Bucht das erste Manöver einer schnellen Landung zu praktizieren. Die Schiffe rutschten vom Wasser auf den flachen Strand, die Bugklappen öffneten sich und Ambrosius von Lingen und seine Begleitmannschaft stiegen aus den Schiffen mit ihren Pferden. Sogleich schlossen sich die Bugklappen wieder, ein paar Seeleute drückten mit langen Stangen die Schiffe wieder ins Wasser und segelten zurück zum Verband.

Währenddessen ritten Ambrosius und seine 50 Männer quer über die Insel in Richtung kleiner Naturhafen, wo drei Koggen, nebeneinander festgemacht, im Wasser dümpelten. An vier strategisch wichtigen Stellen befestigten mehrere Männer schwere Kanonen, die alle auf den Hafeneingang und die Hafenanlage gerichtet waren. Ambrosius ließ absitzen, teilte seine Leute in 4 Gruppen auf, damit sie sich zeitgleich mit den Männern an den vier verschiedenen Kanonen beschäftigen konnten. Sie pflockten die Pferde an, und schlichen sich tief gebückt durch das hohe Dünengras zu den einzelnen Kanonen. Sie wollten zeitgleich mit ihren Operationen beginnen und stießen nach Erreichen ihrer Positionen den Schrei einer Möwe aus. Wie Schatten schlichen sie sich nun an die dort wartenden Männer, die sich lautstark unterhielten, zwischendurch lachten, oder ihre Pfeife rauchten. Plötzlich, ohne Ansatz, sprangen die Schatten in die Rücken der ahnungslosen Männer und stießen ihnen lange Messer in den Rücken. Sie starben lautlos und ohne Gegenwehr. Wieder ertönten die Schreie der Möwen, ein Zeichen, dass jetzt nur noch die Besatzungen der drei Koggen zu erledigen waren. Ambrosius und seine Leute schlichen sich näher an die drei Schiffe heran. Was sie sahen, gefiel keinem, sie erkannten die Fahnen der Hanse. Warum wollten die auf einmal die pommerschen Schiffe vernichten? Lag es daran, dass die zwei Hansevertreter zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden? Aber sie hatten doch selbst der Hanse geschadet? Ambrosius raunte seinen Leuten zu, dass er von der Besatzung die Schiffsführer lebend haben wollte. Sie näherten sich vorsichtig den Schiffen und konnten sogleich die Schiffswachen ausmachen, weil sie sich leise unterhielten und ihre Pfeife rauchten. Die Kundschafter von Ambrosius Abteilung waren die Spezialisten im Anschleichen und Leisetreten. Sie erledigten die Wachen im Schongang und fesselten und knebelten sie. Danach wurden die Schiffe durchsucht und die noch schlafenden Personen ebenfalls überwältigt und gefesselt. Die ganze Aktion ging in einer ruhigen selbstsicheren und viel erprobten Art und Weise über die Bühne. Sie signalisierten ihren Schiffen mit brennenden Fackeln am kleinen Hafeneingang den Erfolg der Unternehmung. Nach kurzer Zeit fanden sich alle Schiffe im kleinen Hafenbereich ein und füllten ihn komplett aus. Nicolaus ließ an verschiedenen Punkten der kleinen Insel Wachen aufstellen, die das Nahen diverser Schiffe signalisieren sollten.

Nicolaus, Kasper, Ambrosius, Daniel und Konrad schauten sich die Gefangenen an und fragten sie aus. Nur Schweigen, keiner der Männer sagte ein Wort, oder äußerte sich zur Person. Demonstrativ ließ Nicolaus an ihren mobilen Kran einen Galgenstrick hängen, darunter stellten sie einen Hocker. Der Erste Gefangene, ein Mann um die vierzig Jahre, leicht ergrautes Haar, sonnengebräunt, untersetzt, hatte als erster das Vergnügen auf den Hocker zu steigen und die Schlinge um den Hals zu bekommen. „Nun mein Herr, ich frage Euch das letzte Mal, wer seid Ihr, wie ist Euer Name?“ Keine Antwort. „Stopp erst mal“, rief Kasper, und hielt einen dicken Umschlag mit der Order des „ Deutscher Kaufmannsbund Hanse Hauptkontor Lübeck“. „Hier steht die Order drin, an den Schiffsführer Johann Wittenborg. Ich lese vor: Aus politischer und wirtschaftlicher Überlegung ersuchen wir Herrn Johann Wittenborg, Master einer Kogge, als Hauptmann eines Schiffsverbandes dem Treiben des pommerschen Schiffsverbandes ein endgültiges Ende zu bereiten. Der Verband unternimmt im März des Jahres 1453 eine außergewöhnlich lange Handelsreise, um im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Polen / Litauen und der Allianz zwischen dem Deutschen Orden und der Hanse keine kriegswichtigen Sachwerte an einen der Parteien ausliefern zu müssen. Damit auch niemand die Neuentwicklungen der Schifffahrt, der Fahrzeuge und der Waffen für seinen Bereich behauptet, erteilen wir den Befehl der kompletten Vernichtung, oder auch sofortigen Übereignung an die Hanse. Wir unterstellen Herrn Wittenborg zur Ausübung dieser für uns lebenswichtigen Unternehmung zehn Kriegskoggen mit der nötigen Ausrüstung an Soldaten und Waffen. Die technische Abwicklung obliegt seinem militärischen und seemännischen Können.

