Name: Caspar de Fries
Buchautor und Schriftsteller
Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben
Texte und Bildmaterialien:
Rainer Göcht
Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 25.10.2013
Wie kann man sich selbst kennen lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist. Aber was ist die Pflicht?
Die Forderung des Tages.
In diesem Buch schildere ich die wichtigen Abschnitte aus meinem Leben, von der Geburt bis zum Erwachsenenalter, zur eigenen Familienplanung, beruflicher Werdegang bishin zu vielen Erlebnissen, die mein Leben geprägt haben. Ich ziehe im warsten Sinne "Bilanz" über die vergangegenen sechs Jahrzehnte.
Beginnen möchte ich mit einer Zeitreise in das Jahr 1951. Mein Geburtsdatum ist der 3.Februar 1951, Sternzeichen Wassermann, der besondere unter den Sternzeichen. Man behauptet, ich wäre in Göttingen geboren worden. Diejenigen, die das in die Welt setzten, waren sicherlich bei allen Vorbereitungen auf mein Leben beteiligt, und denen muss ich das wohl glauben. In Göttingen traf sich nach dem 2.Weltkrieg meine Familie, meine Großeltern und meine Mutter, geflüchtet vor den anrückenden Russen aus Dramburg / Hinterpommern, mein Vater aus englischer Kriegsgefangenschaft, und natürlich meine Schwester, die 1948 ebenfalls in Göttingen zur Welt kam. Über Göttingen ist aus meiner Sicht nicht viel zu berichten, mein Erinnerungsvermögen setzte erst später ein. Wir zogen nach Neumünster in Schleswig-Holstein, Gerhard-Hauptmann-Platz Nr. 9., eine Wohnung in einer extra für Flüchtlinge gebauten Siedlung. 55m² für 4 Erwachsene und 2 Kinder. 2 ½ Zimmer, Küche, Bad, kleiner Kellerraum, Parterre rechts. Das Badezimmer hatte ein kleines Fenster, Badewanne mit Kohleofen und Wassertank, kleines Waschbecken, Klo mit Spülung aus einem Spülkasten mit Zug. Kleine Küche mit Gasherd, Zimmer für die Großeltern, Schlafzimmer für die Eltern, meine Schwester und mich, Wohnzimmer das Heiligtum.
Aug.1952
Mein Vater hörte gerne im Radio Fußballnachrichten, Ergebnisse der Oberliga, ab und zu schaute er sich auch ein Spiel vom VFR-Neumünster an, als ich etwas älter war, ging ich mit.
Fußballtoto, das Spiel für Fußball interessierte. Fußballtoto spielen heißt: Null=0 für verlorenes Spiel, eins=1 für unentschieden, zwei=2 für gewonnenes Spiel, also einen Tippzettel aus füllen, in der Hoffnung die richtige Zahlenkombination erwischt zu haben. Denn es heißt, in der Hoffnung liegt die Zukunft. Meine Mutter sollte die Zahlen nennen, obwohl sie vom Fußball keine Ahnung hatte. Der Totoschein war ein Volltreffer. Gerade zu einer Zeit, wo die Wohnungseinrichtung noch ein Traum blieb, der sich jetzt realisierte.
Mein Großvater Hugo ging mit mir des Öfteren spazieren. Eines Tages rannte ich ihm als dreijähriger Stepke bei einem dieser Spaziergänge davon. Alles geriet in helle Aufregung, die ganze Siedlung wurde nach mir abgesucht, ohne Erfolg. Schließlich informierte man die Polizeistation in der Siedlung, die sich auch an der Suche beteiligte. Ich lief aber in Richtung Stadt, wo mich dann die Polizeibeamten vor Ort aufgriffen und in der Station, sitzend auf einem Tisch, mit leckeren Bonbons versorgten. Irgendwann erfuhren meine Eltern von meinem Aufenthaltsort und holten mich ab.
1954
Großvater Hugo schaufelte gerne im Winter Schnee und war ganz traurig, wenn die städtischen Arbeiter ihn wegscheuchten, mit der Bemerkung, er würde ihnen die Arbeit wegnehmen. Kaum zu glauben, in der heutigen Zeit würde sich jeder bedanken, wenn er gewisse Arbeiten nicht mehr verrichten muss.
Er starb 1955. Meine Schwester und ich guckten heimlich durch das Schlüsselloch des Zimmers, in dem er aufgebahrt auf dem Bett lag, es wurde auf den Bestatter gewartet. An diesem Tag versuchten meine Eltern uns von diesem so traurigen Ereignis fernzuhalten, Marianne und ich verbrachten den Tag am Einfelder See. Was mich schon, beginnend in der Kindheit, fürchterlich störte, war meine Zusatznamensgebung, ich wurde „Dickerchen“, oder „ der Dicke „ genannt. Selbst Verwandte meinten dies sagen zu müssen. Irgendwann lehnte ich mich erfolgreich dagegen auf.
Zu meiner Großmutter Wanda pflegte ich ein besonderes Verhältnis. Sie war einfach für uns Kinder da, hörte uns zu, nahm uns ernst, gab den ein oder anderen Rat, las uns vor, erzählte Geschichten, aber selten von ihren Fluchterinnerungen. Lustig ging es zu, wenn man begann, mit ihrer Hilfe Verse zu reimen. Wir suchten dann Wörter, die sich reimten, mit diesen Wörtern setzten wir Sätze zusammen, und so entstand ein kleiner Vers. Gute Ergebnisse lobte sie mit dem Zweizeiler: Poet unter den Poeten, wie ein Pub unter den Raketen.
In dieser Zeit begann ich, Gesehenes in selbst gezeichneten Bildern zu berarbeiten. Es war schon manchmal eigenartig, ( heute fällt mir so etwas auf ) Dinge zu sehen, die man nicht in Worte fassen konnte, weil das Vokabular einfach fehlte, dafür mit einem Bleistift oder Bundstift es so zu zeichnen, dass selbst fantasievolle Erwachsene wussten, was ich wollte. Meine Großmutter war dabei meine beste Kritikerin, sie ergänzte bestimmte Passagen mit Worten, und ich versuchte daraus das Bild zu komplettieren.
Ich glaube mein Bedürfnis eigene Texte zusammen zu stellen, stammte aus dieser Zeit.
Sie stellte sich schützend vor einen, eine sehr resolute Frau, aber herzensgut, ein liebenswerter Dragoner. Wenn mein Vater mich wegen einer Sache bestrafen wollte, dann sagte sie in einem drohenden Ton: Lässt Du mir den Jungen in Ruh`! Welcher Schwiegersohn kommt dagegen an?
Meine Eltern meldeten mich in dem neuen Kindergarten an, der direkt neben der evangelischen Kirche, nicht weit von der Volksschule gebaut wurde. Viele Kinder fanden den Weg hier hin, einen Schlafsaal für den Mittagsschlaf mit alten muffigen Armeedecken, ein paar junge und alte Kindergärtnerinnen, die Alte war die Leiterin, langen Hals, grauen Dutt, Pferdegebiss. Ich schmiss einigen Kindern aufgebaute Holzklötzer um, die mit dem grauen Dutt haute mir eine runter. Zur Strafe verweilte ich einige Zeit in der Ecke und starrte an die Wand, bekam von der Haue Nasenbluten, das gab wieder Ärger, denn das Blut tropfte auf den Fußboden, auf meine Hose und mein Hemd. Zu Hause erzählte ich dies meiner Oma. Sie hat der Kindergärtnerin anständig die Meinung gesagt. Meine Kindergartenzeit neigte sich danach dem Ende zu.
Zu Kindergeburtstagen kamen oft acht bis zehn Kinder, es gab viel Kuchen, Kinderspiele in allen Variationen erlebten ihre Höhepunkte. Blindekuh, Ringelreihen, Völkerball, natürlich Verstecken, Platz zum Austoben war reichlich vorhanden.
Schräg gegenüber von unserem Wohnhaus, neben einer Kohlenhandlung, lebten zwei meiner Freunde, Frank Mietho und Andreas Gilbert. Deren Familien wohnten in zwei hinter einander liegenden Baracken, umgeben von hohen Hecken zu unserer Siedlung. Das sah manchmal sehr geheimnisvoll aus, bei Nebel, von unserem Haus betrachtet, etwas mystisch und schleierhaft. Die Miethos hatten vier Söhne, der jüngste hieß Frank. Weiterhin tummelte sich da eine schwarzweiße Dogge herum, treu doof, sehr verspielt, ideal für uns Kinder. Herr Mietho musizierte als Berufsmusiker in einem Orchester.
Die Gilberts meinten etwas vornehmer zu sein, jedenfalls hatte ich so den Eindruck. Frau Gilbert trank mit ausgestrecktem kleinen Finger und spitzte dabei ihren Mund, bleckte ihre gelben Zähne, (gelb vom vielen Teetrinken), außerdem rauchte sie mit einer Zigarettenspitze und blies den Rauch seitlich weg, um ihrem Gegenüber nicht lästig zu sein. Sie guckte immer sehr streng durch ihre getönte Brille mit dickem Rand. Sie besaßen einen Schäferhund, der passte zwar gut auf, schlug an, hörte aufs Wort, lag aber am liebsten neben dem Ofen. Herr Gilbert fuhr als Kapitän zur See. Die Gilberts besaßen ein großes Auto, Marke weiß ich nicht mehr. Ab und zu durften wir Jungs mitfahren.
Die Dogge von Mietho`s ließ sich im Winter vor einen Schlitten spannen, der Hund hatte unglaubliche Kräfte. Der Schäferhund von Gilberts ging dem Schnee lieber aus dem Weg. Hinter diesen Baracken befand sich eine große Wiese angrenzend zu einem Laubwald, mit vielen Kletterbäumen und auch morschen Ästen, nicht aufgepasst, der Ast brach ab und man landete auf dem Allerwertesten, ab und an eine schmerzhafte Erfahrung. Auf der Wiese ließen wir unsere selbst gebauten Drachen steigen, selbstverständlich lief die Dogge immer mit. Einmal hatten wir dem Hund an seinem Halsband den Drachenbindfaden befestigt, der Hund rannte hin und her, der Drachen bewegte sich am Himmel hin und her, einfach lustig. Die Sache wurde noch forciert, als der Hund hinter Stöcken her rannte. Das fand dann aber der Drachen nicht mehr so gut, der Bindfaden riss, eine Windböe tat sein übriges.
Wie alle Kinder mit sechs Jahren musste ich auch zur Schule gehen. Die Einschulung geschah immer zur Osterzeit. Also auf zur Volksschule Böcklersiedlung, natürlich mit einer Schultüte und wunderbarem Inhalt.
Auf dem Weg zur Schule, oder zurück nach Hause passierte man den Bäckereibetrieb von Bäcker Raunstein, der ein Herz für Kinder hatte. Wenn der Bäcker seine Theke von Kuchenresten leerte und säuberte, füllte er uns vorbeikommenden Kindern jeweils eine Tüte mit Kuchenresten und Krümeln, es war wunderbar. Manchmal steckte er auch ein ganzes Restteilchen dazu. Während wir dann die Annehmlichkeiten der Tüte leerten schauten wir gerne gegenüber der Bäckerei bei einem Metallwarenladen vorbei, in dem an gebrauchten Konservenbüchsen die Ränder abgeschnitten werden konnten, um dann mit einem speziellen Weckgummi und Deckel eine neue Füllung konservieren zu können. Auf die Art und Weise nutzten die Dosen mehrere Male. Meine Eltern brachten die leeren Konserven hier ebenfalls hin.
Ein schweres Gewitter nistete sich über Neumünster, speziell über unserer Siedlung, ein. Ich fand es faszinierend, als die Blitze die Bäume, die Häuser, insgesamt die Umgebung in grelles Licht tauchten, danach wurde alles wieder duster, dazu das gewaltige Donnergrollen , hinzu gesellte sich erst Hagel, dann enorme Regenwassermassen. Der Gerhard-Hauptmann-Platz in Neumünster verwandelte sich in einen großen See, weil die Gullis verstopften. Nach dem Gewitter plantschten wir Kinder auf der Straße im Dreckwasser, ein seltener Spaß. Leider rückte die Feuerwehr zu früh an, um diesen Gaudi zu beenden.
In unserem Haus wohnte eine Familie Blohm mit einem Sohn namens Reiner mit e. Er war einige Jahre älter als ich und spielte gerne mit einer Holzeisenbahn im Sandkasten. Eigentlich tat er keinem etwas, nur, wenn man ihn ärgerte, rastete er vollkommen aus. Dann jaulte und brüllte er, nahm den erstbesten Gegenstand und ging sofort auf seinen Kontrahenten los. Einige Burschen in seinem Alter trietzten ihn zu jeder Gelegenheit und warteten auf seine Reaktion. Dass Reiner Blohm andauernd den Kürzeren zog, begriff er nicht. Aber eines Tages erwischte er einen dieser Burschen und schlug ihn halb tot, danach hatte ich Reiner nie wieder gesehen….
Sportunterricht in unserer Schule draußen auf dem großen Schulhof, Schlagball spielen. Mit Hilfe des Schlägers den Schlagball weg schlagen, die anderen Spieler mussten um den gesamten Platz zu bestimmten Markierungen laufen, der Ball wurde, wenn man ihn fand, zurückgeworfen. Nach meinem ersten, je geschlagenen Schlag, konnte keiner den Ball mehr wiederfinden. Danach durfte ich auch nie wieder einen Schläger zur Hand nehmen, denn die Bälle waren rar.
Der Stadtwald, mit angrenzendem Tierpark, von Neumünster grenzte an unsere Siedlung und man nutzte ihn gerne als Ausflugsziel. Schon damals legten die Tierparkverantwortlichen Wert auf vernünftige und großräumige Anlagen. Mir gefiel sehr das große Terrain für Elefanten und dem daneben befindlichen großen Spielplatz mit Schaukeln und Wippen, Rutschen und Sandkästen. Das war der Platz für Kinder.
Hinter diesem Park konnten die Fußballfreunde im Stadion den VFR-Neumünster bewundern, der zu der Zeit bereits in der Oberliga spielte. Als der HSV- Hamburg mit Uwe Seeler zu Gast gegen Neumünster spielte, nahm mein Vater mich mit. Leider hat der VFR durch 2 Tore von Seeler verloren.
Auf der Aschenbahn des Stadions wurde Motorrad- Speed-Rennen veranstaltet. Ein fürchterlicher Dreck, Staub, Lärm, aber Spaß. Mich beeindruckten die langen Stahlstifte in den Motorradreifen. Ab und zu stürzte ein Fahrer und krachte gegen die Holzbanden. Es sah sehr spektakulär aus.
Fußballspielen gehörte auch zu meinem Freizeitvergnügen. Es gab genügend gleich altrige Jungens in unserem Wohnbereich, um auf dem Rasen zwischen den Häuserreihen Fußball zu spielen. Ein Klofenster im Nebenhaus hielt einem strammen Schuss nicht stand. Der Ball flog genau durch die Scheibe, prallte von der Wand gegen denjenigen, der auf dem Klo saß. Wer genau geschossen hatte, konnte leider nicht ermittelt werden, wir mussten alle Strafdienst verrichten, Papier aufsammeln, kehren, Kohlen stapeln ……..
Ärzte gehörten nicht zu meinen positiven Erinnerungen, es hatte mit Schmerzen, pieksen, schlechten Gerüchen, eindringliches Anstarren durch eine dicke Brille zu tun, dazu dieses Vergrößerungsglas am Kopf, weißer Kittel, der offen stand, aus den Taschen hingen rote Schläuche heraus. Meine Vorstellung dazu regten gewisse Phantastereien herauf. Der eine Arzt schaute öfter in fremde Hälse und meinte das oder jenes müsste entfernt werden. So bei mir, ich schwitzte schon vorher. Meine Mandeln sollten geschält, man sagte auch gekappt, werden. Örtliche Betäubung, eine Hilfskraft älteren Datums hielt meinen Kopf, fertig mit dem Eingriff, viel Blut mit Inhalt in eine Schale spucken. Die Rücktour nach Hause erledigte ein Taxi, meine erste Taxifahrt überhaupt.
Meine Mutter meinte, ein Zahnarztbesuch kann nicht früh genug sein. Mir wurde vorgegaukelt, dass eine Frühuntersuchung gewisse Vorteile hätte, und die Eltern müssen es ja wissen. Der Zahnarzt, grauhaarig mit viel Runzeln, beäugte mich eindringend, und zeigte an, dass ich es mir in seinem Behandlungssessel bequem machen sollte. Er konnte die Lehne verstellen, den Sitz herauf und herunterfahren. Eine große Lampe, von der Decke hängend, erhellte den Behandlungsbereich. In einem großen Behältnis lagen verschiedene blinkende Instrumente. Der Zahnarzt untersuchte mit einer Art kleinen Spiegel und einem komischen Haken meine Milchzähne, kratzte hierum und darum, bis er zu meiner Mutter sagte, dass da eine Stelle wäre, die er entfernen müsste. Ich wusste da noch nicht, was auf mich zukommt.
Er bereitete ein großes Gerät vor, abzuknicken wie die heutigen Schreibtischlampen, daran lief ein Kabel entlang, an der Spitze ein Bohrfutter für verschieden große Bohrer, neben dem Behandlungsstuhl ein Fußpedal, ähnlich einer Nähmaschine. Die Arzthelferin mit Dutt hielt meinen Kopf, der Arzt trat in die Pedale, er fing an zu bohren. Ich verspürte ein immenses Dröhnen in den Ohren, er hielt inne. Er schmierte etwas in das gebohrte Loch, Wattetupfer daraufgelegt, zu beißen, warten. Was schmeckte das ekelhaft. Danach Entfernen des Wattetupfers, und mit einem breiten Bohrteil eine kurze Politur, fertig. Mund ausspülen und zwei Stunden nichts essen.
Meine Eltern besaßen einen Garten in einer Gartenkolonie, erreichbar mit dem Fahrrad. Meine Schwester und ich saßen, während die Eltern sich mit dem Fahrrad abstrampelten, auf dem Gepäckhalterkindersitz des Rades, für die Füße extra zwei ausklappbare Fußrasten am Rahmen des Rades befestigt. Die Gartenlaube aus Holz mit Plumsklo und Eimer, dessen Inhalt nach Gebrauch im Komposthaufen entsorgt wurde.
Gartenkoloniefest, Armbrustschießen für Erwachsene, Stahlbolzen als Geschoß, ein Mann passte nicht auf und kriegte den Bolzenschuss genau zwischen Auge und Nase, der Mann sah lecker aus, er hatte plötzlich eine ganz schiefe Nase.
Meine Eltern ackerten und ernteten im Garten, weckten das Gemüse ein, kochten Marmelade, verarbeiteten den tollen Kürbis, den ich mittlerweile als Zielscheibe für meine Flitsche mit Krampen nutzte. Beim Kürbisaufschneiden hatte ich meine Munition wieder …… allerdings spürte ich auch eine flache Erwachsenenhand auf meiner Wange.
Ich wollte unbedingt lernen mit dem Fahrrad zu fahren. Der Nachteil war, dass nur Erwachsenenräder zur Verfügung standen. Ich entschied mich für das Fahrrad meiner Mutter, es ging gerade aus, weiter….. Nachbar`s Hecke stand im Weg, die Hecke hatte ein großes Loch, das Fahrrad leicht verbogen.
Es besuchte uns Onkel Hans aus Duisburg mit Auto und Familie. Schönes Wetter, also ab in den Garten. Das Auto stand vor dem Garteneingang im Gartenweg. Im Auto ließ es sich wunderbar spielen, Lenkrad rechts, Lenkrad links, mit dem Mund das Motorgeräusch, einfach herrlich. Es knackte in der Lenkung, und plötzlich ließ sich das Lenkrad sehr leicht bewegen.
Ich musste es Onkel Hans beichten. Er verlängerte unfreiwillig den Aufenthalt in Neumünster um einen Tag.
Onkel Hans war ein sehr liebenswerter Mensch mit schon mal seltsamen kamrath`schen Ideen, die meist technischer Natur waren, konnten aber auch recht praktisch sein. Er interessierte sich sehr für technische Zusammenhänge, besorgte sich darüber entsprechende Literatur, um im kleineren Rahmen den Dingen auf den Grund zu gehen. Er verstand sehr viel von der Mechanik der Autos. Deshalb machte er seinen Traum war, ein eigenes Auto zu bauen. Die nötigen Teile besorgte er sich vom Schrottplatz. Selbst sein Fahrrad bestand aus vielen Teilen anderer Fahrräder.
In seiner Dramburger Zeit gehörte er zu einer Riege guter Geräteturner. Sein Trainingsprogramm, erstellt in eigener Regie, war auch sehr unkonventionell. Während seines täglichen Dauerlaufs hielt er in jeder Hand zwei Koffer mit Steinen beladen und trug sie mit jeweils einem Finger, um mehr Kraft in den Händen zu haben. Sein Händedruck, selbst im Alter, konnte sehr „zupackend“ sein. Selbst Klimmzüge an der Teppichstange machte er mit jeweils zwei Fingern.
Seine Frau, Tante Hilde, hatte es nicht immer einfach mit ihm, aber sie verlor nie ihren Humor und versuchte stets aus jeder Situation das für sie beste Ergebnis zu erzielen.
Deren Kinder, Ursula und Gerhard, waren einige Jahre älter als meine Schwester und ich, deshalb haben sie sich auch erst mit uns befasst, als wir bereits im Teenalter waren.
Onkel Günter mit Familie, 2 Erwachsene, 4 Mädchen, kamen zu Besuch. Im Gepäck, wie immer sein Tonbandgerät und Mikrofon. Er versteckte alles hinter dem Sofa, um die Tischgespräche, Erzählungen von der Flucht, von früher, über Nachbarn und Freunden und Kindergedichten auf dem Tonband zu verewigen. Einige dieser Aufnahmen existieren noch.
Baden in der Badewanne war angesagt. Ofen anfeuern, anständig Glut, es mussten 5 Mädchen (vier Cousinen und eine Schwester) und ein Junge gesäubert werden. Mich schickte man meistens noch einmal zum spielen, die Mädchen kamen, je nach Säuberungsgrad in die Wanne, danach musste ich ran, natürlich in das noch warme Wasser meiner Vorgängerinnen, einfach fürchterlich, na ja Wasser sparen.
Onkel Günter war ein Charmeur, er liebte die Frauen, wahrscheinlich liebten sie ihn. Im 2.Weltkrieg ging er als Berufsoffizier zur Armee. Sein Interesse zur Elektrik und Technik brachte ihm, zumindest nach dem Krieg, einen „Überlebensjob“ bei den „besetzenden“ Amerikanern, denn er reparierte deren Radios und diverse andere Elektrogeräte. Er hatte es früh verstanden, durch eigene Ideen und Patente im Bereich der Kältetechnik eine florierende Firma in Giessen auf zu bauen. Seine Produkte verkaufte er bis nach Ägypten.
Ich mochte ihn als zerstreuten aber zynischen Zeitgenossen. Er liebte es, seine Mitmenschen zu verblüffen. Trockene humorvolle Einlagen, vermischt mit einer gewissen Zweideutigkeit gab ihm eine gewisse Distance zu seinen Mitmenchen.
Die Familie stand an erster Stelle. Die Familienchronik, seine Lebensgeschichte und seine Heimatstadt Dramburg waren ihm sehr wichtig. Er nutzte viele Gelegenheiten hierüber mehr zu erfahren und zu erzählen.
Seine Mutter bedeutete ihm mehr als nur eine Respektperson. Ihr gegenüber blieb er, auch im Alter, der kleine Junge. Er versuchte immer wieder sie von der Flucht und ihren Erlebnissen erzählen zu lassen, einmal gelang es und er konnte dieses Gespräch heimlich mit seinem Tonbandgerät aufnehmen.
Diese Aufnahmen existieren heute noch, ich habe davon ein altes Tonband.
Tante Elfriede, genannt Elfe, war eine herzensgute Frau mit einem hessischen Dialekt. Sie liebte ihre Familie, das Haus mit dem Garten und ihre dort wachsenden Rosen. Diese Blumensorte beeinflusste auch die gesamte Innendekoration des Hauses, überall Rosenmuster, an den Tapeten und den Porzellanfiguren in den vielen Glasvitrinen und Anrichten, selbst das Toilettenpapier blieb davon nicht verschont. Dazu überall eine sterile Grundfarbe weiß in der Küche, Fliesen, einfach steril sauber. Ihr Hang zur Sauberkeit und Putzfreudigkeit machte auch vor Handwerkern nicht halt. Klar, handwerkliche Arbeiten verursachen erst Schmutz, der nach Fertigstellung entfernt werden kann, aber Tante Elfe liebte eben die etwas übertriebene Sauberkeit, und sie blieb direkt neben den Handwerkern, nicht, um sie zu kontrollieren, sondern um jedes kleinstes Körnchen direkt zu entfernen, man könnte ja etwas übersehen. Die Handwerker fühlten sich natürlich stark in ihrer kreativen Arbeitsfreiheit eingeschränkt und bedankten sich nach getaner Arbeit mit einem großen Schild auf dem Dach auf dem stand: Villa Dasch.
Wahrscheinlich ein Hinweis für alle reisenden Handwerker….
1958, Fahrt nach Schwerin / DDR mit Marianne, Oma und meiner Mutter. Wir besuchten die Familie des Zwillingbruders meiner Mutter, Kurt Kamrth, seine Frau Tante Lisi, zwei Söhne, Uwe, der für mich wesentlich ältere Cousin, Jürgen kaum älter als ich. Mein Cousin Jürgen und ich verstanden uns auf Anhieb.
Jürgen liebte Tiere über alles, er wäre nie auf die Idee gekommen, für Mäuse ein Falle aufzustellen oder ähnliches, nein, viel besser, er versuchte sie sogar zu zähmen. Folgende Situation: Alte Wohnung seiner Eltern, erste Etage, sein Zimmer, alter Kleiderschrank auf Füssen. Alles musste ruhig sein, pst..pst.. Jürgen lag auf dem Bauch, hielt ein paar Krümel in der Hand, schnalzte mit der Zunge und starrte angestrengt unter den Kleiderschrank. Da, auf einmal schnüffelte ein kleines Näschen unter dem Schrank hervor und bewegte sich zögerlich zur ausgestreckten rechten Hand von Jürgen, und siehe da, das Tierchen schnappte sich blitzschnell das Fräschen und verschwand.
Tante Lisi war eine herzensgute Frau, echte Mecklenburgerin mit einem herrlichen norddeutschen Dialekt, sie sprach etwas „breit“, das wirkte immer so gemütlich. Ich mochte sie sehr gut leiden, weil sie sich durch ihre Bescheidenheit nie in den Vordergrund rückte, nicht schwätzte, sondern handelte.
Onkel Kurt verkörperte den lebenslustigen, einfachen, aber liebenswerten Charmeur, der nie um einen zweifelhaften, lustigen oder zweideutigen Spruch verlegen war. Ich glaube, sein Sohn Jürgen hat ihm da einiges abgeschaut.
Die Verbundenheit der Zwillinge Kurt und Gisela bestach durch ein besonderes Verstehen, wie es oft bei Zwillingen zu finden ist. In den Jugendtagen war „Gila“, wie er sie nannte, seine bequeme Hilfe. Wenn er seine Hosen nicht aufkriegte, musste Gila ran. Dann folgte die besondere Frage: Gila mach mir mal die Hosen auf, und Gila tat ihm den Gefallen.
Onkel Kurt hatte an einem der vielen Seen sein Bootshaus mit einem selbstgebauten Motorboot. Als meine Großmutter, seine Mutter, mit in Schwerin weilte, sollte sie auch das Bootshaus kennenlernen. Die Gehbehinderung, passiert durch ihre Oberschenkelhalsbrüche, verhinderte einen weiten Fußmarsch zum Bootshaus. Die Idee kam auf, Oma musste per Boot dahin. Ein Kamrath muss Einfälle haben. Zum nahe gelegenden Ziegelsee war es ein kurzer Marsch. Wir begleiteten die Oma bis dahin, Onkel Kurt fuhr über den See mit seinem Boot bis zur „Omaanlegestelle“, stellte mittig ins Boot einen breiten Stuhl, legte ein breites Brett vom Boot zum befestigten Ufer, Oma stieg über das Brett ins Boot und setzte sich wie ein General auf den Stuhl. Ein Bild, welches ich nie vergesse. Wir nahmen ebenfalls im Boot Platz und ab ging die Fahrt über den See zum Bootshaus, wo die gleiche Prozedur beim Aussteigen erfolgte.
Schweriner Bootshaus
Ein Bruder meiner Großmutter lebte in Schwerin, Onkel Martin. Jürgen wollte mir zeigen, wo der Onkel wohnte. Der Hof dieses sehr alten Mietshauses bedeutete Abenteuer, Entdeckung, Dummheiten machen. Ein alter Schuppen hatte es uns beiden angetan. Dort gab es viele interessante Dinge zu entdecken. Ein Eimer mit Kohlenglut neben einem Eimer voller Kartoffeln, Werkzeuge, Schaufeln, Mistgabeln, gestapeltes Holz. Die Kohlenglut in einem Eimer? In der Nähe von gestapeltem Holz? Wir dachten, dass jemand die Kohlen vergessen hatte und wollten die Gefahr auslöschen. Aber wie? Blitzgedanke, wir guckten uns an, zwei Seelen, ein Gedanke, pinkeln. Es zischte und roch unangenehm, und es war keine Glut mehr zu sehen. Die Hoftür ging auf, Onkel Martin verschwand im Herzhäuschen auf dem Hof, um seinem täglichen Geschäft zu frönen, er bemerkte uns nicht. Wir hörten seine lauten japzigen Seufzer, es hörte sich nach einer großen Zufriedenheit mit sich und der Welt an.
Jeder von uns schnappte sich ein paar Kartoffeln, schnell Maß genommen, durch das Herzchenloch der Tür geschmissen und hinter dem Holzstapel versteckt. Lautes Gebrüll, die Klotür sprang auf, die Hose auf Halbmast, Onkel Martin rannte wutentbrannt auf den Hof, sah den noch qualmenden Eimer mit fast erloschener Kohle und konnte es kaum glauben. Er schimpfte wie ein Hafenarbeiter, Ausdrücke, die man als züchtiger Erdenbürger besser vergaß. Wer hatte ihm das angetan? Wenn der uns erwischt hätte……
Die besten Spielmöglichkeiten gab es natürlich im und am Bootshaus, dort konnten wir die Abenteuergedanken voll ausleben. Diese Gedanken nach zu vollziehen, war nicht einfach, dies dachte wohl auch Onkel Kurt.
Seine Autoreifen, sorgsam behütet, gute Qualität, mussten aufgestapelt für unsere besonderen Verstecke herhalten. Ein altes Feldtelefon mit zwei Paar Kopfhörern und alter Draht verband die zwei Stapel Reifen zum telefonieren. Als Tarnfarbe nutzten wir die weiße Farbe, die Onkel Kurt mühsam erstanden hatte, zum Bestreichen der Reifen.
So sauer habe ich Onkel Kurt nie wieder gesehen, weiße Reifen, so manche Fahrt sollten die noch halten, seine Farbe… Die Strafe war schlimm……Er missachtete uns beide, wir waren für ihn Luft. Nach einer angemessenen Entschuldigungsphase und gewissen erledigten Strafarbeiten hatte er die Angelegenheit vergessen.
Vom Bootshaussteg machte es viel Spaß mit einem Autoschlauch um den Bauch ins Wasser zu springen. Onkel Kurt baute ein Sprungbrett mit einem langen Schalbrett vom Bau. Beim Absprung wippte das Brett, dadurch bekam man noch viel mehr Schwung. Was für unbeschwerte Tage……..
Wasserstauen, Marianne-Jürgen und ich Vom Bootssteg ins Wasser
Weihnachten 1957
Heute träumen wir oft von einer weißen Weihnacht. Doch die Wetterkapriolen sind in der heutigen Zeit anders programmiert.
Der Winter 1957/1958 zeigte sich von seiner besten winterlichen Seite. Draußen heulte der Wind um die Hausecken, knackig kalt, es schneite unentwegt. Man sagt, bei so einem Wetter jagt man keinen Hund nach draußen. Jedoch an so einem besonderen Tag, an dem 24.Dezember 1957, dem heiligen Abend in Neumünster / Schleswig-Holstein, machte man selbst für sich eine Ausnahme. Mütze, Schal und Fausthandschuhe, alles selbst von der Großmutter gestrickt, dicke Jacke, Hose und Stiefel gehörten zur Ausrüstung, um diesem kalten Winterwetter zu trotzen.
Der Gang zur Kirche war mehr als beschwerlich. Meine Großmutter, gehbehindert, nahm ihre beiden Stöcke, und musste den Weg zur Kirche meistern, egal wie beschwerlich und anstrengend dieser Weg für sie war. Ein Weihnachtsfest ohne den Kirchgang war nur die Hälfte wert, denn sie musste und wollte sich auf das feierliche Zusammensein im Kreise der Familie einstimmen. Mit ihrer sehr positiven Einstellung zu diesen Geflogenheiten übertrug sie auch viele weihnachtliche Gefühle auf uns Kinder, weil dadurch die Spannung auf nachher noch größer war.
Meine Mutter war froh, die ganze Bagage aus der Wohnung zu haben, denn sie bereitete in dieser Kirchgangzeit alles für die anschließende feierliche Bescherung vor. Uns wurde immer vorgegaukelt, sie müsse dem Weihnachtsmann die Tür öffnen und ihm zur Hand gehen. Auf dem Weg von der Kirche suchten wir auf Anraten meines Vaters auch hinter jedem Strauch diesen bewussten Weihnachtsmann, der jetzt gerade von Haus zu Haus stiefelte und die Geschenke ablieferte. Die allgemeine Aufregung steigerte sich ins Unermessliche. Zuhause wurde unsere Geduld noch auf eine harte Probe gestellt. Bevor es an die Geschenke, den bunten Weihnachtsbaum und natürlich den leckeren Heringssalat mit Kartoffeln ging, las meine Großmutter einen Teil der Weihnachtsgeschichte vor. Nun kam der große Auftritt von uns Kindern. Ich ging bereits in die zweite Schulklasse und durfte ein Gedicht aufsagen, natürlich mit viel Betonung. Aufstellung, Hände auf dem Rücken, eine kurze Verbeugung und man begann mit Inbrunst den Text auswendig vor zu tragen. Nach getaner Tat holte man einmal tief Luft und war froh, diesen Teil des frühen Abends hinter sich zu haben. Denn die Zeit schritt voran und rückte zur Bescherung immer näher, für uns Kinder der wichtigste Teil des heiligen Abends. Aber, dieses Vorgeplänkel dehnte sich noch auf die traditionellen Weihnachtslieder aus. Auch wenn in der Kirche bereits einige Lieder zum Anstimmen erklangen, zu Hause gehörten sie einfach dazu.
So, nun kam der wichtigste Teil des Abends. Wir wurden aus dem Zimmer geschickt, meine Eltern rückten alles zu recht, zündeten die richtigen Wachskerzen am Weihnachtsbaum, und die Kerzen des hölzernen Drehgestells aus dem Erzgebirge an, stellten das Radio mit dem entsprechenden Sender für Weihnachtsmusik an, und dann: Wir hörten das erlösende Klingeln einer Handglocke und der Gang zum erleuchteten und glitzernden Weihnachtsbaum war freigegeben. Die Situation gehörte immer zu dem Feierlichsten, was ich je kannte. Wir stürmten nicht einfach in den Raum, sondern schauten ganz ehrfürchtig und vorsichtig um die Ecke, um diese gesamte Zeremonie zu erfassen. Die Erwartungshaltung meiner Eltern und unsere leuchtenden Augen vermischt mit den vielen Kerzen, dem glitzernden Lametta am Baum zeigte uns ein unglaublich erhebendes Ereignis, welches viele in der heutigen Zeit gar nicht mehr nachvollziehen können.
Um den Weihnachtsbaum lagen verschiedene Päckchen, Pakete, bunt Eingepacktes. Meine Eltern und auch meine Großmutter erhielten noch verschiedene Pakete von der großen Verwandtschaft, die in ganz Deutschland, Ost und West verstreut waren. Diese vielen Pakete enthielten natürlich auch für uns Kinder ein paar Kleinigkeiten, neben den eigentlichen Geschenken der Oma und der Eltern. Ein „ Ah“ und „Oh“ ging ein „toll“, oder „ach, kann ich gut gebrauchen“, oder, „haben sich aber Mühe gegeben, und viele andere Floskeln ertönten beim Auspacken dieser Pakete.
Nach dem anstrengenden Auspacken und Durchlesen der Begleitschreiben mit möglichen Fotos der inzwischen gewachsenen Kindern gab es endlich etwas zu essen. Selbstgemachter Heringsstipp mit Salzkartoffeln zum Knetschen in der Sahnesoße. Mein Lieblingsessen! Eine große Schüssel dieses mit Zwiebeln, Äpfeln, Nüssen und viel eingelegtem Hering zubereitetes Mahl, was konnte im Leben schöner sein? Ach, Ja, nicht zu vergessen die hinterher gereichten Bratäpfel mit Vanillesoße. Für mich waren dies unvergessene Weihnachtsabende, die mit dem norddeutschen Radioprogramm der Funkaufrufe zu weitentfernten Schiffen in Übersee endete. Dort konnten dann die Familienangehörigen mit den Besatzungen verschiedener Schiffe sprechen.
Mein Leben in Wilhelmshaven
Abschied von Neumünster. 1959 zogen wir, d.h. meine Eltern, Oma Wanda, Marianne und ich nach Wilhelmshaven an die Nordsee/ Jadebusen/ Ostfriesland. Grund, mein Vater erhielt im KSW; Kammgarn-Spinnerei-Weberei Wilhelmshaven, eine neue Anstellung, nachdem die Firma in Neumünster seine Tore geschlossen hatte.
Unsere neue Wohnung, Nahestrasse 5, 1.Stock links, Balkon auf der Rückseite mit Blick auf die Werkstätten des Gaswerkes, das dem Haus gegenüber mit einem großen Gasometer den Weitblick versperrte. Keller, nach oben ins Haus knarrende alte Holzstiegen, halbe Etage höher eine Abstellkammer in einem ehemaligen Kloraum und einem ganz kleinem Fenster, der später mein Bastel-Spiel-Zimmer wurde. Aber man gewöhnt sich an alles.
Das neue Domizil, gebaut ca. 1920, befand sich in einer Verbindungsstrasse zwischen Rhein- und Weserstrasse, nicht weit vom Ems-Jadekanal und Kriegshafen, über die Kaiser-Wilhelmbrücke ( Drehbrücke ) zum Südstrand am Jadebusen und weiter zur 1.Hafeneinfahrt mit Fährschiff nach Helgoland und Unterwasseraquarium, dem Nassauhafen mit seinen Zubringerschiffen, zum Ölhafen und den Krabbenkuttern, die täglich „Granat“ anboten.
Neben dem Haus unterhielt das Gaswerk einen Parkplatz, der sich nach Feierabend wunderbar zum Fußballspielen eignete. Ich vergaß zu erwähnen, dass wir auch einen kleinen Hinterhof mit einer Teppichstange und einem Kellereingang benutzten. Auf dem Hof ließen wir unsere Hulahup-Reifen um die Hüfte rotieren.
Wir erhielten Besuch von Familie Franz Müllenmeister, Onkel Franz, Helmut, Tante Annelore und Peter. Sie lebten in Duisburg-Hamborn, im damals wohl schmutzigsten Stadtteil von Duisburg, bestärkt durch die vielen Stahlhütten, wie die Fa. Thyssen, und der Kohlebergwerke, die dem Ruhrgebiet seine eigentliche Identität verliehen. Draußen Wäsche aufhängen war ein unmöglicher Zustand, die vielen Kohlestaubpartikel verhinderten dies.
Onkel Franz fuhr seinen eigenen LKW als Kleinunternehmer für die Thyssenhütte und profitierte demnach von der aufstrebenden Konjunktur in Deutschland.
Tante Annelore musste in ihrer Ehe sehr viel diplomatisches Geschick an den Tag legen, um die recht seltsamen Eigenarten von ihrem Mann zu kompensieren. Seine Eifersucht, sein aufbrausendes Machogehabe vermischt mit einer Portion Großkotzigkeit machten ihn zu keinem einfachen Menschen.
Sommerferien, warm, ab zum Südstrand. Natürlich musste Onkel Franz seine ganze Sportlichkeit präsentieren, der legendäre, international bekannte Kopfstand war angesagt. Seine Söhne mussten es ihm gleich tun. Fremde Leute am Strand blieben stehen, um sich dieses Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Der Kopfstand wurde zeitlich ausgedehnt und sah aus, als wenn sich jemand relaxend verkehrt rum aufstellte. Anfänglich bestaunten wir noch diese Turnübungen, später bezeichneten wir diese Momente nur noch als peinlich.
Der legendäre Kopfstand
Onkel Franz kaufte sich im Rüstersieler Seglerhafen ein hochseetaugliches Segelboot mit zwei Kajüten. Es sollte von da über das offene Meer in den Nassauhafen überführt werden. Ein Mitglied des Segelclubs Rüstersiel, Onkel Franz und Gerhard Kamrath sollten die Segler sein. Das Wetteramt meldete schlechtes Wetter und sehr unruhige See, Windstärke 7-9. Ein Unterfangen, was sehr gewagt und unvernünftig war. Aber Onkel Franz wäre nicht Franz Müllenmeister, der Segelmeister, der alle Warnungen ignorierte und die Nordsee als „nasse Wiese“ titulierte.
Der Segeltörn startete, Tante Annelore, Peter Müllenmeister und ich fuhren mit dem Auto am Deich lang und beobachteten durch ein Fernglas die Segelmanöver. Die ersten Schwierigkeiten kamen auf, als das Segelboot den schützenden Bereich des Segelhafens verließ und Richtung offene See aber unter Land manövrierte. Sie hatten mit kurzen, aber heftigen sich immer wieder drehenden Böen zu tun. Auf der Höhe des Ölhafens, bevor es in den Jadebusen geht, brach der Großmast. Eine Reparatur bei diesem Wetter höchst gefährlich. Das Boot wurde hin und her geschlingert, aber sie schafften es, ein paar Tampen um die schadhafte Stelle zu knoten. Mit der eleganten Segelei war es erst einmal vorbei. Jetzt konnte nur noch der Außenbordmotor zusätzliche Hilfe gewähren, um gegen die Strömung, den mittlerweile längeren Wellen, den stärker werdenden Sturm anzukämpfen. Problem, der Außenborder sprang nicht direkt an, eine Schwierigkeit mehr. Sie hatten nur noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Beginn der Ebbe. Aber irgendwie klappte es doch, eine mehrstündige nervenaufreibende Fahrt ging zu Ende. Onkel Franz war auf einmal sehr kleinlaut und still. Eine nasse Wiese sagte er, glaube ich, nie wieder zur Nordsee, den Respekt vor diesem Gewässer konnte man aus seinem Gesicht ablesen.
Einschulung in der Volksschule Allerstraße, ebenfalls eine Querverbindung zwischen Rhein – und Weserstraße. Ein Holzzaun umschloss das Schulgelände, den Schulgarten und das Toilettenhaus mit den Plumsklos hinter der Schule. Die Schulklassen waren zur Ordnung verpflichtet, Sauberkeit, Schulgarten bearbeiten, Toiletten reinigen. Meist erledigte dies eine Strafkolonne.
Ein sehr strenger Rektor mit Rohrstock führte ein manchmal zu hartes Regiment. Seine Kommiss Vergangenheit konnte er nicht leugnen. Er verteilte höchst gerne Hiebe auf die gängige kurze Lederhose, das hieß, antreten vor dem Rektorzimmer in der 1.Etage mit Blick auf den Schulhof. Züchtiges zögerndes Anklopfen, es dauerte einen Moment, ein knarrendes „herein“. Die Tür schließen, Hände nach hinten verschränkt, kurz mitteilen, warum man eine Strafe zu erwarten hat, mit dem Bauch über einen bereitgestellten Stuhl legen, Luft anhalten, klatsch, klatsch auf die Lederhose, bei Jammern Zugabe. Sein Kommentar, da wäre noch viel Natur zum bearbeiten. Oder Strafmaßnahme Strafkolonne Hausmeister nach der Schule. Der Hausmeister war immer besoffen und merkte dann gar nicht, wenn er nach kurzer Zeit keinen Schüler mehr um sich hatte. An den Ohren drehend ziehen, Schlüssel, Schwämme, Kreide treffsicher fliegen zu lassen gehörten zu den harmloseren Bestrafungen, Man nannte dies aufwecken, wachrütteln, Klappe halten.
Natürlich kann ich auch positive schulische Erlebnisse mitteilen. Der Ausflug der 4.Klasse nach Burg Sternberg im Teutoburger Wald. Unser Lehrer, Herr Jünke, gehörte zu den humaneren Lehrern, sehr streng, aber mehr die väterliche Richtung, die Klassenfahrt bestätigte das. In der Burg lebte ein Geigenbauer, der seine Instrumente vorführte. Eine Fahrt nach Lemgo zum Hexenhaus mit den Folterinstrumenten beeindruckte mich vollkommen. Von da ging es weiter zu einer großen Kakteenzucht, dem Sinalkowerk in Detmold, den Externsteinen und dem Hermannsdenkmal.
Solche Klassenfahrten konnten berühmt sein für die besonderen Einfälle. Im großen Waschraum standen auf dem Bord über den Waschbecken die Zahnputzbecher mit den Zahnbürsten und Tuben Zahnpasta. Die Zahnbürsten ließen sich gut mit den Geschirrspülmitteln aus der Küche präparieren. Ab und zu wurde man zum Küchendienst eingeteilt und hatte somit Zugang zu diesen wunderbaren Erzeugnissen der Industrie. Es sah lustig aus, wenn die „Münder“ überschäumten.
Spaß machte auch, die sehr tief Schlafenden zu ärgern. Hing ein Bein oder ein Arm aus dem Bett, konnte man wunderbar diesen Körperteil in eiskaltes Wasser hängen lassen. Ein Eimer Wasser hin gestellt, ein paar Minuten gewartet, ein neuer Bettnässer ward geboren…..
Zuhause besuchten uns Hans und Peter Gropengießer aus Berlin. Peter und ich verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Er war ein ruhiger und sehr besonnener Zeitgenosse.
Wir hatten Schulpause und hielten uns auf dem Schulhof auf, Peter stand am Schulzaun und schaute herüber. Ich ging an den Zaun, wir unterhielten uns. Mein Lehrer, Herr Jünke sah dies, fragte mich was los sei, und gab mir für den Tag schulfrei. So viele Gegensätze.
4.Schulklasse Volksschule Allerstrasse
Mein Schulfreund aus Volksschultagen hieß Rolf Kansy, geb am 20.02.1951, ein paar Tage jünger als ich, was aber der Gesamtentwicklung nichts entgegen stand. Unzertrennlich, hatten die gleichen Interessen, vor allen Dingen Fußball auf dem Kasernenhof spielen, Vernünftiges aushecken, Abenteuer suchen, auf alten verrosteten Schiffen spielen, ein Floß mit alten Kunststofftonnen, abgelegten Brettern und Schiffseilen bauen, Fahrrad fahren, schwimmen, eben alles, was die Sachlage in Wilhelmshaven zuließ.
In jedem Häuserblock, über 2-3 Straßen, wohnten bestimmte Jugendliche, die irgendwie zusammenhielten, ich will nicht sagen eine Bande, aber man unternahm etwas zusammen.
Es fing mit der Fußballmannschaft an, Räuber und Angreifer, Seeräuber auf dem Kanal, alte Bunker auskundschaften, es war immer etwas zu tun. Die anderen
Blocks unternahmen ähnliches, und so kam es dann zu Aufeinandertreffen, z.B. ein Fußballspiel gegeneinander, natürlich ohne Schiedsrichter. Bei Uneinigkeiten sprach auch schon mal das Faustrecht.
Wir spielten meistens auf dem Kasernenhof mit zwei großen Bunkern, einer rechteckig und zugemauert, der andere rund mit spitzen Dach, dreistöckig, der hintere Teil fehlte. Ideal zum klettern, eine Festung anlegen, also etwas für Räuber.
Die erste Zigarette, die ich rauchte, oder mit viel Husten paffte, klaute ich meinem Vater. Er rauchte schon mal Overstolz oder Juno, meistens Eckstein. Die Bunker boten für solche Unternehmungen den besten Schutz. Für 50Pf erstanden wir auch eine Schachtel Leut, Inhalt sechs Zigaretten, später nur noch fünf Stück. Einmal musste ich auf unserem Hof einen Teppich ausklopfen. Man legte ihn über die Teppichstange und haute mit dem Teppichklopfer den Staub aus dem Teppich. Meine Bemühungen unterbrach ich, um im vermeintlichen Schutz inmitten des Teppichs eine Leut-Zigarettenpause zu machen. Dass dann rechts und links aus dem Teppich verräterischer Rauch aufstieg und meinem lauten Teppichklopfen eine schöpferische Stille folgte, beachtete ich nicht. Eine flache Erwachsenenhand wischte um die Ecke und beendete meinen Erwachsenentraum abrupt.
Der andere Bunker reizte sehr, gerade weil er zugemauert war. Das Gemauerte entsprach ungefähr der Größe eines Fußballtores und ließ sich wunderbar zum Bolzen gegen die Wand nutzen. Im Laufe der Zeit lockerten die Mauersteine, wir halfen natürlich etwas nach. Dann war es soweit, die Öffnung entsprach unserer Körpergröße, wir kletterten hinein. Es verursachte doch ein sehr beklemmendes Gefühl, weil man nicht wusste, was einen erwartete. Wer mitmachen wollte, suchte zu Hause heimlich die Bestände der Kerzen durch, ein paar Taschenlampen, und sogar eine alte Petroliumlampe sorgten für Licht.
Auf der rechten Seite befand sich eine alte Luftschutztür zum angrenzenden Schrottplatz nach draußen, die ließ sich jedoch nicht mehr öffnen. Vor einer Treppe ohne Geländer nach oben in die 1.Etage war wiederum eine Luftschutztür mit mächtigen Riegeln. Die Tür ließ sich öffnen, und wir befanden uns in einem abgeschlossenen Raum mit vier Holzpritschen an der Wand, in der Ecke lag ein Haufen mit Blechessgeschirr, zwei Gasmasken, alte Handschuhe. Diesen Raum nutzten wir Jungs als Treffplatz. Je tiefer man in den Bunker eindrang, je gruseliger wurde es. Es hallte von den Wänden zurück, überall gab es kaputte Luftschächte , angelegt wie Fallgruben, Unmengen von alten Schuhen und alten Regenmänteln, aber Gott sei Dank keine Leichen. Der Mut nahm zu, man gewann die Orientierung, wir fühlten uns wohl.
Manchmal erhielten wir am Bunker weiblichen Besuch. Das Mädchen hieß Madeleine, blonde Zöpfe, hoch aufgeschossen. Sie gehörte zum „anderen Block“. Sie wollte gerne auch einmal in den Bunker, keinem von uns war die Begeisterung an zu sehen. Sie sagte, sie würde für den Eintritt bezahlen. Na ja, gegen Geld hatte keiner etwas. Die Idee, Eintritt zu nehmen, wurde gerade geboren. Aber sie verlangte von uns Jungens Geld, nämlich 1 DM, dafür zieht sie sich aus. Wir sahen uns verstehend an und beratschlagten. Jeder von uns kannte deren Mutter mit ihrem Privatetablissement, und nun wollte die Tochter in die gleichen Fußstapfen treten? Die Investition fand allgemeine Zustimmung und mit weltmännischen Kennerblicken verfolgten wir die Privataufführung. Nachher bekräftigte sich die Meinung, dass eine Wiederholung nicht mehr in Frage kam.
Ihr Bruder Hauke, ein unangenehmer Zeitgenosse, ein bis zwei Jahre älter als wir, bekam Wind von dieser Vorführung und drohte mit Schlägen. Als Chef seines Blocks musste er ein Exempel statuieren. Er hatte es hauptsächlich auf mich abgesehen, warum kann ich nicht mehr sagen. So eine Prügelei, unter Gentlemen, bedarf einer terminlichen Abstimmung, dafür sollte ein Nachmittag auf dem Kasernenhof angesetzt werden. Jede Gruppe erschien fast vollzählig, sie bildeten einen großen Kreis, damit die Kontrahenten Platz zum Raufen hatten.
Die Angelegenheit war nach kurzer Zeit erledigt. Hauke hatte eine blutende Nase und ein zerrissenes Hemd.
Plötzlich fuhr das Auto unserer grünen Freunde um die Ecke. Beide Gruppen ver-teilten sich wie auf einem Fußballfeld und begannen ein normales Fußballspiel. Die beiden Polizisten verweilten einen Moment, als wenn sie nicht glauben wollten, was sie da sahen.
Friede, Freude, Eierkuchen …….
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch einmal über die grundsätzlichen Essgewohnheiten der eigenen Familie berichten. Ich aß gerne morgens Haferflocken mit Milch und Zucker, manchmal auch Kakao. Meine Eltern tranken Kaffee. Als Brot gab es Schwarzbrot und Graubrot vom Becker. Viel selbstgemachte Marmelade oder Gelee. Milch zapfte man im Milchladen in eine Milchkanne, Margarine, meistens Rama, an Wurst: Blutwurst und grobe Leberwurst, Käse am Stück, manchmal Harzer Roller mit Kümmel. In der Woche Kartoffeln und Gemüse, Eintopf, Stippe mit Pellkartoffeln und Speck, natürlich Fisch. Meine Mutter aß gerne geräucherte Flunder. Sonntags ein Frühstücksei, aber immer mit Brötchen, sonst war es Verschwendung, mittags einen Sonntagsbraten mit Kartoffeln und Gemüse oder Blattsalat mit Sahne und Zucker.
Dies als kleines Zwischendurch.
Wieso erwähne ich diese ganz normalen Essgewohnheiten? Ganz einfach, denn wenn man mit seinen Freunden deren Familien besuchte, war es normal, dass auch wir als Gäste eine Stulle Brot mit feiner Leberwurst von der Mutter des betreffenden Jungen erhielten. Ich möchte von einem Jungen namens Dieter erzählen, der hinter dem Nassauhafen in der ehemaligen Hausmeisterwohnung einer alten Textilfabrik wohnte. Die Wohnung befand sich im Dachgeschoss, man musste vier Etagen eines sehr brüchigen Treppenhauses erklimmen, um die Wohnung zu erreichen. Die darunter befindlichen Etagen waren überfüllt mit alten, nicht mehr gebrauchten Textilmaschinen aus der Vorkriegszeit, zum Spielen für uns Jungens ein interessanter Ort. Nur, wir gingen zu Dieter an einem bestimmten Tag in der Woche, um nicht die nächsten Sendungen von "Sport-Spiel-Spannung" zu verpassen. Man bemerke, die Eltern von Dieter besaßen einen Fernsehapparat, ein Luxus, den sich nur wenige Leute leisteten. Da saßen wir nun auf einer riesigen Couch, in einer Hand die Stulle mit feiner Leberwurst, dazu begierig diese Sendung mit zu erleben. Welch ein Gegensatz.
Eines Tages entdeckten wir Jungs unter einem Haufen Geröll im großen Eckbunker einen bedeutsamen Fund. Eingepackt in Ölpapier, förderten wir eine Pistole, Marke 08, Munition und zwei Eierhandgranaten aus dem 2.Weltkrieg an das Tageslicht. Was tun? Kriegsrat, Ergebnis: behalten und ausprobieren, aber wo? Na klar, die alten U-Bootanlagen am Kanal, nicht weit von der Hafeneinfahrt mit Schleuse. In dem U-Bootbunker wurde erst einmal die“ 08“ ausprobiert, es durften 10 Schuss verballert werden, 5 Jungens, jeder 2 Schuss. Alte Büchsen und Flaschen aufgebaut als Ziel, angelegt, Schuss, daneben. Meine Güte, welch ein Rückschlag und Knall. Eine Büchse erhielt einen Treffer, schlechte Quote bei zehn Schuss, aber es hatte richtig „Rums“ gemacht. Jetzt sollten die Handgranaten ausprobiert werden.
Zufällig öffnete die Schleuse, aus Erfahrung drückten die Heringe in den Kanal. Nicht lange gezögert, Ring der Handgranate gezogen und hinein ins aufgewirbelte Nass. Eine Handgranate funktionierte wohl nicht, denn es machte nur einmal gewaltig Bum, eine Wasserfontäne schoss in die Luft, das Wasser senkte sich und überall sah man tote Fische. Von den Fischen hatten wir jedenfalls nichts, wir mussten sehen, dass wir uns verkrümelten, denn überall liefen Leute heran und gestikulierten. Wir Jungs machten uns davon.
Wir Kinder sollten schwimmen lernen, dazu Schwimmunterricht am Südstrand durch Herrn Buschkemper, ehemaliger Marineschwimmlehrer. Um ebenfalls schwimmen zu lernen, besuchten uns Ursula Kamrath aus Duisburg und Ingrid Kamrath aus Giessen, dazu meine Schwester Marianne und ich.
Bei Ebbe konnte ein Nichtschwimmerbecken genutzt werden. Herr Buschkemper nahm auf einem erhöhten Sitzplatz, wir stiegen in das Becken, 16 – 17 Grad Wassertemperatur, gleiten und immer wieder gleiten üben. Dann mit dem Kopf aus dem Wasser, Atemübungen, Armbewegungen, Beinbewegungen, beides zusammen, an der Angel hängend die Bewegungen koordinieren. Es kam die Zeit, dass im tiefen Wasser unser „Können“ vorgeführt werden sollte. Meine Güte, was bekam ich vor Aufregung Bauchschmerzen. Meine Mutter musste am Nachmittag zum Südstrand kommen, um mir aus Entfernung bei zu stehen. Man stelle sich vor, ein langer Steg, vorne ein Sprungbrett. Dort trafen wir alle zusammen. Herr Buschkemper gab das Kommando, wir sollten ins Wasser springen. Alle taten es, nur ich nicht. Ein Schupser von hinten, ich fiel ins Wasser und musste schwimmen, ob ich wollte oder nicht. Und ich schwamm. Kurz danach schafften alle Schwimmschüler den Frei- wie auch Fahrtenschwimmschein.
Taschengeld erhielt ich nicht, wenn, dann musste ich mir etwas dazu verdienen. Eine Querstraße weiter lag das große Gelände eines älteren Schrotthändlers. Sein Büro befand sich in einer alten Wellblechbaracke mit einem alten wackeligen Schreibtisch und Stuhl, ein Lehnstuhl direkt am Fenster, davor ein kleiner Tisch mit Aschenbecher, Tabakdose und einer sehr gebogenen Pfeife. In der Ecke ein Kohlenherd, obendrauf ein Wasserkessel für Tee. Sein treuer Freund, der Rex, ein Schäferhund, räkelte sich auf seiner Hundedecke neben diesem Kohleherd. Auf dem Schrottplatz lagerten sehr viele alte Postkabel und Elektrodrähte aller Art, aus denen das wertvolle Kupfer heraus geschält werden sollte. Dies nutzten wir Jungen, um ein paar Mark zu verdienen. Hin und wieder wurde eine Arbeitspause eingelegt, um die leckeren Birnen von dem großen Birnbaum, der mitten auf dem Schrottplatz wuchs, zu probieren. Die besten Früchte hingen an den oberen Ästen. Zuerst versuchten wir es mit Steinen und schmissen somit die Birnen mit mäßigem Erfolg herunter. Also hinaufklettern.
Gleichzeitig braute sich schlechtes Wetter zusammen. Wir beeilten uns, um noch möglichst viele Birnen zu pflücken. Die ersten Regentropfen fielen, Gewitter grollte, es blitzte. Wir saßen zu dritt auf dem Baum, der vierte unserer Kumpels hatte sich bereits unter das Vordach eines Schuppens gestellt und wartete auf uns. Auf einmal sprang die Tür des Schrotthändlerhäuschens auf und der Schäferhund rannte unter den Birnbaum und knurrte uns an. Heiliger Strohsack, der Hund ließ uns nicht mehr vom Baum. Es goss in Strömen, blitzte und donnerte, wir saßen weiter im Baum. Dem Hund machte das Ganze anscheinend nichts aus, er hatte seinen Auftrag. Immer wenn einer von etwas tiefer kletterte, fletschte der Hund seine Zähne. So viel Angst hatte ich schon lange nicht mehr.
Das Gewitter ließ nach, der Regen hörte auf, der Schrotthändler kam grinsend aus seiner Hütte, pfiff seinen Hund zurück, sagte, ihr hättet mich fragen sollen, und verschwand in seinem Verschlag. Für ihn war damit die Sache erledigt, er hatte seinen Spaß.
Wenn die Müller-Parchams aus Hamburg zu Besuch kamen, stieg die allgemeine Stimmung positiv an. Onkel Wolfgang und Tante Lotte gehörten zu den für mich angenehmeren Gästen. Beide hatten einen sehr guten Draht zu Kindern, hörten ihnen zu und schnitten ihnen nicht gleich das Wort ab, weil Kinder doch nicht vorlaut sein dürfen. Sie konnten beide auch sehr interessant erzählen. Sogar wir Kinder saßen dann dabei, mucksmäuschenstill, angespannt lauschend. Tante Lottes Stimme klang sehr angenehm, Onkel Wolfgang erzählte schon mal die ein oder andere lustige Anekdote, meistens dann, wenn er getrunken hatte, denn er vertrug eine Menge Alkohol.
Onkel Wolfgang hatte eine Arztpraxis in Hamburg. Ich bin einmal dort gewesen und trennte mich kaum von dem riesigen Aquarium im Wartezimmer. Wahrscheinlich stammt mein Interesse zu Aquarien aus dieser Zeit.
Eine weitere Möglichkeit Geld zu verdienen war das Pflücken von Holunderbeeren. Die Sträucher wuchsen auf den vielen Trümmergrundstücken. Zum Ernten dieser Beeren nahm ich einen geflochtenen Korb mit, den man sehr gut auf dem Fahrradgepäckhalter zum Transport befestigen konnte. Abnehmer hatte ich in der Bekanntschaft meiner Eltern, der Saft war sehr begehrt. Ab und zu begegnete ich in den Trümmergrundstücken meinem Vater, der sehr intensiv Brombeeren pflückte, die meine Mutter zu Marmelade verarbeitete. In einer Saison hat er mal fast einen Zentner dieser Beeren mit nach Hause gebracht.
Am 24.04.1961 verstarb meine Großmutter Wanda in Gießen. Sie war etwas schwerfällig in ihren Bewegungen, hervor gerufen durch ihre Oberschenkelhalsbrüche auf beiden Seiten. Beim Aussteigen aus dem Auto von Onkel Günter stieß sie sich den Kopf am Türrahmen und bekam dadurch ein Blutgerinsel im Gehirn, welches nicht richtig erkannt oder nicht richtig behandelt wurde. Für mich ein denkwürdiger Tag, der sich fest in meinem Inneren festsetzte. An dieser Nachricht hatte ich lange zu knabbern, denn ein Leben ohne meine Oma konnte ich mir zu dieser Zeit sehr schlecht vorstellen. Die Nüchternheit der anderen aus meiner Familie war mir unbegreiflich, sie gingen alle sehr schnell zur allgemeinen Tagesordnung über. Worüber ich sehr traurig war, ich durfte nicht mit zur Beerdigung nach Gießen, Begründung: Da sind doch nur Erwachsene, Du bist noch zu jung.
Dadurch änderte sich in unserer Wohnung so einiges. Marianne erhielt Omas Zimmer, ich hatte eine Bettbreite mehr Platz im Schlafzimmer meiner Eltern für meine Spielsachen.
Marianne konnte nun öfter ihre Freundinnen empfangen und ging mir in meinem Bereich nicht mehr so sehr auf den Geist. Wenn sie mit Gunda, ihrer Freundin, zusammen war, wurde gerne über die Jungs gekichert und gelästert. Wenn ich dazu kam, schickte man mich weg und titulierte mich als zu jung oder zu klein, und weil ich von allen Dingen so wie so keine Ahnung hatte. Irgendwann platzte alles aus mir heraus und ich schmiss ihr ein Blechauto an den Kopf, es blutete ziemlich stark, die Wunde musste ärztlich versorgt werden. Von dieser Maßnahme hat sie heute noch ein Andenken, in Form einer Narbe.
Mit meinem Freund Rolf Kansy ging ich des Öfteren ins Kino um Westernfilme zu sehen. Ein Kino in Wilhelmshaven bot diese Filme für 50 Pfennig pro Vorstellung an, leider musste man dafür an das andere Ende der Stadt. Angesagt waren die vielen Fuzzifilme, zweitklassige Western, eben Abenteuer mit Romantik. Wir beide lasen gerne Westernromane, die wir gebraucht von Herrn Stramka, wohnhaft in unserem Wohnblock, unter unserer Wohnung, erhielten.
Herr und Frau Stramka hatten keine Kinder, aber einen Rehpinscher, verkehrten sehr freundschaftlich mit meinen Eltern, wovon ich gerne profitierte. Stramkas besaßen einen Fernsehapparat, bei Fußballländerspielen durften mein Vater und ich mitgucken. Tolle Sache. Außerdem suchte Herr Stramka jedes Mal in seinem Schrank die bereits gelesenen Westernromane zusammen, welche er mir dann vermachte. Ihr Hund, ein Rehpinscher, lief gerne zu meiner Mutter die Treppen hinauf, sie brauchte nur zu rufen. Er holte sich bei ihr bestimmte Leckereien ab. Die Treppe hinunter musste er getragen werden, ob er Angst hatte, zu faul war oder sonstige Hundeausreden von sich gab, ich weiß es nicht. Er stand jedenfalls oben an der Treppe und heulte, ich glaube der Ausdruck: er heulte wie ein Schlosshund wäre sehr treffend gewesen.
Die anderen Hausbewohner hießen Knobloch. Herr Knobloch wollte mich andauernd „aufklären“. Er nutzte jede Gelegenheit, mal mit einem anatomischen Buch, mal mit Bildern. Voraus gegangen war die Diskussion mit meinen Eltern, die es nicht schafften, meine „Aufklärung“ zu forcieren, sie meinten immer, ich wäre noch nicht so weit, jemand, der noch mit Autos spielt, könnte den Ernst der Angelegenheit noch nicht begreifen. Meine Schwester mischte sich in solche Gespräche gerne ein, was gingen die mir auf den Nerv.
Nach einiger Zeit ließ man mich in Ruhe, zu mindest was das Thema Aufklärung betraf.
Wir aßen gerne Hefeklöße mit selbstgepflückten Blaubeeren. In den Wäldern um Jever, nahe einem Starfighterflugplatz wuchsen herrliche Blaubeerbüschchen, die Beeren musste man sich nur noch holen. Ein Arbeitskollege meines Vaters besaß ein Fahrzeug um dahin zu kommen. Tolle Sache, jeder schaffte es, ca. eine Milchkanne voll Beeren zu pflücken. Mein Vater fand nebenbei noch ein paar essbare Pilze, meinte er, wir leben noch heute.
Der Kohlenhändler lieferte Kohlen, einige Zentner Brikett und einige Zentner Eierkohlen. Die Eierkohlen rutschen durch die Schütte im Kellerfenster in den Keller, die Briketts brachte der Kohlenmann im Sack bis in den Keller, dort mussten sie nur noch gestapelt werden. Wer durfte die Briketts stapeln? Na klar ich. Meine Schwester hatte Rückenschmerzen oder ähnliches, und außerdem wäre das Männerarbeit. Ich dachte nur, warte ab, bis ich zur Frauenarbeit verdonnert werde.
Die Kohlen stapelten in Reih und Glied, ich sah aus, wie eine Kohle und ging zum waschen ins Badezimmer. Da hörte ich, wie meine holde Schwester rief, sie könne nicht abtrocknen, sie müsse mit Gunda noch lernen. Ich trocknete mich ganz leise ab, und verkrümelte mich in meiner Klokammer eine halbe Etage höher.
Rollschuhfahren gehörte zu einem Teil der Freizeitvergnügen. Überall bestanden die Fußgängerwege aus Gehsteigplatten, so dass ein Fahren in der Kolonne bis zum Bahnhofsvorplatz und dem Fußgängerbereich vor dem Kaufhaus Karstatt möglich war. Sehr zum Ärger mancher Fußgänger, die sich bei unserem Hin- und Hergerase sich nicht mehr sicher fühlten. Klar, je sicherer man sich beim Fahren fühlte, je mehr riskierte man. Die Polizei sah nicht gerne, wenn ein Rollschuhfahrer sich an einem Auto festhielt und sich ziehen ließ, ein gefährliches Unterfangen.
Was im Sommer das Rollschuhfahren bedeutete, gehörte im Winter das Schlittschuhfahren auf dem Stadtteich zu einem Muss. Wir warteten schon auf den etwas strengeren Frost, damit das Eis auch hielt und sicher ein Eishockeyspiel aushielt. Eine Ecke des Teiches hielt man den Enten frei als eisfreien Bereich. Aber wie es so kommt, unser Ball trudelte in diesen kleinen Gefahrenbereich, ich versuchte ihn auf zu halten, und fuhr in das Wasserloch. 10 Grat minus, weiter Weg nach Hause, die Klamotten froren unterwegs. Was war mir kalt. Zu Hause raus aus den steif gefrorenen Sachen, eine heiße Tasse Tee, im Bett aufwärmen.
Einmal fuhren Rolf und ich nach Hookssiel, ca. 12 Km die Küste entlang, zu den Verwandten von Rolf. Wir bekamen viel Apfelstreuselkuchen und Kakao zu essen und zu trinken. Anschließend durften wir vor Ort ins Kino. Dazu nahm jeder Besucher seinen eigenen Stuhl mit. Eintritt für Kinder 10 Pfennig, ein Heimatfilm aus den Bergen.
Auf der Rücktour fuhren wir an dem sehr hohen Zaun des FKK-Strandes von Hookssiel vorbei. Ehrensache, um da einmal an zu halten und die Fahrräder an den Zaun zu stellen, auf das Rad klettern und über den Zaun zu gucken. So etwas sah man natürlich nicht alle Tage. Ein lautes „ He, was macht ihr den da“? beendete unseren Anschauungsunterricht, Abbruch und kleinlauter Rückzug war angesagt.
Viel meiner Freizeit verbrachte ich am Nassauhafen, mit seinen Zubringerschiffen zum Ölhafen, Krabbenfischer und Segelbooten. Der Schiffsanleger bestand aus einem Ponton, also schwimmend, passt sich dem unterschiedlichen Wasserstand an, verursacht durch den sechsstündlichen Wechsel zwischen Ebbe und Flut. Am Ponton befestigt, führte eine lange Brücke zum Ufer. Angetan hatte es mir die Courier, ein 70 Tonnenschiff, welches zum Transport von Proviant für die Tanker, Arzt oder Lotse, oder Mitnahme von Seeleuten genutzt wurde. Mit dem Kapitän, Herrn Fred Eilts, freundete ich mich an. Ich durfte dann so oft ich Zeit hatte, viele Touren der Courier mitmachen. Ab und zu fuhr auch mal mein Vater mit.
Die Courier
Die Liebe zur weiten See hatte ich hier entdeckt. Die vielen Erlebnisse mit Herrn Eilts und der Courier beeinflusste mein Denken. Ich wäre gerne Seemann, bzw. Kapitän geworden, dass das Schicksal es anders drehte, ist mir viele Jahre später erst in den Sinn gekommen. Irgendwann zieht jeder einmal eine Zwischenbilanz und denkt über sich und sein Leben nach.
Eine gewaltige Sturmflut überrollte 1962 die gesamte Nordseeküste, viele Deichbrüche, zerstörte Häuser und 340 Tote waren zu beklagen. Schlimm hatte es Hamburg erwischt.
Nicht weit von unseren Wohngebieten brach ein Deich und der gesamte Seglerhafen mit allen Schiffen und Gebäuden spülte weit ins Land. Viele Weidetiere verendeten. Wir hatten Glück, dass das Wasser nicht über unserem Deichabschnitt lief, man sprach von einem halben Meter unterhalb der Deichkrone, und das bei 3Meter unter NN.
Die enormen Stürme verursachten auch Probleme in der Schifffahrt. Einige Schiffe gerieten in Seenot, der Seenotrettungskreuzer lief im Dauereinsatz immer wieder aus. Ein Küstenfrachter trieb führerlos vor der Vogelinsel Mellum. Die Besatzung, der Kapitän, gleichzeitig der Schiffseigner, mit Frau und kleinem Kind spülten über Bord. Die Frau konnte nach vielen Stunden, hilflos in der Nordsee treibend, stark unterkühlt, gerettet werden. Das kleine Kind hatte sie auf ihrem Rücken festgeschnallt, lebte nicht mehr. Ihr Mann, der Kapitän trieb ein paar Tage später bei uns am Südstrand tot im Wasser, es war kein schöner Anblick…..
Der Winter im Jahr 1962 / 63 brachte der Küste viel Packeis, die Fahrrinnen der Schiffe mussten ständig mit Hilfe von Eisbrechern freigehalten werden. Packeis bei Ebbe läd wunderbar zum Spielen ein. Die riesigen Eisplatten ächzten und stöhnten, wenn sie aneinander rieben. Man konnte auf den aufgetürmten Eisplatten klettern, auf andere Platten springen, aber aufpassen, dass man nicht in die Freiräume zwischen die Eisschollen fiel. Und genau so passierte es, einer meiner Freunde rutschte in ein schneebedecktes Loch zwischen zwei riesigen Eisschollen und schaffte es nicht alleine, da wieder heraus zu klettern. Wir merkten, dass sich die Schollen bewegten, die Flut setzte ein. Es war Eile geboten. Zu dritt versuchten wir, ihn aus seinem kalten Gefängnis zu befreien. Nach verschiedenen Versuchen klappte es, das sich immer mehr bewegende Eis half dabei sogar mit.
Um diese für mich interessanten Zeiten abzuarbeiten, möchte ich zunächst von meinen Erlebnissen meiner Schulzeit des Humbodt -Gymnasiums erzählen, und anschließend von und um die Courier berichten.
Meine Schulklasse bestand aus 24 Schülern, 23 Jungen und ein Mädchen mit Vornamen Evelyn, ein Zwilling eines Schülers, zwei Fußballmannschaften, A- und B-Mannschaft, eine Handballmannschaft. Sport spielte bei den Schülern unserer Klasse eine große Rolle. Dies erkannte auch unserer Deutsch- und Sportlehrer, Herr Haase. Er förderte die Klasse entsprechend, aufgeteilt in Leichtathletik, Geräteturnen und Ballsport. Organisierte Fußballspiele gegen andere Schulen, ein Handballturnier, Vergleiche in der Leichtathletik als richtige Sportfeste im Stadion.
Klassenfahrten nach Wangerooge, Norderney, Eldagsen im Deister sollten als sehr gute Schulfreizeiten erwähnt werden.
Als Nachteile bemerke ich die vielen Hausaufgaben, auswendig lernen von Geschichtszahlen und Gedichten, hin und wieder ein Theaterstück spielen und Musikunterricht.
Positiv fällt mir der gute Klassenzusammenhalt ein, keiner wurde ausgeschlossen. Petzen war verpöhnt, wenn ja, Klassenkeile. Bei Schwierigkeiten zu Klassenfremden gab es immer Hilfe. Dummheiten machten alle zusammen oder keiner, entsprechend nahm die gesamte Klasse die mögliche Strafe an.
Mein neuer Schulfreund im Gymnasium hieß Werner Wolter, Weserstr. 31 in Wilhelmshaven. Da wir beide im selben Bereich wohnten, fuhren wir jeweils morgens und mittags zur und von der Schule mit dem Fahrrad. Schon mal machten wir einen Umweg in Richtung Ölhafen und kamen an einer Weide mit Shetlandponys vorbei. Ein paar Mohrrüben, etwas Zucker lockte die Tiere an den Zaun. Eines Tages entdeckten wir die Fohlen und achteten nicht so auf die nervösen Stuten. Werner wagte sich etwas zu weit vor und „zack“, ein Biss in Richtung Werners Bauch tat sein Übriges. Die eine Stute hatte ihm doch tatsächlich in den Bauch gebissen. Seit dieser Zeit respektierte er diese doch lieben Tierchen.
Ich besaß ein altes Fahrrad mit schmalen Felgen und einer Fünfgang-Kettenschaltung, die schon mal funktionierte. Es war Mittagszeit, die Schule beendet, schönes Wetter, ich fuhr auf dem Fahrradweg nach Hause. Ein Auto kam von rechts aus einer Einfahrt, übersah mich, ich konnte nicht mehr bremsen, und fuhr gegen das linke hintere Rad des Fahrzeugs. Ich stürzte, meine Hose zerriss, mein Knie blutete, mein Fahrrad war total verbogen. Ein Mann mittleren Alters stieg aus, besah sich die Bescherung und fing an wie ein Rohrspatz zu schimpfen. Es ist schon bald unglaublich, wie schnell sich die neugierigen Leute einfanden und dumme Bemerkungen machten. Aber ein älterer Herr half mir. Er gab mir zu verstehen Arzt zu sein und schaute sich mein Knie an und befand es als ok. Dann schrieb er sich das Autokennzeichen auf, beauftragte einen der Zuschauer die Polizei zu rufen, und alles nahm seinen Lauf.
Aus dieser Angelegenheit erhielt ich ein neues Fahrrad Marke Hercules und eine neue Hose.
Der Vater von Werner Wolter, ständiger Schlipsträger, Abteilungsleiter bei Karstatt, brachte uns bei, einen Schlips zu binden. Es musste der doppelte Knoten sein, weil diese Art zu binden, zurzeit die Mode beeinflusste. So standen wir beide vor einem großen Spiegel und probierten so lange, bis Herr Wolter sein wohlwollendes Einverstanden gab.
Er gab uns auch zu verstehen, dass man ein Fahrrad auch mal zwischendurch putzen sollte, das wäre die Visitenkarte des Fahrers. Also fingen wir an, auf dem Hinterhof bei Wolters unser Fahrrad zu wienern bis es glänzte. Mein neues Fahrrad stach dann ohne Rostflecke aus allen heraus. Kurz darauf bekam Werner ein neues Fahrrad…..
In meinen Osterferien besuchte ich meine Patentante Berta Riepe und Ehemann Hermann Riepe, von Beruf Förster, wohnhaft im Forsthaus „Schlagpfütze“, in der Nähe von Marburg. Die beiden hatte drei Söhne, einiges älter als ich. Aber mit dem Jüngsten fuhr ich das ein oder andere Mal in Richtung Marburg zu einer dort wohl bekannten Kneipe mit einer Musikbox. Hier verbrachten sehr viele junge Leute ihre Freizeit, tranken und tanzten, hatten ganz einfach Spaß. Ich fühlte mich in dieser etwas illustrierten Gesellschaft recht wohl und hatte das Gefühl, nicht einfach ein Klotz am Bein zu sein. Selbstverständlich trank ich auch das ein oder andere Bier, rauchte hustend die eine oder andere Zigarette, obwohl ich beides überhaupt nicht gewöhnt war. Die Rückfahrt zur „Schlagpfütze“ bekam ich schon gar nicht mehr richtig mit, im Forsthaus sehnte ich mich nach meinem Bett. Aber kaum gelegen, drehte sich meine Umgebung, was war mir schlecht. Ich gelobte Besserung, und das ich dieses Getränk nie wieder zu mir nehmen würde. Zwei Tage später schauten wir wieder in dieser Gaststätte vorbei…..
Der Biologielehrer des Humbodt-Gymnasiums präparierte tote Tiere. Wenn ein Seehund, ein Wal, ein Hai oder sonstiges interessantes Getier angeschwemmt, auf der Weide lag, vom Auto überfahren, herumlag, ein Anruf genügte, er stand vor Ort, eine Tasche voller Instrumente, auch schweres Gerät im Kofferraum seines Fahrzeugs und nahm die Viecherei auseinander. So weit so gut. Die Lehrer der Schule begnügten sich nicht, diese „tote Tierhandlung“ zu akzeptieren, nein sie drohten mit der sozialen Strafe bei Missachtung bestimmter Regeln, diesem Beseitiger stummer Zeitgenossen am Nachmittag zu helfen. Wer diesen Gestank in den heiligen Tierbeseitigungsräumen einmal mitgemacht hat, der macht freiwillig Dienst in einen Zoo, oder Fischhandlung, oder Bauernhof……..
Geschichte ist ein Schulfach, welches nur Schüler mögen, die sich ernsthaft für Geschichtszahlen, die dazu gehörenden Ereignisse und Personen interessieren. Stures Auswendiglernen mochte eigentlich keiner, also wurden die hierzu nötigen Hausaufgaben gerne vergessen. Der Geschichtslehrer war ein sehr kleiner Mann, vielleicht 160cm Kleinigkeit, ein giftiger, stets aufbrausender, schnell erregbarer Zeitgenosse. Die meisten seiner Schüler überragten ihn um einiges, was ihn dazu ermutigte, besonders streng zu wirken. Für ihn gehörten die Geschichtszahlen und die nötigen Erklärungen zu den abfragungswürdigsten Vorkommnissen im Unterricht. Bevor der eigentliche Unterricht begann, fragte er willkürlich in der Klasse nach, man wusste also nicht, ob man an der Reihe war. Er rief zum Beispiel einen Namen in Richtung Fenster, obwohl der Schüler hinter ihm saß, drehte sich dann blitzschnell um, und zeigte mit dem Finger und dem ausgestreckten Arm auf den Betreffenden. Ein grotesker Anblick, er sah dann aus wie ein Schutzmann, der den Verkehr regelte. Fing der Schüler an zu stottern, oder konnte nicht, wie aus der Pistole geschossen, die Geschichtszahl erklären, baute er sich vor demjenigen auf, die Hände in den Hüften verschränkt, nach oben blickend, funkelnder Blick, tief Luft geholt, dann kam:
Du Urwaldheini, du Waldheini, die Zahlen von….. bis …. Dreimal abschreiben und nächstes Mal ohne große Aufforderung aufsagen. Sechs, setzen.
Damit gehörte dieser Tempramentsausbruch der Vergangenheit an. Die Strafarbeit schrieb er sich meistens nicht auf. Aber wenn er es doch tat, dann war es besser, nicht anwesend zu sein.
Unser Musiklehrer hieß Herr Priske. Ein etwas älterer Lehrer mit sehr wenig Humor, eirigem, wenig behaartem Kopf, wenn er sich aufregte, zischte er stimmlich und hatte eine sehr feuchte Aussprache. Disharmonien im Gesang konnte er nicht leiden, präzise Tonfolgen schätzte er sehr. Leider gehörte unsere Schulklasse nicht zu den begabtesten Sängern und Liebhabern deutschen Liedguts. So kam es immer wieder zu gewollten Unterrichtsunterbrechungen, um die Musikstunde, für unsere Begriffe, harmonischer zu gestalten. Einer passte an der Tür auf, ob der Lehrer kommt, andere ließen die Musikbücher im Flügel verschwinden. Komplettiert wurde dies noch durch einen langen Draht auf den Seiten des Flügels.
Er kam forschen Schrittes ins Musikzimmer. Moin…. Setzt euch, Musikbücher hervor, Seite… keiner bewegt sich. Wie immer klimpert er kurz auf seinem Flügel….. es war ein knarrendes Geräusch zu hören. Langsam begriff Herr Priske, dass etwas nicht stimmte. Sein Gesicht schwoll rot an, eine dicke Ader zeigte sich auf seiner Glatze, der Adamsapfel gluckerte rauf und runter. Er hob den Deckel des Flügels hoch, sah die Bücher und bekam fast einen Tobsuchtsanfall. Die Stimme zischte, seine Aussprache konnte der feuchten Gewalten nicht mehr Herr werden.
Er zeigte nur auf die Bücher und bedeutete sie heraus zu nehmen. Es geschah, wie er es verlangte. Mühsam beherrschte er sich. Noch einmal Seite ……, er versuchte an zu spielen, diesmal ein kratzendes Geräusch. Stille….. er stand auf, verließ das Musikzimmer und kam ein paar Minuten später mit dem Direktor wieder.