Gez. Alexander Lüneburg

Generalsekretär

Deutscher Kaufmannsbund

Hauptkontor Lübeck.“

Allgemeines Schweigen, hin und wieder war ein Räuspern zu hören, sonst nur betretenes Schweigen. Denn was hier offeriert wurde, war eine Kriegserklärung an den Staat Pommern. „Wer von Euch ist Johann Wittenborg?“ Kein Wort. „Gut, das kriegen wir auch noch heraus. Was hier steht, ist eine Kriegserklärung, und hat zur Folge, dass ich Euch alle aufhängen lassen kann, ohne eine weitere Anklage oder Verteidigung. Wir haben Euch nichts getan, Ihr seid die Aggressoren. Wollt Ihr also Euren Kopf hinhalten, für einen Handelsvorsitzenden, der nur seine persönliche Macht ausspielen will? Euer Schicksal ist ihm fürchterlich egal. Was wir wollen, ist mit keinem Krieg führen, unsere Handelsreisen durchführen, um unserem Land, denn da wohnenden Menschen, Arbeit und Brot zu gewähren. Wir haben uns immer aus allen Machtspielchen herausgehalten. Also noch ein letztes Mal, und zwar von jedem: Name, wo er herkommt, was er hier auf den Schiffen für eine Stellung hatte. Ich höre.“ „Wir werden Euch nichts sagen. Die anderen Kriegskoggen sind bereits auf dem Weg hierher. Dies sind die letzten Worte, die ihr von uns hört.“ Keiner sagte mehr etwas, sie blieben weiterhin stumm. Nicolaus von Lebbin seufzte, denn jetzt musste er seiner Drohung nachgehen, sonst wäre seine Autorität total untergraben. Er nickte einem seiner Leute zu, der trat gegen den Schemel, und der jenige, der diese paar Worte sprach, hing am Strick und zappelte noch ein wenig, die Füße zuckten, dann hing er still, dass Genick war gebrochen, die Atemwege zugeschnürt. Der nächste Delinquent, ein junger Seemann, vielleicht 20 Jahre alt, kam an den Galgen. Plötzlich fing er an zu schreien, er wollte nicht sterben und verfluchte die gesamte Hanse mit allen Schiffen und Gesetzen. „Mein Name ist Karl Johannson, ich komme aus Lübeck. Ich bin Seemann auf der Kogge 1.“ Nicolaus ließ ihn losbinden und in eine der Pferdeboxen sperren. Ein anderer spuckte ihm vor die Füße und brüllte: „Du Hund, ich verfluche Dich. Du hast Deinen Eid gebrochen. Schmoren sollst Du in der Hölle.“ Danach schwieg er, schaute aber alle sehr herausfordernd an. Ihn knüpften sie als nächsten auf. Sein Todeskampf dauerte etwas länger. Keiner der Gefangenen sprach noch etwas, sie ließen sich alle aufhängen, ohne um Gnade zu winseln. Nach dieser widerwärtigen Vorstellung wurden die Toten auf der Insel begraben.

Langsam dämmerte es, der Morgen schien zu erwachen. Einer der Beobachtungsposten rief: „Segel in Sicht“, was Daniel dazu veranlasste, ein paar der Schiffe seeklar zu machen, um den Koggen zunächst aus zu weichen, aber im entscheidenden Moment wieder in deren Rücken auf zu tauchen. Die drei Koggen zogen die Männer vor die eigenen Schiffe, so als wenn alles ganz normal aussah. Ein paar der neuen Armbrustkanonen stellten sie auf die Koggen, des Weiteren ließ Ambrosius die vier Kanonen besetzen, dazu stellten sie noch jeweils eine Armbrustkanone zur Ergänzung auf. Sie warteten, die Segel konnte man bereits gut ausmachen. Langsam ging die Sonne auf, dass hieß, die Schiffsbesatzungen schauten geradewegs in die Sonnenstrahlen und wurden von ihnen sehr stark geblendet. Natürlich sehr zum Vorteil der Treckmannschaft, die sich sehr gut auf die ankommenden Schiffe konzentrierten. Die sieben Schiffe kamen immer näher, die leichte Brise schaffte es gerade, sie vorwärts zu schieben. Das vordere Schiff erreichte die kleine Hafeneinfahrt und ließ die Segel reffen. Die nächsten drei Schiffe taten es ihnen nach. Man merkte, dass sie sich ihrer Sache sehr sicher waren. Plötzlich rief einer der Ausgucke im Mastkorb von einem der hinteren Schiffe, Segel in Sicht. Sie versuchten sich frei zu segeln, hatten dabei aber ihre Schwierigkeiten, weil man mit einer Kogge keine vernünftige Halse fahren konnte. Zwei der Schiffe verhakten sich in einander und vollführten ein fürchterliches Durcheinander. Ein Schiff schaffte es, an diesem Chaos vorbei zu kommen und wollte alleine gegen die kommende Übermacht angehen. Eine der Landkanonen verhinderte mit einem sehr gezielten Schuss dieses Vorhaben, die dicke Steinkugel zertrümmerte den Großmast und zerschmetterte sämtliche Aufbauten, dass die Holzsplitter wie kleine Speere die Seeleute ummähte, und ein fürchterliches blutiges Gemetzel hinterließ. Die verletzten Seeleute schrien, wimmerten und kreischten vor Schmerzen.

Die Schiffe, geführt von Daniel Lukovic, erreichten die verhedderten Koggen und drohten mit weiteren Schüssen, es sei denn, die Besatzungen würden sich ergeben. Man sah, wie die Schiffsführer mit sich kämpften, ergeben, ja nein. Sie ergaben sich. Sie hoben die Hände, ein paar von Daniels Leuten nahmen ihnen alle Waffen ab und fesselten ihre Hände auf dem Rücken. Dann brachte man sie zu dem kleinen Hafengebäude, wo sie erst einmal einschloss. Die verwundeten Seeleute erhielten ihre Versorgung, das zersplitterte Schiff wurde verbrannt. „Was machen wir mit den sechs übriggebliebenen Koggen“, fragte Daniel und schaute fragend in die Runde. „Wir könnten sie der Hanse verkaufen“, meinte Kasper und grinste bei dem Gedanken. Alle schauten Kasper entgeistert an. „Verkaufen?“ „Das wäre der Spaß des Jahrhunderts, denen die Schiffe verkaufen, die uns ans Leder wollten, hahaha.“ „Aber wie willst du das anstellen?“ „Lasst mich nur machen, was ist so ein Schiff wert?“ Ich denke, 10000 Goldtaler wäre ein guter Preis für ein Schiff.“ „Die Hanse hätte sonst sieben Schiffe weniger, wir werden es probieren.“ Die meisten schüttelten den Kopf, sie konnten es kaum glauben, so viel Kaltschnäuzigkeit an den Tag zu legen, da gehört schon eine ganze Menge zu.

Die Besatzungen der Koggen ließen sie zusammen mit den Verwundeten auf der Insel. Die Prisen wurden von ein paar Besatzungsmitgliedern gefahren und gehörten zurzeit mit zu dem pommerschen Schiffsverband. Ihr neuer Kurs gehörte der zwei Kilometer breiten Meerenge von Rügen, Strelasund. Hier hatten die Treckfahrer schon einmal Schwierigkeiten mit den Vitalienbrüdern, die hier auf der Ostsee ihr Unwesen trieben. Aber in den letzten Jahren schien sich dieses Problem von selbst gelöst zu haben. Das Wetter änderte sich, Regenwolken zogen auf und es fing an zu regnen, erst leichter Sprühregen, aber nach einiger Zeit nahm die Intensität zu, dazu wehte ein kräftiger Wind. Daniel ließ zusätzlich die Vorsegel setzen, um mehr Fahrt auf zu nehmen. Die Koggen hatten Mühe, mit zu halten. Der Schiffsverband durchfuhr ohne weitere Schwierigkeiten die Meerenge, passierte Stralsund und umrundete die Nordspitze der Halbinsel Zingst, die in die Halbinsel Darß übergeht. Das Fischerörtchen Perow war ihr Ziel, um dort eine wichtige Pause für die weiteren Aufgaben ein zu legen. Der kleine natürliche Hafen reichte gerade aus, um die Schiffe mit den Bugklappen auf flaches Wasser zu fahren, damit die Pferde sich einen großen Teil des hinteren Graslandes als Futterplatz sicherten. Die anderen Schiffe vertäuten sie miteinander gleichzeitig an den Anlegerpfosten, die nach dieser Last der vielen Schiffe ächzten und stöhnten.

Der Schiffskoch bereitete eine kräftige Fleischsuppe zu, während Kasper und Freunde zusammen saßen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. „Ihr werdet mit unseren Schiffen an den Hafenanlagen von Lübeck vorbeifahren und direkt den Stecknitzkanal ansteuern. Damit werden sie nicht rechnen. Als Fahne nutzt ihr die Dänenflagge, die ist für die Hafenaufsicht nichts Neues. Ich werde mit der Prisenmannschaft, Konrad und ein paar Reitpferden   so lange in der Nähe der Koggen warten, bis ihr durch die Schleuse fahren konntet. Konrad und ich suchen dann das Hauptkontor der Hanse auf, und werden das Geschäft regeln.“ „Und du glaubst, sie werden bezahlen?“ „Klar bezahlen sie, denn ich werde ihnen klar machen, dass ein paar Schiffe als Brander keinen guten Gegenwert darstellen.“

Die Demütigung

Der Schiffsverband segelte durch die Lübecker Bucht bis in die Trave, die hier in die Ostsee mündet. Die letzten Kilometer bis zur Hafeneinfahrt und der Stadtumwehrung von Lübeck mit seinen hohen Mauern fuhren sie dicht hinter einander aufgeschlossen, als Zwillingsschiffe. Allen überkam ein eigenartiges Gefühl, als sie an den dicken Stadtmauern langsam vorbei zogen. Nur ein paar Stadtwachen schauten neugierig auf diese etwas ungewöhnlichen Schiffe, fanden aber nichts Kriegerisches und ließen sie passieren. Sie erreichten sogleich den Stecknitzkanal, um dann in eine Palmschleuse, sogenannte Stauschleuse, zu fahren, die einen Höhenunterschied zwischen der Ostsee und dem Fluss Trave ausgleichen musste. Es dauerte eine längere Zeit, bis die richtige Staustufe erreicht war, sodass die Schiffe ihren Weg fortsetzen konnten. Einer von Ambrosius Kundschafter überbrachte Kasper die Nachricht, dass die Schiffe die Schleuse ohne Schwierigkeiten passierten.