Natürlich gab es viel Ärger. Die gesamte Klasse nahm die Strafe an.
Klassenfahrt im Jahr 1963 zur Insel Wangerooge im Wattenmeer. Wir wohnten dort im Schullandheim Rüstringen, eine Herberge mit etlicher Tradition. Die Überfahrt von Norddeich zum Schiffsanleger auf Wangerooge, weiter ging es mit der äußerst langsamen Inselbahn bis zum Bahnhof Wangerooge, mitten im Ort. In den Waggons lasen wir ein großes Schild: Blumenpflücken verboten. Darunter stand: Es ist verboten, während der Fahrt im vorderen Waggon aus zu steigen, Blumen zu pflücken und im hinteren Waggon wieder ein zu steigen. Die Zuwiderhandlung geschieht auf eigene Gefahr und wird laut §…… Ein Pferdekarren transportierte unser Gepäck für 14 Tage Aufenthalt. Wir gingen bis zum Landheim zu Fuß.
Unsere Schlafplätze befanden sich in einem großen Schlafsaal, daneben der Essraum oder auch Schulungs-Aufenthaltsraum, dahinter die Küche mit verschiedenen Arbeitstischen für die Geschirrablage, Kartoffelschälplätze, Spül- und Abtrockenplätze. In einem Nebengebäude waren die Duschen und die Toiletten untergebracht.
Zwischen den Gebäuden bestanden Möglichkeiten für Federball, Tischtennis, weiter ab ein kleiner Bolzplatz, alles in Allem ein guter Platz um Sonderferien zu machen. Das bisschen Unterricht am Vormittag betrachteten die Lehrer auch nur als Alibi, bzw. es wurde über die Inselbiologie gesprochen. Eine schon mal interessante Form des Aufpassens. Unsere einzige Pflicht war organisierter Küchendienst, mit Geschirrspülen, Abtrocknen und Kartoffelschälen, Müll entsorgen, Revier reinigen, wie beim Militär. Hörte sich schlimmer an, als es war, die Optik musste stimmen, nur nicht auffallen.
Zelten auf der Insel Langeoog, zwei Inseln weiter als Wangerooge, sollte das Ziel sein mit Winfried Knobloch, Nachbarssohn der Nahestr.5 in Wilhelmshaven. Er war ein paar Jahre älter als ich, fuhr einen Motorroller, welches uns bis nach Norddeich zum Schiff brachte, Überfahrt nach Langeoog, dann bis zur Jugendherberge der Insel, denn gleich daneben befand sich der Zeltplatz. Die Toiletten, den Duschraum und Mahlzeiten durften wir in der Herberge nutzen.
Wir bauten unser Hauszelt auf, etwas älteren Datums, Stockflecke und verbogene Zeltstangen, aber es erfüllte seinen Zweck, solange es nicht regnete. Danach suchte sich jeder seine „Gleichaltrigen“. Ich hatte nie Schwierigkeiten, Bekanntschaften zu machen. Die erste Woche verlief sehr harmonisch, schwimmen, Tischtennis, Fußball, ins Dorf gehen.
Dann fing es an zu regnen, nachts Gewitter, Sturm. Viele Zelte lagen bereits flach, die Leute flüchteten in die Jugendherberge. Nur Winfried und ich merkten erst sehr spät von dieser Wetterlage, bis der Schlafsack nass wurde und sich mehrere Eingänge am Zelt auftaten, die Zeltstangen winkelig wurden….. Wir fuhren am gleichen Tag noch nach Hause und ließen die Zeltreste stehen.
In den Sommerferien 1964 fuhr ich mit dem CVJM (christliche Vereinigung junger Männer), zu einem Zeltlager in der Rhön, unterhalb vom Kreuzberg, in Franken, nahe Coburg.
Wir schliefen in Zehnmannrundzelten, die Füße zur Mitte, auf Stroh im Schlafsack. Vor dem Eingang installierten wir einen Tassenbaum, ein großer Ast mit mindestens zehn Verzweigungen, zum Aufhängen unserer Tassen aus Blech.
Es gab ein Jungendorf und ein Mädchendorf. Jedes Zelt hielt mindestens einmal Nachtwache in den drei Wochen Aufenthalt, dazu mussten immer zwei Mann einen bestimmten Abschnitt bewachen. Aufregung gab es, als ein Mädchen wegen Heimweh`s nachts in den Wald lief.
Wir suchten mit Taschenlampen und vielen Rufen. Irgendwann gelang es sie auf zu spüren. Die Eltern des Mädchens kamen, um ihre Tochter ab zu holen.
Küchendienst, Revierdienst, also alltägliche Dinge mussten bei fast 300 Jugendlichen regelmäßig erledigt werden, eine gewisse Ordnung war wichtig.
Die Freizeitangebote waren vielseitig. Fußball, Schnitzeljagden, Ausflüge nach Coburg mit Burgbesichtigung, und natürlich auf den naheliegenden Kreuzberg mit seiner Klosterbrauerei. Mit 13 Jahren probiert man auch schon mal die leichten bayrischen Biersorten, die in tönernen Maßkrügen, ob einhalb Liter oder ein Liter, von Mönchen mit braunen Kutten serviert wurden. Wir liebten die Halbliter-Krüge, die konnte man am besten mitgehen lassen. Aber die Mönche passten auf. Ein noch halbwegs junger Mönch wollte gewisse Missetaten verhindern und versuchte durch hinterher Rennen das Eigentum des Klosters zu schützen. Der Mönch lief schnell auf seinen Jesuslatschen, wir waren schneller, denn über Gesteinsgeröll mit offenen Latschen zu rennen fördert nicht das Aussehen der Füße. Schade, ein Krug zerbrach unterwegs, einen konnte ich retten und habe ihn immer noch als Andenken.
Der Herbst des Jahres neigte sich dem Ende zu, morgens gab es schon mal Raureif auf den Straßen, so auch an diesem Morgen, als wir mit dem Fahrrad zur Schule fuhren, Rheinstrasse Ecke Göthestraße in Höhe der Litfasssäule, stürzte ich in der Rechtskurve und brach mir das rechte Schlüsselbein. Ich fuhr noch in die Schule, bin dann aber früher nach Hause um einen Arzt auf zu suchen. Unser Hausarzt, Dr.Pohlmann, fast 82 Jahre alt, meinte, es wäre nur angebrochen. Er verpackte den Arm in eine schwarze Schlinge, sagte ruhig halten, fertig war die Behandlung. Später stellte sich ein glatter Bruch heraus, nachdem die beiden Bruchstellen nebeneinander gewachsen waren.
Die Kaiser-Wilhelm-Brücke ist das heimliche Wahrzeichen der Stadt Wilhelmshaven. Dreh – und Angelpunkt der Schifffahrt, Schicksalsort verschiedener Lebensunschlüssigen, Badesprungturm für Mutige. In der Mitte, Vom Geländer gemessen, beträgt die Höhe dreizehn Meter. Ich selbst bin zwei Mal per Fußsprung von der Brücke in den Kanal gesprungen, tolle Sache, aber hinterher schmerzten die Füße vom Wasseraufprall. Dieses Herunterspringen wurde öffentlich verboten, die Polizei schickte verstärkt Streifen.
Die Drehbrücke zu beobachten, war ein interessantes Schauspiel, wenn die großen Schiffe die Brücke passierten. Ich verbrachte hier an der Kaimauer viel Zeit, um Schiffe zu beobachten, Kohlezeichnungen in vielen Variationen her zu stellen. Hier konnte man von der Seemannschaft, Schiffen und ferner Ländern träumen. Kein pflichtbewusster Ruf, du musst dies oder das, hier war man für sich, keine sonstige Unterbrechung.
Unterhalb der Brücke, in einem alten Hafenbecken, befand sich ein alter verrosteter Frachter, lose Schiffsplanken, tief unten im Schiff gurgelte das Bilgewasser. Hier konnte man wunderbar ungestört angeln, ohne entdeckt zu werden. Grundangel für Aale und Schollen, Angel mit mehreren Haken für die Heringsschwärme, wenn die große Schleuse sich öffnete.
Ab und zu gab es zu Hause selbst geangelten Fisch….. Hier war auch der Platz, wo wir unser Floß bauten. Überall lagen alte Plastikfässer herum, alte Schiffsleinen, ausgediente Bretter, altes Segeltuch. Dies vernünftig zusammengebaut, ergab ein prima Floß. In diesem Seitenbecken des Hafens verirrte sich selten ein Schiff, schon mal die Wasserschutzpolizei, aber als sie sahen, dass alles recht harmlos von Statten ging, ließen sie Gnade vor Recht ergehen, mit der Belehrung, nicht mit unserem Gefährt in den Kanal zu fahren.
Hier in der Nähe legte eine alter, sehr knorriger Fischer seine Aalreusen aus. Natürlich fanden wir Jungens es spannend, ab und zu nachzuschauen, ob sich ein Aal in diesen länglichen Körben verirrte. Wir waren gerade dabei, eine der Reusen auf unser Floß zu hiefen, als der alte Fischer mit seinem Ruderboot um den alten Frachter herumruderte, und uns in flaganti erwischte. So schnell konnten wir gar nicht denken, wie schnell die äußerst schwielige Hand des alten Fischers uns um die Ohren sauste. Aber danach sagte er nur: "Ihr hättet mich fragen sollen." Danach war für ihn die Angelegenheit beendet. In der darauf folgenden Zeit zeigte er uns viele Kniffe und Möglichkeiten, wie man eine Angel baut, richtig angelt, oder eine Fischfalle selber herstellt.
Probefahrt mit einem selbstgebauten Kajak war angesagt. Es sollte für zwei Mann gebaut sein, schaffte mit viel Augenzwinkern gerade mal eine Person. Zur Austarierung der Schlagseite musste rechts ein Stein mittlerer Größe untergebracht werden. Bei der ersten Fahrt im Kanal lief das Boot voll, ein Riss in der Außenhaut des Bootes verursachte das Dilemma. Die zweite Fahrt war ein Erfolg. Der Gartennachbar von Werner Wolters Eltern, Herr Tätsch, baute das Boot aus Resten von Theaterkulissen, er arbeitete dort als Kulissenschieber und Schreiner. Für sich zimmerte er ein Motorboot, selbst seine Gartenlaube bestand aus Kulissen, ich glaube vom Theaterstück: die Jungfrau von Chajeau.
Sein Lieblingssatz, wenn er etwas zu seiner Zufriedenheit erledigte, war:
Geleimt und genagelt, das hält wie Hund.
Oft fuhr ich mit dem Fahrrad zum Nassauhafen, um bei einer Fahrt Richtung Ölhafen und weiter dabei zu sein. Die meisten längeren Fahrten begannen in der Mittagszeit, um nach fünf bis sechs Stunden Fahrt vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Hafen zu sein. Für Ärzte und Lotsen, die zu den Tankern auf Reede wollten, war es wichtig im Hellen das Fallreep zu erklimmen. Bei rauer See konnte ein direktes Festmachen an einem riesigen Tanker sehr gefährlich werden. Doch diese Leute verstanden etwas von Ihrer Tätigkeit.
Wenn Herr Eilts, Kapitän der Courier, gerade nicht an Bord der Courier war, holte er sich in den Büroräumen des Jadedienstes seine Aufträge. Ich sah ihn dann von weitem mit seinem schaukelnden Seemannsgang, leicht gedrungen, braun gebranntem Gesicht, immer ein Lächeln, Pfeife rechts im Mund, seinem blauen Seemannspullover und seiner blauen Seemannsschirmmütze.
Er fragte nur: Hast Du Zeit? Es geht da….. oder da hin…
Zur Besatzung der Courier gehörte noch Hannes, ein junger Matrose, Bärenkräfte, lachte immer. Mit ihm verstand ich mich sehr gut. Weiterhin gab es da noch Piet Eilers, Alter undefinierbar, viele Runzeln im Gesicht er half ab und zu aus , falls ein Mann fehlte, ansonsten war er Kapitän der „Hanne“, ein Holzschiff, gebaut um 1900. Es hatte einen kleinen Frachtraum, daneben einen Aufenthaltsraum mit drei Schlafkojen, die immer klamm und feucht waren. Piet nahm mich auch schon mal mit auf Fahrten zum Ölhafen.
Zu erwähnen sind die 4 Makerboote, kleine Schlepper, die bei Eintreffen der Tanker die Schiffstrossen zu den Bugsierern bringen, die dann die Tanker an den entsprechenden Kai schleppten.
Wir warteten auf ein Lieferfahrzeug, das diverse Lebensmittel für den Tanker „Poliere“ mitbrachte, ein 48000 Tonnen - Schiff. Die speziell wasserdicht verpackten Kartons übernahm die Courier in seinem Frachtraum. Zwei Besatzungsmitglieder des Tankers beendeten ihren Landgang und fuhren mit.
Die Fahrt zum Ölhafen dauerte je nach Tide ca. eine Stunde. Wir machten direkt neben der „Poliere“, ein französischer Tanker, fest, und sofort übernahm ein Lastenkran hoch oben vom Schiff die Fracht. Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe zur Schiffsführung der Poliere den Postbeutel zu bringen. Ich kletterte das Fallreep hinauf und schaute ca. 15 Meter hinunter zur kleinen Courier, welch ein Unterschied. Ein Besatzungsmitglied des Tankers begleitete mich zum Kapitän und ersten Offizier. Unterwegs versuchte ich mit meinem Schulfranzösisch etwas zu glänzen, ich wurde zumindest verstanden. Die Begrüßung des Kapitäns war erst reserviert, das änderte sich, als ich etwas französisch sprach, seine Mimik hellte sich etwas auf. Auf dem Rückweg zum Fallreep wartete mein vorheriger Begleiter und drückte mir ein Päckchen in die Hand und gab zu verstehen, dass dies für mich und meine Familie wäre. Das Päckchen beinhaltete selbstgebackenes Brot vom Tanker, Schokolade, eine Dose mit fünfzig Zigaretten. Das Brot duftete und schmeckte sehr lecker……
Der alte Leuchtturm Mellumplate, der zwischen 1939 und 1942 erbaut wurde, sollte restauriert und im Lauf der nächsten Jahre technisch erweitert werden. Der alte Leuchtturmwärter ging in den wohlverdienten Ruhestand und sollte unter anderem abgeholt werden. Ein Anlegen an diesen Turm bedeutete für jeden Kapitän ein riskantes Manöver. Aus Sicherheitsgründen gelang das Anlegen besser mit kleineren Beibooten. Der Umbau sollte später mit einem Hubschrauberdeck abgeschlossen werden.
Der Leuchtturm steht in der südlichen Nordsee ( Deutsche Bucht ) in der Jademündung vor Wilhelmshaven und weist als Leitfeuer die von See kommenden Schiffe in die Jade. Die Stromversorgung regelt ein Seekabel, welches auch die Vogelinsel Mellum, die Radarstationen Hookssielplate und Hohe Weg versorgt.
Die Courier hatte den Auftrag Arbeiter, Material, Lebensmittel und Post zum Leuchtturm Mellumplate zu bringen. Ich durfte das Schiff bis zu einer bestimmten Bake im offenen Meer steuern, ein großartiges Gefühl von Vertrauensbeweis.
Das Ansteuern zum Leuchtturm erfolgte bei Ebbe, um mit dem Beiboot an die Verankerung des Turms zu gelangen. Piet Eilers und Hannes fuhren mit dem Beiboot und seinem Außenborder zum Leuchtturm, die Courier ließ für den Zeitraum den Anker fallen. Ein interessantes Schauspiel. Die bisherigen Arbeiter wurden nach einer bestimmten Zeit von den Kollegen mit einem kräftigem Hallo und lautstarker Begrüßung abgelöst. Es hallte ganz eigentümlich über das Wasser. Auf der Sandbank nahe der Vogelinsel hielten sich ein paar Seehunde auf, sie äugten neugierig herüber und ließen sich von diesem Treiben nicht stören.
Nach ca. zwei Stunden beendete Herr Eilts die Aktion. Sie hievten mit Hilfe des Ladebaums das Beiboot auf die Courier, und zurück ging die Fahrt zum Nassauhafen.
Die Courier brachte Mitarbeiter der Post nach Dangast, ein Seebad gegenüber von Wilhelmshaven am Jadebusen. Ihr Auftrag war die Verlegung eines neuen Seekabels im Jadebusen. Auf der Rücktour sollte der Leuchtturm Arngast im Jadebusen angefahren werden, um dem Leuchtturmwärter seine Bestellungen vorbei zu bringen. Bei Flut war der kleine Anleger am Turm auf der Sandbank gut zu erreichen. Der Zeitplan hierzu musste aber genau eingehalten werden, weil sonst auch Schiffe mit geringem Tiefgang auf der Sandbank festliefen.
Die Esso Deutschland lag auf Reede und wartete auf den Arzt und den Lotsen, der den Schleppern grünes Licht zum Bugsieren Richtung Ölterminals geben sollte. Die Fahrt ins offene Meer dauerte ungefähr zwei Stunden, Windstärke sechs bis sieben, erhöhter Wellengang. Wir mussten uns im Ruderhaus mit Lederschlaufen anschnallen, um nicht hinzufallen. Herr Eilts und Hannes grinsten über beide Backen, sie brummelten was von „endlich mal wieder was los“ oder so ähnlich. Der Arzt und der Lotse machten recht ausdruckslose Gesichter. Aber als wir uns dem riesigen Schiff bei dem Seegang näherten, war höchste Anspannung und Konzentration verlangt, um auf die Plattform des Fallreeps zu springen.
Esso Deutschland, 376 Meter lang, 69 Meter breit, Aufbauten wie ein Hochhaus, 20 Stockwerke, Ladung ca. 150000 Ltr. Öl, konnte mehr laden, die Fahrrinne musste noch vertieft werden.
Die Deutschland lag so auf Reede, dass wir durch das Riesenschiff gegen den Wind und den Seegang geschützt an der Plattform des Fallreeps festmachen konnten. Hannes schlang einen Tampen um die Poller und hielt die Courier mit seiner Kraft für einen Moment recht still. Darauf hatten die beiden Herren nur gewartet, sprangen recht leichtfüßig auf die Plattform und konnten sich an den Haltegriffen des Geländers festhalten. Ein spannender Moment. Sie gingen ohne große Hast die über zwanzig Meter nach oben. Man erwartete sie bereits. In der Zwischenzeit kochte Hannes einen starken Tee, der mehr als lecker schmeckte. Nach ca. 1 Stunde kam der Arzt zurück und der Lotse nahm seine Arbeit auf. Die Schiffssirene verabschiedete die Courier.
Der Nassauhafen beheimatete auch einige Krabbenfischer, mit denen ich mich im Laufe der Zeit anfreundete. Sie gaben mir zu spüren, dass ich zur großen Familie des Hafens gehörte. Dass ich noch ein Schuljunge war, störte sie nicht. Deren Söhne, manchmal auch Töchter, fuhren in den Ferien mit den Vätern zum Fischen. Schnell sprach sich herum, dass ich gerne Granat aß, so manche Tüte mit diesen herrlichen geräucherten Tierchen schenkte man mir, um dann puhlend am Deich zu sitzen und den Tag genießen. Herr Eilts bestellte sich regelmäßig seine Schollen, gebraten mit viel Zwiebeln und Bratkartoffeln, Piet Eilers von der Hanne aß am liebsten Aal, Hannes war da nicht so wählerisch. Es herrschte ein rauer aber herzlicher Ton, es wurde gesungen, gelacht und auf einfache Art musiziert.
Konfirmation
Vor meiner Konfirmation mit fünfzehn Jahren nahm ich das heilige Vergnügen in Kauf, zwei Jahre lang zum Konfirmandenunterricht zu gehen. Bibel- und Liedtexte sowie Gebete mussten für so ein wichtiges Lebensevent gelernt und verstanden werden. Ein schwieriges Unterfangen für den Pfarrer, wenn er die Gewähr hätte, dass seine Schäfchen die gleichen Interessen hegten, wie ein Pfarrer. Sein Name war Christmann, für einen Schäfchenjäger der richtige Name. Zu seinem Steckenpferd gehörte der sonntägliche Jugendgottesdienst morgens um 9.00 Uhr und ein Kontrollsystem mit Stempel, um sicher zu gehen, dass die Konfirmanden den Kirchgang auch ernst nahmen. Ein Stempel auf den Handrücken besiegelte das Alibi des Vorort-Sein. Abwechselnd gingen ein oder zwei unserer Kollegen in die Kirche, ließen sich den Stempel extra dick auftragen, andere kamen mit einem noch warmen gekochten Ei und stempelten den Aufdruck von der Hand auf unsere Hand. Das Ei ersetzte den Stempel. Genial, dachten wir. Der Pfarrer merkte erst viel später, dass seine Schäfchen in so geringer Zahl anwesend waren, als er für seinen Kollegen Vertretung des Jugendgottesdienstes machte. Er hielt uns einen langen Vortrag wegen Vertrauensmissbrauch ……..
Einmal hatte irgendjemand den Pfarrer in dem Pfarrraum neben der Kirche eingeschlossen, der Gottesdienst begann, kein Pfarrer zu sehen. Der Organist beauftragte mich und Werner Wolter nach dem Pfarrer zu schauen. In den Pfarräumen kannten wir uns gut aus, hörten auch das Klopfen des Pfarrers. Aber unser Interesse galt dem Krug mit dem Wein für das Abendmahl. Zur Stärkung konnte ein guter Schluck nicht schaden. Wir nahmen beide einen sehr tiefen Schluck, so dass die Hälfte des Weines mit Wasser ergänzt werden musste, um nicht auf zu fallen. So geschah es. Wir ließen den Pfarrer frei, Werner stand noch hinter der Tür, eine Hand griff um die Tür und Werner fing sich eine Watsche.
Der Gottesdienst begann mit Verspätung, die Zeit des Abendmahles brach an. Wir als Konfirmanden durften noch an keinem Abendmahl teilnehmen, sondern nur zusehen. Die üblichen Oblaten fanden ihre Runde, gefolgt von dem Krug mit dem Wein, der nach jedem Schluck mit Hilfe eines Tuches gesäubert wurde.
Die passionierten Weintrinker verzogen wegen der erheblichen Geschmacksdifferenzen das Gesicht. Der Pfarrer schaute drohend zu uns herüber, da braute sich etwas zusammen…..
Der Konfirmationstermin rückte näher, eine sogenannte „ Prüfung „ vor der versammelten Gemeinde musste abgelegt werden. Jeder von uns Anwärtern sagte einen Bibelspruch, ein Liedtext oder ähnliches auf und konnte auf die Zufriedenheit des Pfarrers setzen. Bei Liedertexten wurde erst der Text durch den angehenden Konfirmanden auswendig vorgesagt, die Gemeinde sang das Lied mit dem gesagten Text nach. Gut, dass meine Oma mir das Dichten beigebracht hatte. In dem von mir vor zu tragendem Text kam die Passage von heiligen Glocken vor, ich hatte heiliger Bimbam aufgesagt. Einige in der Gemeinde sangen das so, wie ich es sagte, leichtes Durcheinander. Die bösen Blicke des Pfarrers deuteten wieder nichts Gutes …..
Zur Konfirmation erhielt ich viele Geldgeschenke, so dass ich mir meinen Hauptwunsch, ein vierspuriges Tonbandgerät, leisten konnte. Mein ganzer Stolz. Nun sollte meinem eigenen Musikverständnis keine Grenzen mehr gesetzt werden. Ich durfte nun hören, was ich wollte!
Es war die Zeit der Beatles mit der Single Help, und der Rückseite I`m down. Diese Beatle- Schallplatte gehörte meiner Schwester Marianne, die allerdings zu der Zeit mit ihrer Freundin Gunda auf einem Klassiktripp zu finden war, sie hörte gerne Enrico Caruso und schlimmeres. Ich spielte Help und I`m down rauf und runter, zum Entsetzen meines Vaters, der diese „Negermusik“ hasste, er war mehr auf den Gefangenenchor von Nabuco geeicht.
Ich kaufte mir ein großes gebrauchtes Röhrenradio mit UKW-Empfang, um die vielen Musiksendungen mitzuschneiden. Mittlerweile besaßen Freunde von mir auch ein Tonbandgerät, so dass die Musikstücke getauscht werden konnten.
Um abends im Bett leise Musik zu hören, baute ich mir einen Decoder, ein Gerät mit einer Diode, einer Spule mit Kupferdraht, einem Drehkondensator, dies in einem Holzkasten installiert, auf der einen Seite Buchsen zur Erdung und Antenne, auf der anderen Seite Buchsen für Kopfhörer. Die Kopfhörer erhielt ich von meinem Englischnachhilfelehrer, der noch alte Armeekopfhörer besaß.
Es funktionierte, ich hörte klar und deutlich fünf verschiedene Sender, wie AFN und BBC, NDR, Radio Luxemburg und einen holländischen Sender.
Von da an nahm mein Bastelfleiß und Einfaltsreichtum immer neue Formen an. Alte Lautsprecher aus Radios wurden für Lautsprecherboxen gebraucht. Der alte Schrotthändler half mir bei vielen Beschaffungen.
Winfried Knobloch, aus der Nachbarschaft, zeigte mir, wie man eine Lichtorgel baut. Ein Freund von ihm arbeitete als Elektrolehrling in einer Werkstatt, er besorgte diverse Teile. Es konnte richtig losgehen, Musik vom Tonbandgerät, dazu das flimmerndes Licht, einfach genial.
Mein Vater verlor seine Arbeit bei KSW, die Firma machte die Tore dicht. Viele Textilfirmen in Norddeutschland erlitten das gleiche Schicksal. Für meinen Vater begann eine sehr schlimme Zeit, zumal vergleichbare Tätigkeiten so gut wie nicht vorhanden waren. Er meldete sich arbeitslos, dadurch verschlimmerte sich die finanzielle Situation der Familie.
Nebenbei reparierte er defekte Webstühle in kleinen Familienbetrieben und kam sich nicht ganz nutzlos vor.
Meine Mutter fand eine Tätigkeit in einem Lampengeschäft in der Rheinstrasse. Sie verkaufte Lampen und das nötige Zubehör, weiterhin half sie in der geschäftseigenen Werkstatt aus, reparierte und stellte Lampenschirme her. Dadurch konnte sie mit ihrem Verdienst die Familienkasse aufbessern. Mein Vater fand eine unterbezahlte Stellung als Stoffprüfer in der Bekleidungsfirma BAWI in Wilhelmshaven. Er fühlte sich da nicht wohl, schickte viele Bewerbungsschreiben los, fand eine Anstellung in Berlin und mietete dort ein möbeliertes Zimmer. Sein Aufenthalt in Berlin endete nach sechs Monaten. In einer Tuchfabrik in Wipperfürth/ Nordrhein-Westfalen konnte er seiner gelernten Tätigkeit als Weber nachgehen. Er mietete sich bei zwei älteren ledigen Damen mit Namen Neuhoff ein und wohnte dort ca. ein Jahr. Die beiden Schwestern waren späte Mädchen und waren froh, endlich eine männliche Person betüddeln zu können. Alle paar Wochen fuhr er mit der Eisenbahn nach Hause.
Zwischendurch fuhr ich wieder auf der Courier mit. Diesmal sollte ein etwas weiterer Törn in Richtung „Blaue Balje“, ein Seegatt ( Strömungsrinne ) in der Nordsee angefahren werden. Sie verläuft in Nord-Süd-Richtung zwischen den ostfriesischen Inseln Wangerooge und Minsener Oog, eine unbewohnte ostfriesische Insel, die zur Gemeinde Wangerooge gehört. Die unbewohnte Insel entstand durch Sandbänke und wird durch Buhnen und Dämme gehalten, damit die Fahrrinne nicht versandet. Unser Ziel war Minsener Oog, um Arbeiter zum Ausbessern der Buhnen ab zu liefern.
Fahrtzeit ca. 2,5 Stunden, Windstärke 5, böig, Seegang nahm zu, je näher man der „Blauen Balje“ kam. Herr Eilts meinte, dass die Rücktour schneller verlaufen wird, weil wir dann mit der Strömung zurückfuhren. Die Arbeiter blieben zwei Wochen auf der Insel, um dann durch einen anderen Trupp abgelöst zu werden. Ein paar Leute warteten bereits mit der Inselbahn auf die Neuankömmlinge. Hannes und ich fuhren mit bis in die Nähe der dort ansässigen Vogelwarte, wo auch gleichzeitig die Unterkünfte der Arbeiter zu finden waren. Der Leiter der Station führte Hannes und mich ein wenig herum und erklärte die Geräte, das Beringen der Vögel, zeigte herrliche Fotos und war über Gesprächspartner einfach froh. Die Schmalspurbahn brachte uns zum Anleger und der Courier zurück. Wir tranken erst einmal eine große Tasse Tee mit viel Zucker und etwas Milch. Die Rückfahrt konnte beginnen.
Auf der Rücktour machten wir noch an den Pontons im Ölhafen fest um ein paar Besatzungsmitglieder eines Tankers abzuholen. An der Ölpier löschte gerade ein Tanker seine Ladung, diese Zeit wollten ein paar Seeleute für einen Landgang nutzen.
Vom Ölhafen zum Nassauhafen durfte ich die Courier bis zu einer bestimmten Seetonne wieder steuern, ich war unsagbar stolz, zumal ich mich ab und an alleine im Ruderhaus befand, also die Verantwortung übernahm. Na ja, heute würde man sagen, was sollte da auch passieren? Aber soweit dachte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Wilhelmshaven, auch Schlicktown genannt, hat natürlich noch anderes zu bieten, als den Ölhafen und den Nassauhafen. Damit auch größere Schiffe in die Innenhäfen fahren können, ist die vierte Hafeneinfahrt gebaut worden, eine Doppeleinfahrt mit zwei großen Becken. Die Gorch Fock, ein Dreimaster der Marine, Segelschulschiff, ist öfters Gast in Wilhelmshaven. So oft die Möglichkeit der Besichtigung bestand, nutzte ich diese Gelegenheit.
Der Marinestützpunkt Heppenser Groden in Wilhelmshaven beheimatet verschiedene Fregatten, Versorger und andere Hilfsschiffe. Selbstverständlich änderte sich im Laufe der vergangenen Jahre die Umstrukturierung innerhalb der Marine.
Es war schon imposant an zu sehen, wenn auf hoher See die Schnellboote in voller Fahrt vorbeipreschten. Herr Eilts meinte immer, er müsste seine Courier anschieben, sie kam ihm fürchterlich langsam vor.
Die Marine besaß in den 60iger Jahren alte Landungsschiffe der USA. Ich habe einmal von weitem bei Übungen mit Panzern zusehen dürfen. Die großen Bugklappen öffneten sich zum Land, die Panzer fuhren aus dem Bauch des Schiffes.
Den Sommer über hielt sich unsere Clique gerne am Südstrand auf. Alle hatten mittlerweile schwimmen gelernt, somit konnten auch die freizeitlichen Unternehmungen ausgedehnt werden. Dazu gehörten bei Ebbe Schlickschlachten, so wie das Hinüberschwimmen zur Sandbank im Jadebusen. Dort spielten wir Fußball oder faulenzten und räkelten uns in der Sonne. Ein rechtzeitiges Retour durfte nicht verpasst werden, denn die Flut stieg sehr schnell und unaufhörlich und es konnte unangenehme Folgen nach sich ziehen, wenn man abtrieb, um dann bei Ereichen des Ufers weite Wege barfuss und in Badehose zum Südstrand zurück zu gehen.
Spaß machte es, sich vom einsetzenden Ebbstrom bis zur letzten Hafenmole vor der offenen See treiben zu lassen. Um nachher nicht barfuß gehen zu müssen, wurden Badelatschen am Bindfaden um den Hals gehängt, um neben der Mole die Gesteinsbefestigung mit den scharfen Granitkanten zu erklimmen. Aufgepasst hieß es, kurz vor Erreichen der Hafenmole an der ersten Hafeneinfahrt, nicht an der Mole vorbei treiben, man musste sehr kämpfen, um nicht ins offene Meer zu treiben. Keinem ist etwas passiert.
Ein langer Bindfaden, eine offene Miesmuschel, und schon ließen sich wunderbar die Krebse fangen, sehr zum Leid derer, die auf einer Decke zum Sonnen ausgestreckt lagen. Die Krebse kannten keine Gnade. Sobald sie sich angegriffen fühlten, bearbeiteten sie mit Hilfe ihrer Scheren ihren Kontrahenten. Das manche so laut kreischen konnten….
Einen Teil meiner Sommerferien verbrachte ich auf einem Bauernhof außerhalb von Wilhelmshaven, nicht weit von Jever entfernt. Wohnbereich und Stallungen befanden sich in einem Gebäude. Praktisch war, das man von der Küche direkt in den Hühnerstall gelangte, um die frisch gelegten Eier ein zu sammeln. Auf dem Hof türmte sich ein riesiger Misthaufen, auf dem der große Hahn thronte und krähte. Hinter dem Misthaufen betrat man durch eine große Doppelstalltür den Schweinestall, dahinter die Kälberaufzucht, von da durch eine Scheune zum Pferdestall mit den beiden Pferden, genannt Biene und Brauner. Biene nutzte die Tochter der Bauern auch als Reittier. Den Kuhstall mit den Milchkühen und der Milchküche erreichte man von der Küche durch einen langen Flur.
Mit dem einen Sohn der Bauern fuhr ich oft mit dem Pferdewagen auf die Weiden, um nach den Weidezäunen der Bullenweide zu schauen und defekte Weidepfähle und kaputten Draht zu ersetzen. Die Bullen hielten zu uns immer einen Abstand von ca. 10 Meter, neugierig, mit den Vorderhufen scharrend. Wir durften uns nicht ruckartig bewegen oder laut sprechen, damit die Tiere nicht nervös wurden.
An einem andern Tag stromerte ich draußen auf den Weiden herum, ich wollte eigentlich den Fuchsbau beobachten, der in eine der Böschungen neben der Bullenweide gegraben war. Einer der Bullen, ein recht großes Tier, kam prustend angelaufen, stoppte in einem akzeptablen Abstand, scharrte mit den Vorderhufen und wollte damit seine Stärke demonstrieren. Ich ließ mich anfänglich nicht stören und beachtete den Bullen nicht weiter. Aber er kam langsam immer näher an den Zaun, aus den Augenwinkeln beobachtete ich ihn. Irgendwann kam mir seine Nähe etwas zu gefährlich vor. Ich rief hey, hey und ruderte mit den Armen. Er erschrak und lief etwas weg, drehte sich um und lief auf den Zaun und mich zu. Ich rief noch einmal, er stoppte. Ich nahm einen dicken Lehmklumpen, warf ihn Richtung Bulle und traf seinen herunterhängenden Sack. Meine Güte, der sprang mit allen vier Beinen hoch, brüllte und lief auf mich zu. Mir war klar, dass ich diesen Wurf besser unterlassen hätte. Ich rannte in Richtung aufgehäufelte Heugestelle, um sie herum, sprang über einen Weidezaun, die Böschung hinauf und weg war ich. Der Bulle durchbrach noch den eigenen Weidezaun, riss ein paar von den Heugestellen um, und blieb schnaufend vor dem Zaun an der Böschung stehen, der Schaum stand ihm vor seinem Maul.
Ich erzählte den Bauersleuten, dass ein Bulle sich auf dem Heuplatz aufhielt. Sie machten sich direkt auf den Weg, um ihn wieder auf seine eigene Weide zu treiben.
In den Kartoffelferien im Herbst hielt ich mich wieder auf dem Hof auf, um bei der Kartoffelernte zu helfen. Der Bauer holte mich vom benachbarten Bahnhof mit dem Auto ab. Wir trafen auf dem Hof ein, als der Tierarzt einige Tiere, unter anderem auch meinen Freund den Bullen, in einem Pferch neben den Ställen behandelte. Der Bulle hob den Kopf, als wir mit dem Auto vorfuhren, sah mich, brüllte, hob den Schwanz und stürmte los, durchbrach den Zaun und rannte auf den Bauern und mich los. Wir retteten uns hinter die große Stalltür, der Bulle drehte durch und knallte mit dem Kopf und seinen kurzen Hörnern gegen die Stalltür, dass es splitterte. Der Tierarzt beeilte sich mit einer großen Spritze das Tier zu beruhigen. Es dauerte eine ganze Weile. Keiner konnte sich dieses Ausraster erklären. Ein paar Tage später holte der Schlachthof den Bullen ab.
Dieses Erlebnis mit dem durchgedrehten Tier versuchte ich zu verdrängen und half bei der Kartoffelnachlese. Nach eingebrachter Ernte wurde daraus ein richtiges Fest mit einem großen „Kartoffelfeuer“ aus einer Mischung von vertrockneten Kartoffelpflanzen und dörren Ästen veranstaltet. Man hielt an einem langen Stock die frischen Kartoffeln ins Feuer und röstete sie, es schmeckte wunderbar. Dazu gab es frisches Brot mit Butter und Schinken, frische Milch oder Buttermilch. Die Bauersleute, deren Kinder und die Erntehelfer sangen und tanzten um das Feuer herum. Es war für mich ein unvergesslicher Tag.
Ein Garten in der Nachbarschaft von Wolters Garten hatte es Werner und mir wegen der wunderschönen Erdbeeren angetan. Mitten im Beet stand ein Eimer, wahrscheinlich vergessen vom Besitzer. Kein Mensch zu sehen. Wir ernteten in aller Ruhe, aßen mit vollen Backen und füllten so nebenbei den Eimer. Plötzlich sprang die Tür der Gartenlaube auf und der Gartenbesitzer stand vor seinem Gartendomicil und rief. Der Krug fällt solange zu Wasser, bis er bricht. Na, da hatte er uns beiden aber toll erwischt. Wir ließen uns nicht beirren, stellten den Eimer ab und hauten ab. Wir hatten nur ein Problem, hat er uns erkannt, weiß er, wer wir sind? Wir beichteten Herrn Wolter von diesem Dilemma, er riet uns, wir sollten uns entschuldigen. Das taten wir dann auch, er nahm unsere Entschuldigung an. Ich erzählte meinem Vater von dieser Missetat. Mein Vater kannte diesen Gartenbesitzer vom Arbeitsamt her, und fand die Angelegenheit mehr als peinlich. Aber für Werner und mich ging das normale Leben weiter.
Am Ems-Jade-Kanal fuhr täglich regelmäßig ein langer Güterzug in Richtung Dangast, auf die andere Seite des Jadebusens. An einer bestimmten Stelle musste der Zug sein Tempo verringern, um durch ein kleines Industriegebiet zu fahren, wo mögliche Fahrzeuge die Bahn kreuzen könnten, obwohl der Lokführer laut sein Kommen signalisierte. Diesen Moment nutzten Werner und ich aus, um seitlich im Laufschritt auf die Stufen der Waggons zu springen. Es gab auch Waggons, wo ein richtiger Steg über die Tender gebaut war, um der Zugbegleitung, dem Bremser, die Arbeit zu er-leichtern. Der Zugbegleiter hatte nicht nur die Aufgabe einige Waggons zu bremsen, abzukoppeln oder zusätzliche Waggons unterwegs an zu hängen, nein er passte auch auf, dass keine ungebetenen Gäste als Passagier mitfuhren. Aber solange der Zug mit gleichmäßiger Geschwindigkeit voran kam, brauchten wir nichts befürchten. Die Reise verlief über Mariensiel, Varel nach Dangast. Kurz vor dem Ziel verlangsamte der Zug vor einem Bahnübergang, wir sprangen ab, verstecken uns im seitlichen Gebüsch. Na, prima, der Zugbegleiter stand auf dem Podest des letzten Wagens und schaute in die andere Richtung.
Dangast ist ein unter Touristen bekannter Ort mit schönem Sandstrand. Wir konnten beruhigt drei Stunden bis zur Rücktour dort die Zeit nutzen, gingen ein Eis essen und schauten uns Dangast an. Irgendwann konnte man das noch entfernte Signal der Güterlok hören. Schnell versteckten wir uns in den Büschen unseres Absprungortes und warteten auf den anrollenden Zug. So ein Pech, mitten im Zug stand der Zugbegleiter auf einem dieser Podeste, um einen besseren Überblick auf die angehängten Waggons zu haben. Jetzt hieß es, vorsichtig zu sein, dem Zug sehr schnell hinterher rennen, und im Richtigen Moment auf den letzten Wagen aufspringen, denn es gab nur eine Chance, aber es klappte. Während der Fahrt musste beidseitig aufgepasst werden, damit der Zugbegleiter nicht bei Langsamfahrt abspringt, um hinten wieder aufzuspringen. Wir hatten Glück und kamen wohlbehalten am Kanal in Wilhelmshaven wieder an.
Jedes Jahr suchten verschiedene Landwirte Erntehelfer für die Bohnen-und Erbsenernte zu gewinnen. Große Felder mit Bohnen- und Erbsenpflanzen mussten abgearbeitet werden. Sehr viele Menschen meldeten sich und wurden in gecharterten Bussen zu den Einsatzorten gekarrt. Für einen Sack grüne Bohnen (ohne die Schoten) verdiente man 1DM, für einen Sack Erbsen (ohne Schoten) gab es 4DM. Die Organisatoren und ihre Crew passten genau auf, ob jemand betrügen wollte. Bei Erwischen folgte direkt der Ausschluss vom Arbeiten. Meine Mutter, manchmal Marianne, und ich mühten uns ab, ein paar Mark zu verdienen, ein wirklicher Knochenjob. Abends konnte man nur noch in gebückter Haltung durch die Gegend schleichen.
Werner und ich träumten oft davon, den Ems-Jade-Kanal mit einem Boot zu befahren, der Augenblick war gekommen. Die Großeltern von Werner kauften ihrem Enkel ein Zweier-Faltboot, groß genug für zwei Personen mit Gepäck. Unsere Vorbereitung war akribisch. Genau nach Plan durfte Gepäck verstaut werden, Zelt, Schlafsack, Wäsche zum Wechseln, Proviant, Taschenlampe, etwas Werkzeug, Ersatzleinen. Die Fahrt konnte beginnen. Sommerferien, schönes Wetter.
Am ersten Tag paddelten wir bis zur Schleuse von Mariensiel, stiegen aus dem Boot, hoben es aus dem Wasser, trugen es um die Schleuse, setzten es wieder ins Wasser und paddelten weiter. Nur so ließen sich die Schleusen umgehen. Eine Buschgruppe an einer Kuhwiese erwies sich als idealer erster Rastplatz, um unser kleines Zelt auf zu bauen. Ein Gefühl der Freiheit und Abenteuerlust befiel einen. Das ständige Gluckern des naheliegenden Kanals ließ ein Einschlafen erst nicht zu, die Müdigkeit siegte dann. Das nahe Muhen von Rindern weckte uns sehr früh. Wir packten unsere Stullen aus und frühstückten.
Unser nächstes Ziel war der Ort Sande, Schleuse, aussteigen und wieder um die Schleuse herumtragen, weiter nach Friedeburg.
Hinter Friedeburg auf einer Wiese zwischen ein paar Bäumen suchten wir unseren zweiten Rastplatz und Schlafgelegenheit für die Nacht. Die eingepackte Verpflegung in Form von Butterbroten war mittlerweile aufgebraucht. Wir beschlossen am nächsten Tag Friedeburg zu besichtigen. Wenn man vom Kanal Richtung Friedburg geht, trifft man auf zwei Ortsbezeichnungen mit grünem Schild, Russland und Amerika, sie gehören zu Friedeburg. Diese Namen amüsierten uns sehr.
Unser Ziel war Aurich – Hafen, denn da endete unsere Ems-Jade-Kanal – Fahrt mit dem Faltboot, die Rücktour wollten wir dann innerhalb von zwei Tagen bewältigen. Aurich ist die heimliche Hauptstadt und die zweitgrößte Stadt von Ostfriesland, natürlich hinter Wilhelmshaven. Der Hafen von Aurich ist ein kleiner Binnenhafen zum Umschlagen von Gütern, die hauptsächlich von Emden kommen. Ansonsten hat er keine große Bedeutung. Aber die Innenstadt von Aurich ist sehenswert, sehr viel geschichtliches, alte Häuser, eine nette Innenstadt.
Aurich ist berechtigt, im Ortsschild den hochdeutschen Namen „Aurich“ und den ostfriesischen Namen „Auerk“ zu tragen. Eine Sonderregelung ist hierfür extra verfügt worden.
Die Rücktour von Aurich nach Wilhelmshaven bescherte uns viel Regen und Wind. Regenjacke an, Kapuze auf, die Bootsverkleidung um den Bauch zugeknöpft und ab ging die Fahrt. Wir kamen ganz schön ins Schwitzen. Rast machten wir an den Schleusen mit den kleinen Kiosken, tranken etwas Warmes, aßen etwas, und weiter ging die Rückfahrt. Wir schafften die etwas über 30 Km an zwei Tagen. Trotz der etwas größeren Anstrengung waren Werner und ich richtig zufrieden.
Eine sehr schöne Jugendzeit in Wilhelmshaven neigte sich dem Ende zu. Ich hatte sehr viele großartige Erlebnisse, lernte viele Menschen kennen. Die Summe aus allen Steinchen zusammengefügt hat mein weiteres Leben stark beeinflusst, die Neigung zur Weite, der Natur, Unbekümmertheit, freies Denken, Einschätzen von Situationen, Soziales, einfaches Leben, praktisches Denken, Träumen, Romantik und Freundschaft hat sich tief in mir festgesetzt. Eine Wiederholung ist nicht möglich und nicht nötig, ein Fortfahren wahrscheinlich.
Umzug nach Wipperfürth?
Mein Vater kam mit der Nachricht nach Hause, zum 1.11.1967 nach Wipperfürth zu ziehen.
Er fand eine 3-Zimmer-Wohnung in der Siedlung Düsterohl, Leonhardtstr. 14, Parterre rechts, Kellerraum. Er sagte, er wollte dort nicht mehr ohne seine Familie leben.
Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Umziehen? Weg von den Freunden? Was wird mit der Schule? Meine Eltern hatten wohl einen ernsthaften Streit, meine Mutter wollte nicht nach Wipperfürth, Marianne wollte ihr Abitur machen, und kurz vorher noch die Schule wechseln, gar nicht aus zu denken. Nach meiner Meinung fragte natürlich keiner, denn ich war der Kleine, eben noch zu jung für eine eigene Meinung.
Mein Vater äußerte lautstark und immens seine Position und drohte mit Trennung.
Es kam, wie es kommen musste, mein Vater setzte sich gegen die Meinung meiner Mutter durch.
Wipperfürther Allerlei
Wipperfürth, ist Hansestadt und älteste Stadt im Kreis Oberberg im Regierungsbezirk Köln in NRW. Dorthin verlegten wir unseren Wohnsitz, welch ein Unterschied zur Nordseeküste, es war alles ganz anders, die Leute, die Sprache, die Natur, einfach alles.
Aber der Reihe nach….
Es war Spätherbst 1967, eine Umzugsfirma aus Wilhelmshaven erhielt den Auftrag, den Umzug zu organisieren. Viele meiner liebgewonnenen Gegenstände durften wegen Platzmangels nicht mit. Viele Spielsachen, ein ganzer Karton Siku-Autos wanderte in die Mülltonne. Es war ein Jammer.
Aber das Jammern half nichts, ich sah es wie ein kommendes neues Abenteuer und fuhr im Möbelwagen mit, saß in der Mitte zwischen Fahrer und Beifahrer. Eine stundenlange Fahrt lag vor uns. Der Fahrer rauchte 70 – 90 Zigaretten am Tag, ein Kettenraucher, sogar während seiner Mahlzeiten rauchte er, unglaublich. Wir erreichten Wipperfürth, die Siedlung Düsterohl, im dicksten Schneetreiben, der Schnee blieb aber noch nicht liegen. Das Ausladen konnte beginnen.
Meine Schwester Marianne blieb in Wilhelmshaven. Für sie wurde bei einer Frau Marquard ein Zimmer gemietet, und sie besuchte weiter ihre Schule, in einem Jahr machte sie Abitur.
Ich war zu jung und musste mit nach Wipperfürth. Ein Vorteil sprang für mich dabei raus, ich hatte das erste Mal in meinem Leben ein eigenes Zimmer.
Eine große Eingewöhnungszeit gab es für mich nicht, ich musste in einer Schule angemeldet werden, Wipperfürth, Engelbert-von-Berg-Gymnasium. Das Vorstellungsgespräch verlief ganz anders, als ich mir das je vorgestellt hatte. Mein Aufnahmeantrag wurde abgelehnt. Was war passiert? Ich hatte doch ein gutes Versetzungszeugnis in das neunte Schuljahr, Ablehnung? Einfache Erklärung: In Wilhelmshaven lernte ich ab dem 7.Schuljahr als zweite Fremdsprache Französisch, hier in Wipperfürth herrschte ein anderes Schulsystem, dadurch wurde dies eine Klasse unter mir erstmalig praktiziert. Die neunte Klasse, in die ich normalerweise gehörte, hatte Latein als zweite Sprache, und ab der Neun erst Französisch. Welch eine verworrene Oberbergische Hühnerkacke. Und nun?
Die Alternative hieß Moltke - Gymnasium – Gummersbach, mein Anmeldungsgesuch angenommen, aber nur die Aufnahme in die Klasse 8, also ein Jahr freiwillig zurück. Ich war restlos bedient. Meine Stimmung sackte auf den tiefsten Punkt. Meine Eltern waren froh über die Einschulung, meine Meinung hierzu nahm keiner ernst, mir hörte keiner zu, bzw. ich hatte keinen, dem ich dieses Dilemma mitteilen konnte. Ich blieb genau 14 Tage Schüler des Moltke-Gymnasiums. Die Schule in Wipperfürth teilte mit, dass sie bereit wär, mich in die achte Klasse auf zu nehmen. Kleiner Erfolg, weil dadurch die elende Fahrerei nach Gummersbach endete. Doch wohl fühlte ich mich überhaupt nicht. Es folgte die schlimmste Phase in meiner pubertären Entwicklung.
Meine Lust, zur Schule zu gehen sackte auf den tiefsten Stand. Ich begann die Schule zu hassen und zu schwänzen, Lehrer ärgern, eben halt Blödsinn machen.
Ich rauchte, was viele andere Schüler auch taten. Nachschub an Zigaretten erhielten wir beim „Franz“, einer uralten Wipperfürther Kneipe gegenüber vom Gymnasium. Dort traf sich regelmäßig die gesamte „Elite“ der Schüler. Wir pokerten um Zigaretten, Pfennige und sonstige Errungenschaften. Franz, der Wirt, verkaufte die Zigaretten für einen Groschen, also 10 Pfennig. Hatte man keine Lust zur Schule, ging man zum Franz oder in die „Donnerkuhle“, zu Frau Knieps. Wenn die Lehrer eine Klassenarbeit schreiben wollten, und es waren wegen der Bewertung zu wenig Schüler anwesend, konnte es passieren, dass der ein oder andere Lehrer nachschaute, ob der ein oder andere Schüler doch gewillt war, am Unterricht teil zu nehmen, so versuchte der Lehrer seinen Notenschnitt gerade zu biegen. Unser Englischlehrer, Herr Ganter, war so ein Typ. Er kam in die Kneipe, übersah die Gesamtsituation, gab einen aus und nahm uns in den Unterricht mit. Ich hatte bei diesem Lehrer einmal einen Klassenbucheintrag wegen 43 Minuten langem Austreten, er fand das zu lang.
Spaß machte das Mitwirken bei den Leuten der Schulzeitung. Texte zusammen stellen, das ein oder andere Gedicht veröffentlichen, einige stammten von mir. Ein Gedicht verursachte bei den Lehrkörpern großen Unmut:
Wenn wie immer sonst um acht,
die Penne ihren Anfang macht,
wird nicht lang herumgesponnen,
frisch geschwänzt ist halb gewonnen.
Denn die Arbeit, die wir schrieben,
wär für mich ne sechs geblieben.
Geht man einmal nicht zur Schule,
hockt man in der“ Donnerkuhle“,
trinkt man dort ein kühles Klares,
so was hartes ist was wahres.
Denn die Pauker, diese Nieten,
können uns doch nichts verbieten.
Wer hat was gegen`s Gamlerleben,
lange Haare und daneben,
Nietenhosen, Hippihemden
Und das Moos in Prass verschwenden.
Hat man einen in der Krone,
zieht man`sHemd aus, oben ohne.
Tanzt man dann quer durchs Lokal
Pötten ist die bessre Wahl.
Beine lang die Kreise schwingen,
lallend wir ein Liedchen singen.
Ist man von der Kur noch sehr benommen,
und glücklich dann zu Hause angekommen,
pennt man eine Rund um die Uhr,
und ist fit für eine neue Tour.
Denn saufen macht das Leben angenehm,
und das Gammeln noch dazu bequem
Mein Schülerdasein im Wipperfürther Gymnasium endete, ich wechselte zur Realschule nach Hückeswagen in die Restzeit der Klasse 9a.
Ich bin jemand, der seine Klappe nicht immer halten konnte. Für dumme Sprüche war ich immer zu haben und lernte sehr schnell die negativen Seiten von Wipperfürth kennen. Es gab einen Rocker-Club, den James-Dean-Club. Zu diesem Verein gehörte alles, was eigentlich in den Knast wandern müsste. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich noch nicht die genauen Zusammenhänge und lernte aus diesem Club ein blondes Mädchen mit Namen Gabi kennen. Sie wohnte ebenfalls in unserer Siedlung, wo wir hingezogen waren. Das Kennenlernen fand in der Donnerkuhle statt, in Anwesenheit von einigen „Clubmitgliedern“, man erkannte sie an ihren Jackenaufnähern. Ich fand nur, dass sie mit James Dean wenig Ähnlichkeit hatten. So sagte ich das zu diesem Mädchen, wir verließen das Lokal, und merkten bald, dass sich von diesen Typen sieben Mann an unsere Fersen hefteten. Auf halber Höhe zum Düsterohl holten sie uns ein und fingen gleich an zu stänkern, der eine fuchtelte mit einem Messer herum, ein anderer hatte eine Fahrradkette in der Hand. Mir schwante Böses. Die Keilerei begann, sieben gegen einen, ich teilte aus, und konnte trotz Überzahl mit dem Ergebnis zwar zufrieden sein, zog aber den Kürzeren und erhielt fürchterliche Prügel.
Meine Eltern verstanden meine vielen Probleme nicht, sie meinten nur, ich solle mich aus allem heraushalten. Tolles Wipperfürth.
Vier Wochen schmerzte mir alles Bewegliche. Ich hatte mir nie etwas gefallen lassen, also keilte ich zurück. Den Ersten, von diesem „Club“, erwischte ich in der Baumschule auf dem Klosterberg. Ein Fiesling namens Bubi Berghaus. Er meinte immer der Chef „vons Ganzen“ zu sein. Dieser Bubi saß mit seiner Freundin auf der Bank und flüsterte ihr was. Aus dem Flüsterer wurde ein kreischendes Etwas. Ich verhaute ihn, wie man nur jemanden verhauen kann und setzte ihn etwas unsanft in einen Rotdornbusch, seine Freundin rannte schreiend davon. Danach ist er mir gerne aus dem Weg gegangen. Die anderen Kandidaten erhielten im Laufe der Zeit auch noch ihr Fett weg, vor allen Dingen der Fettsack mit dem Messer. So langsam aber stetig lernte ich meine Hilfskräfte kennen, und hatte dadurch mehr Möglichkeiten mich zu verteidigen und freier zu bewegen. Einer von denen war von Beruf Schneider, fast zwei Meter groß und recht breit. Er fuhr im Hauptberuf einen LKW. Er war meine neue Lebensversicherung in Wipperfürth.
Die neuen Bekanntschaften erleichterten das Leben in Wipperfürth. Es war die Zeit der vielen Musikbands. Sie sprießten wie Pilze aus der Erde. Viele wollten diesem Boom nacheifern. Ich gehörte auch dazu, aber mehr als ein mittelmäßiger Sänger sprang nicht dabei heraus. Meine Freunde waren musikalisch viel weiter und gründeten die „Red Stones“. Stücke von den Shaddows, Kinks, Monkeys, Beatles, Stones. Das Lied „Dandy“ von den Kinks und „Dear Mrs.Applebe“ gehörte zu meinem Repertoire, bis zwei Sängerinnen die Band verstärkten. Von da ab half ich nur noch auf – und abbauen.
Hoher Besuch hatte sich in Wipperfürth angesagt, mein Patenonkel Rolf Göcht aus dem Taunus mit Familie, Tante Helga, Heino und Gabi wollten ihre Aufwartung machen. Meinen Cousin Heino und meine Cousine Gabi sah ich das erste Mal, somit hing die Erwartungshaltung sehr hoch. Zur Arztgattin Helga Göcht war meine Meinung sehr gespalten, sie wirkte auf mich einfach zu glatt und zu freundlich berechnend. Meinen Patenonkel kannte ich hauptsächlich durch seine jährlichen kurzen Geburtstagsbriefe mit regelmäßigen 10 DM Inhalt. Als Arzt einer großen Praxis in Königsstein im Taunus, bekannter Lungenspezialist, blieb er doch der Familienmensch, der den Anschluss an seine nächsten Verwandten nicht verlieren wollte. Ich sollte Heino und Gabi ein bisschen von unserem schönen Wipperfürth zeigen, so lautete mein Auftrag. Beide waren in meinem Alter, bloß, welche Sehenswürdigkeiten zeigt man zwei Jugendlichen? Gabi, sehr konservativ aber damenhaft herausgeputzt, sich langweilend über den Dingen stehend, Heino angezogen wie ein Stutzer, hellblaue Hose, weißblaue Schuhe, Rüschenhemd mit gelber Weste, um den Hals eine sehr dicke Goldkette, an der linken Hand einen dicken Ring, schwul. Naja, wir suchten als erstes die Donnerkuhle auf und trafen dort ein paar Freunde von mir. Einige zeigten ein leichtes Grinsen, andere dachten sich nur ihren Teil. Klar, meine Verwandten hielten sich viel in Frankfurt auf und konnten mit dieser Dorfkulisse nicht viel anfangen. Letztendlich verbrachten wir einige Zeit in der Eisdiele.
Unser Kennenlernen
Rosenmontag, 26.02 1968. Ein sehr bedeutender Tag in meinem Leben. Karneval war nicht unbedingt das, womit ich klar kam. Ich verstand den Dialekt nicht, kannte nicht die Lieder und Gebräuche. Aber ich passte mich an, zumindest versuchte ich es. Überall wurde gefeiert, gesungen und geschunkelt. Ein Bekannter und ich lernten in Wipperfürth ein paar Mädchen kennen, die uns zum späten Nachmittag oder frühen Abend, zu einer Klassenfete in Böswipper einluden. Wir sagten zu und kamen mit dem Moped.
Wir mussten um das Haus herumgehen, um in den Partykeller zu gelangen. Gegenüber der Tür, an der Wand, in einer Nische, stand ein Tisch, in der Mitte ein Tonbandgerät, links davon auf dem Tisch saß ein Mädchen mit Namen Rita Sauermann. Ich setzte mich auf die andere Seite des Tonbandgerätes. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick.
Von da an trafen wir uns öfter. Für mich bedeutete die Entfernung von Wipperfürth zu ihrem Heimatort Jedinghagen ein problematisches Unterfangen. Ich versuchte es zu Fuß, mit dem Fahrrad, per Anhalter. Immerhin betrug die Entfernung 12Km einfache Strecke. Aber die Verliebtheit verleiht Flügel. Rita musste unsere Treffen ihren Eltern gegenüber sehr geheim halten. Eine ihrer Freundinnen spielte das Alibi, der Austausch von Büchern und ähnlichem wurde stark forciert. Unser schönstes Geheimtreffen fand im dicksten Schneetreiben sitzend unter einem Regenschirm auf einer Bank am Dorfrand von Jedinghagen statt. Was macht man nicht alles, wenn man verliebt ist, bei lausigen Temperaturen, den Moment genießen und immer weiter hinauszögern, um kein Ende zu finden. Wir unterhielten uns über „Eineiige“ Zwillinge, tolles Thema und passend zu jeder Gelegenheit. Unsere Treffen endeten erst einmal. Wir verabredeten, wenn ich ein Auto habe, komme ich wieder.
Realschule Hückeswagen
Meine Schulkameraden der Realschule Hückeswagen waren eine reine Chaotentruppe, die Lehrer hatten es besonders schwer. Mein Tischnachbar hieß Ulrich Neugard, 198 cm groß, Chef der Klasse, zu jedem Scheiß bereit. Unsere erste Begegnung bestand aus einer Keilerei, die in der großen Pause im Klassenzimmer ausgetragen wurde. Der genaue Grund dieser Auseinandersetzung ist bis heute nicht geklärt. Die sehr ernsthafte Rangelei endete unentschieden. Er hatte ein blaues Auge, ich eine dicke Wange, die Kleidung beider Kontrahenten war etwas unordentlich, ein Stuhl der Klasse brach auseinander. Wir gaben uns die Hand und die Angelegenheit konnte begraben werden. Bei unserem Klassenlehrer sollten wir nach der großen Pause Geschichtsunterricht haben, er hielt uns über diverse Konflikte und andere Auseinandersetzungen erst einmal einen langen Vortrag. Ein Grinsen ging durch die Reihen, denn dadurch konnte man sich in der Zwischenzeit wichtigeren Dingen, wie vergessene Hausaufgaben, Kartenspielen oder Träumereien hingeben.
Wir Fahrschüler fuhren am Morgen und mittags mit der Eisenbahn, eigentlich ein Bus auf Schienen, genannt Schienenbus oder Triebwagen. Um mitfahren zu dürfen, benötigte man eine Schülermonatskarte, die kostete 4 DM. Viel Geld für einen Schüler, der wenig Geld sein Eigen nannte. Meistens benötigte ich diesen Betrag für andere Dinge, wie andere Mitschüler auch. Schwarzfahren konnte teuer werden, zumal regelmäßige Kontrollen abgehalten wurden. Schüler sind erfindungsreich, so halfen wir uns gegenseitig, denn bei dem Gedränge konnte der Kontrolleur schnell die Übersicht verlieren. So reichte man die Monatskarte durch das schmale Klappfenster über dem normalen Fenster einem draußen stehenden Schüler durch, der konnte mit Karte beim Kontrolleur einsteigen, und alle waren zufrieden, außer ich verpasste ich den Zug, dann war Auto-Stop, also per Anhalter angesagt.
Kaum zu glauben, aber es fand auch richtiger Unterricht mit Klausuren, auswendig lernen, Geographie, Mathematik Geschichte und Deutsch statt. Der Deutschunterricht mit seinem Deutschlehrer war ein Muss für Gedichtliebhaber. Alle Klassiker vom Taucher bis zur Glocke und geistige Verse gehörten zum Repertoire dieses Deutschfanatikers mit rollendem RRRR.
Ich musste ein Gedicht aufsagen, um meine Deutschnote positiver zu gestalten, wie er immer zu sagen pflegte.
Das Gedicht hieß: Heilig Vaterland, von Rudolf Alexander Schröder. Ich weiß nur noch die ersten Zeilen, aber aufgesagt mit rollendem RRRR.
Oh, Herrrrrrr, Du hast ein Vaterrrrrrrrrland, ein geliebtes Land, ein heiliges Land….
Ich war so in meinem Element, dass ich gar nicht merkte, wie still es in der Klasse blieb, der Lehrer schaute mich mit einem Verzücken an, denn er konnte seine Begeisterung kaum ausdrücken. Nach dem Gedicht sah er mich etwas prüfender an und gab mir eine zwei.
Ich konnte es kaum glauben, meine Mitschüler unterdrückten ihr Lachen, überall gluckste es.
War dem Lehrer das ernst? Es sah so aus.
Einige der Lehrer und Lehrerinnen kauften regelmäßig im Schulkiosk eine Flasche Milch. Der Flaschenverschluss bestand aus Aluminiumfolie, wunderbar zum Präparieren mit Rizinusöl. Ein Mädchen unserer Klasse, Ricarda, war sehr zuckerkrank und musste Insolin spritzen. Sie brachte die nötige (aber gesäuberte) Spritze mit, um das Rizinusöl in die Milch zu bekommen. Das Unternehmen gelang recht ansprechend. Gewisse Lehrer verließen mehr als normal die Klassenräume, um sich wichtigeren Dingen zu zuwenden. Eine Lehrerin ließ sich krankschreiben. Allerdings konnten auch einige Schüler ihre Liebe zur Toilette nicht verleugnen…..
Das Musiklehrer immer alles so ernst nehmen müssen. Zufälligerweise war ich an diesem Unternehmen nicht beteiligt, wurde vom Lehrer aber beschuldigt. Was war geschehen?
Das Klavier hatte jemand im inneren des Klangkörpers auf den Seiten mit Klebebändern verklebt, zur Folge, das Klavier musste neu gestimmt werden, ein ziemlicher Aufwand. Unsere Klasse und ich betraten das Musikzimmer, setzten uns, der Musiklehrer stürmte herein, sah mich, und haute mir eine runter. Ich stand auf, ein Kopf größer als er, und haute ihm eine zurück. Der Lehrer war total perplex, und brüllte mich an, die Stimme überschlug sich, von wegen Folgen, Eltern sollten vorbeikommen, ich wusste überhaupt nicht worum es ging. Bis mich jemand aus der Klasse aufklärte. Ich sagte nur, „das war ich nicht“, zurück kam „glaube ich nicht“……
Ich packte meine Tasche und ging zum Bahnhof, um nach Hause zu fahren. Ich erzählte meinen Eltern von dieser Sache, drei Tage später besuchten mein Vater und ich die Schule, saßen beim Direktor, sprachen mit dem Musiklehrer, und alle hatten sich anschließend wieder lieb.
Nach der Schule wählten wir eine Wegabkürzung über einen naheliegenden Friedhof. Es standen zwei Schubkarren herum. Die leichten Schüler setzten sich in die Schubkarre, Parallelwege ausgeguckt, Startzeichen, und los ging das Rennen über den Friedhof bis zum Tor am anderen Ende. Leider fiel eine Schubkarre um, der Schüler viel heraus und die Karre landete in einem vorbereiteten Grab. Jemand hat dies beobachtet und die Polizei gerufen. Wir verkrümelten uns schnellstens in Richtung Bahnhof.
Am nächsten Schultag musste der Schuldirektor vor allen versammelten Schülern seine Belehrung halten. Keiner wusste, wer die Übeltäter waren….
Zu dieser Zeit gab es noch Mülltonnen aus Blech. Von der Schule zum Bahnhof durch die Stadt verlief die Straße bergab, versehen mit Kopfsteinpflaster. Die Mülltonnen waren gerade geleert worden, und standen, wie bestellt und noch nicht abgeholt, zu zweit, zu dritt oder alleine optisch von oben gesehen in einer Reihe an der abschüssigen Straße. Irgendeine Rangelei oder Geschupse unter Schülern gibt es eigentlich immer, oder schneller laufen, vielleicht auch stolpern. Jedenfalls eine obere Tonne fiel um, kullerte gegen die nächste und wieder die nächste. Es kullerten nachher fünf oder sechs Mülltonnen die abschüssige Strasse hinunter und verursachten einen Höllenkrach. Meine Güte, das wird wohl wieder Ärger geben….
Die Schulzeit in Hückeswagen endete, jeder erhielt sein Zeugnis, um beruflich mit einer Ausbildung weiter zu kommen. Mein Fazit zu dieser vergangenen Zeit ließ das Positive und das Negative gegen einander antreten. Das Negative gewann die Oberhand. Ich stellte fest, dass ich froh war, dieses teilweise unsinnige Oberlehrergehabe nicht mehr hören zu müssen. Das heißt nicht, dass ich etwas gegen das Lernen an sich habe, sondern das teilweise unsinnige „am- Leben- vorbei – Gehabe „ von Lehrkörpern, die ihre Machtpositionen konsequent nutzten, aber die Realität, das wirkliche Leben aus den Augen verloren, und vergaßen, den Schüler auf das wirkliche Leben vor zu bereiten.
Wie heißt es so schön: Es gibt Menschen, Lehrer und Beamte.
Schulentlassungsfeier
Die Schulentlassung der Wipperfürther Schüler von Hückeswagen zog eine etwas größere Stadtfete nach sich. Es gesellten sich noch andere Freunde und Bekannte dazu, Treffpunkt bei Frau Knieps in der Donnerkuhle zum Stiefeltrinken. Die verschiedenen Stiefel leerten sich, jemand kam von der Toilette mit einem Paket Waschpulver unter dem Arm zurück. Allgemeines Gelächter, ab zum Marktbrunnen. Arm in Arm, singend zogen wir durch die Stadt. Beim Brunnen angekommen, feierliches Öffnen des Waschpulverpaketes und hinein in das kühle Nass. Am Anfang passierte gar nichts. Aber dadurch, dass das Wasser immer wieder nach oben pumpte, sahen wir erst kleine Blasen, dann immer größere, und bald nahm das Ganze ein enormes Ausmaß, der Brunnen war nicht mehr zu sehen, der Schaum kroch in immer größeren Mengen über den Parkplatz. Die Sache geriet außer Kontrolle. Bis alle Beteiligten in ihrem leicht alkoholisiertem Zustand begriffen, was geschah, musste man immer weiter zurückweichen, um nicht vollends vom Schaum eingeschlossen zu werden.
Wir beschlossen zu verduften und noch in Ruhe ein oder zwei Bier in der Donnerkuhle zu trinken und Stillschweigen zu bewahren.
Wir saßen bereits einige Minuten beim Bier, als jemand ganz entsetzt ins Lokal stürmte und sagte, dass der Marktplatz nicht mehr zu sehen sei. Die Meinung, er hätte zu viel getrunken, er beteuerte nein, wir sollten uns das ansehen. Und tatsächlich, alles voll Schaum.
Mittlerweile kam die Polizei und die Feuerwehr……..
Hausgemeinschaft Düsterohl
Ab und an feierte die Hausgemeinschaft in der Leonhardtstr. 14 zusammen im Fahrradkeller. Jede Familie aus dem Haus steuerte etwas dazu. Es gab reichlich zu essen und zu trinken. Die Familie Prescha, wohnhaft 1.Stock rechts, Familie Schmidt, 1.Stock links, Familie Wilke, Parterre links, Familie Göcht, Parterre rechts, alle machten mit. Herr Prescha hatte eine etwas eigentümliche schnarrende Stimme, wirkte zusätzlich heiser, Aussprache sudetendeutsch. Er rief andauernd seinem Sohn Rainer ( ausgesprochen Reina ) zu, er soll auf den Jüngsten aufpassen, und das hörte sich so an: Reina, pass mich auf die Junge auf. Und Rainer erwiderte: Isch rech Papa, er piest schrad in de Butz.
Hörte sich schon klasse an. Die Feier rückte weiter vor, der Alkoholspiegel schwoll an, mein Vater hatte seinen Spaß. Er setzte sich eine Kappe mit Schirm verkehrte rum, den Schirm nach hinten, auf, schob sich ein Kinderdreirad unter den Hintern und fuhr recht elegant durch die Kellergänge. Meine Mutter sah dies als notorische Spaßbremse, machte ein entsetztes Gesicht und sagte nur: Aber Werner…..
Bayer Wuppertal
Ich bewarb mich als Biologielaborant bei der Fa. Bayer in Wuppertal, wurde nach einer Aufnahmeprüfung angenommen, und fuhr dann jeden Morgen mit der Eisenbahn 1,5 Stunden bis Wuppertal Zoo, und kam am Abend gegen sechs Uhr zurück. An diese Zeiten musste ich mich erst gewöhnen. Ich arbeitete bei Bayer in verschiedenen Abteilungen, Pathologie, Histologie, Pharmaforschungszentrum in Aprath, weit außerhalb von Wuppertal. Ein regelmäßiger innerbetrieblicher Bustransfer brachte die Leute vom Hauptbetrieb dahin.
In der Pathologie hatte ich viel mit Versuchstieren, wie weiße Ratten, weiße und braune Mäuse, weiße Meerschweinchen und Kaninchen zu tun. Die Tiere wurden mit Präparaten gespritzt, um alle möglichen Erkenntnisse über das Verhalten, Hautkrankheiten, Leukemie, Schlafkrankheit usw. zu erhalten. Die Ergebnisse hatten dann einen bestimmten statistischen Zweck. Nach dem Versuch durfte ich die Tiere mit Chloroform abtöten. Eine Laborantin, Frau Dröge, sah gern zu, wenn die Tiere starben, wenn sie in den Chloroformdämpfen noch recht zuckten. Deren Stimme wirkte dann sehr schrill. Sie tötete auch nicht gerne selbst, sondern ließ töten. Einmal sollte ich 250 Meerschweine abtöten. Ich ging in die Tierställe, und nahm die Flasche Chloroform und das Gefäß mit dem Rost mit, um alle Vorbereitungen zu treffen. Sie kam dazu und meinte, mit dem Chloroform würde es zu lange dauern, die neuen Tiere kämen bereits in einer Stunde. Ich solle die Tiere auf die Waschbeckenkante mit dem Genick aufschlagen, das ginge schneller. Ich sagte ihr, sie solle mir das vormachen. Mit einem schrillen Schrei voller Unmut packte sie ein Tier an den Hinterbeinen und haute es auf die Kante des Beckens. Ihre Augen funkelten und sie bekam ganz hektische Flecken im Gesicht. Sie sagte nur „ so“ und verschwand nach oben in den Laboratorien. Der Tierpfleger und ich schauten uns an. Wir nutzten dann beide Waschbecken und töteten die Tiere gemeinsam.
Frau Dröge ging gerne am Donnerstagabend in den „Ball der einsamen Herzen“, um ihrer weiblichen Bestimmung, dem Männeraufreißen, nach zu kommen. Donnerstags war da immer Damenwahl, also bestimmten die Damen den Ablauf des Tages. Frau Dröge brachte bereits zur Arbeit ihre Ausgehklamotten mit, um ihren Kontrahentinnen frühzeitig den Schneid zu stehlen. Die eine Labortür war dann ab 15.00 Uhr etwas schlechter zu öffnen, sie verbarrikadierte die Tür mit einem Tisch. Ich wusste anfänglich nichts von ihren Eskapaden und drückte die Tür kräftig auf. Nun stand sie da, wie der Herr, oder sonst wer, sie geschaffen hatte. Sie wusch sich von oben bis unten, einschließlich Haare waschen und färben. Lautes Gezeter, und ob ich nicht aufpassen könnte usw. Ich muss gestehen, der Anblick sah gar nicht so übel aus, vielleicht etwas mager, aber eine gute Figur. Das Lustige ist, das die Frauen nicht wissen, welche Körperpartie sie zu erst abdecken wollen, mal oben, mal unten. Die Hände versuchten dann mal hier und mal da eine Alibibedeckung vor zu täuschen. Ich beeilte mich mit dem „wieder schließen der Tür“ nicht besonders, sondern nahm eine Mappe, die ich brauchte, aus dem Regal, schaute noch einmal bedeutungsvoll zu Frau Dröge, schloss die Tür und ging. Meine Güte, was hat die gewettert.
Es mussten 2000 weiße männliche Mäuse seziert werden, pro Tag etwa 200 Stück, Entnahme linke und rechte Niere, die Nebennieren, die Hoden. Folgende Hilfsmittel: großer Käfig mit ca. 200 lebenden Tieren, ein Eimer mit Deckel für die toten Tiere, zwei Töpfe mit Drahtrost für die Abtötung, Chloroform, 1gr.Pinzette mit Haken zum Anheben der Bauchdecke und Fell, 1gr. Gebogene Schere, 1kleine gebogene Pinzette, kleine gebogene Schere und ein Skalpell, ein Korkbrett zum Fixieren der Füße und vier Nadeln zum Feststecken der Füße, dazu mehrere Glasschalen zum Aufbewahren der herausgeschnittenen Organe. Ein Routinejob, bei dem man nach einiger Zeit so abstumpft, dass man beim Sezieren sein Pausenbutterbrot und Kaffee zu sich nimmt.
Die Histologie arbeitete mit bereits entnommenen Organen, die dann in Paraplast eingeschmolzen, mit einem Mikrotomschneider Organschnitte angefertigt, mit bestimmten Farben gefärbt und unter dem Mikroskop nach Veränderungen untersucht wurden. Eine interessante Tätigkeit. In dieser Abteilung war ich nur 4 Wochen, ich musste für 2 Monate ins Lehrlabor, um die bestimmten Fertigkeiten zu erlernen und am Werksunterricht teilnehmen. Einmal in der Woche musste ich zur Berufsschule.
Lehrlaborgruppe bei Bayer in Wuppertal 1970
Im Aprather Forschungszentrum kam ich in die Abteilung mit Großtieren, Rinder, Schafe, Ziegen und Insekten. Es war schon erbärmlich mit an zu sehen, wie manche Tiere leiden mussten. Da operierte man Kälbern bestimmte Organe heraus, um zu sehen , wie lange sie noch leben, sie erhielten Spritzen mit Krankheitserregern, um den Verlauf der Krankheiten festzustellen. Wir „Hilfskräfte“ erhielten den Auftrag, jeden Morgen und Abend Fieber zu messen, aufschreiben, Tabellen anfertigen usw.
Das Fiebermessen war jedes Mal eine Tortur, Gummistiefel an, Gummischürze um, in den Stall klettern, Tier-Schwanz hochheben und Thermometer in den Tier-After drücken.(Das Wort „Tier“ habe ich bewusst zusätzlich eingefügt) Die Tiere fanden das gar nicht so gut und wehrten sich. Die Kälberbullen traten aus, gegen das Schienbein oder was sie so treffen konnten.
Ab und an verstarb über das Wochenende ein Schaf. Sie lagen dann auf dem Rücken, die Beine nach oben gestreckt, aufgeblähter Bauch. Ich fand, es sah sehr anklagend aus. Der Abteilungsleiter, ein Doktor, wollte, dass wir Lehrlinge das Tier sezieren, den Darm aufschneiden und den Inhalt nach möglichen Bakterien untersuchen sollten. Wenn wir so weit sind, sollten wir ihm Bescheid sagen. Das der sich verdünnisierte, war klar. Den aufgeblähten Bauch eines Schafes auf zu schneiden, um dann den Darm zu öffnen, kann man noch nicht einmal dem ärgsten Feind zumuten. Welch ein Gestank, trotz Gesichtsmaske und Mundschutz, es war kaum aus zu halten. Mir und meinem Kollegen drehte sich der Magen um, das Zauberwort hieß frische Luft. Der Doktor kam, verzog das Gesicht, und meinte, dass dies zu lange dauerte, er benötige die Proben gestern und nicht erst nächste Woche. So viel Hochmut, so ein Arsch. Na ja, Schwefelwassersoff auf Watte geträufelt und in seinem Zimmer im Papierkorb versteckt ließ diesen Gestank in der Erwartung des kommenden Spaßes verblassen. Der Geruch von faulen Eiern im Büro des Doktors machte die Sache erträglicher.
Die vielen offensichtlichen Tierquälereien, natürlich alles im Sinne der Wissenschaft, beeinflussten mein fortwährendes Denken über meine berufliche Zukunft sehr. In der Zeit meiner verschiedenen Tätigkeiten in den sich ändernen Abteilungen überwog meine Gesamtablehnung gegen diese Tierbehandlungen von verschiedenen dort tätigen Personen. Ein kommender Urlaub sollte mich auf andere Gedanken bringen.
Begebenheiten mit Horst Scollick
Im Sommer 1969 fuhr ich mit meinem Freund Horst Scollick an die Schlei in Schleswig-Holstein zum Zelten. Ein wirklich unbeschwerter Urlaub, um einmal richtig abzuschalten..
Horst erhielt für diese Zeit den VW-Käfer seiner Mutter.
Horst und ich vor der Abfahrt
Auf diesem Campingplatz befanden sich überwiegend Wohnwagen, wenig Zelte. Aber das konnte uns beide nicht stören. Neben uns zelteten zwei Studenten aus Berlin, die froh waren, Gleichgesinnte kennen zu lernen. Daneben ein Wohnwagen mit einer Familie aus Baden-Württemberg mit einer blonden schlanken Tochter, die bereits auf den einen Berliner ein Auge warf. Neben uns ein riesiger Wohnwagen aus Warendorf mit einem amerikanischen Wagen als Zugwagen. Diese Familie hatte zwei sehr nette Töchter, für die Horst und ich uns interessierten. Das Abstecken der Terrains bereitete Allen ein großes Vergnügen. Selbst der Vater dieser Töchter, mochte uns gut leiden, so konnte der Urlaub ein Erfolg werden. Auf dem Weg am Morgen zur Dusche fragte die Mutter dieser Töchter uns beide, ob wir schon gefrühstückt hätten, wir verneinten und meinten, erst einmal duschen. Als wir wieder kamen, stand vor unserem Zelt ein Tablett mit Brötchen und Kaffee, ein wirklich toller Empfang. Dieses wiederholte sich oft, nachdem sich die Bekanntschaft vertiefte. Eines Tages mieteten Horst und ich am Segelbootverleih ein kleines Boot, segelten über die Schlei bis zu unserem Zeltplatz, holten den Studenten mit der Blonden und die beiden Schwestern zum Segeln ab. Mehr als sechs Personen hatten auch nicht mehr Platz in dem kleinen Boot. Auf der Rücktour wehte kein Lüftchen, Windstille, das Paddel musste helfen.
Manchmal regnete es, dann hielten wir uns in dem Gemeinschaftsaufenthaltsraum des Campingplatzes auf. Zur Zeitvertreibung malte ich Gesichter der anwesenden Leute. Einige merkten mein Tun, hielten still, bis sie der Meinung waren, dass ich mit dem Bild fertig bin. Einige der Bilder konnte ich gut verkaufen und füllte dadurch unsere Urlaubskasse auf. Unser Urlaub ging zu Ende, Abschied, Rückfahrt. Meine Gedanken befassten sich langsam wieder mit den Bayerwerken und einer Arbeit, die mir keinen Spaß machte.
Horst und ich unternahmen eine Fahrradtour nach Winningen an der Mosel, wir wollten dort zelten. Kurz hinter Much, nach einer langen Steigung der Straße, suchten wir uns einen Platz, wo wir ungestört unser Zelt aufbauen konnten. Der Waldboden gab dermaßen nach, dass wir Schwierigkeiten hatten, die Zeltheringe zu befestigen. Es sollte auch nur für diese eine Nacht sein. Am Morgen sahen wir uns unsere Behausung genauer an und mussten laut lachen. Unsere Fahrt führte uns über Siegburg, dann nach Köln auf die andere Rheinseite und auf dem Fahrradtörn immer am Rhein entlang bis Koblenz. Von Koblenz nach Winningen waren es nur noch wenige Kilometer. Eine Fahrt, die so richtig Spaß machte. Das Wetter spielte mit, es war angenehm warm. Wir bauten unser Zelt auf, verstauten unser Gepäck und gingen in den Ort, um eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken. Ein gemütliches Weinlokal erregte unsere Aufmerksamkeit. Es gab frischen Zwiebelkuchen mit frischem Wein. So etwas kannte ich überhaupt nicht. Das Tolle war der nicht zu bezahlende Zuschlag, denn die Köchin wollte ihren noch warmen Zwiebelkuchen vom Blech haben, um frischen her zu stellen. Vielleicht sahen Horst und ich auch so hungrig aus. Aber so durfte jeder Tag ausklingen.
Am nächsten Tag merkte ich ein leichtes Kratzen im Hals, dachte mir dabei aber nichts. Warmes Wetter, also schwimmen in der Mosel. Aus meinen leichten Hals-schmerzen entwickelte sich eine saftige Halsentzündung mit Fieber und dergleichen. Ich legte mich ein paar Stunden in meinen Schlafsack, um die angehende Krankheit zu bekämpfen. Es nutzte nichts, wir brachen unseren Campingausflug ab und machten uns auf den Nachhauseweg. So mies hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, ich war am Glühen, nur der Fahrtwind kühlte ein wenig das Fieber. Wir schafften den Weg nach Wipperfürth, ich lag einige Tage mit einer fiebrigen Mandelentzündung im Bett.