Kasper, Konrad und weitere fünf Begleiter aus der Mannschaft von Ambrosius suchten in Lübeck das Hauptkontor der Hanse auf, um mit dem Obersten Sekretär ein Gespräch zu führen. „Mein Name ist Kasper von Greifenberg und Sondergesandte des Pommerschen Herzogs. Mein Begleiter ist Konrad von der Furt, herzoglicher Fuhrmannsmeister, meine anderen Begleiter sind zu unserem Schutz dabei. Wir hätten gerne ein Gespräch mit Ihrem Obersten Sekretär oder seinem Stellvertreter.“ „ Meine Herren, die gesamte Leitung der Hanseatischen Stadtvertretung befindet sich in einer wichtigen Besprechung, kommt doch morgen wieder.“ „Mein Herr, Ihr wisst nicht so recht, wen Ihr vor Euch habt, wir gehören nicht zu Euren Lakaien, haben wir uns verstanden? Ich sehe dort die große Tür, da werden wir jetzt hineingehen, mal sehen, was uns da erwartet.“ „Aber mein Herr…“. Kasper riss die Tür auf, und schaute in den vollbesetzten Sitzungssaal. Saaldiener wollten Kasper, Konrad und Begleitung aufhalten, schauten aber in die gezogenen Degen der fünf Treckbegleiter. „Meine Herren, entschuldigt unser Eindringen, aber man wollte uns in einer lebenswichtigen Angelegenheit nicht vorlassen. Ich möchte mich einmal vorstellen, mein Name ist Kasper von Greifenberg, Sondergesandter des Herzogs von Pommern. Mein Begleiter ist Konrad von der Furt. Wir möchten Euch sechs Eurer Kriegskoggen zum Kauf anbieten, mit denen Eure Beauftragten, voran der Master Johann Wittenborg, unsere Schiffe auf den Grund der Ostsee schicken sollten. Die geschriebene Order, unterschrieben vom Generalsekretär Alexander Lüneburg, bestätigt den Auftrag der Hanse, uns als Freiwild oder Freibeuter zu betrachten. Also werden wir uns auch als „Freibeuter“ betätigen, und einen angemessenen Betrag fordern.“ Kasper ließ seine Worte erst einmal in das allgemeine Begreifen der anwesenden Delegierten gelangen, die plötzlich alle durch einander redeten. Der Vorsitzende haute mit seinem Holzhammer ein paar Mal auf einen Klotz, damit wieder Ruhe einkehrte. „Ihr wollt uns drohen? Ihr kommt doch hier nicht mehr heraus. Was ist, wenn wir Euch gleich aufhängen lassen?“ Kasper lachte ihn aus. „Wollt Ihr uns hindern zu gehen? Ihr werdet als erster von allen hier anwesenden Leuten sterben. Aber meine Herren, wenn wir nicht in einer Stunde wieder zurück bei den Schiffen sind, wird dies als Affront gegen unser Land angesehen, und die sechs Koggen werden als Brander in den Hafen von Lübeck fahren, präpariert mit jeder Menge Schießpulver, und ein mittelschweres Chaos anrichten. Was sagt Ihr dazu?“ Kasper ließ auch diese Worte verhallen, damit alle Anwesenden sich über die Schwere der bevorstehenden Aktion im Klaren waren. Er sah aus den Augenwinkeln, wie zwei Saalwächter den Saal verlassen wollten. Er gab einem der Begleiter einen Wink, und ein Langbogenpfeil bohrte sich in den Türpfosten der Tür, durch welche die beiden klammheimlich verschwinden wollten. Ein Raunen ging durch die Menge der Leute. „Um es kurz zu machen, von jetzt an, in einer Stunde erwarten wir vor den Stadtmauern zur Ostsee hin, eine Abordnung der Hanse, die uns für jedes Schiff 10000 Goldtaler bezahlt, insgesamt 60000 Goldtaler. Außerdem erfahrt Ihr dann, wo sich die Besatzungen der Schiffe aufhalten. Ignoriert Ihr unser kleines Geschäft, werden die Schiffe, voller Sprengstoff und mit den Besatzungen, festgebunden am Mast, in Euren schönen Hafen einfahren. Ihr werdet ein sehr schönes Freudenfeuer zu sehen bekommen. Wir werden jetzt gleich diesen Raum verlassen, und ich erwarte von Euch, dass uns keiner folgt. Das Ergebnis kennt Ihr dann.“ Kasper, Konrad und Begleitung verschwanden, so schnell es ging, und bevor jemand auf die Idee kam, die Stadttore zu schließen.

Sie erreichten ohne Probleme ihre Pferde und ritten zum vereinbarten Punkt, wo die Prisenbesatzung der Koggen wartete. Konrad schaute Kasper an und meinte: „Das ich so etwas auf meine alten Tage noch durchstehen muss, Mensch Kasper, was habe ich geschwitzt.“ „ Ich auch, glaube nicht, dass mir das alles so am Hintern vorbeigeht. Aber, Spaß hat es doch gemacht. Ich bin mal gespannt, ob das klappt.“

Keine Minute zu spät sahen die Männer einen Einspänner mit zehn Mann berittener Begleitung den Weg auf sie zu kommen. Herr Lüneburg persönlich beehrte sie, seine Begleitung zeigte ihre Entschlossenheit gegebenenfalls zu kämpfen. Ohne viel Worte zu verlieren übergab der Generalsekretär Kasper einen Beutel mit den geforderten Goldmünzen. Kasper gab den Prisenbestzungen den Wink, die Schiffe heran zu holen, denn sie lagen festgemacht hinter der nächsten Flussbiegung. Eine halbe Stunde später sahen alle die Segel der Koggen, und wie sie in Seemannsmanier direkt am Verabredungspunkt Ihre Ankersteine in den Fluss warfen und alles mit einander vertäuten. „Die Besatzungen findet Ihr auf der Insel Greifswalder Ole, wo sie auf Ihr Kommen warten. Leider konnten ein paar Leute ihren Heldenabgang nicht erwarten, dazu zählt auch Ihr Hauptschiffsführer. Aber dieser Heldentod geht auf Euer Konto, Ihr habt den Befehl zu diesem recht unsinnigen Angriff gegeben. Es war nett, mit Euch Geschäfte zu machen.“

Kasper gab seinen Leuten ein Zeichen, und sie ritten erst in östlicher Richtung, um dann nach Südwesten ab zu schwenken. Sie umritten die Stadt Lübeck, um später dem Stecknitzkanal folgend auf ihren Schiffsverband zu stoßen. Ihr Kommen wurde bereits sehnlichst erwartet. Als Kasper dann noch die 60000 Goldtaler vorzeigte, konnten sich die Treckfahrer vor Lachen nicht beruhigen. Am Abend, am Lagerfeuer, war dies das Thema Nr. 1. Kasper stand auf und sagte: „ Hört mir mal alle zu. Ich möchte, dass ihr alle gleichmäßig euren Anteil an diesem zusätzlichen Gewinn erhaltet. Schließlich haben wir alle unseren Kopf dafür hingehalten.“ Die gesamte Mannschaft applaudiert. „ Ich habe bereits die 60000 Goldtaler gleichmäßig aufgeteilt, so dass jeder den gleichen Betrag erhält. Also, holt es euch ab.“

Sie saßen noch bis spät in die Nacht am Feuer und diskutierten die nächsten Etappen, die vor ihnen lagen, durch. „ Nicolaus, ich glaube nicht, dass die Hanse sich diesen Akt gefallen lässt. Wir werden wohl Kundschafter ausschicken, die uns vor eventuellen Gefahren warnen kann. Ich habe so ein Gefühl, als wenn wir bald Besuch erhalten.“ Konrad schaute Kasper an und wusste sofort, dass irgendwelche Gewitterwolken sich irgendwo zusammenbrauten. Diese Mimik seines jungen Freundes kannte er zu gut. Er besprach es mit Daniel Lukovic, der auch meinte, dass Kasper wieder bestimmte Vorahnungen auf sich zu kommen sah. Nicolaus schickte im Morgengrauen sofort seine Leute in die Umgebung, während die Schiffe auf dem Stecknitzkanal, kurz vor Lauenburg, ihre Reise fortsetzen konnten. Sie erreichten das Stadtgebiet von Lauenburg, da, wo der Stecknitzkanal in die Elbe mündete. Sie befanden sich im Herzogtum Sachsen-Lauenburg. Lauenburg war ein wichtiger Handelspunkt für die Hanse, das Umland, für den allgemeinen Handel, der Schifffahrt. Natürlich hatte die Hanse einen weiten Einfluss und das Sagen, denn sie bestimmten mit ihrem Vermögen den Handel und die Wirtschaft. Das Herzogtum hielt sich aus allen Zwistigkeiten heraus, einmal, weil sie sich das finanziell gar nicht leisten konnten oder wollten. Sie profitierten nur vom gesamten Tun dieses so einflussreichen Unternehmens. Weiterhin war die Hansestadt Hamburg mit ihren reichen Kaufmannsfamilien ein wichtiger Bestandteil für das herzogliche Überleben.

Die ausgesandten Kundschafter berichteten von einem größeren Reitertrupp, kommend aus Lübeck, von Hamburg aus blockierte ein größerer Flottenverband die Elbe, und ließ nur einzelne Schiffe, nach eingehender Untersuchung, passieren.

Der Schiffsverband fuhr ein Stück die Elbe abwärts und rastete etwas außerhalb von Lauenburg an einem seichten Elbufer. Dort fuhren sie die Landungsschiffe auf den seichten Untergrund, um die Pferde auf die nahe Wiese zu lassen. Sie mussten sich strategisch erst neu aufstellen, denn jetzt kamen die Gegner von zwei Seiten. „Die Frage stellt sich, wie weit ist es noch bis zur Schiffsbarriere? Wann kommen die Reiter aus Lübeck?“ Kasper schaute sich noch einmal die Karte an, sah in die Runde, und meinte: „Wir müssen zur Gegenoffensive starten. Wir fahren zeitversetzt hinter einer Reitergruppe her, die von beiden Elbseiten mit unseren neuen Armbrustkanonen die Schiffe sprengt. Ist der Weg so weit frei, nehmen wir unsere Reiter schnellstens wieder auf und fahren im Höchsttempo die Elbe flussabwärts. Bis die Hanse in Hamburg gemerkt hat, dass ihre Schiffe nicht mehr existieren, sind wir schon in der Nordsee. Der Reitertrupp hinter uns muss natürlich genauestens beobachtet werden. Kommen sie uns zu nahe, müssen wir mit ihnen kämpfen. Ansonsten werden wir sie erst einmal nur ignorieren.“ Nicolaus von Lebbin und die weitere zuhörende Truppe nickten zustimmend, denn dieser Plan hörte sich wieder sehr vernünftig an. Daniel Lukovic zog genüsslich an seiner Pfeife und grinste vor sich hin. Er nickte auch bestätigend, denn die bisherigen, sehr einfachen Ideen zur allgemeinen oder speziellen Lage kamen fast immer von Kasper, weil der schon über das Resultat nachdachte, bevor der Plan realisiert wurde. Ambrosius von Lingen und seine Begleitmannschaft machten sich bereit. Ein Landungsschiff brachte einen Teil der Mannschaft auf die andere Elbseite, so dass beide Parts gleichzeitig los reiten konnten. Sie verluden wieder die Pferde, setzten etwas Segel und nutzten die Elbströmung, um langsam hinter der reitenden Truppe her zu fahren. Nicolaus ließ gleichzeitig die Kundschafter nach hinten sichern, um vor Überraschungen sicher zu sein. Zwei der vorderen Kundschafter sollten ihnen frühzeitig die Nähe der Blockade melden, damit sie dort erst gar nicht gesichtet wurden.