Horst Scollick war ein sehr guter Automechaniker, viele Reparaturmöglichkeiten lernte ich von ihm und konnte mit Hilfe eines Reparaturanleitungsheftes mit Ersatzteilverzeichnis diese Kenntnisse vertiefen und selbst anwenden. Er musste, wie viele andere auch, zur Bundeswehr. Dadurch waren seine finanziellen Möglichkeiten sehr begrenzt. Er kaufte sich einen Isetta, einen Rollermobil von BMW. Diese Fahrzeuge baute BMW zwischen 1955 und 1962. Wie bei einem Kühlschrank klappte man die Fronttür auf, und das Lenkrad schwenkte dann mit der Fronttür nach vorne und zur Seite, damit zwei Personen in diesem Gefährt bequem Platz haben konnten. BMW stattete die Isetta mit einem Einzylindermotor, Gebläsekühlung und Starterlichtmaschine aus.
Wir bezeichneten das „Isettchen“ als Adventswagen, mach hoch die Tür, die Tür mach auf….
Aber zu zweit, in diesem recht seltsamen Gefährt, zu sitzen und zu fahren, war recht lustig und angenehm. Horst bekam nicht sogleich die nötigen Ersatzteile für einen defekten Auspuff, so bastelte er sich den Auspuff aus Blechdosen. Bremsbeläge schnitt er sich aus größeren Fabrikaten anderer Autos passend zu recht. Die Probefahrt erfolgte. In Wipperfürth nutzten viele Automechaniker eine bestimmte Strecke, vom Kölner-Tor-Platz die Bundesstraße in Richtung Bergisch-Gladbach. Eine lange Gerade bergauf, dahinter etliche Kurven, durch ein kleines Dorf und zurück. Unterwegs musste der Reservehahn für Benzin, angebracht auf der hinteren Ablage, im Fahrzeug betätigt werden, damit genügend Rennmaterial vorhanden war. Diese Tour bergauf, durch das Dorf und zurück diente erst einmal zum Einfahren der neuen Bremsbelege, dann kam die Kür. Gefälle 10%, das Auto röhrte und schüttelte sich, das Tacho zeigte 105 Stundenklometer, den Berg runter, an. Nun ging es auf eine sehr kurvenreiche Strecke in Richtung Frielingsdorf, ein Reh überquerte die Strasse, Horst bremste, der Wagen schlingerte und landete im Straßengraben. Ein paar Leute aus dem Dorf rannten herbei und sahen uns aus dem Gefährt steigen. Es war nichts weiter passiert. Wir hoben beide die Isetta an und setzten sie auf die Strasse. Die Leute sagten nur „unfassbar“ und sahen uns davon fahren.
Die vielen nicht sehr positiven Erlebnisse in der Ausbildung veranlassten mich, die Lehre ab zu brechen und was anderes zu probieren.
Ich bewarb mich als Textilveredler in Wuppertal-Ronsdorf bei der Fa. Frickenhaus und erhielt den Lehrvertrag.
Die Zwischenzeit bis zur neuen Beschäftigung nutzte ich mit Nachtschicht in einer Büchsenfabrik in Wipperfürth. Die Firma stellte Kronkorken für alle möglichen Brauereien, Coca Cola, Fanta, Bluna usw. her. Ich arbeitete dort im Schichtbetrieb 12 Stunden Nachtschicht, von sechs Uhr Abends bis sechs in der Frühe in der Lackiererei.
Herbert Krauss
Von einem weiteren Bekannten mit Namen Herbert Krauss möchte ich noch erzählen. Er wohnte mit seinem Bruder und Eltern direkt unterhalb der Siedlung Düsterohl, Eigentum, großer Garten, angrenzend an eine Tannenschonung. Wir unternahmen viel zusammen, gingen zu verschiedenen Konzerten der entstandenen Bands aus der Umgebung und säuberten den großen Garten der Eltern von Kaninchen, die sich in dem Bereich rasant vermehrten. Zuerst versuchten wir es mit Fallen, keine Chance, mit einem Kaninchendrahtzaun, sie buddelten sich darunter durch. Dann kam die Idee mein Luftgewehr einzusetzen. Und siehe da, die ersten Erfolge zeichneten sich ab. Ein Diabolo ins Genick, ein weiterer Schuss in den Kopf. Nach einiger Zeit konnte man merken, dass die Plage geringer wurde. Als Herberts Vater beim Umgraben seiner Beete noch auf ein ganzes Nest von jungen Kaninchen stieß, suchten sich die vermutlich restlichen Tiere ein neues Revier.
Jutta Steinbach
Während meiner Lehrzeit bei Bayer in Wuppertal und meinem Lehrabbruch war ich mit einem Mädchen namens Jutta Steinbach aus Hilgersbrücke befreundet. Sie lernte Bankkaufmann bei der Kreissparkasse in Wipperfürth. Ein sehr liebes Mädchen, immer adrett angezogen, Kostüm, also recht damenhaft, ich als äußeres Gegenteil mit etwas längeren Haaren, Nietenhosen, Pullover, Hemd, dazu nannte ich ein Paar Schuhe mein Eigen, leicht gammelig. Ihre Eltern und sie versuchten aus mir einen strebsamen Typ, häuslichen und für meine Begriffe „Langweiler“ zu machen. Das konnte und sollte nicht das wahre Leben sein. So beschloss ich, diesem Treiben nach ca. einem Jahr ein Ende zu bereiten. Meine Eltern verstanden mich mal wieder nicht.
Dietmar Schroiff
An dieser Stelle möchte ich von einem Jungen aus der Nachbarschaft in Wipperfürth berichten, Dietmar Schroiff, Einzelkind. Seine Mutter etwas überdreht, sein Vater taubstumm, und damit auf das Verstehen und das Entscheiden bestimmter Reaktionen auf seine Frau angewiesen. Vom Glauben her neuapastolisch, von der Erziehung getreu der Bibel, also eingebläute Prügel erhöhen die Selbstdisziplin. Deren Wohnzimmer blieb die gute Stube, kein Spielplatz für Kinder, Sessel und Sofa waren wegen Abnutzungsgefahr mit Kunststoffplanen überspannt. Dietmar stellte, wie viele andere Kinder schon einmal was an, dann drehte erst seine Mutter durch, erzählte das dem Vater, der dann, wie ein Tier durchdrehte und eine von innen von Dietmar abgeschlossene Tür mit der Axt aufschlug. Gewisse Dinge in der Kinderphantasie auszuleben ließen die Eltern nicht zu. Eigentlich war er sehr umgänglich, gelegentlich zu ehrgeizig etwas zu erreichen, meistens versuchte er es dem sogenannten schwächeren Geschlecht gegenüber mit Gewalt. Sein Erfolg bei Mädchen hatte eine traurige immer kurze Bilanz.
Eines Tages rastete er völlig aus. Er besaß seit kurzem seinen Führerschein, klaute sich den NSU 1000 TT, 1177 cm³, 65PS, seines Vaters, lud eine Obernutte aus einem benachbarten Dorf ein und zog durch die Lande.
Man hörte tagelang nichts von ihm, bis sich herausstellte, dass er Wohnwagen aufbrach, um mit seiner Begleitung darin zu übernachten, mögliche Lebensmittel zu stehlen, kurzum ein Durcheinander an zu richten. Die Polizei kam ihm zwar auf die Spur, erwischten ihn aber nicht, weil er jedes Mal mit dem schnellen Wagen seiner Eltern davonfuhr. Bei einer dieser Fluchten kaschte er mit dem Fahrzeug eine Leitplanke, durchfuhr einen Gartenzaun, beschädigte zwei andere Autos. Nach Wochen griff man ihn mit dem Mädchen und dem sehr ramponierten Wagen im Saarland auf.
Er absolvierte eine Ausbildung als Industriekaufmann, heiratete, zwei Kinder. Seine Frau kannte sein Vorleben und versuchte ihn im tiefen Glauben und auf die mütterliche Art zu recht zu biegen. Er hielt dieses Leben einer intensiven Beziehung nicht aus und wandte sich wieder dem horizontalen Gewerbe zu, er sagte mir einmal, er liebt das Geile.
Er war in seiner Firma in Remscheid Abteilungsleiter, einer Abteilung mit nur weiblichen Mitarbeiterinnen. Sie hatten sehr schnell raus, welche Kategorie Mensch er war, und verarschten ihn nach Strich und Faden, bis er in der geschlossenen Abteilung der Irrenanstalt in Remscheid –Lützinghausen landete.
Wipperfürther Originale
In Wipperfürth lebte ein sogenanntes Original, man nannte ihn „Fritz Putscher“, sein richtiger Name war Fritz Hamel. Er schleppte sein gesamtes Hab und Gut in Kisten und Tüten mit sich, hatte mehrere Mäntel und Hosen an, schlief irgendwo in einem Kellerverschlag. Wenn jemand ihm sagte: Fritz, die Russen kommen, schnappte er schnell seine Sachen, und lief davon. Die Kinder ärgerten ihn, und riefen Putscher, Putscher, und sie hatten ihren Spaß, wenn er seinen Stock schwang und drohte. Ich hatte einmal die Gelegenheit am Busbahnhof mit Fritz zu sprechen. Ich aß eine Bratwurst von der Bratwurstbude „beim Heinz“, als Fritz um die Ecke kam, und sehnsüchtig auf meine Bratwurst schaute. Ich besorgte ihm eine Wurst, und stand eine Zeit lang kauender Weise neben Fritz. Er stank unglaublich nach Tabak, Schweiß und anderen Ausdünsten. Ich fragte ihn, woher er stammte, was er so gemacht hat usw. Er schaute mich an, so als wenn er sagen wollte, ist dir das ernst? Dann fing er an zu erzählen, hörte sich seltsam an, eine Mischung aus Wipperfürther Platt und Hochdeutsch, mehr gemurmelt zwischen den Zahnstummeln hervorgequetscht. Seine Eltern und seine Brüder sind in der Kriegszeit von den Russen erschossen worden, das erklärt auch die panische Angst vor den Russen. Er war irgendwo verschüttet gewesen, wo, wusste er nicht. Früher hatte er Schafe gehütet und geschoren. Plötzlich hörte er auf zu erzählen, schnappt sich seine Siebensachen und verschwand schnellen Schrittes.
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An der Imbissbude „beim Heinz“ traf sich alles, was Rang und Namen hatte, denn hier bekam man die beste Currywurst, das beste Schaschlik, die beste Bratwurst in der gesamten Gegend.
Wenn man Neuigkeiten hören wollte, sei es das neuste Gerücht, Dinge die passiert waren und noch nicht in der Zeitung standen, dann war man hier an der richtigen Adresse. Selbst die Polizei schickte täglich mindestens einen ihrer Bratwurstliebhaber vorbei, und alles schien eine pure Selbstverständlichkeit zu sein. Manchmal kam man sich vor, in einem neutralen Terrain zu sein, selbst die Typen, die den „Grünen“ von Berufs wegen aus dem Weg gingen, standen dort Schulter an Schulter mit ihnen und zogen sich die Würste rein.
Esswettbewerbe standen hoch im Kurs. Wer schafft die meisten Bratwürste, wie viel Tafeln Schokolade verträgst du? Einer dieser Fressweltmeister war ein bulliger Polizist, der viele dieser „Wettbewerbe“ gewann, denn der Verlierer musste die gesamte Zeche zahlen. Der Budeninhaber Heinz kannte bereits seine Pappenheimer und kassierte direkt im Vorfeld von den Kontrahenten einen gewissen Betrag, um später nicht auf einem Minus sitzen zu bleiben, und man sich auf seine Kosten satt gegessen zu haben. Keiner hatte etwas gegen diese Praktik.
Ich war einmal Zeuge, wie der bullige Polizist in einer bestimmten abgestoppten Zeit 12 Tafeln Schokolade vertilgte. Als er damit fertig war, trank er als Absacker einen Magenbitter und verlangte direkt als Hauptspeise noch eine Bratwurst. Unglaublich…..
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Ein weiteres „Original“ hieß Katzenmama. Eine sehr schrullige Frau, strähnige Haare, etwas schmierig. Sie wohnte in unserer Siedlung, die Wohnung voller Katzen. Sie nahm alle streunenden Katzen auf, die sich dann mit denen in der Wohnung vermehrten. Der Vorteil, eine gewisse Inzucht wurde ausgeschlossen. Die Nachbarn beschwerten sich regelmäßig über den beißenden Gestank. Das Ordnungsamt hatte einmal über 40 Katzen abholen lassen, aber kurz darauf fing die Aufzucht von neuem an. Einmal beobachtete ich diese Frau, als sie im Sperrmüll herumwühlte. Sie hielt sich einen riesigen rosanen BH an die Vorderfront und meinte, der passt. Ich glaube, da hätte sie zwei Mal hineingepasst. Vielleicht wurde der BH als Katzenschaukel zweckentfremdet, wer weiß.
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Wenn ich schon von außergewöhnlichen Menschen erzähle, dann möchte ich den „Dröppelhennes“ nicht vergessen. Ein Rentner, der jeden Vormittag, wenn die Wirtschaften öffneten, die Schalen unter den Bierzapfhähnen leerte und das „Dröppelbier“ trank. Jeder kannte ihn, die Wirte warteten bereits auf den Moment seines Kommens, denn dieser Augenblick gehörte zu den täglichen Ritualen der Kneipen, natürlich auch um die verschiedensten Späße mit dem Hennes zu treiben. Der ließ sich nicht beirren, zog seine allgemeine Frühstücksrunde, war nachher stink besoffen, denn das ein oder andere Schnapspinchen entleerte sich zufällig in dem Dröppelbier, um die „Umdrehungen“ zu erhöhen.
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Es gab noch so einen recht merkwürdigen Typ. Ein älterer Mann, Atomatenhannes, immer sauber und adrett angezogen, roch sehr stark nach parfümierter Seife. Ein Rentner, der regelmäßig Tag für Tag die Wirtschaften aufsuchte, die einen Geldspielautomaten aufgestellt hatten. Er wartete so lange, bis verschiedene Spieler viel Geld in den Automat steckten, ohne zu gewinnen. Bei ihm dauerte es nicht lange, er bekam seine „Serie“, und leerte mit viel Vergnügen den Automaten, bezahlte sein Getränk und suchte die nächste Kneipe auf. Mit verschiedenen Wirten und Gästen bekam er bereits Ärger. Die Wirte verdienten nichts am Geldautomat, die Gäste verloren nur. Man drohte ihm mit allem möglichen, er ließ sich nicht beirren. Einige Wirte versuchten ihm Betrug anzuhängen, er bekam Hausverbot, aber es nützte nichts. So lange man ihm nichts beweisen konnte, waren sie machtlos. Bei Hausverbot holte er sich sogar eine amtliche Verfügung, die dann besagte, dass er die gleichen Rechte hätte, wie andere Gäste auch. Die Sachlage änderte sich, als die Automatenaufsteller andere Generationen von Spielgeräten besorgten.
Von einem weiteren interessanten Typ aus Wipperfürth möchte ich noch berichten. Achim Weidmann, ein Allround-Typ, jemand, der zu jeder Zeit auffiel. Er war der erste von allen jungen Leuten, dessen Haarpracht bis unter den Hintern gewachsen war. Provozierend fuhr er mehrere Stadtrunden auf seinem Mofa, hatte am Lenkrad einen übergroßen Spiegel montiert und bürstete mit einer Inbrunst seine Haare und sang dabei ein Lied. Klar, dass dies ein Hingucker war. Er arbeitete bei der Müllabfuhr und stand hinten auf dem Trittbrett der Müllfahrzeuge. Selbst dann, wenn es keine Mülltonnen zu leeren gab, hielt er sich mit der einen Hand an der Haltestange fest, mit der anderen Hand bürstete er seine Haare im Fahrtwind. Ich muss sagen, es sah schon sehr grotesk aus. Seine Leidenschaft galt der Musik, denn er spielte in einer Band, die hauptsächlich Undergroundmusik produzierte. Er meinte immer, er wäre der große Sänger, und zog auch am Mikrofon eine Show ab, selbst dabei bürstete er seine Haare. Insgesamt war er ein umgänglicher Typ, schade, er starb mit 42 Jahren an einem Herzinfarkt.
Hier endet meine Originalenrunde aus Wipperfürth. Von solchen Typen lebt eine Stadt, hierdurch entstehen Geschichten, die gerne weiter erzählt werde. Inzwischen ist bekannt, dass man dem Fritz Putscher zum nächsten offiziellen Hansetag ein Denkmal setzen will.
Mein erstes Auto
Ich schaffte meine Führerscheinprüfung, musste aber die theoretische Prüfung wegen zu vieler Fehler zwei Mal machen. Aber geschafft heißt, ein Auto wird die nächste Anschaffung sein.
Zwischenzeitlich begann ich meine neue Lehrstelle bei der Fa.Frickenhaus in Wuppertal-Ronsdorf.
Am 19.November 1970 musste ich zur Bundeswehrmusterung nach Bergisch-Gladbach, Ergebnis volltauglich, außer für Gebirgsjäger.
An diesem Tag sah ich in Bergisch Gladbach mein erstes Auto stehen, ein Ford-Taunus 12mP4, 40 PS, Kaufpreis 400,-DM. Der Händler meldete das Fahrzeug an, ein paar Tage später holte ich es ab. Was war ich stolz, Besitzer eines eigenen Fahrzeugs, Lenkradschaltung, Liegesitze, ideal für einen jungen Mann wie mich.
Ein Wiedersehen
Das gleiche Mädchen, Brigitte Hembach, welches uns damals zur Klassenfete nach Böswipper eingeladen hatte, traf ich in Wipperfürth am Busbahnhof. Sie wusste von meinem Plan, wenn ich ein Auto habe, komme ich bei Rita wieder vorbei. Sie animierte mich dazu nach Jedinghagen zu fahren, begleitete mich und suchte Rita zu Hause auf, während ich in der Kneipe auf der Hütte auf beide wartete. Es war ein wirklich seltsamer Moment. Wir saßen uns gegenüber und wussten nicht so richtig, ins Gespräch zu kommen. Ein paar harmlose Floskeln, ein schüchternes Abtasten, aber ich denke, beide merkten, dass da noch ein paar Gefühle zu einander vorhanden waren. Tatsächlich sahen wir uns öfter. Sie absolvierte inzwischen eine Banklehre bei der Volksbank in Gummersbach. Unsere Treffen wurden natürlich mit Hilfe des Autos erleichtert.
Besuch bei Baldauf´s
Einer von Rita`s Arbeitskollegen hieß Detlef Baldauf, verheiratet, ein noch ganz kleines Kind, seine Frau rothaarig, zur Zeit wohnhaft in einer Dachgeschoßwohnung in Gummersbach-Windhagen. Zusammen mit einem anderen ihrer Kollegen, Klaus Wolff, besuchten wir Familie Baldauf. Ich glaube, es war ein Geburtstag, aber so genau bekomme ich diese Einzelheiten nicht mehr zusammen. Zumindest hatten wir viel Spaß, lachten, tranken und waren richtig in Stimmung. Die Uhr zeigte auf ca 21.45 Uhr, als wir uns verabschiedeten, um nach Hause zu fahren. Wir mussten eine Treppenhausholztreppe nach unten zur Haustür gehen, Klaus Wolff wollte als erster die Haustür öffnen und suchte nach der Türklinke. Ohne Zweifel, die Klinke fehlte, auch sonst hatten wir keine Möglichkeit die Tür zu öffnen. Wir informierten Detlef, und fragten, ob er sich mit uns einen Scherz erlauben wollte? Er klingelte unten bei den Hauseigentümern, es öffnete sich die Tür und wir konnten kaum glauben, was wir sahen. Der Vermieter stand vor uns, hinter ihm seine Frau, sie keifte, von wegen später Besuch, das wäre nicht erlaubt, sie hätten auch ihre Rechte usw. Der Mann pflichtete seiner Frau nur bei, aber was war das für ein Anblick? Wie in einem Gruselkabinett, der Mann hatte eine Halbglatze, die Ohrenmuscheln angeklebt, dem einen Auge fehlte der Glaseinsatz, man sah nur die Augenhöhle, lange vollbepisste Unterhose, darüber ein halblanges, an den Seiten geschlitztes, schmuddeliges Nachthemd. Seine Frau, halblanges beflecktes Nachthemd, darunter guckten zwei Krampfaderstampfer hervor. Wir mussten erst einmal diesen unglaublichen Anblick verdauen, bis wir ihm mit der Polizei drohten, von wegen Freiheitsberaubung und dergleichen. Er erhielt von uns fünf Minuten, um dieses Hindernis zu beseitigen. Vor lauter Erstaunen über so viel Unverfrorenheit fingen wir erst viel später an zu lachen und kriegten uns lange nicht mehr ein.
Erster Besuch und Seehaus Nanny
Weihnachten 1970, erster offizieller Besuch bei Sauermann`s in Jedinghagen. Es war Schaulaufen ersten Grades. Der Musterung von Rita`s Geschwistern und deren Eltern hielt ich als Evangelischer in einer erzkatholischen Familie stand. Bald gewöhnten sich alle an meinen Anblick, als sich rausstellte, dass diese Angelegenheit ernster wird.
Wir gingen oft im „Seehaus Nanny“ an der Lingeseetalsperre tanzen. Eine Discothek für jung und alt, DJ war Peter Hallmann, der später als nachträglich gelernter Koch das Haus von seinen Eltern übernahm und mit seiner Frau daraus einen gut gehenden Hotel-Restaurantbetrieb aufbaute.
Am Anfang legte Peter mittwochs, samstags und sonntags Musik auf, präsent waren immer die gleichen Leute, ein insgesamt angenehmes Publikum.
Rita gewann einmal einen Geldpreis bei irgendeinem Rätselspiel. Es folgten viele Sylvesterfeiern im Seehaus Nanny, wie auch dieses 1970/71, als ich meine Schwester Marianne, die in Wipperfürth bei den Eltern ihre Ferien verbüste, mit zum Feiern brachte. Sie lernte dort Roswitha Rausch, heute Jenniches, kennen, die sich anbot Mariannes Examenarbeit auf der Schreibmaschine zu tippen.
Toupéjäger
Irgendwann im Frühjahr 1971, wir Wipperfürther machten uns auf, in der Nacht vom Seehaus Nanny mit unseren Autos nach Hause zu fahren. Rainer Steppahn, genannt der Toupéjäger, sollte als Nachtblinder vorausfahren. Er hatte kurz vorher mit einem Mädchen Streit, weil sie ihm kräftig in seinem vermeintlichen sehr dicken Kopfbewuchs in den Haaren ziehen wollte, und auf einmal die gesamte Frisur in den Händen hielt. Ein Aufschrei, sie ließ den Skalp fallen und lief davon. Rainer stülpte sich das zerknüllte Etwas auf den Kopf und rannte wutentbrannt zu seinem Wagen. Erst guckten sich auf der Tanzfläche einige verdutzt an, dann brach ein allgemeines Gelächter los.
Die Wipperfürther folgten dem vorausfahrenden Rainer Steppahn und sahen gerade noch, wie sich dessen Fahrzeug in der Rechtskurve vor Gogarten drehte, stand, langsam rückwärts die Böschung hinunterfuhr und auf einem Baumstumpf hängen blieb.
Wir spannten mehrere Fahrzeuge vor Steppahns Auto, um ihn aus der Misere zu befreien. Es klappte nicht, da konnte nur ein Traktor helfen, oder ähnliches. Die Kupplung meines 12m verabschiedete sich bei dieser Aktion, ich musste sie in den nächsten Tage erneuern.
Leckerer Kuchen
Wir gingen gerne in ein Konditorei- Cafe, um uns dem leckeren Pflaumen- Kirschkuchen zu widmen. Gerade in der Pflaumen- Kirschzeit, ein frischgebackener, duftender Kuchen mit geschlagener Sahne, welch ein Genuss. Dazu einen leckeren Kaffee, oder, wenn es so etwas gab, eine echte heiße Schokolade mit viel Sahne. Ich berichte hier aus einer Zeit, in der das Kirsch – oder Pflaumenstein – Spucken oder Schibbeln zum guten Ton gehörte. Naja, wenn man dieses Obst aus der Tüte aß, war es selbstverständlich mit dem Weitspucken eine Art sportlichen Wettkampf zu veranstalten. Aber etwas anderes sollte es sein, in einem guten Cafe ähnliche Ambitionen zu veranstalten. Es gehörte bald zum guten Ton, dass man bei gedeckten Pflaumen oder Kirschkuchen auch den ein- oder anderen Stein im Kuchen fand, und dann war es eine Ehre, dem Bäcker zu demonstrieren, dass so etwas nicht in einen Kuchen gehörte. Ich hatte manchmal den Eindruck, als wenn da mancher Stein so ganz zufällig extra hineinwanderte, denn diese Kuchen besaßen einen Kultcharakter. Man stelle sich vor, das Cafe war vollbesetzt, viele Damen der hüteren Oberschicht beehrten mit ihren Freundinnen die Konditorei, wir, die etwas jüngeren Gäste saßen wie gewohnt im hinteren Eck und aßen natürlich unseren Kultkuchen. Einige der Stücken hatten doch tatsächlich eine Einlage, also ab auf den Löffel und ins Lokal geschibbelt. Man höre ein Schrei, und einer der Steine flog in die Kaffeetasse mit Sahne einer der vornehmen Damen und bespritzte dadurch das gesamte Dekolletee mit geschlagener Sahne. Leichte Sahnehäubchen rutschten ganz langsam in den etwas gewagteren Ausschnitt.
Meine Güte, was hat die Frau einen Aufstand gemacht, sie wollte sogar die Polizei rufen. Wir saßen ganz ernst vor unserem Stück Kuchen und verstanden die ganze Aufregung überhaupt nicht.
Göttingen/Kassel
Im April besuchten Roswitha Rausch, Rita und ich meine Schwester Marianne in Göttingen, wo sie studierte. Sie wohnte mit Ihrer Freundin Ellen Rock, genannt Mäusi, in einer WG.
Die Rücktour endete bereits in Kassel, Ampel, anfahren, stehen bleiben, nicht mehr weiter. Wir schoben mein Auto zu einer in der Nähe befindlichen Tankstelle. Diagnose: Getriebeschaden, Scheiße.
Mit unserem letzten Geld fuhren wir per Bahn nach Göttingen zurück. Marianne lieh uns Geld, damit Rita und Roswitha mit der Eisenbahn bis nach Marienheide fahren konnten. Von da ließen sie sich abholen. Ich fuhr am nächsten Tag nach Kassel und ließ den 12m zu einer Fordwerkstatt schleppen.
Der Abschleppwagen befestigte eine Abschleppstange an meinem Auto, ich saß darin und lenkte während des Schleppens mit. Meine Güte, was donnerte der durch Kassel, ich dachte, dass mein Auto auseinander bricht. Die Fordwerkstatt reparierte den 12m in der folgenden Woche, während ich nach dem Schleppen erst einmal wieder mit dem Zug nach Hause fuhr, um am folgenden Freitag mein Auto ab zu holen. Dies war ein sehr teures Wochenende.
Unser Autounfall
Den 5.Juni 1971 erlebten Rita und ich als einen denkwürdigen Tag, den wir wahrscheinlich nie vergessen werden. Wir wollten in Wipperfürth Schuhe kaufen. Ich holte Rita in Jedinghagen ab und fuhr durch Marienheide über die Bahnschienen bei der Fa. Rüggeberg. Am Ortsausgang in Richtung Wipperfürth, links vorbei an der ARAL-Tankstelle fuhr vor uns ein Porsche, der plötzlich Gas gab. Wir versuchten ihn ein zu holen, dabei unterschätzte ich die leichte Rechts-, dann die Linkskurve, die Straße war feucht, der Wagen fing an nach links zu schleudern, Lenkrad herum-gerissen, rechts gegen die Leitplanke und auf zwei Rädern nach links geneigt durch eine entgegenkommende Autoschlange, mit der Front in der Wiese in den Dreck gekracht und auf dem Dach liegen geblieben. Dadurch, dass beide Seitenscheiben wegen des warmen Wetters heruntergekurbelt waren, flog Rita halb aus dem Wagen, mit dem Kopf eingeklemmt unter dem Dach in der Wiese, die Beine im Wagen, ich wurde hinausgeschleudert. Sie schrie vor Angst, ich konnte mich nicht bewegen, ich bekam keine Luft. Bald liefen die ersten Leute heran und halfen Rita aus der Klemme, ein Mann drehte auf mein Anraten den Zündschlüssel raus, damit die Zündung aus war. Der Krankenwagen kam, lud uns beide ein, zuerst Rita dann mich. Der Krankenwagenfahrer roch fürchterlich nach Fusel. Mich legten sie auf eine Trage, den Kopf nach unten hängend, noch einmal anders gelegt, und los ging die Fahrt. Ich rutschte auf der Trage im Krankenwagen hin und her und hatte dadurch große Schmerzen.
Im alten Krankenhaus unserer Stadt mussten Rita und ich lange in der Unfallaufnahme warten, bis sich mal jemand um uns kümmerte. Rita blutete am Kopf, der immer mehr anschwoll, die rechte Hand war gebrochen. Ich hatte geprellte Rippen und ein ganz dickes Knie. Zwei Pflegekräfte in der Nähe beschwerten sich lautstark, dass sie wieder keine vernünftige Pause hätten. Die Erstversorgung gehörte in die Kategorie ungenügend, reine Katastrophe. Rita sollte aufstehen, kippte aber direkt wegen einer sehr starken Gehirnerschütterung um. Sie musste im Krankenhaus bleiben. Ich wurde wegen meiner Rippen geröntgt, mein Knie schaute sich ein Arzt an, sagte Bluterguss, ich könnte gehen, gab mir einen Taxischein, ich solle mir ein Taxi suchen. Das Problem war, ich konnte nicht laufen, sondern nur auf einem Bein hinken. Diese Situation bekam ein Taxifahrer mit und schimpfte mit den herumstehenden Schwestern und dem Arzt von wegen Sauladen usw.
So endete unser Schuhkauf in der entgegengesetzten Richtung.
Einer meiner Freunde, Helmut Friedrichs, übernahm in der darauffolgenden Zeit den Fahrdienst mit seinem weißen 1300 er VW-Käfer. Ob ich Rita im Krankenhaus besuchte, oder einen Arzttermin hatte, er fuhr mich überall hin. Meine Knieverletzung war doch schlimmer, als die Ärzte anfänglich vermuteten. Eine spätere Nachmusterung bestätigte das Kreiswehrersatzamt mit der Ausmusterung. Rita hatte unter den Folgen des Unfalls noch lange zu leiden, das seelische Gleichgewicht geriet doch außer Kontrolle. Mit der Zeit lernte sie aber die Situationen besser ein zu schätzen und damit „ zu leben“.
Der Zustand meines Autos gehörte unter den Zustand des Totalschadens. Aber einige meiner Bekannten meldeten sich zwecks Ersatzteile an, und so verkaufte ich den Schrotthaufen in Einzelteilen. Die neuen Reifen und die Liegesitze verkauften sich wie lecker Bier, die Hochleistungszündspule und verschiedene neue Schläuche und Zündkabel brauchte ich kaum an zu bieten. Das Benzin wurde mit Kanistern abgezapft. Übrig blieb ein mehr oder weniger ausgeschlachtetes Relikt aus früheren Zeiten.
Die Staatsanwaltschaft verurteilte mich wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20,- DM Tagessatz auf 20 Tage, das hieß, bei nicht Bezahlen 20 Tage Gefängnis. Dazu kam ein Bußgeld wegen ungebührlichem Benehmens im Straßenverkehr, die Abschleppkosten und die Liegegebühr auf dem Schrottplatz. Dagegen stand mein Lehrlingsgehalt von 150,-DM und die Einnahmen vom Einzelteilenverkauf des Autos. Im Endeffekt fehlten mir 130,-DM. Als Ersten fragte ich meinen Chef in Wuppertal, ob er mir das Geld vorstrecken könnte.
Er stand vor mir, einen ganzen Kopf kleiner, schaute zu mit hoch, grinste mich an, sein ganzes Gesicht von einem Ohr zum anderen verzog sich dabei, sein süffisanter Satz lautete:
Zitat Wort wörtlich: "Geld verleih ich nicht, aber Sonderurlaub für den Knast kannst Du beantragen."
Da stand ich nun mit meinem Talent, wo sollte ich das Geld hernehmen?
Ich lieh mir diesen Betrag zusammen, um nicht eingesperrt zu werden.
Rita erhielt über meine Versicherung einen nicht unerheblichen Betrag als Schmerzengeld.
Von nun an arbeitete ich nebenbei in einer Tankstelle, Wagen waschen, Ölwechsel, kleinere Reparaturen, zusätzlich Sonntagsdienst für das Tanken. Auf die Art und Weise konnte ich mir einige Märker wieder zusammenkratzen, um meine Schulden zu bezahlen und einen anderen Wagen zu kaufen. Diesmal erstand ich einen VW-Käfer, Baujahr 1959, 30 PS, 200,-DM, Farbe weiß. Der Motor verreckte auf der Autobahn in der Nähe von Siegen, auf der Rücktour von Giessen mit meinen Eltern im Auto. An einem Feiertag in einer naheliegenden Tankstelle bauten Heinz M., Ritas Bruder und ich einen anderen Motor ein, 34 PS, machte einen guten Eindruck. Zur Bezahlung bei der Tankstelle für das Überlassen der Montagehalle ließ ich den noch ganz neuen Auspuff des kaputten Motors da, denn der passte nicht an den 34PS-Motor. Ein paar Mal ließen wir das Auto nach dem Motoreinbau einen Berg zwecks Anspringen hinunterrollen, zweiten Gang einlegen, klappte nicht, wieder hinaufschieben, das gleiche wiederholen, bis der Motor ansprang.
Mein Vater besuchte seine Schwester Grete und seinen Bruder Hans in Freigericht, ein Kaff in Hessen. Rita und ich fuhren ihn mit dem Auto dahin. Während mein Vater bei seinen Geschwistern blieb, schauten Rita und ich uns die Gegend an. Der Ort Linsengericht hatte es uns angetan, es gab kaum ein Richtungsschild, die eine Straße endete an einem Acker, vor einem Bauernhof neben einem tiefen Straßengraben. Ich sah im Rückspiegel die Hofeinfahrt über diesen Graben, verschätzte mich beim Rückwärtsfahren und hing mit dem Heck meines Käfers im Graben. Der Bauer fuhr mit seinem Trecker vom Hof, sah die Bescherung und zog meinen Wagen aus dem Graben. Er sagte: Das kostet Sie 10 DM. Sprachs und hielt die Hand auf.
Diesen VW-Käfer nahm ich im Laufe der nächsten Zeit komplett auseinander, ersetzte viele neue (Gebrauchte Teile vom Schrottplatz) Teile, lackierte ihn von innen und außen in Porscherot, und war stolz wie Oskar.
Rita bestand im November 1972 ihre Führerscheinprüfung und konnte somit hin und wieder das Auto von ihrem Vater nutzen.
Wir beide bestanden unsere Abschlussprüfungen der Ausbildung. Bei mir stand noch eine ganz wichtige Angelegenheit bevor, die Färbertaufe.
Fa. Frickenhaus in Ronsdorf
Diese Färbertaufe ist noch ein Relikt aus alten Färbertagen, wurde aber in Wuppertal, als alte Textilstadt, regelmäßig praktiziert.
Ein großer Färbekessel wird voll lauwarmen Wassers gefüllt, die Pumpe auf Höchstleitung, so dass in der Mitte ein hoher Strahl entsteht, man wird an Armen und Beinen in Arbeitsmontur in das Becken geschmissen und hat keine Chance alleine wieder heraus zu kommen, die Pumpe mit dem Wasserstrahl hält den Badenden in der Höhe. Allgemeines Gelächter und viel Spaß. Irgendwann hatte jemand ein Einsehen und stellte die Pumpe ab. Anschließend war zünftiges Feiern angesagt. Färber haben meistens viel Durst, sind raue Seelen, veranstalten des Öfteren auch diverse Dummheiten.
So an diesem Tag, Feierabend, Essen und Trinken, alles sitzt zusammen und wartet darauf, dass der Heizer der Kesselanlage seinen berühmten Feierabendschlaf nach dem Genuss diverser alkoholischer Getränke vornimmt. Er hatte immer einen gewissen Pegel intus, erhöhte er ihn bei diversen Feiereien, baute er schnell ab. Auf einer Bank im Kesselhaus, eingerollt in eine Decke, war sein lautes Schnarchen nicht zu überhören. Der Betriebsschlosser, Herr Brucherseifer, besorgte eine rosa Schleife, zwei andere Kollegen zogen dem Heizer die Hosen runter und banden die Schleife um einen, man staune, fast schwarzen Penis. Ein Bild der Götter. Dieses schwarze Gebilde war wirklich eine Seltenheit.
Am nächsten Morgen zu Arbeitsbeginn um 7.00 Uhr versammelten sich alle Kollegen frühzeitig um der Weckzeremonie bei zu wohnen. Welch eine groteske Vorstellung, da standen nun mehrere erwachsene Männer im Halbkreis um den Kohlenhaufen und der daneben stehenden Bank, der Vorarbeiter nahm einen Eimer Wasser und kippte ihn langsam, aber liebevoll, auf den Kopf des Schläfers. Was dann geschah konnte Film reifer nicht sein. Der Heizer kapierte schnell die Situation, brüllte, sprang hoch, seine Hose rutschte ganz runter, das rosa Schleifchen kam wunderbar zur Geltung, er griff sich ein paar Kohlen und schmiss sie in unsere Richtung, ihr gemeinen Hunde und sonstige wundervolle Ausdrücke fluchte er in der Gegend herum….
Von diesem Moment sprach man noch lange.
Einer meiner Kollegen hieß Robert, ein Arbeiter, der einem der älteren Färber zugeteilt war. Er hatte unglaubliche Kräfte, konnte unglaublich was essen und trinken, wenn er sich aufregte, stotterte er und lief rot an. Wenn es um richtige Muskelarbeit ging, sei es mit dem Vorschlaghammer eine Wand weg schlagen, oder schwere Salzsäcke schleppen, dann war Robert in seinem Element. Leider durfte er keinen Schnaps trinken, die Wirkung erzeugte bei ihm eine dermaßen intensive Nichtbeherrschung, dass man besser einen großen Bogen um ihn machte.
Ein LKW mit einer Hydraulikladerampe lieferte ein großes Eisenfass mit Natronlauge und einige Säcke Chlorkalk zum Bleichen. Robert und noch zwei Kollegen halfen mit einem Hubwagen beim Abladen. Plötzlich verkantete sich das Eisenfass auf der Laderampe des LKW, kippte um und platzte auf. Einen Teil der Natronlauge schwappte über Robert auf die Strasse. Die Lauge erwischte ihn im Gesicht, an den Armen und Händen. Schnell wurde er in voller Montur unter die Dusche gestellt, um die Natronlauge zu neutralisieren. Die Blasenbildung im Gesicht, an den Armen und Händen konnte nicht verhindert werden. Die Arbeitskleidung kam sofort auf den Müll.
Er klagte viel über starke Kopfschmerzen und nahm im Laufe der Zeit immer stärkere Schmerzmittel ein. Eines Tages drehte er wegen seiner Kopfschmerzen total am Rad. Wir hatten Feierabend, kamen in den Umkleideraum und sahen Robert, wie er gerade seinen Spint mit der Toilette verwechselte. Kurz danach brach er zusammen. Ein Krankenwagen holte ihn ab. Von da an kam er nicht mehr arbeiten, die Ärzte diagnostizierten einen Hirntumor direkt um die Hauptblutzufuhr des Gehirns. Vier Wochen später verstarb er, er hinterließ Frau und Kind.
Mein direkter Färberkollege mit Namen Rudi, von dem ich hauptsächlich färben gelernt hatte, ging seiner liebsten Nebenbeschäftigung nach. Er jagte gerne die Ratten, die in der Färberei schon mal aus den alten Rohrleitungen auftauchten. Aber die Viecher ließen sich nicht so leicht überlisten. Rattengift auf ein Wurstbrot geschmiert ignorierten die Biester nach einiger Zeit. Die wollten etwas Leckeres zu fressen haben und fraßen gerne stinkendes älteres Fleisch vom Metzger, was der so wie so in die Mülltonne beförderte. Der Metzger brachte in einem Eimer das Zeug selbst vorbei. Das Stinkzeug wurde in der alten Halle neben der Farbküche platziert. Ständig schaute einer der Kollegen durch einen Spalt der Tür und passte auf. Überall in der Färberei hingen Druckschläuche mit Wasserdampf, um damit sehr schnell die Farblösungen im Eimer zu erhitzen und auf lösen. Endlich zeigten sich zwei Ratten, wir ließen sie fressen, sie verschwanden und kamen nach ca. einer halben Stunde zu dritt wieder. Darauf hatten alle gewartet. Zwei Kollegen nahmen je einen Wasserschlauch zur Hand und trieben die Ratten in die Färberei, die anderen standen an den Dampfdruckschläuchen und jagten einige Atü heißen Dampf auf die Ratten. Ein lautes Gekreische und Geschrei gaben die von sich. Lange Zeit sahen wir keine Ratten mehr in unserer Werkshalle.
An den großen Zentrifugen für nasse Kreuzspulen (Platz für ca. 2to Material) arbeitete Gustavo, ein Spanier. Ein lieber netter Zeitgenosse, der in Wuppertal ohne seine Familie aus Spanien in einem möbilierten Zimmer sehr sparsam lebte. Ein Mal im Monat fuhr er nach Wuppertal-Elberfeld in ein Bordell. Wenn er Urlaub machte, dann meistens 6 Wochen incl. unbezahlter Zeit. Er kam dann immer gut gelaunt aus Spanien zurück, und erzählte, er hätte wieder für Kindergeld gesorgt, das achte Kind wäre unterwegs.
Die Auftragslage war gut, viele eilige Aufträge mussten erledigt werden, wenn nötig auch mit Überstunden. Die großen Zentrifugen arbeiteten im Dauereinsatz, eins der Geräte machte komische Geräusche. Gustavo meldete dies dem Betriebsschlosser, der beratschlagte sich mit dem neuen Chef, Gerald Frickenhaus. Man beschloss eine Generalüberholung am kommenden Samstag vor zu nehmen, also noch 2 Tage Arbeit mit diesen Geräuschen.
Donnerstag, kurz vor der Mittagspause um 12.30 Uhr, die riesigen Zentrifugen wurden bis zum Rand bestückt, um den Inhalt noch vor Mittag zu Schleudern. Gustavo stellte die Zeitschaltuhr auf 15 Minuten und ging wie alle anderen Kollegen in die Pause. Kaum hatten alle die Werkshalle verlassen, gab es einen Ohren betäubenden Knall, die rechte große Zentrifuge riss aus der Verankerung und schoss senkrecht durch das Glasdach der Halle und donnerte wie ein Fels wieder nach unten, durchschlug den Fußboden und verkeilte sich im Keller. Keinem der Leute passierte etwas, alles war nur fassungslos.
Helmut und ich in Holland
Rita und Freundin Roswitha verbrachten ein paar Tage in Österreich. Gleichzeitig nutzten Helmut Jenniches und ich eine Fahrt nach Holland. Wir landeten zuerst in Amsterdam.
Um uns die Stadt zu Fuß an zu sehen, stellten wir meinen Käfer in der „Reguliersgracht“ ab. Ich dachte noch, hier sehen die Straßen und Grachten alle gleich aus, gut sich den Namen zu merken.
Nach einigen Stunden Stadtlauf und der nötigen Schwere in den Beinen wollten wir zum Wagen zurück.
Aber wir fanden das Auto nicht und fragten Passanten, Kopfschütteln, Schulterzucken, mitleidiges Ansehen. Wir konnten es einfach nicht begreifen. Ein Taxifahrer half uns beiden aus der Klemme und erklärte, dass wir mit dem Auto mitten im Puff ständen. Na gut, aber wie finden wir dahin? Er erklärte uns den Weg, und tatsächlich, da stand noch mein roter Käfer inmitten von roter Beleuchtung. Einige Damen ließen ihre Vorzüge aus dem Fenster hängen, andere machten interessante Sonderangebote, diese Freizügigkeit waren wir nicht gewöhnt, Helmut bekam ganz hektische Flecken, mir gefiel dieses Schaulaufen auch nicht.
Unser Ziel war der Vondelpark, wo Gammler sich einen Schlafplatz suchen können und Schließfächer für das Gepäck bereit stehen. Tolle Einrichtung. Ich glaube, wenn es eine Gammlerzunft gäbe, gehörten Helmut und ich zu der Kategorie Außenseiter, denn kein Gammler hatte ein Fahrzeug zur Verfügung.
Unter einem Baum mit tief hängenden Ästen richteten wir unseren Schlafplatz ein. Überall rauchte man Haschisch und Marihuana, einige der Leute musizierten, sangen, tanzten. Leichter Bodennebel kam auf, die Tanzenden wirkten sehr gespenstisch, man sah manchmal wegen des Nebels nur sich bewegende Köpfe oder Oberkörper, die Beine verschwanden in den Dunstschwaden. Dieses Spektakel dauerte bis in die frühen Morgenstunden.
Am nächsten Morgen setzten Helmut und ich uns auf eine nahe Parkbank, um zu frühstücken. Wir packten ein Stück Brot aus und aßen dazu Ölsardinen. Dazu tranken wir den Rest aus der Colaflasche. Nach und nach schälten sich die ersten Gestalten aus ihren Schlafsäcken und sahen uns essen. Wie schnell wir doch ein paar Leute kennenlernten, auch wenn es nur über ein paar Krumen Brot zur Kommunikation kam. Einige meinten, so gut hätten sie schon lange nicht mehr gegessen, man sah es ihnen an, die hatten mehr als Hunger.
Unsere Fahrt führte uns über Rotterdam nach Ütrecht und weiter an der Nordseeküste entlang, Richtung Oldenburg und zurück auf die A1 nach Hause. Unterwegs auf der Autobahn gab es durch einen Unfall ein Stop and Go. Plötzlich schepperte es hinter uns, durch meinen Käfer ging ein kleiner Ruck. Ich sah im Rückspiegel eine Ente, ein 2CV4, der sich mit seinem Kotflügel in dem meines Käfers verheddert hatte. Der Citroen gehörte einem Bundeswehrsoldaten, der während des Stop and Go – Fahrens eingeschlafen war. Wir befreiten seinen Wagen vom Käfer und konnten nicht verhindern, dass sich dabei die Stoßstange vom 2CV4 löste, die wir ihm auf die Rückbank seines Vehikels legten. Am Käfer entstand kein Schaden.
Urlaub in Italien
Rita und ich fuhren mit der Eisenbahn nach Pietramurata, einem Ort in Italien zwischen Trento und Riva am Largo de Garda. Onkel Günter aus Giessen besaß dort ein altes Bergbauernhaus, welches er zu Urlaubszwecken umgebaut hatte.
Wir fuhren mit der Bahn bis Trento, dann weiter mit dem normalen Linienbus nach Pietramurata. Uns wurde gesagt, von der Busstation bis zu dem Haus sind es nur ein paar Meter. Den Schlüssel sollten wir erst unten an der Hauptstraße in der Wirtschaft abholen, da versuchte man uns mit zu teilen, dass der Schlüssel bei dem Lebensmittelhändler am Privathaus ab zu holen wäre, wir sollten nach dem Schlüssel von „Casa Kamrath“ fragen.
Es war sehr heiß, uns steckte die lange Fahrt in den Knochen, wir waren durstig und müde. Das Haus erkannte man von weitem in dem Berg oberhalb des Dorfes. Wir sahen den Weg nach oben, dachten, es sind doch nur noch ein paar Meter. Das dies aber ein Serpentinenweg ist, also mit den verschiedensten Kurven, mal nach rechts dann links, erzählte uns keiner. Wir zählten die Schritte, denn unser Gepäck, entsprechende Koffer und Taschen mussten da hinauf geschleppt werden. Am Anfang alle 50 Schritte Rast, dann alle 30 Schritte, 20 Schritte. Was waren wir kaputt und sauer zu gleich, von wegen ein paar Meter.
Aber dann gelangten wir oben an. Wir sahen das Haus, den Eingang, sahen uns an, wieder das Haus, und wirkten im Moment total enttäuscht.
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So hatten wir uns das Haus nicht vorgestellt. Uralte Mauern aus Feldsteinen, 1 Meter dick, kein Baum, etwas Gestrüpp, kein Vogel zwitscherte, Wildnis, Einsamkeit.
Naja, jetzt wollten wir aber das Beste daraus machen und schlossen die Tür auf und waren positiv überrascht, über diese Einrichtung. Gemütliches Wohnzimmer mit Ausblick über das Tal, geräumiges Schlafzimmer, gute Küche, das Wasser pumpte bei Öffnen des Wasserhahns nach oben, Badezimmer. Hier konnte man sich einrichten.
Wir besichtigten das Dorf, gingen in dem Lebensmittel-allround-Laden einkaufen. Der Besitzer verstand etwas Deutsch, weil er eine Zeit in Deutschland gearbeitet hatte. Wir kauften Tomatos pomodore, verschiedene Lebensmittel und (wir dachten) Rotwein, es stand Marsalla auf der Flasche, gut für unser Mittagessen.
Wegen der Hitze sollte ein leichtes Mittagessen mit Tomatensalat und Reis eingenommen werden, dazu, zur Feier des Tages, ein Glas Rotwein. Zwei Wassergläser für den vermeintlichen Rotwein, anstoßen auf die vor uns liegenden Tage Urlaub, probiert, schmeckte für einen Rotwein aber sehr seltsam. Rita wollte das rotbraune Getränk nicht weiter trinken, ich wollte nichts verkommen lassen, trank mein Glas und ihr Glas leer, beides auf ex. Wir aßen unser Mittagessen noch auf. Bei der Hitze merkte ich urplötzlich wie betrunken ich war. Ich legte mich noch aufs Bett und hatte einen zweistündigen Filmriss.
Wir merkten erst später, was wir da gekauft hatten. Marsalla ist ein Weinlikör, welcher in unterschiedlicher „Umdrehung“ im Handel zu bekommen ist. Unser Getränk hatte über 20% Alkoholanteil, auf nüchternen Magen und bei der Hitze, ein toller Urlaubsbeginn.
Vor dem Haus befand sich ein kleines Plateau zum Sonnenbaden, faulenzen, Musik hören, lesen. Ich wollte mich nahtlos bräunen, und saß in entsprechender Positur, als ein Moped um die Ecke düste und eine Postbotin „Poste, Poste, Poste“ rief. Ich versuchte noch rechtzeitig meinen schon leichten Sonnenbrand mit einem Handtuch ab zu decken. Die Frau grinste etwas errötend, ließ unsere Post da und fuhr weiter.
Abends unternahmen wir oft noch einen Spaziergang, den Bergweg weiter hinauf. Wir waren gut beraten, eine Taschenlampe mit zu nehmen, weil die Sonne sehr schnell unterging und es dann stockduster war. In diesem Berg wohnte sonst keiner, es gab auch keine Straßenlaterne oder ein sonstiges Licht, um sich zu orientieren.
Rita und ich fuhren mit dem Bus nach Trento, um uns die Stadt an zu sehen. Komisch die Geschäfte hatten geschlossen. Es war ein katholischer Feiertag, ich glaube Maria Himmelfahrt. So ein Pech, nicht für die Maria, sondern für uns. Ein Mittagrestaurant sagte uns zu, die Preise ok, dachten wir als weltmännische Hinterdörfler und setzten uns an einen Tisch. Die Speisekarte konnte man sehr gut übersehen, wir bestellten das Stück Braten und meinten wie in Deutschland ein fertiges Menue zu bekommen. Der Kellner schaute auch recht seltsam, brachte unsere Bestellung, ein Stück Fleisch mit Soße. Wir warteten noch etwas, in der Hoffnung endlich das Gemüse und die Kartoffeln oder ähnliches zu erhalten. Mehr kam nicht, wir hätten alles einzeln bestellen müssen, und dann würde dieses Essen sicherlich unseren Etat weit überschreiten. Wir aßen alles in Ruhe auf, als wäre es die große Selbstverständlichkeit, bezahlten und verließen das Lokal. Draußen mussten wir über unsere Doofheit lachen, und kriegten uns kaum noch ein.
Wir sahen uns Riva am Gardasee an. Wunderschön gelegen am nördlichen Ufer des Gardasees. Riva gehörte früher zu Österreich-Ungarn und wurde nach dem 1.Weltkrieg durch den Vertrag von St, Germain an Italien abgegeben. Riva ist ein bekannter Touristenort. Wahrzeichen ist der leicht schiefe Torre Apponale, ein 34m hoher Uhrturm aus dem Jahr 1220, der über dem Hafen aufragt. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die Stadtburg, die Rocca di Riva, die ganz von Wasser umgeben ist und auf das 12.Jahr-hundert zurückgeht.
Bevor wir uns abends zum Schlafen hinlegten, suchten wir erst einmal die Zimmer nach möglichem Ungeziefer ab, welches sich tagsüber eingenistet hatte. Interessant fand ich die schwarzen Skorpione, die an der Zimmerdecke hingen und bei Licht einfach herunterfielen. Das diese Tierchen harmlose Pflanzenfresser waren, und keinem etwas taten, wusste ich zu dieser Zeitpunkt noch nicht, für mich bedeutete Skorpion stechen, und Stechen konnte weh tun, und so weiter…. Also einfangen und platsch, es gab jedes Mal eine Menge zu tun…
In der gesamten Urlaubszeit entdeckten wir nur einen einzelnen Vogel, dafür jede Menge Ungeziefer ohne natürliche Feinde. Wie kommt das? Um diesem „Phänomen“ auf die Spur zu kommen, musste man sich über die italienischen Gegebenheiten vertraut machen. Gerade da, wo viel Natur zu erleben war, sollte man meinen, wären die Vögel zu einem Überangebot an Insekten im wahren Paradies, welches aber sich als Vogelfanggebiet der Italiener im Paradies für Gourmets der Singvögel herausstellte. Überall in den nicht so eng besiedelten Gegenden hingen um die Häuser, an den Bäumen und Sträuchern Fangnetze, um die „Gaumenfreuden“ ein zu fangen. Die Negativseite der Tourismusenklave zeigte seine Realität.
Ein gewaltiges Gewitter mit Sturm und viel Regen bahnte sich an. Es hallte von den Bergen zurück, der Sturm peitschte die Äste des etwas größeren Strauches vor dem Haus gegen die Scheiben, überall klapperte und stöhnte es, als wenn ein Weltuntergang nahte. Durch die Blitze erhellte sich das tiefer liegende Dorf Pietramurata, zeigte seine Konturen und hüllte sich kurz darauf wieder in absolute Dunkelheit, wenn in dem einen oder anderen Haus nicht hin und wieder ein Licht aufflackerte. Das Ganze wirkte sehr gespenstisch. Das Gewitter verstärkte sein Bemühen, das Grollen nahm enorme Ausmaße an, Blitz auf Blitz folgte, der Regen schüttete sich unglaublich aus. Plötzlich war es ganz still, die Ruhe vor dem Sturm, dann noch einmal ein Summen, ein gewaltiger Donner mit fast gleichzeitigem Blitz, dann nichts mehr. So schnell, wie das Wetter gekommen war, verschwand es wieder, wie ein Spuk. Ein Ereignis, welches man nicht so schnell vergißt.
Mittlerweile verkaufte ich meinen roten VW-Käfer und schaffte mir einen VW-Variant, Motor mit Doppelvergaser, an. Ein Auto, was oft vergaß an zu springen.
Wie oft musste ich ihn anschieben, defekter Hauptbremszylinder, Durchrosten an allen möglichen Hauptstellen wie Seitenholm mit Sitzschiene, Drehstabfeder in der Vorderachse, ein Auto für Bastelliebhaber und Schrotthändler.
Mit diesem Fahrzeug besuchten Rita und ich meine Schwester Marianne in ihrem Wasserschloss in Norddeutschland in Ritterhude, ein sehr romantischer Ort. Um das Auto zu parken, musste ein sehr hoher Bordstein überwunden werden, dahinter wieder einen Absatz hinunter in eine ausgewaschene Spur und Pfützen, bis zu einen kleinen Vorplatz. Von da aus überquerte man einen Steg über den Wassergraben des Schlosses. Der Eingang zu Mariannes Wohnung lag wohl mehr im Lieferantenbereich. Fast 4 m hohe Zimmer, im oberen Bereich mit Stuckarbeiten versehen.
Natürlich sprang das Auto zu unserer Heimfahrt wieder nicht an. Nach dem Motto: wer sein Auto liebt, der schiebt. Getreu dieses Mottos machten wir uns an die Arbeit. Bis zum Bordsteinabsatz der Strasse reichte unsere Kraft. Das Fahrzeug ließ sich einfach nicht über diesen Buckel schieben. Wie aus dem Nichts stand auf einmal der Bauer, der neben dem Schloss sein Feld bestellte, neben uns. Er sagte nur: Wohin soll ich schieben? Ich zeigte nach links. Er hob das Auto hinten hoch und schob es wie eine Schubkarre vor sich her. Danach war es einfach, die Strasse ging abschüssig weiter.
In Wuppertal-Ronsdorf erstand ich ein neues Fahrzeug, ein Renault R4, mit einer Revolverschaltung, sehr gewöhnungsbedürftig. Aber egal, ein Auto, ähnlich konzipiert wie eine „Ente“, sehr elegant in den Kurven, viel Platz, sehr praktisch.
Jürgen Dillmann hatte zum Geburtstag geladen, Wohnort im tiefsten Reichshof, in Dreschhausen. Er wohnte mit seiner Familie auf dem Bauernhof seiner Schwiegereltern, zu erreichen über eine sehr kurvenreiche Strecke. Zu dieser Zeit fuhr Rita abends noch Auto, das heißt, sie war noch nicht so nachtblind wie heute. Wir machten aus, dass ich ein paar Bier trinken könnte, und sie die Rücktour am Abend übernahm.
Einige Leute, die zur Feier fest zusagten, erschienen nicht, also war viel zu viel zu essen und zu trinken vorrätig. Das Bier kühlte in einer Viehtränke draußen vor der Tür der festlich geschmückten Scheune, den Spießbraten und das Bier vertilgten nun die Hälfte der angesagten Leute. Es war gar nicht einfach diese Mengen an Essen und Trinken vernünftig unter zu bringen. Neben der Bier-Vieh-Tränke befand sich in der umfangreichen Natur das Männerklo, für die Frauen gab es einen recht vornehmen Verschlag in einem Nebenraum der Scheune, so dass für diese so wichtigen Bedürfnisse gesorgt war. Manche der Männer schafften es nicht mehr ihren Wasserpegel an der angesagten Böschung zu entsorgen, sondern blieben direkt zwischen den Autos stehen und behaupteten hinterher diese befruchtet zu haben. Welche Autos später dringend gewaschen werden mussten, weiß ich nicht mehr.
Die Rückfahrt durch die Serpentinenstrasse meisterte Rita so, dass ich Gelegenheit hatte, während der Fahrt den Kopf aus dem Seitenfenster zu halten, um ihr den rechten Weg zu erklären. Aber anscheinend bin ich darüber eingeschlafen.
Drei-Punkt-Gurte sollten laut Gefahrenstatistik die neuesten Hilfen bei der Unfallabwehr sein. Ich kaufte mir welche für den R4 und musste natürlich gewisse bauliche Veränderungen an meinem Renault vornehmen. Man sagte mir, die unteren Halterungen der Gurte könnte man nachträglich am Besten am Boden des Fahrzeugs befestigen. Ich nahm eine Bohrmaschine, und bohrte an den mir zugewiesenen Stellen die Löcher. Beim zweiten Loch auf der Fahrerseite machte es Platsch und der ganze Boden des Renaults fiel heraus. Ach du Scheiße! Was nun? Wie sollte ich ohne Boden fahren? Bei Renault erfuhr ich, dass man als Einzelteil so einen Boden für 85 DM kaufen konnte. Ich erstand einen neuen Boden, wusste aber, dass ich dieses Auto schnell wieder verkaufen sollte. Ein Bäckermeister aus Müllenbach interessierte sich für meinen R4. Wir wurden handelseinig, zwei Tage später wollte er das Fahrzeug abholen. Aber am nächsten Tag war das Getriebe kaputt. Auf einem Schrottplatz in der Nähe von Frielingsdorf bekam ich aus einem Unfallwagen ein Getriebe und baute es in meinen R4 um. Welch ein Aufwand.
Ich kaufte einen weißen Opel-Kadett, der einen ordentlichen Eindruck machte, und war froh über das Ende des Abenteuers Renault R4.
Die Kinder – und Jugendzeit endete mit dem Endschluss eine Familie zu gründen, und über die gemeinsame Zukunft zu zweit oder mehr? Nach zu denken? Rita und ich sind beide sehr romantisch veranlagt und freuten uns über Unternehmungen verschiedener Art.
Wir geben unsere Vermählung bekannt…..
Bis Ende 1974 gab es noch die Regelung, dass man erst mit 21 Jahren volljährig werden konnte. Der Beginn des Jahres 1975 änderte die Volljährigkeit auf 18 Jahre, und somit konnte die Sylvesterfeier für viele junge Leute zweifach gefeiert werden. Rita erreichte dieses Privileg, und wir gedachten, den Jahreswechsel recht zünftig knallen zu lassen.
Aber vorher musste ich ganz andere Dinge bedenken und durchdenken. Ich hielt mich gerade in der Wohnung meines Freundes Helmut F. auf, als das Telefon schellte. Helmut nahm den Hörer ab, hörte, wer anrief und gab mir den Hörer weiter. Es handelte sich um Rita, sie wollte mir etwas mitteilen. Sie sagte: Wie du weißt, werde ich am 1.Januar 1975 volljährig sein. Meine Eltern gaben zu verstehen, wenn ich die Volljährigkeit erreicht hätte, könnte ich selbst entscheiden, wann ich heiraten möchte. Und dies möchte ich 1975 tun. Bist du damit einverstanden, so schnell wie möglich zu heiraten?
Was sollte ich am Telefon anderes sagen, als ja. Jede andere Antwort wäre, bei so viel Fragemut, nicht in Ordnung gewesen.
Ich erzählte Helmut von diesem etwas ungewöhnlichen Antrag. Er gratulierte direkt, machte eine Flasche auf, damit wir dieses so wichtige Ereignis begossen.
Rita und ich machten Nägel mit Köpfen und setzten die Termine fest. Als nächstes musste eine Wohnung her. Wir wurden in Marienheide fündig, 3-Zimmer-Küche-Diele-Bad-Gäste-WC, 1.Stock, an der Hauptstrasse in Marienheide. Eine Wohnung der Fa. BERAL, Bremsbelege. Die alte Frau Berges, Seniorchefin, war unsere Vermieterin. Die Wohnung erhielten wir nur, weil ein Hochzeitstermin feststand.
Diese spezielle Silvesterparty im Seehaus Nanny hatte es in sich. Oberbergisches kalt – warmes Buffet, viel zu trinken, große Clique, viel Tanz, viel Spaß. Als wir unsere Pläne zwecks Heirat bei unseren Freunden bekannt gaben, ließen wir erst richtig die Sau los. Alle unsere Freunde hatten sich mehr oder weniger über das Tanzlokal kennen – oder näher kennengelernt. Die Volljährigkeitsfeiern hinzu gezählt, war es eine denkwürdige, feuchte, fröhliche Sylvesternacht.
Rita und ich begannen zu planen, Einrichtung, Tapeten, die anstehenden Feiern, sei es die standesamtliche- oder die kirchliche Trauung, der Polterabend, alles musste terminlich und gemäß diverser Einladungen abgestimmt werden. Rita suchte sich das passende Brautkleid und die entsprechende Kopfbedeckung aus.
Am 13.01.1975 heirateten wir im Standesamt Marienheide.
Die ersten Schritte in Richtung Ehe klappten hervorragend. Nun kam erst einmal die Zeit der Wohnungsrenovierung. Altes Haus, viele alte Tapeten übereinander, alles rissen wir herunter. Da kamen alte Zeitungen zu Tage, die in den früheren Jahren als Untertapete verklebt wurden. Interessante Artikel aus vergangenen Epochen.
Unser Wohnzimmer- Esszimmer, früher zwei getrennte Räume, hatte einen Wanddurchbruch. Diese beiden Zimmer tapezierten wir mit drei Ton- in Ton-Tapeten im Grundton olivbeige, gestreift schmal, größer werdende Streifen bis Großmuster. Das erledigte sich nicht so einfach, machte aber Spaß, weil es für die erste Wohnung, einem neuen Lebensabschnitt zubereitet wurde.
Ganz nebenbei kaufte ich mir in Remscheid, in einem Radio- und Fernsehgeschäft, einen Schwarz-Weiß-Fernseher, um mein Fernstudium für den Lehrlingsausbilder über die Industrie-und Handelskammer Wuppertal zu absolvieren. Dazu saß ich zwei Mal die Woche, auf dem Fussboden, eine Stunde lang vor dem Fernseher, schaute eine bestimmte Sendung im Südwest 3, lernte die bestimmten Abschnitte dann nebenbei in den Pausen beim Renovieren. Die Prüfung hierzu geschah irgendwann im Juni des Jahres.
Die Renovierung endete zu unserer Zufriedenheit. Die Möbelunternehmen lieferten unsere bestellten Einrichtungsgegenstände. Man hätte jetzt da wohnen können, wenn nicht meine Schwiegermutter ihr Veto eingesetzt hätte. Für sie waren wir erst verheiratet, wenn der kirchliche Segen unsere Verbindung komplettiert hätte. Rita hatte natürlich keine Lust mit ihrer Mutter diverse Differenzen herauf zu beschwören. Also wurde die Lustbremse gezogen und die braven Nichtverheirateten markiert.
Für so Erzkatholiken war es schon ein Problem, soviel ketzerische Kompromisse ein zu gehen, zu mal ich mich nicht von meinem evangelischen Gedankengut abbringen ließ. So manche Kontroverse ging voraus.
Aber der Lauf der Zeit ließ sich nicht mehr aufhalten, am 1.März 1975 zeigte der Polterabend allen Leuten, welche Glocke demnächst in Marienheide läutete. Wie es Brauch ist, versammelte sich alles, was Rang und Namen hat vor dem elterlichen Haus der Braut, machte anständig Krach, brachte vieles mit, was sonst in den Müll gehörte, trank dazu den einen oder anderen Schnaps, bis die eigentliche Feier sich in bestimmten Räumlichkeiten verlagerte. In diesem Fall geschah dies in der Wirtschaft Pottoff in Jedinghagen. Ich glaube, es könnten dort ca. achtzig Personen anwesend gewesen sein. Ich nahm mir vor, mit jedem an zu stoßen, und trank nur so viel, um nicht frühzeitig die Segel zu strecken. Es gelang, eine Bombenstimmung, mit verschiedenen Gags, ein unvergesslicher Tag.
Als die meisten Gäste die Feier verließen, saß nur noch der harte Kern an einem Tisch und ließ den Ausklang so richtig krachen. Die Nachbarin Ulla H. aus Jedinghagen verkaufte jedem Fahrkarten, sie rief andauernd: Fahrkarten bitte, dazu hängte sie sich ihre Handtasche vor den Bauch, und war glücklich mit ihrer Fahrkartennummer. Wir begleiteten Ritas Bruder Hans nach Hause, rutschte dort mit Ulla Hoppe das Treppengeländer hinunter, um danach singend durchs Dorf zu marschieren. Mit welcher Lautstärke, kann ich nicht mehr sagen, ein Dorfchor hätte sicherlich seine Freude an unseren Darbietungen gehabt.
Ich wachte den nächsten Morgen im Gästezimmer beim Nachbarn Hoppe auf. Rita säuberte bereits die Einfahrt zum elterlichen Haus. Ich hatte mein Auto bei Hoppe`s. auf der sehr steilen Hauszufahrt ganz dicht an der Böschung geparkt. Die Wipperfürther Nachbarn wollten auch noch etwas von uns, Rita sollte fahren, hatte aber Angst den Wagen von dem Abhang weg zu bewegen. In meinem noch leicht benebelten Kopf wagte ich dieses Unterfangen. Die Wipperfürther Nachbarn wollten auch noch ein wenig die Polterei verlängern und präparierten im Hausflur die Schlösser und hatten überall was Unrat hingeschmissen. Wir tranken noch ein wenig vom „saueren Fritz“ und sonstigen alkoholische Sauereien, die Stimmung konnte nicht besser sein.
Am 21.März 1975 fand die kirchliche Trauung statt. Aber bevor wir uns den Heiligenschein abholten, hatte die katholische Kirche gewisse Vorbehalte gegenüber Evangelischen. Damit der Pfarrer ruhig schlafen kann und seinem Chef im Himmel verkündet, dass alles in Ordnung ist, muss das Brautpaar sich einer gewissen Glaubensprüfung unterziehen.
Man stelle sich die Situation vor. Das Brautpaar sitzt dem Pfarrer gegenüber, nur ein Tisch zwischen den unterschiedlichen Parteien, um mögliche Notizen machen zu können. Die Anspannung ist zu spüren, was will dieser Pfarrer uns sagen, umgekehrt, was wird mir dieses Brautpaar erklären. Es knisterte. Frage des Pfarrers an mich als Bräutigam: Bestanden oder bestehen Krankheiten, oder waren sie im Krieg, mit anderen Worten, ist noch alles dran? Unverständlicher Blick meinerseits, ich guckte Rita an, sie guckte mich an, Meine Frage: Wie kann ich das verstehen? Herr Pfarrer Botzlar: ich meine, können sie Kinder zeugen? Ich sagte nur: Das kann ich ihnen nicht sagen, ich habe noch keine Kinder gezeugt. Diese Fragerei gehörte in die Kategorie Mitleid mit der Kirche und dem, der sie vertritt. Wir verpflichteten uns, eventuelle Kinder katholisch taufen zu lassen, damit waren wir entlassen. Diese Fragerei, an zu sehen als Relikt aus dem Mittelalter, veranlasste mich, mit den Wölfen zu heulen, aber nicht mit ihnen mit zu ziehen. Mit anderen Worten, so viel Lächerlichkeit in unserer aufgeklärten Gesellschaft konnte sich nur die katholische Kirche mit ihrem sogenannten „Heiligen Vater“ ausdenken.
Die kirchliche Trauung sollte bei jedem Brautpaar der romantische Teil des ewigen Bundes sein, beginnend mit der Kleidung, die bei Rita bereits eine kleine Revolution bedeutete, denn sie trug keinen Schleier, sondern einen eleganten weißen Hut, dazu ein weißes langes Kleid, bestickt mit Margaritten.
Der Kirchgang begann mit feierlichem Einschreiten, vor uns die Blumen streuenden Mädchen Melanie und Britta H., hinter uns die Hochzeitsgesellschaft. Wir nahmen unseren zugewiesenen Platz ein, Pfarrer Botzlar begann seine recht nüchterne Trauungszeremonie, wir sagten artig ja, ich will, tauschten die Ringe aus ...ein wirklich erhabener Moment. Nun folgte der Moment der Segnung, Weihwasser wurde als kirchliches Hilfsmittel eingesetzt, aber in welchem Umfang? Der Pfarrer tauchte seine Weihwasserkelle mehrere Male in den Weihwassereimer und nässte meine Vorderfront, dass ich mir die Bemerkung: Entschuldigung, ich habe schon geduscht, nicht verkneifen konnte. Einige Hochzeitsgäste bemerkten wohl dieses ungewöhnliche Verhalten. Tatsache war, mein Hemd, klatschnass, und mein Gesicht gehörten jetzt zur heiligen Abteilung. Was dachte sich wohl dieser Pfarrer? Na jedenfalls zum Kaffeetrinken am Nachmittag erschien er nicht. Unser holländischer Brautwagen, gefahren von Hank, brachte uns nach Jedinghagen, wo wir erst einmal Schwerstarbeit verrichten mussten. Es galt, mit einer möglichst stumpfen Säge einen feuchten Baumstamm zu zersägen. In unserer Montur kein leichtes Unterfangen. Die umstehenden Nachbarn, die auch das Haus mit Girlanden schmückten, hatten ihren Spaß.
Natürlich gab es für alle Beteiligten einen kräftigen Umtrunk, um dann mit dem Brautwagen durch Gummersbach zu fahren und die nötigen Fotos beim Fotographen machen zu lassen. Bevor die eigentliche Feier stattfand, fuhren wir bei Rita`s Oma in Erlinghagen vorbei, um ihr das Brautkleid vor zu führen. Sie war ganz begeistert.
Die Hochzeitsfeier fand in Dürhölzen statt, Kaffee und Kuchen, am Abend gescheites Essen mit anschließendem Tanz und lockerem Ausklang. Natürlich hatten Unverbesserliche in Marienheide unser Schlafzimmer präpariert, im Bett fanden sich etliche Bürsten, Schrubber und noch so einige Verstecktheiten. Alles in Allem ein gelungenes Hochzeitsfest.
Bad Kissingen
Mein Schwiegervater nahm an einer Delegiertenversammlung der Deutschen Bausparkasse Darmstadt in Bad Kissingen teil und verband dies mit einem Urlaub, an dem die Schwiegermutter, Rita und ich mit eingeladen waren. Bevor wir mit dem roten 1303 VW-Käfer vom Schwiegervater die Fahrt antraten, verabschiedeten Rita und ich uns bei der Oma in Erlinghagen. Sie wünschte uns alles Gute und sagte das so, als wenn es das letzte Zusammensein in diesem Leben sein wird. Es ist wohl sehr eigenartig, ältere Menschen spüren das Lebensende, und genau so traf es ein. Wir erhielten im Hotel in Bad Kissingen einen Anruf vom Ableben der Oma aus Erlinghagen und brachen erst einmal den Urlaub ab, um nach der Beerdigung wieder dahin zu fahren.
Es erfolgte eine Besichtigung der Burg in Coburg und eine Fahrt zur nahen DDR-Grenze. An der Grenze hielten wir uns mehr als zwei Stunden auf, gingen langsam vor dem Grenzschild den Feldweg entlang, der auch von Patrouillen der westdeutschen Grenzer benutzt wurde. Unser Aufenthalt an der Grenze blieb der Gegenseite nicht verborgen und wir wurden höchst neugierig durch deren Ferngläser beäugt.
Unterhalb der Burg in Coburg am Zugang gab es sehr leckere Bratwürste auf einem Grill. Das besondere war die Zubereitung mit Fichtenzapfen. So lecker, dass mir dieser Moment und Geschmack in Erinnerung blieb.
London
Im März 1976 flogen Rita und ich zu einem verlängerten Wochenende nach London. Diese Reise gewannen wir über die Deutsche Bausparkasse Darmstadt. Wir landeten in Heathrow Airport, fuhren mit dem Bus bis zum Busterminal in London, nutzten ein Cap (Taxi), welches uns in die Fleet Street zu unserem Hotel brachte, dem Strand Palace Hotel. Wir als Dorfprominente fanden uns in diesem internationalen Hotel direkt zurecht. Unsere Aufmerksamkeit richtete sich direkt auf unsere Zimmertür im Hotel. Da gab es doch tatsächlich kleine Briefkästen an jeder Tür. Wie aufmerksam, dachten wir, die Hotelleitung denkt tatsächlich im direkten Weg an ihre Gäste. Die Erklärung hierzu war ganz einfach: in diese Briefkästen steckte der Hotelgast sein Trinkgeld für den Zimmerservice, sonst könnte es passieren, dass das Zimmer nicht ordentlich aufgeräumt würde.
Am Piccadilly-Circus traf Rita einen Schulkameraden aus der Realschulzeit. Wie klein ist doch die Welt. Die Wachablösung am Buckingham Palace war wirklich ein Zuschauermagnet, viele tausende Touristen und natürlich Einheimische verfolgten dieses so bunte Treiben, wie es seit Jahrhunderten in aller Regelmäßigkeit zelebriert wird. Am Trafalgar Square herrschte ein hektisches Treiben, Hupen von Autos, Geschäftsleute, die auf dem Weg zum Büro als Fußgänger bereits die Zeitung lasen. Die Carnaby Street mit ihren vielen kleinen Lädchen lud zum Bummeln ein, der Sherlock Holmes Pub gehörte zur Attraktion für fotofreudige Touristen, man sah viele Asiaten, in einem Hinterhof- Striptease- Kino, was wirklich als die allerletzte Show zu bezeichnen war, kehrten wir ein. Wie kamen wir dazu? Wir schlenderten abends durch London, jemand sprach uns wegen dieser künstlerisch wertvollen Darbietung an, ein, für meine Begriffe, herunter gekommener Animateur. Naja, wir ließen uns überreden, zahlten einen überzogenen Preis und landeten in einem ehemaligen Kino oder Theater. Lauter Stuhlreihen, die meisten Sitze besetzt, unterschiedliches Publikum internationaler Herkunft. Vorne eine Bühne, die gedämpft beleuchtet wurde. Ein Stuhl, eine halbbekleidete Frau, die sich nach nicht definierter Musik bewegte und langsam ihre Hüllen fallen ließ. Ein leichtes Raunen ging durch die Reihen, dann ein paar Sekunden totale Dunkelheit, plötzlich eine andere Beleuchtung auf der Bühne, eine andere Künstlerin, andere Musik, fast die selben Bewegungen, die Kopie von eben. Rita und ich dachten, jetzt endet dieses Vorgeplänkel und die eigentliche Show beginnt, aber so ging es eine Stunde weiter, das Publikum tauschte sich zwischendurch aus, Striptease zum Zeitvertreib, wie in einer Bahnhofshalle, grausam.
Rita und ich genossen diese Tage in London. Doch jede interessante Tour oder Erlebnis hat einen Anfang und ein Ende. Wir räumten unser Zimmer, nutzten die noch verbleibende Zeit um in der Fleet Street zu schlendern, konnten unsere Koffer im sogenannten Bagageroom lassen. Der Servicemensch dieses Raumes sprach uns mehrere Male an, ein Englisch, was ich bis heute nicht kapierte, wahrscheinlich ein Slang aus Blackpool oder ähnlichem.
Hochzeit meiner Schwester
Im Juni 1976 heiraten meine Schwester Marianne und Wilfried Harmening in Bremen. Ein sehr unterhaltsames Fest, gemischt aus Bremer Zurückhaltung , gedämpfter Fröhlichkeit und leichter Verärgerung, als Herr Harmening sen. die Kleidungsaufmachung seiner Schwiegertochter Gunda begutachtete, und er sich weigerte, mit ihr zu tanzen, später es unter leichtem Protest doch tat. Die etwas prüderen Gäste fanden die Durchsichtigkeit des weißen Kleides und das weiße Kleid als recht unpassend auf einer Hochzeit, zumal die weiße Kleiderwahl der Braut vorbehalten war.
Den Sommerurlaub 1977 verbrachten Rita und ich am Millstädter-See in Kärnten / Südösterreich. Auf der Fahrt dahin besuchten wir Rita`s Freundin Ute in Kransbach, ein Ort der zur Gemeinde Mittenwald in Südbayern gehört. Ute hatte maßgeblichen Anteil an unseren Treffs in Jedinghagen. In den Anfängen unseres Kennenlernens war sie stets Rita`s Alibi zwecks Büchertausch und Schulaufgaben.
Unser Urlaubsziel hieß Laubendorf, oberhalb des Millstätter Sees.
Der Ort Laubendorf hat ca. 230 Einwohner und liegt auf dem Hochplateau des Millstätter Berges in den Nockbergen in ca. 800 Meter Höhe. Von hier oben hat man einen wunderschönen Blick auf den Millstätter See, den zweitgrößten See von Kärnten.
Wir bestiegen den Tschiernock, das Goldeck, beides Berge von über 2000 Meter ü.N. Eine herrliche Weitsicht, wunderschönes Panorama.
Ein tolles Erlebnis war die Wanderung durch das Maltatal, genannt Tal der stürzenden Wasser. Die Malta ist ein Fluss durch Kärnten, der sich auf einer Länge von 38 Km durch das Maltatal zieht und durch eine Vielzahl von Wasserfällen in berauschender Schönheit und Wildheit gespeist wird. Wenn man Glück hat, entdeckt man eine Kolonie mit Murmeltieren.
Zur gleichen Zeit machten Heinz und Renate Rausch, Freunde von uns, Urlaub am Wörther See, in Krumpendorf, ein paar Kilometer weiter südlich in Kärnten. Wir besuchten sie. Eine nette Begebenheit muss ich aber erwähnen. Zu dem Hotel in Krumpendorf, wo Heinz und Renate ihren Urlaub verbrachten, gehörte ein Swimming-Pool. Wir vier vergnügten uns im Pool, spielten Kriegen, Renate sprang mit viel Schwung aus dem Schwimmbecken und verlor dabei ihre Bikinihose. Ein nettes Bild. Zusammen besuchten wir den sogenannten „Minimundus“, eine Miniaturstadt mit den nachgebauten Sehenswürdigkeiten im verkleinerten Maßstab in Klagenfurt.
An einem Samstag fuhren wir mit anderen Gästen aus unserer Pension zum Trachtenfest nach Villach. Die Fahrt dahin bedeutete für unseren Kadett schon eine kleine Herausforderung, denn die unglaublichen Steigungen, oder umgekehrt die enormen abschüssigen Straßen beanspruchten ein Auto ohne Bremskraftverstärker bis auf das Äußerste. Auf der letzten Geraden vor Villach, in die Stadt hinein, merkte ich plötzlich, dass ich keine Bremswirkung beim Drücken des Bremspedals mehr verspürte. Ich konnte gerade noch in eine zufällig vorhandene Parklücke rollen, die Handbremse betätigen, Stillstand, durchschnaufen. Was nun am Samstagmittag? Aus einer Telefonzelle rief ich den österreichischen Automobilclub an. Sie gaben mir die Adresse einer Werkstatt. Unseren Mitfahrern erklärten wir unser Problem, und dass sie dieses Trachtenfest ohne uns besuchen sollten. Wir fuhren, nur mit der Handbremse als Bremsmittel, zu dieser Werkstatt, wo auch tatsächlich noch gearbeitet wurde. Ein Bremszylinder war defekt, man reparierte ihn. Ein Lehrling sollte unseren Wagen aus der Halle fahren….. Rita und ich standen keine 5 Meter entfernt…. Er übersah im Rückwärtsfahren ein anderes Auto…. Es machte bums….. das Rücklicht unseres Autos hatte ein Loch. Ein tragischer Tag. Zur Wiedergutmachung dieses kaputten Rücklichts erhielt ich ein ganzes Set mit Glühbirnen für das Auto. Die Reparatur der Bremse kostete umgerechnet 50DM, ein Preis, womit man gut leben konnte. Jetzt hatten wir doch noch Zeit, das Trachtenfest zu besuchen.
Venedig
Von Millstatt boten diverse Busunternehmen Fahrten nach Venedig mit Führung an. Wir nahmen an einer Fahrt teil und erlebten das besondere Flair dieser Stadt. Sehr warmes Wetter, großer Menschenandrang, modriger Geruch aus den Grachten, geschäftiges Treiben.
Immer kam der Ruf: Gruppe Burgsmüller, bitt´schön, rief unsere Reiseführerin, in der Hand einen Regenschirm schwenkend. Auf diese Art und Weise hoffte sie, ihre Schäfchen beisammen zu halten.
Die Besichtigungstour führte uns über die Rialtobrücke, sie überspannt den Canale Grande, weiter ging es durch die engen Geschäftsgassen, über den Marktplatz in die Markuskirche. Hier bestaunten wir die goldene Kuppel in der Kirche, die vielen Fresken, Malereien und Heiligenbilder. Gegenüber der Markuskirche, direkt am Canale Grande bestiegen wir den Campanile, einen Glockenturm mit einer Aussichtsplattform, von wo man einen herrlichen Rundblick über die Stadt Venedig und seine dazugehörenden Inseln, wie das Lido (Badeinsel ) oder auch die Friedhofinsel, genießen konnte. Man hatte einen Blick auf den Dogenpalast und das Staatsgefängnis. Um wirklich alles zu besichtigen, benötigt man viel Zeit und Ruhe, und lässt sich von den Eindrücken treiben.