Blockadebrecher

Die Reiter von Ambrosius umrundeten einen Elbknick und schauten auf acht Kriegskoggen, deren Kanonen in ihre Richtung zeigten. Ambrosius winkte zur anderen Elbseite. Er gab damit zu verstehen, dass sie alle ab jetzt zu Fuß weiter gingen, um möglichst nicht von der Schiffswache entdeckt zu werden. Ungefähr 400 Meter vor der Blockade brachten sie die Armbrustkanonen in Stellung, auf der anderen Rheinseite gaben sie zu verstehen, dass sie ebenfalls so weit seien. Es war unter einander ausgemacht, dass jede Seite, von der Mitte aus gesehen, die Schiffe auf ihrer Flussseite mit den präparierten eisernen Langpfeilen beharkte. Jetzt kam es darauf an, wie präzise diese neuen Waffen wirklich waren. Ausgemacht war, dass jedes Schiff mittig an der Bordwand durch einen Pfeil getroffen werden sollte. Ambrosius hob den Arm und ließ ihn fallen. Die eisernen Langpfeile sausten mit einem eigentümlichen Summen durch die Luft und donnerten in die hölzernen Bordwände. Es vergingen ein paar Sekunden bis die Explosionen fast gleich auf erfolgten. Es rumste und krachte, splitterte und sauste durch die Luft, zerstörte Schiffsplanken flogen durch die Luft und hinterließen gewaltige Löcher in den Bordwänden. Die nächsten Eisenpfeile knallten in die Schiffsseiten, und noch einmal explodierten die Ladungen, rissen Holzteile aus dem Schiff, die Soldaten auf den Schiffen flogen empor, rissen von der Wucht auseinander, das Schießpulver für die Kanonen explodierte und zerstörte alles um sich herum, die Schiffsteile schwammen schon in Richtung Nordsee. Weitere Pfeile flogen in die fast sinkenden Schiffe und rissen den Rest auseinander. Überall trieben aufgedunsene Leichen, oder Teile, von der Wucht der Explosionen innerlich zerrissen.

Der Schiffsverband, geführt von Daniel nahm zu beiden Seiten der Elbe die Ambrosius-Truppe auf, um im Verband mit Vollsegel das Treibgut noch zu überholen. Die hinteren Kundschafter erreichten im Galopp die Höhe des Schiffsverbandes und schossen einen Pfeil mit einer Nachricht ab. Der Pfeil blieb im Außenschwert stecken. Die Nachricht besagte, dass der Reitertrupp der Hanse im Galopp hinter dem Verband her ritt und wohl versuchte, sie zu überholen. Daniel meinte: „Auch wenn sie es versuchen, sie werden uns nicht erreichen, denn die Elbe wird gleich sehr breit sein. Wir sollten unsere Kundschafter auflesen und mit Vollzeug segeln. Die beiden Kundschafter erblickten sie kurz darauf, Nicolaus gab ein Zeichen, eines der Landungsschiffe fuhr quer auf das Ufer zu, und ließ sie einsteigen. Kurz darauf erblickten sie den verfolgenden größeren Reitertrupp im Galopp heranpreschen. Außer wütenden Gesten war bald nichts mehr von ihnen zu sehen.

Die Ausgucke im Mastkorb meldeten die Konturen der Hansestadt Hamburg. Bald schälten sich im leichten Dämmerlicht die sehr dicken Stadtmauern mit den mächtigen Stadttoren und den unglaublich dicken Türmen heraus. Selbst vor dem Hafeneingang waren riesige Tore, die nicht nur einen Schutz vor Angreifern, sondern gleichzeitig einen Schutz vor ständigen Sturmfluten und Hochwasser gaben.

Der pommersche Schiffsverband glitt an der Hafeneinfahrt und der Hansestadt Hamburg vorbei, ohne, dass jemand von ihnen Notiz nahm. Viele Schiffe begegneten ihnen, es wurde gegrüßt, gescherzt, in verschiedenen Sprachen. Ein paar Kriegskoggen segelten ihnen entgegen, auch hier interessierte sich keiner für sie. „Ab jetzt müssen wir uns nach dem Tidenstrom richten“, meinte Daniel zu Kasper, „ hier in der Elbe gibt es bereits die Ebbe und die Flut. Beides zusammen nennt man Gezeiten oder auch Tide. Das Ganze hat was mit der Anziehungskraft zwischen dem Mond und der Erde zu tun. Wir müssen uns merken, dass im Zeitrahmen von ungefähr 6 Stunden der höchste und der niedrigste Wasserstand zeitlich auseinander stehen. Haben wir um 12 Uhr mittags Hochwasser, berechnen wir den niedrigsten Stand um sechs Uhr am späten Nachmittag. Diese Berechnungen brauchen wir, um durch das Wattenmeer hinter den ostfriesischen Inseln zu segeln.“

Die Schiffe erreichten den kleinen Ort Brunsbüttel, der unmittelbar an der Elbmündung liegt. Hier hat die Elbe eine Breite von 3 Kilometer. Der Tidenhub beträgt hier 2,5 bis 3 Meter. Daniel hatte ausgerechnet, dass sie mit der Flut in den Morgenstunden gute Chancen hatten bis zur Sandbank „Großer Knechtsand“ zu gelangen, wo sie sogar mit den Landungsschiffen den Pferden mitten im Wattenmeer etwas Auslauf gestatten konnten. Von da aus bestand die Möglichkeit, quer über das Seegatt „Blaue Balje“ zur Insel Wangerooge zu gelangen.

Der Ort Brunsbüttel, an der Elbe, besaß einen kleinen Schiffsanleger, der eigentlich nur für die Versorgungsschiffe angelegt war. Dort machten sie fest und ließen für ein paar Stunden die Pferde auf einer nahen Wiese weiden. Während dessen konnten die Pferdetreiber die Tierboxen säubern und frisches Stroh verteilen.