Ich wechselte meine Arbeitsstelle von Wuppertal-Ronsdorf nach Gummersbach-Friedrichstal, zur Firma Baldus KG, eine Textil verarbeitende Firma mit einer Stück- bzw. Flockenfärberei.
Ich wurde Vorarbeiter in der Flockenfärberei und hatte mich um sechs offene und zwei HT-Färbekessel zu kümmern. Zu meinen Mitarbeitern gehörten verschiedene Sizilianer und zwei deutsche Arbeiter. Sie hatten sich hauptsächlich um die Befüllung der Färbeeinsätze mit Flockenware zu kümmern. Ich bekam von meinem Meister die Aufträge mit den vorbereiteten Farbzusammenstellungen. Die Farben besorgte man sich in der Farbküche, meistens als Pulver, hin und wieder auch in flüssiger Form. Die Farbmischungen mussten im Eimer mit heißem Wasser verrührt werden und mit den Farbhilfsmitteln ins vorbereitete Wasserbad geschüttet werden. Für jedes Material eine andere Vorbereitung, ob Farbe, Wassertemperatur, Hilfsmittel, und Färbezeit. Beginn morgens um sechs Uhr, Feierabend ca. 18.00 Uhr und länger. Meistens wurden 60-70 Stunden in der Woche gearbeitet.
Durch meinen Autounfall blieben die Knieprobleme. Das viele tägliche Stehen und die schwere körperliche Arbeit ließen das linke Knie oft stark anschwellen, eine Knieoperation in Lüdenscheid-Hellersen ließ sich nicht mehr vermeiden. An meinem Geburtstag wurde ich operiert. Zwei Wochen in der Klinik, anschließend mehrere Wochen zu Hause. Danach versuchte ich es erneut mit meiner Tätigkeit beim Baldus.
Die Maschinentechnik ließ sehr zu wünschen übrig, sehr veraltet, nicht gut gewartet, teilweise verrottet. Von Wuppertal war ich es gewohnt, dass schon bei kleineren Schäden an den Apparaturen, Rohrleitungen und Ventilen eine Reparatur fällig war. Es gehörte auch zur eigenen Sicherheit. Hier bei Baldus hielt man den Sicherheitsgedanken auf Sparflamme. Zu meinen Färbekesseln gehörten auch zwei HT-Färbekessel, die aber als solches nie gebraucht wurden, weil keiner da war, der die Ahnung hatte, sie zu bedienen. Ich probierte sie aus und ließ die Wassertemperatur unter Druck auf 140 Grat ansteigen. Das Problem war nur, die Temperatur ging nicht wieder zurück, und der Druck stieg weiter an. Die Überdruckventile öffneten sich nicht, sie waren einfach verrottet und zugerostet. Nun musste ich es mit kaltem Wasser versuchen, den Druck zu reduzieren. Ich brauchte dazu mehrere Stunden. Am nächsten Tag bestellten wir erst einmal Monteure, die die Geräte untersuchten und die defekten Teile austauschten.
Eigentlich wäre schon Feierabend gewesen, die Uhr zeigte 19.15 Uhr an, eine Färbepartie musste noch fertig werden, es handelte sich um einen Terminauftrag. Plötzlich schwappte die heiße Färbebrühe mit all seinen giftigen Chemikalien über den Beckenrand des Färbeapparates mir in den rechten Gummistiefel. Mein Bein schwoll so schnell an, dass es unmöglich war, den Gummistiefel normal aus zu ziehen, ich musste ihn zerschneiden. Dann hielt ich das Bein unter eiskaltes Wasser, um den Socken herunter zu reißen. Ich hatte in dem Moment wirklich die Arschkarte gezogen.
Einer meiner italienischen Kollegen stellte den Färbeapparat aus, ich sah zu, schnellstens nach Hause zu fahren. Mein Schwager Karl-Heinz brachte mich in die Notaufnahme des Gummersbacher Krankenhauses. Ein dortiger Arzt fackelte nicht lange, nahm eine große Pinzette mit einem Widerhaken an der Spitze und riss die mittlerweile sehr große Blase, vom Knie bis auf den Fuß, mit einem Ruck herunter. Ich war so überrascht, dass ich vergaß „Aua“ zu sagen. Ein Zinkverband, und nach 14 Tagen redete keiner mehr davon.
Zum 1.11.1978 beendete ich meine Färbertätigkeit und begann mit einer ganz neuen Aufgabe, ich wechselte zur Deutschen Bausparkasse Darmstadt als Bezirksleiter. Über viele Lehrgänge erarbeitete ich mir ein ganz neues Betätigungsfeld. Mein neuer Chef hieß Wilhelm vom H.. Die Familie vom H. hatte es direkt in der Nachkriegszeit mit Hilfe der Fa. Steinmüller in Gummersbach verstanden, die Deutsche Bausparkasse Darmstadt, Kürzel DBS, in einem umfangreichen Finanzierungsprogramm für die Arbeiter von Steinmüller Wohnungen und Häuser zu bauen, um die Leute und ihre Familien langfristig zu binden. Der alte vom H., Friedrich vom H., seinerzeit Ingenieur bei Steinmüller, fädelte diese Geschäfte ein, und bescherte seiner Familie einen guten Gewinn. Aus einer lukrativen Nebentätigkeit übernahm sein Sohn Wilhelm, auch Ingenieur, die Bauspargeschäfte und baute daraus eine florierende hauptberufliche Bausparvertretung aus. Über den Zweig von vielen nebenberuflichen Leuten, wie auch meinen Schwiegervater, sprach man später schon anerkennend„ vom Hofe Bausparkasse DBS“. Durch die erweiterten Spargesetze der Bundesrepublik, konnte der Kleinsparer einen guten Sparertrag plus Option Eigen-heim erwirtschaften. Der Umsatz der vom H. erreichte ansehnliche Werte. Anfangs führte er seine Geschäfte noch von zu Hause aus, aber als ich bei der DBS begann, wurde eine richtige Filiale in der Innenstadt von Gummersbach angemietet. Ein zusätzlicher Innendienstkollege, Peter V. und seine Frau als Sekretärin, bildeten anfänglich die DBS-Crew in Gummersbach. Die Aufarbeitung vieler, seit Jahren, nicht besuchter Kunden musste aufgearbeitet werden. Eine Aufgabe, die immense Ausmaße erreichte. Mein hauptsächlicher Kundenstamm mit den dazu gehörenden nebenberuflichen Vertretern lebte in dem Bereich Morsbach-Waldbröl-Nümbrecht-Reichshof. Ein sehr großes Gebiet.
Rita wollte fahrmäßig unabhängiger werden und nicht nur auf den Bus und auf mich angewiesen sein. Wir kauften einen 1500er VW-Käfer, ein etwas älteres Modell. An der Karosserie mussten ein paar Arbeiten verrichtet werden, vor allen Dingen sahen die Kotflügel sehr ramponiert aus, ich besorgte ein paar vom Schrottplatz. Leider erhielt man für dieses Baujahr bzw. Modell nicht genau die passenden, also mussten sie passend gemacht werden. So hatte ihr Fahrzeug vier verschiedene Kotflügel von unterschiedlichen Modellen mit vier verschiedenen Farben. Es sah irgendwie lustig aus. Im Angebot besorgte ich einige Dosen Autolack, Farbe blau bis türkis, nicht gerade die Überfarbe, aber besser als gar nichts. Ich schmirgelte das Auto ab, spachtelte an einigen Stellen noch nach, und spritzte es in Schwiegervaters Garage. Ich muss sagen, einen Meisterbrief für diese Lackiererei bekam ich nicht, zumal das Spritzgerät immer wieder Aussetzer hatte und die Düse andauernd verstopfte. Aber nach einiger Zeit konnte man sehen, dass überall die gleiche Farbe aufgetragen war.
Ich trichterte Rita ein, dass sie mit einer Tankfüllung ca. 400 km weit käme. Tatsache war, dass nach ca. 200 km der Tank leer war. Kleine Fehleinschätzung oder verrechnet? Jedenfalls stand Rita eines Tages, nicht weit von unserer Wohnung entfernt, mit einem leeren Tank. Wir sahen zu, den Wagen schnellstens zu verkaufen.
Unser nächster Urlaubsaufenthalt hieß Hohwacht in Schleswig- Holstein, in der Pension Waldwiese, direkt an der Ostsee.
Aber so rastlos, wie wir nun einmal sind, begannen wir eine Tour an der Ostseeküste durch Schleswig-Holstein, Ziel war Laboe, ca. 19 km nördlich von Kiel, am äußersten Ende der Kieler Förde.
Weiter ging es nach Malente, um dort an einer 5-Seen-Fahrt mit dem Schiff teil zu nehmen. Wir besichtigten den Malenter Tierpark und sahen uns das Schloss in Eutin an. Unsere Besichtigungstour führte uns nach Neumünster in die Böcklersiedlung, Gerhard-Hauptmann-Platz Nr.9 und zu meiner ehemaligen Grundschule.
Zu einer weiteren Station unserer Schleswig-Holstein-Rundfahrt gehörte die Hansestadt Lübeck mit dem Holsten-Tor, dem Lübecker Dom, dem Rathaus und der Altstadt. Lübeck alleine ist schon eine Reise wert, sehr beeindrückend.
Zum Schluss unserer Nordtour landen wir noch in Kiel, der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein. Wir sahen uns den Hafen an, fuhren durch die Innenstadt, besichtigten den Yachthafen in Schilksee und genossen noch einen schönen Abend an der Kieler Förde.
Mein neuer Beruf bei der Deutschen Bausparkasse Darmstadt nahm mich sehr in Anspruch. Zu meiner Tätigkeit gehörte unter anderem auch die Betreuung von nebenberuflichen Vertretern, die neben ihrem eigentlichen Beruf Bausparverträge vermittelten. Zur Betreuung gehörte auch die Schulung und das gemeinsame Aufsuchen von Kunden, die Vermittlung von Bausparverträgen, Erlangung der Baudarlehen zum Kauf, Bau, Umbau von Immobilien. Das setzte eine intensive Eigenschulung mit Prüfung in vielen Varianten voraus. Dazu gehörten auch Lehrgänge bei Kooperationspartnern, um u.a. mit deren Produkten die Gesamtpalette zu erweitern. Einer dieser Partner war die Deutsche Lloyd Lebensversicherungsgesellschaft München. Eines ihrer Seminare fand am Starnberger See in der Nähe von München statt. Die Fahrt mit der Eisenbahn und die dortige Unterkunft in einem schicken Hotel direkt am See bezahlte die Versicherungsgesellschaft. Es war für mich das erste Mal, mit derartigen Produkten einer Versicherung konfrontiert zu werden. Vieles verstand ich erst nicht und musste diese für mich neuen Inhalte der Versicherungsprogramme in sehr kurzer Zeit erlernen. Was habe ich anfangs diese Unwissenheit verflucht, ich kannte viele, viele Zusammenhänge überhaupt nicht. Bei einem gemeinsamen Abend der Teilnehmer teilte ich einem der Schulungsleiter meine Probleme und Sorgen mit. Er half mir mit vielen Kopien und Erklärungen, so oft es seine Zeit vor Ort erlaubte. Abends in meinem Zimmer konnte ich diese Unterlagen dann durcharbeiten. Meiner weiteren Motivation gaben diese vielen zusätzlichen Erklärungen, Unterrichtsstoff und verschiedenen Beispiele enormen Auftrieb.
Die Deutsche Bausparkasse war zu der Zeit noch eine Genossenschaft. Jeder, der einen Bausparvertrag abschloss, erhielt dadurch automatisch einen Genossenschaftsanteil, Wert zur damaligen Zeit 20 DM. Die Bausparkasse wollte eine Aktiengesellschaft werden und bot den Anteilseignern ( Genossen ) die Umwandlung des Genossenschaftsanteils in Form einer Namensaktie zu einem Nominalwert von 50 DM an, einzahlbar auf einen Bausparvertrag. Die Umwandlung sollte für die Deutsche Lloyd Versicherung als Hauptaktionär geschehen. Ich hatte nun den Auftrag, bei vielen schon ausgeschiedenen Kunden diese Umwandlung zu vollziehen. Entweder sie entschieden sich zu einem Neuvertrag, oder sie erhielten den Genossenschaftsanteil ausgezahlt. Für mich und die Bausparkasse zeichnete sich ein lukratives Geschäft ab. Zum persönlichen Erfolg gehörte viel neues Hintergrundwissen, welches für mich in der kommenden Zeit von enormer Bedeutung wurde. Ich nutzte jede Möglichkeit an Lehrgängen teil zu nehmen. Die Lehrgänge in Darmstadt in der Hauptverwaltung der Bausparkasse brachten meinen Wissensstand im Bereich Baufinanzierung einen weiteren Schritt voran.
Eine positive Nebensächlichkeit war das Kennenlernen von DBS-Mitarbeitern, die im Nebenjob mit der Spargelbörse in Hessen zu tun hatten. Der Spargel unterliegt gewissen Qualitäts- und Preisnuancen, die sich täglich durch die Börse ändern. Die Insider wissen so in etwa, wann die beste Qualität zu erwerben ist und schlagen dann zu. Ich hatte bei einem dieser Kollegen Spargel bestellt. Er rief dann nur an, ein Karton mit fünf Kilo ist unterwegs, sagte den Preis, ich überwies den Betrag. Eine tolle Sache, denn eine bessere Qualität gab es nicht, nichts holziges, sogar ganz dicke Stücke waren frei von irgendwelchen Macken.
Ostern 1979 besuchten Rita und ich meine Verwandten Onkel Kurt, Tante Lisi, Uwe und Ulrike und Jürgen und Tine in Schwerin, in der ehemaligen DDR. Wir kauften einen Waschkorb voll Lebensmittel und Genussmittel, wie Kaffee und Schokolade, in unseren Supermärkten ein, schrieben alles akribisch gut lesbar in mehreren Varianten für die Grenzkontrollen auf. Es war wirklich eine ganz neue Erfahrung den Ablauf so einer Grenzbewachung zu erleben.
Wir nutzten den Grenzübergang Lauenburg – Horst, an der Elbe.
Welch ein Andrang. In unserem orangefarbenen Golf verstauten wir unser Gepäck, unsere Mitbringsel übersichtig, und notierten alles sehr genau, dass kein Grenzer etwas zu maulen hatte. Man erkannte direkt, auf wen sich die Aufmerksamkeit der Grenzsoldaten richtete. Nicht so junge Leute, wie wir, nein diejenigen mit großen Fahrzeugen, die sich großspurig benahmen und nach „Kapitalisten“ aussahen, so nach dem Motto, wer seit ihr, wer sind wir? Die Grenzer konnten mit ihrem geschulten Blick die entsprechenden Kandidaten direkt herausfiltern. Vor uns wurde ein Mercedes mit fünf Personen durchwühlt. Die prallgefüllten Koffer geöffnet, alles durch einander geschmissen, sie bekamen die geballte Macht der Grenzer zu spüren. Was hatten manche Leute in ihren Kofferräumen, angefangen von Toilettenausrüstungen, Fliesen, Rohrleitungen usw. Es war unglaublich. Aber diejenigen, die meinten, sie könnten sich gegen die Vorschriften, alles auf zu schreiben und leicht lesbar zu gestalten, auflehnen, die mussten hier an Ort und Stelle Federn lassen, und kleinlaut den Schwanz einziehen. Wir hatten mitder Grenzkontrolle keine Schwierigkeiten, sollten aber wegen zu großen Andrangs an der Grenze unser Geld am Bestimmungsort umtauschen. Wir fuhren nach Schwerin, meldeten uns bei der betreffenden Polizeistation und trafen eine Polizistin an, die sich gleich mit ihrer ganzen Masse hoch stemmte, die Hände in die Hüften legte, und wie ein Dragonerweib losmotzte. Warum wir nicht schon umgetauscht hätten, was uns einfiele…..Wir ließen sie ausmeckern. Mir riss dabei bald der Geduldsfaden. Ich sagte ihr nur, ob Gäste, die sich noch nicht auskennen so behandelt werden? Wir erzählten von der Situation an der Grenze…. Sie nahm einen Stempel, knallte in unseren Reisepass den Ausreisestempel und entließ uns.
Wir fuhren direkt zur Sparkasse Schwerin, um unser Geld in DDR-Geld, pro Tag 25,-DM pro Person um zu tauschen. Im Sparkassenschalter mussten uns wartende DDR-Bürger Platz machen, um uns als die wichtigen Devisenbringer schnell zum Geld ausgeben zu schicken. Was hatte ich mich geschämt jemand aus dem Westen zu sein.
Unser Fahrtziel war erreicht, die Plattenbauten- Siedlung „Großer Dreesch“, wo Onkel Kurt und Tante Lisi wohnten.
Solche Plattenbausiedlungen entstanden in vielen größeren Städten der DDR. Sie gaben viel Wohnraum, die Aufteilung der Wohnungen war zweckmäßig ohne großen Komfort gestaltet. Interessant fand ich die Toilette mit einem Ein- und Ausgang. Um dem nachfolgenden Benutzer nicht zu Nahe zu treten, benutzte man den Ausgang, um den Eingang frei zu halten, oder so ähnlich. Onkel Kurt und Tante Lisi passten sich den politischen Gegebenheiten an, und versuchten unangenehme Dinge mit angenehmen zu vermischen, um sich dann wiederum daraus die Rosinen für sich heraus zu picken. Sie vergaßen nicht ihre Lebenslust und lebten für Ihre Familie.
Onkel Kurt war nie um einen zweifelhaften, lustigen oder zweideutigen Spruch verlegen. Er hatte einen besonderen Draht zu Kindern, erzählte Geschichten, wie sie ihm gerade einfielen, und die Kinder glaubten es ihm. Seine Frau legte ihm einen Einkaufszettel hin, und wenn er außer der Reihe dies oder jenes nicht mitbrachte, kam sein Spruch: Ich hatte keinen Auftrag. Keiner nahm ihm solche Äußerungen übel.
Er arbeitete als Kfz.-Meister in einer LKW- Reparaturwerkstatt. Ich habe noch keinen Kfz.-Schrauber erlebt, der so viel Ahnung von Motoren hatte wie er. Klar, etwas zu reparieren, auch in größerem Stil, können sicherlich auch andere Mechaniker, er aber stellte in Handarbeit die nötigen Ersatzteile selber her, falls sie nicht vorhanden waren. Sein altes Fahrzeug, einen V8, zerlegte er regelmäßig in Einzelteile, ersetzte defekte Dinge, teilweise in eigener Herstellung und baute alles wieder zusammen. Sein Fahrzeug fuhr mit Kerosin, Flugzeugbenzin, weil er diesen Kraftstoff preiswert in der LKW- Werkstatt bekommen konnte.
Tante Lisi verkörperte die ruhige, bescheidene und zurückhaltende Mecklenburgerin, mit einem herrlichen „breiten“ norddeutschen Akzent. Sie hielt sich zwar sehr zurück, konnte aber im entscheidenden Moment schnell und spontan ihre Zurückhaltung ablegen und reagieren.
Wir schlenderten samstags durch Schwerin, schauten uns die Geschäfte an, als plötzlich Tante Lisi sehr eilig in einem Laden verschwand. Onkel Kurt zuckte nur mit den Schultern, und meinte, für die Organisation wäre er nicht zuständig. Die Lösung dieses schnellen Versteckspiels war, dass Tante Lisi von irgendwem erfahren hatte, dass in einem bestimmten Laden Teppiche als „Bückware“ erhältlich wären. Sie kam aber zu spät. Nicht schlimm, ein nächstes Mal kommt bestimmt, und damit erledigte sich der schnelle Gedanke.
Was mich stark beeindruckte, Onkel Kurt bückte sich nach jedem krummen Nagel oder Schraube, um sie zu Hause wieder zu begradigen und weiter verwenden. So etwas machte im goldenen Westen keiner mehr, der Überfluss beeinflusste uns sehr deutlich.
Wir besuchten meinen Cousin Uwe Kamrath mit Frau Ulrike und den beiden Töchtern Silke und Birgit. Wir lagen alle direkt auf einer Wellenlänge und verstanden uns auf Anhieb. Ein gemütlicher Abend mit Fodue, Trinken, viel Erzählen und Spaß krönte einen gemütlichen Abend.
Für den nächsten Tag erfolgte eine Fahrt zur Ostsee. Uwe fuhr mit seinem Moskwitsch und der Blattfeder Stoßdämpfung voraus durch die Schlaglöcher, allerdings schneller als erlaubt, ich versuchte mit meinem Golf und Wessifederung die Schlaglöcher zu umgehen und die Geschwindigkeitsbegrenzung von 45km ein zu halten. Wir wurden ständig von Einheimischen überholt, die dann freundlich hupten, aber mitleidig schauten.
Die Kinder, Birgit und Silke, fuhren mit in unserem Wagen. Während der Fahrt sangen sie verschiedene Lieder, und wunderten sich, dass wir die Lieder nicht kannten. Weiterhin sagten beide, mit viel Hingabe und Betonung, uns Gedichte auf, wir fanden es toll.
Unser nächster Besuch galt den K`s. in Kritzmow, Jürgen, Tine, Ute und Katrin.
Als erster begrüßte uns der Haus- und Hofhund Molly, eine Hundemischung dreimal durch das Dorf gejagt. Ein total liebenswertes Tier, welches Rita nicht mehr von der Seite wich, zu mal Rita Hunden eigentlich aus dem Weg geht, zwecks Angst, aber das wusste dieses Tier ja nicht.
Die Anwesenheit in Kritzmow hatte eine größere Kaffeerunde zur Folge, also musste Kuchen herbei geschafft werden. Jürgen und ich fuhren zu einer Bäckerei und luden für eine größere Runde ein. Ich bestand darauf, die Rechnung zu bezahlen, um Ostgeld aus zu geben, denn wir durften es nicht wieder mit in den Westen nehmen, das was an Ostgeld übrig blieb, gaben wir Tante Lisi zur weiteren Verwendung.
In den Sommermonaten 1979 verbrachten wir in Tönning/ Halbinsel Eiderstedt/ Schleswig-Holstein an der Nordsee unseren Urlaub, ein Bade – und Luftkurort an der Eidermündung zur Nordsee. In der Stadt leben ca. 5000 Einwohner, weiterhin gibt es hier einen Sport – und Fischereihafen mit langer Geschichte. Bereits im Jahre 1187 wurde „Tönningharde“ urkundlich das erste Mal erwähnt.
Tönnings Blüte als Stadt begann, als Einwanderer aus den Niederlanden für einen großen wirtschaftlichen Aufschwung, durch eine Käseproduktion im großen Stil, sorgten. Tönning war hierzu um 1610 wichtigster Ausfuhrhafen. Weiterhin baute der Gottorfer Herzog Friedrich III die Stadt nach dem dreißigjährigem Krieg zur Festungsanlage aus.
Tönning hat einige Sehenswürdigkeiten zu bieten. Die Laurentius-Kirche, evangelische Kirche, steht am Marktplatz. Die Nordwand stammt aus dem 12.Jahrhundert, die Barock-Turmspitze wurde von 1703 – 1706 errichtet.
Für das Stadtbild prägend ist der Hafen mit seiner historischen Bausubstanz.
In der Altstadt befinden sich noch Giebelhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die niederländischen Einfluss zeigen.
Roter Backsteinbau, hohe Fenster, der Giebel wie eine Treppe angelegt, gebaut 1619, daneben der berühmte Marktbrunnen, sechseckig gemauert. Der Marktbrunnen ist einer der wenigen Kunstbrunnen in Schleswig- Holstein. Sechseckig, auf jeder Eckplatte Verzierungen in den Stein gemeißelt. Der stählerne Aufbau, geschwungen wie ein Rosenspalier, darüber eiserne gedrehte Metallverzierungen. In der Mitte dieses „Spaliers“ hing ein Behältnis zum Wasserschöpfen, wird jetzt aber zweckmäßig als Blumenkübel verwand.
Außerhalb von Tönning, im Süden der Halbinsel Eiderstedt, liegt das Katinger Watt, ein Naturschutzgebiet, einst ein Wattgebiet im Mündungsbereich der Eider. Die Landgewinnung legte das Watt trocken, Schutz erfährt es durch den Eiderstaudamm. Ein Damm schützt das Watt noch vor der Eider. Begibt man sich weiter zur Eidermündung, trifft man auf das Eiderstauwerk, ein Schutz zur Regulierung der Hochwassermarken zum Innenbereich und zur Abwehr von Sturmfluten, es ist das größte deutsche Küstenschutzbauwerk.
Wenn man an der Küste weiter fährt, führt der Weg nach St. Peter-Ording, einem Strandbad der Extraklasse, mit einer eigenen Schwefelquelle, die einzige unter den deutschen Strandbädern.
Der Textil- und der Nacktbadestrand gingen in einander über, eine wesentliche Absperrung gab es nicht. Die Sonne schien, sehr kalter Wind, Lufttemperatur vielleicht 15 Grad. Ein fotogenes Bild konnten wir erleben. Schade, dass ich in dem Moment keinen Fotoapparat zur Hand hatte. Sie ging mit ihm Hand in Hand. Er trug einen gelben Friesennerz, Kapuze wegen des kalten und schneidigen Windes über den Kopf gestülpt, lange Jeans, die Füße in gelben Gummistiefeln, ab und zu ein Küsschen zu seiner Partnerin, sie lief nackt neben ihm her. Wir sahen dieses seltene Paar von hinten, und fanden diesen Gegensatz sehr amüsant.
Rita und ich wollten zu Fuß zum Leuchtturm Westerheversand. Bis nach Westerhever fuhren wir mit dem Auto, den weiteren Weg gingen wir auf einem schmalen Wirtschaftsweg, quer durch eine Schafswiese. Der Leuchtturm ist für die Schifffahrt ein See-, Quermarken- und Leitfeuer. Auf der Rücktour vom Leuchtturm erreichte uns eine kurze Schlechtwetterfront, wir sahen den intensiven Regen auf uns zu kommen. Zum Unterstellen gab es keine Möglichkeit, einen Regenschirm konnte man bei diesen ständigen Böen so wie so nicht gebrauchen. Jeder hatte sein Friesennerz an, das verhinderte jedoch nicht die durchnässten Hosen. Wir dachten, der Wind wird es schon trocknen, und machten uns zum Ringreiten auf.
Quermarkenfeuer sind Sektorenfeuer, die quer zum Kurs leuchten. In Verbindung zu Richt- und Leitfeuern bezeichnen Quermarkenfeuer auch deren nutzbare Bereiche, gelegentlich auch gefährliche Abschnitte des Fahrwassers.
Ringreiten ist eine Tradition, die an mittelalterliche Ritterspiele erinnern. Wenn in Norddeutschland, vornehmlich in den Sommermonaten, zahlreiche Galgen errichtet werden, so schlägt da den Verbrechern nicht das letzte Stündlein, nein, an den Galgen baumeln kleine Messingringe, die es galt, im Galopp mit der Lanze auf zu spießen. Dies erfordert vom sogenannten Ringreiter schon einiges Geschick.
Es wehte ein raues Lüftchen, unsere Hosen waren noch leicht klamm, aber beide merkten den Beginn einer Erkältung. Ab in Richtung Pension, das Bett hüten. Wir hatten Fieber und blieben auch den nächsten Tag im Zimmer, um so schnell wie möglich diese Erkältung los zu werden. Am übernächsten Tag schien eine wesentliche Besserung erfolgt zu sein, so dass unsere Unternehmungen fort geführt werden konnten.
Unser Ziel, einen Bauernhof mit Stallungen unter einem Dach, genannt der „Rote Haubarg“. Haubarg heißt auf Hochdeutsch Heuberg. In der heutigen Zeit ist dort ein Gasthof beheimatet. Der Sage nach, soll dieses Gebäude mit einhundert Fenstern ausgestattet sein, eins davon musste immer geöffnet sein, um den roten Teufel ein- und ausfliegen zu lassen. Wird dies einmal unterbrochen, brennt das Anwesen ab.
Natürlich gibt es zum Teufel auch eine Glaubensgeschichte. Man stelle sich eine Hochzeitsgesellschaft vor, das ganze Dorf feiert, natürlich ist auch der Pfarrer zum Kaffee und Kuchen eingeladen. Der Pfarrer war früher der „Pfarrer“, also eine Institution, er wurde auch unterwürfig mit „Herr Pfarrer“ angeredet. So lange der Herr Pfarrer die Kaffeetafel beehrt, wird kein Alkohol, oder ähnliches, getrunken. Dem Herrn Pfarrer gefiel es aber bei der Feier so sehr, dass er vergaß zu gehen, vor allen Dingen, er konnte sich richtig satt essen. Einige der männlichen Gäste, Seeleute, meinten es wäre an der Zeit einen anständigen Rum zu genießen. Was tun, der Herr Pfarrer verhinderte das Lustigsein. Es gibt immer irgendwo findige Leute, also Kaffee gemixt mit Rum und Schlagsahne, die Stimmung stieg. Auf einmal merkten alle, dass dem Herrn Pfarrer der Kaffee anders mundete, die Tassen hatte jemand verwechselt. Er stand auf, hob den Zeigefinger in die Luft, leichte Zornesröte im Gesicht, seine Stimme wirkte etwas schrill, als er rief: Oh, Ihr Pharisäer…
Seit dem ist dies das Nationalgetränk der Eiderstedter, Pharisäer.
Unsere Schleswig – Holstein – Tour führte uns zur nördlichsten Stadt Deutschlands, nach Glücksburg, an der Flensburger Förde, Ziel, das berühmte Wasserschloss.
An der Stelle des heutigen Wasserschlosses stand das 1209 gegründete Zisterzienserkloster Rüde. Nach der Reformation wurde das Kloster aufgegeben. Der Besitz fiel bei der Landesteilung 1544 zunächst an den Herzog Johann den Älteren, und nach dessen Tod 1581 an dessen Neffen Johann den Jüngeren, der seine Hauptresidenz von Sonderburg/Dänemark nach hierher verlegte. Die Ruinen des Klosters wurden geflutet. Mitten in dem entstandenen See entstand das wohl berühmteste Wasserschloss in Deutschland.
Wir besuchten Flensburg, direkt an der dänisch-deutschen Grenze, das erstmalig 1248 urkundlich erwähnt wurde. Die Stadt liegt im inneren Bereich der Flensburger Förde, einer Ausbuchtung der Ostsee. 1284 erhielt Flensburg die Stadtrechte und mauserte sich rasch zur bedeutensten Stadt im Herzogtum Schleswig
Wir fuhren weiter nach Husum, 43 km südwestlich von Flensburg, unmittelbar an der Nordseeküste, dem Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Die erste datierte Erwähnung in den Stadtchroniken stammt aus dem Jahr 1252. Der dänische König Abel versuchte eine neue Friesensteuer zu erheben, jedoch zahlten die Friesen nicht. So kam es zu einem Gefecht, bei dem der König verstarb. 1409 wird der Ortsname Husum erstmalig erwähnt.1421 erhielt Husum die Gerechtigkeit als Flecken. Unter dieser Bezeichnung wurden Orte benannt, die das Recht hatten einen Marktflecken zu führen. Daraus entstand ein sehr wichtiger Hafen und Marktplatz in Nordfriesland.
Literarisch wird Husum auch die graue Stadt am Meer genannt, berühmtester Literat und Dichter war Theodor Storm, der in Husum am 14.September 1817 geboren wurde, verstarb am 4.Juli 1888.
Theodor Storm Theodor-Storm-Haus
Der Hafen von Husum ist ein Tidehafen, wo das Kommen und Gehen der Schiffe durch den fortwährenden Wechsel der Gezeiten beeinflusst wird. Entsprechend war auch der Handel und der Markt zeitmäßig auf diese Tide angewiesen.
Als 1621 die benachbarte Stadt Friedrichstadt gegründet wurde, wirkte sich das auf die wirtschaftliche Entwicklung Husums negativ aus. Hinzu kam 1634 die Burchardiflut, die vielen Bauern in der Umgebung das Leben kostete, und den Markt der Stadt negativ beeinflusste.
Friedrichstadt sollte eine bedeutende Handelsmetropole laut Herzog Friedrich III. werden. Um dies zu verwirklichen, gewährte er niederländischen Bürgern, vor allen Dingen den verfolgten Remonstranten, einer Religionsgemeinschaft in den Niederlanden und Schleswig-Holsteins, Religionsfreiheit.
Die Bauten, in niederländischer Backsteinrenaissance, und die angelegten Grachten prägen das Stadtbild und geben Friedrichsstadt einen niederländischen Flair.
Eine weitere Aufmerksamkeit in unserer Schleswig-Holstein-Tour gehörte der Stadt Büsum, mit seinem, nach Brunsbüttel, zweitgrößtem Hafen an der nordfriesischen Küste. Durch den Gezeitenstrom Piep ist die Fahrt durch das Wattenmeer in die offene Nordsee möglich.
Es gibt den Norderpiep, Richtung Eider und Nordfriesland, Süderpiep gen Helgoland und Elbmündung.
Bei normalem Wetter können auch Schiffe bis 2m Tiefgang anlegen. Wir wollten den Törn nach Helgoland nutzen und besorgten uns eine Schiffspassage über den Bürgermeister, den wir von Bekannten aus Gummersbach grüßen sollten. Für die erhaltene Passage brachten wir ihm 5Kg Butter im Karton mit.
Es war schon ganz schön witzig, als wir zum Helgolandanleger kamen und die Menschentrauben sahen, die alle noch eine Schiffspassage nach Helgoland ergattern wollten. Wir konnten es als Privileg betrachten, vorrangig behandelt zu werden, denn als „Gäste“ des Bürgermeisters durften wir an der langen Reihe der Wartenden vorbeimarschieren, erhielten unser Ticket und suchten uns auf dem Schiffsdeck einen Platz. Es versprach schönes Wetter zu bleiben, leichte Prise, Sonnenschein, herrliche Luft. Während der Fahrt kauften einige Mitfahrer ihren Kindern reichlich Pommes Frites und wunderten sich bereits, bei leichten Schiffsbewegungen, dass die Kinder auf Dauer die Toiletten bevölkerten, einen normalen Gang dorthin sollte man bis nach Helgoland verschieben, denn in den WC-Gängen schwamm es mittlerweile an Erbrochenem.
Wir erreichten Helgoland, und sogleich begannen die Helgoländer mit der sogenannten Ausschiffung, ein Privileg als Zusatzeinkommen für die einheimische Bevölkerung. Die Ausbootung geschieht durch Börteboote, hochseetüchtige 10m lange Eichenboote, die zur Personenbeförderung dienen.
Helgoland ist die am Weitesten vom Festland entfernte Insel. Die Nordseeinsel liegt in der deutschen Bucht und gliedert sich in Unter-, Mittel- und Oberland. Seit 1721, passiert durch eine schwere Sturmflut, ist die Nebeninsel Düne von der Hauptinsel getrennt. Helgoland ist keine Hochseeinsel, sondern gehört, wie die ganze deutsche Bucht, zum Festlandsockel. Die 12-Meilen-Zonen an der Küste des Festlands und um Helgoland überlappen sich, so dass Helgoland nicht durch internationales Gewässer vom Staatsgebiet des deutschen Festlands getrennt ist.
Die Nebeninsel Düne befindet sich jenseits der kleinen Meeresstrasse Reede, die in Nordreede und Südreede unterteilt wird, knapp einen Kilometer vor der helgoländischen Hauptinsel.
Auf der Insel herrscht Verbot von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern, Elektroautos sind im Einsatz. (Natürlich gibt es Sonderrechte). Die sogenannten „Hummerbuden“ stehen im mittleren Teil der Insel und prägen eine Straße mit einer durchgehenden Häuserreihe in nordischen Farben. Schmale zweistöckige Häuser, mit Geschäften, Privatwohnungen, Fischrestaurants, im Angebot den Helgolandhummer.
Die Rücktour von Helgoland nach Büsum gestaltete sich bis Büsum bei glatter See und schönem Wetter als sehr angenehm. Aber kurz vor der Hafeneinfahrt geriet das Fährschiff in tiefe Ebbe und musste auf der Stelle immer wieder mit der Schiffsschraube sich frei wühlen und auf die Flut warten. Es fehlten noch ca, 500 Meter bis zum Anleger. Aber so nach und nach gelang das Anlegen. Wir lieferten noch die 5Kg mitgebrachte Butter ab und ließen den wunderschönen Tag bei einem Essen im Restaurant ausklingen.
Bad Drieburg
Unser Kegelclub, "die Holzfäller", fuhr an einem Wochenende im Spätsommer 1979 nach Bad Drieburg. Wir trafen uns am Gummersbacher Bahnhof, im Gepäck viele Dosen Bier und klare Muntermacher, genannt Schnaps. Die Stimmung am Morgen konnte nicht besser sein. Unsere Fahrt mit der Bahn führte uns nach Hagen, dort stiegen wir in den Regionalexpress nach Bad Driburg. Es war schon sehr warm, beste Vorraussetzungen für viel Durst. Unser Club bestand aus fünf Männern und fünf Frauen, entsprechend war auch die Sitzordung im Zug. Denn, es wurde gesungen, altes deutsches Liedgut, alles Texte aus der Mundorgel. Manchmal sangen wir mit den Damen ein Lied zusammen, manchmal sangen wir auch gegen einander, je nachdem die allgemeine Stimmung verlief.
Die Stimmung und der Durst waren so gut, dass in Hagen am Bahnhof bereits neue Getränke gekauft werden mussten. Eine alte Tante von Heinz R. aus der DDR stand wartend auf dem Bahnsteig, sie wollte nach Hause fahren. Wir sangen ihr auf dem Hagener Bahnsteig ein Ständchen.
In Bad Driburg stolperten wir aus dem Zug, der Schnaps, das Bier, das warme Wetter zollte seinen Tribut. Josef Holthausen, unser Präsis, hätte eigentlich wissen müssen, wie unser Hotel hieß. Er hatte einen leichten Filmriss, also musste sein Gepäck zwecks Reiseunterlagen durchsucht werden.
Aber irgendwie erreichten wir doch dieses Kurhotel, dessen Kurgäste sich auf ein etwas unruhiges Wochenende gefasst machen sollten. Wir bezogen die Zimmer und trafen uns danach im Hoteleigenem Schwimmbad und spielten lautstark kriegen.
Das abendliche Lokal steckte unser Kegelclub direkt mit einer super Stimmung an. Die vorhandenen Kurgäste mussten ab 22.00 Uhr das Feld räumen, wir nutzten nun das ganze Lokal, mit viel Bierrunden und Tanz. Dem Wirt gefiel das Ganze so gut, das er noch in der Nacht für uns entsprechende Musik für den nächsten Abend aufnahm.
Mitten in der Nacht kamen wir zum Hotel zurück und trafen uns noch auf einem der Balkone unserer Zimmer. Ein Gutenachtgetränk musste als letzter Absacker verkümmelt werden.
Ein gutes Frühstück, eine Kegelbahn, etwas schief, nicht weil jemand betrunken ist, nein, so war die Bahn wirklich. Es war richtig lustig, da zu kegeln. Die Bahn hatte einen dermaßen starken Rechtsdrall, dass man links aufsetzen musste, um rechts einen Bauern zu erwischen.
Am Abend übertrafen wir noch einmal den Vorabend in der Kneipe. Riesen Stimmung, Tanz, Spaß, viele Runden Bier.
Die Rückfahrt gestaltete sich etwas ruhiger, die Truppe war leicht müde, heiser vom Singen, aber alles in Allem eine gelungene Fahrt.
Neheim-Hüsten
Ein weiterer Kegelausflug führte uns in die Nähe von Neheim-Hüsten, in den Naturpark Arnsberger Wald. Eine Försterparty in einer alten Tenne mit Kopfsteinpflaster mitten in der Natur. Dort trafen sich viele verschiedene Gruppen, Sportvereine, Kegelclubs, Alt und Jung. Es herrschte ein kräftiges Treiben mit Spielen wie Milchmädchenrennen, Geschicklichkeitsspielen, Tanzspielen und vieles mehr. In einem großen Schuppen war eine riesiges Buffet aufgebaut, derbe kulinarische Köstlichkeiten aus der Region. Natürlich wurde auch viel getrunken, sei es Schnaps, Wein oder Bier, wobei einige der Anwesenden über ihre persönlichen Verhältnisse konsumierten, was dann auch zu einigen Komplikationen führte. Eine Frauensportgruppe aus dem Ruhrgebiet tat sich hierbei besonders hervor und sang bei jedem Schnaps nachfolgenden Text:
Wenn es sein muss, muss es sein, wenn er rein muss, muss er rein, wenn es sein muss, dass er rein muss, wenn es sein muss, dann prost.
Dieses Lied erklang bald bei sämtlichen Gruppen, bis am Abend nur noch im Gesamtchor gesungen wurde. Eine Bombenstimmung mit viel viel Spass.
Hahnenklee im Harz
Eine weitere Tour brachte uns nach Hahnenklee im Oberharz, ein Vorort von Goslar. Wir übernachteten im berühmten Harzer Stern, einer großen Hotelanlage, mit allen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung diverser Clubs. Ob tanzen, kegeln oder Besichtigungstouren, für Alles gab es eine Möglichkeit. Unter Anderem fuhren wir mit der Seilbahn zum nahen Bocksberg, um die tolle Aussicht, und das gute Restaurant zu geniessen. Man schärfte uns mit einem Augenzwinkern ein, bei jeder Fahrt mit der Seilbahn unter den Sitz zu schauen, um festzustellen, ob das Sicherheitspaket für jeden Fahrgast vorrätig wäre. Renate Rausch, Kegelclubmitglied, hatt diesbezüglich leichte Ängste. Sie schaute doch tatsächlich unter jeden Sitz, ob diese Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt wurden. Aber unter keinem Sitz fand sich so ein Paket, nur ein Zettel, auf dem stand:
Wer keines dieser Pakete findet, kann sich auf dem Bocksberg ein Paket abholen.
Mit Zittern fuhr sie mit auf den Berg, steuerte auch sofort die Bergwacht an und erhielt ein kleines Paket mit einem Harzer Käse und einem Fläschchen Kräuterschnaps. Das Gelächter und die Stimmung stieg.
Das Seehaus Nanny, ein Hotel-Restaurant-Cafe-Tanzlokal war über viele Jahre unser Hauptort, um zu tanzen, Spass zu haben, mit der großen Clique so richtig den Alltag vergessen.
10. Sylvester im Seehaus Nanny an der Lingeseetalsperre, unsere gesamte Feierriege der letzten Jahre hatte sich hier bei einem riesigen oberbergischen Buffet, mit viel Wein, Bier und Sekt eingefunden, um so richtig die Korken knallen zu lassen, natürlich auch bei viel Tanz und ohne Spaßbremse. Nach jeder 10. ausgetrunkenen Flasche Sekt erhielten wir eine Flasche umsonst. Davon profitierte hauptsächlich die Damenrunde deren Stimmung steigerte sich erheblich. Die Herrenrunde, half natürlich mit, konnte sich aber nicht verkneifen, ab und zu den Sektgeschmack mit etwas Bier zu verändern. Man merkte, die lockere Stimmung hatte sich durchgesetzt, bei einem guten Bier und leckerem Essen wurde eine Genießerpause eingelegt, die nach dem reichhaltigen Buffet mit einer guten Zigarre besiegelt wurde. Denn das Sprichwort sagt: Nach dem Essen sollst Du rauchen und ein Nickerchen in allen Ehren brauchen.
Danach wurde bis zum Abwinken und in die Morgenstunden getanzt.
Das Wetter spielte nicht mit, Glatteis, Schneefall, unmöglich den Nachhauseweg anzutreten, kein Taxi fuhr, es war einfach zu gefährlich. Endsprechend viele Gäste blieben ganz einfach im Tanzraum haften. Ab sechs Uhr morgens begannen die Ersten mit dem Frühstück, dabei mussten die Reste des Buffets herhalten. Die Hotelbesitzer kochten Kaffee, es endstand eine große gemütliche Runde.
Am 2.März 1980 begann unser Winterurlaub in Ruhpolding/ Oberbayern im Landkreis Traunstein, Fremdenverkehrs- und Kurort, bekannt durch das Biathlon.
Rita und ich quartierten uns in der Privatpension Schaub am Rande von Ruhpolding ein. Die Familie Schaub stammte aus Schleswig-Holstein. Herr Schaub war selbstständiger Polsterer, sie betrieb die Pension.
In diesem Winter 1980 war es sehr kalt, bis minus 20° Grad und viel Schnee. Überall wurden die Langlaufloipen gespurt, viele Skiwanderer nutzten das fantastische Wetter. Wir liehen uns Langlaufskier und versuchten unser Glück. Für mich bedeutete dies das erste Mal auf Skiern zu stehen und sie zu benutzen. Zu erst probierten wir die leichteren Strecken mit nur geringem Gefälle. Bei steileren Kurven hieß es, sich nach links oder rechts fallen zu lassen. Irgendwann gewann man mehr Vertrauen in die Geschichte und der Übermut siegte. Man spurte die Loipen an den verschiedenen Seen entlang, wo sich alle paar Kilometer ein Gasthof befand, um sich mit Jagertee auf zu wärmen.
Wir fuhren mit der Rauschberggondel auf den Rauschberg, um die tolle Sicht nach Ruhpolding zu genießen.
Von hier oben hatte man einen tollen Weitblick auf Ruhpolding, den auch verschiedene Drachenflieger nutzten, die den Absprung mit einer, extra für Drachenflieger, errichteten Startrampe nutzten. Der Rauschberg ist ein 1645 Meter hoher Berg der Chiemgauer Alpen. Bei klarer Sicht erkennt man von hier aus die zwei höchsten Berge Österreichs, den Großglockner und den Großvenediger. Sehr gute Skiabfahrer nutzten hier bei sicheren Schneeverhältnissen die Roßgasse, eine der steilsten Abfahrten in Oberbayern.
Von Ruhpolding unternahmen wir eine Fahrt über Inzell nach Bad Reichenhall, Kurstadt mit zahlreichen Solequellen und Solebädern.
Die Winklmoosalm ist ein weitläufiges Almgebiet im Gemeindebereich von Reit im Winkl, auf einem Hochplateau von 1200m ü.NN und der Heimatort von Rosi Mittermeier, einer erfolgreichen Skifahrerin. Schneeehöhe 2 Meter, Sonne pur, klare Luft, beste Erholung. Ein Winterparadies der Extraklasse. Jeder Winterurlauber genoss hier diese idylische Atmosphäre auf seine Art.
Salzburg
Die weitere Reise führte uns nach Salzburg in Österreich, Hauptstadt des gleichnamigen Bundeslandes. Die Stadt liegt an der 225 km langen Salzach, der längste und wasserreichste Nebenfluss des Inn in Österreich und Deutschland. Die Salzach ist einer der großen Alpenflüsse und entwässert die östlichen Hohen Tauern nach Norden.
Rita und ich besichtigten die historische Altstadt von Salzburg, gelegen direkt an der Salzach, begrenzt vom Festungs- und Mönchsberg, sowie dem westlichen Ausläufer des Rainbergs.
Seit der Schlacht bei Mühldorf im Jahre 1322 war das Erzbistum Salzburg mit dem Mutterland Bayern verfeindet und wurde im Laufe der Zeit ein eigenständiger Staat im deutsch-römischen Reich. Im 15.Jahrhundert führte der wirtschaftliche Aufschwung zu selbstbewusstem Bürgertum mit seinen vielen Rechten und Privilegien. Wenige Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag stand die Mehrheit der Stadtbevölkerung dem Protestantismus nahe. Aber bis 1590 jagte man die unbeugsamen Protestanten aus dem Land. Salzburg gehörte als Fürsterzbistum 1600 mit seinem Salz- und Goldbergbau zu den reichsten Erzbistümern im deutsch-römischen Reich, dadurch konnte der Altstadtkern neu gestaltet werden.
Frühjahr 1980 bezogen Rita und ich unsere neue Wohnung in Reichshof-Heidberg, Neubau des Reisebusunternehmens Wilfried und Hiltrud Hofacker. Hiltrud war eine Arbeitskollegin von Rita an der Volksbank Oberberg in Gummersbach. Wilfried Hofacker fuhr anfangs einen der Busse seines Vaters und machte sich dann selbstständig. Das neue Haus in Heidberg wurde direkt über die großen Bushallen mit eigenen Reparaturvorrichtungen gebaut. In die Dachgeschoßwohnung zogen wir als Erstmieter und konnten noch vor der Ausbauvollendung unsere Wünsche zwecks Ausstattung äußern.
Zu unserer recht komfortablen Wohnung gehörten zwei Balkone als Loggien, Süd- und Nordseite, ein großes Badezimmer, Gäste-WC, große Küche mit Eßecke, Kinderzimmer, Schlafzimmer und Wohnzimmer. Eine Garage mieteten wir bei Hiltruds Bruder Ottfried auf der anderen Straßenseite.
Wir verkehrten mit Hofackers, deren Familie und Bekannten sehr freundschaftlich, bei Geburtstagen waren wir immer mit eingeladen.
Dadurch, dass viele meiner Bausparkunden in der Gemeinde Reichshof lebten, konnte ich etliches meiner Arbeiten von zu Hause erledigen oder sie direkt von da aus besuchen. Rita`s Arbeitskollege und nächster Vorgesetzter in der Volksbank, Jürgen Dillmann, holte sie am Morgen ab, denn sein Wohnort Dreschhausen befand sich direkt in der Nähe. Mit den Dillmann`s sind wir bis heute noch gut bekannt.
Jürgen und Ehefrau Gerlinde Dillmann sahen genau so gern wie wir der Borussia aus Mönchengladbach beim Fußball zu. Deshalb war es naheliegend, dass wir hin und wieder zusammen zum Bökelbergstadion nach Mönchengladbach fuhren, um der heimischen Mannschaft die Daumen zu drücken. Es war jedes Mal ein Tagesausflug, dementsprechend nahmen wir auch zu essen und zu trinken mit. Wir reihten uns in die Stehplatztribüne inmitten von alten heimischen Fußballfans ein. Es war schon sehr bemerkenswert, wie sehr sich die Leute mit den Spielsituationen identifizierten. Der eine ältere Herr bekam Luftbeschwerden oder fast einen Herzinfarkt, wenn der Schiedsrichter nicht nach der Meinung der Zuschauer pfiff, eine ältere Frau stupste immer ihren Vordermann vor Begeisterung oder auch persönlichen Spielunmut mit einem Regenschirm, ein anderer pinkelte seinem Vordermann in die Hacken, damit er nichts vom Spiel verpasste. Allein schon die Zuschauerreaktionen auf Spielereignisse, das Mitfiebern, die Freude, das Mitleiden, war es als Studie schon wert, die Sache zu beobachten. Wenn sich dann fremde Menschen vor Freude in den Armen lagen, direkte Vorkommnisse diskutiert wurden, schon das war der Eintritt wert.
Rita gehörte sehr schnell zu den richtigen Gladbachfans. Als wir vier im Dortmunder Westfalenstadion dem Spiel Dortmund gegen Gladbach zusahen, hatte Rita das Halstuch von Borussia Mönchengladbach um, obwohl wir uns mitten in der Fankurve der Dortmunder aufhielten. Ich hatte ein ganz mulmiges Gefühl, zumal der Alkoholspiegel der Dortmunder Fans erheblich zunahm, einer der Fans andauernd bei Rita am Schal zupfte, Gladbach nach Toren führte, aber die Jungs blieben friedlich, vielleicht weil sie merkten, dass ich mich auf eine Auseinandersetzung einstellte. Rita blieb ganz gelassen und fragte hinterher nur: War was?
Keukenhof - Holland
Im April 1980 fuhren wir mit Dillmann`s, Rita`s Schwester Gerda und unseren Neffen Markus und Dirk in einem Leih-VW-Bus nach Holland zum Keukenhof, um die alljährliche Blumenkorso zu erleben. Ein Spektakel, wo aus vielen tausend Blüten Figuren und Gestecke hergestellt werden, um sie dann auf Fahrzeuge zu montieren, die wiederum in einem langen Umzug durch die Straßen ziehen. Tausende von Zuschauern säumten die Straßenränder und bestaunten die wirklich künstlerischen Figuren, sei es in Tierform, Schiffsanker, das Abbild der holländischen Königin, beschmückte Oldtimer, Festwagen reichlich mit Blüten verziert, politische Themen.
Bevor wir die Rücktour nach Hause antraten, machten wir noch Station am Nordseestrand von Nordweyk, damit die Kinder sich austoben konnten und genügend Muscheln sammelten.
Bremen
So zwischen durch besuchten Rita und ich meine Schwester Marianne und Ehemann Wilfried, sowie meine Eltern in Bremen, sie zogen mittlerweile wieder in den Norden. Ein Stadtbummel war angesagt, Sögestrasse, Schnorrviertel, Hafenrundfahrt, und natürlich etliche Kaufhäuser mussten durchwühlt werden.
In deren Garten verbrachten wir, bei sehr schönem Frühlingswetter, ein paar Stunden mit Grillen, Biertrinken, sich wohlfühlen. Wir unternahmen einen ausgiebigen Spaziergang durch den blühenden Rhododendrenpark in Bremen. Ein fantastisches Blumenmeer, welches man durch Bilder nur als kleine Ausschnitte wieder geben kann. Die vielen Blütenarten, neue Züchtungen, dazu wunderschöne Arrangements mit Bachläufen, viele verschiedenartige Bäume, dazu ein botanischer Garten. Der Park wurde 1933 angelegt, der alte Baumbestand, vor allen Dingen Eichen, Buchen, Eschen und Fichten übernahm man aus dem um 1890 errichteten Wildpark an gleicher Stelle. Diese Bäume spenden den vielen Rhododendren den nötigen Schatten. Die nachfolgenden Bilder geben ein kleinen Einblick über die Schönheit dieser Pflanzen.
Zierenberg / bei Kassel
Am 1.Juni 1980 versammelte sich in Zierenberg, nahe bei Kassel, genauer Burg Hasungen, die Verwandtschaft, um den 70.Geburtstag von Onkel Günter, dem älteren Bruder meiner Mutter, zu feiern. Selbstverständlich entstand hierbei ganz zufällig ein Sippentreffen, um die familiäre Vergangenheit aus Dramburger Zeiten auf zu arbeiten. Aber die Räumlichkeiten ließen es zu, dass alt und jung eigene Interessen hegen konnten, sodass draußen auf dem Rasen die Kinder mit den jüngeren Erwachsenen Fussball spielten.
Vogelpark Eckenhagen
Ein warmer Frühlingstag, lädt uns ein, den Vogelpark von Eckenhagen im Reichshof zu besuchen. Vogelliebhaber kommen hier auf ihre Kosten, großzügig angelegte Volieren sorgen für eine entspannte Besichtigung. Die nachfolgenden Bilder geben einen kleinen Einblick in die Vielfalt der Vogelarten.
Lachender Hans Schneeeule Marabu
Finkenart Turku
Unseren Sommerurlaub 1980 verbrachten wir in Schweden. Wir hatten uns mit Brigitte Schwab ( Tante Gitti ) und Gustav Schwab ( Onkel Gustel ) in Stockholm-Varsta verabredet, um in deren Sommerhäuschen, in Erikswiek, einen unvergessenen Urlaub zu verbringen.
Kurz nach Mitternacht fuhren wir mit unserem Golf los, um rechtzeitig an der Autofähre von Travemünde nach Trelleborg zu sein. Natürlich erreichten wir den Schiffsanleger der Skandinavienfahrer viel zu früh, aber so genau kann man eine so weite Herfahrt zeitlich nicht steuern.
Unsere Schiffsfahrt nach Trelleborg dauerte bis zum Nachmittag bei wunderschönem Wetter, so dass wir die meiste Zeit auf Deck in einem Liegestuhl verbringen konnten.
Ab und an gingen wir unter Deck, um eine Kleinigkeit zu essen oder Kaffee zu trinken. Dieser Kaffee steht den ganzen Tag auf einer Heizplatte und blubbert vor sich hin. Geschmacklich sehr bitter und sehr stark. Trinkt man eine Tasse, ist es nach skandinavischem Brauch erlaubt, noch eine zweite Tasse mit Kaffee nach zu holen.
Wir erreichten den Anleger von Trelleborg, fuhren das Auto von der Fähre, mussten durch den Zoll und hatten noch ca. 700km Strecke bis Stockholm zu fahren.
Eine interessante Landschaft tat sich auf, flaches Land mit bunten Gräsern oder grüne Weiden. Plötzlich erkannte man eigentümliche Felsansammlungen, in sehr großer Einzelform, in Formationen, so, als wenn jemand eine bestimmte Absicht im Zusammenstellen der Felsstücke vorhatte. Diese Phänomene waren oft zu beobachten.
Die Straße teilte sich Abschnitt weise in Landstrasse und Autobahn auf, so als wenn jemandem das Geld für die Autobahn ausgegangen ist. Auch so viele Tankstellen, wie in Deutschland gab es nicht. Also genauestens das Benzin einteilen.
Nachts um ca.24.00 Uhr erreichten wir Stockholm-Varsta. Es war fast taghell, kurz vor der Mitsommernacht, dem längsten Tag. In den nordischen Ländern sind die Tage und Nächte um Mitsommer fast gleich hell, man muss sich einfach daran gewöhnen.
Tante Gitti bereitete noch eine heiße Tomatensuppe vor, bevor wir uns in deren Wohnung zum Schlafen hinlegten.
Am nächsten Tag erreichten wir das Sommerhäuschen. Ein Holzhäuschen mitten in den Schären. Dieses Gebiet wird auch Schärengarten ( Skärgârden ) genannt, eine Ansammlung von 24.000 kleineren und größeren Inseln.
Das Häuschen, Holzbau, war mit drei kleinen Zimmern, kleiner Kochecke, Kamin ausgestattet. Das Toilettenhäuschen lag etwas abseits, zwecks chemisches Klo. Nach jedem kaiserlichen Alleingang musste das Ergebnis mit einer grünen Chemikalie abgestreut werden, ich glaube, es war Ätzkalk, denn ich musste jedes Mal die Tür beim Abseilen offen lassen, um nicht unnötige Freudentränen und Atemlaute von mir zu geben. Das kleine Grundstück zeigte viele verschiedene Baumsorten, vor allen Dingen Krüppelkiefern, die ihre ausladenen Wurzeln in den felsigen Boden gegraben hatten. Zum Häuschen gehörte noch vor der Eingangstür eine kleine Terrasse, wo man bei schönem Wetter wunderbar frühstücken konnte und dem Zwitschern der vielen Vogelarten zu hörte. Wir bekamen beim Frühstück meist Besuch von einer Kohlmeise, sie pickte etwas aus unserem Käse, flog weg, und kam nach kurzer Zeit wieder. Dieses Schauspiel wiederholte sich einige Male. Ein Schwarzspecht zeigte uns seine handwerklichen Fähigkeiten an einer Buche und hackte ein Loch in den Stamm, bis die Holzspäne zur Seite flog. Unseren Küchenmüll legten wir für die Möwen auf einen Felsbrocken, auf diese Art und Weise wurde eine Menge an natürlichem Müll vermieden. Zu dem Haus gehörte auch ein Kellerverschlag, tief in den Fels getrieben, um Arbeitsgeräte, Holz für den Kamin, diverse Vorräte abgelegen zu können. Hier im Keller lebten natürlich einige Mäuse, die sich an etlichem Fressbarem schadlos hielten. Ein paar Mausefallen halfen das Gleichgewicht wieder her zu stellen. Die toten Mäuse legte ich auf den Fels für die Möwen, die sich dann mit einigen Klacksern aus der Luft bedankten. Ein richtiges Badezimmer gab es nicht, baden oder schwimmen im nahen See, oder in der Ostsee. Haare waschen ging so: Wasser im Topf oder Wasserkessel aufsetzen, warten bis die richtige Temperatur zur Verfügung stand, einer neigt seine Haarpracht über das Waschbecken, der andere schüttet das warme Wasser auf die Locken, eingeseift, das gleiche wieder. Ein anstrengender, aber netter Zeitvertreib. Dies konnte man schon als erweiterte Entlausung betrachten, die Affen nutzen nur kein warmes Wasser. Tante Gitti und Onkel Gustel bemühten sich, uns einen unvergesslichen Aufenthalt zu ermöglichen. Sie zeigten uns Gegenden, die man als normaler Tourist nie finden würde. Wir wanderten viel durch die einmalige Natur. Mitten im Wald, ganz in der Nähe des Häuschens, lag ein kleiner See, der durch unterirdische Quellen gespeist wurde. Die Schwab`s nutzten ihn als ihren Badesee, arschkalt, kristallklares Wasser. Aber hinein, nach Luft schnappen, kurz schwimmen und wieder raus aus dem Wasser. Neben dem See, versteckt neben ein paar dicken Baumwurzeln entdeckten wir mit Hilfe von Onkel Gustel zwei Gletschertöpfe, Relikte aus der Eiszeit. Unsere Wanderung führte uns durch ein Pferdezuchtgebiet. Die Weiden der Tiere reichten bis an die Ostsee, zwischendurch stillten sie ihren Durst in dem leicht salzhaltigem Wasser. Die Tiere beäugten uns sehr misstrauisch, wir hielten einen gewissen Abstand, um den Stuten mit ihren Fohlen nicht zu nahe zu kommen.
Oberhalb der Pferde, auf einem Felsvorsprung rasteten wir, und rutschten von den glitschigen Felsen in das Wasser der Ostsee. Was war das kalt, kaum 16° Grad, wir befanden uns ungefähr 50m neben der Pferdeherde.
Wir besichtigten die Altstadt von Stockholm, Gamla stan. Ein paar Einheimische warteten auf die Öffnung des Schnapsladens. Einer dieser Leute suchte Schatten unter der Bank, man kann nur sagen: Alter Schwede……
Gamla Stan liegt auf der Stadtinsel Stadsholmen und weist immer noch die mittelalterliche Straßenführungen von Nord nach Süd und die schmalen zum Wasser abfallenden Gassen auf. Mittendrin befindet sich die Deutsche Kirche, Tyska kyrkan, verschiedene Paläste, das Ritterhaus, der Dom sowie das Königliche Schloss.
Unser Besuch galt der Kirche der Toten, dem Ritterhaus, verschiedene Museen, und natürlich die Wachablösung am königlichen Schloss mit den farbenprächtigen Uniformen der wachhabenden Soldaten.
Wir kehrten in ein bekanntes Restaurant ein, um die schwedischen kulinarischen Köstlichkeiten wie gebratener Lachs in Mandelsauce und überbackenen Käse zu probieren und zu genießen. Dazu servierte man Kroketten und einen gemischten Salat. Das Essen war hervorragend, aber unsere besondere Aufmerksamkeit gehörte den dazu gereichten Getränken. Ich bestellte eine gezapftes deutsches Bier, Rita genoss einen sanft gekühlten trockenen Rosé, serviert in einer Karaffe. Man bemerke, die Bedienung machte einen sehr trägen Eindruck, denn es dauerte lange, bis sie bemerkten, dass wir einen weiteren Wunsch äußerten, nämlich die Rechnung zu bezahlen.Vorher lasen wir mit Erstaunen die Getränkekarte, und stellten fest, dass ein zweites Bier oder Wein letztlich teuerer war, als das Essen ohne die Getränke. Umgerechnet sollte ein Glas gezapftes Bier, 0,3 %o 11,60 DM kosten. Die Karaffe einfacher gekühlter Rose dagegen nur 9,80 DM. Wir waren froh über die Schlafmützigkeit der ansonsten sehr freundlichen Bedienung, die uns verhalf, nicht doch noch ein weiteres Getränk zu bestellen.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Haus und Garten des schwedischen Naturforschers Karl von Linné, der das erste moderne botanische und zoologische Verzeichnis schuf. Er lebte von 1707 – 1778 in Schweden und gehörte zu den Gründern der schwedischen Akademie der Wissenschaften.
Der Kaknästurm befindet sich im Stadtteil Djurgârden und ist ein kombinierter Aussichts- und Richtfunkturm in Stockholm, mit einer Höhe von 155m (mit Antenne 170m)das höchste für Touristen zugängliche Gebäude in Schweden. Von der Aussichtsplattform hatten wir einen einmaligen Rundblick über Stockholm, seinem Hafen und den weitläufigen Schären .
Onkel Gustel war ein liebenswerter, bescheidener, zerstreuter „Professor“, ausgestattet mit einem sehr trockenem Humor. Er war von Beruf Botaniker und Chemiker, unterrichtete in diesen Fächern an einem Stockholmer Gymnasium. Er besaß ein sehr umfangreiches Allgemeinwissen, sprach mindestens sechs Sprachen, darunter natürlich schwedisch und sehr gut russisch. Hierzu bezog er regelmäßig eine russische Zeitung, um in Übung zu bleiben.
Seine Frau, Tante Gitti, war die beste Freundin meiner Mutter, sie lernten sich bereits in Dramburg kennen, wo sie in einer Saatzucht tätig war. Sie unternahm während des 2.Weltkrieges mit meiner Mutter die gemeinsame Flucht vor den anrückenden Russen. Nach dem Krieg wanderte sie mit ihrem Mann nach Schweden aus, um dort noch einmal unter Schwierigkeiten ein neues Leben an zu fangen, was ihnen auch sehr gut gelang. Tante Gitti fand eine Tätigkeit im Labor einer großen Mühle, wo verschiedene Mehlsorten, entsprechende Brotsorten getestet wurden. Ihre Ehe blieb kinderlos, sodass sie die langen schwedischen Schulferien nutzten, um sehr viele Länder der Welt kennen zu lernen.
Sie zeigten uns sehr viel neben den normalen touristischen Wegen von der Umgebung um Stockholm, erklärten dazu viel, sodass man viele dieser Informationen noch heute im Gedächtnis hat.
Auf einer Wanderung durch die sehr wilde Natur überquerten wir einen Bach. Onkel Gustel holte aus den unergründlichen Tiefen seines Rucksacks ein kleines Behältnis und wollte Wasserproben entnehmen, um sie zu Hause unter dem Mikroskop zu untersuchen. Er bückte sich ein wenig zu weit nach vorne, ruderte mit den Armen und fiel in den Bach. Normale Leute hätten geflucht, die Wanderung abgebrochen, aber Onkel Gustel gehörte wohl nicht zu den Normalen. Er quetschte das Wasser aus seiner Jacke, drückte ein bisschen an der Hose herum, nahm sein Behältnis zur Hand und füllte es mit dem Wasser aus dem Bach. Die Wanderung ging weiter.
Ein Stück des Weges fand er einen frischen Haufen Pferdeäpfel. Er kramte ein anderes Behältnis hervor, nahm einen alten Löffel und füllte ein paar Proben aus diesem herrlich dampfenden Pferdehaufen und verstaute sie in diesem Behältnis. Wir waren natürlich neugierig auf weitere Unternehmungen dieser Art, er grinste nur verschmitzt und meinte, er mache später einen interessanten Versuch.
Auf dieser Wanderung lernten wir noch verschiedene Blumenarten kennen, wie die Mitsommernachtsblomster oder eine Orchideenart, die in einem nahen Sumpfgebiet gedeihten.
Wir erreichten die Wohnung von Schwab`s in Farsta und Onkel Gustel begann direkt den Versuch mit den Pferdekötteln. Auf sein gefülltes Behältnis stülpte er einen Trichter aus Papier mit einer obigen Öffnung und stellte dies auf die Fensterbank, den Trichter Richtung Licht zeigend. Und siehe da, nach einiger Zeit sprangen Sporen einer Pilsart an der Glasscheibe des Fensters durch die Öffnung des Trichters nach oben. Onkel Gustel erklärte, dass diese Pilsart nur im Pferdemist vorkommt. Ich muss sagen, sehr ungewöhnlich, aber ein Ereignis mit Seltenheitscharakter.
Ich wollte unbedingt einen Elch in freier Wildbahn erleben. Also zogen Gustav Schwab und ich am Abend los und streiften durch den Wald. Durch die nahe Mitsommerzeit war es fast hell und diverse Spuren von Elchen gut zu erkennen. Aber außer frischen Spuren sahen wir leider keinen Elch, sondern ein paar Rehe, und einen Fuchs, den wir aufscheuchten. Der Fuchs hielt gerade sein Abendmahl an einem toten Reh. Die Geräusche im Wald hörten sich etwas verhalten an, so als wenn die Tiere wussten, dass es fast Nacht war, aber leichtes Gezwitscher und das Klopfen eines Spechts konnte man ausmachen. Langsam zog Bodennebel auf, einige Sträucher und kleine Bäume sahen sehr unwirklich aus, als wenn sie sich duckten. Eine genauere Entfernung ein zu schätzen bereitete immer mehr Schwierigkeiten, wir sahen zu, uns früh genug auf den Rückweg zu machen, um bestimmte Wegmarkierungen noch zu erkennen.
Unser neues Ziel richtete sich auf das Vasa-Museum, welches sich auf der Insel Djurgârden befindet und ein gesunkenes Kriegsschiff aus dem Jahr 1628 zeigt, das auf seiner Jungfernfahrt unterging. Das Schiff ist vollständig erhalten aus der Ostsee gehoben worden, musste sich aber einer sehr aufwendigen Präparation unterziehen, um nicht unter den Umwelteinflüssen zu verfallen droht. Das Schiff wurde jahrelang mit einer bestimmten chemischen Dusche berieselt, damit die Nachwelt dieses einmalige historische Ereignis erleben kann. Die Vasa war eine schwedische Galeone und sollte zum Schutz schwedischer Interessen gegen Polen während des dreißig-jährigen Krieges eingesetzt werden. Für die Schweden diente das Schiff als Prestigeobjekt, bestückt mit 64 Kanonen, 69m lang, 12m breit, das Achterdeck lag ca. 20m über dem Wasserspiegel, der Großmast ragte 52m hoch, die Feuerkraft sollte der gesamten polnischen Flotte gleichkommen. Doch leider sank das Schiff bereits nach einer Seemeile.
Tante Gitti zeigte uns die Einmaligkeit der künstlerischen Gestaltung des Stockholmer U-Bahn-Stationen. Wir bereisten dann einige dieser Haltestellen und konnten uns von den sehr interessanten Wandmalereien verschiedener Künstler überzeugen. Auf diese Art und Weise gab man den schwedischen Freikünstlern die Gelegenheit sich wirklich kreativ an der Ausrichtung der öffentlichen Einrichtungen zu beteiligen.
In Schweden ist der Polarforscher, mit Namen Fridtjof Nansen, ein Begriff. Er war ein norwegischer Zoologe, Polarforscher, Philantrop und internationaler Staatsmann. 1888 durchquerte er als erster über das Inlandeis Grönland. Auf einer Nordpolarexpedition von 1893- 1896 zusammen mit Frederik Johansen schaffte er die Annäherung an den geographischen Nordpol in Rekordzeit und beeinflusste dadurch die nachfolgenden Expeditionen in die Arktis und Antarktis.
Im Sommer 1980 wollte eine Gruppe von Wissenschaftlern mit Hilfe der Ymer, einem hochseetüchtigen Eisbrecher, diese Nordpolarexpedition auf der gleichen Route, wie es seinerzeit Nansen vormachte, wiederholen. Wir konnten die Abfahrt dieses so historischen Ereignisses mit verfolgen.
Auf der Stockholmer Insel Djurgârden befindet sich Schwedens größtes Freilichtmuseum Skansen. Ziel des Museums ist die Erhaltung, Wiederaufstellung, Rekonstruktion von typischen Bauten mit entsprechendem Inventar aus den verschiedensten Landesteilen, gemäß der unterschiedlichen Kulturen und Bräuche, eingebettet in die Orts typische Flora. Zusätzlich entstand ein großer Tierpark, der auch die gebräuchlichen Tierarten der Landsgruppen beherbergt. Die landesüblichen Handwerklichkeiten vergangener Tage, wie Kunsthandwerk, Glasbläserei, Schmiedekunst, Schreinereien werden vorgeführt, Volksbräuche mit den regionalen Trachten, eine Freilichtbühne mit entsprechenden Konzerten und natürlich die historischen und nationalen Feste finden im Skansen einen enormen Zulauf. Das Mitsommernachtsfest, bei dem fast alle Besucher sich an die Hand fassen und um den geschmückten Maibaum tanzen und fröhlich sind. Wir ließen uns von der Fröhlichkeit anstecken und tanzten mit um den Maibaum.
Ein weiteres Reiseziel gehörte der royalen Familie und deren Wohnsitz, das Schloss Drottningholm. Eine beeindruckende Parkanlage, ein wunderschönes Gebäude, die Innenausstattung sehr malerisch, elegant, historisch und reizvoll.
Das Schloss sollte ursprünglich ein königliches Lustschloss sein. Es liegt auf der Insel Lovön im Mälarsee, westlich von Stockholm, er ist mit 1090 km² der drittgrößte See in Schweden.
Die Parkanlage ist im Stile eines französischen Barockgartens angelegt und wurde später nach Westen hin erweitert. Ab 1777 ließ Gustav III. nach Norden hin einen englischen Garten anlegen. Weitere zusätzliche Bauten, wie ein chinesisches Schlösschen sowie ein Schlosstheater mit eigener Bühnenmaschinerie, folgten. Das chinesische Schlösschen, Kina slott, ist im Stil des französischen Rokoko entstanden, hat aber aufgrund der vielen chinesischen und orientalischen Elemente einen exotischen Touch.
Unsere weitere Besichtigungstour im südlichen Schweden führte uns nach Mariefred zum Schloss Gripsholm, etwa eine Autostunde von Stockholm entfernt. Der Ort gehört zur Gemeinde Strängnäs in der historischen Provinz Södermannland. Das burgähnliche Schloss Gripsholm erbaute Gustav I. Wasa 1537 an Stelle einer Burg aus dem Jahr 1380. Als Maßnahme der Befestigungsanlage ließ er vier mächtige Türme mit bis zu 4m dicken Mauern anbauen, einen dieser Türme bewohnte Gustav I. Wasa selbst.
Im Schloss ist heute die staatliche Porträtsammlung mit einer der umfangreichsten Sammlung von Porträtzeichnungen untergebracht, mit mehr als 2000 Gemälden. Es stellte sich heraus, dass das Schloss als Verteidigungsburg nicht geeignet war und funktionierte es sporalisch als Gefängnis um. Teilweise saßen bis zu 35 Staatsgefangene dort ein.
Die beiden schweren Kanonen vor den Mauern sollten eigentlich zur Verteidigung der Anlage dienen, wurden aber auf Grund der enormen Reichweite später als Küstenbatterie eingesetzt.
Die Schwedenreise ergänzten wir durch eine Fahrt nach Uppsala, einer bekannten schwedischen Universitätsstadt. Das erste Ziel ist Gamla Uppsala, eine bedeutende historische Siedlung mit seinen Hügelgräbern im Stadtteil Nora Staden. Die drei großen Hügelgräber, Thor, Oden und Frey, werden als Königsgräber bezeichnet. Laut Mythologie und Volksglauben sollen hier die alten Schwedenkönige des Ynglinger- Geschlechts liegen. Manche behaupten sogar, dass es sich um nordische Götter handelte. Nach neuen Erkenntnissen sollen die Hügel zwischen den Jahren 475 und 550 entstanden sein. Direkt dahinter liegt ein Grabfeld aus der frühen Eisenzeit, daneben existieren Gräber aus der Wikingerzeit mit Bootbeigaben.
Gamla Uppsala war schon vor der Chritianisierung ein religiöses Zentrum. Der entscheidene Wechsel fand statt, als Alt-Uppsala 1164 zum Erzbischofsitz wurde. Man erbaute die Kirche auf der Stelle, wo früher ein heidnischer Tempel stand. 1240 vernichtete ein Feuer die Kirche, die dann in etwas kleinerer Form neu errichtet wurde. Ihr heutiges Aussehen erhielt sie im 15. Jahrhundert.
Die Universität Uppsala gründete 1477 der Erzbischof Jacob Ulfsson und der Regent Sten Sture dem Älteren, und ist damit die älteste noch existierende Universität Skandinaviens.
Bekannt ist die Haupbibliothek der Universität, die Carolina Rediviva, die 1622 gegründet wurde und älteste und größte in ganz Schweden ist. Das Gebäude beherbergt den Codex Argenteus aus dem 5.-6.Jahrhundert, der zu den ältesten Zeugnissen in germanischer Sprache zählt. Das Buch ist der Rest eines Evangeliars in gotischer Sprache. Der ursprünglich 336 Blätter umfassende Codex ist mit Silber und goldfarbener Tinte auf purpurfarbenes Pergament geschrieben.
Codex Argenteus
Gegen Ende des dreißigjährigen Krieges fiel der Codex bei der Plünderung Prags den schwedischen Truppen in die Hände. Der damalige schwedische Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie, gleichzeitig Kanzler der Universität von Uppsala, kam in den Besitz dieses Codex und schenkte der Universitäts-Bibliothek 1659 die noch verbliebenen 187 Blätter. Einen Teil der historischen Bücher stammen aus Deutschland und wurden als Beutekunst während des dreißigjährigen Krieges nach Schweden verschleppt.
Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der gotische Dom St.Erik von Uppsala, mit 118,7 Meter das höchste Kirchengebäude Skandinaviens. Der Dom ist sowohl Krönungs- wie auch Grabstätte vieler schwedischer Könige und Sitz eines evangelisch-lutherischen Erzbischofs.
Wir fahren weiter zur nach Sigtuna, die älteste noch bestehende Stadt in Schweden. Ausgrabungen belegen, dass um 980 König Erik Sägersell der Gründer dieser Stadt war. Hier schlug man zwischen 995 und 1030 die ersten schwedischen Münzen.
Das Rathaus von Sigtuna ist das älteste und kleinste Rathaus in Schweden mit nur zwei Amtszimmern. Links ist das Standesamt, rechts die üblichen Amtsschimmel. Sigtuna hat den Charakter einer idyllischen Gartenstadt bewahrt. Im Zentrum stehen lauter Wohn-und Geschäftshäuser aus Holz, gebaut im 18. und 19. Jahrhundert.
Wir, das heißt Rita, Brigitte Schwab, Gustav Schwab und ich wanderten durch die fantastische und schroffe Felsküste an der schwedischen Seite der Ostsee mit Krüppelkiefern, die ihre Wurzeln in die Felsen graben, Blick auf die Schäreninseln, überall Eiderenten mit ihren Jungen, eine wilde aber sehr romantische Gegend in der Nähe von Dalarö, ca 20 km östlich von Stockholm, Velamsund. Hier war der Ort, wo man seine Seele baumeln und seine Gedanken fern ab von der Wirklichkeit schweifen lassen konnte.
Zum Schluss unserer Schwedenreise unternahmen wir eine Schiffstour zu den Âland-Inseln, einer Inselgruppe bestehend aus 6700 Inseln und Schären, gelegen ca. 40 Km von der schwedischen und 15 Km von der finnischen Küste, am südlichen Eingang des Bottnischen Meerbusens in der nördlichen Ostsee. Hauptort und einzige Stadt Âlands ist Mariehamn.
Zwischenbemerkung: Wir parkten unseren Golf nicht weit vom Anlegekai der Fährschiffe, und schauten ganz bewusst auf diverse Parkverbotsschilder, so weit wir überhaupt die Hinweistafeln entziffern konnten. Mit ruhigem Gewissen stellten wir das Fahrzeug ab, weil wir der Meinung waren, alles richtig gemacht zu haben. Am Abend, nach der Tagesreise, kehrten wir zu unserem geparkten Fahrzeug zurück. Eine große Überraschung erwartete uns. Ein polizeilicher Strafzettel in Höhe von umgerechnet 400 DM wegen falschen Parkens hing an der Windschutzscheibe. Schock. Nur diesen Betrag hatte ich nie bezahlt. denn unserer Urlaub endete am nächsten Tag mit der Rückfahrt nach Deutschland.
Die Fahrt begann in Stockholm, bei herrlichem Wetter, mit den Âlands Linjen, einem Fährschiff, welches uns durch die Schären vor Stockholm brachte und uns die gesamte wilde Schönheit der vielen großen und kleinen Inseln bescherte. Ankunft in Mariehamn, benannt durch die Gemahlin des Zaren Alexander II., Maria Alexandrowna. Gründung der Stadt war 1861, als Âland noch zum russischen Zarenreich gehörte. Die Âland- Inseln sind heute seit 1921 finnisches Staatsgebiet, die Amtssprache ist schwedisch, die Landessprache ist das Âländische, ein schwedisches Dialekt, was dem Reichsschwedischen näher kommt.
Die Inselnbewohner leben vom Fischfang, Landwirtschaft und natürlich vom Tourismus. Das milde mediterrane Klima hat die Region dem nahen Golfstrom zu verdanken. Um die einzelnen Inseln schnell zu erreichen, verkehrt ein Lufttaxi-Unternehmen. Im Hafen von Mariehamn legen auch die Finnlandfähren und viele Segeljachten an. Unter anderem kann man da das ehemalige Segelschulschiff, die Pommern, als Museumsschiff besichtigen.
In Mariehamn sieht man noch die echten finnischen Holz-Holzhäuser im typischen Baustil. Der große Tourismusstrom verdrängt hier noch nicht die alten Traditionen. Aber genau das ist es doch, was die Begeisterung für die wilde Schönheit der Natur mit den natürlichen Lebensgewohnheiten im beruflichen und wohnlichen Bereich der Skandinavier in Einklang bringt.
Die Rückfahrt nach einem sehensreichen Tag mit dem Schiff gestaltete sich nach ungefähr der Hälfte der Strecke etwas problematisch. Einige männliche Schweden nutzten das zollfreie Einkaufen von Spirituosen etwas zu herb aus, denn in ihrer angetrunkenen Stimmung gerieten sie so sehr in Rage, dass sie sich schlimm prügelten und mit Messern auf einander los gingen. Ein Mann wurde so schwer verletzt, dass das Schiff stoppen musste, der Verletzte mit dem Beiboot zu einer kleinen Insel gebracht und von da mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen wurde. Nach einiger Zeit setzte das Schiff seine Fahrt in Richtung Stockholm weiter. Dieser Aufenthalt gab natürlich unter den Passagieren weiteren Gesprächsstoff. Die Sonne ging unter und einen fantastischern Sonnenuntergang über den Silhouetten von Stockholm konnten wir verfolgen. Es gab keinen, dem dieses einmalige kurze Schauspiel entging.
Und noch einmal buchten wir ein Doppelzimmer in der Pension Schaub in Ruhpolding. Dazu suchten wir uns einen knackig kalten Winter aus, 1981, nachts bis minus 20° Grad, Sonne und Schneefall lösten sich ab, herrliche klare Luft, tolle Weitsicht, wunderschöne Sonnenuntergänge. Wir besuchten das bekannte Lokal „ Zur Windbeutelgräfin“. Ein urgemütliches Cafe-Restaurant mit einem bestechenden bayrischen Ambiente, viele Handschnitzereien, ein immens großer Kachelofen, eine freundliche Bedienung. Hier konnte man den berühmten überdimensional großen Windbeutel bestellen. Hierzu gibt es von verschiedenen Leuten Wetten, wer die meisten dieser „Urgetüme „ verdrücken kann. Schon ein einziger dieser Windbeutel ist bereits ein halber zu viel.
Mit der Gondelbahn fuhren wir zum Gipfel des Rauschbergs, um die zauberhafte Weitsicht zu genießen, unterhalb lag Ruhpolding, auf der anderen Seite blickte man auf die nahen Alpen.
Ein Besuch in Reit im Winkl stand auf unserem Programm, das Lokal von Maria Hellweg, „Zum Kuhstall“ war unser Ziel. Ich trug sogenannte Moonboots an den Füßen, mit Schaum ausgepolsterte weiche Stiefel, die von innen den Füßen eine angenehme Wärme bereitete. Mein Socken war verrutscht, deshalb zog ich einen Stiefel aus. Rita und ich mussten laut lachen, denn mein Socken dampfte, draußen sehr kalt, im Stiefel sehr warm, leicht geschwitzt. Daher kommt wohl auch der Ausdruck von den qualmenden Socken. Ein tolles Bild.
In Ruhpolding genossen wir während eines Abendspazierganges noch den herrlichen Sonnenuntergang. Mit Blick auf die Kirche von Ruhpolding ein Bild, um für einen Moment alles drum herum zu vergessen.
Mit dem normalen Linienbus erreichten Rita und ich die naheliegende Kreisstadt Traunstein, um einen Stadtbummel zu machen und bestimmte Sehenswürdigkeiten an zu sehen. Weiterhin hatten wir vor, in einem guten Restaurant zu speisen.
Nach einem guten Essen schauten wir uns ein Baudenkmal an, den ehemaligen Sommerkeller und Saalbau der Höllbrauerei.
Nicht weit davon besichtigten wir, unterhalb der Stadt, die Salinenkapelle im ehemaligen Salinenviertel von Traunstein.
Mit einem Reisebus von Ruhpolding unternahmen wir eine Besichtigungstour von München, inbegriffen eine Stadtrundfahrt, beginnend mit dem Nationaltheater, dem neuen Rathaus am Marienplatz, der Feldherrnhalle und der Frauenkirche. Weiter fuhr uns der Bus zum Olympiastadion und dem angrenzenden Olympiapark und am Funkturm vorbei. Weiterhin hielten wir uns einige Stunden im Innenstadtbereich auf, durchstöberten einige Geschäfte und aßen im Cafe eines Kaufhauses mit Blick auf den Marienplatz einen phantastischen Mozartbecher mit vielen Mozartkugeln, welch ein Genuss.
Zurück in Ruhpolding, der Schneefall nahm zu, dazu knackig kalt, die Schneefräsen bahnten sich einen Weg durch die Landschaft, Loipen mussten immer wieder neu gespurt werden. Die Kneipen und Cafes füllten sich mit Gästen, um sich auf zu wärmen, einen Jagertee, Grog oder ähnliche heiße Getränke zu genießen.
Ein erholsamer Winterurlaub mit einem Gemisch aus Ruhe, Besichtigung und Kennenlernen, sowie die herrliche Luft genießen, geht zu Ende. Die verschiedenen Eindrücke verarbeitet man erst im Laufe der nächsten Zeit.
Wir besichtigten eine von den Römern gegründete Stadt, „Augusta Treverorum“, heutiger Name Trier. Der Zeitpunkt der Stadtgründung liegt irgendwo zwischen dem Bau der ersten Römerbrücke, 18 – 17 vor Christus und der späteren Regierungszeit des Augustus. Während der Kaiserzeit bildete Trier den Hauptort der Stammesgemeinde der Treverer, indem derzeitig mehrere zehntausend Menschen lebten. Besondere Bedeutung erlangte das römische Trier in der Spätantike unter Konstantin I. als eine der westlichen Kaiserresidenzen, wovon Monumentalbauten wie die Kaiserthermen oder die Konstantinbasilika noch heute zeugen. Als eine der ersten Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen der Stadt ist das ehemalige römische Stadttor, die Porta Nigra, lateinisch für schwarzes Tor, zu erwähnen.
Das Stadttor wurde 180 n.Chr. als nördlicher Zugang der Stadt erbaut. Bei genauem Hinsehen fallen die Markierungen der verbauten Steine des Stadttores auf. Es sind eingemeißelte Produktionszeichen der Steinmetze mit Datumsangaben, womit in etwa die Bauzeit der Porta Nigra rekonstruiert werden konnte.
Das katholische Christentum spielte in der Geschichte Triers schon immer eine wichtige Rolle. Konstantin der Große, Kaiser des römischen Reiches, residierte in Trier und zeigte sich ab 323 n.Chr. offen als Christ, taufen ließ er sich kurz vor seinem Tod, im Jahr 337 n.Chr. Die Konstantinbasilika ließ er erbauen, sie ist bis heute noch erhalten. Die Basilika war zur Römerzeit eine Palastaula und beherbergt den größten Einzelraum, der aus der Antike erhalten geblieben ist. Seit 1856 nutzt die evangelische Kirchengemeinde die Basilika als Kirche unter dem Namen „Kirche zum Erlöser“.
Die Hohe Domkirche St. Peter zu Trier ist die älteste Bischofkirche Deutschlands und das bedeutenste sakrale Bauwerk abendländischer Baukunst. Der Dom steht über den Resten eines prächtigen römischen Wohnhauses, und mit einer Länge von 112,5 Metern und 41 Metern Breite ein imposantes Bauwerk. Die Orgel ist eine Besonderheit, sie steht nicht auf einer Empore, sondern ist an einer Innenwand in großer Höhe aufgehängt, man bezeichnet sie als eine Schwalbennestorgel.
Die Liebfrauenkirche befindet sich unmittelbar neben dem Dom und ist durch einen Kreuzgang mit dem Dom verbunden. Sie gilt als die älteste gotische Kirche Deutschlands. Sie wurde von den Mitgliedern des Domkapitels für ihre tägliche Messe genutzt. Außerdem diente sie als Grabkirche und wurde im Laufe der Jahrhunderte von Gräbern überladen. Im Zuge der französischen Revolution entfernte man die meisten Gräber.
Das Amphitheater stammt noch aus der Römerzeit und wurde um 100 n.Chr. fertig gestellt und bot ca. 18000 Besuchern Platz. Unter dem Theater liegt ein noch heute erhaltener Keller mit Aufzügen für die Akteure. Weiterhin war das Amphitheater ein Teil der Stadtmauer unterhalb des Petrisberges, der einige vielbesuchte Aussichtspunkte über der Stadt Trier bietet. Ein weiterer Aufzug in der Mitte der Arena sorgte für einen zusätzlichen schnellen Zugang für Tiere und Darsteller. Das Theater bot schnell der Stadtbevölkerung einen gewissen Alltag mit Brot und Spiele. Tierhetzen, Gladiatorenkämpfe auf Leben und Tod, Hinrichtungen und wichtige Ankündigungen rief man aus.
Amphitheater
Die Kaiserthermen gehörten zu einer großflächigen römischen Badeanlage. Die erhaltenen Absiden zeigen noch die römische Bauweise aus Lagen von hellem Stein und roten Ziegeln. Errichtet wurde die Anlage um 300 n.Chr., etwa südlich des kaiserlichen Palastbezirkes auf Grund seiner guten Wasserversorgung durch Altbach und Herrenbrünnchen, sowie die spätere Ruwerwasserleitung vom Petrisberg über zwei Aquädukte.
Die Römerbrücke über die Mosel in Trier ist die älteste Brücke in Deutschland. Die Pfeiler der heutigen Brücke wurden zwischen 144 und 152 n.Chr. gebaut. Mit Hilfe von wasserdichten Spundwänden errichtete man die Pfeiler mit Basalt- und Blausteinquadern aus dem Abbaugebiet um den ehemaligen Vulkan Hohe Buche aus der Eifel. Die Brücke hat flussaufwärts zugespitzte Pfeiler, um Eis und Hochwasser besser standhalten zu können.
Der Hauptmarkt von Trier ist der zentrale und größte Platz der Stadt. Die wichtigsten städtischen Geschäftsstraßen treffen hier zusammen. Bereits 958 wurde der Hauptmarkt durch Erzbischof Heinrich I. mit dem Marktkreuz als Hoheitssymbol ausgestattet. Der Markt diente im Mittelalter als Handelplatz und Warenverkaufsstandort. Die historische Marktumbauung mit Häusern des Barock, der Renaissance und des Klassizismus ist im Großen und Ganzen bewahrt.
Die Judengasse liegt ganz in der Nähe vom Hauptmarkt und war Zentrum des mittelalterlichen jüdischen Viertels der Stadt. Vom Hauptmarkt kann man durch die Judenpforte die Judengasse betreten. Dieses Bauwerk wurde 1219 angelegt und zwischen 1607 und 1608 umgebaut. Darüber befinden sich Fachwerkhäuser aus der Renaissance um 1600. Mit der Vertreibung der Juden im Jahre 1418 aus der Stadt, endete auch die Geschichte des Judenviertels.
Fachwerkhäuser und Eingang zur Judengasse
Trier ist wirklich eine Reise wert. Es gibt dort so viele historische Bauten, Stadtteile mit antikem Hintergrund, viele Museen, die jüdischen Friedhöfe, verschiedene Schlösser, verschiedene Theater, Galerien und Kunstvereine, Parks und Naturschutzgebiete, eben so viel, um dort vielleicht mehrere Tage zu verbringen. Rita und ich verbrachten einen interessanten, lehrreichen aber auch entspannenden Tag der mit einem romantischen Sonnenuntergang über dem Moseltal ausklang.
Es ist Juni 1982, unser Ziel ist erst der Rheinfall von Schaffhausen, um von da aus weiter an den Bodensee, zur historischen Stadt Meersburg zu gelangen. Der Rheinfall von Schaffhausen gehört zu den größten Wasserfällen Europas. Er befindet sich in der Schweiz im Kanton Schaffhausen. Am Rheinfallbecken in Neuhausen liegt das Schlösschen Wörth. Von hier aus erreicht man mit einem Ausflugsboot die herabstürzenden Wassermassen, ein Spektakel, eine Geräuschkulisse, man muss es einfach erleben. Die nachfolgenden Bilder geben zwar nicht die Geräusche wieder, vermitteln aber einen tollen Einblick in ein einmaliges Naturschauspiel.
Meersburg ist eine Stadt am nördlichen Ufer des Bodensees, in Baden-Württemberg zwischen Friedrichshafen und Überlingen. Die Ersterwähnung der Burg geschah 988 in einer Urkunde Otto III., als Meersburg genannt und geht vielleicht auf eine merowingische Befestigung am Fähr-Übergang der wichtigen Straßenverbindung von Oberschwaben über Konstanz in die Schweiz zurück. Im Jahr 1113 wurde urkundlich der adelige Liopoldus de Merdespurch erwähnt. Merte auf alemannisch bedeutet Martin, und davon soll sich der Name Meersburg ableiten. Nach dem Aussterben der Grafen 1210 blieben Burg und Siedlung von 1211 – 1802 im Besitz des Bischofs. Der 1268 in Neapel hingerichtete letzte Stauferkönig Konradin verbrachte zuvor mehrere Jahre in der Burg Meersburg seines Onkels, des Bischofs von Konstanz.
Die Dichterin Annette von Droste-Hülsdorf (1797 – 1848) lebte von 1841 bis zu ihrem Tod 1848 bei ihrer Schwester und ihrem Schwager. Das Arbeits- und Sterbezimmer sind bis heute auf Burg Meersburg erhalten und können besichtigt werden.
Stadttor von Meersburg
Unsere nächste Station ist Lindau, eine Kreisstadt am östlichen Ufer des Bodensees im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Schweiz. Das historische Zentrum von Lindau liegt auf der gleichnamigen Insel im Bodensee, die eine Fläche von 0,68km² hat und etwa 3000 Einwohner zählt. Ein Eisenbahndamm und eine Straßenbrücke verbinden das Festland. Zu Lindau gehört auch die kleine unbewohnte Insel Hoy mit einer Größe von 53m², bepflanzt mit einer Weide, deren Krone den größten Teil der Insel überdeckt. Hoy ist eine künstliche Insel, die 1934 vom Besitzer eingeweiht wurde, heute aber als reines Naturschutzgebiet ausgewiesen ist.
Die Insel Hoy ist ein Teil der zumeist unter Wasser liegenden Galgeninsel, die heute als Halbinsel besteht. Auf der Galgeninsel stand früher der Reichsstädtische Galgen von Lindau, eine Vertiefung in einem gewaltigen Felsblock zeigt, wo einst der mächtige Galgenbaum befestigt war. Eine Sage berichtet von einem zum Tode verurteilten Delinquenten, der eine makabre Prüfung zu bestehen hatte. Dem Todeskandidaten fesselte man die Arme mit dicken Stricken so fest auf den Rücken, dass er es nicht schaffen konnte sich selbst zu befreien. Er sollte die mehreren hundert Meter vom Galgen bis zum Festland durch das durch Untiefen und starken Strömungen versehene Wasser mit den Armen auf dem Rücken durchwaten. Selbst bei Niedrigwasser waren die erheblichen Tiefstrecken noch ein scheinbar unüberwindliches Unterfangen. Schaffte er es, kam er vom Galgen frei.
Wie immer versammelten sich viele Schaulustige am Festlandufer, die froh waren, nicht selbst am Galgen zu enden. Verschiedene Trommler standen bereit, um diese Hinrichtungszeremonie mit Trommelwirbeln zu untermalen. Im Boot unter dem Galgen saßen vier Wächter und der Delinquent, der Henker von Lindau nahm dem Verurteilten die schwarze Augenbinde ab, sie stießen ihn ins Wasser und ruderten zum Ufer. Der Trommelwirbel ertönte, die Zuschauer hielten den Atem an. Der Todeskandidat bewegte sich mit ruhigen Bewegungen vorwärts, zwischendurch versank er im Wasser und tauchte aber kurz darauf japsend wieder auf. Ein unsagbarer Lebenswille trieb ihn voran, er erreichte das rettende Ufer.
Lindau wurde urkundlich das erste Mal 882 von einem St.Galler Mönch erwähnt. Der 950 gegründete Markt lag ursprünglich auf dem Festland, eine Verlegung erfolgte 1079 aus Sicherheitsgründen, da sich der Investiturstreit verschärfte (Investiturstreit war im mittelalterlichen Europa der Kon-flikt zwischen geistiger und weltlicher Macht um die Amtseinsetzung Geistlicher).
Man handelte mit Wein, Edelobst und Gemüse, mit Flachs und der zum Schiffbau benötigte Hanf, ferner Schmalz und Käse, Getreide und Vieh.
Das älteste Bauwerk auf der Insel ist die Heidenmauer, eine kolossale, blockförmige Befestigungsmauer Richtung Festland. Während des dreißigjährigen Krieges konnten sogar die Schweden abgewehrt werden. Im Jahr 1728 verwüstete ein verheerender Stadtbrand den Stiftsbezirk und einen Teil der Altstadt, der Wiederaufbau am Marktplatz erfolgte am damaligen Barockstil. Die Einfahrt zum Hafen rahmt der neue Leuchtturm auf der Westseite und gegenüber der bayrische Löwe auf der Ostseite ein.
Das Rathaus im gotischen Stil, erbaut 1422, erhielt 1576 einen schönen Treppengiebel im Renaissancestil. Die Glocken in seiner Spitze tragen die Jahreszahl 1617. Die Fassade zum Bismarkplatz schmückt eine hölzerne überdachte Freitreppe. Im Innern befindet sich der gotische Ratssaal, in dem 1496/97 der von Maximilian I. der einberufene Reichstag stattfand. Direkt neben an steht das neue Rathaus mit einem täglich um 11.45 Uhr ertönenden Glockenspiel.
Laut Inschrift neben der Tür gehört der Mangenturm zu den älteren Leuchttürmen am See. Der fünfstöckige Turm mit zwanzig Meter Höhe war von 1180 bis 1300 in Betrieb und gehörte gleichzeitig zum Endpunkt der Stadtmauer, aber auch nach Erweiterung der Landeinbeziehung um 1370/80 Ausgangspunkt zur Einbeziehung des Diebsturms und der Ausrichtung nach Nordwest zum Eckturm (Looserturm). Der Mangenturm wurde an der Seepromenade des Hafens erbaut und konnte bis zum 19. Jahrhundert nur über eine Zugbrücke erreicht werden. Eine Steintafel rechts neben dem Eingang führt folgende Worte:
Dieser Turm, der Mangenturm genannt
ward im XII. Jahrhundert erbaut
zu Leuchte, Schutz und Trutz unseres Seehafens,
ein kräftig Wahrzeichen
der ehemaligen freien Reichsstadt Lindau.
Am westlichen Ende der Altstadt von Lindau gehört seit 1380 dieser Rundturm zur Befestigungsanlage der Stadt. Lange Zeit diente er als Gefängnis, daher auch der Name Diebsturm.Ab 1500 erfolgte eine Erweiterung der befestigten Ummauerung um die noch damals ungeschützte und unbewohnte Inselhälfte in die Befestigung ein zu beziehen. Die Erbauung des Pulverturmes auf der westlichen Inselseite erfolgte im Jahr 1508. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nutzte man den bis dahin als integrierten Wehrturm der Befestigung als Pulverturm, wo die Bürgerwehr ihr Schießpulver unterbrachte und lagerte. Seit 1805 gehörte Lindau zu den Garnisonsstädten von Bayern. Zum Ausbau der militärischen Einrichtungen entstand hier die Luitpoldkaserne unter Einbeziehung des Pulverturmes als Schießpulverkammer.
Zu den ältesten Kirchen am Bodensee gehört die Peterskirche, auch Fischerkirche genannt, die ca. um 1000 erbaut wurde und dem Patron der Fischer, die hier um den Schrannenplatz herum lebten (Schrannen nannte man in Süddeutschland Kornspeicher oder Getreidemarkt).
Die Narrenzunft Lindau betreibt die schwäbisch-alemannische Fasnet. Bekannte Fasnetfiguren sind die Möschtköpf, deren Masken Äpfel und Birnen nachempfunden werden. Jedes Jahr am Fastnachtssonntag findet ein großer Narrensprung in Lindau statt, wobei die Fußgängerzone dazu sehr eingebunden wird.
Fußgängerzone in Lindau Möschtköpfe
Wir besichtigten das archäologische Pfahlbautenmuseum in Unteruhldingen am Bodensee mit Funden und Nachbauten von Pfahlhäusern aus der Stein- und Bronzezeit.
Ausgrabungen und Funde aus vielen Tauchergängen im Bodensee erzählen vom Leben und Treiben der Leute, die vor über 3000 Jahren hier gelebt haben. 27 Figuren mit ihrer prähistorischen Ausrüstung sind Zeugnis reger Handelsbeziehungen bis in die Kupferbergwerke der Alpen und weiter bis Italien. Kult und Religion wurden in einem mit hölzernen Götzenfiguren ausgestatteten Haus gezeigt. Das Motiv beschreibt eine priesterliche Beschwörung am Bestattungswagen einer wohlhabenden Person.
Ein weiteres Ziel war die Insel Mainau, die mit etwa 45 Hektar die drittgrößte Insel im Bodensee ist. Begünstigt durch das günstige Bodenseeklima, das aus einer reichen subtropischen und tropischen Vegetation besteht, wachsen auf der Insel Palmen und mediterrane Pflanzen. Deshalb nennt man auch Mainau die Blumeninsel im Bodensee. Herzstück von Mainau ist neben den historischen Gebäuden das von Großherzog Friedrich I. ab 1856 angelegte parkähnliche Arboretum (Baumsammlung verschiedener Gehölze). Hier wachsen rund 500 verschiedener wertvoller Nadel – und Laub-gehölze.
Insel Mainau
Das Deutschlandordenschloss ist ein dreiflügeliges Barockschloss, welches um 1739 erbaut wurde. Es ist Wohnsitz der gräflichen Familie Bernadotte. Das Schloss umschließt einen Ehrenhof mit einem seitlichen Terrassengarten. Der Nordflügel ist der nicht zugängliche Teil des Schlosses und beherbergt die Privaträume der Grafenfamilie. Im weiß und gold gehaltenen ehemaligen Audienzsaal, dem heutigen weißen Saal, werden Konzerte und öffentliche Veranstaltungen abgehalten. Im Südflügel befindet sich ein Cafe mit Terrasse unter den hohen Palmen der Schlossterrasse. Aufwändig gebaut wurde das Palmenhaus, wo mehr als 20 Palmenarten, darunter eine mehr als 15 Meter hohe kanarische Dattelpalme aus dem Jahr 1888.
Die Schlosskirche von 1739 steht am südöstlichen Ende der Insel neben dem Schloss. Sie ist eine rechteckige Saalkirche mit halbrundem Altarhaus. Das Innere gliedert sich in ein rechteckiges Schiff mit halbrundem Chor und der dem Altar gegenüber liegende Orgelempore.
Gegenüber von Schloss und Kirche steht der sogenannte Gärtnerturm, der noch zu einem Teil zur mittelalterlichen Befestigungsanlage gehört. Früher wurde der Keller im tiefen Gewölbe als Vorratskeller und als Kelterei genutzt. Heute befindet sich in den Räumlichkeiten ein Restaurant mit Seeblick. Zu einer besonderen Attraktion des Lokals gehört das 25.000 Liter fassende sogenannte Zehntfass, worin eine Multifunktionschau zur Bodenseelandschaft zu sehen ist.
Bekannt ist Mainau durch seine umfangreiche, fantastische Blumenzucht, vor allen Dingen die artenreiche Orchideensammlung. Jedes Jahr beginnt das Blumenjahr mit einer Orchideenschau im Palmenhaus.
Im Schmetterlingshaus auf der Mainau spazieren die Besucher bei 26° Grad und 80 – 90 % Luftfeuchtigkeit durch eine tropische, farbenprächtige und fantastische Umgebung mit rauschenden Wasserfällen, exotischen Gewächsen und leuchtenden Blumen. Je nach Saison fliegen 700 – 1000 bunte Falter bis zu 80 verschiedener Schmetterlingsarten, frei zwischen den Besuchern durch die Tropenlandschaft. Die Gartenanlage rund um das Schmetterlingshaus gestaltete man für heimische Schmetterlinge. Anschließend durchwandert man einen Duftgarten mit mehr als 150 Duftpflanzenarten. Die nachfolgenden Bilder zeigen einen kleinen Ausschnitt der Vielfalt der weltweiten Schmetterlingsarten. Der Name Schmetterling wurde erstmals 1501 erwähnt und stammt aus dem slawischstämmigen ostmitteldeutschen Wort Schmetten, d.h. Schmand oder Rahm, von dem die Falter oft angezogen werden. Im Aberglauben galten Schmetterlinge als Verkörperung von Hexen, die es in der Landwirtschaft auf den Rahm abgesehen haben. Die landwirtschaftlichen Bezeichnungen wie Milchdieb oder Molkenstehler deuten darauf hin. Die englische Bezeichnung Butterfly gleich Buttervogel weist in die ähnliche Richtung, dass die Tiere beim Butterschlagen angezogen wurden.
Die Orchidee gilt unter Pflanzenliebhabern und Kennern als die Königin der Blumen. Die Gewächse sind eine weitverbreitete Pflanzenfamilie mit hodenförmigen Wurzelknollen der Knabenkräuter (v. griech. Orchis gleich Hoden), die der Pflanzenfamilie ihren Namen gegeben haben. Es gibt etwa 1000 Gattungen mit 15 – 30 Tausend Arten, die von den Botanikern anerkannt werden.
Man unterscheidet monopodial von sympodial wachsenden Orchideen.
Monopodium: Bedeutet bei Pflanzen die Form einer Verzweigung mit durchgehender Achse.
Sympodium: Verzweigungsmodus bei Gefäßflanzen, bei denen das Wachstum der Sprosse nicht von der Hauptachse, sondern von subterminalen Seitenachsen fortgeführt wird.
In den Gewächshäusern der Insel Mainau werden seit Jahren immer neue Zuchtmöglichkeiten von Orchideen erprobt, die Ergebnisse sind mittlerweile weltweit berühmt und anerkannt. Ein Rundgang durch die fantastische Welt dieser vielfältigen, farbenprächtigen und traumhaften Schönheiten der Pflanzenwelt ist und bleibt ein unvergesslicher Moment. Die nachfolgenden Beispiele dieser Blumenkönigin bedürfen keines weiteren Kommentars.
Natürlich gab es neben den bisherigen Eindrücken von der Farbenvielfalt und den exotischen Schönheiten noch mehr zu bewundern. Prächtig hergerichtete Blumenfiguren, verschiedene Mamutbäume, Edelhölzer, dazwischen Rhododendron und Arzaleen. Fremdartig wirkten die Bananenstauden, die sonst in unseren Breitengraden so gut wie nicht zu sehen sind. Genau so seltsam erscheinen einem die Zitronensträucher neben so eigenartigen Baumpilzen.Eine großblättrige Palme wächst neben einem leuchtenden Rosenbeet. Schon die wunderschönen, für uns seltenen Arrangements geben uns das Gefühl in einer anderen Welt zu sein.
Wir fuhren mit dem Fährschiff zurück nach Meersburg, um den lauen Abend draußen am Bodenseeufer in einem Biergarten ausklingen zu lassen und die schönen Eindrücke vom Tag zu genießen. Ein Blick auf den glitzernden Bodensee vermittelte ein romantisches Gefühl.
Ich bewarb mich bei der Hamburg-Mannheimer-Versicherung AG und erhielt eine Anstellung als Angestellter im Außendienst. Die Filialdirektion in Gummersbach-Dieringshausen, Ganghoferstr. 31, wurde für die nächste Zeit meine Anlaufstelle. Die ersten Tage bedeuteten ein Kennenlernen der neuen Kollegen, Vorstellung des Arbeitsmaterials und der Versicherungstarife, die wir als Grundlage im Verkauf beim Kunden anwandten. Jeder neue Kollege erhielt einen bereits erfahrenen Außendienstler als Einarbeiter zur Seite, ob in der freien Aquise, oder in der Bestandsorganisation. Mein mir zur Seite stehender Verkäufer hieß Herr Tenberken, ein Dauerraucher, immer hungriger, ewig süffisant grinsender, etwas schleimiger aber schwatzhafter Zeitgenosse. Er war sehr dick, was nicht unbedingt immer sehr erwähnenswert ist, trug immer einen dunklen Nadelstreifenanzug mit Weste, zugeknöpft, schwitzend, schnaufend. Wir fuhren zusammen zum Kunden, um gemeinsam ein bereits vorher erarbeitetes Verkaufsgespräch anzuwenden, es nachher zu analysieren, um dann die Fehler zu besprechen. Wenn das Ergebnis zufriedenstellend war, einmal im Sinne der Hamburg-Mannheimer und zum anderen provisionsmäßig für einen selbst, kam die markante Frage: Herr Göcht, haben sie jemals so viel Geld in so kurzer Zeit verdient? Fiel meine Antwort nicht so aus, wie er sie erwartete, zog er sehr nervös an seiner Zigarette. Denn seine Aufgabe bestand darin, mich so zu motivieren, dass meine Marschrichtung immer in Richtung guter Verkaufszahlen für die Gesellschaft bestand.
Es stand ein Einführungsseminar in Daun in der Eifel an, um den Spreu vom Weizen zu trennen. Die neuen Mitarbeiter der Versicherungsgesellschaft wohnten 14 Tage, jeweils 3 Mann, in einer Ferienbungalowanlage neben einem großen Hotel. Meine neuen Kollegen von der Gummersbacher Filiale hießen Lothar P., ehemals Bäckermeister aus Wuppertal und Hans S., ehemaliger Busfahrer aus Wipperfürth-Ohl. Wir drei bewohnten einen Bungalow, drei Zimmer, Bad und Toilette, Küche und Terrasse.
Im großen Hotel begann jeden Tag der Unterricht des Seminars, mit dem Ziel, fließend ein Verkaufsgespräch mit Leitfaden, als Verkäufer oder in der Rolle als Kunden, zu beherrschen. Als Prüfung sollte eine Videoaufzeichnung vor Kollegenpublikum und einer strengen Jury die Eignung zu einem Versicherungsverkäufer im Außendienst belegt werden.
Unsere Dressur begann. Schritt für Schritt bereitete man uns auf diesen so wichtigen Tag vor. Unsere tägliche Hausaufgabe im Bungalow bestand darin, immer und immer wieder das Verkaufsgespräch auswendig herunter zu rasseln, den anderen ab zu hören, das Rollenspiel ein zu studieren und an zu wenden. Der große Tag begann. Ich hatte noch nie so viele nervöse Menschen erlebt, wie da. Manche zogen heimlich einen Schnaps aus der Tasche, um ihre Nerven im Zaum zu halten, andere rauchten eine nach der anderen, gingen auf und ab und brabbelten ihren Text rauf und runter. Ungefähr 120 Mitarbeiter in Spe’ sollten diese Massenbegutachtung und Rollenverteilung vor der Videokamera abspulen.
Wir erhielten jeder einen Zettel mit unserer Aufgabe, Vorbereitung eine viertel Stunde, zugewiesener Kollege unbekannt. Meine Aufgabe bestand darin, einem Kunden eine private Haftpflichtversicherung mit allen Vorteilen-Nachteilen-Möglichkeiten zu verkaufen. Auf diese Sache brauchte ich mich nicht lange vorbereiten, das kam mir sehr entgegen. Mein Gegenüber rutschte sehr nervös auf seinem Stuhl hin und her, trank andauernd aus seinem Wasserglas, sein Adamsapfel flutschte in seinem Hals rauf und runter.
Kamera lief, Vorstellung begann. Ich fragte ihn nach seinem Namen, Beruf, usw. Ich fand die Angelegenheit viel zu steif und versuchte die Situation vor der Kamera etwas auf zu lockern. Ich sagte folgendes: Herr Meier, sie haben mich hierher bestellt, damit ich Ihre Gesamtsituation in den Versicherungsfragen untersuche und Ihnen aufzeige, welche Versorgungslücke besteht. Ich fand heraus, dass sie keine private Haftpflicht haben, die wichtigste Versicherung überhaupt. Sagen Sie, was halten Sie davon, wenn wir dieses so wichtige Thema bei einer Tasse Kaffee besprechen und abschließen? Prima, dass sie zustimmen, dann können wir direkt auf die so wichtigen Details im Antrag zu sprechen kommen.
Damit hatte ich den positiven Abschluss besiegelt, meine Aufgabe erledigt, die Prüfung bestanden. Der rote Faden und das Verkaufsgespräch waren damit zwar etwas verändert, aber eigene Initiativen gestattete man mir.
Der letzte Abend mit anschließender Vergabe der Urkunden stand an. Es gab einige der Kandidaten, die diese Prüfung vor der Kamera nicht bestanden. Herr Kuretzki, Bereichsleiter aus Köln, reiste extra zur Begrüßung zwecks Kennenlernen der neuen Kollegen an. Er setzte sich eine kurze Zeit an jeden Tisch, um überall die gleiche Frage zu stellen: Herr…..Frau…., was machen Sie mit ihrem ersten, doch so vielen, verdienten Geld?
Mir ging diese Fragerei schon damals fürchterlich auf den Nerv. Aber, als höflicher Mensch, erlaubt man sich dazu auch eine zufriedenstellende Antwort. Ich sagte: Herr Kuretzki, Geld verdienen ist für mich nichts Neues, die Höhe ist nicht entscheidend, sondern das Wie! Er guckte mich durch seine dicke gehornte Brille eindringlich an, verzog das Gesicht zu einem verstehenden überheblichen Lächeln und meinte nur:
Wir werden es in Zukunft ja sehen. Sagte dies, verließ den Platz an unserem Tisch und setzte sich zu seinen Vorstandskollegen, schaute zwischendurch schon mal zu unserem Tisch herüber, so als wenn er sagen wollte, den werde ich in der nächsten Zeit im Auge behalten…….
Die tägliche Routinearbeit in der Filiale Gummersbach begann, jeder bekam seine ihm zugedachten Aufgaben in Form von Besuchsaufträgen beim Kunden zugewiesen. Eine Gruppe arbeitete ausschließlich für den Felicitasdienst, eine Unterorganisation der Hamburg-Mannheimer, die hauptsächlich den Adressen von frisch Vermählten oder jungen Pärchen mit gerade geborenen Kindern nachgingen. Zuerst brachte eine Hostess in Uniform ein entsprechendes Päckchen mit diversen Pröbchen von Lebensmitteln, Babynahrung, Parfüms usw. vorbei, schrieb die Adresse auf einen Besuchsauftrag, und der Kollege für diesen Bereich besuchte dann umgehend diese Leute zwecks Aufschwätzen von diversen Versicherungen.
Wir Bestandsbesucher verfolgten die bereits bestehenden Verträge, um die dazu gehörenden Kunden durch weitere Abschlüsse weiter an die Hamburg-Mannheimer(Mülleimer) zu binden.
Jeden Montag musste der fällige Wochenbericht vorgelegt werden, damit die sogenannte Produktion der Woche kontrolliert, öffentlich analysiert, gelobt oder öffentlich getadelt wurde. Der Leiter der Filiale saß vor der versammelten Mannschaft wie ein Feldherr und ging einzeln, öffentlich die einzelnen Wochenberichte durch. Eine sogenannte Nullwoche konnte und durfte es nicht geben, dann hieß es topp (alles sollte oder musste klatschen), oder hopp, niedermachen, in scharfen Tönen tadeln. Die Kollegen wurden dabei systematisch gegen einander ausgespielt, verglichen, auf Monatlisten in einem Punktesystem gegenüber gestellt. Eine ganze Zeit ließen sich die dort anwesenden Leute diesen schon gewollten Terror gefallen, bis sich alle in Form einer Abstimmung gegen diese, wie wir fanden, unseriöse Art wehrten. Der Filialleiter unterließ zumindest in der darauf folgenden Zeit diese Vorgehensweise. Der Alltag kehrte erst einmal ein.
Einer unserer Starkollegen hieß Bertlpeter Koch. Ein Machotyp mit einem unglaublichen verkäuferischen Talent. Er hatte die höchsten Abschlussquoten und dadurch auch den höchsten Gewinn. In den überregionalen Landeslisten stand er immer mit an den vordersten Plätzen. Er verkaufte auch nur gut dotierte Versicherungssparten, wie Lebensversicherungen in allen Variationen. Sachversicherungen, die einen großen Arbeitsaufwand und wenig Erfolgsprovisionen abwarfen, ließ er außen vor. Bei näherem Betrachten hatte er von diesen „Mindersparten“ auch keine Ahnung. Als Versicherungskaufmann oder seriöser Kundenberater durfte man ihn nicht bezeichnen, seine Aufgabe schien vorgezeichnet zu sein, im Sinne der Gesellschaft einen großen Umsatz bringen. Ob der Kunde den Vertrag bezahlen kann oder nicht, war nicht sein Problem, hierzu gab es eine weitere Organisation, die sich ausschließlich mit den fehlenden Beiträgen der Kunden befasste.
Ich brauchte eine lange Zeit, bis ich die einzelnen Praktiken und unseriösen aber gewollten Vorkommnisse verstand und da durchblickte. So konnte und wollte ich nicht arbeiten und stellte meine Aquisetätigkeit nach und nach um. Einige meiner neuen Kollegen, die nicht so abgebrüht arbeiteten, taten es nach. Natürlich ließ dadurch der allgemeine Umsatz der Filiale etwas nach, die sonst so tollen Vorzeigezahlen gegenüber anderen Filialen verschwanden in der Mittelmäßigkeit. Den amtierenden Filialleiter löste der bereits bekannte Bereichsleiter Kuretzki ab. Er sollte durch hartes Durchgreifen das wankende Schiff wieder auf Kurs bringen. Wer nicht so mitzog, durfte gehen. Die Angst um den Arbeitsplatz ging um. Diese Stimmung nutzte Herr Kuretzki aus, er schürte sogar noch ein Misstrauen unter den Leuten, gab in Einzelgesprächen verschiedene Karriereversprechen ab, so, dass sich einige gegenseitig belauerten. Im Kollegium entstand ein Graben, der je eine Gruppe mit Pro und eine mit Kontra Kuretzki durchzog. Die Gruppe Kontra bestand aus den meisten Leuten.
Es nutzte nichts, wir mussten wie alle normalen Arbeitnehmer Geld verdienen. Auch mit kleinen Ergänzungen im Versicherungsgeschäft und nicht so teuren Verträgen schafft man einen Verdienst, der durch Fleißarbeit, ohne Betrug und seriös zu Stande kam. Ich schwor mir, diese Linie nicht mehr zu verlassen. Natürlich gehört zu jedem Verkauf (egal was) eine gewisse Überzeugung seines angebotenen Produktes, aber die Notwendigkeit für den Kunden, dieses Produkt zu erwerben muss vor dem Verkauf erörtert und mit dem Kunden zusammen erkannt werden.
So nach und nach hatte ich meine Arbeit im Griff, die Produktionszahlen lagen immer irgendwo in der Mitte, kein Kuretzki konnte meine Arbeit bemängeln (aber auch nicht loben ), man ließ mich in Ruhe. Viele neue Kollegen folgten, einige der schon bekannten Gesichter suchten sich andere Jobs. Die Fluktuation der Belegschaft hielt an.
Ich erweiterte meinen Wissenshorizont weiterhin mit speziellen Lehrgängen, im Bereich betriebliche Altersversorgung und Krankenversicherung. Dazu nahm ich an mehrtägigen Schulungen in Köln teil. Weiterhin bearbeitete ich zusätzlich das Ressort der Bausparkasse Heimbau AG, die zu 100% eine Tochter der Hamburg-Mannheimer war. Meine Bausparkassenvergangenheit der DBS kam mir sehr zu Gute. Einmal in der Woche hielt ich in diesem Fach Unterricht für meine Kollegen ab.
Rita`s Eltern verbrachten ihren Kurlaub in Bad Hönningen, ein Heilbad im Landkreis Neuwied in Rheinland-Pfalz, am rechten Ufer des Mittelrheins. Ein Bade- und Weinort, dessen Geschichte bis in die Römerzeit zurückgeht, als ganz in der Nähe bei Ausgrabungen Relikte von römischen Siedlungen entdeckt wurden.
Die Ersterwähnung von Hönningen geht auf das Jahr 1019 zurück, als in einer Schenkungsurkunde von Kaiser Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde an das Bamberger Domkapitel als Besitztum „Hohingen im Ingerisgowe“ (Engersgau) angegeben wurde.
1896/97 fand man durch Bohrungen zwei Mineralquellen, die Hubertusquelle mit einer Tiefe von 294 Meter, und die Arienheller Quelle in einer Tiefe von 380 Meter. Auf Grund vieler Änderungen in der Gemeindestrukturen und der Anerkennung der Heilquellen erhielt Bad Hönningen am 12.Juli 1969 die Stadtrechte.
Das Gründungsjahr des Winzervereins von Bad Hönningen geht auf das Jahr 1888 zurück. Im ehemaligen Wirtschaftsgebäude des Vereins kann man nun das alte Stadtweingut besichtigen.
In Bad Hönningen beginnt auch die Deutsche Limes-Strasse, eine touristische Autoroute, vom Obergermanisch-Raetischen Limes von Bad Hönningen bis Regensburg an der Donau und verbindet dabei 60 bedeutende römische Kulturdenkmäler sowie archäologische Lehrpfade und Wanderwege.
Burg Ariendorf steht in dem Stadtteil Ariendorf, und wurde vom Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner 1845/46 unter Verwendung älterer Bauteilen in gotisierender Form mit Zinnen und Ecktürmen erbaut. Die Bauteile stammen von der alten Burg Argendorf.
Das Burghaus am Rhein beinhaltete 1844 die erste Hönninger Poststation. Anfang des 17.Jahrhunderts erbaute der kurkölnische Vizekanzler Christoph von Wintzler dieses Gebäude im Rennaissancestil.
Der Ariendorfer Pegelturm wurde im Jahr 1900 erbaut und ist einer der letzten seiner Art im unteren Mittelrheintal. Er diente bis 1951 als Schreibpegel, um den Wasserstand des Rheines zu kontrollieren. Im Inneren des Turmes führt ein senkrechter Schacht sieben Meter nach unten, ein weiterer zweigt horizontal ab zur Flusssohle. Die heutigen Messvorrichtungen sind natürlich viel genauer und moderner.
Schloss Arenfels ist eine Schlossanlage, die auf eine mittelalterliche Burg aus dem 13. Jahrhundert zurückgeht. Das Schloss erhielt sein heutiges Aussehen durch einen umfangreichen Umbau im gotischen Stil in den Jahren 1849 bis 1855.
Die Stadt Münster in Westfalen besichtigten Rita und ich an einem schönen sonnigen Tag im August 1982. Wir wollten beides verbinden, einen Stadtbummel mit seinen historischen Bauwerken und dem geschichtlichen Wirken im Mittelalter, die Gastronomie erkunden und einen Gang durch die Geschäfte veranstalten. Des Weiteren interessierte uns das Umland mit seinem Freilichtmuseum.
Im Bereich des heutigen Domplatzes von Münster in Westfalen lag im sechsten Jahrhundert die kleine sächsische Siedlung Mimigermaford, nicht weit von der Furt der Münsterschen Aa (linker Nebenfluss der Ems, 43 Km Länge). An dieser Furt baute der friesische Missionar Liudger ein Kloster mit dem lateinischen Namen Monasterium, in unserem sprachlichen Verständnis bedeutete der Name Münster, und gab der hier um das Kloster sich entwickelnde Stadt den Namen. Die Einwohnerzahl entwickelte sich so rasant, dass bereits 1170 der Stadt die Stadtrechte zuerkannt und mit dem Bau einer Befestigungsanlage begonnen wurde. Sehr schnell gehörte Münster zu den flächenstärksten Städten in Westfalen. Die Macht der einflussreichen Bürger bestärkte die zu deren Gunsten verfasste Kommunalregelung mit der Stärkung der wichtigen Leischaften, darin waren die wichtigsten Ämter von sogenannten Erbmännern besetzt, die nur von bestimmten angesehenen Familien weiter vererbt werden konnten, Patrizierfamilien, die von Einnahmen aus Handel, Landwirtschaft, Renten und Geldverleih lebten. Hinzu kamen Handwerker mit Bürgerrechten, die sich zu Zünften zusammengeschlossen hatten, die aber auch die Rathsherren stellten. Zwischen 1458 und 1454 erlangte Münster als Mitglied der Hanse und als Vorort(Geschichte)eine große Bedeutung. Vorort heißt: Bezeichnung für den Vorsitz eines Kantons innerhalb der schweizerischen Eidgenossenschaft bis 1848. Das Handelsaufstreben spiegelte sich im Prinzipalmarkt wieder, dessen prächtige Kaufmannshäuser aus dieser Zeit stammen.
Lambertikirche mit Prinzipialmarkt
Die Lambertikirche steht am Kreuzungspunkt der ältesten Straßen Münsters. Sie markiert das nördliche Ende des Prinzipialmarktes mit direkter Anbindung zum Roggenmarkt. Gen Osten erstreckt sich der alte Fischmarkt und südlich die Salzstrasse.
Jan van Leyden hatte 1534 das Täuferreich von Münster ausgerufen und sich selbst zum König ausgerufen. Er belagerte mit seinen Soldaten die Stadt und wurde 1535 von den Truppen des Bischofs besiegt und gefangen genommen.
Am 22.Januar 1536 diente das Rathaus als Schauplatz einer öffentlichen Hinrichtung der drei Täufer von Münster durch die wieder erstarkte katholische Kirche. Vor dem Rathaus stellte man ein Podest auf, wo die drei Delinquenten vorgeführt wurden. Die Angeklagten hießen:
Jan van Leyden, selbsternannter König des sogenannten Königreiches Zion,
Bernd Krechting, Anführer,
Bernd Knipperdolling, Anführer.
Jan van Leyden Bernd Krechting Bernd Knipperdolling
Die Uhr schlug 8.00 Uhr, die drei zum Tode Verurteilten wurden vom Scharfrichter aus Paderborn und vom Henker aus Münster jeweils an einen Pfahl gebunden um dann mit Hilfe glühender Zangen die Körperseiten rechts und links zu zerreißen, bis ein Messerstich in die Brust die Hinrichtungen beendete. Diese Vorgänge dauerten mehr als eine Stunde. Die Zangen dienten weiterhin als Ausstellungsstücke und zur Mahnung gegen weitere mögliche Aufrührer, die eine Bedrohung für den Bischof sein könnten.
Zur weiteren Abschreckung steckte man die Überreste der Hingerichteten in eiserne Käfige und hängte diese an den Turm der Lambertikirche. Die Originalkörbe kann man heute noch sehen.
Das historische Rathaus von Münster gehört zu den Wahrzeichen der Stadt. Bekanntheit erlangte es durch den Westfälischen Frieden in Münster und Osnabrück, der das Ende des dreißigjährigen Krieges bedeutete. Gleichzeitig ist es der Geburtsort des neuen Niederlande, denn neben dem Frieden von Münster endete auch der achtzigjährige Spanisch-Niederländische Krieg.
1335 erbaute man die Bürgerhalle als Versammlungsraum für die münsterische Bürgerschaft, ein Raum, in dem man wichtige Beschlüsse für die Stadt und deren Umfeld verhandelte und umsetzte. In der Ratskammer, auch bekannt als Friedenssaal, erlangten die Verhandlungen zur Beendigung des dreißigjährigen Krieges.
Ein weiteres historisches Gebäude ist der Zwinger, der 1528 als Festungsbauwerk errichtet wurde. Nach einem Umbau diente er bis ins 19.Jahundert als Gefängnis, in der NS-Zeit gebrauchte die Gestapo den Zwinger als Inhaftierungs- Folter-und Hinrichtungsstätte.
Der Buddenturm gehört zu den ältesten noch erhaltenen Überresten der Befestigungsanlage vor dem Jahr 1200. Heute wird er als Wasserturm genutzt.
Zwinger Buddenturm
Der Kiepenkerl ist eines der Symbole von Münster. Er gehörte zu den umherziehenden Händlern, die mit einer Kiepe am Rücken Nahrungsmittel wie Geflügel, Eier und Milchprodukte in die Städte brachten, und im Gegenzug die Landbevölkerung mit Salz, Nachrichten und anderen Waren belieferten.
Wir wanderten durch das Mühlenhof-Freilichtmuseum und informierten uns über die bäuerliche und handwerkliche Kultur aus vier Jahrhunderten.
Als weiteres und letztes historisches Gebäude schauten wir uns das Fürstbischöfliche Schloss von Münster an, welches in den Jahren 1767 bis 1787 im Barokstil als Residenzschloss für den vorletzten Fürstbischof Maximilian Friedrich von Königsegg- Tothenfels erbaut wurde. Seit 1954 ist es Sitz der Westfälischen Wilhelms-Universität.
Seit langem hatte unsere Familienplanung höchste Priorität. Doch zwischen der Planung und der tatsächlichen Umsetzung fehlte der nähere Bezug. Die guten Ratschläge verschiedener Personen zwecks Urlaub, Abschalten, Ruhe mit autogenem Training konnten sicherlich recht hilfreich sein, aber die wirkliche Sicherheit vermittelten sie nicht. Das weitere Üben mit dem berühmten Frage- und Antwortspiel genügte uns nicht. Wir entschlossen uns beide zu einer ärztlichen Untersuchung. Rita suchte den Frauenarzt Dr.Wachtler im Wipperfürther Krankenhaus auf und ließ sich stationär untersuchen. Der Arzt leitete verschiedene Maßnahmen ein, die Rita als sehr unangenehm empfand. Insgesamt waren ihre Werte in Ordnung. Meine „Klein-Göchtchen-Untersuchung“ sollte in der Uniklinik Köln erfolgen.
Man stelle sich das einmal vor, Termin, Krankenschwester mittleren Alters, mustert mich kurz, reicht mir ein Glastöpfchen und betont gelangweilt: Kabine 3. Ich schaue sie fragend an, sie erwidert meinen Blick mit der jahrelangen Erfahrung einer Spermauntersucherin und sagt nur: Das müssen sie schon selber machen. Dreht sich zu ihren Unterlagen und überließ mich meinem Schicksal. Ich nehme mein Schicksal dem wahrsten Sinne nach selbst in die Hand, und scheitere. Kalter Raum, keine Atmosphäre, weiß gekachelt, hier soll ich? Kann ich nicht. Und nun? Die Krankenschwester grinst und meint nur: Da sind sie nicht der Einzige.
Also ab nach Hause, erledigen, und innerhalb von einer Stunde zurück, damit das Sperma bei Untertemperatur nicht abstirbt. In einem alten Thermostopf im Wasserbad transportierte ich meine Lebendprodukte nach Köln. Die Krankenschwester musste ich noch suchen, da sie gerade in ihre verdiente Pause gegangen war. Aber die Zeit reichte zur Untersuchung noch aus. Welch ein Aufwand.
Erste Bilanz
Unsere ersten gemeinsamen Jahre wurden von vielen Eindrücken aus verschiedenen Unternehmungen geprägt. Manche meinten, wir wären rastlos und wollten Alles auf einmal erleben. Aber jetzt im Nachhinein, bin ich froh, dass wir die vielen freien Stunden nutzen konnten, um unseren eigenen Horizont zu erweitern. Zeit ist ein Begriff, den man in seinen Momenten ausfüllen, aber niemals zurückholen kann. Die vielen Erinnerungen an Geschichten, Leuten und Eindrücken bleiben immer im Gedächnis haften.
Unser neues Urlaubsziel ging zum Walchensee in Südbayern, in den Ort Walchensee. Wir mieteten uns in der Privatpension Sperr ein, die Frau des Hauses Berlinerin, er typischer Oberbayer, der eine Sohn war ein bekannter Bobfahrer. Zu unserem Zimmer gehörte auch ein Balkon mit einem wunderschönen Blick zum Walchensee.
Der Ort Walchensee liegt auf 803 Meter ü.NN und hat 613 Einwohner. Der Ort wird begrenzt durch das Westufer des Walchensees und dem Herzogstandmassiv. Der Walchensee verbirgt viele Geheimnisse, er ist nicht nur einer der tiefsten Seen, sondern auch der größte Alpensee mit 16,40 km² Deutschlands. Der Sage nach lebt am Grund des Sees ein gewaltiger Wels, auch Waller genannt. Laut Augenzeugen soll das Tier fast so groß sein wie der See selbst. In seinem Maul hält er seinen Schweif. Eine schlimme Drohung liegt über dem schlummernden See, denn wenn Gottlosigkeit und Untugend sich unter den Leuten verbreiten sollte, lässt er seinen gewaltigen Schweif aus dem Maul schnellen und den naheliegenden Kesselberg zerschlagen, dadurch würde das ganze Umland bis nach München überflutet und viel Leid käme über die Menschen.
Wenn ein neuer Kurfürst sein Amt antrat, wurde ein geweihter goldener Ring in den See geworfen, um den Waller zu besänftigen. Der Abt aus Benediktbeuren zog regelmäßig nach Walchensee, um Prozessionen ab zu halten.
Des Weiteren heißt es, dass der See mit dem Ozean in Verbindung stehe und deshalb unergründlich ist.
Vom Ort Walchensee führte eine Seilbahn zum Gipfel des Herzogstand mit einer Höhe von 1731 m. Den Berg daneben, den Heimgarten mit 1790 m erklommen wir auf schmalen Bergpfaden zu Fuß, um dann in der dortigen privaten Gaststätte eine „Brettljause“ zu verspeisen.
Vom Walchensee hinunter zum Kochelsee gibt es ein Wasserkraftwerk, welches das natürliche Gefälle von 200 Meter zwischen dem Walchensee und dem Kochelsee nutzt. Das Kraftwerk dient allein der Stromgewinnung.
Unsere Alpentour führte uns über Kochel am See nach Innsbruck in Österreich, der Landeshauptstadt von Tirol. Die Eingrenzung der Stadt erfolgt im Norden von der Nordkette des Karwendelgebirges und im Süden von den Vorbergen der alpinen Zentralkette (Patscherkofel), der Westteil der Stadt liegt am Inn.
Die Innenstadt von Innsbruck bildet eine Kastralgemeinde, sie umfasst die historische Altstadt, die Neustadt mit der Maria Theresienstraße den Saggen und Dreiheiligen. Das goldene Dachl ist ein Gebäude aus dem Jahr 1420 mit spätgotischen Prunkerker in der Innsbrucker Altstadt und gilt als Wahrzeichen der Stadt. Aus Anlass der Zeitenwende im Jahr 1500 erhielt das Gebäude den Erker, dessen Dach mit 2657 feuervergoldeten Kupferschindeln gedeckt wurde.
Der Stadtturm, neben dem goldenen Dachl ein Wahrzeichen der Stadt, Erbauung zwischen 1442 und 1450, nutzte man verschiedentlich als Wachturm, Feuerurm, Uhrenturm und als Stadtgefängnis. Er bietet die höchste Aussichtsplattform in Innsbruck mit einem einmaligen Panoramablick über den historischen Kern der Stadt.
Das Hotel goldener Adler in der Altstadt von Innsbruck gehört zu den ältesten und geschichtsträchtigsten Hotels in Europa. Seit seiner Gründung im Jahr 1390 galt der Gasthof für alle Fuhrleute und Händler, die zwischen Deutschland und Italien Handel trieben, als erste Adresse. Im Laufe der Jahrhunderte trafen sich hier viele und bedeutende Persönlichkeiten, die die alten Verbindungsstraßen Richtung Süden oder Norden nutzten. Zu den prominenten Gästen und Volksheld der Österreicher durch die Befreiungskriege 1809 Tirols gehörte natürlich Andreas Hofer, der vom ersten Stock des Hauses am 15.August 1809 eine wohl berühmte Ansprache hielt. Bekannteste Spezialität des Hauses ist der Tiroler Zopfbraten nach einem alten Hausrezept.
Die Ottoburg ist ein spätgotischer Wohnturm am Eingang der Altstadt und seit 1476 urkundlich nachgewiesen. Der spätere Kaiser Maximilian I. verlieh den Turm 1497 an den Fürsten Rudolf von Anhalt. Nach dessen Tod im Jahr 1515 wohnten dort nur noch bürgerliche Leute, so dass der Wohnturm nur noch leere Burg oder „Öttburg“ genannt wurde. Um 1165 errichteten die bayrischen Grafen von Andechs eine Marktsiedlung mit der Bezeichnung Anbruggen (An = Inn)am Inn. Die gotischen Fassaden der Häuserzeilen prägt heute noch das Stadtbild im Stadtteil Mariahilf.
Der Dom zu St.Jacob in Innsbruck ist der Bischofsitz der Stadt. Die erste urkundliche Erwähnung über eine Kirche St.Jacob stammt aus dem Jahr 1270. Albrecht Dürer malte 1494 als Aquarell wohl die bisher älteste Ansicht des Doms.
Die Hofburg war einst Sitz der Tiroler Landesfürsten. Erzherzog Sigmund der Münzreiche, Herzog von Tirol, ließ eine mittelalterliche Burg bauen. Der spätere Kaiser Maximilian I. baute die Anlage aus. Erst Maria Theresia gab den Auftrag zum Umbau im Stile des höfischen Wiener Rokoko.
Maria Theresia war nur zwei Mal in Innsbruck, einmal auf der Durchreise, und das nächste Mal 1765 zur Hochzeit ihres Sohnes Leopold II., woran die Triumphpforte am Ende der Maria Theresien-Straße erinnert. Das freudige Ereignis überschattete der Tod ihres Gatten Franz Stefan von Lothringen. Dessen Sterbezimmer gestaltete man als Kapelle um, wo das adelige Damenstift für den verstorbenen Kaiser beten musste.
Die Triumphpforte von Innsbruck ließ man anlässlich der Trauung von Leopold II. 1765 erbauen. Dadurch, das dieses Ereignis durch den plötzlichen Tod des Kaisers überschattet wurde, verarbeitete man in den Gemäuern der Pforte auf der einen Seite Trauermotive, auf der anderen Seite eben die Motive im Sinne der Hochzeit des jungen Paares.
1809 fand am Bergisel die Schlacht unter Oberbefehl des Freiheitkämpfers Andreas Hofer statt. Zum Gedenken an dieses Ereignes errichtete man 1892 für ihn ein Denkmal. Der Bergisel ist ein 746 m hoher Hügel und wird für den Wintersport mit seiner berühmten Olympiaschanze genutzt.
Unsere bayrische – österreichische Rundreise führte uns zum Schloss Neuschwanstein. Wir nutzen den Fußweg zum Schloss und konnten von weitem auch das Schloss Hohenschwangau sehen, es diente der Königsfamilie als Sommerresidenz und war die Kinderstube von Ludwig II.
Schloss Neuschwanstein ist wohl das berühmteste der Schlösser von Ludwig II. und eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. 1869 begann der Bau des Schlosses nach den Vorstellungen und Wünschen von Ludwig II. Die Pläne erhielten immer neue Änderungen, letztlich sollte Neuschwanstein für den König ein bewohnbares Theater sein. Er wollte hier seinen Kindheitsträumen folgen und alles bis ins Detail nachspielen. Sein Wahn brachte ihn bis zur Pfändung seines nicht mehr vorhandenen Vermögens. Die bayrische Regierung war nicht mehr gewillt für weitere Schulden ihres Königs zu haften und setzte ihn 1886 ab und entmündigte ihn. In der Nacht vom 11. auf den 12.Juni 1886 musste er das Schloss Neuschwanstein verlassen und wurde nach Schloss Berg am Stanberger See gebracht, wo er unter nicht geklärten Umständen am 13.Juni 1886 verstarb. Die nachfolgenden Bilder zeigen einmal den königlichen Wahn seiner Selbstbeweihräucherung, sowie der künstlerischen Vielfalt des Bayrischen Rokoko.
Um diese unglaublichen Eindrücke zu verarbeiten, musste man erst einmal bei einem guten Essen und Trinken die Bilder verinnerlichen. Welch eine pompöse Verschwendung durch einen einzelnen Landesvorsteher. Aber unsere Verschwendungs-Besichtigungstour an diesem Tag war noch nicht befriedigt. Unser Ziel gehörte noch dem königlichen Lustschlösschen, dem Linderhof.
Schloss Linderhof ist das kleinste der drei Königsschlösser von Ludwig II. Ein kunstvoll angelegter Garten mit verschiedenen Brunnen, Kaskaden, Laubengänge und Wasserspielen.
Die Außenanlagen dieses Schlosses zu besichtigen, sind schon eine Reise wert. Für mich waren und sind es noch bleibende Eindrücke, die diesen königlichen Wahn zum Ausdruck bringen. Natürlich kann man und sollte es für die heutige Zeit als künstlerisch wertvoll betrachten und der Nachwelt möglichst erhalten. Die Innenansicht des Schlosses blieb uns leider verwehrt, da nur zu bestimmten Zeiten Besichtigungen möglich waren.
Unsere Rücktour zum Walchenseedomizil führte uns am größten See Tirols vorbei, dem Achensee. Er ist bis zu 133 m tief und hat hervorragende Wasserqualitäten, liegt nördlich von Jenbach in Tirol, 380 Meter über dem Inntal.
Vom Achensee führte uns die Straße zurück an die Nordspitze des Walchensees, über die kleinen Ortschaften Urfeld und Zwergerl zurück.
Der Walchensee diente wegen seines sehr reizvollen Aussehens als Drehort verschiedener Filme mit historischer Thematik. So wurde dort 1959 die Serie Tales of the Vikinks mit Christopher Lee gedreht.
Im Hotel Post in Urfeld genehmigten wir uns ein phantastisches Essen mit einem speziell zubereiteten Camenbert, mit verschiedenen Kräutern und dann überbacken. Ich versuchte dies später nach dem Urlaub zu Hause nach zu kochen, aber den so vorzüglichen Geschmack bekam ich nicht hin. Wir genossen dann nachher den noch wunderschönen lauen Abend auf unserem Balkon in der Pension mit Blick auf den Walchensee.
Über Kochel am See, gelegen am Kochelsee, vervollständigten wir unsere Königschlösser Besichtigung mit dem Schloss Herrenchiemsee.
Prien am Chiemsee, ist ein bekannter Kneip- und Luftkurort, gegründet um 1158 als Verwaltungsort vom Grafen von Falkenstein. Prien hatte bereits die Marktrechte für einen ständigen Markt, einen Wochen- oder Jahrmarkt. Der dafür bestimmte Platz stand dann unter Marktfrieden, also einem besonderen Recht für den Markt und seine Besucher und wurde vom Marktherrn geschützt. Die Verleihung des Marktrechtes stand seit der fränkischen Zeit dem König zu, und erst im 12.Jahrhundert ging dieses Regal ( königliches Recht ) auf geistliche und weltliche Fürsten über, die dann auch die Gründung von Städten anordnen konnten. Das Wahrzeichen eines Marktes war anfänglich das Marktkreuz, geschmückt mit den Symbolen des jeweiligen Königs, später gab es, je nach Religion, Fahnen oder mit Zeichen und Symbolen versehene Steinsäulen, die an den Einfahrten des Marktes, gewöhnlich durch Gatter oder verschließbare Tore verschlossen, aufgestellt waren. Für die Einhaltung des Marktfriedens (Königfrieden) sorgten eigene Marktgerichte, die diverse Streitigkeiten, ohne den Formalismus des Landesrechts, entschieden.
Die Chiemseeschiffahrt mit dem Haupthafen Prien wurde ausgebaut, Hotels und Fremdenpensionen entstanden. 1897 erbaute man die mit Dampf betriebene Chiemseebahn, die den Bahnhof mit dem Hafen verbindet.
Wir begaben uns auf den Raddampfer „ Ludwig Fessler“ der Chiemsee-Schifffahrt und steuerten die Insel Herrenchiemsee an, um die verkleinerte Ausführung des Versailler Schlosses zu begutachten. Unterwegs konnten wir die Fraueninsel des Chiemsees sehen, mit seinem Kloster Frauenwörth, ein Wallfahrtsort für die Selige Irmengard, eine Schutzpatronin des Chiemgaus.
Nach der Vorbeifahrt der Fraueninsel hatten wir freien Blick auf die Insel Herrenchiemsee. Ein sehr schönes Panorama bei herrlichem Wetter, im Hintergrund die Chiemgauer Berge.
Das neue Schloss Herrenchiemsee erbaute der Märchenkönig Ludwig II. 1878 nach dem Vobild des Versailler Schlosses in Paris. Dieses Schloss bewohnte König Ludwig nur wenige Tage. Nach seinem Tod 1886 endeten die Arbeiten, das Gebäude blieb weitesgehend unvollendet.
1867 unternahm der junge König Ludwig II. eine Reise nach Paris, um sich das Versailler Schloss für seine zukünftigen Baupläne auf der Insel Herrenchiemsee an zu sehen. Durch den plötzlichen Tod seines Onkels Otto musste er die Reise ohne die Schlossbesichtigung abbrechen. Aber er hatte sich schon seit Jahren mit dieser Thematik befasst und ließ sogleich, immer wieder mit Änderungen, den Bau seines Schlosses verwirklichen. Die Außenanlagen beinhalteten in vielen Details eine Kopie von Versailles.
Der Sonnenkönig Ludwig XIV. stellte für Ludwig II. ein großes Idol dar. Die Ritterburg „Neuschwanstein“ stellte für die Welt des Mittelalters und der Werke Richard Wagners eine gewisse Reminiszenz dar, dieses Schloss sollte ein Denkmal für die Bourbonenkönige sein. Im Verständnis von Ludwig II. standen beide Schlösser symbolisch für das von ihm verklärte Gottesgnadentum, eine uneingeschränkte legitimierte Herrschergewalt durch den christlichen Gott, über die er als Staatsoberhaupt einer konstitutionellen Monarchie nicht verfügte. Beide Schlösser waren nicht für einen großen Hofstaat oder Regierungssitz geplant, sondern als private Residenz mit wenigen Bediensteten, denn die Regierungsarbeit verrichteten bereits seine Hofsekretäre. Die Besichtigung der Innenräume dieses doch so pompösen Verschwendungstempels zeigt der Nachwelt eine gekünstelte Phantasiewelt, die wie ein letztlich zerplatzter Traum unvollendet bleibt.
Über dieses Treppenhaus gelangt man zu den vollendeten Räumen im mittleren Stockwerk. Zuerst erreicht man die sogenannten Paradezimmer, die hauptsächlich zu Repräsentationen dienten und in der Regel nicht bewohnt waren. Der Spiegelsaal zeigt mit seinen Eckräumen den Salons des Friedens und des Krieges. Die Deckenmalerei und die Gemälde sind bis auf kleine Ausnahmen Kopien des Versailler Schlosses.
Wie bereits Neuschwanstein und Linderhof ließ Ludwig II. auch Schloss Herrenchiemsee mit moderner Technik ausrüsten. Viele Räume in Versailles ließen sich auf Grund der Größe oder fehlender Kamine gar nicht heizen. Für Schloss Herrenchiemsee war dagegen zeitgemäßer Komfort angesagt. Damit die Räume nicht einzeln durch Kamine geheizt werden mussten, erhielt das Schloss eine Warmluftheizung, deren Kesselanlage sich im Kellergewölbe befand.
Die Schlossbesichtigungen mit den vielen historischen Erklärungen endete hiermit. Wir lassen den Tag in Prien bei einem kühlen Getränk am See bei einem schönen Sonnenuntergang ausklingen.
Rottach-Egern
Auf dem Weg nach Bad Tölz machten wir noch in Rottach-Egern am Tegernsee halt, um in einem Cafe ein Eis zu essen. Von hier aus hatte man einen weiten Blick über die Hauptstrasse. Ein Kramerladen faszinierte mich, dort stand auf einem Schild: Essen ist ein Bedürfnis. Ein wahrer Spruch, einfach festgestellt und auf einem Schild verewigt.
Bad Tölz
Bad Tölz liegt im mittleren Isartal, am nörlichen Eingang zum Isarwinkel. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick zu den Tiroler und Bayrischen Kalkalpen. Die erste urkundliche Erwähnung geschah 1155 als Tolnze und geht auf eine römische Siedlung zurück. Im 9.Jahrhundert besiedelten Bajuwaren am östlichen Isarufer, sie wurden aber von marodierenden Ungarn vertrieben. Die Wälder der Umgebung waren Grundlage für die Flößerei auf der Isar. 1331 erfolgte die Verleihung des Marktrechtes durch den Kaiser Ludwig den Bayer. 1374 erhält der Ort seinen Marktsiegel. Durch den Salzhandel in Richtung Allgäu und Reichenhall gelangt Tölz zu einigem Wohlstand. 1846 werden einige Jodquellen entdeckt, die den künftigen Badebetrieb in Schwung setzen. 1934 nimmt die erste der SS-Junkerschulen seinen Betrieb auf. Mitte 1940 wird in Bad Tölz ein KZ-Außenlager für Dachau errichtet.
1969 erfolgt zusätzlich zum Jodbad die Anerkennung zum heilklimatisierenden Kurort, danach die Erweiterung zum Moorbad. Sehenswert ist das Ensemble der Marktstrasse mit seinen breitgelagerten Häusern der Kaufmannsfamilien und Patrizier im barocken Stil, welche allesamt mit Fassadenmalereinen geschmückt sind. Einige der historischen Gebäude sind besonders hervor zu heben, der Khanturm von 1353, die alte Posthalterei von 1600, das Sporerhaus, das Moralthaus, das alte Rathaus mit dem Zwiebelturm aus dem 15.Jahrhundert und der Marienstift.
Eine erlebnisreiche Urlaubsreise ging zu Ende. Rita und ich nahmen sehr viel an positiven Eindrücken mit. Wir sahen und hörten sehr viel von deutscher und österreichischer Geschichte, lernten interessante Leute kennen.
Das Reisebusunternehmen Wilfried Hofacker bot eine mehrtägige Busreise nach Berlin an. Wir, das heißt Rita und ich, Ursula Middelhoff (Rita´s ältere Schwester) und deren Mann Karl-Heinz Middelhoff buchten im Spätsommer 1982 diese Fahrt.
Über die beiden Middelhoffs möchte ich kurz berichten. Ursula ist 14 Jahre älter als Rita, sehr lebenslustig, war in der katholischen Kirchengemeinde Gimborn als Vorsitzende des Frauenvereins engagiert, mittlerweile Rentnerin. Karl-Heinz, ehemals Hammerschmied, hat sein Leben lang hart gearbeitet. Im Dorf Jedinghagen ist er ein Unikum, Heimat verbunden, spricht nur oberbergisches Platt, bekannt für seinen großen Gemüsegarten und Düppeknutz, guter Koch für Hausmannskost, fertigt selber Sauerkraut, ist überall beliebt.
Die Busreise führte uns über die A2 zum Grenzübergang Helmstedt-Marienborn. Während des Kalten Krieges nannte man diesen Grenzbereich auch Checkpoint Alpha, der dann auch zum wichtigsten Grenzübergang zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik wurde und den Beginn der Transitstrecke nach West-Berlin markierte.
Um Berlin zu besichtigen, sollte man sich vorab mit einigen grundsätzlichen geschichtlichen Dingen befassen. Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8.Mai 1945 wurde Berlin, gemäß der Londoner Protokolle, in vier Sektoren aufgeteilt. Frankreich, die USA und Great Britain bildeten die drei Westsektoren (Westberlin), die Sowjetunion verwaltete den Ostteil (Ostberlin). Mit der Gründung 1949 der BRD im Westen und der DDR im Osten dehnte sich der Kalte Krieg auch nach Berlin aus. Der Ost-West-Konflikt bestärkte die Berlin-Krise und beflügelte am 13.August 1961 den Bau der Berliner Mauer. Die Besucher von West nach Ost oder umgekehrt durften von nun an nur noch bestimmte Kontrollpunkte in der Mauer passieren, wobei der DDR-Bevölkerung insgesamt (Ausnahmen) ein Besuch in West-Berlin verwehrt blieb. Der berühmteste Übergang war wohl der Checkpoint Charlie, der die Grenzübertritte von Diplomaten, westlichen Besuchern und umgekehrt DDR-Funktionären regelte.
Die Mauer zog sich mitten durch Berlin, ein fast unüberwindliches Hindernis. Und trotz der vielen Wachtürme, Grenzsoldaten mit Schießbefehl, Stacheldrahtverhaue und Selbstschussanlagen gelang es immer wieder Menschen die Mauer zu überwinden. Andere verloren bei dem Versuch, Republikflucht zu begehen, ihr Leben. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Nach neuen Erkenntnissen sollen es zwischen 136 und 245 Menschen gewesen sein.
Wir bezogen ein Hotel, etwas abseits vom Kurfürstendamm, aber nah genug, um am Nachmittag noch einige Unternehmungen zu starten. Auf unserem Weg lag das Cafe Kranzler, ein beliebtes Cafehaus am Kurfürstendamm, Anziehungspunkt für Touristen und Prominente.
Nicht weit vom Cafe, am östlichen Zugang des KU-damms, erreichten wir die evangelische Kaiser-Wilhelm-Gedächnis-Kirche. Vom ursprünglichen Bau besteht nur der alte Turm und Reste der Eingangshalle, der Neubau schließt sich direkt an den Altbau an. Die Berliner nennen den kirchlichen Rest „Hohler Zahn“.
Das Europacenter war lange Zeit das höchste Hochhaus in Berlin, galt in der Zeit des kalten Krieges als Wahrzeichen der Freiheit, bestärkt durch den riesigen sich drehenden und beleuchteten Mercedesstern auf dem Dach des Office-Towers. In dem Gebäude befinden sich eine Menge Geschäfte, Pubs, Kinos und Theater. Für jeden Tourist ein Muss, dieses Haus von innen zu sehen und mit dem Fahrstuhl zum höchsten Punkt zu fahren, um Berlin aus der Vogelperspektive zu betrachten.
Wir vier vom Land, Ulla und Karl-Heinz aus Jedinghagen, Rita und ich aus dem Reichshof, begutachteten dieses riesige Gebäude, als Karl-Heinz plötzlich rief: ein englischer Pub, was is dat denn? Lautes Lachen, er erhielt seine Erklärung. Rita und Ulla mussten auf Toilette, sie nutzten den Fahrstuhl in eine entsprechende Etage. Wir machten aus, uns da und da zu treffen. Der Andrang war groß, ein Verlieren in diesem Gedränge hätte möglich sein können. Wir warteten und warteten, die beiden kamen nicht wieder. Hatten sie sich verlaufen? Karl-Heinz wollte bereits nachsehen, er dachte, die beiden hätten sich verirrt. Die Tür vom Fahrstuhl ging auf, Ulla und Rita kamen lachend aus dem Lift, die Lachtränen standen ihnen in den Augen. Was war geschehen? Rita hatte beim Pinkeln vergessen den Klodeckel zu öffnen und musste dann mit Tempotaschentüchern und Toilettenpapier die Reinigungsfrau entlasten…
Im westlichen Innenhof befand sich unter einer Glaskuppel ein Cafe-Restaurant, verteilt über mehrere Ebenen mit Palmen, riesigen Pflanzen und plätschernen Brunnen. Mitten in dieser Halle stand ein 13 Meter Glaschronometer, die Uhr der fließenden Zeit.
Diese moderne Art einer Wasseruhr stellt den Ablauf von Minuten und Stunden im Zwölf-Stunden-Takt dar. In einem System gläserner, zu Türmen angeordneter Kugeln und kommunizierender Röhren fließt farbiges Wasser und ermöglicht unmittelbar die Anzeige der jeweiligen Uhrzeit. Immer um 1.00 Uhr und um 13.00 Uhr leert sich das gesamte System – nur die Stundenanzeige von 1.00 Uhr bzw. 13.00 Uhr bleibt bestehen – und der Zyklus beginnt von neuem.
Vor dem nördlichen Eingang des Europacenters steht als Pendant die Berlin-Uhr, die auch als Mengenlehreuhr bekannt ist.
Der Spaß dehnte sich aus, ging einer auf die Toilette, mussten die anderen schon lachen. Selbst die Bedienung im Europacenter ließ sich von unserer guten Laune anstecken. Zu unserem Eisbecher gehörte jeweils eine eingepackte Kekswaffel. Mit etwas Charme, viel Lächeln und Überredung gelang es noch, mehr von diesen Keksen zu bekommen. Immer, wenn sie an unserem Tisch vorbeikam, legte sie unaufgefordert einen der übriggebliebenen Kekse bei uns ab.
Den lauen Abend genossen wir noch bei einem schönen Glas Bier auf der Terrasse einer Wirtschaft. Unser Lachen hielt weiter an, so dass die Wirtin uns in ihrem berliner Dialekt fragte: Ganz schön angeeiert, wat? Da war das Eis gebrochen, das Gelächter hörte nicht mehr auf, jeder kleinste Anlass bewirkte bereits ein Herausprusten.
Eine Stadtrundfahrt durch Berlin hat natürlich seine Reize. Berlin-Mitte mit seinen historischen Gebäuden fuhren wir als erstes an.
Das Brandenburger Tor in Berlin steht am Pariser Platz in der Dorotheenstadt im Bezirk Mitte. Es ist wohl das bekannteste Wahrzeichen der Stadt, Erbauung auf Anweisung des Königs Friedrich-Wilhelm II. in den Jahren 1788 – 1791. Zugleich bedeutet das Tor ein nationales Symbol, für Berlin, Deutschland und Europa.
Die Bezeichnung Dorotheenstadt bezieht sich auf die zweite Gemahlin des großen Kurfürsten Friedrich-Wilhelm, der 1670 Dorothea Sophie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg das zwischen der großen Festungsmauer und dem großen Tiergarten gelegene cöllnische Vorwerk Tiergarten schenkte. Für dieses Gebiet wurde ein Bebauungsplan mit einem streng rechtwinkligen Straßennetz erstellt. 1674 erhielt die Neustadt das Stadtprivileg und 1681 erfolgte die Umbenennung zu Ehren der Kurfürstin in Dorotheenstadt.
An der Berliner Mauer stiegen wir aus, und konnten von einer Aussichtsplattform über die Mauer in den Ostsektor der Stadt sehen. Ein ungewöhnliches mulmiges Gefühl stellte sich in der Magengegend ein. Überall Wachtürme, Drahtverhaue, Todesstreifen, Panzersperren, Soldaten der Volksarmee mit Ferngläsern.
Bei der Weiterfahrt im Bus sprach von den Fahrgästen eine ganze Zeit lang keiner ein Wort. Wo vorher noch lebhafte Unterhaltungen stattfanden, konnte man jetzt in viele betretende Gesichter sehen. Das Erlebte beeindruckte doch einige der Leute sehr.
Wir fuhren zum Berliner Dom, dessen Renovierungs- und Aufbauarbeiten weit gehens abgeschlossen waren. Der Dom ist eine evangelische Kirche auf dem nördlichen Teil der Spreeinsel, die hier Museeumsinsel genannt wird. Der in Hochrenaicance und Barock errichtete Dom gehört zu den bedeutendsten protestantischen Kirchenbauten in Deutschland. In der Gruft des Doms liegen zahlreiche Mitglieder des Hauses Hohenzollern.
Die Fahrt ging weiter, und wir erreichen das Olympia-Stadion, welches in den Jahren 1934 – 1936 anlässlich der olympischen Spiele 1936 mit einem Zuschauerfassungsvermögen von 100000 Menschen erbaut wurde. Zu dieser Zeit soll es das größte Stadion der Welt gewesen sein.
Unsere Fahrt durch Berlin führte uns noch an den derzeitig politisch interessanten Gebäuden und Stätten vorbei, wie das Schöneberger Rathaus, das Berliner Abgeordneten Haus, verschiedene ausländische Vertretungen, Theater und Kinos. Den Besuch im Berliner Zoologischen Garten mit seinem angeschlossenen Aquarium unternahmen wir dann zu Fuß. Der Gang durch das Eingangstor, dem Elefantentor, beeindruckte mit seiner imposanten Größe und hob die weitere Erwartung um einiges.
Nicht weit hinter dem Elefantentor gelangt man zum riesigen Gebäude des Aquariums, wo auf drei Etagen eine der artenreichsten Einrichtungen von Süßwasser- und Meeresbewohnern, sowie Amphibien, Reptilien und Insekten zu sehen ist. Die gesamte Anlage wurde aufwendig umgebaut und renoviert, um den Besuchern nicht nur eine interessante Tierwelt zu präsentieren, sondern das auch der wissenschaftliche Bereich gefördert wird, verschiedene Schaukästen mit speziellen Biotopen der Fauna und Flora, einschließlich verschiedener Ufervegetationen, das Thema Korallenmeer, südamerikanische Flusslandschaften, Gewässer aus Südostasien, große Becken für Löffelstöre, Haie und Meeresschildkröten. Insgesamt werden im Zoo-Aquarium 10.000 Tiere in 800 Arten gehalten.
Wir betraten das Gebäude, und wurden von der sehr hohen Luftfeuchtigkeit und der Wärme fast erdrückt. Also Jacke aus und an diesen Klimawandel gewöhnen. Nach kurzer Zeit war man total durchgeschwitzt.
Wir betraten als erstes die Krokodilhalle mit seinem Klima eines tropischen Regenwaldes, dazu Bananenstauden, Drachenbäume und Papayas, und natürlich Krokodile in allen Größen, schon sehr beeindruckend.
Wir sahen Krallenfrösche, die weder Zunge noch Zähne haben, sondern ihre Beute durch Einsaugen aufnehmen. Sie saugen Insekten, Würmer und kleine Fische auf. Zur feindlichen Abwehr nutzen sie ein giftiges Sekret auf der Haut.
Die Baumsteigerfrösche, auch Pfeilgiftfrösche genannt, werden von den Amazonas-Indianern für ihre giftigen Pfeilspitzen genutzt. Die Frösche produzieren in ihren Hautdrüsen ein giftiges Nervengift.
Die Vogelspinnen erreichen Körpergrößen bis zu 12 cm und Spannweiten bis zu 30 cm. Trotz ihrer Größe ist ein Biss der meisten Vogelspinnen für einen Menschen zwar schmerzhaft, aber nicht tödlich, es sei denn, es treten allergische Reaktionen auf, die von Muskelkrämpfen und Benommenheit begleitet werden. In der Regel enden diese Reaktionen nach ein paar Tagen. Sie fressen alles, was sie überwältigen können, wie größere Insekten, Schaben und Heuschrecken, kleine Echsen und Nagetiere, genau so Tausendfüssler und Skorpione gehören zu ihrem Speisezettel.
Die Blattschneideameisen zerteilen mit ihren Mundwerkzeugen Pflanzenblätter in kleine Stückchen und transportieren sie in ihren Bau. Ihr Verbreitungsgebiet sind die Tropen und Subtropen Amerikas. Die Ameisen können in Plantagen von Nutzpflanzen wie Zitruspflanzen, Getreide, Kohlpflanzen, Wein, Obst, Kakao, Baumwolle und Kokospalmen einen sehr großen Schaden anrichten. Eine Kolonie Ameisen kann pro Tag soviel schneiden, wie eine Kuh frist. Jährlich erntet eine Kolonie Blattschneideameisen 35 t Laub. Die natürlichen Feinde sind Ameisenbären, Gürteltiere, Eidechsen und Vögel.
Labyrinthfische, auch Kletterfische genannt, besitzen zusätzlich zu den Kiemen noch das Labyrinthorgan, mit dem sie atmosphärischen Sauerstoff atmen können. Sie leben in Asien und Afrika in den Süßwasserbereichen.
Regenbogenfische sind sekundäre Süßwasserfische, deren Heimat in Australien und Neuginea zu finden ist.
Steinkorallen leben im Meer, im salzigen Wasser in den Tropen. Sie sind Tiere, die den Hauptanteil an der Erstehung der Korallenriffe haben. Die meist winzigen, sessilen Tiere haben die Fähigkeit, an ihrer Basis Kalk abzuscheiden, um so über Jahrtausende gewaltige Riffstrukturen zu bilden.
Soldatenfische leben tagsüber gruppenweise in Höhlen, Spalten oder Überhängen an den Korallenriffen des Atlantik und des Indopazifiks und werden nachts aktiv. Sie jagen Plankton im freien Wasser in Riffnähe.
Die Vielfalt der Echsen, Insekten und Wasserbewohner führte uns in eine andere Welt, die für den Normalbürger nur durch solche Ausstellungen in verschiedenster Art zugänglich ist. Wir mussten leider aus gesundheitlichen Beweggründen diese so phantastische Welt verlassen, das feuchte Klima, die hohe Luftfeuchtigkeit zollte bei uns Tribut.
Der Gang zu einem der zahlreichen Restaurants war unumgänglich, frische Luft, etwas zu trinken und zu essen, in Ruhe das Gesehene verarbeiten. Kaum hatten wir uns im Restaurant aklimatisiert, belästigten uns die Wespen aus den Mülleimern. Ursula hat eine spezielle Wespenallergie, deren Angst vor diesen Biestern konnte man gut verstehen. Wir ließen uns nicht beirren und begannen den Rundgang durch den eigentlichen Tiergarten.
1871 ließ der damalige Zoodirektor Heinrich Bodinus ein Antilopenhaus errichten, welches wegen seines exotischen Stils eine Sehenswürdigkeit wurde. Die Antilopen sollten artgerecht gehalten und aufgezogen werden, also musste das Haus entsprechend konzipiert sein. Dem gegen über sollten dem möglichen Besucher eine optimale Besichtigung geboten werden. Dies gelang hier in allen Bereichen.
Auch hier begegneten wir unserer schrecklichen deutschen Vergangenheit, dem Holocaust. Die Gesamtstimmung nahm dadurch keinen direkten Abbruch, wurde aber durch solche kurzen Momente getrübt.
Unsere Besichtigungstour durch den artenreichsten Zoo der Welt, mit über 15000 Tieren und ungefähr 1500 Arten, setzten wir mit der Betrachtung der sehr großen Elefantenanlage und dem daneben befindlichen Giraffenhaus fort. Die Großzügigkeit der Anlagen überraschte doch sehr, das Wohlbefinden der Tiere in einer artgerechten Umgebung durch Landschaftsnachbau spiegelte die Weitsicht der Verantwortlichen wieder.
Vom Giraffenhaus führte der Weg zu einer riesigen klimatisierten Halle für Flusspferde, die sich in einer wunderschönen nachgebauten afrikanischen Flusslandschaft im Wasser wohlfühlten. Der Zuschauer hatte das Gefühl, dicht am Geschehen dabei zu sein, obwohl gewisse Sicherheitsbarrieren den Abstand wahrten.
Neben der großen Tropenhalle konnten wir ein sehr großes Terrain der Polarwölfe bewundern. Der Leitwolf stand gerade im Vordergrund und betrachtete mit sehr aufmerksamen Augen seine Umgebung, während sein Rudel sich merklich im Hintergrund aufhielt. Menschen gegenüber sind sie sehr scheu und zurückhaltend.
Neben dem Wolfsgehege faulenzten einige Löwen. Nur eine Löwin schaute hin und wieder in Richtung Gatter, denn die nächste Fütterung sollte, laut Plan, innerhalb der nächsten Stunde erfolgen.