Während ihres Aufenthaltes ließ Nicolaus die Kundschafter den Weg zurück nach Hamburg beobachten. Sie kamen nach kurzer Zeit mit der Nachricht zurück, dass eine größere Armada von Kriegskoggen und Schiffen mit Mörsern auf dem Weg hierher die Verfolgung unternahmen, um den pommerschen Schiffsverband auf den Grund des Meeres zu bombardieren. Die Männer hatten 20 Schiffe gezählt, wahrscheinlich alles, was an schwimmfähigem Material in Hamburg gerade zur Verfügung stand. „Daniel, die Koggen mit den schweren Geschützen haben doch mehr Tiefgang als wir. Im Moment haben wir nichts weiter geladen, als uns, die Pferde und was wir so nebenbei brauchen. Du sagst, wir können auch bei Ebbe durch die Priele hinter den ostfriesischen Inseln her segeln. Wir locken sie einfach hinter uns her. Die wissen doch nicht, dass wir sehr wenig Tiefgang haben. Wann können die frühestens hier sein?“ „Ich denke in 2 – 3 Stunden.“ „Wir werden vorher noch etwas Verwirrung stiften, und ihnen ein paar Nadelstiche versetzen, sie müssen richtig böse werden, dann vergessen sie vielleicht, wo es flach, und wo es tief ist. Wir können auch bei Niedrigwasser über die Sandbänke segeln.“ Nicolaus und Ambrosius schauten auf Kasper, dann auf Daniel und Konrad. Sie zuckten die Schultern, wobei Daniel plötzlich anfing zu grinsen. „Jetzt verstehe ich wie du es meinst. Wir schießen ein paar Knallkörper auf die vorderen Schiffe ab, die sind dann sehr beschädigt, die Nachfolgenden können nicht so schnell ausweichen, es gibt etwas Verwirrung. Wir erreichen einen gewissen Vorsprung.“ „Wir dürfen unseren Vorsprung nur so weit ausdehnen, bis wir sie mitten in das Wattenmeer auf die Sandbänke gelockt haben, dann sind wir sie hoffentlich los.“ So nach und nach begriffen alle, wie Kasper sich es vorstellte. Nicolaus nickte dazu und gab einigen Leuten die entsprechenden Anweisungen. Sie ritten an der Elbe zurück und bauten die Armbrustkanonen auf. Eine andere Gruppe fuhr mit einem der Landungsschiffe quer über die Elbe, um bei Sicht zu der Hansearmada auf die Mitte des Stromes zu segeln, ein paar Eisenpfeile mit Sprengstangen zu verschießen, und sofort zum Verband zurück zu kommen.

Die Pferde wurden wieder verladen, und alle Vorbereitungen für ein schnelles Verschwinden getroffen. Jetzt hieß es nur noch warten. Kasper schaute über die Bordwand ins Wasser und roch diesen eigentümlichen Seegeruch, salzig, etwas modrig, ein wenig nach Fisch. Der Mond schickte sein kaltes Licht zu ihnen, es glitzerte auf dem Wasser. Langsam schälten sich die Konturen der Umgebung heraus, es begann zu dämmern, demnach dürfte bald Flut sein.

Plötzlich vernahmen sie mehrere kräftige Explosionen, der Himmel erhellte sich wie bei einem Gewitter. Die zweite Explosionswelle war zu hören, jetzt aber mehr auf der anderen Elbseite. Wieder sah man es blitzen, dann ein gewaltiger Rums, als wenn ein Fass Schießpulver in die Luft flog. Die gewaltige Druckwelle war bis zum Schiffsverband zu spüren. Es rumste noch ein paar Mal, wieder gab es gewaltige Druckwellen zu spüren. Das Landungsschiff kam zurück, sie hatten zwei Schiffe in Brand geschossen, sie trieben jetzt auf der Elbe. Schon kamen auch die Reiter zurück und berichteten von vier zerstörten Schiffen, davon zwei dieser Mörserschiffe, die auch das meiste Schießpulver an Bord hatten. Der Verband machte sich sofort auf den Weg und hisste alle Segel, um schnell aus dem Gefahrenbereich heraus zu kommen. Der Wind frischte auf, die Schiffe machten gute Fahrt. Daniel ließ die Mastkörbe besetzen, um einen besseren Überblick auf ankommende Segel zu haben. Jeder Ausguck meldete Segel aus Ost, jetzt konnte man die restlichen Schiffe der Hanse erkennen, gut zu sehen an den quadratischen Segeln. Sie versuchten auf zu holen. Daniel ließ einige Segel reffen, um etwas Fahrt heraus zu nehmen. Die Hansekoggen kamen näher und näher. Man konnte schon mit bloßem Auge die große Betriebsamkeit auf den Schiffen erkennen. Sie stellten die Kanonen auf größere Weiten ein, indem unter die Kanonenschlitten Keile geschlagen wurden, um den Abschusswinkel zu erhöhen. Das vordere Schiff gab den ersten Probeschuss ab, viel zu kurz. „Lassen wir sie noch ein bisschen herankommen“, rief Kasper, „sie müssen richtig in Wut geraten.“ Wieder knallte es, diesmal von dem Schiff daneben. Der Schuss lag schon sehr bedrohlich nahe. Noch ein Schuss und noch einer. Alle zu kurz. „Sag mal Daniel, wenn wir jetzt zwei Zwillingsschiffe trennen, also wieder vier Segler aus ihnen machen, je eine Halse nach rechts, die andere nach links  segeln, könnten wir die ersten vier Schiffe angreifen, nachdem sie ihre Kanone abgeschossen haben. Wir schießen eine Serie mit den Armbrustkanonen und verschwinden genau so wieder. Was denkst du darüber?“ Nicolaus hörte diese Frage und wartete die Antwort von Daniel ab. „Das wäre eine sehr gute Möglichkeit, sie richtig zu ärgern.“ Nicolaus nickte, schaute Ambrosius an, der nickte auch. Konrad kratzte sich am Kopf, denn die Ideen von Kasper kannte er nur zu gut. Aber irgendwie mussten sie sich zur Wehr setzen. „Also los“. Daniel gab die nötigen Befehle. Sofort trennten die Zwillingsschiffe sich drehten je  nach backbord und die anderen nach steuerbord ab, fuhren eine ganz enge Halse, als die Kanonen wieder krachten, und die schweren Kugeln ganz in ihrer Nähe über das Wasser hüpften, aber keinen Schaden anrichteten. Die vier Schiffe fuhren mit Vollsegel auf die Koggen zu, hatten in sehr kurzer Zeit den Abstand verringert und setzten jetzt auf jedem Schiff zwei Armbrustkanonen ein. Die großen Eisenpfeile rauschten mit einem eigentümlichen Pfeifen auf die Schiffe zu und bohrten sich tief in die Bordwände. Sogleich fuhren die Schiffe wieder eine Halse und verschwanden aus dem Kanonenbereich der Koggen. Ein paar gewaltige Explosionen ertönten, Holzplanken flogen durch die Luft und hinterließen riesige Löcher in der Bordwand. Durch die wahnsinnige Druckwelle flogen die Hanseleute durcheinander, zerplatzten und zerrissen in der Luft, die vier Schiffe sanken in sehr kurzer Zeit. Die anderen Hanseschiffe versuchten ihre Hilflosigkeit mit dem Abschießen ihrer Kanonen befriedigen. Es half nichts, sie hatten schon wieder vier Schiffe verloren. Es verblieben nur noch zehn Kriegsschiffe, aber dem Gegner war nicht bei zu kommen.