Das Zebrahaus war in der Rundform eines afrikanischen Dorfhauses errichtet worden. Daneben ließen die Kamele es sich gut gehen. Deren Anlage kopierte ebenfalls die nordafrikanische Landschaft.
Das Bild der zwei verliebten Kamele noch vor Augen, als sich eine ganz neue Welt auftat, eine Urwaldlandschaft für Gorillas, ein riesiges Areal für diese uns menschenähnliche Tiere. Sie sind die größten lebenden Primaten und die ausgeprägtesten Blätterfresser unter den Menschaffen.
Eine Pinguinfelslandschaft mit Höhlen und Versteckmöglichkeiten stand als nächstes auf dem Programm. Wir kamen gerade zur Fütterung und konnten ganz nah die interessanten etwas tollpatschigen Tiere beobachten.
In einem großen Gehege beobachten wir in den Baumwipfeln südamerikanische Nasenbären, deren Name in der indianischen Sprache Nasua Nasua heißt.
Direkt daneben sahen wir das große Rentierhaus, der Baustil entsprechend des skandinavischen Nordens.
Spitzmaulnashörner leben in den afrikanischen Savannen von Ost- und Südafrika, in Regionen mit viel Gehölzpflanzen oder krautiger Vegetation. Sie leben als Einzelgänger und markieren ihr Territorium mit Urinspritzern oder großen Dunghaufen. Der Haufen ist umso größer, je dominanter der Bulle ist.
Przewalski-Pferde sind asiatische oder auch mongolische Wildpferde, die in ihrer Art als einziges Wildpferd überlebt hatten. Sie leben entweder in reinen Hengstgruppen, oder in einer Herde, die von einem Hengst geführt wir.
Dieser kleine Bericht aus unserem Besuch im zoologischen Garten von Berlin zeigt natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus dem unglaublich großem Komplex, ein Angebot an phantastischen Landschaftsnachstellungen, um den dort lebenden Tieren ein gewisses Heimatgefühl zu vermitteln, überall die Möglichkeit als Besucher sich umfassend zu informieren.
Unsere Berlinreise endete mit der Busrücktour über die Transitstrecke Helmstedt-Hannover. Vor der Grenze nutzten wir noch den zollfreien Einkauf für Zigaretten und Spirituosen.
Der Alltag hatte uns wieder.
Montags war Wochenberichtstag in der Direktion der Hamburg-Mannheimer Versicherung, die allgemeine Stimmung stieg mit guten Produktionszahlen, die Laune fiel bei wenig Einheiten in den Keller (In Einheiten, nicht in Promille, rechnete man die Umsatzzahlen, eine Einheit entsprach 2,038 DM). Bei einer sogenannten Nullwoche gab es gehörig Druck, denn das bedeutete nichts getan, Faulheit, kein Engagement. Ich hatte so eine Nullwoche, es lief auch nichts zusammen. Ich hatte mir nur vorgenommen, mich nicht mehr zusammen stauchen zu lassen, und fand, dass ich so etwas nicht nötig hatte, mich wie einen kleinen Schuljungen behandeln zu lassen. Der kommende Ärger war bereits vorprogrammiert, denn ich gehörte nicht alleine zu den „Faulenzern“, noch drei andere Kollegen hatten ebenfalls keinen Erfolg. „Große Chefe“ mit Namen Kuretzki nahm mit einem verzogenen Mundwinkel Platz, sortierte noch einmal die Wochenberichte, wahrscheinlich nach gut und böse, guckte uns mit seiner sehr eindringlichen Art an, stand auf und knallte die Wochenberichte auf den Tisch und bekam fast einen Tobsuchtsanfall als ein lautes : Nur Scheiße heute herausbrüllte. Es war nämlich keiner dabei, der überhaupt die Wochenvorgabe erreichte. Dann nahm er die Unterlagen und verließ wortlos den Raum. Schade, die Konfrontation musste leider verschoben werden.
Unsere Arbeitskleidung sollte stets seriös mit Anzug, oder Kombination, dazu ein Hemd mit Krawatte, sein. Die oberen Sesselfurzer meinten sogar, ein Nadelstreifenanzug mit weißem Hemd und dunkler Krawatte würde dem Gesamteindruck der Hamburg-Mannheimer entsprechen, selbst bei 30° Grad im Schatten. Klar, diese Damen und Herren sitzen auch in klimatisierten Büros und lassen es sich gut gehen.
Meine Arbeitsauffassung in der Kleidungsfrage machte ich Wetter abhängig, im Hochsommer ein Hemd mit kurzen Ärmeln, keinen Schlips, dem Kunden anpassend. Bei Firmenkunden setzte ich andere Prioitäten als bei Arbeitern oder Angestellten.
Ich besorgte mir montags in der Direktion meine Besuchsaufträge und lieferte erst freitags meine Anträge ab, so vermiet ich es, dem „Big Boss“ über den Weg zu laufen und ein eventuelles Streitgespräch zu führen. Trotz meines guten Umsatzes gingen unsere Meinungen regelmäßig auseinander. Ich hatte oft das Gefühl, dass er einen Streitgrund suchte. Er hasste es, wenn einer der Kollegen krank war und dadurch keinen Umsatz hatte. Er betonte sogar, daß Krankheiten überflüssig seien und den Leuten zum Gesundsein die richtige Lebenseinstellung fehlte. Welch ein bornierter Typ.
Meine beiden Kollegen, mit denen ich in Daun in der Eifel das vierzehntägige Seminar absolvierte, kündigten und übernahmen als Selbstständige einen Versicherungsbestand des LVM, Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster. Schade, wir verstanden uns gut. Viele neue Leute kamen hinzu, und mussten den gleichen Hürdenlauf überstehen wie ich. Aus welchen Berufen diese Kollegen zur Versicherung wechselten, als wenn dies der einzige Ausweg ist.Lehrer, Postboten, Landwirte, Handwerker, Kaufleute usw. Es gibt den nicht freundlichen Spruch:
Wer nichts wird, bleibt Wirt. Und ist Dir auch dies nicht gelungen, dann machst Du in Versicherungen.
Selbst hatte ich diese Überlegung eigentlich nie, denn ich wechselte recht freiwillig zur Versicherungsbranche, weil ich es wollte und darin eine interessante Tätigkeit sah. Um aber eine Expertentätigkeit aus zu üben, bedurfte es noch viele weitere Lehrgänge im Bereich Steuern, betrieblicher Versorgung, Krankenversicherung, speziellen Sachversicherungen. Mein Ziel und mein eigentliches Bestreben war die Prüfung zum Sachspezialisten im Bereich Handel und Gewerbe. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate lernte ich viele Alt- und Neukunden kennen, dabei natürlich auch einige sehr seltsame, komische, verrückte, normale, geile, außer der Norm=Unnormale Leute kennen. Ich muss gestehen, dies war die beste Lebensschule, die man sich denken kann. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. Der eine zeigt seine Gefühle, der andere ist verschlossen, aufbrausend oder ruhig gefasst und beherrscht, nervös und ängstlich, aufreizend oder herausfordernd, gleichgültig oder abweisend, interessiert und kaufbereit, risikofreudig oder abwägend, hinterhältig und Lügen bereit, machohaft oder herablassend, freundlich und hilfsbereit.
Ich nahm an verschiedenen Verkaufsseminaren teil, wo der Mensch als Gesprächspartner im Vordergrund stand, die Ware Versicherung kaum zur Sprache kam, man hätte genau so gut Klopapier oder Waschpulver anbieten können. Hier verkaufte man sich indirekt zuerst und untermauerte vieles mit sogenannten Suggestivfragen. Hier wurden Fragestellungen geübt, bei der der Befragte durch die Art und Weise der Fragestellung beeinflusst wird, eine Antwort mit vorbestimmtem Aussageinhalt zu geben, die der Fragesteller erwartet. Die Art und Weise der Frage hat den Zweck, auf das Denken, Fühlen, Wollen oder Handeln einer Person ein zu wirken und den Befragten von einer rational bestimmten Antwort ab zu halten. Wer diese Frageform anwendet, stellt keine wirkliche Frage, sondern beabsichtigt, seine Idee, Sicht oder Meinung einer anderen Person zu suggerieren, um beeinflussend zu wirken.
Diese Art der Befragung findet auch in der Psychologie, der Vernehmungspraxis, der Markt und Meinungsforschung, der Rhetorik und natürlich im Verkaufsgespräch Anwendung, wird aber auf Grund seines Beeinflussungscharakters im alltäglichen Sprachgebrauch nicht sehr hoch geschätzt. Im Verkaufsgespräch werden Suggestivfragen gerne als rhetorisches Mittel eingesetzt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Beispiel: Tür-an-Tür-Verkäufe und die Telefonwerbung werden auf der Basis der Ja-Schiene mit diesen Fragen bedacht, der Befragte soll auf jede Frage mit ja antworten, um die nötige Unterschrift unter den bestimmten Vertrag zu bekommen.
Ich bearbeitete viele Aufträge im Bereich Bergneustadt, eine Stadt mit internationalem Flair. Hier leben viele Nationalitäten teilweise friedlich nebeneinander. Natürlich gibt es, wie in fast jeder Stadt, Bereiche, die extrem von sozialschwachen verschiedener Nationen bewohnt werden. Die Siedlung Hackenberg mit seinen Hochhäusern und jeweils 60 Parteien und teilweise kaputten Fahrstühlen ist so eine Gegend, die für einen Versicherungsvertreter wie mich einen Druck in der Magengegend erzeugte. Aber da muss man durch.
Lustig ging es in einer Wohnanlage zu, die noch vor diesen Hochhäusern lag. Ich besuchte einen Altkunden der HM (Hamburg – Mannheimer), wohnhaft im dritten Stock, vor dem Küchenfenster hing ein großer Außenspiegel eines LKW, so gestellt, dass die Haustür jederzeit beobachtet werden konnte. Die Familie hieß: Hühnermörder. Welch ein Schock, sollte ich diesen Menschen so ansprechen? Naja, ich klingelte, jemand stand oben am Fenster und fragte, was ich wollte. Ich erklärte mein Kommen, der Türsummer gab seinen Ton von sich, ich marschierte die Treppe hinauf, im Hinterkopf immer die Frage nach der Anrede. Ich stand dann vor der Tür der Familie Hühnermörder, die Tür ging auf, eine recht freundliche Frau um die vierzig Jahre alt, spärlich angezogen, so, als wenn sie gerade vorher unter der Dusche war, durchschnittliches Aussehen, Figur OK. Sie setzte sich auf einen Sessel, ich setzte mich gegenüber auf die Couch. Mit den Füssen stieß ich gegen diverse Flaschen unter der Couch, es klirrte leicht. Ich sagte mein Sprüchlein auf, vermied aber den Namen aus zu sprechen. Sie lehnte sich zurück und präsentierte ihre, naja, Reize. Sie fragte mit einer sonoren Stimme nach Kaffee, ich war nicht abgeneigt, zumal ich Zeit brauchte um die Situation zu entschärfen. Sie brachte den Kaffee, stellte ihn auf den Tisch und setzte sich in meine Nähe. Ich fragte nach der Toilette, kam dann zurück und setzte mich auf den Sessel, wo sie vorher saß. Dieses Spielchen wiederholte sich.
Auf einmal wurde das Türschloss der Wohnungstür betätigt, der Herr Hühnermörder kam wohl etwas früher von der Arbeit nach Hause. Er übersah direkt die Situation. Ich verabschiedete mich, hatte kaum die Wohnungstür zugezogen, als ein wüstes Geschrei und Gezeter folgte, Geklatsche und Wehklaklagen, Gebrülle und Geschrei durch das Treppenhaus hallte. Meine Kundenbesuche stellte ich für diesen Tag ein.
Etwas außerhalb von Bergneustadt hatte ich einen festen Termin auf einem Bauernhof. Ich fuhr mit meinem Auto auf den Hof und sah eine Hundelaufleine rund um das Haus gespannt. Ich stieg aus, wollte auf die Haustür zugehen, als ein schwarzer Schäferhund an der Laufleine angestürmt kam. Zum Auto zurück schaffte ich es nicht mehr, also musste ich vor dem verdammten Köter um das Haus herumgelaufen, Autotür auf, rein in den Wagen, Tür zu. Da kam auch schon diese schwarze Mistkrücke, sprang am geschlossenen Wagen hoch und zerkratzte ihn. Ich hupte, der Bauer kam aus seinem Stall, nahm einen Knüppel und verdrosch den Hund. Er sagte nur: Jetzt wär die Luft rein. Tolle Begrüßung.
Man sollte meinen, ich hätte nur mit solch seltsamen Leuten zu tun, dem war nicht so. Bloß die etwas seltenen Personen, die mit komischen Eigenarten oder spontanen abnormalen Entscheidungen bleiben im Gedächnis als Episode hängen.
Ich nahm einen Besuchauftrag aus Waldbröl mit, ein selbstständiger Metzgermeister, zu finden in seinem Laden mitten in der Stadt. Das Geschäft voller Kunden, ich stellte mich hinten an, und warte bis ich an der Reihe bin. Der Metzger bediente mich selbst, ich sagte mein Sprüchlein auf, er schaute mich einen Moment an, ich sah, wie seine Adern am Hals und an der Stirn anschwollen. Auf einmal brüllte er los, von wegen Verbrecher und Betrüger, zur Unterstützung hielt er mir ein großes und langes Metzgermesser unter die Nase, und schnaufte und wütete. Aber irgendwann ging ihm das Vokabular aus, er holte tief Luft, um weiter zu wettern. Ich kam ihm zu vor mit einer ruhigen (mir war schon ganz komisch) Frage:
Wenn ich Sie frage, schmeckt die Wurst und ist sie frisch? Und sie antworten: selbstverständlich. Dann muss ich Ihnen das glauben. Wenn ich Ihnen etwas von Ihren Versicherungen erzähle, müssen sie mir das glauben.
Im Laden konnte man eine Stecknadel fallen hören. Der Metzger schaute mich durchdringend an, grinste, gab mir die Hand und bat mich nach hinten ins Büro.
Wenn ich später noch einmal bei ihm vorbei kam, haben wir als erstes immer ein Bier getrunken.
Die HM (Hamburg-Mülleimer(Mannheimer) lud zur Jahresauftakttagung im Hotel Maritim in Gelsenkirchen ein. Alle Mitarbeiter mit Ehepartner aus ganz Nordrhein-Westfalen durften an der Tagung mit anschließendem Unterhaltungsprogramm und Warm-Kalten Buffet teilnehmen. Für die Ehepartner gab es extra ein spezielles Programm, um nicht bei den verschiedenen Vorträgen eine gewisse Langeweile auf kommen zu lassen.
Die Tagung begann wie üblich mit den eigentlichen Zahlenspielchen, die gut situierte Lage der HM (im Hintergrund bestellte Klatscher und Applaudierer), dazu die Ehrung der besten Produzenten mit Anstecknadeln und Urkunden (Applaus), die Selbstbeweihräucherung verschiedener Spitzenfunktionäre.
Die besten Produzenten hatten meistens auch den höchsten Stornoanteil, aber davon redete keiner, weil sonst die Gesamtsituation wesentlich schlechter dastehen würde, mit anderen Worten, eine Bilanzbegradigung.
Am Abend sollte mal nicht von Zahlen geplaudert werden, sondern sich in besonderem Maße dem Buffet und den Getränken widmen.
Überschrift: Die Schlacht am Buffet. Es gab da Kollegen, deren Erziehung wohl auf der Straße stattfand, denn was die sich am Buffet leisteten, konnte man fast nicht mit ansehen. Sie luden sich nicht nur den Teller voll, sondern probierten direkt am Buffet was schmeckt und was nicht. Das, was nicht schmeckte legten sie sogar angebissen wieder zurück. Unglaubliche Vorgänge.
Die Serviceleute des Hotels versuchten dann diese Geschehnisse wieder zu begradigen und räumten die unangenehmen Sachen einfach weg.
Die abwechselnde Show mit verschiedenen Künstlern und dem anschließenden Tanz übertönte dann die geschehenden Vorkommnisse.
Am nächsten Tag trafen wir uns noch mit einigen Kollegen und Partnern am naheliegenden Markt und blieben an einem Käsestand stehen. Die Marktfrau freute sich über soviel Kundschaft vor Ihrer Marktbude, dass sie uns vorschlug, den Markt zu besichtigen, sie würde in der Zwischenzeit eine Käseplatte ihrer Auswahl vorbereiten. Und so geschah es. Danach gingen wir noch gemeinsam in eine Gelsenkirchener Kneipe und tranken ein lecker Altbier, und noch eins.
Der Alltag holte uns Versicherungsvertreter schnell wieder ein. Ich erhielt den Auftrag, mit einem Kollegen, mit Namen Horst Wehner aus Waldbröl, die nächsten Wochen zusammen zu arbeiten. Ein Mitarbeiter, der schon länger bei der HM tätig war, aber über gewisse Schwierigkeiten gestolpert war. Die HM gab ihm eine weitere Chance.
Horst entpuppte sich als recht eigensinniger Typ, er hatte überall gewisse Schulden, musste hier einen Wechsel auslösen, da seine Spielschulden bezahlen. Seiner Familie spielte er immer den seriösen Typ vor, aber ich glaube, seine Frau durchschaute ihn. Seine Großeltern besaßen ein Beerdigungsinstitut, welches unter anderem mit den Behörden zusammenarbeitete. Horst war mehrere Jahre dort als Bestatter tätig und kannte darüber sehr viele Leute aus der Umgebung Waldbröl. Ich sollte nun seinen tugendhaften Weg in Richtung HM vor zeichnen, ich glaubte nicht an dieses Märchen.
Die Kunden vertrauten meinem neuen „Partner“, er war einer von ihnen. Seine Verkaufstrategie entsprach zwar nicht direkt meiner Auffassung von Kundenbehandlung, aber es stellte sich eine gewisse Ähnlichkeit heraus, so dass man von einer möglichen Ergänzung sprechen konnte. Er schaffte es, mich zu verblüffen. In einem Waldbröler Cafe bestellte er einen sauren Hering mit Schlagsahne und dazu einen Kaffee. Er behauptete mit total ernster Miene, er brauche den Hering zum Nachdenken.
Bei einem Kunden, wir saßen vielleicht 5 Minuten am Tisch, guckte er auf seine Uhr und sagt: jetzt sitzen wir hier schon 5Minuten, und wir haben immer noch keinen Kaffee.
Ich schaute ihn ganz entsetzt an, er aber, schaut mit einer stoischen Miene zum Kunden, der steht auf und kocht Kaffee. Solche Eskapaden passierten dauernd. In Morsbach saßen wir auf der Couch eines Ehepaares mittleren Alters, die Leute nahmen in ihren Sesseln Platz. Small Talk, freundliche Unterhaltung, Lobgesänge auf die tolle Wohnung, die Frau des Hauses verweist darauf, dass bis auf den Wohnzimmerschrank alles neu wäre. Horst schaute sich den Schrank an, fragte: Möchten Sie einen neuen Schrank? Kunden von mir haben einen noch fast neuen Schrank, die würden dann Ihren Schrank nehmen, tauschen Sie einfach. Woher wissen Sie, ob die unseren Schrank wollen? (Und schon war das Interesse gezeugt) Ich weiß es. Horst nannte einen Preis, der sogar akzeptiert wurde, und verschwieg, welchen Preis er den anderen Leuten auferlegte. Im Moment verkaufte er keine Versicherung, verdiente aber an dieser Transaktion, ohne einen Finger zu rühren.
Solche oder ähnliche Vorkommnisse könnte ich noch weiter aufzählen, bloß irgendwann wollte ich mich wieder meinem eigentlichen Beruf widmen und bekräftigte der HM gegenüber, ohne Partner zu arbeiten.
Die Zeitreise in die unterschiedlichen Bereiche gab mir ein innerliches Auf und Ab. Viele Ereignisse und Erlebnisse wechselten in Erfahrungen, man lernte aus eigenen Fehlern, erweiterte seinen geistigen Horizont und mochte und wollte doch nichts vermissen. Viele Erfahrungen der vergangenen Jahre prägten das Selbstbewustsein, zeigten die eigenen Grenzen, hielt einen aber nicht davon ab, weitere Zukunftsplanungen vorzunehmen, bzw. sie auch zu verwirklichen.
Die Familienplanung schwenkte in Resultate über, gleichzeitig reifte die Überlegung zum Kauf unseres Hauses, und meine berufliche Selbstständigkeit verwirklichte sich.
Eine ganz neue familiäre Zeitrechnung brach an, denn die Zeit werden erst einmal die Kinder bestimmen, die gesamte persönliche Organisation musste anders durchdacht werden. Eine spannende Episode lag vor uns.
Meine Schwiegermutter
Meine Schwiegermutter, Hedwig Sauermann, verweilte für ein paar Tage im Wipperfürther Krankenhaus, um sich einer Hämorrhoiden-OP zu unterziehen. Bei dieser Gelegenheit entdeckten die Ärzte bösartige Krebsgeschwulste und führten die eigentliche OP gar nicht erst durch. Es wurden direkt gewisse Weiterbehandlungen verordnet. Nach einem Nachbehandlungstermin auf dem Weg mit dem Auto nach Hause, zwischen Kempershöhe und Marienheide, kam Ulla und ihre Mutter in einer Kurve auf schneeglatter Fahrbahn ein Fahrzeug entgegengeschliddert, sodass Ulla nur noch in Richtung Straßengraben ausweichen konnte. Durch den Unfall verletzte sich die Schwiegermutter so schwer, dass sie mit einer schweren Beckenfraktur in das Wipperfürther Krankenhaus eingeliefert werden musste. Zur gleichen Zeit hielt sich mein Schwiegervater, Franz Sauermann, wegen eines schweren Herzleidens im dortigen Krankenhaus auf. Sein Zustand war sehr kritisch, und keiner wollte ihm die neue Situation erzählen, aus Angst, er könne die neuen Aufregungen nicht ertragen. Das Gegenteil stellte sich ein. Ein enormer Kraftschub und Lebenswillen beflügelte ihn, den Pfleger zu überreden, ihn im Rollstuhl mitsamt seinen Infusionsflaschen zu seiner Frau zu schieben, um mit ihr zusammen zu sein. Meine Schwiegermutter musste Wochen lang auf dem Rücken liegen und die Decke anstarren. Man muss dazu bemerken, dass sie durch ihre Starerkrankung der Augen Sehschwierigkeiten und eine eingeschränkte Lesefähigkeit hatte. Sie überbrückte diese Zeit mit innigem Beten, ihr Glaube gab ihr die nötige Kraft. Ich empfand eine gewisse Bewunderung für ihre Geduld.
Rita und ich kamen überein, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Wir durchforsteten die Zeitungen, schauten uns diverse Objekte an, bis wir in Hülsenbusch fündig wurden. Das Haus gehörte der Deutschen Bank, drei Wohnungen, die in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollten. Es haperte aber an gewissen technischen Schwierigkeiten, so dass man uns anbot, das Haus insgesamt zu kaufen. Nur über den Preis musste noch weiter verhandelt werden, was dann auch zu unserer Zufriedenheit geschah.
Nach schwerer Krankheit verstarb am 14.Januar 1984 in Jedinghagen kurz vor Mittag meine Schwiegermutter Hedwig Sauermann, Rita`s Mutter. Sie hatte noch die für das Mittagessen nötigen Kartoffeln geschält, wollte wohl aufstehen und lag in der Wohnküche auf der Erde vor der Tür zum Hausflur. Dort ist sie dann auch gefunden worden.
Diese Episode meines irdischen Daseins endet mit dieser traurigen Nachricht, aber so eng liegen Freude und Leid zusammen, dass sie kaum trennbar sind. Meiner Schwiegermutter werde ich gedanklich immer einen Platz freihalten und mich an sie erinnern.
Daniel
Am 12.März 1984 erblickte unser Sohn Daniel im Krankenhaus Engelskirchen das Licht der Welt. Die Geburt verlief etwas problematisch, weil der Geburtskanal zu eng war. Der Chefarzt holte Daniel mit der Saugglocke, ein Anblick, den man so schnell nicht vergisst. Aber nach einiger Zeit im Sauerstoffkasten wollte er mit seinem Geschrei nicht wieder aufhören, Mutter und Sohn wohlauf, Vater schloss sich dem allgemeinen Wohlempfinden gerne an.
Wie es nun einmal so üblich ist, folgte die Taufe nach kurzer Zeit. Am 15.April 1984 vollzog sich die Taufzeremonie in der Kirche von Gimborn, Taufpaten waren Ulrich Middelhoff und Marianne Harmening, meine Schwester.
Die Zeit, die man bei Kindern im Babyalter zur Verfügung hat, ist ein wirklich so kurzer Moment, den man genießen sollte. Welche unglaubliche Entwicklungen im Leben die neuen Erdenbürger da durchlaufen, ist mit Worten schlecht zu beschreiben, man muss es einfach haut nah miterleben.
Das Bild zeigt Daniel mit ca. 1 Monat Lebensalter. Sein blaues Männlichkeitsmerkmal am rechten Handgelenk ist sein erstes Schmuckstück. Der bereits prüfende Blick auf Rita zeigt das Erkennen seiner Umwelt und Bezugspersonen.
Ein „Bäuerchen“ in Ehren, kann keiner verwehren. Auch in der Nacht möchte er versorgt sein. Wir wechselten uns da schon mal ab. Dabei konnte es passieren, dass ich im Schaukelstuhl wieder eingeschlafen war, und Daniel putz munter quäkte. Man bemerke hierzu den farblichen Einklang der Schlafanzüge.
Die Ereignisse überrollten meine eigenen Pläne. Der HNO-Arzt operierte mich, meinem Arbeitgeber gefiel meine Einstellung zur Arbeit zwecks Krankheit überhaupt nicht. Die fällige Kontroverse nahte mit riesigen Schritten.
Nötige Mandel-OP
Dr. Küsel befand meine Mandeln im Hals als OP- würdig und vereinbarte mit mir einen kurzfristigen Termin für einen stationären Aufenthalt im Engelskirchner Krankenhaus. Mir war bewusst, dass die Meinung des Herrn Kuretzki über mein weiteres Fehlen nicht besser wurde, aber das interessierte mich im Moment nicht.
Der Arzt überredete mich zur örtlichen Betäubung, weil man danach sehr viel schneller wieder klar denken könnte, essen und trinken wäre früher möglich.
Dr. Küsel setzte den OP-Termin auf morgens um 8.30 Uhr. Mit mir warteten noch drei andere Patienten auf die bevorstehende OP. Ich wurde aufgerufen, ging in den OP-Raum und glaubte meinen Augen nicht zu trauen.
Der HNO-Doc, ein sehr großgewachsener, kräftiger älterer Herr, hielt in seinen recht klobigen Fingern einen großen Holzhammer, schaute mich sehr erwartungsvoll an, sagte in einem sehr tiefen Bass mit einem süffisanten Tonfall: Wie hätten wir es gerne, Holzhammer, Vollnarkose, örtliche Betäubung? Man merkte ihm an, wie er die Situation genoss. Er wusste genau, dass fast alle Patienten mit butterweichen Knien den OP-Raum betraten, um die volle Konzentration auf das Kommende zu lenken.
Ich brachte nur ein klägliches Örtlich heraus, und schon ging alles sehr schnell und präzise. Beide Hände wurden mit Lederschlaufen festgebunden und der OP-Stuhl nach hinten gekippt. Eine Spritze mit großer langer Nadel betäubte meinen Rachen und den Mundinnenraum, eine Mundspreitze klemmte zwischen den Kiefern auf der sich sonst bewegenden Zunge. Der Arzt ritzte mit einem Skalpell die Haut um die Mandeln herum auf, nutzte für jede Seite eine Schlinge, zog sie langsam heraus und legte die herausgeschnittenen Mandeln in das Auffangkörbchen, welches an einer Kordel vor dem Mund hing. Das Herausziehen verursachte ein saugendes, schmatzendes Geräusch. Eine Schwester saugte das Blut ab, und schon begann Dr. Küsel mit schnellen und gekonnten Bewegungen die Schnittstellen im Hals zu vernähen. Ich konnte mit etwas schiefem Blick die entfernten Teile begutachten, sie hatten die Größe und das Aussehen von Wegwerffeuerzeugen, nur nach hinten spitz zulaufend. Die ganze OP dauerte kaum 15 Minuten. Einen Moment sollte ich noch sitzen bleiben, um ruhig zu atmen und nichts sagen.
Mein Stationsbett stand schon bereit, den ersten Teil der Prozedur hatte ich überstanden.
Das Stationszimmer teilte ich mit einem Schüler des örtlichen Gymnasiums, seine Eltern waren von Beruf Beamte, und demnach Privatpatienten. Auf diese Art und Weise erhielt ich, bis auf das Essen, sämtliche privatärztlichen Vorzüge. Beim Essen profitierte ich vom ständigen Jammern des jungen Mannes, denn vor lauter Schmerzen konnte er nichts essen. Dr. Küsel riet jedem seiner Patienten: schlucken, kauen, sprechen. Die Bewegungen hierzu würden die Halspartien stärken und Hämatome verhindern.
Mein Schwiegervater brachte mich noch dazu Butter zu lutschen, das wäre ein gutes Schmiermittel für den Hals, im Krieg hätte dies schon Wunder bewirkt. Wir waren zwar nicht mehr im Krieg, aber warum sollte mir dies nicht auch helfen?
Zusätzlich erhielten wir einen Fruchtsirup mit Eisstücken, der einen gewissen Schleim im Mund erzeugte, um möglichst zum Bewegen der Kauorgane animiert zu werden.
Beides, der Sirup wie auch die Butter, bewirkten bei mir Wunder. Ich konnte bereits am nächsten Morgen Brötchen essen. Zusätzlich erhielt ich noch von meinem Zimmergenossen die nicht gegessenen Herrlichkeiten wegen zuviel Schmerz und Jammern.
Am letzten Abend vor meiner Entlassung aus dem Krankenhaus genehmigte ich mir noch ein wunderschönes, gekühltes Bier in der Cafeteria unten im Eingangsbereich. Das heißt, ich wollte mir ein Bier genehmigen, denn nach dem ersten genussvollen Schluck war es mit der Bierherrlichkeit vorbei. Die Kohlensäure verursachte ein solches Brennen im Hals, dass ich meinte, mir wäre der Hals geplatzt. Ich hätte es erahnen müssen….
Nach einem Tag zu Hause gierte ich nach einer Currywurst mit Pommes frites und setzte dies direkt in die Tat um. Nichts passierte, ich konnte dieses so begehrte Stück mit Beilagen essen, so, als wenn ich nicht an den Mandeln operiert worden war. Aber eine spätere Banane brannte wegen seiner Säure so sehr, dass ich doch eine Zeit lang auf bestimmte Fressalien verzichtete.
Kündigung HM
Ich ging wieder meiner Arbeit nach, holte mir die entsprechenden Besuchsaufträge in der Bezirksdirektion ab, und machte mich auf den Weg zu meinen Kunden. Aber die dunklen Konfrontationswolken bei der HM kamen immer näher. Ich brauchte noch einige Unterlagen und machte ausnahmsweise einen Zwischenstopp bei der HM. Wie es nun kommen sollte, lief mir der „große Chefe“ über den Weg und beorderte mich direkt in sein Büro. Er wollte mir eine Standpauke halten über Vorausplanung OP, und ob das alles nötig war mit meinem Fehlen, schließlich habe ich der HM gegenüber eine gewisse Bringschuld….
Da riss mir so gewaltig der Geduldsfaden, dass ich ihm nur sagte: Ihr ewiges Genörgel über das Kranksein, mangelndes Pflichtbewustsein und jetzt auch noch Bringschuld, geht mir dermaßen auf den Senkel, wissen sie was, sie können mir am Arsch lecken, ich kündige hiermit. Sie bekommen das Schreiben noch in schriftlicher Form.
Er guckte mich mit seinem eindringlichen Blick an, sagte nur: So sei es. Ich drehte mich um, sagte vorne im Büro noch Tschüs und ging. Man glaubt es nicht, welche Erleichterung ich in diesem Moment verspürte.
Ich schrieb in den darauf folgenden Tagen die entsprechende Kündigung, und gleichzeitig meine offizielle Bewerbung an die Nordsternversicherung AG in Köln, mit denen ich vorab schon einmal loseren Kantakt hatte und wartete auf die Dinge, die auf mich in der nächsten Zeit zukamen.
Die Nordstern bat mich zu einem Gespräch in Köln, der Vertrag kam zur Unterschrift, ich erhielt einen Firmenwagen und verkaufte von nun an Produkte der Nordstern Versicherung.
Die Hamburg-Mannheimer entband mich mit sofortiger Wirkung von sämtlichen Aktivitäten und entließ mich auch schon vor Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist, so dass ich bereits ohne Zeitverlust bei der Nordstern arbeiten konnte.
Aber die HM meinte, sie müsse mich noch weiter ärgern. Sie verlangten von mir bereits gezahlte Provisionen zurück, die von stornierten Verträgen stammen sollten. Jetzt platzte mir erst recht der Kragen, ich ging zum Anwalt und klagte vor dem Arbeitsgericht. Gleichzeitig verglich ich sämtliche Wochenberichte mit meinen Abrechnungen und entdeckte einen gewaltigen Beschiss. Die Buchhaltung der HM rundete die Einheitenberechnung immer zu Gunsten der HM ab, die zwei Stellen hinter dem Komma wurden bei jeder Abrechnung nur zu unseren Ungunsten berechnet, als Beispiel: 0,21 Einheiten betragen in harter Währung 2,51 DM. Tatsächlich berechnete die Buchhaltung 0,01 Einheiten zu wenig. Bei drei Jahren errechnete sich ein ganzes Monatsgehalt zusammen, und dieses Geld wollte ich haben. Die Anklage meinerseits lautete auf Betrug. So nebenbei, die Verhandlung vor Gericht gegen die HM entschied zu meinen Gunsten.
Nordstern-Versicherung
Meine Aufgabe bei der Nordstern-Versicherung bestand darin, Neben- und Hauptberufler zu betreuen, sie zu schulen, mit ihnen zum Kunden fahren und natürlich das Gesamtgeschäft aus zu bauen. Des Weiteren wollte ich an dem 14tägigen Seminar Handel-Handwerk und Gewerbe teilnehmen, in der Assekuranz bekannt und bei Bewerbungen sehr begehrt.
Ich erhielt hierzu eine Einladung, die Schulung fand in der Hauptverwaltung Köln statt, untergebracht waren wir Kursteilnehmer im Novotel in Köln, nicht weit vom Seminarraum und dem Müngersdorfer Stadion entfernt. Ein sehr komfortables Hotel, Doppelzimmer mit Bad, WC und Dusche, Fernseher, Hausbar und Couchgarnitur, sogar ein extra Lesesessel mit hoher Lehne und Kippvorrichtung sollte den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen. Der Kurs ging immer von Montagmorgen bis Freitagnachmittag, das Wochenende verbrachten wir zu Hause. An dem Seminar nahmen etwa 30 Personen teil, überwiegend Kollegen aus Nordrhein-Westfalen. Mit fünf Leuten aus dieser Truppe, meiner Seminargruppe bei Gruppenarbeiten, verbrachte ich auch verschiedene Abende. Einer von ihnen, ein Bodybuilder, war ein ganz seltener Vogel. Größe ca. 198cm, gewaltige Muskeln, Vorbild Arnold Schwarzenegger, hatte die Eigenart seinen Kleinwagen nicht rückwärts in eine Parklücke zu fahren, nein, er fuhr das Fahrzeug genau vor die Lücke, hob sein Auto an der Fahrerseite an und schob ihn längs, wie eine Schubkarre, in die Parklücke. Umgekehrt holte er das Auto auch wieder aus seinem Parkplatz. Es gab jedes Mal einen kleinen Menschenauflauf von Neugierigen. Wir schauten uns an einem Abend im Kino einen Schwarzeneggerfilm an. Auf der Rücktour zum Hotel saß er bei mir im Wagen auf der Rückbank und spielte mit Schattenboxen den Film nach. Ich wunderte mich anfangs, warum der Wagen beim Fahren so schaukelte, bis ich merkte was er da machte. Wir saßen beim Bier um einen runden Tisch, dabei konnte man ihn bestens beobachten. Er zitterte ständig mit seinen Beinen, um die Muskeln nicht verkrampfen zu lassen. Zwischendurch ging er in regelmäßigen Abständen zur Toilette um diverse Pillen ein zu nehmen. Er behauptete zwar, dies seien Vitaminpräparate, aber ich glaubte ihm, was dies betraf, kein Wort. Er musste seine Muskelpräparate nehmen, damit sie sich nicht zurückbildeten. Seine ständigen sportlichen Übungen wurden auch in einem regelmäßigen Rhythmus ausgeübt.
Der Lernstoff des Seminars verlangte viel von einem ab. Nach drei Tagen mussten wir schon die erste Klausur schreiben. Gut, dass ich mir am Abend vor dem Schlafengehen den erarbeiteten und gelernten Stoff noch einmal durchgelesen hatte. Entsprechend fiel auch meine Benotung aus, ich hatte 92% erreicht, und bewegte mich im oberen Drittel. Die Mindesterwartung des Versicherungskonzerns lag bei 75% der vorgegebenen Punktzahl. Diejenigen, die nicht über dem Soll lagen, hatten die Gelegenheit die Klausur zu wiederholen oder das Seminar zu verlassen. Zwei Mann schmissen das Handtuch, vier Mann wiederholten die Klausur. Es folgten noch zwei dieser Arbeiten, die ich mit 95% und 97% abschloss. Jetzt fehlte nur noch die Schlussarbeit am letzten Freitag des Kurses.
Es war Donnerstagabend, nach dem Abendbrot im Hotel, als wir fünf beschlossen, in der Altstadt von Köln noch gemütlich ein paar Bier zu trinken. Wir ließen unsere Fahrzeuge auf dem Hotelparkplatz stehen und fuhren mit dem Bus in die Stadt. Wir genehmigten uns in verschiedenen Kneipen ein paar Bier und waren in bester Stimmung und beschlossen, uns früh genug zu Fuß auf den Weg in Richtung Novotel zu machen. Unterwegs könnte man dann noch das eine oder auch das andere Bier als Stärkung trinken. Es ist kaum zu glauben, wie viele Kneipen auf dem Weg von der Kölner Altstadt über das Müngersdorfer Stadion hinaus in Richtung Autobahn zu finden sind. Tatsache war, dass bereits der Morgen graute und wir immer noch nicht im Hotel in unserem Bett lagen. Für die letzten Meter benötigten wir ein Taxi, hatten dann gerade noch soviel Zeit, um zu duschen, Sachen packen und in den Frühstücksraum zu gehen, um wenigstens noch etwas zum Kaffee zu essen. Wir mussten pünktlich los, um die Abschlussklausur zu bestehen. In einer Kolonne von mehreren Autos fuhren wir zur Nordstern, diejenigen, die am wenigsten getrunken hatten, flankierten diejenigen, die diverse Schwierigkeiten hatten. Aber alles klappte, selbst die Klausur bestanden wir.
Der Alltag hatte mich wieder, ich begann meine Rundumtour von einem Mitarbeiter zum anderen, es wurden Termine vereinbart, Informationen ausgetauscht, Konzepte mit den Vertretern erarbeitet, kurzum es musste vieles aufgearbeitet werden, mein Vorgänger auf meinem Posten hatte nicht so die richtige Motivation gehabt, etwas zu bewegen.
Knogge - Belgien
Die Nordstern-Filial-Direktion veranstaltete einen Betriebsausflug nach Knogge in Belgien, direkt an der Nordseeküste. Mit einem Charterbus karrte man uns in diese wunderschöne Stadt.
Da waren die richtigen Leute zum Feiern unterwegs, die Truppe hatte nur Blödsinn im Sinn. Bei so einer Männerunde wurden Witze erzählt, getrunken und gelacht. Man konnte sehr interessante Tret-Gefährte mieten, die von bis zu 10 Personen gefahren werden konnten. Zwei Mann traten in überdimensionale Fahradtretwerke, um diese Fahrzeuge in Bewegung zu halten. Dazu brauchte man eine Person zum Lenken. Wir benötigten zwei dieser seltsamen Tretautos. Unser Tretauto fasste acht Leute, auf dem anderen Gefährt saßen zehn Personen. Es konnte losgehen, wie beim Fahrradfahren, die Einen gaben lautstark den Schlag an, die Anderen trampelten in die Pedale. Zuerst hielten wir in den schmalen Strassen der Innenstadt den Verkehr auf, dann bogen beide Tretautos auf die Strandpromenade.
Auf dieser breiten Promenade fuhren wir mit viel Gejohle nebeneinander her, aber im Renntempo. Unser Gefährt befand sich auf der Häuserseite, die zehn Kollegen versuchten ihre Übermacht auf der Strandseite auszuspielen. Man glaubt gar nicht, wie schnell diese Fahrzeuge werden können. Die Fußgänger machten von selbst Platz, manche grinsten, andere schüttelten den Kopf. Der Weg an den Häuserfronten verengte sich, kein Gefährt konnte das andere abschütteln. Beide fuhren dicht neben einander her. Der Weg wurde noch enger, das Zehnergefährt rutschte vom Weg in die sandige Böschung zum Strand und fuhr ein Tickethäuschen um, wo drin, Gott sei Dank, sich keiner aufhielt, sie stürzten in den Sand. Es war erst einmal Stille, dann Gejohle und Gelächter, keiner hatte sich verletzt. Alle packten mit an, um das Tretauto wieder auf den Weg zu stellen. Dieses Ereignis wurde noch lange durchdiskutiert, je mehr das Bier die Runde machte, je dramatischer stellte sich das belgische Küstenrennen dar.
Das normale Leben holte uns wieder ein, jeder ging seiner ihm zugedachten Tätigkeit nach.
Christian
Wir planten unser Haus in Hülsenbusch zu erweitern. Unser Architekt Edgar Rübach, ein Nachbarssohn und Spielgefährte von Rita in den Kindertagen, fertigte uns die entsprechenden Pläne, die Statik erledigte Herr Hoffmann aus Winterborn, ein Kunde aus meiner Bausparkassenzeit der DBS.
Es war der 26.April 1986, als alle Welt von der fürchterlichen Reaktorkatastrophe in Tschernobyl in Russland aufgeschreckt wurde. So etwas war noch nie passiert. Die atomare Wolke zog über Skandinavien, und in Ausläufern auch zu uns. Freilandgemüse, Pilze, Wildtiere, Beeren usw. durften nicht verzehrt werden. Kinder sollten vorerst nicht draußen spielen. Ein unglaubliches Desaster in Tschernobyl spielte sich ab. Viele der dort Beschäftigten verloren ihr Leben, verstrahlten bei den Hilfsmaßnahmen, viele Menschen, die in der Umgebung lebten, hatten einfach keine Ahnung, was mit ihnen geschah, die russische Aufklärung versagte oder packte nur die berühmte Salamitaktik aus, und erlaubte der Presse nur Scheibchenweise genaueres zu berichten.
Am 30.April 1986 konnte ich trotz aller negativen Begleiterscheinungen eine recht freudige Mitteilung machen, unser Sohn Christian erblickte in Engelskirchen das Licht der Welt. Es ging alles recht schnell, Rita`s Fruchtblase platzte, wir mussten schnellstens ins Krankenhaus. Die Vorbereitungen auf die Geburt verliefen recht problemlos. Im Kreissaal gab es dann eine gewisse Hektik in Erwartung der Zwillingsgeburt im Nebenraum. Die Hebammen und Schwestern standen da ganz schön unter Stress.
Rita nahm die Angelegenheit eigentlich sehr gelassen hin, sie machte auf mich einen ruhigen Eindruck. Der Arzt guckte mich an, so als ob er fragen wollte, na, halten Sie das auch durch? Ich gab ihm zu verstehen, dass ich einiges vertragen kann. Durch die Hektik nebenan waren wir mit dem Arzt alleine. Er schaute nach seinen Hilfsmitteln, Tupfer etc. Ich schnitt ihm einige zurecht, legte ihm die Instrumente in die Schale, die er verlangte, und dann ging es auch schon los. Ich reichte ihm alles Nötige zu, unser Sohn kam recht schnell zur Welt. Der Arzt machte noch einen Damschnitt, erst kam der Kopf, dann recht schnell der restliche Christian, die Nabelschnur wurde durch-trennt, der Arzt packte Christian an den Beinen, und legte ihn auf die große Schale der Waage. Sofort machte Christian sich stimmlich laut bemerkbar. Während der Arzt den Damschnitt vernähte, konnte ich den Jungen wiegen und in der Länge messen.
Christian nach der Geburt Meine Familie
Daniel war auf seinen kleinen Bruder anfänglich sehr eifersüchtig. Rita kam an ihn gar nicht heran, denn sie hatte ihn das erste Mal in seinem Leben allein gelassen, das musste er erst einmal verarbeiten. Mit Christian konnte er auch nichts anfangen, denn bisher drehte sich doch alles nur um ihn, und jetzt musste er die Mama teilen. Ich als Vater spielte da im Moment eine etwas untergeordnete Rolle. Für so einen kleinen Kerl keine leichte Aufgabe, dies zu begreifen. Bei solchen Situationen im Leben begreifen kleine Kinder instinktiv bestimmte Abläufe, die ihnen die wahre Wirklichkeit des Lebens zeigt. Aber für was entscheidet man sich? Hopp oder Topp? In diesen Momenten sind dann wiederum die Eltern gefragt, wie geht man in Zukunft mit dieser Problematik um? Der natürlichste Weg ist der Zusammenhalt der eigenen Familie, wo Vertrauen eine große Rolle spielt.
Am 1.Juni 1986 fand die Taufe von Christian in der Gimborner Kirche statt. Taufpaten waren Markus von Wirtz und Ursula Middelhoff.
Die wichtigen Familienfeiern waren beendet, der Um-und Anbau am Haus konnte beginnen. Unser Plan sah so aus, dass die bisherige überdachte Terrasse unser neues Wohnzimmer werden sollte, bei gleichzeitiger Aufstockung für die Dachgeschosswohnung, so dass dort ein weiteres Zimmer zur Verfügung stand. Um dies zu bewerkstelligen, waren umfangreiche Abrissarbeiten vor zu nehmen.
Als erstes riss ich das alte Fenster und die Doppeltür nebst schwere Holzrolladen zu unserer Wohnung heraus, mauerte das Fenster zu, vernagelte die Doppeltür und hängte eine dicke Plastikbauplane vor die Mauer und Tür, damit nach her kein Staub zu uns in die Wohnung dringen konnte. Nun begann ein sehr schwieriger Teil. Die große Holzkonstruktion mit den Dachziegeln von der Überdachung musste entfernt werden. Im Hof stand ein großer Container, um den Abriss direkt zu entsorgen. Die Dachsparren und dicken Dachfetten benötigte ich später für den Bau eines Gerüstes und einem Dreibaum, um mit Hilfe von Ketten und Kranrollen diverses Material vom Hof nach oben zu ziehen. Die vorhandene Glasschiebetür musste ausgebaut und bruchsicher an der Seite abgestellt werden. Zur Balkonseite entfernte ich noch ein Fenster und haute mit einem Vorschlaghammer und einem großen Meißel die Reste einer Wand und den schweren Fenstersturz auseinander und entsorgte dies im Container. Für den gesamten Abriss und die Entsorgung benötigte ich ca. 4 Wochen. Ich baute eine Dachlattenkonstruktion für die Gesamtbaustelle, um darüber eine sehr große und stabile Bauplane aus Kunststoff zu befestigen, damit auch bei schlechtem Wetter weitergearbeitet werden konnte.
Die erste Mauerreihe sollte verlegt werden, das schwierigste beim Hausbau, denn hier entscheidet sich, wie sauber und genau man gearbeitet hat und ob später der fertige Bau gerade oder schief in der weiteren Vermessung entstanden war. Geplant hatten wir, dass Hans, Rita`s Bruder, mir bei der ersten Mauerreihe half, denn ein Jahr vorher hatten wir bereits die nötige Übung beim Bau seines Hauses erlernt.
Doch es kam anders, als alle es erwarteten. Hans verbrachte vielleicht eine Stunde bei mir auf der Baustelle, als wir einen Anruf erhielten, dass man seine Frau Roswitha mit ihrer schlimmen Nervenkrankheit ins Krankenhaus eingeliefert hatte und sie nun völlig am Rad drehte. Eine sehr schlimme Geschichte für alle Beteiligten, denn die beiden Jungen, Dirk und Volker, verlangten nun seine ganze große Aufmerksamkeit. In der Haut von Hans wollte ich nicht stecken.
Meine ganze Planung musste anders durchdacht werden. Um diese Arbeiten alleine durch zu ziehen baute ich mir die einen oder anderen Hilfsmittel, um bestimmte Materialien nicht mehrere Male an zu fassen, um so effektiv wie möglich zu arbeiten. Ich achtete stets auf eine aufgeräumte Baustelle, um möglichst nichts Unnötiges im Weg zu haben, des Weiteren stellte ich mir am Abend bereits das Material für den nächsten Tag bereit. Da ich mit Gasbetonsteinen arbeitete, benötigte ich immer nur ausreichend Kleber und Steine.
Die Grenzmauer der Terrasseriss ich noch weg und baute da in die Ecke einen Art überdachten Unterstand, um in Zukunft gelieferte Materialien trocken zu lagern. Das Baumaterial hierfür nahm ich teilweise aus der abgerissenen Überdachung der Terrasse. Als Dach dienten Eternitwellplatten. Der Bau schritt schnell voran. Um einen Tür- Fenster-über Eck-Türsturz herzustellen, wo auch gleichzeitig die Rolladenkästen untergebracht waren, musste ein Gittergestell aus Montierstangen und Eisen wie ein Korb gebaut werden. Wie man so etwas anfertigt, ließ ich mir von einem älteren Maurer aus dem Dorf erklären. Der Bauplan schrieb zwingend vor, dass die Eisen ohne Zwischenräume als Ringanker fest miteinander verbunden, mit Schalholz verschalt und mit Rödeldraht gleichmäßig von beiden Seiten durch das Holz verdrahtet wurden. Das Ausgießen mit Zement und einer guten Mischung Frostschutz musste auch ohne Unterbrechung und Pause hintereinander verarbeitet und ausgetrocknet werden.
In der Zwischenzeit lieh ich mir Einschalstützen für das Einschalen der bereits gelieferten Kölner Decke (vorgefertigte Beton-Eisenträger mit integrierten Dachlatten, um später im Innenausbau leichter eine Holzdecke montieren zu können).
In die alte Wand des Hauses schlug ich große Löcher für die Träger der Kölner Decke, während die andere Seite auf den bereits ausgetrockneten Fenster-Tür-sturz platziert wurde. Die Einschalstützen brachte ich unter der Decke an, damit das Ausgießen der Decke zum ersten Stock erfolgen konnte. Hierzu halfen an einem Samstag einige Leute, unter anderem Detlef Baldauf und Hans-Otto Sauermann. Ich mischte auf dem Hof in unserer Mischmaschine den Speis. Mit Hilfe des Dreibaums und einer Menge schwarzer Speiseimer zogen wir die gefüllten Eimer nach oben. Diese Art war preiswerter, als ein Mischfahrzeug mit Pumpe und 50 Meter Rohr.
Tagsüber besuchte ich meine Kunden oder zu betreuenden Mitarbeiter und sah zu, genügend Umsatz zu machen, um alle Seiten zufrieden zu stellen.
Während die Zwischendecke trocknete, kam ein sehr schwieriger Teil des Bauvorhabens. Ich musste das Dach des kleinen Speichers öffnen und den oberen Bauabschnitt mit einer großen Bauplane bedecken. Bis jetzt hatten wir viel Glück mit dem Wetter, kein Regen, kein Sturm, aber ich bekam bei dieser Aktion ein ganz komisches Gefühl.
Die Bauplane befestigte ich mit starken Bändern, Zugkraft ca. 250 Kg. Eigentlich ganz ordentlich, dachte ich.
Wir tranken gerade Kaffee, gönnten uns eine Pause, als es nicht nur kräftig regnete, nein, es stürmte, als wenn der Himmel etwas gegen unser Tun hatte. So schnell war ich, glaube ich, die Treppe noch nie hinauf gerannt. Der Sturm riss und zerrte an unserer Plane, überall bildeten sich sehr dicke Wassersäcke auf der Folie, ich versuchte mit Brettern und Latten das Wasser weg zu drücken. Ich konnte nicht verhindern, dass das Wasser durch die Plane rann, sich einen Weg durch den Boden des Speichers suchte und in unser provisorisches Wohnzimmer tropfte. Rita stellte überall Eimer für das eindringende Regenwasser auf. Auf einmal gab es einen lauten Knall, die Seile der Folie rissen wie dünne Fäden und die Folie sahen wir nie wieder. Eine Katastrophe bahnte sich an. Ich versuchte notdürftig, die schlimmsten Löcher zu stopfen. Der Regen hörte so schnell auf, wie er gekommen war. Ich schaute auf die Uhr und beeilte mich, im Baumarkt eine neue Bauplane zu bekommen. Diesmal wollten wir durch gewisse Vorsichtsmaßnahmen schlauer sein und verstärkten die Seile doppelt. Beim Festmachen der neuen Plane an der alten Hauswand rutschte ich mit der großen Leiter ab, klemmte mit dem linken Bein unterhalb des Knies zwischen den Sprossen fest und fiel mit meinem Eigengewicht und genügend Fallschwung auf die Leiter. Ich hörte nur ein lautes Knacken. Mein ganzes Denken drehte sich um dieses Geräusch. Ich dachte Bein gebrochen, Bau zu Ende. Vorsichtig bewegte ich mein Bein, Gott sei Dank nichts gebrochen, aber als ich meine Hose herunterzog, sah ich die Bescherung. Ein Bluterguss, vom Fuß bis zum Knie, schwoll da zusammen. Wie sollte ich die Leiter hinauf, schwere Sachen tragen usw?
Ich beauftragte Rita in der Apotheke eine große Tube Mobilat zu kaufen, damit wollte ich eine gewisse Zeit überbrücken. Ich sagte mir, zum Arzt gehen, das kannst du später machen, wenn mal das Dach gedeckt ist. Alle drei Stunden habe ich die Salbe aufgetragen, und es half.
Wir beauftragten für die Beförderung der schweren Dachfetten des kommenden frei-tragenden Daches einen mobilen Kran der Fa.Ley aus Der-schlag, der diese schweren Ungetüme gleich in die vorgefertigten Löcher der alten Giebelwand wuchtete und gegenüber auf den neuen gemauerten Giebel legte, die anderen Dachsparren wiederum auf die Fetten legte und die Paletten mit den Dachpfannen auf dem Dachboden abstellte.
Wir legten sogleich los, den vor gezimmerten Dachstuhl zu montieren. Für diesen Arbeitsgang half uns ein Schreiner aus Wipperfürth und ein mir bekannter Dachdecker.
Der neue Dachstuhl war kurz vor der Dunkelheit fertig. Jetzt kam die ungewöhnlichste Dachfertigstellung ohne Richtfest (kam später). Mit Hilfe eines Feuer-wehrstrahlers, befestigt am Telegrafenmast vor unserem Grundstück, deckten wir noch das Dach ein, Fertigstellung kurz nach Mitternacht. Die Richtigstellung der Pfannen sollte erst wieder bei Helligkeit erfolgen. Welch ein Kraftakt. Zur Stärkung aßen wir nach Mitternacht noch auf dem Speicher.
Eine kleine Bemerkung nebenbei, das Dach hatten wir gedeckt, mein Bein schmerzte mir nicht mehr, also keinen Arzt behelligen.
Ich wollte den Innenausbau beflügeln, denn Ziel war, im neuen Wohnzimmer Weihnachten zu feiern, und begann damit, Heizungsrohre zu verlegen, Elektrokabel nebst Schalter und Steckdosen zu installieren, dafür mussten diverse Schlitze und Löcher in die Wand gestemmt werden.
Daniel und Christian `s Anfänge
Mein Sohn Daniel, 21/2 Jahre alt, plapperte darauf los. Sein erster halber Satz: Papa Krach. Er kannte von mir hauptsächlich meinen Drang zum Hämmern, Bohren und Schneiden mit der Kreissäge. Aber, er passte genau auf, was ich so machte und wollte natürlich auch überall helfen.
Christian wollte auch sein Recht einfordern und machte sich lautstark bemerkbar. Mit dem Waschen in der Wanne konnte er sich noch nicht so anfreunden.
Aber nach Beendigung der Prozedur war er doch sehr schnell zu frieden zu stellen und er musste sich mitteilen.
Estrich
Das Wetter meinte es gut mit uns, also sollte ein Samstag her, um den Estrich in unserem neuen Wohnzimmer und in dem neuen Zimmer im Dachgeschoß fertig zu stellen. Dazu benötigten wir wieder einige Leute. Detlef, Hans-Otto, Hans und seine Söhne. Meine Aufgabe bestand darin, wie immer die Mischmaschine zu bedienen und die richtige Zement-Sand-Wasser-mischung für den Estrich zusammen zu stellen. Natürlich geht es am Bau nie ohne die nötige Frotzelei zu, das gehört einfach zum Showgeschäft.
In diesem Fall sollte ich Zielscheibe bestimmter Wurfgeschosse in Form von schwarzen Speiseimern werden. Das Estrichgemisch aus der Mischmaschine füllte ich in die bereits geleerten Eimer, die wiederum wurden mit Hilfe unseres Dreibaumes zur ersten Etage, von da aus mit Hilfe eines zweiten Lastenzuges in die Dachetage transportiert. Geleert flogen sie durch Menschenhand in Richtung Mischmaschine, wo ich aufpassen musste, von diesen harten, schwarzen Eimern nicht getroffen zu werden.
Aber meistens kommt es anders, als man sich es vorstellt. Ich bückte mich, um nach der Bremse der Mischmaschine zu schauen und konnte für diesen Moment natürlich nicht die Flugbahnen der Eimer so gut im Auge behalten. Mein eigentlich vorsichtiger Rundblick nach dem Bücken über die Maschine endete direkt mit einem Knall am Kopf, ich landete rücklinks auf dem hinter mir befindlichen Sandhaufen und blieb da erst einmal ausgestreckt liegen. Der Schreck war eigentlich größer, als irgendein möglicher Schaden. Um mich herum kehrte eine große Stille ein, nur die Mischma-chine drehte ihre Kreise mit dem unverwechselnden schnarrenden Ton. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie alle, die am Bau mit halfen, sich beeilten, um zu dem vermeintlichen Unglücksort zu laufen. Ich tat so, als wenn ich weit weggetreten wäre. Sie standen im Halbkreis um mich herum und machten ganz betretende Mienen. Ich konnte mir ein Grinsen wegen ihrer blöden Gesichter nicht verkneifen, und die Beule am Kopf konnte ich verschmerzen.
Der Innenausbau ging voran, außer einer Tapete und einer zukünftigen Holzkasettendecke, konnten wir unser zukünftiges neues Wohndomizil zu Weihnachten 1986 nutzen. Die noch unschönen Stellen an der Wand wurden mit bunten Servietten verkleidet. Auf diese Wehnachtsfeier konnten wir sehr stolz sein, denn der Arbeitsaufwand bis hierher hatte einiges an Kraft gekostet.
Sylvester 1986
Unsere Sylvesterfeier 1986 fand wie üblich im Seehaus Nanny an der Lingeseetalsperre statt. Wir verteilten unsere Kinder in der Verwandtschaft und ab ging es zur Sylvesterfete. Unsere gesamte Clique war anwesend, die Stimmung stieg, denn diese Sylvesterfeier bei den Inhabern Hallmann sollte auch ein Babypinkeln meines Sohnes Christian bedeuten. Der Sekt floss in Strömen, denn nach jeder 10.Flasche gab es eine umsonst. Natürlich tranken wir zwischendurch auch mal ein schönes gezapftes Bier.
Eine ausgelassene Runde, bei viel Spass, Tanz und singen.
Lustig wurde es bei einem Tanzspiel, wo die Tanzpartnerin so schnell wie möglich eine Apfelsine von unten durch das Hosenbein ihres Partners jonglierte, aufwärts bis zur Gürtellinie hochdrückte, bis sie es oben wieder in Empfang nehmen konnte. Natürlich stoppte der bestellte „Schiedsrichter“ die Zeit. Welche interessanten Jauchzer dabei zu hören waren. Dabei taten sich Heinz und Renate Rausch als sehr intensiv hervor.
Bei entsprechender, aber wechselnder Musik, wechselte auch die Kopfbedeckung.Ein Tanzspiel mit einem Hut, bei dem der Hut herunterfiel, der musste ausscheiden. Natürlich waren auch hier ein kritisches Publikum und bestellte“Schiedsrichter“.
Der Apfelsinentanz erforderte viel Geschick im Paartanz, zu mal sich die Tänzer dabei extrem näherten.
Zwischendurch kam auch die allgemeine Gaumenfreude in Form eines oberbergischen Buffet auf seine Kosten. Eine große Auswahl an leckeren Salaten, verschiedenen Fleischsorten, ob warm oder kalt, Fisch, natürlich mein Rollmops für spätere Erholrunden, warteten nur auf uns. Insgesamt verbrachten wir bis zum späten Morgen einen vergnüglichen Moment.
Das Wetter hatten einige nicht so auf ihrer Speisekarte, denn es machte uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Der harte Kern der Truppe blieb natürlich bis zum Schluss, während sich einige bereits früh vom Acker gemacht hatten. Es hatte nicht nur geschneit, nein, es war so glatt, dass erst einmal kein Taxi kam. Also frühstückten wir, Heinz, Renate, Helmut, Roswitha, Rita und ich bei Hallmann`s im Nanny, von dem Buffet war noch jede Menge übrig geblieben. Irgendwann, im Laufe des Morgens, erreichte auch das Seehaus Nanny eine Taxe, die uns nach Hause brachte. Unser Auto ließen wir zunächst auf dem Nannyparkplatz stehen und holten es später ab.
Das Warumkind
Daniel kannte jeder als das „Warumkind“. Er wollte alles ganz genau erklärt haben. Meinte man, die Sache wäre zur zu Friedenheit erörtert worden, kam direkt wieder ein warum. Sehr früh zog es ihn in Richtung Kindergarten, er wollte zu den anderen Kindern, seinen Horizont ständig erweitern, seinen Wissensdurst stillen. Den Kindergärtnerinnen machte die Angelegenheit mit Daniel viel Spaß, denn bei jedem Spaziergang zum Ententeich neben dem Kindergarten, lenkte er direkt seine Schritte dahin und ließ sich auch nicht beirren.
Zu Hause übte ich ständig mit ihm die schwierigsten Worte aus zu sprechen: Schlüsselbund, Schlüsselloch, Hausschlüssel, Schraubenzieher, Kreuzschlitzschraubenzieher. An dem letzten Wort hatte er lange zu üben und war stolz wie Oscar, wenn er eine Schwierigkeit überwand.
Am 12.März 1987 durfte Daniel als dreijähriger Knirps offiziell in den Kindergarten. Man konnte ihn nicht mehr halten, sein Traum erfüllte sich. Rita und ich engagierten uns dort als Eltern, Rita bastelte schon mal in der Bastelgruppe, ich wurde als stellvertretender Elternratsvorsitzender gewählt, ein insgesamt wichtiges Amt für die Belange des Kindergartens. In den abendlichen Elterntreffs gab es verschiedene Beschlüsse über Anschaffungen, Festivitäten usw. zu beschließen.
Christian war nicht so erpicht, sehr viel zu sagen, er fand es besser, auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen, anstatt es mit zu teilen. Man kann sagen, er war mundfaul. Aber stur, wenn es hieß, etwas durch zu setzen. Sorgen machte uns sein unkontrolliertes Hinfallen, ohne sich automatisch mit den Händen ab zu stützen. Christian fiel dann meistens auf den Kopf. Rita ging mit ihm zu einer speziellen Gymnastik.
Das Geräusch zum verlieben
Der Belag vom Balkon musste erneuert werden, dazu lieh ich mir einen Boschhammer mit einem Spatelmeißel. So ein Gerät macht einen Höllenkärm, und wenn das über Stunden so geht, möchte auch der geduldigste Nachbar zwischendurch eine geräuschärmere Zeit. So auch mein Nachbar Wanja, ein älterer Herr, ehemaliger Bergmann, mit fünfzig Jahren bereits Rentner wegen Steinstaublunge, fragte an, wie lange ich an diesem Tag noch gedenke zu arbeiten, er wollte wenigstens einmal wieder Nachrichten im Fernsehen verfolgen. Eine sehr geduldige Anfrage in einem ruhigen freundlichen Ton erfordert eine gewisse Rücksicht.
Milimeterarbeit
Dieser Nachbar Wanja war stolz auf seinen Rasen im Vorgarten und pflegte ihn mehr, als mancher Engländer einen englischen Rasen je bearbeitet hatte. Es durfte kein Unkraut aus dem heiligen Grün hervorschauen, es folgte eine direkte Bearbeitung. Die Grashalmlänge beschnitt er zusätzlich noch mit einer Handschere, sodaß jeder Friseur bei der Armee seine Freude an dieser perfekten Rasur gehabt hätte. Aber eines Tages konnte er sich auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes diesem so wichtigen Perfektionismus nicht mehr widmen und gab statt dessen, auf einem Stuhl sitzend, seiner Frau die nötigen, intensiven Ratschläge zur Rasenbehandlung. Diese Momente waren bühnenreif. Zwischendurch erfolgte ein „du musst dies und du musst das“, dann hörte man nur von ihr in einem etwas schrillem, aber schnaufenden Ton: „ Aber Franz, reg dich nicht so auf“. Franz beruhigte sich danach sehr schnell.
Ganze Arbeit
Aber eines Tages standen beide ganz still und schauten auf ihren Vorgarten. Was war geschehen? Frau Wanja kaufte wegen des vielen Unkrauts ein Unkrautvertilgungsmittel, und löste den gesamten Inhalt der Flasche in dem Wasser einer großen Gießkanne auf und sprühte diese Mischung auf den gesamten Rasen im Vorgarten. Ihr Mann dachte, sie würde düngen und ließ sie gewähren.
Bereits am nächsten Tag erkannte man an der braunen Farbe der Grashalme die erste Wirkung, drei Tage später gab es fast keine Halme mehr, nach einer Woche war der Vorgarten garntiert frei von Pflanzen.
Vierzehn Tage später sah unsere Tanne aus wie ein Gummibaum, die Äste und der Stamm wurden weich wie Gummi, sodaß ich den sicherlich zwanzig Jahre alten Baum abschneiden musste, denn die Wurzeln reichten bis unter den Rasen unsres Nachbarn.
Unabhängig
Franz Wanja konnte und wollte auf sein Auto nicht verzichten und quetschte sich trotz seines hohen Alters und schlechtem Gesundheitszustandes weiterhin hinter das Steuer. Seine Frau, neben ihm auf der Beifahrerseite, gab an, wieviel Platz er noch hatte und ob von rechts oder links ein Fahrzeug kommt. Schmale Straßen ohne Mittelstreifen sollte man selbst meiden, wenn Franz Wanja einem entgegenkam, denn er nutzte immer die gesamte Breite der Straße, andere Fahrzeuge fuhren besser in den Graben. Es kam schon mal vor, dass er im Parkhaus beim Karstatt die Abfahrt mit der Auffahrt verwechselte, dann mussten andere Leute die Situation entschärfen.
Petersilienhochzeit
Hast Du schon mal etwas von der Petersilienhochzeit gehört? Wir ja, denn am 13.Juni 1987 nach 12 ½ Jahren Ehe hatten wir diesen so wichtigen Tag im Eheleben erreicht. Bloß, solange Freunde und Bekannte nicht daran denken und diesen Tag ausrichten, kann man als Betroffener so oft daran denken, wie man will. Den nötigen Schwung hierzu geben nur die Freunde, die bei einem „spontanen“ Besuch mit Getränken und diversen Knabbereien für den entsprechenden Hintergrund sorgen. Unsere Freunde, Heinz, Renate, Helmut und Roswitha beehrten uns am Abend des 13.Juni mit ihrem Besuch und behängten uns gekonnt mit Petersilie. Ein gemütlicher, spontaner und lustiger Abend versprach es zu werden.
Winter 1988
Im Winter 1988 hatten die Kinder Gelegenheit einen Schneemann zu bauen, und kratzten auch alles im Vorgarten zusammen, um einen möglichst dicken Mann mit Gesicht, Kopfbedeckung, Schal, Arme und Mantelknöpfe her zu stellen.
In diesem Winter musste man sich schon beeilen, um den Schnee überhaupt wahr zu nehmen, deshalb suchten sich die beiden ihren Schneeersatz, in dem sie die Verpackung einer Warenlieferung für ihre Zwecke nutzten, machte sicherlich viel Spass.
Meine Zeit bei der Nordstern -Versicherung AG endete mit meiner Kündigung, bei gleichzeitigem Neubeginn als selbstständiger Geschäftsstellenleiter der Rheinischen Provinzial, Bezirksdirektion Gummersbach, zu arbeiten. Der Chef der Provinzial, Herr Langbein, und der zukünftige Betreuer der Geschäftsleiter (besserer Briefbote), Herr Brochhaus, führten mich in die zukünftigen Arbeiten ein. Mein Büro befand sich in Gummersbach-Lantenbach, direkt im Haus neben der Sparkassenfiliale Gummersbach-Bergneustadt. Von meinem Vorgänger übernahm ich die Büromöbel und einen Teil des sonstigen Inventars. Über dem Büro und der Sparkasse waren vermietete Wohnungen, davor ein großer Parkplatz mit direktem Zugang zur Meinerzhagenerstrasse(Hauptstr.) von Lantenbach. Ich übernahm auch eine Mitarbeiterin von meinem Vorgänger, die mir anfangs die wichtigsten Informationen über meine übernommenen Kunden erzählen konnte.
Dies bedeutete ein ganz neuer Abschnitt in meinem Leben, natürlich auch eine Umstellung für meine Familie. Vorher erhielt ich regelmäßig monatlich mein Gehalt plus Provision, jetzt musste ich versuchen, in meine Arbeit eine Regelmäßigkeit zu erlangen, damit die monatlichen Provisionsleistungen auch eine gleichmäßige Kontozuführung hervorbrachten. Dieses Unterfangen sollte meine größte berufliche Herausforderung werden, denn die Theorie auf einem Blatt Papier als Vorausberechnung blieb in der Praxis schnell ein Rohrkrepierer. Die Unbekannten, wie Storno, nicht bezahlter Beitrag, Vertragsauflösungen, Konkurenz und Beitragsfreistellungen in Einklang mit übriggebliebenem Umsatz zu bringen, gelingt vielleicht nach einer eingespielten Zeit, die man erst einmal finanziell überbrücken muss, dann erhalten die Unbekannten vielleicht sichtbare Konturen. Ich ließ mich jedoch von solchen Prognosen nicht entmutigen und packte die Angelegenheit beim Schopf. Die ersten Maßnahmen gehörten dem “Kunden-Kennen-lernen“ und umgekehrt, ich musste mich als neuer Versicherungsfutzi vorstellen. Meine Mitarbeiterin suchte zunächst die wichtigsten oder auch liegengebliebenen Vorgänge zusammen und machte die entsprechenden Termine. Ich konnte mit dem Beginn recht zu frieden sein, anscheinend kam ich als neuer Heraufbeschwörer bei den Leuten gut an.
Die Provinzial und ich
So nach und nach gewöhnte ich mich an die technischen Abläufe der Provinzial. Um eine Scheckvollmacht zur Auszahlung von Schäden zu bekommen, musste ich ein spezielles Schadenseminar im Schulungszentrum Bruchhausen am Rhein absolvieren. Dazu wurden drei Tage Aufenthalt mit ganztägigem Unterricht veranschlagt. Diese Unterweisung war sehr notwendig, denn Fehler in der Auszahlung von Schäden mussten dem Revisor gegenüber protokolliert werden. Eine Schadensrevision hatte man jedes halbe Jahr zu überstehen. Bei der Gelegenheit begutachtete der Revisor auch die gesamten Kontokorrentauszüge des Provisionszahlungseingangs und Ausgangs. Also Schummeln fiel auf.
Der Betreuer der Geschäftsleiter, unser Mittler zwischen der Direktion und den Geschäftsstellen, versuchte die Versicherungsproduktion mit einem Geschäftsplan an zu kurbeln. In meinem Fall, Herr Brochhaus, fiel mir direkt durch seine arogante und schleimerische Art auf. Bei ihm musste man aufpassen, was man sagte, ich vermutete, dass er viele Internas an die Direktion weitergab. Ich gewöhnte mir für diese Fälle gewisse Redetaktiken an, die eine Weitergabe des Gesagten zuließen, oder aber so allgemein verfassten, dass das Gesagte auch von anderen Kollegen stammen könnte, also nichts sagend. Die Verkaufsschulungen der letzten Jahre kamen mir hierbei sehr in den Sinn. Im Laufe der Zeit lernte ich auch meine anderen Gummersbacher und Umgebung- Kollegen kennen. Im Rahmen eines Kegelabends mit vorhergehender Allgemeinbesprechung erfuhr ich weitere für mich interessante Möglichkeiten und für einen Geschäftsführer wichtige Details. Ich bekam auch direkt eine Einladung zum Verband der Geschäftsstellenleiter, eine Organisation wie eine Gewerkschaft im normalen Arbeitsleben. Dort Mitglied zu werden, war keine Pflicht, sondern für den einzelnen eine selbstschützende Maßnahme.
Nebenbei erfuhr ich dann auch über gewisse Geschäftspraktiken des Herrn Brochhaus, und beschloss, noch vorsichtiger zu sein. Es ist schon interessant fest zu stellen, wie schmierig es in der Geschäftswelt zu geht, dieser Spruch: eine Hand wäscht die andere, kommt in vielen korruptionsnahen Tätigkeiten zur Anwendung.
Ich ließ mich von allen negativen Einflüssen nicht beirren und beschloss auch weiterhin den ehrlichen Weg zu gehen, so wie ich mir das seiner Zeit bei der Hamburg-Mannheimer schwor. Bei dieser Tätigkeit hatte ich auch noch eine wesentlich größere finanzielle Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu tragen, als der kleinere Rahmen in meiner damaligen Arbeit es hervorbrachte.
Im Juli 1988 mieteten wir uns ein Ferienhaus in Langwarden, ein Ort auf der Halbinsel Butjadingen im Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen. Bis ins Mittelalter hinein gab es in Langwarden noch einen Hafen, der auch ein Grund für die wirtschaftliche Bedeutung und Wachstum war. Das heutige Wahrzeichen des Ortes ist die 850 Jahre alte Laurentius-Kirche, ein romanischer Tuffsteinbau, mit einer rund 350 Jahre alten Orgel, die zu den bedeutensten Instrumenten Norddeutschlands zählt. Die Kirche bedeutete früher für die Seefahrer in der flachen Marschenlandschaft ein wichtiger Orientierungspunkt. Zur guten Sichtbarkeit trug die Lage der Kirche bei, die direkt auf einer Wurt gebaut wurde. Eine Wurt ( Warft, Wart, Werfte ) ist noch heute, u.a. auf Halligen oder im weiteren Marschland, ein künstlicher, von Menschen aufgeschütteter Hügel, der für die umliegenden Bauern der einzige Schutz bei Sturmfluten bedeutete. Diese Hügel entstanden bereits seit dem 3.Jahrhundert vor Christus, und gaben den Menschen, lange vor dem Deichbau, den einzigen wirksamen Hochwasserschutz.
Das verklinkerte Ferienhaus bot für ca. 100m² Wohnfläche Platz, mit Sauna, Bad, seperater Toilette, Küche, Schlafzimmer, zwei Kinderzimmer, großes Wohnzimmer mit Kaminecke, dazu ein großes Grundstück mit Kinderspielgeräten. Alles zusammen, ein Ort zum Wohlfühlen und erholen. In der Garage standen zwei Erwachsenenfahrräder, mit Kindersitzen auf dem Gepäckhalter, zur ständigen Nutzung. Wir unternahmen dann auch verschiedene Touren entlang des Deiches, oder zum Nachbarort Tossens bzw. Burhave auf der anderen Seite. Das Haus befand sich in einer normalen Wohnsiedlung, umgeben von verschiedenen Wassergräben, um das sehr hochstehende Grundwasser unter Kontrolle zu halten.
Die Kinder konnten hier viel entdecken, Phantasien ausspielen, Spielgeräte nutzen, und natürlich im Holzschuppen Abenteuer suchen. Daniel lernte noch einen in etwa gleichaltrigen Jungen aus der Nachbarschaft kennen und war dadurch spielerisch viel mehr ausgelastet.
Wir brachten von zu Hause Bocciakugeln mit, ein Spiel, was man sehr gut auf dem Rasen mit Kindern spielen kann. Bloß wo hatten wir diese bunten Kugeln gelassen? Wir suchten alles im Haus ab, ohne Erfolg, und dachten nur, wird sich schon wiederfinden und vergaßen für den Moment dieses Spiel. Rita und ich saßen vor dem Haus auf der Bank und schauten dem geschäftigen Tun unseres Jüngsten zu. Er lief hin und her, guckte sich schon mal heimlich um, sein Bruder Daniel gesellte sich dazu, beide grinsten ganz spitzbübisch. Ich dachte, hole schon einmal die Kamera und halte eventuelle Momente im Bild fest. Und siehe da, in einem unbeachteten Moment (dachte Christian) fanden wir die Lösung für seine heimliche Aktivität. Das umfunktionierte Fässchen, welches am Gartentor als Briefkasten diente, schien das Geheimfach von unserem Filius zu sein. Er machte den Briefkasten auf, holte etwas heraus, machte es wieder zu und lief hinter einen Busch, dann kam er wieder und der Vorgang wiederholte sich. Ich machte heimlich Aufnahmen, natürlich auch von dem Fässcheninhalt und konnte mir das Lachen kaum verkneifen. Rita und ich machten gute Miene zum „bösen Spiel“ und ließen ihn gewähren.
Die Umgebung lud ein zu ausgedehnten Spaziergängen durch die wunderschöne, einfache Landschaft. Wiesen und Weiden, so weit das Auge reichte. Unverwechselbar für die Marschlandschaft sind die vielen Wassergräben, die als natürliche Entwässerung der Weiden und als Weidegrenze dienen. Eigentlich ganz praktisch. Viele Seevögel suchten auf den nassen Wiesen nach fressbarem, wahrscheinlich holten sie sich die vielen Frösche und deren Nachkommen aus den Wassergräben.
Die Baumkronen bogen sich alle mehr in Richtung Osten, ein Zeichen dafür, dass hier sehr viel Westwind bläßt.
Ganz in der Nähe befand sich ein Ponyhof, wo die Kinder frei sitzend auf einem Pony, geführt von einer Helferin, im Schritttempo reiten konnten. Eine ganz neue Erfahrung für die Beiden, zu mal die anfängliche Begeisterung erst einmal in ängstliches Misstrauen wich, um dann nach einer gewissen Vertrautheit wiederum in gedämpften Stolz umschwängte.
Burhave
Burhave liegt auf der Halbinsel Butjadingen direkt an der Nordseeküste. Das Gebiet drum herum ist Marschland. Früher befand sich hier an der Küste noch ein ausgedehnter Sandstrand, der im Laufe der Jahre durch künstliche Vertiefung der Außenweser immer mehr verschlickte.
Der Name Burhave leitet sich von dem germanischen Wort buri=Siedlung ab, und von dem friesischen Wort hove oder have=Kirchendorf ab. Man nimmt sogar an, dass die Namensgebung vor 400 Jahren der aus dem 11.Jahrhundert stammende Wehrkirche den Ortskern ausmachte. Alle Höfe waren um die auf einer Wurt gebauten Kirche angeordnet. Im Mittelalter hieß Burhave noch Byre und galt da schon als zentraler Ort von Butjadingen. Durch die Verschiebung der Küstenlinie wurde es nach und nach zum Küstenort.
1334 verliehen die Herrscher aus Bremen und Oldenburg dem Ort „Byre“ die Konzession zur Markthaltung. Eine größere Bedeutung als Handelsplatz erhielt Burhave erst im Jahr 1700, als der Hafen von Langwarden wegen erhöhter Verschlickung geschlossen werden musste und die Herrscher von Bremen und Oldenburg aber zunehmend an einen Zugang zum Meer interessiert waren. Doch der Zusammenschluss von sogenannten Bauernfreistaaten führte mit den Landesfürsten zu erheblichen Konflikten. Die Folge aus diesen Auseinandersetzungen war die zunehmende Etablierung des Häuptlingswesens. Als Höhepunkt galt das Jahr 1419, als die Bur-havener ihre Kirche als Verteidigungsanlage ausbauten, um den Bremern Paroli zu bieten. Dies misslang und das Häuptlingswesen ersetzten lokal gewählte „Ratgeber“, die dann das Volk führten. Die endgültige Unterwerfung der Bauernfreistaaten in Butjardingen erfolgte 1509. Um 1800 kursierte im Bereich Burhave und der nördlichen Wesermarsch eine Art Kaltfieber, eine Form von Malaria, an dem viele Menschen starben, die durchschnittliche Lebenserwartung sank unter 30 Jahre. Durch Verbesserung der Marschentwäserung konnte die seltsame Krankheit erfolgreich bekämpft werden. In den Jahren zwischen 1810 und 1813 besetzte das napolionische Heer Butjardingen und beutete die Bevölkerung aus. Die Menschen mussten anstrengende Fronarbeit leisten.
Der Strand von Burhave reichte für Kinder zum Sandbuddeln und Muscheln sammeln, zum Entspannen und relaxen. Bei klarer Sicht konnte man am Horizont die Küste von Wilhelmshaven erkennen.
Tretautos für die Familie stellten sich als eine wunderbare „Tretmühle“ für die Beinmuskeln heraus, auf gerader Strecke voran zu kommen war nicht so schwer, aber bei leichten Steigungen merkte man die Schwerfälligkeit dieses Gefährts.
Daniel hatte viel mit asthmatischer Bronchitis zu tun und erhielt auf Kosten der Krankenkasse in Burhave gewisse Inhalieranwendungen. Teile der Anwendungen konnten wir als Familie mit nutzen und profitierten gleich alle von den gesunden Mixturen.
Tossens
Wir fuhren des Öfteren mit dem Fahrrad nach Tossens, ein Ort auf Butjardingen in der Wesermarsch. Der Ort liegt direkt am Jadebusen gegenüber von Wilhelmshaven. Der Ort hat einen kleinen Fischereihafen für Krabbenfischer. Wenn die Fischer mit ihrem Fang in den Hafen kamen, hatten sie auf See bereits die Krabben geräuchert, so dass man sie superfrisch kaufen konnte. Urlauber vor Ort kannten die ungefähren Ankunftszeiten der Fischerboote und warteten bereits auf den Granat, oder auch andere frische Fische, wie Schollen oder Aale.
Die erste Kapelle von Tossens gibt es seit 1420 und gehörte wie Burhave nach der Friesenniederlage im Jahr 1514 zum Großherzogtum Oldenburg, wurde aber 1523 ein eigenes Kirchspiel.
Die Friesen gehörten schon immer zu den streitbaren Germanenstämmen und lehnten eine Unterwerfung, außer ihrem König, grundsächlich ab. Die friesische Freiheit (friesisch: Fryske frijheid) ist ein den Friesen von Karl dem Großen verliehendes Recht.
Eine friesische Sage berichtet von Liber Frisco(freier Friese) und seinen Weggefährten, die im 9.Jahrhundert für ihren König Karl in Rom die Römer besiegt hatten und stolz aus Italien in das Land am Meer zurückkehrten. Der König war von dieser Sache so angetan und begeistert, dass er seine tapferen Friesen mit dem höchsten Gut belohnte und beschenkte: mit der Freiheit.
Von Burhave unternahmen wir eine Schiffstour zu den Seehundsbänken und dem Kormoranturm, ein ehemaliger Leuchtturm im Wattenmeer, der von hunderten von Kormoranen unter Beschlag genommen wurde.
Unsere beiden Jungs hatten ihren Spaß, zumal es ihre erste Schiffsfahrt auf der Nordsee war. Seehunde in der freien Natur zu erleben, ist immer ein neues Erlebnis, denn die Tiere sind sehr scheu und lieben keine lauten Geräusche. Es war nicht einfach, die Fragen der Kinder im Flüsterton zu beantworten, bzw. sie mussten flüstern, was ihnen nicht so leicht über die Lippen ging.
In Burhave wurde ein Hafenfest mit Übungen des DLRG und der Rettungswacht, die Fischer schmückten ihre Boote mit Wimpeln, ein Rettungshubschrauber flog seinen Einsatz, ein Volksfest und ein großes Spektakel für jung und alt. Das Boot vom DLRG lud viele Kinder für eine kurze Fahrt ein, Daniel war natürlich hell auf begeistert, Christian durfte noch nicht mit, er war noch zu klein, aber ich glaube, seine Mimik sagte, dass er froh war, die Angelegenheit mit leichtem Abstand zu erleben.
Wir unternahmen noch eine Fahrt nach Wilhelmshaven, um meiner Familie zu zeigen, wo ich gelebt hatte, und in welche Schule ich gehen musste. Dort schauten wir am Kriegs- und Ölhafen vorbei, erlebten noch ein paar schöne Tage in Langwarden, um noch mal die Fahrräder für ein paar Touren durch die schöne Deichlandschaft nutzten. Ein Tag vor unserer Abreise änderte sich noch einmal das Wetter, drohende dunkle Wolken schoben sich zusammen, es bildete sich ein wilde Zeremonie der Gewalten, der Himmel musste sich noch einmal so richtig entladen.
Zu Hause erwartete uns noch ein schöner warmer Spätsommer, sodass es noch lohnte das Plantschbecken im Vorgarten auf zu stellen. Christian und sein Freund Fabian Lepperhoff, der Sohn unserer Mieterin, hatten natürlich ihren Spass im kühlen Nass.
Mein Büro in Lantenbach hatte mich wieder, Post, die während der Urlaubszeit liegen geblieben war, Abarbeitung von Terminen, Schadensregulierungen mit Scheckauszahlungen mussten vorgenommen werden. Ein neuer Geschäftsstellenbetreuer, Herr Schnippering, stellte sich vor und überholte seinen Vorgänger im Bezug auf Arroganz um einiges. Klar, er wollte sich seine Sporen verdienen und musste sich der Bezirksdirektion gegenüber rechtfertigen, aber seine Blickrichtung hatte nur einen Weg, nackte Zahlen, Produktion, Fakten, ohne mal ein paar persönliche Worte, nein direkt ins Thema, erreicht nicht erreicht, verbessern, ändern usw. Er quasselte ohne Luft zu holen. Ich hörte mir diese immer wiederholenden, mir auf den Nerv gehenden, Sätze an und schob nach ein paar Minuten wichtige Termine in den Vordergrund. Wenn meine Mitarbeiterin mich unterwegs beim Kunden anrief, Herr Schnippering sitzt im Büro und wartet, ließ ich mich schon verleugnen.
Von meinen Kollegen der anderen Gummersbacher Geschäftsstellen vernahm ich ähnliche Töne, ihnen ging dieses Gequassel ebenfalls auf den Nerv. Irgendwann merkte Herr Schnippering, dass keiner mit ihm ernsthaft zusammenarbeiten wollte. Eines Tages stürmte er unangemeldet ins Büro, ignorierte einen dort sitzenden Kunden und wollte mich in einem herunterputzenden Ton zur Rede stellen, was mir einfiele, schließlich hätte ich nicht zu bestimmen, sondern die Bezirksdirektion in Gummersbach sagte, wie es laufen sollte. Als sein Redeschwall endete, erwiderte ich ihm nur in einem sehr lauten und bestimmenden Ton:
Herr Schnippering, machen Sie bitte von außen die Tür zu und bestellen Sie Herrn Langbein ein schönen Gruß von mir.
Er knallte die Bürotür zu und verschwand. Ein paar Tage später bestellte man mich in die Bezirksdirektion zwecks Aussprache und Erläuterung der Situation. Zwei meiner Kollegen waren ebenfalls geladen, also erfolgte eine größere Konferenz. Heraus kam aus dieser Unterredung nicht viel, alle sollten sich zusammenraufen, die Hand geben und sich Besserung verordnen. Herr Schnippering bemühte sich, die Situation zu entschärfen, aber einen gewissen Respekt vor der Person und seiner ihm aufgetragenen Aufgabe konnte nicht entstehen. Er bot sich sogar an, mit zum Kunden zu fahren, um seine „Erfahrung“ und sein „Wissen“ mit zur positiven Entwicklung meiner Geschäftsstelle einbringen zu können. Welch ein Schmus und Sabber. Ich ließ ihn gewähren und nahm ihn zu einem recht schwierigen Fall mit. Ein selbstständiges Elektrounternehmen mit Gebäude, Betriebsinhalt und Betriebshaftpflicht wollte versichert werden. Aus dem Gespräch entstand eine lockere Kaffeerunde mit ein paar Stücken Kuchen. Es redete nur einer, dass war Herr Schnippering. Der Elektromeister bat mich hinterher, in Zukunft bitte alleine zu kommen.
Unser Freund Schnippering merkte noch nicht einmal, welchen Bockmist er verzapfte, sondern betonte hinterher, welch lockere Atmosphäre in diesem Verkaufsgespräch geherrscht hätte.
Bezirksdirektor Langbein trat seinen verdienten Ruhestand an, sein Nachfolger, Herr Steiner, stellte sich vor, ein Siegerländer, stur, holzig ohne Benehmen, machohaft, fühlte sich unüberwindlich, ging dem wahrsten Sinne über Leichen. Absprachen, die vor seiner Amtszeit getroffen wurden, auch wenn es in schriftlicher Form erfolgte, interessierten ihn nicht, fühlte er sich nicht für verantwortlich. Er meinte, die harte Linie auf Distance könnte seinen Untergebenen die „kann ich nicht“ Version vergessen lassen. In kürzester Zeit schaffte er es, sich mehr Feinde als Freunde um sich zu scharren. Die „Fähnlein im Winde“ hatten sich schnell an seine Art gewöhnt und leckten ganz kräftig an seinen Stiefeln. Die meisten Kollegen waren froh ihn nur aus der Entfernung zu sehen. Jeder von uns erhielt von ihm eine persönliche Einladung zwecks kennenlernen, Stand zur Provinzial und eventuelle Zukunftsvisionen mit Erstellung eines Vorausplanes, um die mögliche Situation der Geschäftsstelle in den nächsten Jahren fest zu legen. Ganz klar, nur so konnte er selbst feststellen, wer mit ihm seinen festgelegten Weg geht, oder wer ihn nur kreuzt. Er versuchte seine Gesprächspartner mit freundschaftlichen Gesten und Bemerkungen ein zu lullen, den Vorhang etwas zu lüften, um mehr zu sagen, als einem letztlich gefällt. Zu allem notierte er sich viele dieser Gesprächsfetzen, um später den einen oder anderen an sein Gesagtes zu erinnern. Ich gab mich von Anfang an nicht so gesprächsbereit, sondern wartete erst einmal ab. Jeder kennt das Sprichwort: Vorsicht ist die Mutter der Porzelankiste. Herr Steiner merkte bald, dass meine Mitteilungsfreude viel gedämpfter war, als er es erwartete, dadurch trübte unsere „Freundschaft“ direkt am Anfang. Seine Bemerkungen mir gegenüber fielen nur noch knapp und unpersönlich aus.
Ich ließ mich durch diese ganze Angelegenheit nicht beirren und ging meiner Arbeit entsprechend meiner Vorstellung nach.
Beginn des Winters
November 1988, der Winter begann recht früh, es schneite, die heimischen Vögel suchten ihr Futter in den verschiedenen Futterkästen der umliegenden Häuser. Es machte viel Spaß die verschiedenen Arten zu beobachten. Kleiber, Dompfaff, verschiedene Meisen, Finken, und Spatzen.
12. März 1989, Daniel`s 5.Geburtstag.Natürlich rücken seine Freunde an, David Wendeler und Christoph Lührs, und die Verwandtschaft mit Middelhoffs und von Wirtz.
25. März 1989, meine Mutter wurde 75 Jahre. Wir, Rita und ich, die Kinder und Schwiegervater Franz machten uns auf, um ihren Geburtstag in Bremen zu feiern.
Besuch aus der DDR hatte sich angemeldet, mein Cousin Uwe Kamrath aus Schwerin erhielt das erste Mal eine Ausreisegenehmigung nach West-Deutschland. Am Nachmittag besuchte er mit Marianne zwecks Einkauf verschiedene Geschäfte und war von der Angebotsvielfalt und der Fülle in den Regalen dermaßen überwältigt, dass er eine ganze Zeit brauchte, diese Eindrücke zu verarbeiten. Später sagte er mir, dass er mit diesem Riesenangebot nie gerechnet hätte.
Auf dem Hinterhof der Wohnung meiner Eltern begrüßte mich ganz überschwänglich und völlig unerwartet mein Cousin Peter Ruhnow aus Ost-Berlin, der ebenfalls für den glorreichen Westen eine Reiseerlaubnis erhielt. Er übernachtete in der Wohnung bei Marianne und Wilfried. In der Nacht soll er dann angeblich von Wilfried`s Cognac probiert und in den Schränken nach Interessantem gestöbert haben. Man erzählte sich, dass er eine Spezialausbildung in der KGB-Schule Leningrad für den Staatssicherheitsdienst der DDR erhalten hatte.
30.April 1989, Christian`s 3. Geburtstag. Bei Kaffee und Kuchen beehrte ihn die Verwandtschaft bei strahlendem Wetter.
Wir gestalteten unseren Vorgarten in Hülsenbusch ganz neu. Als erstes ließen wir eine neue Treppe von der Straße auf das Grundstück mit anschließendem gepflastertem Weg als Schwanenkopfmotiv zum Haus verlegen. Wir bauten einen neuen Rancherzaun, grenzten den Hang, die Treppe und ein seidliches Hochbeet mit Palisaden ein. Ein großer LKW brachte uns neue Muttererde, die dann anschließend auf den Beeten verteilt wurde. Ein paar ergänzende Pflanzen und Sträucher rundeten das Ganze ab.
Des Nachbars Mieter
Ich möchte einmal vom Mieter unserer Nachbarn Wanja erzählen, sein Name war Wennemar Nattenberg, ein älterer Herr so um die 90 Jahre alt, lebte alleine in der Souterrainwohnung, seine Ehefrau war bereits viele Jahre tot. Er liebte Kinder und hatte stets Bonbons oder Gummibärchen für sie in der Hosentasche. Seine Miete bezahlte Herr Nattenberg bar, seine stattliche Rente holte er sofort nach Kontoeingang ab, um das Geld irgentwo in seiner Wohnung zu horten, weil er der Bank nicht traute. Sehr eigentümlich, sonderbar, schwerhörig, Eigenbrötler. Seine heisere, nuschelnde aber recht laute Redensweise war nicht zu überhören, zumal er auch lautstark mit sich selber redete. Täglich klopfte er die Heizkörper seiner Wohnung nach Ungeziefer ab, dann konnte man schon mal ein seltsames“ Klöng, klöng“ hören, wenn sein Gehstock gegen die Heizrippen schlug. Ein paar Mal mussten wir ein Unternehmen zwecks Kanalrohrsäuberung beauftragen, um mit Hochdruck die gemeinsamen Rohrleitungen frei zu pusten, weil sich wieder viele Fremdkörper darin festgestzt hatten. Mit Fremdkörper meine ich Dinge, wie Putzlappen und Handtücher, Kinderspielzeug und diverse Tascheninhalte. Durch Zufall erzählte mir Herr Nattenberg nach einer solchen Rohrreinigung, von einem neuen System, was er ausprobiert hatte. Ich fragte System? Wofür? Ihn ärgerte der hohe Verbrauch des Klopapiers, deshalb nahm er alte Putzlappen und ausrangierte Handtücher, um seine Säuberung nach dem Kaisergebaren vor zu nehmen. Er meinte, damit würde er den Kanal entlasten. Ihm von diesen Überlegungen ab zu bringen, war fast unmöglich. Eines Tages beobachtete ich, wie er plötzlich, mit dem Gesicht nach vorne, im Garten umkippte und liegenblieb, dabei bohrte sich seine Brille in die Nase. Ich half im auf und rief den sonntäglichen Notdienst an, die mich überredete, Herrn Nattenberg selbst ins Krankenhaus zu schaffen. Unsere Mieterin, Frau Lepperhoff, Krankenschwester vom Gummersbacher Krankenhaus begleitete mich, weil sie sich vor Ort besser mit Ärzten auskannte. Die Uhr zeigte kurz vor 12.00 Uhr, wir wollten bald Mittagessen.
Im Krankenhaus setzten wir unseren Patienten in einen Rollstuhl und schoben ihn von einer ärztlichen Untersuchung zur nächsten. Herr Nattenberg genoss dieses um ihn Kümmern und zeigte sich sehr redselig und fröhlich in seiner sehr lautstarken, heiseren aber nuschelnden Art, meinte, die Ärzte hätten im bescheinigt, dass er noch jung genug wäre Kinder zu zeugen, das will ich euch sagen, das werde ich auch probieren und tun. Er betonte diesen Ausdruck besonderer Gefühle so laut, dass die Leute auf den Krankenhausfluren stehen blieben, sprachlos waren oder nur den Kopf schüttelten. Nach diesem so gewaltigen Gefühlsausbruch grinste er und lehnte sich genüsslich in seinem Rollstuhl zurück.
Bei ca. 18.00 Uhr kamen wir vom Krankenhaus zurück.
Im Juli 1989 verbrachten wir wiederum unseren Urlaub in Langwarden, diesmal fuhr auch Rita`s Schwester Gerda mit. Das Ferienhaus hatte sich auch äußerlich verändert, ein Flachdach musste einem Walmdach weichen, ein riesen Gewinn für das Gebäude.
Das Wetter änderte sich ständig, mal war es so warm, dass man die Jacke ausziehen musste, kurz darauf bließ ein scharfer Wind und es fing für einen Moment an zu regnen. Mit richtiger Wetterbekleidung konnten dann ausgedehnte Wanderungen durch die einzigartige Landschaft unternommen werden. Flachland, so weit das Auge reichte, schmale Wirtschaftswege durchzogen die Weiden, überall sorgten Entwässerungsgräben, für einen ökologischen Ausgleich der Marschlandschaft. Die Deiche, die von Schafsherden bevölkert wurden, um mit ihren schmalen Hufen den Boden zur Abwehr der vielen Wühlmäuse feststampften, schützen die Weiden und Wiesen vor Überflutung, weil sie überwiegend unterhalb des mittleren Flutwasserspiegels liegen. Vor den Deichen, zur Seeseite, wurde ständig Neuland gewonnen, welches die Natur oft bei Sturmfluten zurück eroberte. Die hier arbeitenden Menschen führten ständig einen harten Kampf gegen die Gewalten des Meeres, sie bauten spezielles Seegrass, Strandhafer und andere widerstandsfähigen Gewächse an, erstellten Buhnen mit Weidenflechten als erste Maßnahmen zum nötigen Küstenschutz. Verteilt, über den gesamten Landkreis, existieren verschiedene Moore. Das einzige schwimmende Moor ist ein am Jadebusen gelegenes Naturschutzgebiet, welches weltweit als einziges Außendeichmoor zu den Überflutungsmooren zählt.
Ursprünglich im Binnenland gelegen, verlagerte sich der Rand eines früheren 135 ha großen Hochmoores durch Vergrößerung des Jadebusens nach Sturmfluten immer mehr an dessen Rand. Um die Ausdehnung des Jadebusens zu begrenzen, wurde dieser nach und nach eingedeicht. Ein Teil des Deiches führte durch das damalige Hochmoor, dabei grenzte ein Teil des Moores als Außenmoor ab und wird bei Sturmfluten über 3,25 m ü.NN angehoben und schwimmt.
Unsere Marschroute beschränkte sich auf die umliegenden Wege, am Deich, durch die Weiden von übermütigen Jungbullen, edlen Reitpferden und Schafen. Die angedeuteten Wege durch das Moor sollte man nicht verlassen, die befestigten Wege waren meistens durch Zäune eingesäumt. Überall wuchs Strandgraß, dazwischen gab es kahle Feuchtgebiete an den angrenzenden Weiden. Hasen duckten sich im halbhohen Gras, und konnten sich geschickt in die Gesamtfärbung der Gräser einbringen, um nicht von ihren luftigen Gegnern erkannt zu werden.
Das Wetter meinte es gut mit uns, wir mieteten am Strand von Burhave einen Strandkorb, um bei teilweise scharfen Wind und durchwachsenen Temperaturen etwas zu entspannen. Die Kinder gingen ihrer Lieblingsbeschäftigung nach, buddelten und matschten, suchten nach Muscheln und anderem Getier. Christian verkroch sich schon mal bei Gerda, man merkte, dass sie seine Lieblingstante war.
Im Fischereihafen von Tossens warteten wir auf die ankommenden Krabbenfischer um ganz frisch geräucherten Granat zu kaufen. Unser Mittagessen: Krabbensalat aus frisch gepuhltem Granat mit frischen Bratkartoffeln und Zwiebeln. Schon allein die Frische lässt einem das Wasser im Mund zusammen laufen.
Es war Samstag der 29.Juli 1989, als wir direkt morgens nach dem Frühstück die Weserfähre in Blexen, Stadtteil von Nordenham in der Wesermarsch, nutzen, um nach Bremerhaven über zu setzen. Es ist die letzte Fährverbindung vor der offenen Nordsee auf der Weser. Die Fähre transportiert bei Auslastung ca. 300 Personen und etwa 150 m Fahrzeuge, das Übersetzen dauert ungefähr 12 Minuten zum Anleger in Bremerhaven, Geestemündung am alten Vorhafen.
Bremerhaven liegt im nördlichen Elbe-Weser-Dreieck und ist die einzige deutsche Großstadt direkt an der Nordsee. Zusammen mit der 60 Km südlich liegenden Stadt Bremen bildet sie das Land freie Hansestadt Bremen, weiterhin gilt der grosse Überseehafen zu einem wichtigen Exportzentrum in Deutschland.
Wegen zunehmender Versandung der Weser erwies sich Bremens erster Vorhafen Vegesack schon im Laufe des 18.Jahrhunderts als unzureichend. Nach zähen Verhandlungen mit dem Königreich Hannover erwarb der Bremer Senat ein geeignetes Grundstück direkt an der Wesermündung. 1827 begann man damit, ein künstliches Hafenbecken (der Alte Hafen) zu bauen, Fertigstellung 1830. Schon bald entwickelte sich der Hafen zu einem der bedeutensten Überseehäfen und in der Folge zum größten Auswanderungshafen Europas.
Dem Königreich Hannover war auf Dauer dieser Bremer Erfolg ein Dorn im Auge. Sie wollte auch einen Zugang zum Meer und an den Überseegeschäften ebenfalls partiziperen.
1845 gründete das Königreich südlich von Bremerhaven eine neue Siedlung mit Namen Geestermünde und baute dort einen Konkurrenzhafen zu Bremerhaven. 1913 erhielt der Ort mit mittlerweile 27000 Einwohnern die Stadtrechte. 1920 fusionierte man mit anderen kreisfreien Städten und schloß sich als neue kreisfreie Stadt mit ca. 70000 Einwohnern zu Wesermünde zusammen. Damit war Bremerhaven landseitig von einer Stadt umgeben.
Die Stadt Bremen reagierte und gliederte das Hafengebiet von Bremerhaven in die Stadt Bremen ein (Stadtbremisches Überseehafengebiet Bremerhaven).
1939 kam es zum Zusammenschluss der Stadt Bremerhaven mit der Stadt Weser-münde, daraus entstand eine neue Großstadt Wesermünde und gehörte zur preußischen Provinz Hannover.
Ab 1947 änderte man, laut Beschluß der amerikanischen Besatzungsmacht, die Bezeichnung Wesermünde wieder in Bremerhaven und integrierte es in das Land Bremen, wo auch zukünftig der Verwaltungssitz besteht.
Diese geschichtliche Erläuterung wollte ich nebenbei erzählen, weil sich selten jemand um diese gesamtgeschichtlichen Randerscheinungen Gedanken macht.
Unser erstes Ziel in Bremerhaven war das Hafengebiet, das wir mit einer kleinen Hafenrundfahrt besichtigten.
In den Lloyd-Werften lag gerade die Maxim Gorki, ein russischer Passagierdampfer, der mit einem Eisberg kollodiert war und im Dock repariert werden musste. Etwas weiter erreichten wir den Container-Terminal, und beobachteten das Beladen von Containern. Natürlich schauten wir nach dem ehemaligen Schulschiff, der Alexander von Humboldt, eine stählerne deutsche Bark, die 1906 als Feuerschiff unter dem Namen Reseve Sonderburg gebaut wurde. Nachdem man sie außer Dienst stellte, erfolgte ein Umbau als Segelschiff, um junge Seeleute aus zu bilden. Ein Stückchen weiter kamen wir zur „Seute Deern“, eine hölzerne Bark und Restaurantschiff.
Wir schippern noch durch den Überseehafen und in den Museumshafen, um zum Schluß unserer Hafenbesichtigung noch ein Blick in das U-Boot Wilhelm-Bauer zu werfen. Sie war im 2.Weltkrieg ein U-Boot-Begleitschiff und diente zunächst als Ausbildungsschiff für den technischen Dienst. 1945 trafen britische Fliegerbomben das U-Boot und versenkten es vor Travemünde. 1951 konnte es gehoben und anschließend abgewrackt werden.
Bevor der Besuch im Zoo anstand, kamen wir an einem Art Abenteuerspielplatz mit schiffsähnlichen Klettergestellen vorbei, natürlich ein Muß für unsere beiden Rabauken. Im Hintergrund sah man das Alfred-Wege-ner-Institut, welches sich mit der Erkundung der Polaregionen, deren geologischen Aufbau, Struktur und Einordnung in die Ergeschichte befasst.
Der Zoo in Bremerhaven ist der kleinste öffentliche Zoo Deutschlands und befasst sich hauptsächlich mit der Spezialisierung auf wasserlebende und nordische Tierarten. Ergänzend hierzu sind die für Kinder interessanten Tierarten wie Schimpansen, Pumas und die neugierigen Keas (Bergpapageien) und ein Streichelzoo ebenso vorhanden.
Der Rundgang durch den Zoo ist nicht sehr groß. Zur Besonderheit zählte noch noch die Aussichtsplattform, die eine Betrachtung der Wesermündung und den vorbei fahrenden Schiffen erlaubte. Somit kann man sich nicht nur mit den Tieren beschäftigen, sondern man schaut auch direkt auf deren Lebensraum, daher auch „ der Zoo am Meer“.
Rita klagte den ganzen Tag über einen dauernden Schmerz im Unterleib. Deshalb sahen wir zu, die Heimfahrt nach Langwarden an zu treten. Es war mitten in der Nacht, ca. 2.00 Uhr, Sonntag der 30.Juli 1989, als Rita mich weckte und über sehr starke Schmerzen im rechten unteren Bereich klagte. Ihr war sofort klar, das konnte nur der Blinddarm sein. Wir weckten Gerda, erklärten kurz die Situation und dass sie bitte auf die Kinder auspassen sollte. Ich fuhr Rita direkt ins 20 km entfernte Krankenhaus von Nordenham, wo sie bereits nach verschiedenen Untersuchungen um 9.00 Uhr morgens am Blinddarm operiert wurde.
Unser Urlaub musste komplett neu organisiert werden. Wir konnten froh sein, dass Gerda den Urlaub mit uns verbrachte. Sie fügte sich auch direkt in die Aufpasserrolle der Kinder ein, ohne sich durch irgendwelche Wehklagen zu äußern. So war Gerda, nicht reden, sondern handeln. Unser gemeinsames Problem bestand im Rückfahrtermin. Das Haus hatten wir noch für eine Woche gemietet, was wäre, wenn Rita noch länger im Krankenhaus verweilen musste? Gerda`s Sohn Markus begann am kommenden Montag seine Schreinerlehre bei der Fa. Otto Kind in Kotthausen, Christian`s Kindergartenbeginn sollte ebenfalls an diesem Montag sein, keiner wollte diese so wichtigen Termine verpassen. Was tun? Ich führte ein Gespräch mit dem direkten Nachbarn des Ferienhauses, der in Abwesenheit der Besitzer den „Hausmeister“ miemte und ob er für uns eine Übergangslösung wüsste, zumindest stellte er eine Ferienwohnung in Ausicht.
Die Behandlung im Krankenhaus Nordenham war hervorragend, die Ärzte sehr zuvorkommend. Rita konnte mit der Lösung des „Urlaubsproblems“ zufrieden sein. Jetzt kam es auf den Heilungsprozess an und wie die behandelnden Ärzte die anstehende Rückfahrt nach Gummersbach als Risiko einstuften. Unsere weitere Urlaubszeit in Norddeutschland betrug noch ca. 6 Tage, also kein Grund um Trübsal zu blasen. Die Besuche im Krankenhaus nutzten wir restlichen Urlauber mit der Stadterkundung von Nordenham.
Was wussten wir über diese Stadt, außer, dass sie ein Krankenhaus hatte? Nordenham liegt am Westufer der Wesermündung zur Nordsee gegenüber von Bremerhaven, die Umgebung besteht aus Marschland. Der Stadtteil Blexen ist eine der ältesten Orte Butjadingens und der Wesermarsch. Die urkundliche Ersterwähnung geschah im Jahr 789 aus Anlass des Todes von Bischof Willehad im gleichen Jahr, der als Missionar in Friesland und Sachsen tätig war. Sein Name bedeutet „der willensstarke Kämpfer“. Außerdem füllte er das Amt des ersten Bischofs von Bremen aus.
Das heutige Stadtgebiet gehörte im Mittelalter zur autonomen friesischen Landesgemeide Rüstringen, der terra Rustringie, geführt von „freien Friesen“, die nur ein Oberhaupt über sich akzeptierten, den des Kaisers. Die friesischen Landesgemeinden hatten einen gewählten Redjeven(auf altfriesisch Richter oder Rechtssprecher im Mittelalter), der ihre Interessen bei diversen Verhandlungen durchsetzen sollte. Ab dem 14.Jahrhundert setzte sich ein Häuptling an die Spitze der Gemeinden, der dann die Geschicke der Friesen vertrat. Zunehmend suchten organisierte Seefahrer mit Kaperbriefen (Vitalienbrüder) Zuflucht bei den Friesen und zerstörten die Handelswege entlang der Nordseeküste. Doch verheerende Sturmfluten zwischen dem 12. und 15.Jarhundert, bei dem der Jadebusen entstand, vernichtete auch einen Teil der Piratenverstecke, die sich dann immer wieder neu orientieren mussten. Das Gebiet von Butjadingen und die Gemeinde Rüstringen hatten keine Landverbindung mehr zu einander und sorgten in Zukunft für sich selbst.
Die wechselhafte Geschichte von Butjadingen führte dazu, dass ab 1774 das Herzogtum Oldenburg die verwaltungstechnischen Geschicke führte. Als dann holländische Truppen das ganze Herzogtum, unter anderem die befestigte Anlage Blexen, besetzten, 1813 die Franzosen unter Napoleon wiederum das Heft in die Hand nahmen, dann von Einheimischen verjagt wurden, Zurückeroberung durch die Franzosen und endgültiges Ergeben an russische Truppen, sollte in der Region langsam wieder Ruhe einkehren. Aus der friesischen Nachbargemeinde Atens entwickelte sich Mitte des 19.Jahrhunderts die Stadt Nordenham. Ein Kaufmann, namens Wilhelm Müller, ließ 1857 den Schiffanleger Ochsenpier errichten, um u.a. vom Gut Nordenham Vieh nach England zu transportieren. Es entwickelte sich ein reger Seehandel, Ausfuhr Vieh und Import Petroleum und Getreide. Der weitere Ausbau der Schiffsanleger gestattete es Auswanderer über Nordenham nach New York zu transportieren. Es erfolgte der Neubau von Hotels, Gaststätten und Restaurants, die Einwohnerzahl erhöhte sich rasant. Am 1.Mai wurde Atens in Nordenham umbenannt und gleichzeitig erhielt der Ort die Stadtrechte II.Klasse, also eingeschränkte Stadtrechte.
Diese kurze geschichtliche Darstellung zeigt uns, wie oft man sich unbewusst auf historischen Nebenschauplätzen bewegt, selten darüber etwas erfährt und demnach oberflächlich mit dieser Thematik umgeht. Ich habe mir für die Zukunft vorgenommen, mehr über den jeweiligen Aufenthaltsort zu erfahren, als ich es bis her gehalten hatte.
Die restaurierte historische Moorseer Mühle ist die einzige voll funktionsfähige Windmühle im Umkreis der Wesermarsch mit zwei Windrosen. Gegenüber befindet sich eine Fluttermühle (fries.Fletta= bewegen), die einfachste und kleinste Bauart einer Windmühle. Sie dient dem vertikalen Wassertransport und der Entwässerung. Den Erfindern dieser sehr interessanten Methode, durch Windkraft die Einpolderung und das Entwässern von Feuchtgebieten voran zu treiben, verdient Hochachtung. Der Flutter besteht aus einer archimedischen Schraube und einem Windflügelkreuz. Das untere Teil der Schraube ragt ins Wasser, die Windflügel werden von Hand in den Wind gedreht und bei Bedarf und erfolgter Entwässerung an einem anderen Ort erneut aufgestellt.
Im Stadtteil Blexen schauten wir uns noch die evangelische St.Hyppolit-Kirche an, wo Gerda unbedingt eine Kerze aufstellen wollte. Ich wusste zwar nicht, ob in diesen Kirchen solche Kerzenvorrichtungen vorhanden waren, aber nur der Versuch konnte überzeugen, und siehe da, die Möglichkeit bestand.
Nicht weit vom St.Willehad-Brunnen befand sich ein großer Kinderspielplatz, sodaß wir sowohl diverse Anschauungen wie auch Kinderinteressen mit einander verbinden konnten.
Der Heilprozess von Rita´s OP verlief zufriedenstellend, sodaß die behandelnden Ärzte im Krankenhaus Nordenham ihre Zustimmung für die Rückfahrt nach Gummersbach gaben. Entsprechend planten wir die Abfahrt, Sachen verstauen, Haus aufräumen, fegen und auswischen. Wir holten Rita direkt am Krankenhaus ab und begaben uns auf die Autobahn. Ich versuchte, Unebenheiten und Schlaglöchern beim Fahren aus zu weichen, um Rita die Fahrt so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Für sie bedeutete die Fahrt eine reine Tortur, aber es ließ sich nicht ändern, wir waren alle froh, als wir wohlbehalten zu Hause ankamen.
Ich brachte Christian an dem Montag nach dem Urlaub in den Kindergarten. Für ihn bedeutete dies eine neue Zeitrechnung in seinem Leben. Daniel freute sich auf seine Freunde, er hatte sicherlich genug zu erzählen.
Im Büro Lantenbach wartete eine Menge Schreibarbeit auf mich, wie immer nach einer längeren Abwesenheit. So etwas dauert dann ein paar Tage, bis alles wieder im richtigen Zeitfenster einsortiert ist. Der Schwätzer vom Dienst, der bessere Briefbote, Herr Schnippering, hatte sich angesagt und wollte mit mir die nächsten Vorgehensweisen in der Gesamtproduktion besprechen. Sein Auftrag, über seinen Chef Herrn Steiner, lautete, eine möglichst hohe Unterstützung seitens des Herrn Schnippering vor zu nehmen und auch durch zu setzen. Ich wusste nur nicht, wie ich mir diesen Dummschwätzer vom Hals halten sollte. Aber ich ließ die Angelegenheit erst einmal auf mich zukommen, meistens kam es anders als es vorgesehen war. Und tatsächlich, Herr Schnippering hatte wichtige private Termine und ließ sich entschuldigen.
Als Außendienstler muss man zwangsläufig Termine bei Kunden wahrnehmen, wo nicht der Kunde im Vordergrund steht, sondern dessen Haustier, was meistens, in unseren Breitengraden, ein Hund, Katze oder Hahn ist. In diesem Fall befand ich mich auf einem Bauernhof mit einem sehr großen Hühnerhof. Mein Auftrag lautete, für einen Kollegen, Friedhelm Kirch, einen jungen krähenden Hahn zu besorgen, der dann auf einem Dorffest, krähender Weise, versteigert werden sollte.
Vorgeschichte: Nach einer Schulung saß ich mit Friedhelm Kirch, seines Zeichens Provinzialgeschäftsstellenleiter in Lindlar, an der Theke einer Hotelbar und trank mit ihm und anderen Gästen ein paar Gläschen mehr als sonst. Die Diskussionen wurden heiß geführt, ein Wort war lauter wie das andere, letztlich kam die Rede auf dieses ominöse Dorffest, wo alle eingeladen wären, jeder brächte etwas mit usw. Ich weiß nicht, welcher Hahn mich pickte, ich versprach einen lebenden Hahn zu besorgen, der dann öffentlich auf dem Dorfplatz versteigert werden sollte. Dieses Versprechen erhielt eine amtliche Note als schriftliche Dokumentation auf einem Bierdeckel. Die Bäuerin machte nicht viel Federlesen, sondern fing sofort einen Hahn ein und setzte ihn in einen Karton, den ich dann zu diesem Dorffest karrte.
Dort erhielt das Tier sofort einen Ehrenplatz, bekam ausreichend Futter zur Beruhigung. Irgendjemand kam auf die Idee, den Hahn in Sichtweite anderer Hühner zu stellen, um ihn zum Kikirekiemachen zu animieren. Tatsächlich, es klappte, der Hahn hörte überhaupt nicht mehr auf und krähte sich in einen wahren Rausch, dass es den anderen Dorfbewohnern schon vor der Versteigerung auf den Nerv ging. Meine Mission erfüllte ich hiermit voll und ganz.
Ein Kundentermin
Das Tageslicht wurde kürzer, zu Kundenterminen sollte man zusätzlich eine Taschenlampe mitnehmen, um die Hausnummern, bzw. die Namensschilder an den Klingeln besser lesen zu können. Ich besuchte eine Familie, deren Haus ein großer Garten mit einem mittelhohen Metallzaun und einem quietschenden Gartentor umsäumte. Die Hausbeleutung funktionierte nicht, meine Taschenlampe ersetzte das dritte Auge. Ich leuchtete gerade die verschiedenen Namenschilder der Klingeln ab, als es hinter mir in den tiefsten Tönen sehr laut und intensiv brummte und knurrte.
Ich drehte mich um und leuchte einem recht großen Bernhardinerrüden in die Augen, das Tier duckte sich etwas, so als wenn es mich anspringen wollte. Mein Schreck war so groß, dass ich meine Tasche mit allen Utensilien fallen ließ, durch den Garten rannte und über das geschlossene Gartentor sprang.
Ich musste erst einmal eine Zigarette vor Aufregung rauchen. Der Hund bellte in den lautesten Tönen. Ich rief bei dem Kunden an und erklärte mein Nichtkommen, sie sollten bitte meine Tasche aufbewahren, ich käme am nächsten Tag um die gleiche Zeit.
Nächster Tag, gleiche Urzeit, kein Hund im Vorgarten. Ich saß bei den Leuten am Wohnzimmertisch, die Tür ging auf, der riesige Hund trottete herein, kam direkt auf mich zu, guckte auf mich herab, schnüffelte und legte sich im Flur vor die Haustür, so als wenn er kein Wässerchen trüben könnte.
Mein Gespräch endete, Verabschiedung, ich nahm meine Tasche und strebte dem Hauseingang zu. Der Hund machte keine Anstalten den Weg frei zu geben. Es sagte auch keiner etwas, Stille, Erwartungshaltung. Meine Überlegung, Eigeninitiative, stieg über das Tier und öffnete ein wenig die Tür, der Hund stand auf und ich saß auf ihm drauf, wie auf einem Pferd. Ich glaube, mein Gesichtsausdruck konnte nicht dämlicher sein, denn alles lachte, der Bernhardiner drehte seinen großen zotteligen Kopf zu mir und verzog die Lefzen zu einem Hundegrinsen, so als wenn er damit ausdrücken wollte, endlich wieder einen dabei gekriegt.
Geburtstagsfeier
Mein Vater, Werner Göcht, wurde 80 Jahre alt, es war der 18. Oktober 1989. Hoher Besuch aus der DDR sagte sich an, zum ersten Mal erhielt Jürgen Kamrath, mein Cousin, aus Schwerin eine Reisegenehmigung nach West-Deutschland. Die Reisemöglichkeiten in den Westen wurden mittlerweile gelockert.
Die Familienfeier fand im Haus von Marianne und Wilfried in Bremen statt, rund um den Wohnzimmertisch saß die feiernde Gesellschaft, etwas steif, kein Durcheinanderreden, jeder durfte mal was sagen, kein lautes Lachen, öde. Aber es gab einen Lichtblick, das kalte Buffet. Man bediente sich, jeder sagte aus Gewohnheit guten Appetit. Jürgen und ich setzten uns zum Essen an den Esstisch, natürlich aus Bequemlichkeitsgründen, weil wir dann näher am Buffet und den vielen leckeren Sachen waren. Die anderen Gäste blieben artig in ihrer Runde und aßen kleine Häppchen an ihrem Platz. Nun begann es. Immer, wenn jemand an das Buffet ging, um Nachschub zu holen, musste der oder die an unserem Tisch vorbei und sagte „Guten Appetit“. Wir sagten artig „Danke“. Diese Floskeln nahmen Überhand, und mit vollem Mund immer wieder“ danke“ zu sagen, war auch recht unhygienisch. Also, immer wenn jemand sich unserem Tisch näherte, erfolgte von uns mit vollem Mund ein gedehntes mmmmmh….., um dem“ guten Appetit „zuvor zu kommen. Irgendwann konnten wir vor Lachen nicht mehr essen. Von dieser Lacherei wurde mein Vater angesteckt und machte in dieser Runde mit. Es entstand ein gedehntes mmmmmmmmmmmmh….. zu dritt.
Jürgen hatte nur bis Bremen eine Fahrerlaubnis. Heimlich nahm ich ihn, für einen Tag und eine Nacht, mit nach Gummersbach, ganz schön gewagt, denn passierte nur eine protokollierende Angelegenheit, und die Sache wäre den DDR-Behörden aufgefallen, hätte Jürgen später in der DDR sicherlich Ärger bekommen, aber es klappte.
In Gummersbach schellte das Telefon, es meldete sich Peter Ruhnow, mein Cousin aus Ost-Berlin, vom Hauptbahnhof in Köln. War das Zufall? Man bemerke DDR? Reisebeschränkungen etc? Er wollte uns besuchen, aber ich musste es abwimmeln, da Jürgen unserer Gast war und ich ihn nicht in Schwierigkeiten bringen wollte. Dieses Telefonat gab uns reichlich Diskussionsstoff, und bestätigte die Ahnungen über die mögliche Stasizugehörigkeit und das Zusammenstellen einer familiären Ahnentafel. Wir beschlossen, mit allen Äußerungen und Angaben ihm gegen über sehr vorsichtig zu sein. Jürgen`s zeitlich begrenzter Westaufenthalt endete, ich fuhr ihn, mit meinem Sohn Daniel, nach Bremen zurück, damit er rechtzeitig wieder seine Rücktour nach Schwerin antreten konnte.
Die Wende
Eine sehr bedeutende politische Wende erfuhr die DDR. In der Nacht vom 9. auf den 10.November 1989 fiel die Berliner Mauer nach 28 Jahren ihrer Existenz. Ein Ereignis, was ganz Deutschland in seinen Grundfesten und Ersehntem positiv erschütterte. Die vielen friedlichen Protestmärsche in einigen Städten der DDR, die vielen Rufe nach Freiheit in allen Belangen und die ständigen, immer wiederholenden Bekundungen: Wir sind das Volk, wurden erhört. Eine neue Ära für Ost und West brach an.
Das kommende Weihnachtsfest 1989 stand unter keinem so guten Stern, meinem Schwiegervater ging es gar nicht so gut, sein Herz bereitete ihm wieder Schwierigkeiten. Sah man von dieser Angelegenheit einmal ab, ging es doch noch recht fröhlich zu. Rita und ich gestalteten den heiligen Abend immer recht geheimnisvoll. Das Schmücken des Weihnachtsbaumes blieb den Kindern gegenüber ein kleines Geheimnis, es erfolgte am Abend vor Heiligabend. Die Glasfenster der Doppeltür zum Wohnzimmer verhängten wir mit Bettlaken, der Zugang zum Schmücken erfolgte um das Haus herum, durch die vorher leicht geöffnete Schiebetür der seitlichen Terrasse ins Wohnzimmer, dann, wenn die beiden schliefen. Rita packte in dieser Zeit auch die Weihnachtsgeschenke entsprechend ein. Der Nachmittag des „heiligen Abends“ verlief mit viel Geduld der Kinder, Kaffeetrinken mit etwas Kuchen, anschließend ein Spaziergang, um vielleicht irgendwo das Christkind zu sehen. Denn es konnte ja sein, dass es möglicher weise noch nicht alle Familien besucht und sich einige wichtige Botengänge bis zum Schluß aufgehoben hatte. Beide schauten dann in jeden etwas dunkleren Winkel, Gebüsche bewegten sich im Wind, hier und da hörte man ein Klappern oder Summen, die angespannte Stimmung schlug langsam in das sehr Ungeduldige um. Also wurde es Zeit die Spannung zu entkräften.
Rita und die Kinder warteten auf mein Handglockengeräusch, denn dies bedeutete das Betretendürfen des Wohnzimmers. Eine Weihnachschallplatte mit beginnendem Glockengeläut des Aachener Doms, danach das Lied „stille Nacht, heilige Nacht“. Der Weihnachtsbaum brannte, verschiedene Kerzen untermalten den feierlichen Moment, ich läutete mein Glöckchen, die Kinder waren nicht mehr zu halten und lukten erst vorsichtig um die Ecke, ob die Luft rein war. Ich fand, dass dies jedes Mal der erhebenste Moment der beginnenden eigenen weihnachtlichen Familienfeier war. Das Leuchten der Kinderaugen und deren Freude über dieses oder jenes Ge-schenk. Dieser Zeitpunkt bedeutete für mich Weihnachten.
Weihnachten ist ein Familienfest, deshalb wurde auch traditionell der 2.Weihnachtsfeiertag in Jedinghagen beim Schwiegervater mit allen Geschwistern und Anhang verbracht. Großer Trubel, viel Kaffee und Kuchen, viele Geschenke für die Kinder.
Zwischenbilanz
Ein neues Jahrzehnt begann, meine berufliche Bilanz stellte ich als recht positiv dar, mein Versicherungsbestand konnte einen guten Zuwachs vermelden, mit anderen Worten, ich befand mich auf der richtigen Fährte. Mein Provinzial-Schatten Schnippering kam auch direkt mit den neuesten Geschäftzahlen und wollte sie mit mir analysieren, um die Schwachstellen besser ausmärzen zu können. Ein Lob über gute Arbeit kam in seinem Vokabular nicht vor, er konnte nur die theoretischen Formeln der Direktion nachfaseln. Mir war dieses öde Bla Bla Bla zu wider, denn wenn ich anfing, bestimmte Versicherungssparten zu forcieren um den allgemeinen Geschäftsplan zu fördern, arbeitete ich zwar im Sinne der Versicherungsgesellschaft, wurde aber meinen eigenen Prinzipien untreu. Dann wäre dieses dem „Kunden aufschwatzen“ wieder gegen mein Geschäftsgebaren und ich arbeitete unseriös. Ich ließ ihn aber reden, hörte artig zu, gab ihm frischen Kaffee zu trinken und dachte meinen Teil. Meine Mitarbeiterin erinnerte mich (abgesprochen)an einen wichtigen Termin, damit Herr Schnippering seine “Beendigungsrede“ einleitete.
Daniel`s 6. Geburtstag
12. März 1990, Daniel`s 6.Geburtstag ging in die familären Annalen ein. Seine Tanten, Paten und Freunde feierten mit ihm dieses so wichtige Ereignis, denn nun hatte er die offizielle Berechtigung die Schulbank zu drücken. Daniel war einer der Kinder, denen das schulische Vorankommen nicht schnell ging. Als Kindergartenkind träumte er bereits davon Professor zu werden, bekanntlicher weise ist dieser Weg noch sehr weit, wenn man noch alle Qualifikationen vor sich hat.
Mein Schwiegervater
Mein Schwiegervater lag im Krankenhaus, sein Zustand war sehr kritisch, man konnte nichts mehr für ihn tun und schickte ihn zum Sterben nach Hause. Rita, Gerda und Ulla wechselten sich im persönlichen Dasein ab. Zwischendurch nahm er alle Kraft zusammen und stand aus seinem Bett auf, so auch am 25.März 1990, als meine Mutter Geburtstag hatte. Er telefonierte mit ihr und wünschte ihr alles Gute. Drei Tage später, am 28.März 1990, verstarb er. Rita war zu diesem Zeitpunkt in seiner Nähe.
Christian`s 4. Geburtstag
Christian feierte seinen 4.Geburtstag, natürlich mit den nächsten Verwandten. Seltener Besuch aus Schwerin, Tine und Jürgen, Katrin, Ute und Udo kamen mit ihrem weißen alten Daccia nach Hülsenbusch. Das Türschloss auf der Beifahrerseite musste repariert werden, ich versuchte mein Glück.
Christian war von Katrin total angetan und wich nicht mehr von ihrer Seite. Für Ute und Udo besorgten wir aus der Nachbarschaft zum Übernachten einen Wohnwagen und stellten ihn auf unseren Hof.
Bau einer Gartenlaube
In unserem Vorgarten baute ich aus Holzresten vom Anbau des Hauses und Holzschwarten aus dem Sägewerk eine Gartenlaube im Palisadenstil, mit einer Schwingtür (Rita`s Wunsch), ähnlich einer Stalltür und Geheimfächer für die Kinder im Fußbodenbereich, davor eine Eingangstreppe als Podest. Direkt daneben befand sich die Schaukel mit einer dicken Betonverankerung im Boden. Wir alle waren mit dem Ergebnis zu frieden.
Wuppertaler Zoo
Unser Ziel war Wuppertal, ein Besuch im dortigen Zoo und natürlich eine Fahrt mit der seit 1901 bestehenden Schwebebahn, die als Wahrzeichen der Stadt Wuppertal gilt, stand an.
Wir parkten unser Auto in der Nähe vom Elberfelder Hauptbahnhof, stiegen in die Schwebebahn und fuhren bis zur Haltestelle Zoo.
Der Zoo Wuppertal ist einer der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Auf der 24 ha großen Parkanlage in Hanglage mit altem Baumbestand sind ca. 5000 Tiere in 500 Arten aus allen Teilen der Welt untergebracht. Hier im Zoo lebt die größte Zuchtgruppe des Pudus, einer kleinen südamerikanischen Hirschart.
Der Rundgang durch den Zoo forderte bei dieser Wärme schon einiges ab, zumal der Besichtigungsrundgang die meiste Zeit Berg an verlief. Ein Kinderspielplatz mit vielen Spielgeräten eroberten die Jungen im Schnellgang, Rita und ich setzten uns im Schatten auf eine Bank und waren froh, ein bisschen die Beine zu strecken, einen Schluck zu trinken und die Kinder aus toben zu lassen. Ein badender Tapir hatte es uns allen angetan. Ein Geschnaufe und Geplätscher, man konnte merken, dass das Tier seinem Vergnügen nachging.
Wir gingen in das Menschenaffenhaus, beobachteten die Großkatzen, sahen die Elefanten, Lieblinge aller Kinder, zumal sie gerade Jungtiere in ihrem Verband hatten, direkt dahinter waren die Zebras untergebracht, und selbstverständlich, auf Wunsch der Kinder, musste ein Besuch im Aquarium/Terrarium anderen Tieren vorgezogen werden. Sie waren bereits im Bremerhavener Zoo von den so farbenfrohen Fischen fasziniert.
Das Neuguinea-Krokodil ließ einen vom Anblick nicht mehr los. Wir konnten aus der Nähe eine Fütterung beobachten, wo die unglaubliche Gier und Kraft des Tieres beim Verschlingen seiner Mahlzeit zum Ausdruck kam. Ein toller Anblick. Nach dieser so interessanten wie auch schaurigen Vorstellung beendeten wir unseren schönen Aufenthalt im Zoo Wuppertal, fuhren von der Haltestelle Zoo mit der Schwebebahn zurück zum Hauptbahnhof Elberfeld, um mit dem Auto den direkten Heimweg zu starten.
Daniels Einschulung
Hurra, der erste Schultag hat begonnen. Auf diesen so wichtigen Lebensabschnitt hatte Daniel nur gewartet.
Stolz präsentiert er seine große selbstgebastelte Schultüte, natürlich mit reichlich leckerem Inhalt. Die Aufnahme seiner ersten Schulstunde dokomentiert auch sein erstes geschriebenes Wort TOTO. Seine zukünftige Grundschullehrerin, Frau Tillmanns, erläuterte den Kindern und den Eltern das künftige Vorgehen. Meine Schwester Marianne, Daniels Patentante, kam extra von Bremen, um bei der Einschulung von Daniel dabei zu sein. Klar, sie ist selber Grundschullehrerin, und war natürlich recht gespannt über die hiesigen Praktiken.
Daniels erster Schultag
Wichtiges Amt
Als Elternratsvorsitzenden in Daniels Schulklasse wählten die Eltern Herrn Lührs, ich ließ mich als Stellvertreter wählen. Wichtige Ämter in den Schulklassen, um das Zusammenspiel Eltern-Lehrer besser zu koordinieren und wichtige Entscheidungen letztlich für die Kinder zu treffen. Ich übernahm auch zusätzlich den Vorsitz des Fördervereins der Schule, der über Spendengelder existierte und besondere Anschaffungen finanzierte, die den eigentlichen Etat der Schule sprengen würden.
Verschiedene Schulveranstaltungen halfen, um mit den Einnahmen den Verein auch als echte „Förderung“, im weitesten Sinne, an zu sehen. Es gab eine lange „Lehrerwunschliste“ für angehende Investitionen, und die musste bedient werden.
40.Geburtstag
3. Februar 1991, ich feierte mit vielen Freunden, Bekannten und Verwandten meinen 40.Geburtstag. Ein großer blauer Luftballon mit diversem Inhalt, übergeben von unseren Nachbarn Monika und Manfred Bressin, hing ich erst einmal unter die Wohnzimmerlampe, weitere Gäste waren Wilhelm und Claudia Büschler, Detlef und Gabi Baldauf, Gerlinde und Jürgen Dillmann. Zum Nachmittagkaffee kam die whole family. Wir feierten zusammen einen lustigen Tag.
Panoramapark
Am 19.Mai 1991 besuchten wir den Panorama Park im Rothaargebirge des Sauerlandes. Auf einer Fläche von 800 T m² gibt es hier einen recht großen Wildpark mit Rothirschen, Damwild, Wildschweinen, Mufflons, dazu ein Gehege mit Wölfen und eine Greifvögelshow durch einen Falkner. Schon das Durchwandern dieses Wildparks verleiht einem das Gefühl der Freiheit, um in einer natürlichen Umgebung diese Tiere zu beobachten. Die Greifvögel sind faszinierende Tiere, sie wirken so stolz und unbezwingbar. Die Vorführungen des Falkners waren wirklich sehenswert.
Zur Freizeitattraktionen des Parks gehören der Rothaarblitz und der Wasserbob. Beide Bahnen nutzten wir. Für die Sommerrodelbahn waren unsere beiden Jungens leider noch zu jung. Ein Leierkastenmann, älteren Datums, dunkel gekleidet mit Frack, weißem Hemd, dunkler Fliege und einem weißen Kavaliertaschentuch in der äußeren linken Brusttasche, also sehr auf Gentleman getrimmt, Kavalier der alten Schule, freute sich auf unser Interesse an seinem sehr alten Instrument. Er animierte uns alle zum Musizieren, und wir merkten, dass zu dieser Art Musik machen sehr viel Übung gehört.
Eine Besonderheit des Parks ist die Einbindung in die Natur und die Aufteilung in einen Tal- und einen Bergbereich.Beide Parkteile sind über einen Sessellift, der Parkbahn oder zu Fuß über die Rhododendronallee zu erreichen, Überall gab es für die Kinder Kletterburgen, Klettergestelle, ein Rutschenparadies, also ideal zum Austoben, und das taten Daniel und Christian so ausgiebig, dass sie die Rücktour im Auto nur noch verschliefen.
Kindergarten Hülsenbusch
Im Kindergarten bekleidete ich mittlerweile das Amt des Elternratsvorsitzenden. Herr Lührs, mein Vorgänger, wurde in der Grundschule Hülsenbusch der Vorsitzende der dortigen Elternschaft, ich übte das Amt des Stellvertreters aus. Die Anzahl der Kinder in den beiden Kindergartengruppen stieg rasant, die Neuanmeldungen und die auf einer Warteliste nahm bereits bedenkliche Formen an. Die Überlegungen, eine zusätzliche Gruppe zu integrieren fand bei den Stadtverantwortlichen wenig Gehör. Also beschlossen wir Eltern, auf meine Anregung hin, die Angelegenheit selbst zu regeln, und schlugen der Stadt vor, eine 400 DM-Kraft über die Elternschaft ein zu stellen, die erst einmal im kommenden halben Jahr als Hilfskraft, neben den eigentlichen Kindergärtnerinnen, die Arbeit unterstützt. Die Stadt Gummersbach meldete rechtliche Bedenken an, das Thema Versicherung im Arbeitsrecht usw. stellte eine große Hürde da. Aber nach verschiedenen Verhandlungen erhielten wir grünes Licht und wir stellten offiziell unsere Nachbarin Monika Bressin ein, die für Kinder im betreffenden Alter ein besonderes Händchen hatte.
Keiner der 40 Elternpaare stellte sich quer, alle bezahlten monatlich die 10DM.
Es war immer was los!
Christian gehörte in der Zwischenzeit mit seinen engsten Freunden zu denen, die am Meisten anstellten, wahrscheinlich brauchten sie besonders viel Aufmerksamkeit. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht irgendetwas vorfiel. Die Klagen der Kindergartenleiterin Rita nahmen zu, die Gruppenleiterin Rosi, nahm die Vorfälle etwas gelassener, ich würde sagen, sie amüsierte sich sogar darüber. Was war passiert?
Ich verbrachte meine Mittagszeit oft zu Hause, Rita hatte gekocht, wir warteten auf Christian`s Kommen. Ein Anruf vom Kindergarten, die Leiterin war am Apparat und bat mich dringend zu erscheinen.
Christian und sein Freund Matthias Bielecke hatten mit doppelseitigem Klebeband die Toilettentüren und Brillen zugeklebt, keiner konnte die Becken benutzen. Die Kinder standen schon ganz wippelich herum und wussten nicht ob sie in die Hose machen oder vielleicht doch einen Eimer benutzen sollten.
Klar, die Lage war ernst, aber ein Lachen konnte ich mir nicht verkneifen, die Gruppenleiterin Rosi schmunzelte auch sehr zurückhaltend. Die Leiterin Rita rastete bald aus, weil sie die verdexten Klebestreifen so schlecht von den Klobrillen bekam, und außerdem fand sie es nicht gut, dass ich so lachte. Naja, ich musste wohl für meinen Filius gut Wetter machen und versuchte die Sachlage zu entspannen.
Ein paar Tage später erreichte mich wieder ein Anruf vom Kindergarten, es war ca. 11.15 am Vormittag, Christian und sein Freund Jan Phillipp Ganser waren verschwunden. Ein geöffnetes Klofenster konnte nur deren Fluchtweg sein, denn darunter stand ein Stuhl, um besser aus dem Fenster klettern zu können. Natürlich versetzte dies alle Beteiligten in helles Entsetzen, die Stimmungslage war entsprechend auf dem Tiefpunkt. Wir riefen bei Oma Ganser, Jan Phillipps Oma, an und fragten nach den beiden. Sie sagte nur, dass die Ausreißer gerade dabei waren, frische Pfannkuchen zu essen.
Es versprach ein sehr warmer Tag zu werden, die Kinder im Kindergarten sollten draußen spielen. Aber einigen von ihnen behagte das warme Wetter doch nicht so, und sie zogen es vor im kühleren Bereich, sprich Waschraum und Toilettenanlage, diverse Wasserspiele zu veranstalten. Christian erzählte später, zum Wasserspritzen brauchst du viel Wasser, also verstopften sie die Abflüsse in den Waschbecken und ließen das Wasser laufen. Aus dem harmlosen Bespritzen verwandelte sich der Waschraum im Nu in eine mittlere Badeplantschanstalt, zumal die Becken überliefen, die Jungen hatten ihren Spaß, die Kindergartenleitung aber gar nicht mehr….
Sommerfest
Das Sommerfest des Hülsenbuscher Kindergartens fand statt. Herrliches Wetter, also konnte vieles im Freien veranstaltet werden, diverse Kinderspiele mit der Einbeziehung der Eltern, es gab selbstgebackenen Kuchen zu kaufen, Klaus Nawrocki, einer der Väter eines Kindergartenkindes, und ich grillten Würstchen fertigten Hamburger und zapften frisches Bier. Wie immer gelangte der Erlös in die klamme Kindergartenkasse.
Es dauerte nicht lange, und viele Menschen bevölkerten das Gelände des Kindergartens, unter anderem auch ehemalige Eltern mit ihren Sprösslingen, so auch die Familie Minnich aus Hülsenbusch fanden den Weg zu den kulinarischen Köstlichkeiten. Ich wusste, dass Herr Minnich sehr gerne viele Bratwürste aß, und das förderte doch unseren Umsatz. Und siehe da, er hielt sich überwiegend in der Nähe des Holzkohlengrills auf, während seine Frau sich mehr den Bäckereiprodukten widmete. Klaus Nawrocki füllte bereits etliche Biergläser, unter anderem auch für uns, damit wir den Minnich so richtig in Stimmung versetzen konnten. Klaus und ich standen auf einer Wellenlänge und füllten ihn so richtig abwechselnd ab, zwei Bier, eine Wurst, zwei Bier eine Wurst. So entstand im Verkauf eine wahre Routine. Minnich bekundete erst einmal zu pausieren, denn seine Frau betrachtete ihn schon mit ganz ernsten Blicken. Aber je mehr das Ende des Festes nahte, je mehr bekam Minnich sehnsüchtige Augen auf die bruzzelnden Köstlichkeiten. Klaus und ich taten, als wenn wir nichts bemerkten, aber wir wussten, der kommt gleich. Und siehe da, zwei Bier eine Wurst. Bloß unser Vorrat an Würsten schwand, wir riefen dem guten Minnich zu, er solle sich noch beeilen, wenn er noch ein paar Würste möchte. Freundschaftspreis, zwei Würste für den Preis von einer, er machte mit. Die letzten sechs Bratwürste vertilgte unser Freund Minnich, das letzte Glas Bier tranken Klaus und ich.
An Christian`s 6.Geburtstag wurde mit der gesamten Rasselbande ein belebter Kindergeburtstag gefeiert, mit viel Kuchen, Spielen in verschiedenen Variationen. Natürlich kamen zum Kaffee auch die Verwandten.
Nachbar Hildenbrand
Über unsere unmittelbaren Nachbarn Hildenbrand möchte ich auch noch berichten. Das Ehepaar lebte viele Jahre in Botswana, einem Binnenstaat in Südostafrika, Grenzland zu Namibia und Südafrika, der größte Teil des Landes wird durch die Kalahari-Wüste bestimmt. Nach der Rückkehr in die zivilisierteren Gegenden siedelten sie sich in Hülsenbuach an und kauften ein Fertighaus. Ihre Adoptivkinder, ein Geschwisterpärchen, lebten als Kleinkinder mit in Afrika, und wurden hier sehr im christlichen Glauben und ohne Fernsehen erzogen. Man kann sagen, die Hildenbrands verloren etwas die Realität und bemerkten das wirkliche Leben in einer anderen Version. Aber wie das so im Leben ist, kann man sich auch mit solchen Nachbarn arangieren und sich gegenseitig aushelfen. Beide arbeiteten über die evangelische Kirche im sozialen Hilfsdienst, der Betreuung von älteren Leuten. In ihrer Freizeit lebten beide sehr für ihren Garten, das Anpflanzen von seltenen Pflanzen und das Züchten von Orchideen. Als Haustier hatten sie regelmäßig einen halbwilden zugelaufenen Kater, der sich nur von wenigen Menschen anfassen ließ. Einer dieser wenigen Menschen war ich. Wenn Hildenbrands in den Urlaub fuhren oder mal für ein paar Tage nicht anwesend waren, sollte ich den Kater versorgen. Dieses sehr eigenwillige Tier holte mich zu den Fütterungszeiten ab, ging es nicht schnell genug, kniff er schon mal in die Wade, um zu demonstrieren, wer der Herr in der Umgebung ist. Eines Tages erlaubte sich dieses liebe Mistvieh ein paar Takte zu viel. Warmer Tag, morgens, der Kater saß vor unserer Haustür und jaulte ganz jämmerlich. Ich reagierte nicht direkt und wollte erst mein Frühstück beenden. Das jämmerliche Jaulen änderte sich in ganz andere Töne, sie wurden unwirscher und ungeduldiger. Endlich war es soweit, ich kam aus der Haustür, das Tier schaute mich etwas schräg an, lief vor mir her, drehte sich zwischendurch um und gab sehr knurrende Jaultöne von sich, so als wenn es sagen wollte, das machst du nicht noch einmal mit mir.
Im Nachbarhaus angekommen, griff ich zu diesen Katzenfutterdosen, dem Futternapf, und wollte dieses mit dem Fleisch-Gemüse-Gericht füllen, als der Kater fest in mein rechtes Handgelenk schnappte und es für einen Moment nicht losließ. Er biß nicht durch, aber stellte damit seine Machtposition klar. Dieses Verhalten ließ ich mir nicht gefallen, und schnauzte ihn sehr lautstark an, jagte ihn quer durch das Haus und versprach, dass er den ganzen Tag nichts zu fressen bekäme. Wegen meines lautstarken Schimpfens verkroch er sich unter einem vor dem Haus abgestellten PKW und fauchte mich an.
Ich machte meine Androhung war, der Kater strich den ganzen Tag um unser Grundstück, schaute mich aus Entfernung klagend an, jaulte schon mal, hatte aber mein Verhalten verstanden. Am Abend bekam er sein überfälliges Freßchen, und er vermied es mir zu Nahe zu treten. Er ließ sich sogar mit einem etwas verspäteten Schnurren hinter den Ohren kraulen.
Kundenservice
Schadensbearbeitungen gehörten zu meinem täglichen Geschäft. In einem Haus in Lantenbach brach die Hauptleitung der Wasserversorgung, der zuständige Sachbearbeiter, Herr Winkler, des Wasserwerkes und ich machten uns auf, um den Schaden zu besichtigen. Ein älteres Haus, Hauseigentüer ein älterer Mann, der uns die Haustür nur mit einem ganz kleinen Spalt öffnete, so als wenn er nicht nur Angst vor Fremden hatte, nein, er war auch sehr eigentümlich und menschscheu. Nach einigem Hin und Her ließ er uns ins Haus.
Meine Güte, so etwas hatte ich noch nicht gesehen. Den Hausflur betrat man nur im seitlichen Gang, alles war mit Zeitungen vom Fußboden bis zur Zimmerdecke mit Zeitungsstapeln der letzten dreißig Jahre versehen. In der Küche stand ein Tisch mit drei Stühlen und drum herum stapelten sich gesäuberte Plastikschälchen von Rama, Sanella, Joghurtbecher, dazwischen sauber aufgetürmt wiederum Zeitungsstapel, ein Blick in das Wohnzimmer, das gleiche Bild. Wo war der Schadensort?
Der Mann sagte: im Keller, wo wir versuchten hinzugelangen. Die Kellertreppe konnte man ebenso wenig normal benutzen, man hatte nur die halbe Treppenbreite (vielleicht 50cm)zum Hinuntergehen zur Verfügung, Zeitungen so weit das Auge reichte. Im Keller bot sich uns das gleiche Bild. Wie soll hier ein Handwerker seiner Arbeit nachgehen? Ergebnis: Das gesamte Haus musste erst entmüllt werden, aber wer wagt sich an diese Lebensaufgabe heran? Zeitungen drei Jahrzehnten, unglaublich aber wahr.
Im Büro tranken Herr Winkler und ich zunächst mal einen Kaffee und überlegten die nächsten Schritte. Ich rief den Sohn des Geschädigten an, der sich letztlich der Sache annahm.
Weitertbildungen - technische Erneuerungen
Das Jahr 1990 brachte beruflich einige Weiterbildungen über das Provinzialausbildungsprogramm im Schulungszentrum Bruchhausen am Rhein. Ich absolvierte verschiedene Kurse über die neuesten Gesetze im Bereich Handel-Handwerk-Gewerbe, Steuern und Krankenversicherung. Dafür waren meistens mehrtägige Aufenthalte in Bruchhausen nötig. Ferner stellte ich eine neue Mitarbeiterin ein, Frau Wienand, die Ehefrau des Sparkassenleiters von nebenan. Sie wohnte ganz in der Nähe und kannte natürlich viele der Kunden persönlich. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, den richtigen Schritt gemacht zu haben. Das Büro baute ich um, den großen Büroraum teilte ich mit einer Aluprofilwand und einer Schiebetür, um diesen neu gewonnenen Raum zur Aktenaufbeeahrung zu nutzen. Der hintere Raum zum Hof diente als mein Besprechungszimmer. Unsere Bürotechnik veränderte sich, wir erhielten einen Computer mit einer Speicherkapazität von 100MB. Der Datentransfer lief über Disketten, die postalisch zur Hauptverwaltung nach Düsseldorf geschickt wurden. So nach und nach führte man von Seiten der Provinzial ein sogenanntes PRODAS-System ein, welches die einzelnen Versicherungssparten computertechnisch erfasste, damit wir dem Kunden über diese Möglichkeit Angebote erstellen konnten. Dieser Beginn im Beratungsmodul war eine wahrhafte Erleichterung und ein Meilenstein in der Versicherungswirtschaft. Es dauerte nicht lange, da löste man diesen Computer durch eine neuere Version mit einer Speicherkapazität von 300MB ab. Zusätzlich baute die Telekom, im Auftrag der Provinzial, veränderte Telefonleitungen mit der Möglichkeit des Bildschirmtextes, dem sogenannten BTX, im Büro ein. Zum Umgang mit BTX nahmen wir alle an umfangreichen Einführungsseminaren teil, um diese neue Art von Kommunikation zu begreifen und an zu wenden. Die Anlage wurde bei uns im Büro eingebaut, getestet und mit speziellen IT-Leuten aus Düsseldorf in praktischen Schritten vor Ort angewandt.
Im Laufe der Zeit bekamen wir eine gewisse Routine in diese Art von Datenverarbeitung, fast jede Woche wurde hierzu ein weiteres Bausteinchen ergänzt und erweitert. Zu bestimmten Tageszeiten konnte man die neuen Kundendaten, Schadensmeldungen, Scheckauszahlungen und Bestätigungen nach Düsseldorf senden bzw. umgedreht bekamen wir deren Daten zum Ausdruck auf einem Thermodrucker.
Für unseren Urlaub 1992 im Schwarzwald mieteten wir eine Ferienwohnung neben einer Ferienwohnanlage in Wittendorf, Kreis Freudenstadt. Wittendorf ist ein Teilort der Gemeinde Loßburg und geschichtlich in eingeweihten Kreisen recht bekannt. Es wurden aus der Mittel- bis Jungsteinzeit menschliche Spuren nachgewiesen. Unter anderem fand man einen „Schlagplatz“, ein Ort, wo man Feuerstein-Werkzeuge sicherte. Weiterhin sichtete man aus der keltischen Zeit einen zerstörten Grabhügel, wo auch Körper-oder Brandbestattungen stattfanden. Im Umkreis stieß man auf verschiedene Grabbeigaben, aus neuerer Zeit Münzfunde und andere Gebrauchsgegenstände verschiedener Epochen. 1514 gab es einen Bauernaufstand Armer Konrad gegen die Herrschaft in Loßburg und das Kloster Alpirsbach.
Armer Konrad nannten sich die geheimen Bauernbünde, die sich gegen die Feudalherren1514 in Württemberg erhoben. Der Adel beschimpfte die Bauern als arme Teufel oder armer Kunz.
Die Bauern drängte man immer weiter in die Leibeigenschaft, sie wehrten sich gegen Hungersnöte und weiteren Drangsalierungen.
Das Ferienhaus, steile Hanglage, beinhaltete zwei Wohnungen, die Dachgeschoßwohnung war für die 14 Tage unser Domizil. Um zur Wohnung zu gelangen stiegen wir neben dem Haus eine Treppe hinauf und konnten dann ebenerdig von einem Plateau die Wohnung betreten. Über dem Haus befanden sich ausgedehnte Kornfelder und Weiden. Von hier oben blickte man über das ganze Tal und linksseitig zu der großen Ferienanlage mit einer Gastwirtschaft, einem Lebensmittelladen und einem großen Kinderspielplatz, den unsere Jungs direkt mit in Beschlag nahmen. Hier lernten sie auch andere Kinder kennen. Unsere Wohnungseinrichtung bestand aus zwei Schlafzimmern, Bad und Wohnküche mit Essecke, sehr praktisch eingerichtet, dazu ein Balkon mit Blick über das Tal.
Loßburg ist ein Luftkurort im nördlichen Schwarzwald und gehört zum Landkreis Freudenstadt. Hier entspringt der Fluß Kinzig, der nach ca. 95 Km bei Kehl in den Rhein mündet. Die Geschichte des Ortes geht bis 1252 zurück, als die damaligen Feudalherren, die Geroldsecker, eine Burg, die Loseburg, zwischen 1252 ind 1273, auf dem heutigen Gebiet von Loßburg mit dem als Stadt geplanten Ort bauten. Eine Stadtrechtsverleihung gab es allerdings nie, dafür 1301 die Marktrechte. Von der Kinzig bis zur Burg zog man zum Schutz der Burg einen Wassergraben, heute Mühlbach genannt, der dem Ort gleichzeitig als Wasserversorgung diente. Die Ver-sorgung fiel für die Bevölkerung von Loßbach nicht gerade üppig aus, sodaß im Jahre 1539 strenge Regelungen für den Wasserverbrauch der Kinzig erlassen wurde. Zur Gleichbehandlung aller Anwohner baute man einen Wasserschöpfplatz, um den Verbrauch gerecht zu regeln. Die Geroldsecker lebten, wie viele andere Herrschaften über ihre Verhältnisse und verpfändeten die Ländereien, die ab 1501 in den Besitz vom Kloster Alpirsbach gelangten. Bekannterweise lehnten sich die Bauern gegen das Kloster in den Bauerkriegen auf, wobei der Loßburger Anführer Thomas Maier 1525 öffentlich enthauptet wurde.
Einer der Sehenswürdigkeiten von Loßburg ist die Burgruine Sterneck der Geroldsecker, sowie die alte historische Heimbachmühle aus dem 13.Jahr-hundert, wo heute ein Gasthof vertreten ist.
Von besonderem Interesse ist die sehr alte Kirche Zu unserer lieben Frauen, die Jahrhunderte lang ein Wallfahrtskirche war. Der jetzige Besitzer baute in mühsamer jahrelanger Kleinarbeit zu einem Cafe und Gasthaus um, dabei erhielt er die eigentliche Bausubstanz und sicherte die vielen Schichten der historischen Wandmalerei, um Kunstliebhabern den Ort wieder zugänglich zu machen. Die Saalkirche mit rechteckigem Chorraum stammt aus der Zeit um 1230 bis 1250.
Der Baumeister Heinrich Schickhardt erhielt 1598 von Herzog Friedrich I. von Württemberg den Auftrag das Gebiet um das heutige Freudenstadt zu untersuchen, um dort mit der Planung eines Stadtbaues zu beginnen und dies durch zu ziehen. Der Stadtbau sollte der von Freudenstadt sein, aber der Baumeister fand die Idee nicht so gut und hatte dazu folgenden Kommentar abgegeben:
Da hab ich, alß es noch ein wald gewesen, den ersten augenshein ein genommen, den Boden an vilen undershidlichen orten zemlich tief ersuochen lassen, aber wenig guots gefunden, dero wegen ich in underthonigkhait darfür gehalten, das nit Rhatsam ein Stat dahen zu bauwen.
Am 22.März 1599 wurden die ersten Häuser und Straßen abgesteckt, die Häuser um den Marktplatz mit zum Platz gerichtete Giebel im Fachwerkstil erbaute man als erste, die Winkelkirche und weitere Gebäude im Winkelstil folgten. Im weiteren Umland warb man um Ansiedlungswillige, denen man mit blumigen Versprechungen die Besiedlung schmackhaft machen wollte. Es meldeten sich viele protestantische Glaubensflüchtlinge aus den Nachbarstaaten, so dass in kurzer Zeit die Stadt rund 3000 Einwohner verzeichnete. Im Jahr 1610/11 brach die Pest aus, es raffte 800 Menschen dahin. Viehkrankheiten und Missernten verschlimmerten die Lage, sodaß viele Menschen wegziehen mussten. Als ein Feuer im unteren Marktplatz einige Häuser zerstörte, war die Katastrophe komplett. Der Erbauer der Stadt, Heinrich Schickhardt, faste den Schaden zusammen:
Auff den 24. Maii anno 1632 ist in der Fredenstatt eine ershröckhliche brunst außgangen, [darin sind 3 Personen gestorben und 144 Häuser abgebrannt. Das Feuer ist in der Herberge zum Güldenen Barben ausgebrochen, welches das erste Haus überhaupt in dieser Stadt war. Es ist ein Überschlag gemacht worden, dass sie zu Erbauung der abgebrannten Häuser samt 8 Scheuern bedürfen an Eichen- und Tannenbauholz: 18.577 Stämme, Bretter 44.125 und Latten 44.350.]
Als im dreißigjährigem Krieg die kaiserlich-habsburgischen Truppen erneut Gebäude in Brand setzten und verschiedene Einwohner umbrachten, 1635 wiederum die Pest ausbrach, erlosch fast sämtliches Leben in der Stadt und sie blieb über einige Jahre weitgehend verödet. Erst 1667 entdeckte Herzog Eberard III. die Neuentstehung von Freudenstadt, erklärte die Stadt zur Festung und ordnete den Bau einer Stadtmauer an.
Das ehemalige Benediktinerkloster Alpirsbach erhielt am 16.01.1095 seine Weihe vom Konstanzer Bischof Gebhard III, die freie Abt- und Vogtswahl so wie ein uneingeschränktes Besitz und Verwaltungsrecht. Weiterhin stellte der Pabst die Klosteranlage unter päpstlichen Schutz, Kaiser Heinrich V. bestätigte diese Rechte. Im Laufe der Zeit eroberte der Adel die Lebensweise des Klosters. Viele nachfolgende Äbte kamen aus dem niederen Adel des Umlandes, deren Vermögen teilte man in Einzelpfründe, sodass die adelige Mentalität im Kloster die Oberhand gewann. Das 16. Jahrhundert mit seinen Wirren der Reformation, den Bauernaufständen konnte das Kloster nichts entgegensetzen. 1535 sorgte Herzog Ulrich von Württemberg für die Aufhebung der Glaubensgemeinschaft und der Existenz von Kloster Alpirsbach.
Unser Besuch galt dem Freilichtsmuseum Vogtsbauernhof in Gutach, der das Leben, Wohnen und Arbeiten der Menschen im Schwarzwald der letzten Jahrhunderte darstellt. Eine große wirtschaftliche Bedeutung für die Waldbauern war die Forstwirtschaft, da deren Holz über Flöße bis nach Holland für den Schiffsbau und dem Pfahlbau verwand wurde. Für den Hausbau im Schwarzwald imprägnierte man die Fachwerkkonstruktionen mit Ochsenblut, um sie besonders haltbar zu machen. Die gefertigten Holzbohlen gelangten nach dem Zuschnitt in große längliche Tröge, wo sie bis zu einem halben Jahr in dieser mit Blut angereicherten Lake wässerten. Der Holzreichtum lieferte anderen Wirtschaftszweigen den Grundstoff für die Holzkohlenmeiler, Pottaschenherstellung und Glasbläserei. Bekannt ist noch heute die Herstellung von Waldglas. So bezeichnet man durch Eisenoxide grünlich gefärbtes Pottascheglas, welches zwischen dem 12. und 17.Jahrhundert nördlich der Alpen in Waldglashütten hergestellt wurde.
Wir unternahmen eine ausgedehnte Wanderung durch das Kinzigtal und erreichten die Kleinstadt Schiltach, im Mittleren Schwarzwald an der Mündung der Schiltach, die dort an der engsten Stelle des Kinzigtals in die Kinzig fließt. Die Altstadt steht unter Denkmalschutz und ist durch die prachtvoll hergerichteten Fachwerkhäuser sehenswert. Die Ersterwähnung von Schiltach geht auf das Jahr 1275 zurück, ummauert mit Stadttoren und einer darüberliegenden Burg Schiltach zur Verteidigung. Die Stadt sollte Durchreisenden den nötigen Schutz und Unterkünfte für Mensch und Tier bereitstellen, um vor dem steilen Anstieg nach Rottweil ausgeruht und ge-stärkt die weitere Reise wagen zu können. Wie oft in der Geschichte wechselten auch hier die Grundstückseigner den Besitzer, weil die vielen Empfänge und Festivitäten die Reserven der Herzöge von Urslingen aufbrauchten. Im Jahr 1381 kauften die Grafen von Württemberg Stadt und Land von Schiltach und blieb bis in das Jahr 1810 in deren Besitz.
Kurz hinter Schiltach liegt die Burgruine Willenburg, deren Erbauungszeit auf ca. 1100 anzusetzen ist. Die Burg sollte Vorbeireisende versorgen, wurde später aber von Schiltach abgelöst, weil eine befestigte Stadt mehr Möglichkeiten zur Versorgung besaß. Die Burg verfiel und wurde in der Substanz abgetragen. Bei Ausgrabungen sichtete man Fundamente, Mauerteile, Keramikreste, Wälle und einen 30,3m tiefen Burgbrunnen, somit bestätigten sich verschiedene Theorien und das genauere Alter der Burganlage konnte berechnet werden.
Wir wandern am oberen Teil des Kinzigtales weiter und blicken genau auf den Dohlenbachwasserfall, der in vier Gefällstufen etwa 30 Meter tief stürzt. Der Dohlenbach ist ein kleiner rechter Seitenfluss der Kinzig und entspringt auf dem Elmlisberg, auf welchen wir zu dem Zeitpunkt schauten.
Unser Weg führte weiter an der Talsperre kleine Kinzig entlang, die zur Trinkwasserversorgung, dem Hochwasserschutz und der Stromerzeugung aus Wasserkraft dient. Die Hochwasserentlastung ist in einem kreis rundem Turm mit Überlauf untergebracht. Der Stausee hat eine Länge von 3Km eine Breite von 450 Meter, eine Tiefe von 60 Meter und liefert jährlich zwischen 3 und 8 Millionen m³ Trinkwasser. Daniel und Christian machte der lange Fußmarsch und das warme Wetter zu schaffen, sie fingen an zu maulen, von wegen wandern, ist alles blöd, ist doch etwas für alte Leute. Rita und ich hatten Mühe, sie zu beruhigen. Aber deren Miene hellte sich auf, als wir auf ein Haus zu steuerten welches sich Bärenschlössle nannte und ein Restaurant-Cafe beherbergte. Auf der Terrasse unter einem Sonnenschirm mit einem schönen leckeren Eis ließ es sich aushalten.
Wie immer ging auch dieser Urlaub einmal zu Ende, wir erlebten schöne erholsame 14 Tage, für jeden von uns war etwas dabei, was ihn positiv stimmen konnte.
Büroalltag
Die reale Welt hatte mich wieder, der Büroalltag musste erst einmal aufgearbeitet werden, wie immer stapelte es sich an Post, Anfragen von den Kunden, Schadensregulierungen, es war viel zu tun. Der Revisor aus Düsseldorf sagte sich an, er wollte die Kontokurrentauszüge der letzten 2 Jahre durchsehen, sämtliche Scheckdurchschriften mit den dazu gehörenden Schadensniederschriften sollten kontrolliert werden. Ich suchte sämtliche Vorgänge zusammen, damit ich lückenlos alle Vorgänge präsentierte. Aus Erfahrung dauerten diese sehr wichtigen Kontrollen für die Provinzial einen ganzen Tag. Er beanstandete nichts, schrieb mir ein positives Sichtungsprotokoll und suchte direkt den nächsten Kollegen auf.
Christian`s Einschulung
Nun war es so weit, Christian durfte endlich zur Schule gehen. Stolz zeigte er seine Schultüte und natürlich seinen neuen Schultornister mit allen neuen Requisiten für künftige Schulstunden. Mich wählten die Eltern als Elternratsvorsitzenden.
Christian`s erster Schultag 1992
Daniel als Schulmeister
Die Klassenlehrerin von Daniel an der Grundschule Wegescheid, Frau Tillmanns, studierte mit ihrer Klasse ein Theaterstück ein, in dem Daniel einen strengen Schulmeister spielte. Er spielte die Rolle so überzeugend, dass er vom Eltern- wie auch Schülerpublikum Sonderapplaus erhielt. Er hatte sich so sehr in diese Rolle gesteigert, dass er seine mitspielenden Klassenkameraden zu Höchstleistungen mit zog.
Am 12. November 1992 verstarb Gerda von Wirtz, Rita`s Schwester, im Alter von gerade 50 Jahren an Krebs. Alle waren geschockt, auch wenn nach der langen Krankheitsgeschichte die Eingeweihten wussten, dass ihr medizinisch nicht mehr zu helfen war. Trotzdem stirbt die Hoffnung erst zuletzt. Durch den Tod von Gerda verabschiedete sich auch ein ruhender Pol in der Familie. Sie war immer für andere da, half sehr selbstlos, stellte sich nie gerne in den Vordergrund, hörte zu und war immer ansprechbar. Rita hing sehr an ihrer älteren Schwester und brauchte lange, um diesen Verlust seelisch zu verdauen. Seit der Zeit bröckelte auch der familiäre Zusammenhalt, alle orientierten sich anders, die Zeiten für bestimmte Besuchsphasen mussten persönlich neu organsisiert werden. Das heißt nicht, dass man sich weiterhin nicht in bestimmten Momenten half, sondern eine feste Größe im allgemeinen Besuchzyklus fehlte, die man aus seiner Gewohnheit streichen musste.
Freund der Fische
In der Nähe von Morsbach besuchte ich ein Holzfäller-Familienunternehmen, um diverse Versicherungen zu ändern und umzuschreiben. Ich wurde bereits mit viel Kaffee und Kuchen erwartet, denn hier werden Besucher noch wie Heilige betrachtet und behandelt. Kurze Beschreibung der Leute: Familienoberhaupt: fünfzig Jahre, graue Haare, unglaublich dröhnende Stimme, Größe ca. zwei Meter, muskelbepackt, raue rissige Hände, seine zwei Söhne: Zwillinge, Ebenbild des Vaters, nur jünger. Die Frau: sehr klein, drahtig, hat alles voll im Griff. Dazu ein Bernhardiner, passte sich seinem Herrchen irgendwie an.
Wir saßen am Wohnzimmertisch, große Kuchenplatte, viel Kaffee, die Zwillinge schaufeln sich Mengen des Kuchens hinein, so etwas habe ich vorher noch nicht gesehen. Dann klappt eine Tür, der große Hund betritt die Showbühne, haut mit dem Schwanz gegen ein riesiges Aquarium, dass es erzittert und vibriert, die Fische im Becken scheinen diese Zeremonie zu kennen, denn kein Fisch scheuchte hin und her. Dann setzte sich dieses große Hundevieh auf den Hinterpfoten neben sein Herrchen auf die Couch, schüttelt sich, dass die Schaumfetzen vom Maul durch die Gegend fliegen und über dem Tisch sich verteilen. Keinen der Anwesenden scheint dies zu stören, der Kuchen wird genau so weitervertilgt, wie vorher.