Die vier Schiffe kehrten wieder zum Verband zurück, bauten die Zwillingsverbindungen wieder an und setzten alle Segel, um der Hanse einfach davon zu segeln. Nach einer Stunde waren am Horizont nur noch schemenhaft ein paar Segel zu erkennen.

Kurs Wangerooge

Sie beschlossen, den guten Wind zu nutzen, und hielten unter Vollzeug Kurs auf die Insel Wangerooge. Daniel errechnete, dass sie mit der neuen Flut die Insel erreichen würden. Falls dann ihre Verfolger es immer noch versuchten, kämen sie bei der Weiterfahrt genau in die Niedrigwasserperiode.

Der Ausguck meldete Sandbänke voraus. Das konnte nur die hoch aus dem Wasser ragende Sandbank „Großer Knechtsand“ sein. Sie segelten mit guter Fahrt daran vorbei und merkten den stärker werdenden Wind, die Wellen schlugen über den Bug, der Gischt spritzte zur Seite. Einige Möwen begleiteten ihren Törn, auf den Sandbänken räkelten sich verschiedene Seehunde, es war ein wunderschönes Naturschauspiel zu beobachten. Im Nordwesten braute sich eine Regenfront auf, die in sehr großer Geschwindigkeit auf sie zu kam. Es schüttete wie aus Eimern, alle waren bis auf die Haut durchnässt. Der Regen hörte so schnell auf, wie er gekommen war. Welch eine Laune der Natur.

Man merkte, dass die Schiffe in andere Strömungsverhältnisse kamen. Die Seemannschaften mussten immer wieder korrigieren, konnten sehr schlecht den Kurs beibehalten. „Das sind die Strömungen des Seegatts, der blauen Balje. Da müssen wir rüber segeln, in Höhe von Wangerooge hört das wieder auf.“

„Segel auf Backbord, Südsüdwest. Das sind sechs Schiffe, sie halten auf uns zu. Das sind keine Koggen, das sind kleinere, flachere Schiffe. Sie haben zwei Masten, Lateinersegel, sie werden zusätzlich durch Ruder bewegt. Was sind die schnell. In jedem Schiff sitzen 50 bis 60 Mann. Sie sind stark bewaffnet.“ „Wir müssen die Schiffe trennen und sie einkreisen.“ Meinte Kasper zu Daniel, der nur nickte. „Das sind Piraten, der übelsten Sorte. Da dürfen wir kein Pardon kennen. Nicolaus, wir müssen sie angreifen, ich werde allen Schiffen Bescheid geben.“ Sie trennten die Zwillingsverbindungen, die Schiffe machten eine enge Halse und umkreisten in einem weiten Radius die Fremden, die erst einmal mit dieser Taktik nichts anfangen konnten. Daniel gab Befehl, den Kreis noch enger zu fahren, damit sie in Schussweite herankommen konnten. In einem Kreis von ungefähr 250 Metern stellten sie die fremden Schiffe. Nicolaus rief hinüber: „Wenn ihr nicht aufgebt, seid ihr in ein paar Sekunden tot, mit uns könnt ihr nicht mithalten. Ich zähle bis zehn, kommt dann kein Handzeichen, schießen wir, habt ihr verstanden?“ Nach ein paar Sekunden kam ein Handzeichen, sie legten ihre Waffen ab. „Hinter uns kommen Kriegskoggen der Hanse, vielleicht sind die etwas für euch. Gegen uns verliert ihr nur euer Leben.“ Nicolaus gab Daniel ein Handzeichen, die Verbandschiffe machten eine enge Kehre und segelten in Richtung Wangerooge. Sie sahen zurück und konnten es gar nicht begreifen, das waren ganz stolze Friesen, die niemanden fürchteten. Und dann wurden sie so vorgeführt, welch eine Schmach. „Hoffentlich haben wir keinen Fehler gemacht. Ich glaube nicht, dass die uns am Leben gelassen hätten, “ meinte

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Caspar de Fries
Bildmaterialien: Caspar de Fries
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2013
ISBN: 978-3-7309-5760-8

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