Nichts für schmächtige Leute
Diese Holzfäller sind es gewohnt hart zu arbeiten und gleichen viele Vorgänge im Wald mit ihren unglaublichen Kräften aus. Ein Kaltblüter-Wallach rückte mit ihnen die Baumstämme raus, kraftvoll und eigensinnig. Wenn das Tier keine Belohnung in Form einer Mohrrübe bekam, blieb es stur wie ein Esel und ließ sich nicht von der Stelle bewegen. Ein Bild für sich, der alte Holzfäller und der Gaul, die beäugten sich schon mal misstrauisch, kannten aber die Eigenheiten des anderen ganz genau. Manchmal wurde das Tier auch für sportliche Übungen genutzt, erst viel getrunken und gewettet, und dann als der Höhepunkt, mit den Schultern unter den Bauch des Wallachs gedrückt und gleichmäßig das Tier so anheben, dass kein Huf mehr auf der Erde stand. Diesen Kraftakt schafften die Zwillinge inzwischen auch, sodass sich niemand mehr zum Wetten hinreißen ließ.
Meine Eltern erhielten die Kündigung des Mietvertrages ihrer Wohnung in Bremen, die Kündigungsfrist betrug auf Grund ihrer langen Mietzeit ein halbes Jahr, also Zeit genug, sich um eine neue Bleibe zu bemühen. Die Sachlage erschwerte sich, als meine Mutter wegen diverser Schwindelattacken in der Badewanne umkippte und sich dabei erheblich verletzte. Es musste eine wirklich altengerechte Wohnung her, ebenerdig, keinen so langen Treppenaufgang wie in der bisherigen Wohnung in der Schwachhauser-Heerstraße in Bremen. Marianne und Wilfried machten sich auf, eine entsprechende Behausung zu finden, aber sie hatten kein Glück.
Im Haus unserer Gegenüber-Nachbarn Bressin zogen die bisherigen Mieter aus der Souterrainwohnung aus, ebenerdig, ideal geschaffen für ältere Herrschaften. Ich informierte meine Eltern, sie schauten sich die Wohnung an, sagten zu und mieteten die Wohnung sofort zum 01.03.1993. Man muss dabei erklären, dass ich im Vorfeld bereits mit meinem Schwager Hans und den Neffen Ulrich, Markus und Dirk abgeklärt hatte, den möglichen Umzug von Bremen nach Hülsenbusch in eigener Regie zu übernehmen. Genau so beratschlagten Rita und ich über die Renovierung der Souterrainwohnung in der unmittelbaren Nachbarschaft, sodass meine Eltern sich kostenmäßig auf der Sonnenseite befanden. Dieses gesamte „Paket“ und die sichere Nähe zu uns und ihren Enkeln gaben den Ausschlag, nochmals einen so weiten Umzug zu wagen.
Meine Schwester Marianne und ihr Mann Wilfried betrachteten diesen Endschluss meiner Eltern, im fortgeschrittenen Alter noch einmal diesen Schritt zu wagen, als persönliche Niederlage. In der großen Stadt Bremen, wo doch viel für ältere Leute getan wird, fanden sie keine passende altengerechte Wohnung. Sie hatten den Eltern doch tatsächlich mit folgendem Satz die Pistole auf die Brust gesetzt: Wenn ihr nach Hülsenbusch zieht, helfen wir euch nicht. Überhaupt so etwas zu sagen, war nicht nur kindisch sondern eine reine Charakterlosigkeit, die den ganzen Egoismus von beiden wiederspiegelte.
Die nachfolgenden Telefonate mit den Harmeningern waren so beschämend, beleidigend und unmöglich, dass man sich fragte, wo hatten die beiden ihre gute Kinderstube gelassen?
Rita und ich mussten uns viele Beschimpfungen anhören, obwohl ich nur darum bat, gewisse logistische Überlegungen zwecks Parken des Möbelwagens auf dem Hinterhof, Breite der Einfahrt etc. mir mit zu teilen und ggf. aus zu messen, oder auch eine Sondergenehmigung des Ordnungsamtes Bremen zwecks Benutzung des Bürgersteiges und Radfahrweges im Hauptkreuzungsbereich der Ampelanlage zu besorgen.
Ich setzte mich telefonisch mit dem Vermieter in Verbindung und erklärte ihm die ganze Situation. Er war froh, uns helfen zu können, zu mal er schon ein schlechtes Gewissen wegen der Wohnungskündigung hatte, aber Eigenbedarf und Übernahme des im Haus befindlichen Ladens waren Argumente genug. Er bestätigte das Parken und Ausladen auf dem Hof, weil diverse Containerfahrzeuge die Hofeinfahrt in der Breite ebenfalls befahren konnten, und der Möbelwagen bei normaler LKW-Breite dann keine Probleme hätte. Damit löste sich das Rätsel fast alleine.
Rita und ich renovierten die neue Wohnung in Hülsenbusch, vom Tapetenabreißen bis zum Elektrokabeleinbau, Verputzen, Streichen, Teppiche und andere Bodenbelege verlegen, kurz um, eine Generalüberholung nahmen wir vor.
In Bremen halfen Onkel Kurt und Tante Lisi aus Schwerin den Eltern beim Einpacken des Geschirrs, der Gläser, Bücher und vielen anderen Gegenständen, ich kam an den Wochenenden, und belud meinen Kombi mit diversen Kartons, um sie schon in der Hülsenbuscher Wohnung unter zu bringen.
Der Umzug meiner Eltern nahte, sie selber fuhren ein paar Tage früher mit der Eisenbahn von Bremen nach Gummersbach, damit sie hier bei uns alles in Ruhe abwarten konnten.
Ich lieh einen Umzugkastenwagen bei der Fa. AVIS, der alle Vorrichtungen zum Festmachen von Spanngurten besaß und für einen Fahrer, wie Hans, Rita`s Bruder, mit einem LKW-Führerschein über 7,5 t, vorgesehen war. Ich überließ nichts dem Zufall und beantragte dazu eine Transportversicherung, um das Transportgut, sprich die Möbel meiner Eltern, gegen sämtliche Eventualitäten versichert zu haben. Nun musste die gesamte zeitliche Abstimmung mit meinen Helfern vereinbart werden.
Hans und Ulrich fuhren den LKW, bei mir im Auto saßen Markus und Dirk, wobei ich meinen PKW-Kombi für übriggebliebene Kleinteile und die Putzutensilien nutzte, damit die leere Wohnung noch sauber hinterlassen werden konnte.
Es war Freitagvormittag, wir machten uns auf den Weg. Ich fuhr vor dem LKW her und konnte direkt bei Ankunft die freie Einfahrt zum Hof in Bremen in Augenschein nehmen.
Alles verlief nach Plan, der hohe Aufbau des Möbeltransporters schwankte in der Hofeinfahrt durch die vielen Unebenheiten des Holperpflasters hin und her und schrappte rechts und links ein wenig an den Hauswänden entlang, aber wir störten uns nicht daran. Das Heck des LKW stellte Hans so auf, dass wir die meisten Möbel über den Balkon der Wohnung nach unten reichen konnten, somit sparten wir viele schwierige Treppengänge. Es war noch früh genug am Tag, um sofort mit dem Auseinandernehmen der Schränke zu beginnen. Wir schafften noch soviel, dass wir am nächsten Vormittag bereits die Möbel verpackt hatten und die Rückreise antreten konnten.
Bereits am späten Nachmittag erreichten wir wieder Hülsenbusch, fingen direkt mit dem Ausladen und dem Aufbauen der Möbel an. An der ganzen Unternehmung zahlte sich das gute Organisieren im Vorfeld aus. Jeder wusste, was er zu tun hatte, die einzelnen Türen hatten wir nach rechts oder links mit Klebestreifen markiert, die nötigen Schrauben der einzelnen Möbelstücke auch einzeln in Tütchen an die jeweiligen Teile geklebt, sodass nicht lange gesucht werden brauchte.
Bewegte Wochen lagen hinter uns, verbunden mit viel Arbeit, positiven und auch negativen Beweggründen. Für alle Beteiligten war es sehr wichtig, dass erst einmal Ruhe eintrat, vor allen Dingen für meine Eltern, die natürlich von dieser Aktion am Meisten erwarteten. Von welchem Hafer Marianne und Willfried probiert hatten, weiß ich nicht, sie verrannten sich in eine Aktion, die sie zum Schluss ganz alleine dastehen ließ.
Daniels Kommunion
Wir feierten Daniel`s Kommunion, die gesamte Familie versammelte sich zu diesem so wichtigen Ereignis, nur Marianne fehlte wegen der bekannten Differenzen. In einem Brief versuchte sie Daniel die Situation zu erklären, Daniel konnte mit der Angelegenheit überhaupt nichts anfangen und war total enttäuscht. Welchen Esel hatte sie geritten, ein Kind in solche Streitigkeiten mit ein zu beziehen, und das will eine studierte Pädagogin sein? Naja, Daniel schüttelte diese gelesenen Negativzeilen einfach ab, ließ sich seinen Ehrentag nicht vermiesen, freute sich auf die recht umfangreiche Post mit Inhalt und zählte immer wieder die vielen bunten Scheinchen.
Die Arbeit in meinem Provinzialbüro überschattete ein Banküberfall auf die Sparkassenfiliale direkt neben meinem Büro. Ein Bankräuber, den man in Polizeikreisen den „Seemann“ nannte, verlangte in einem recht höflichen, ruhigen aber bestimmenden Ton und vorgehaltener Pistole die Herausgabe sämtlicher Geldvorräte der Kasse. Seinen Beinamen „Seemann“ erhielt er durch seine einem Matrosen ähnlicher Kleidung und der gedehnten Sprechweise. Ich kam von einem Kundentermin kurz vor Mittag zurück, und wunderte mich über das Polizeiaufgebot und die zugezogenen Vorhänge der Sparkasse. An diesem Tag dachte keiner an ein geregeltes Arbeiten, unsere Gedanken verweilten viel bei den Sparkassenangestellten, die dieses Ereignis erst einmal verarbeiten mussten.
Wir mieteten für 2 ½ Wochen von einem Arbeitskollegen der Provinzial, Bernd Schnepper, einen Wohncontainer auf einem holländischen Campingplatz in Kamperland, Südholland. Die Ortschaft gehört zur Inselgemeinde Noord-Beveland in der niederländischen Provinz Zeeland an der Oosterschelde. Früher nannte man Kamperland auch Campen, der Name leitet sich vom lateinischen Campus ab, geschlossenes Feld oder Fläche. Die geschichtliche Ersterwähnung geht auf das Jahr 976 zurück, als erste keltische Siedler diese Region für sich entdeckten und einen befestigten Ort erbauten.
Kamperland beheimatet zwei Yachthäfen, und bietet auf Fischerbooten Fahrten zum Hochseeangeln an. Auf dem Campingplatz verweilten sehr viele Familien mit Kindern, entsprechend richtete man auch die Spiel- und Spassangebote aus. Selbst ein kleiner Supermarkt mit anschließender Gastronomie gab dem Urlauber ein gutes Gefühl zum Bleiben. Auf dem Platz verbrachten viele Rentnerehepaare die Sommermonate, feierten und grillten mit ihren schon bekannten Nachbarn, und vergnügten sich einmal die Woche beim wohl bekanntesten holländischen Spiel „De Bingo“. Ein Zahlengedächnisspiel, was Rita mit den Nachbarfrauen einmal mitmachte und spät am Abend bepackt mit ihren Gewinnen vom de Bingo zurückkam. Es war soviel, dass wir später zum Verstauen unseres Urlaubsgepäcks zur Rücktour nach Hause Mühe hatten, alles unter zu bringen. Ab und an mussten wir unsere Kinder aus dem Spielautomatenparadies der Gastwirtschaft weglotsen, damit sie auch einmal anderes als nur Spielautomaten zu sehen bekamen. Ein Eis hellte die Mienen bei der Gelegenheit auf.
Wir beschlossen mehr über die Umgebung, Strände und andere Ortschaften zu erfahren, um nicht nur auf dem Campinggelände zu faulenzen.
Middelburg ist die Hauptstadt der niederländischen Provinz Zeeland und liegt nördlich von Vlissingen auf der Halbinsel Walcheren. Entstanden dürfte die frühere „Fluchtburg“ so um 880 – 890, wie auch andere zeeländische Festen, um sich vor den einfallenen Normannen zu schützen. Graf Wilhelm I. und Gräfin Johanna von Flandern verliehen 1217 Middelburg die Stadtrechte. Bereits 1225 gründete man die Liebfrauenabtei (nl: Onze-Lieve-Vrouve-Abdij), ein ehemaliges Stift der Prämonstratenser. Zur Abtei gehörten zwei Kirchen, die Koorkerk (Chorkirche) und die Nieuwe Kerk (Neue Kirche). Der 85 m hohe Turm, der lange Jan, der Koorkerk, ist ein Wahrzeichen mit Aussichtsplattform von Middelburg. Die Räumlichkeiten der Abtei werden in der heutigen Zeit von der Provinzverwaltung genutzt.
Im 15. Jahrhundert passierten die Schiffe noch den östlich gelegenen Meeresarm Sloe, dadurch erlangte die Stadt großen Wohlstand und war nach Amsterdam der größte Handelsumschlagplatz in dieser Zeit. Im Laufe der Jahrhunderte versandete der Sloe, Middelburg verlor an Bedeutung. Im Englisch – Niederländischen Krieg von 1780 – 1784 und der darauffolgenden Besetzung durch die Franzosen hatte die Stadt für die Niederländer keine große Auswirkung mehr. Erst als 1815 ein Kanal gegraben wurde, der Middelburg mit der Hafenstadt Veere verband, und man einige Jahre später eine Verbindung zum Eisenbahnnetz hergestellte, blühte die Stadt wieder auf. Der 2.Weltkrieg zerstörte die Innenstadt fast vollständig. Aufwendige Rekonstruktionen schafften wieder ein lückenloses Altstadtbild. Das Stadttor Koepoort, erbaut 1753, stellt eine Nachahmung der Bauten vom Sonnenkönig Ludwig IVX da, hatte als eigentliches Stadtor nur eine reine Prestigebedeutung, spiegelt aber, auch im kleinen Rahmen, eine gewisse Verschwendung der Wohlhabenden dar.
Wie viele protestantische Kirchen in den Niederlanden ist die Oostkerk ein Zentralbau mit einem achteckigen Grundriss und einer Kuppel mit Laterne. Baubeginn war 1644, dazu mussten 17 Hausbesitzer enteignet werden und die Finanzierung entstand auf Erhebung einer Zusatzsteuer auf Wein und Bier.
Die Grundsteinlegung des historischen, flämisch-spätgotischen Rathauses, das Stadthuis, erfolgte 1452. Viele Generationen der Familie des flämischen Baumeisters Rombout Keldermanns waren an diesem kostspieligen Bau beteiligt.
Middelburg trieb regen internationalen Handel und betätigte sich stark in der Verarbeitung von Pelzen. Die Küfergilde unterhielt zahlreiche (Kuiperspoort) Lagerhäuser, hier aus dem Jahr 1586, um die vielen Sorten von hochwertigen Pelzen richtig zu lagern und entsprechend für die wartenden Reichen her zu richten.
Auch Flachs und Leinen (Vlasmarkt) verkaufte man in einem großen internationalen Handelszweig. In Middelburg gehörte diese Ware zu einem ständigen Feilbieten, denn diese Materialien verbrauchten auch die ärmeren Schichten der Bevölkerung.
Die Schützengilde St.Jorisdoelen hat eine sehr lange Tradition. Das Gründungsjahr beruht sich auf die Zeit um 1582, als die Schützen noch eine richtige Beschützerrolle der Stadt zu erledigen hatten, das Wort Schütze hat etwas mit Beschützen zu tun, also eine Polizeiaufgabe der Bevölkerung gegenüber, und natürlich mögliche Angreifer abwehren. Deren Vereinshaus war früher die „ Polizeistation“, als Anlaufmöglichkeit für die Menschen. In der heutigen Zeit wird, wie in jedem Dorf, das Schützenfest gefeiert, da hat diese Gilde nur noch Spassaufgaben zu erledigen.
Der Ort Veere liegt auf der ehemaligen Insel Walcheren nordöstlich von Middelburg direkt am künstlich geschaffenen Veersemeer gegenüber von Noord-Beveland. Zu der Gemeinde Veere gehören 34 km Küstenlinie mit umfassenden Sandstränden und Dünen, sowie die künstlich geschaffene Insel Neeltje Jans, die beim Bau der Osterscheldekering entstand.
Es bestand eine enge Handelsbeziehung mit edlen Tuchen aus England und Schafswolle aus Schottland. Diese Beziehung festigte sich durch die Vermählung 1444 des Stadtherren Wolfert IV. von Borsele mit der Prinzessin Mary Stewart, Tochter des Schottischen Königs James I. Die schottische Handelskolonie erbaute am Hafen 1561 die sogenannten Schottenhäuser mit prachtvollen Renaissancegiebeln.
Der Herzog von Alba war von 1567 – 1573 der spanische Stadthalter der Niederlande. Er führte eine Schreckensherrschaft über die aufständische Bevölkerung, die sich 1572 gegen ihn erhob, dabei spielte die Führung von Veere in dieser Auseinandersetzung eine große Rolle. Die Oranjer nutzten nun den Hafen von Veere als Kriegshafen. Stumme Zeugen aus dieser Zeit sind noch die wuchtigen Hafenbefestigungen mit den weitreichenden Kanonen gegen angreifende feindliche Kriegs-schiffe.
Die napolionische Kontinentalsperre, zwischen 1806 und 1814, unterbrach den Englandhandel und der Hafen von Veere degradierte zu einem Fischereihafen. 1809 beschossen die Engländer von See die Stadt und beschädigten die Kirche, die dann von den besetzenden Franzosen als Armeeklinik umfunktioniert wurde.
Als man 1961 im Zuge des Deltaprojektes den Veersegatdamm fertig stellte, hatten die Fischer keinen weiteren Zugang zu den Fischgründen und mussten sich anders orientieren. Das so entstandene Veersemeer dient in der heutigen Zeit als Binnenmeer zu Naherholungszwecken.
Sehenswert von Veere sind noch die Grote Kerk von 1479 und das historische Rathaus, welches man zwischen 1474 und 1517 erbaute.
Wir machten noch Halt an dem langen Nordseestrand von Veerse, um noch verschiedene Muscheln zu sammeln, oder andere interessante Objekte zu untersuchen, die das Meer täglich durch den Gezeitenstrom anspülte. Die Jungen waren in ihrem Entdeckerelement. Wir blieben dort solange, bis man nur noch das Rauschen der Wellen hörte und der wunderschöne Sonnenuntergang den Tag ausklingen ließ.
Auf dem Weg nach Domburg oder Vlissingen passiert man den kleinen Ort Aagtekerke, bekannt durch seine alte historische, sechsseitige, seeländische Grundsegler-Windmühle, die noch bis 1955 in Betreib war.
Grundsegler nennt man in Deutschland auch Erdholländer. Sie stehen ebenerdig, die Flügel mit Segeln überspannt reichen bis zu 0,60m über Erdgleiche und sind demnach gleich der Gebäudehöhe.
Neben der Windmühle befand sich ein nettes und preiswertes Cafe-Restaurant mit Tischen und Stühlen auf der Wiese, angrenzend dazu ein Kinderspielplatz, damit sich die Familien, jeder auf seine Art, wohlfühlen konnten.
Unser Ziel war das Seebad Domburg auf der Halbinsel Walcheren direkt an der Nordsee. Wahrzeichen der Stadt ist der Wasserturm (Watertoren), der weit hin auf der Insel Walcheren zu sehen ist, und Unkundigen den direkten Weg nach Domburg weist.
Dieser Tag versprach, was die Wettervorhersage betraf, nicht viel Gutes. Kalter böiger, scharfer Wind, einladend, um sich den Kopf von schlechten Gedanken frei pusten zu lassen.
Domburg entstand in der Nähe eines alten römischen Tempels der Göttin Nehalennia, der im 3.Jahrhundert durch diverse Fluten zerstört und 1647 wiederentdeckt worden.
Die Göttin Nehalennia verehrten im 2. und 3.Jahrhundert die Römer, die Kelten und die Germanen, die Bewohner der heutigen Niederlande waren. Bildsteine von diversen Statuen und Statuetten der Göttin fand man in der Osterschelde ca. 25 Km östlich von Domburg, an den Fundstellen standen Tempelanlagen. Man deutet die vielen Abbildungen darauf, dass die Göttin Nahalennia als Göttin für die Fruchtbarkeit und die Schiffahrt verehrt wurde.
Domburg erlangte 1223 die Stadtrechte und bezeichnet sich seit 1834 als Badeort.
Im August eines jeden Jahres findet in der Stadt das berühmte „Ringreiten“ statt, bei dem der Reiter im Galopp mit einer Lanze einen aufgehängten Ring aufspiessen muß. Dieser „Bauernsport“ wird auch als Ringstechen bezeichnet und diente seit dem Mittelalter jungen kriegsdienstfähigen Bauern dem Wehrtüchtigkeitswettbewerb, um im Ernstfall seinem Herrscher als trainierter Soldat zur Verfügung zu stehen.
Im Jahr 1889 besuchte die Schriftstellerin und rumänische Königin Elisabeth zu Wied unter ihrem Pseudonym „Carmen Sylva“ Domburg und wohnte in einer heute noch exestierenen Villa, die man nach diesem Pseudonym benannte.
Ein schöner Tag neigte sich dem Ende zu und wir genossen noch ein schönes Abendpanorama am Strand, bevor wir die Rückfahrt zum Campingplatz vornahmen.
Vlissingen, frühere englische Garnisonsstadt, ist eine niederländische Hafenstadt an der Mündung der Westerschelde, südlicher Teil der Halbinsel Walcheren und ein wichtiger Standort für Lotsen, die die Schiffe durch die engen Fahrrinnen der Westerschelde zu den anderen Seehäfen geleiten.
Eine große Fischereiflotte hat hier seinen Heimathafen, auch die königliche Marinewerft wurde hier angesiedelt.
Vlissingen besitzt seit 1315 die Stadtrechte und erfuhr militärischen Schutz durch das 1547 erbaute Fort Rammekens. Die Händler der Stadt gewannen ihren Wohlstand durch den Heringshandel und Salzgewinnung, selbst Kaperfahrten und Sklavenhandel sorgten für gute Einnnahmequellen.
Die Hafenanlagen von Vlissingen erbaute man zur Seeseite mit einem Extrabollwerk aus dicken Mauern und viele zur See ausgerichteten Kanonen, um mögliche Angreifer ab zu wehren. Aber auch die holländische Seestreitmacht war gut aufgestellt, denn in der Seeschlacht 1573, im Rahmen des niederländischen Freiheitskrieges gegen die Spanier, vor Vlissingen, gelang es den niederländischen Schiffen die große spanische Armada, die gerade Vlissingen von See bombardierten, siegreich zu bekämpfen und fünf spanische Schiffe versenken. Der Rest der Armada flüchtete nach Middelburg.
Die Altstadt von Vlissingen mit seinen vielen historischen Gebäuden im niederländischen Stil ist sehenswert. Ein Bummel durch die engen Straßen mit seinen Straßencafes und kleinen Lädchen macht Lust auf mehr. Kinder sind in Holland gern gesehene Gäste, ein Wegscheuchen oder psst ruhig sein, ist dort Zweitrangig. Die Kellner lassen sich von umhertobenden Kindern nicht beirren, sondern scherzen mit ihnen noch herum. Deshalb ist das Land auch so beliebt bei Familienreisen.
Ein erholsamer Urlaub in Südholland neigte sich seinem Ende zu. Wir genossen noch zum Schluss ein wunderschönes Nordseepanorama .
Büroalltag
Für mein Büro in Gummersbach- Lantenbach erhielt ich eine neue Computeranlage im Mehrplatzsystem. Eine sehr aufwendige Angelegenheit mit der Verlegung von Spezialkabeln über eine Telefonleitung. Einen zusätzlicher Server mit einem Minibildschirm bauten Spezialisten einer Computerfirma ein und führten auch mehrtägige Unterweisungen an, damit man sich besser mit der neuen Materie auseinander setzen konnte. Dieses neue Mehrplatzsystem enthielt erhebliche Verbesserungen in der Verarbeitung täglich anfallender Kundendaten. Das neue System nannte sich „PRODAS“, Provizial-Digital-Außendienst-System. Der vorhandene Bildschirmtext (BTX) blieb vorerst weiter integriert, der Datentransfer nach Düsseldorf zur Hauptverwaltung erhielt einige Erneuerungen und Vereinfachungen, und es konnten mehrere Übertragungen gleichzeitig, unabhängig von der Tageszeit, erledigt werden. Eine weitreichende Revolution in der Bürotechnik mit Datentransfer breitete sich für unsere Geschäftsstellen aus. Auch ein neuer Drucker mit Normalpapier ergänzte die neue Anlage.
Neuer Postmann
Aus gesundheitlichen Gründen unterbrach Herr Schnippering, mein Außendienstpostbote, seine Betreuertätigkeit der Provinzialgeschäftsstellen. Sein Nachfolger, Herr Karl-Heinz Keller aus Hülsenbusch, machte seine Aufwartung mit dem Chef der Bezirksdirektion Herrn Steiner, der sich über meine weitere Zukunft, meine „Visionen“, informieren wollte. Der Auftritt beider Schmierenkomödianten hatte schon einen bünenreifen Charakter. Natürlich kam der Banküberfall zur Sprache, von wegen schlimm und nicht so schlimm, der Abstand zur Sparkasse wäre ja weit genug etc. Nur Blah, Blah, Blah. Herr Steiner schob noch einen Termin vor und ließ mich mit meinem neuen Ratgeber alleine, damit wir uns näher beschnuppern konnten.
Herr Keller war ebenso ein aroganter Schlipsträger und Zuträger in Puncto Interna, wie sein Vorgänger. Sein heiserer Ton, seine leicht schmalzige und blumige Aussprache und sein betont freundschaftlicher Unterton ließen meine Alarmglocken schellen. Wenn man dann noch über seinen Vorgänger so nebenbei herzieht und kein gutes Haar stehen lässt, sagt über den Grundcharakter dieses Herrn einiges aus.
Ich ließ mir von meinen ersten Gedanken nichts anmerken und dachte mir nur meinen Teil, denn ich sollte mit ihm zusammenarbeiten, und dabei muß man sich ja nicht lieben.
Seemann
Die Uhr zeigte auf 11.30 Uhr an einem Vormittag im September, als ich von einem Kundenbesuch zurückkehrte und wiederum ein größeres Polizeiaufgebot auf dem Kundenparkplatz vor der Sparkasse/Büro Provinzial vorfand. Was war geschehen? Der bereits bekannte Sparkassenräuber „Seemann“ bat in seinem höflichen Ton um die finanziellen Mittel der Sparkasse. Laut Aussage des Sparkassenleiters Kurt Wienand sagte dieser „Seemann“ nur: Sie wissen ja, was sie zu tun haben. Sagte dies, hielt den Leuten seine Pistole unter die Nase, gab ihnen einen großen Beutel zum Füllen der Geldbeträge, wartete in aller Ruhe das Geschehen ab und verschwand mit einem Fahrzeug.
Natürlich schaukelten sich die Diskussionen um mehr Sicherheit und sonstige Maßnahmen hoch. Bloß wie sollten sich die Verantwortlichen verhalten? Allgemein sollte erst einmal Ruhe bewahrt werden, um nur keine Histerie auf kommen zu lassen. Leichter gesagt, als getan, denn die Leidtragenden waren die Angestellten der Sparkasse, deren Angst ihnen keiner so schnell nehmen konnte. Großartige psychologische Betreuung gab es nicht, ein Blumenstrauß und ein feuchtwarmer Händedruck, und schon hatten die oberen Sesselpfurzer ihren Part erledigt.
Die nächsten Wochen schauten die angstgeprüften Sparkassenleute immer wieder aus dem Fenster, um die ankommenden Fahrzeuge zu mustern und ein zu ordnen. Wir ließen uns von diesem turnusmäßigen Hinausschauen anstecken und entwickelten dabei einen Blick für Fremde und Kunden der Sparkasse, eine Art Selbstschutz, um Vergangenes zu verdrängen und einen Übergang in die Normalität zu schaffen.
Wir sahen ihn kommen…
Trotz jegliches Misstrauen fremder Fahrzeuge und den aussteigenden Personen gegenüber konnten wir den dritten Banküberfall des Jahres 1993 nicht verhindern. Wir sahen ihn kommen, er parkte sein Auto direkt rückwärts, um später besser zu flüchten. Es stieg ein untersetzt wirkender Mann mit einem breitkrempigen Hut und einer Sturmmaske aus und ging schnellen Schrittes in Richtung Sparkasse. Wir schlossen noch schnell unser Büro ab, eine Warnung nach neben an war bereits zu spät. Ich rief sofort die Polizei an und teilte ihnen mit, was ich sah.
Laut Aussage von Kurt Wienand, dem Sparkassenleiter, zog der Mann seinen Überfall sehr präzise und überlegt durch, bestimmte mit seiner Pistole, was zu geschehen sei. Er schulterte in aller Ruhe seinen mitgebrachten Beutel mit dem erbeuteten Geld, eilte schnellen Schrittes zu seinem parkenden schwarzen BMW und fuhr in Richtung Gummersbach den kommenden Polizisten entgegen.
Später vernahmen wir von der Polizei, dass man das von uns beschriebene Fahrzeug in einem Parkhaus in Gummersbach entdeckte.
An ein vernünftiges Arbeiten dachte keiner. Frau Piel, eine der Sparkassenangestellte, setzte dieser Stress gewaltig zu, auch wenn sie immer wieder versuchte ruhig in den Alltag zu gehen. Sie sagte zu diesem Überfall nur, dass sie eigentlich bei diesem Räuber nie das Gefühl hatte, dass ihnen etwas passieren würde, weil der Mann eine bestimmte Ruhe ausstrahlte. Netter Versuch sich diese Situation schön zu reden.
Weitere Rufe nach bestimmten Sicherheitsmaßnahmen ertönten, die oberen Herren der Gehaltsklasse machten ihren Antrittsbesuch, ein paar tröstende Worte, feuchtwarmer Händedruck, sonst eher ein Resignieren als bestimmte gute Vorschläge zu machen.
Wie heißt es so schön, die Zeit heilt die Wunden, und es werden auch wieder bessere Zeiten anbrechen.
Eine Anmerkung zu diesem gesamten Überfalldilemma. Den „Seemann“ schnappte die Polizei im Raum Mönchengladbach, als nach einem Überfall auf eine Sparkasse sein Fluchtfahrzeug, ein Motorrad, nicht ansprang und er versuchte zu Fuß das Weite zu suchen. So überlisten sich die Übeltäter selber.
Trotz dieser widrigen Umstände musste die alltägliche Arbeit fortgesetzt werden. Das übliche misstrauische Hinausschauen und beobachten von Personen setzten wir alle fort. Immer dann, wenn die Zeit es erlaubte, ertappte man sich dabei auf Kleinigkeiten, Nummernschilder von Fahrzeugen und eigentümliche Personen zu achten und die Details zu merken. Die Polizei verstärkte ihre Streifenpräsenz, selbst direkte Anwohner standen öfter hinter ihrer Gardine und beobachteten den Parkplatz.
Leichtathletik
Christian entdeckte seinen Hang zur Leichtathletik und wurde Mitglied im Hülsenbuscher Turnverein. Einige seiner Schulfreunde taten es ihm gleich, und so wuchs ein guter Sportlerjahrgang heran, dass der Verein wegen zu viel Nachwuchs die Gruppe teilen musste. Es fanden Vereinsmeisterschaften oder Vergleiche mit anderen Sportvereinen statt, wobei Christian oft die vorderen Plätze belegte. Sein Selbstbewustsein festigte sich enorm. Das eine oder andere Wochenende verbrachte ich als Fahrer und Mitbetreuer der jungen Sportler auf fremden Sportanlagen.
Daniel`s 10.Geburtstag
12. März 1994 bedeutete für Daniel das Erreichen des ersten Jahrzehnts in seinem Leben. Ein Grund, dies mit der Verwandtschaft und seinen Freunden zu feiern.
Am 30. April 1994, Christian wurde stolze acht Jahre alt. Natütlich erhielt er seinen gewünschten, von Rita selbstgebackenen Käsekuchen.
Wie immer erschienen die Verwandten und auch ein Teil seiner Freunde, um mit ihm diesen Tag zu erleben.
Ihre Vermählung geben bekannt
Markus und Frauke heirateten im Juni 1994 in der alten Klosterkirche von Marienheide. Fraukes Vater, Professor für Tropenkrankheiten, Organist, Komponist und Dirigent des bereits erfolgreichen Familienchores der Freien Kirche, sorgte auf der Orgel und mit dem Chor für die musikalische Begleitung, eine beeindruckende Vorstellung.
Rita`s 40.Geburtstag
Der 3. Juli 1994 gehörte zu den wirklich heißen Sommertagen. Wir feierten im Vorgarten, alles wälzte sich nur in den Schatten, jeder wollte erst einmal nur Wasser. Wir hatten zwar viele Getränke eingekauft, aber irgendwann dachte ich doch, ob ich genügend Mineralwasser zur Verfügung habe?
Die Bierfässchen kühlten in der Badewanne, ebenso zapften wir das Bier in der Wanne, eine recht praktische Angelegenheit.
Wechsel zum Moltke-Gymnasium
Nach den Sommerferien wechselte Daniel die Schulform, verließ mit einem tollen Zeugnis die Grundschule Wegescheid, um als Gymnasiast des Moltke-Gymnasiums Gummersbach seine Schulzeit fort zu setzen.
Mein Vater feiert seinen 85. Geburtstag
18. Oktober 1994, mein Vater feierte in Bremen seinen 85.Geburtstag, Marianne und Wilfried bekräftigten, dass die Eltern noch mal nach Bremen kommen sollten. Wir Hülsenbuscher waren wegen bekannter Schwierigkeiten nicht zugelassen.
Die ehemaligen Arbeitskollegen seiner alten Firma wollten ihm ihre Aufwartung machen und kamen mit einer Abordnung zum Gratulieren, Rita musste ihnen mitteilen, dass mein Vater wo anders feierte, ihr war dieses unglaublich peinlich, sie hatte sich sehr geschämt.
Mein Vater verstarb am Sonntag den 22.Januar 1995.
Zu mir hat er oft im scherzenden aber ernsten Ton gesagt, dass er auf der Toilette sterben wollte, um einen sauberen Abgang zu haben, so geschah es merkwürdigerweise.
Er wurde eingeäschert und auf dem Friedhof Hülsenbusch in einem Urnengrab beigesetzt.
Schwierige Zeit
Bis meine Mutter die neue Situation begriff, verging eine gewisse Zeit. In vielen Momenten begriff ich, wie sehr mein Vater für sie mitgedacht hatte und gewisse Entscheidungen selbst in die Hand nahm, weil meine Mutter etliche Tragweiten einfach nicht begriff.
Es gab Augenblicke, da wusste ich nicht richtig, wie ich reagieren sollte. Wenn meine Mutter ohne Stock und im Gang eines jungen Mädchens zu uns herüber kam, wussten Rita und ich, dass sie jetzt in einer anderen Welt schwebte. Aber dieses Mal musste ich fürchterlich schlucken und mich sehr zusammen nehmen. Sie stand vor mir, schaute mich wie einen Fremden an, und fragte nach unserem Besuch, dem sie guten Tag sagen wollte. Ich fragte sie, welchen Besuch? Sie meinte, ihr Sohn mit Familie wollte vorbeikommen und denen wollte sie guten Tag sagen. Ich hatte einen dicken Kloss im Hals und versuchte ganz ruhig zu sein. Ich gab ihr zu verstehen, dass der Besuch noch nicht da sei und dass sie in einer halben Stunde noch einmal wieder kommen sollte. Ich sagte dies, sie drehte sich um und ging. Eine halbe Stunde später kam sie erneut, aber mit Stock, und so, als wäre nichts geschehen.
Im der kommenden Zeit veränderte sich meine Mutter sehr. Teilweise reagierte sie sehr schroff und aggressiv. Rita brachte ihre Post mit, wie immer viel Reklame. und beabsichtigte dieses unwichtige Zeug direkt in den Papierkorb zu werfen. Was machte meine Mutter für einen Aufstand. Rita dürfte nicht ihre Post wegschmeißen, so etwas gehört sich nicht, sie rastete völlig aus.
Uns war klar, sie hatte die Alzheimer Krankheit, und das schon seit längerer Zeit. Mein Vater wusste davon und wollte die Gewissheit haben, falls ihm etwas passiert, dass seine Frau versorgt ist. Deshalb stimmte er dem Umzug von Bremen nach Hülsenbusch ohne Wenn und Aber zu.
Zur schleichenden Krankheit meiner Mutter machten wir uns unzählige Gedanken und spielten viele Szenarien durch. Aber meistens kommt es anders, als man sich es vorstellt.
Christians Kommunion
Eine Woche vor Ostern, am 23.April 1995, feierte Christian seine Kommunion. Die kirchliche Zeremonie fand in der kath. Pfarrkirche zu Gimborn statt, die private familiäre Feier mit der Familie und den Paten bei uns in Hülsenbusch.
Ritas neuer Arbeitsplatz
Ich hatte für mein Provinzialbüro eine neue Mitarbeiterin. Rita begann am 1.März 1995 mit ihrer Arbeit und kniete sich direkt mit Eifer in die Materie hinein. Es gab viel zu lernen und in sehr kurzer Zeit schaffte sie es, sich mit der Computeranlage und den wichtigen Büroabläufen vertraut zu machen. Sie versorgte mich mit Terminen von wichtigen Vorgängen und erkannte sofort, welche Unterlagen ich mit zu nehmen hatte. Wir lagen zu Beginn des Jahres produktionsmäßig auf einem sehr guten Weg. Die Umsatzzahlen stiegen, wir waren mit dem Verlauf sehr zu frieden und schmiedeten bereits weitere Pläne in der Vorgehensweise der täglichen Arbeit. Rita und ich motivierten uns gegenseitig, es ging rasant aufwärts.
Die Temperaturen zeigten unter den Gefrierpunkt, es schneite zwischendurch, der Frühling wollte nicht so recht erwachen. Eine Hundzüchterin aus Frömmersbach meldete in ihrem Haus einen größeren Wasserschaden, sie gab an, dass an mehreren Stellen die Leitungen gebrochen waren. Das hörte sich nach etwas Umfangreicherem an, sodass ich beschloss, direkt einen Schadenregulierer aus Düsseldorf zu bestellen, der auch prompt erschien.
Jetzt stellt man sich unsere Wettersituation vor, frostig, schneeglatt, also winterlich.
Ich stand auf dem Büroparkplatz und sehe den Kollegen aus Düsseldorf mit seinem Sportwagen mit Sommerreifen vorfahren. Es steigt ein sommerlich gekleideter Snob aus, mit feinsten Sommerschühchen, Sommeranzug, und stand wegen glattem Untergrund sehr wackelig auf den Füssen.
Klar, in Düsseldorf kennen die Leute keinen Schnee, die kennen unsere Gegend nur aus dem Fernsehen und frieren bereits beim Hingucken.
Am Schadensort angekommen, wurden wir auf dem eingezäunten Grundstück direkt von mehreren weißen Schäferhunden und deren Welpen begrüßt. Überall lag Hundekot, es ließ sich einfach nicht vermeiden, darein zu treten. Die Frau des Hauses begleitete uns durch die total durchnässten, nach Hundeurin stinkenden Räumlichkeiten. Der Frost hatte ganze Arbeit geleistet. Überall zwischen den Möbeln hockten ein paar Hundewelpen, Essenreste von Mensch und Tier standen herum. Es tropfte Kondenswasser von den Decken, der Fußboden aufgeweicht oder teils hartgefroren, eine groteske Vorstellung, aber Realität. Mein Kollege aus Düsseldorf in seiner hier fremdwirkenden Kleidung stand wie ein Häufchen Elend da und fror erbärmlich.
Er sagte der Kundin, dass sie alles in schriftlicher Form per Post erhält und sich ein paar Tage gedulden sollte.
Schwarzer Mai
Das Datum zeigte auf den 18. Mai 1995, 9.03 Uhr Ortszeit in Gummersbach-Lantenbach, 49. Geburtstag von Kurt Wienand dem Sparkassenleiter. Unser Bürobeginn 9.00 Uhr, die Türen der Sparkasse und die von unserem Büro standen offen, Rita lehnte in der Tür der Sparkasse und gratulierte gerade zum Geburtstag. Ich saß am vorderen Schreibtisch und sah, wie drei maskierte bewaffnete Männer in die Sparkasse stürmten, einer hielt Rita den Revolver an die Wange, ein anderer haute einem älteren Herrn an den Kopf, das dieser neben den Kontoautomaten fiel. Die drei Gangster gingen unglaublich brutal, aber sehr gezielt zu Werke. Plötzlich entwischte Rita ihrem Revolvermenschen, rannte in unser Büro, auf die Toilette, schloss ab und schrie, ich solle das Büro abschließen. Aber so einfach ging das nun nicht, denn ich fand in der Aufregung keinen Schlüssel. Die Gangster ließen sich von dieser Flucht nicht beirren und setzten ihren angefangenen Überfall fort. Ich griff derzeitig zum Telefon und informierte die Polizei, und erzählte ihnen, was ich weiterhin sah und wie sich das Trio verhielt. Draußen auf dem Parkplatz wartete ein Fahrzeug mit laufendem Motor und einem Fahrer, sodass insgesamt vier Personen an dem Überfall beteiligt waren. Mit reichlicher Beute und in leicht gebückter Laufhaltung sprangen die drei Verbrecher in das Auto und rasten in Richtung Meinerzhagen davon. Alles was ich sah, konnte ich der Polizei am Telefon mitteilen, die nach ein paar Minuten mit mehreren Wagen vorfuhren.
Welch ein Wahnsinn, alles war geschockt, ein Alptraum. Rita`s Nickelallergie machte sich sehr schnell bemerkbar, es bildete sich ein rötlicher Kranz durch das Andrücken des Revolvers auf ihrer Wange.
Dieses ganze Theater musste erst einmal verdaut und überlegt werden, was in Zukunft zu tun sei.
Die Polizei stellte Fragen über Fragen. Einer von Ihnen begann mit unserem Computer sein Protokoll zu schreiben, sein Ein-Finger-Suchsystem konnte sich sehen lassen. Rita erlöste den überforderten Mann und schrieb als Geschädigte das Polizeiprotokoll selbst, eine makabre Vorstellung.
Die nächsten Tage und Wochen bedeuteten für Rita ein Martyrium, sie litt unter Alpträumen, hatte fürchterliche Angstzustände und wagte sich vorerst in keinen Schalterraum einer Bank. Aber so konnte es nicht weiter gehen, deshalb suchte sie einen Psychotherapeuten, Herrn Dr. Samen, auf, der ihr eventuell weiterhalf. Neben dieser Therapie besuchte ich mit Rita einen Kursus für autogenes Training, Leiterin Frau Morgenstern. Wir waren beide von der Art und dem kontinuierlichen Aufbau des Trainings sehr angetan und übten mit Hilfe bestimmter Hintergrundmusik und den einschmeichelnden Aufforderungen der Frau Morgenstern auf einer Musikkassette zu Hause täglich eine halbe Stunde die Trainingseinheiten. Diese Maßnahme bewehrte sich sehr.
Die Angst als ständiger Begleiter
Ich hatte mit Rita einen Ehegatten-Arbeitsvertrag abgeschlossen, mit sämtlichen gleichen Rechten einer normalen Angestellten, mit Urlaubs-und Weihnachtsgeld, sechswöchige Gehaltsweiterzahlung im Falle eine Krankheit, Renten-und Krankenversichert, also alles was das tarifliche Beschäftigungsgesetz vorschrieb.
Nun erlitt sie einen Art „Arbeitsunfall“, wobei die Berufsgenossenschaft den genauen Ablauf mit allem wie und warum erfahren wollte. Ich steckte arbeitsmäßig als Arbeitgeber in der Klemme, denn aus moralischen und rechtlichen Gründen konnte ich nicht einfach sagen, das war es, ich suche mir eine andere Mitarbeiterin, aus finanzieller Sicht bedeutete die letzte Variante meinen finanziellen Kollaps.
Rita versuchte sich zusammen zu reißen und mir (uns) im Büro weiter zur Verfügung zu stehen. Man merkte ihr an, dass sie fürchterliche Angst hatte überhaupt einen Fuß in das Büro zu stellen, denn es könnte schon bald der nächste Überfall stattfinden. Die misstrauischen Blicke nach draußen blieben ein ständiger Begleiter, es kehrte eine wirkliche Ruhe vor dem möglichen Sturm ein.
Frau Piel und ihre Kollegin Gross der Sparkasse, die sonst immer zum Scherzen aufgelegt waren, bemühten sich ihre Fassung zu behalten. Frau Gross erhielt innerhalb der Sparkassenfilialen einen anderen Arbeitsplatz, sie schaffte die nervliche Belastung nicht mehr.
November 1995
Donnerstag, 30.November 1995, kurz vor 18.00 Uhr, SchlaDo, genannt scheißlanger Donnerstag. An diesen Tagen hatten die Banken und Sparkassen ihren „langen Tag“, dieser Regelung zwecks Öffnungszeiten schloss ich mich an. Draußen war es bereits dunkel, ich wollte Feierabend machen und packte alle herumliegenden Akten zusammen, um sie ein zu schließen.
Ich hörte einen dumpfen Knall und dachte, dass wieder ein Auto gegen die Betonblumenkästen auf dem Parkplatz vor der Sparkasse gefahren war. Ich nahm meine Tasche, war im Begriff das Licht neben der Eingangstür des Büros aus zu machen, öffnete die Bürotür und schaute in den Doppellauf einer Schrotflinte. Vor mir stand eine dunkelgekleidete, maskierte, eher schmächtig wirkende Gestalt, die gerade die Sparkasse verließ und mich durchdringend, eher musternd anschaute, ein Blick, den ich nicht vergesse. Ich stand da, und bewegte mich nicht. Dieser Moment dauerte vielleicht fünf Sekunden. Dann lief diese Person sehr athletisch in leicht gebückter Haltung zu einem schwarzen BMW, Marke 318, an den Seiten hochgespritzter Dreck, Kennzeichen GM- ? Mein erster Gedanke, das konnte nur eine Frau gewesen sein, und das behaupte ich heute noch.
Ich rief die Polizei an und teilte den Überfall mit. Dann klopfte ich an die Sparkassentür, eine Mitarbeiterin mit ganz blassem und verstörtem Gesicht öffnete. Ich sah Kurt Wienand, der auf einem Stuhl saß und die Angelegenheit erst einmal verdauen musste. Er zeigte nur auf den Aktenschrank mit dem großen Loch. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Was war geschehen?
Der Bankräuber fuchtelte mit der Schrotflinte herum, stolperte nach hinten, dabei löste sich ein Schuss und zerfetzte den Schrank mit gehacktem Blei. Kurt Wienand machte in diesem Moment nur eine Seitenbewegung, das rettete sein Leben, sonst hätte ihn der Schuss getroffen. Der Räuber ließ sich von diesem Vorfall nicht beirren, sondern nutzte diese Einschüchterung um noch schneller seine Forderung auf Herausgabe des Geldes zu untermauern.
Tage später sah ich in Gummersbach auf einem Parkplatz diesen vermeintlichen Wagen stehen und informierte die Polizei, die auch gleich eine Halterprüfung vornahm. Das Fahrzeug gehörte einer Kundin von mir und der Sparkasse. Leider gab es keine Beweise.
Weihnachten 1995
Ein denkwürdiges Jahr mit vielen „Aufs und Abs“ neigte sich dem Ende zu. Zu diesem Zeitpunkt häuften sich die Ereignisse, alles musste erst einmal geistig sortiert und verdaut werden. Die Kinder sollten weiterhin ihr unbeschwertes Leben führen können, eine Belastung unserer ureigensten Probleme wollten wir doch von ihnen fernhalten. Zu Allem gesellte sich die Krankheit meiner Mutter, die für Außenstehende nicht leicht zu begreifen war. Wie immer gestalteten wir den Heiligen Abend etwas rührseliger und auch etwas geheimnisvoller, um die Spannung den Jungen gegenüber aufrecht zu erhalten. Alles verlief sehr harmonisch und festlich, wir aßen und tranken etwas, es wurden die Geschenke ausgepackt, die Kerzen des Weihnachtsbaumes brannten, der Schallplattenspieler verarbeitete eine Weihnachtsplatte nach der anderen, jeder war zufrieden. Irgendwann am Abend geleitete ich meine Mutter zu ihrer Wohnung, sie gab zu verstehen müde zu sein.
Die Uhr zeigte 23.20 Uhr, das Telefon schellte, meine Schwester Marianne erklärte mir, dass unsere Mutter gerade bei ihr angerufen hätte und sie sich darüber beschwerte, dass sie den ganzen Abend im Wald verbringen musste und vor einer halben Stunde erst zurück gekommen wäre. Ich wusste erst einmal nicht, was ich dazu sagen sollte und lief noch einmal auf die andere Straßenseite zu ihrer Wohnung. Von einem Anruf wusste sie nichts mehr, legte sich ins Bett und wünschte mir eine gute Nacht.
Ich rief noch einmal Marianne an, um ihr mit zu teilen, dass alles in Ordnung ist. Sie wollte mir aber noch einen Vortrag über die Krankheit Alzheimer halten, wozu ich überhaupt keine Lust hatte und wünschte ihr und Wilfried ein schönes Weihnachtsfest.
An diesem Abend saßen Rita und ich noch lange zusammen und versuchten, die momentale Lage zu analysieren. Es fiel uns schwer, überhaupt ein paar vernünftige Sätze als Gespräch zu finden. Wir schwiegen lieber, um letztlich nicht noch die Fassung zu verlieren. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, und ich glaube, beide dachten an das Selbe.
Wir waren froh, dass meine Mutter sehr oft mit unserer direkten Nachbarin, Frau Wanja, die Zeit verbrachte, es entwickelte sich eine Art Freundschaft. Frau Wanja war eine herzensgute Frau, mit sehr viel seltsamen Eigenheiten, aber das Herz auf dem rechten Fleck. Dazu gesellte sich noch eine dritte ältere Dame, sodass jede von ihnen seine eigene Einsamkeit zeitweilig vergessen konnte.
Rita blieb weiterhin in ärztlicher Behandlung. Auf Anraten des Arztes sollte Rita eine Kur wahrnehmen, sämtliche Untersuchungen zielten darauf hin.
1996, Scheitern und Neuanfang
Der Januar und der Februar 1996 schleppten sich als Wintermonate mit Kälte, Schnee und Eis so dahin. Die Arbeit verrichteten wir routinemäßig und freuten uns auf einen warmen Frühling. Wir steigerten weiter unseren Umsatz, die Zahlen sprachen für sich.
Vormittag des 30.März 1996, ich hatten einen Auswärtstermin bei der Fa. ABUS, einen Ort weiter, als mich dort ein Anruf erreichte, ich sollte direkt zurückkommen, die Sparkasse wäre schon wieder überfallen worden, Rita wollte im Büro nicht mehr arbeiten.
Was war geschehen? Rita schaute zufällig aus dem Fenster und sah den Gangster kommen, schloss schnell die Bürotür ab, konnte die Sparkasse aber nicht mehr warnen. Dann ging alles sehr schnell, der Gangster flüchtete in Richtung Meinerzhagen.
Jetzt traf das ein, was ich schon lange befürchtete. Rita war mit den Nerven total fertig. Sie konnte und wollte im Büro nicht mehr arbeiten, die Angst ließ sie am ganzen Körper zittern. Sie fuhr mit ihrem Auto nach Hause.
Ich bat um ein Gespräch mit Herrn Steiner, Chef der Provinzial Gummersbach und meinem Betreuer der Geschäftsstelle, Herrn Keller, um weitere Möglichkeiten, wie die Verlegung des Büros oder ähnliches, zu besprechen. Einen neuen Standort ganz in der Nähe wäre eine Option.
Das Gespräch lief aus dem Ruder. Herr Steiner und Herr Keller lachten mich aus, ich solle mich nicht so haben, wegen so Kleinigkeiten, wie einen Banküberfall, brauchte das Büro nicht seinen Standort, der im Übrigen top ist, verändern. Und wenn ihre Frau da nicht mehr arbeiten will, dann suchen sie sich eine andere Frau. Herr Steiner sprachs und grinste mich an, Herr Keller grinste ebenfalls geflissentlich als Speichellecker.
Ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich fragte noch, ob ihnen das Gesagte ernst wäre? Beide antworteten mit einem geringschätzigen ja und wollten das Gespräch als beendet ansehen.
Da platzte mir der Kragen. Ich sagte beiden, dass hiermit die Zusammenarbeit beendet ist, auf deutsch: Kündigung. Das Ganze erhalten sie noch in schriftlicher Form. Die Gesundheit meiner Frau wäre mir wichtiger, als der gesamte Saustall der Provinzial.
Frustration und gleichzeitige Erleichterung machte sich in mir breit. Den Gedanken, vorzeitig bei der Provinzial zu kündigen, beschäftigte mich schon länger, aber dass ich so viel Spontanität an den Tag legte, verwunderte mich doch. Rita fragte nur, ob mir die Kündigung ernst sei, sie wolle mir beruflich nicht im Wege stehen. Jedoch dachte ich in erster Linie an die Gesundheit und das Glück meiner Familie, das war mir mehr wert als dieser ganze stinkende Haufen der Provinzial. Ich bewarb mich bei der Alten Leipziger Versicherung AG in Oberursel als Außendienstmitarbeiter und unterschrieb einen Vertrag zum 1.Juni 1996. Damit sicherte ich erst einmal die berufliche und finanzielle Zukunft und sah der Büroauflösung sehr gelassen entgegen.
Durch die Kündigung bei der Provinzial mussten natürlich gewissen Formalien erledigt werden. Erst einmal suchte mich der Oberrevisor der Provinzial, Herr Marx, auf, um die endgültige Abrechnung der Kontokurrentauszüge und der erledigten Scheckauszahlungen vor zu nehmen. Mit Herrn Marx verstand ich mich in meinen fast 10 Jahren Zugehörigkeit recht gut. Ich erzählte ihm die näheren Umstände meiner Kündigung und wie sich die Oberen der Bezirksdirektion Gummersbach verhalten hatten. Er war ganz entsetzt über soviel Hochmut und bekräftigte mich darin bei Schwierigkeiten in der kommenden Abwicklung ihn zu informieren, er hätte seine Möglichkeiten bei Bedarf ein zu schreiten.
Eines Tages rief Herr Steiner an und fragte, welche Sachen ich im Büro lassen würde, wie Lamellenvorhänge, Regale usw. Gleichzeitig fragte er nach dem Übernahmepreis dieser Dinge. Meine Forderungen gab ich in schriftlicher Form ab und erwartete die Antwort, die auch prompt als meine Bestätigung erfolgte. Die Zeit verging, kein Geldeingang zu verzeichnen, obwohl ich in der Zwischenzeit diesen Missstand anmahnte, weiterhin forderte ich die Bezirksdirektion auf, jemand zu schicken, der mit mir Wasser und Strom abließt. Nichts geschah. Der letzte Tag im Büro nahte, von der Direktion ließ sich keiner sehen. Ich baute die „verkauften Lamellenvorhänge“ ab und verstaute sie im Auto, baute die Computeranlage auseinander und schrieb mir vorsorglich den Stromzähler Stand und den der Wasseruhr auf, schloss das Büro ab und fuhr nach Hause.
Am nächsten Tag, es war Freitag- Vormittag, informierte ich Herrn Marx über die Praktiken der Bezirksdirektion. Er sagte nur, er müsse ein paar Telefonate führen, um mir dann Bescheid zu geben, welche neuen Maßnahmen erfolgten. Kurz darauf rief er an, und fragte ob ich gewillt bin am Nachmittag noch einmal nach Lantenbach zu fahren, Herr Steiner wird dann persönlich diese Ablesungen vornehmen.
Welch eine Ironie, Herr Marx zitierte Herrn Steiner, Bezirksdirektor von Gummersbach der Provinzial Düsseldorf, Chef von mehr als 60 Geschäftsstellen, in eigener Person aus einer Konferenz nach Lantenbach zur Ablesung des Strom- und Wasserstandes. Ich musste laut lachen, damit hatte ich nicht gerechnet.
Der arrogante Steiner kam ganz pünktlich, kleinlaut, ruhig, eher zurückhaltend, beschränkte sich nur auf nötige Bemerkungen. Wahrscheinlich wusste er nicht, wie sich für ihn die Angelegenheit noch auswirkte. Seine Anfrage, ob ich am Montag die Lamellenvorhänge wieder aufhängen könnte? Die Telefonanlage übernahm er ebenso, ohne wenn und aber, das bekäme ich auch noch schriftlich.
Ich ließ verlauten, dass das Aufhängen der Vorhänge von mir nicht mehr als Provinzialmitarbeiter erledigt würde, sondern ab dem kommenden Montag ich als freier Unternehmer diese Arbeiten nur gegen eine angemessene Bezahlung durchführe und dazu dann eine gesonderte Rechnung schreibe. Er stimmte allem zu.
Am Montag erreichte ich das Büro in ungewohnter Arbeitskleidung eines Handwerkers, mit Klappleiter und Werkzeugkasten. Der neue, vorübergehende „Bürovorsteher“, Herr Keller, ein Computerspezialist und meine ehemalige Mitarbeiterin Frau Wienand erwarteten mich bereits als Handwerker für die nötigen Arbeiten. Groteske Situation, vorher der Versicherungskaufmann, jetzt im ehemaligen Ladenlokal als bestellter Handwerker in einer frostigen Atmosphäre der Spießrutenläufer. Ich ließ mich nicht beirren, sondern begann sofort mit der Arbeit.
Die drei unterhielten sich, saßen aber so, dass sie mich genau bei der Arbeit beobachten konnten. Keiner von denen half, es wurden eher blöde Bemerkungen gemacht. Als mir das eine lange Brett mit den Vorhängen abrutschte, unternahm keiner einen Versuch mit an zu packen, sondern ich hörte nur bissige und hämische Zwischenrufe durch Herrn Keller.
Meine Arbeit war getan, ich rechnete die Stunden meiner Tätigkeit zusammen, schrieb diese Zahlen in eine vorbereitete Rechnung und überreichte das eine Exemplar Herrn Keller, das andere sollte er mir bitte gegenzeichnen, damit meine Arbeit dokumentiert war. Mit einem bösen Blick und einem „Was soll das?“ wollte er dieses Schriftstück wegwischen. Ich entgegnete ihm nur, dass ich noch so viel Zeit habe, die Lamellen wieder ab zu bauen. Mit einem wütenden Schnaufer unterschrieb er, ich bedankte mich für die herzliche Aufmerksamkeit und fuhr nach Hause.
Christians 10.Geburtstag
Die vielen negativen Veränderungen in unserem Leben sollten die positiven Ereignisse nicht zu sehr überschatten, deshalb ist es mir sehr wichtig den 30. April 1996, Christian´s 10. Geburtstag in Erinnerung zu behalten. Rita backte ihm seinen gewünschten Kuchen, die Verwandten machten zum Kaffee ihre Aufwartung, einige Freunde von Christian feierten mit ihm seinen ersten runden Geburtstag.
Neues Büro
Im ehemaligen Kinderzimmer von Christian richtete ich mir mein zukünftiges Büro ein, denn ich beabsichtigte meine weitere Tätigkeit von zu Hause aus zu führen. Die beiden Jungen bewohnten in der Zwischenzeit die Räume der unteren Wohnung, eine erneute Vermietung kam daher nicht mehr in Frage.
Meine offizielle Tätigkeit bei der Alten Leipziger Versicherung AG begann am 1.Juni 1996. Ich sortierte meine ausgedruckten Kundenlisten der Provinzial, vereinbarte die ersten Termine mit ehemaligen Provinzialkunden, um deren Verträge entsprechend auf die andere Gesellschaft um zu schreiben. Es folgten viele Kunden mit ihren Unterlagen, sodass meinem direkten Nachfolger in der Geschäftsstelle Lantenbach ein großer Bestandverlust entstand, aber so ist das Geschäft, ein Nehmen, Gewinnen und Verlieren.
Ein Agenturbetreuer der Alten Leipziger, Herr Hans-Josef Pillgram, stellte sich vor. Es folgten die üblichen Spielchen mit Geschäftsplan, Erreichen, nicht Erreichen, Erwartungshaltung der Gesellschaft, also eine fiktive Vorrausplanung des eigenen Könnens. Ich ließ mich aber von diesen Papiertigern nicht beeinflussen und spulte das Programm in meinem Sinne durch. Mein derzeitiger Vertrag beinhaltete eine recht ansehnliche Provisionsvorauszahlung, begrenzt auf ein Jahr, die ich mit möglichen zu erwartenden Provisionen ausgleichen musste. Mir war klar, dass dies einen recht hohen Pokereinsatz für das weitere Leben bedeutete, aber nach dem Abgang bei der Provinzial konnte nur die Devise „Hopp oder Topp“ lauten, Gewinn oder Untergang. Es lagen zum Ausgleich bereits viele Rechnungen vor, die Hypothek vom Haus musste bedient und Öl für die nächste Heizperiode angeschafft werden. Eine größere Geldreserve hatten wir nicht zur Verfügung.
Rita`s Kur
Am 5.Juni 1996 fuhr Rita zu ihrer genehmigten Kur nach Flechtingen, ein Luftkurort im Landkreis Börde im Nordwesten von Sachsen-Anhalt und eines der ältesten Orte der Altmark.
Dieser Kuraufenthalt war schon längst überfällig und sollte Rita`s zerrüttete Seele wieder auf Vordermann bringen. Eine räumliche Trennung von uns, ihrer Familie, der gewohnten Umgebung und den nötigen Abstand zu dem gesamten Theater konnte nur die Konsequenz im gesamten Heilungsprozess sein.
Am 3.Juli, ihrem Geburtstag, holte ich sie am Hagener Bahnhof ab und fuhr mit ihr über die Landstraßen nach Hause. Unterwegs hielten wir auf einem Parkplatz an, um ihr mit einem mitgebrachten Yes-Törtchen und einer Kerze ganz persönlich zu gratulieren und ihr zu zeigen, dass ich sie liebe.
Fahrt nach Mecklenburg
Kurz nach Ritas Kur besuchten wir Tine und Jürgen Kamrath in Kritzmow, eine Gemeinde im Landkreis Rostock in Mecklenburg-Vorpommern, oberhalb der Täler der Warnow und des Waidbaches. Da Udo und Ute derzeitig Urlaub machten, übernachteten wir in deren Wohnung, ein paar Häuser entfernt von Jürgen und Tine`s Domizil. Für uns war es der erste Aufenthalt in „MeckPom“ nach der Wende, schon ein komisches Gefühl.
Jürgen und Tine zeigten stolz ihren Garten mit der neusten Errungenschaft, einer Gartenlaube im Landhausstil. Tolle Sache, denn nun konnten auch bestimmte Festivitäten bei schlechtem Wetter veranstaltete werden.
An dem Wochenende fuhren wir nach Rostock-Warnemünde, um die vielen Segelschiffe der Warnemünder Woche zu sehen und teilweise besichtigen. Ein unglaublich schönes und verwirrendes Schauspiel von mehreren Großmastern, historischen Seglern, vielen privaten Segelyachten und Traditionsseglern begeisterte tausende von Besuchern. Diese Großsegler als Seemann zu beherrschen erfordert richtige Seemannskunst, Verständnis und Gespür für die Gewalten der Meere. Für mich sind und waren es schon immer die Schiffe der Ozeane.
Zu diesen Großseglern gehört die Deutsche „Gorch Fock“ und die russische „Mir“, die zu diesem Zeitpunkt im Hafen lag und besichtigt werden konnte. Das hier stattfindende Segelevent fand regelmäßig jedes Jahr im Juli statt, man erwartete für die Regatten 2000 Segler aus 30 Nationen. An diesem Tag mussten die Segler im Hafen bleiben, weil der Wind auf See bereits Sturmstärke erreichte und die Sicherheit der mitfahrenden Passagiere gefährdete.
Wir gingen an den Hafenanlagen entlang in Richtung Mole zur Ostsee, um den dort befindlichen Leuchtturm näher zu betrachten. Es blieb bei dem Wollen, der Wind peitschte nicht nur die Wellen über die Mole, sondern wirbelte dermaßen den Sand durcheinander, dass ein vernünftiges Sehen unmöglich wurde.
Jürgen wollte uns zu Fuß die sehenswerte Altstadt von Rostock zeigen. Beginnend mit der Kröpelinerstrasse, die die Haupteinkaufstrasse des historischen Zentrums von Rostock markierte. 1968, noch zu DDR-Zeiten, gestaltete man diese 650 Meter in eine Fußgängerzone um, die erste Zone dieser Art in der DDR. Ein Teil der Kröpelinstrasse hieß früher Blutstrasse, ein Abschnitt der alten Mittelstadt. Der Begriff Blutstrasse hat nichts mit Blut zu tun, sondern leitet sich aus dem niederdeutschen Wort „blot“ ab, was soviel heißt wie „bloß oder ungepflastert“.
Der Neue Markt und das Kröpeliner Tor bilden die zwei Endpunkte der Einkaufsmeile.
Das Kröpeliner Tor ist das westlichste und mit seinen, zunächst zwei, dann ab 1400 mit sieben Stockwerken und 54 m das größte der vier großen Stadttore der Stadtbefestigung von 1270, die teilweise bis zu 22 kleinere Tore besaß.
Der neue Markt in der Mittelstadt bedeutete im Mittelalter der wirtschaftliche Mittelpunkt von Rostock. Hier lebten die Stadtherren, die Oberschicht der Stadt, in ihren prächtigen Giebelhäusern. Das an der Ostseite des Marktes gelegene Rathaus stieg dann auch auf zum Rathaus der Gesamtstadt, die in der Nähe befindliche Marienkirche avancierte zur Hauptpfarrkirche.
Der Bau der heutigen Marienkirche, eine dreischiffige Basilika begann 1290 und endete Mitte des 15.Jahrhunderts. Sie weist eine besonders reichhaltige Ausstattung auf, wie die Predigkanzel, der Hauptaltar, die Orgel und vor allen Dingen die riesige astronomische Uhr und das Bronzetaufbecken.Die Geschichte von Rostock fand ihre Ersterwähnung 1165 als Rozstoc, ein slawischer Handelsplatz an der Mündung zur Unterwarnow in die Ostsee. Im 12.Jahrhundert entstand die erste deutsche Siedlung, die sehr bald, neben zwei anderen Siedlungen, das Lübische Stadtrecht erhielt und in sehr kurzer Zeit an Größe und Bedeutung gewann.
Das Lübische Stadtrecht ( Ursprung Lübeck ) ist eine Zusammenfassung des Westfälischen- mit dem Holsteinischen Landrecht, in Erweiterung des Ost-seeraumes, die Regeln des See-rechts aus der Zeit der Wikinger und der Gotländischen Genossenschaft in Visby. Dieses sehr komplizierte Land-Seerecht bewahrte seinen Ursprung bis in das 19.Jahrhundert.
Die drei Städte hatten je eine eigene Kirche, ein Rathaus und einen eigenen Marktplatz, sie fusionierten zwischen 1262 und 1265 zu einem vereinigten Rostock, welches bald Mitglied der Hanse wurde.
Mit dem Niedergang der Hanse, dem dreißigjährigen Krieg und einem verheerenden Stadtbrand im Jahre 1677 verlor Rostock an Bedeutung, behielt aber das geistige und wirtschaftliche Zentrum von Mecklenburg. Auf dem Markt der Mittelstadt, vor dem Rathaus, hielt man Gericht ab, in der Platzmitte befand sich auch ein sogenannter Kaak, ein Schandpfahl, an dem die Delinquenten vor ihrer direkten Verurteilung zur Schau gestellt wurden. Auch Hexenverbrennungen fanden auf diesem Platz statt. Diese Vorführungen gehörten zu den wichtigen allgemeinen Volksbelustigungen, denn nur in der Öffentlichkeit kam man an die wirklichen Hexen oder Hexer heran. Die vorangegangenen Foltern dienten zum Eingeständnis der Schuld und der Namensnennung anderer wichtiger Teufelsfreunde, die Einfälle zu immer neueren Folterinstrumenten fanden keine Grenzen. Die Folterknechte konnten hierbei ihren Hang zum Quälen voll ausleben. Aber vor der Hinrichtung musste der Scharfrichter (Henker) dem freudig erwartenden Volk auch etwas bieten, da gab es die weitverbreitete Nadelprobe, eine der wichtigsten Hexenproben, um die wirkliche Schuld öffentlich fest zu stellen. Der Scharfrichter suchte bei dem Verurteilten ein Hexenmal (Muttermal o.ä.) und stach mit einer langen Nadel hinein.
Diese Körperstelle, worauf der Teufel sein Zeichen brannte, sollte gleichzeitig schmerzfrei sein und es dürfe niemals daraus Blut fließen.
Für den normal denkenden Bürger eine logische Folge. Es sind noch Nadeln aus diesen Zeiten erhalten, die für die Suche des Hexenmals in Gebrauch waren, die während der Tortur in den Schaft des Stechgriffes zurückrutschten, damit endlich, nach längerer Stechzeit, eine Stelle des Nichtblutens und der Nichtschmerzen gefunden wurde, um nach vollbrachter Show den Verurteilten endlich zu verbrennen. Klar, dass dem Volk dieser kleine Betrug nicht auffiel.
Als Grenzgänger gingen wir auf der ehemaligen Grenze zwischen den Teilstädten Mittelstadt und Neustadt auf der historischen 150 Meter langen Lagerstraße Richtung Faule Grube entlang, um uns einen alten Tabakspeicher von außen an zu sehen, der stark restaurierungsbedürftig war. Die Faule Grube wurde 1426 erstmalig erwähnt und stellte einen Verbindungsweg zwischen zwei übel riechenden, stehenden Gewässern dar. Das angrenzende Heilig-Geist- Hospital nutzte diese Kloaken für seine Abwässer. In der Neuzeit schüttete man diesen Bereich zu.
Jürgen führte uns in eine urige Kneipe mit vielen Schiffsmodellen, Fahnen, Ankern usw. Leider fällt mir hierzu nicht mehr der Name ein. Ich weiß nur noch, dass wir uns immer noch im Bereich der historischen Altstadt bewegten. Aber hier wollten wir den Tag gemütlich ausklingen lassen und in Ruhe ein zünftiges Bier zu uns nehmen. Die Kinder tranken natürlich noch kein Bier, dies so am Rand erwähnt.
Am nächsten Tag verbrachten wir den Tag am Bootshaus, tranken ein kühles Lübser-Bier auf der Bootshausterrasse, genossen den schönen Blick über der See und ließen alle ganz einfach mal die Seele baumeln. Dabei freuten wir uns über den Besuch einer Schwanenfamilie, die um Leckereien bettelte.
Rügen
Jürgen und Tine zeigten uns die Insel Rügen. Aber um dahin zu gelangen, mussten gewisse Hindernisse überwunden werden. Von der Stadt Stralsund führte eine Ziehbrücke, die Ziegelgrabenbrücke, über den Strelasund zur vorgelagerten Insel Dänholm, von dort gelangte man über den Rügendamm nach Rügen. Wenn man Pech hatte, öffnete gerade die Ziehbrücke, um ein Schiff durch zu lassen, und genau das passierte uns, ein sehr langer Rückstau bildete sich, eine Wartezeit von mindestens einer Stunde war vorprogrammiert.
Nach dem großen Rückstau verlief die Weiterfahrt nachher recht zügig. Wir erreichten Dänholm, mit einem künstlich angelegten Hafen, der eigentlich als Geburtsstätte der Preußischen Marine galt.
Rügen ist, flächenmäßig, die größte deutsche Insel, gelegen vor der Pom-merschen Ostseeküste. Auf einer Gesamtfläche von 926 Km² findet man den Nationalpark Jasmund mit seinem enormen Buchenbestand, Ostseebäder an feinsandigen Stränden, zahlreiche Meeresbuchten sowie vorspringende Halbinseln und Landzungen. Unser Ziel war das Kap Arkona, eine 45 m hohe aus Kreide und Geschiebemergel bestehende Steilküste auf der Halbinsel Wittow, ganz im Norden von Rügen. Dort stehen auch zwei Leuchttürme und ein Peilturm, zwei Militärbunker und die ehemalige slawische Jaromarsburg aus dem 6. Jahrhundert, die als Kultstätte der Ranen, einem slawischen Stamm dienten.
Am Strand fanden wir verschiedene, seltsam geformte Steine, Donnerkiele in allen Größen. Daniel und Christian suchten mit riesigem Eifer diese Findlinge. Um auf die obere Plattform des Kaps zu gelangen, mussten erst einmal insgesamt 230 Stufen und 42m Höhenunterschied über die Königstreppe bezwungen werden.
Der preußische König Friedrich Wilhelm III. ließ 1833 eine Treppe und einen Anleger errichten, um den Höhenunterschied vom Strand bis hinauf zum Kap einfacher gehen zu können. Es war eine sehr anstrengende Plackerei, diese vielen Stufen zu erklimmen, doch unsere Kondition beeindruckte mich sehr. Der Blick auf die Kreidefelsen, die klare Sicht nach unten zum Strand, die Krüppelkiefern, die sich an den Felsen klammerten, konnte man nur als wilde Schönheit bezeichnen.
Wir stiegen die Veilchentreppe hinunter um durch den natürlich sich selbst überlassenen Buchenwald des Nationalparks zu wandern. Eine richtige Wildnis, fällt ein Baum, so bleibt er liegen, entsprechend können sich auch seltene Tierarten frei entfalten und entwickeln. In den Wäldern sind zahlreiche mit Wasser gefüllte Senken und Mulden zu finden, wo sogenannte Kesselmoore entstehen. Überall entdeckt man die Orchideenart Frauenschuh, auch verschiedene Schwarzerlen und Eiben haben sich in diesen Senken angesiedelt.
Eine weitere Besonderheit ist die Salzvegetation an der Nordküste des Nationalparks. In den Mooren entspringen verschiedene Bäche, wobei einige über die Kreidekliffs in die Ostsee münden und die wenigen Wasserfälle des norddeutschen Tieflands bilden.
Die Tierwelt im Nationalpark ist artenreich und vielfältig. Der Wanderfalke und der Seeadler wurden beobachtet, Mehlschwalben nisten in den Kreidefelsen, die Kreideeule kommt in Deutschland nur auf Rügen vor. Auch der sehr scheue Eisvogel findet in den wasserreichen Senken und Mulden ein Zuhause.
Ein interessanter und anstrengender Tag mit schönen Erlebnissen neigt sich dem Ende zu. Wir verlassen den Nationalpark durch die typischen Alleenstraßen von Rügen und orientieren uns in Richtung Kritzmow.
Grotenbach-Gymnasium
Die Sommerferien endeten, Christians wechselte von der Grundschule Wegescheid zum Grotenbach-Gymnasium in Gummersbach. Sein Wunsch war, mit seinen Freunden diese Schulform zu wählen.
Oma`s Mietze
Meine Mutter wollte schon immer eine eigene Katze, die sie betüddeln konnte. Von einem Bekannten, besorgte ich aus einem frischen Wurf ein schwarzes Kätzchen und brachte es meiner Mutter mit. Sie war ganz glücklich. Klar, die künftigen Tierarztbesuche zwecks Impfung und kastrieren musste ich erledigen, aber man sah, wie sie auflebte.
Dahlienschau in Wiehl
In einer Großgärtnerei in Wiehl findet jedes Jahr eine Dahlienschau statt, wo die neuesten Züchtungen vorgestellt werden. Ein farbenprächtiges Blumenmeer, noch verstärkt durch die Sonnenstrahlen, breitete sich vor uns auf. Blumen-und Gartenfreunde kommen hier auf ihre Kosten und haben die Möglichkeit, ihre Auswahl zu treffen und gleich zu bestellen. Seit vielen Jahren werden in dieser Gärtnerei Dahlien gezüchtet, Versuche mit neuen Kreuzungen unternommen und versucht, unempfindliche Züchtungen für unsere Klimazone hervor zu bringen.
Sportunterricht
Der Sportlehrer Herr Walter am Moltke-Gymnasium mobbte Daniel im Sportunterricht fortwährend auf Grund seines grasgrünen Sporttrikots, welches er stolz wie Oscar als Mitglied des Handballvereins Gelpetal anhatte. Man muss dazu erwähnen, Herr Walter war Trainer der A-Jugend des VFL-Gummersbach, und deshalb über die Farben der Trikots der umliegenden Vereine informiert. Egal, wie gut oder wie schlecht Daniel sich im Sportunterricht anstellte, irgendeine dumme Bemerkung, wie „heh du Laubfrosch“ oder ähnliches, musste fallen. Ich sagte Daniel nur, er sollte sich von dem Lehrer nichts gefallen lassen und ihn einfach mal fragen, ob er etwas gegen ihn hätte. Daniel tat, wie ich ihm geraten habe. Jetzt konnte wohl keiner ahnen, dass der Lehrer solche Erwiderung als pure Frechheit hinstellte und Daniel ordentlich zusammenstauchte. Er kam ganz frustriert nach Hause. Zum nächsten Sportunterricht erschien ich in der Turnhalle und sprach Herrn Walter zwecks ernster Unterredung an. Er befahl seiner Klasse einen Moment alleine weiter zu machen und bat mich in seinen Lehrerraum der Sporthalle.
Unser Gespräch verlief am Anfang recht ruhig und sachlich, bis Herr Walter sich über meine Äußerungen, wie Mobbing, Lehrerauftrag und Erziehungsmaßnahmen zur Persönlichkeit beschwerte, und sich dadurch angegriffen fühlte, was ich ja auch beabsichtigte. Er rastete aus und beschimpfte mich, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als ihm fürchterlich laut die Meinung zu sagen. Er konnte meinem Wortschwall nicht mehr folgen und holte nur noch Luft. Mein Schlusssatz lautete: Wir sehen uns beim Direktor und dem Vertrauenslehrer Herrn Niessen wieder, um diese Angelegenheit vollständig zu klären.
Ich setzte diese Ankündigung direkt in die Tat um und bat die Herren in der großen Pause zu einem kurzen Gespräch. Herr Walter wurde hinzu beordert, wir gaben uns anschließend die Hand. Eine erneute Provokation Daniel gegenüber hat es nie wieder gegeben.
Brucher-Wanderung
Auf Vorschlag des Elternvorsitzenden Herrn Jesinghaus der Schulklasse von Daniel fand eine Eltern-Schüler-Wanderung um die Bruchertalsperre bei Marienheide statt. Die Bade-und Segelsaison hatte noch nicht begonnen, ein freundlich, kühler Tag erwartete uns. Der Sinn dieses Treffens war das private Kennenlernen, außerhalb aller Schulaktivitäten. Nach der gemeinsamen Wanderung konnten wir uns noch bei einem Kaffee an der Segelschule austauschen und unterhalten. Dabei luden uns Irmtraud und Robert Kiebler zu einer Chorprobe des Chor Canticum in Niederseßmar ein. Dieser Chor gründete sich über eine Initiative des Chorleiters Dirk van Batterey, der mit Hilfe der evangelischen Kirche einen Gospel-Pop-Kirchen-Musik-Chor ins Leben rufen wollte.
Dass aus diesem lockeren Angebot eine zwölfjährige Chorzugehörigkeit werden sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner.
Choreintritt
Rita und ich traten dem Chor Canticum in Gummersbach-Niederseßmar, Leitung Dirk van Batterey, bei. Die Chorprobe fand jeden Donnerstag, mit Beginn 20.00 Uhr, statt. Nach der ersten Chorprobe sangen wir in der Nachbarschaft auf einer Silberhochzeitsfeier bei einem Chormitgliedspärchen, Jürgen und Marianne Lüdtke, ein paar Lieder. Für Rita und mich bedeutete dies eine ganz neue Erfahrung, es machte aber Spaß, der dann über 12 Jahre anhielt.
Erster öffentlicher Auftritt
In einem Sängerheim in der Nähe von Waldbröl traten wir, der Chor Canticum, das erste Mal öffentlich, neben verschiedenen anderen Chören, vor Publikum und Presse auf. Wir sangen verschiedene Gospels, die Klavierbegleitung geschah durch unseren Chorleiter. Auf einer Musikkassette nahm ich unseren Gesang auf, um unsere Musik für spätere Zeiten zu dokumentieren.
Proben für Weihnachten
Für unseren Singauftritt Heilig Abend in der evangelischen Kirche in Niederseßmar probten wir intensiv noch einige Lieder. Auf dem Programm standen verschiedene Gospel, moderne Kirchenlieder, und ein klassisches Lied, transeamus, ein Lied mit lateinischem Text. Für Rita und mich recht gewöhnungsbedürftig. Aber es machte Spass, man konnte dem Alltag mit seinen reichhaltigen Problemen entfliehen.
Christian`s Schulwechsel
Ein Neubeginn mit der 5. Klasse auf der Gesamtschule Marienheide stand an, weil Christian den Anforderungen eines Gymnasiums nicht gewachsen war. Was kam er oft mit hängendem Kopf und einer Niedergeschlagenheit nach Hause, der Druck, der auf ihm lastete, brachte nur negative Begleiterscheinungen. Wir erhofften, ihm hiermit einen Gefallen zu tun. Ich ließ mich in dieser Klasse als Elternratsvorsitzenden wählen, mit dem Hintergedanken Christian ein wenig Hilfestellung in der weiteren Entwicklung zu geben.
Ohne Dampf
Am 29.Dezember 1997, am Geburtstag von Karl-Heinz Middelhoff beendeten Rita und ich unsere Raucherkarriere. Welch ein Mühsal, welch eine Schinderei. Unsere Entzugserscheinungen gestalteten sich als sehr heftig, wir gingen uns deshalb aus dem Weg. Ich hatte eine Woche lang das Gefühl, eine neue Brille haben zu müssen, so schlecht konnte ich sehen. Kreislaufbeschwerden gehörten zur Tagesordnung. So etwas möchte ich heute nicht noch einmal erleben. Aber der Willen setzte sich durch, auch wenn es noch lange zu kurzen körperlichen Gegenattacken kam.
Seit dieser Zeit habe ich nie wieder einen Zug mit einer Zigarette, Zigarre, Zigarillo oder Pfeife inhaliert.
In Christians Klasse gab es sehr unterschiedliche Charaktere von Schülern. Klar, dass in dem Alter das ein oder andere angestellt wurde, Begebenheiten, über die man später schmunzelte, aber ein paar Schüler brauchten ihre Bestätigung im Zerstören, Verschmieren und Besauen von Gegenständen. Und das ging zu weit. Entweder ließ jemand den Computerbildschirm der Klasse extra auf den Boden fallen, ein anderer schüttete mit Hilfe einer Plastiktüte Urin über die abschließbaren Schülersspinte, oder die draußen stehenden Stühle und Tische vom benachbarten Schwimmbad wurden zerschlagen. Diese Angelegenheiten besprach man mit den Lehrern, Eltern und Schülern zur Bestrafung oder Abmahnung in einer Schulkonferenz, die man auf Grund der vielen Vorkommnisse sehr oft einberufen musste.
Wie bei jedem Wechsel einer Tätigkeit muss man sich erst an die neuen Geflogenheiten gewöhnen. Neue Formulare, neue Tarife, andere Abrechnungen, anderer Innendienst in der Hauptverwaltung und andere Kollegen. Aber meine Aufgabe blieb wie überall: Ein vernünftiger Umsatz, der beide Seiten, mich und meine Familie und das Unternehmen, zu Frieden stellte.
Ich schickte an meine ehemaligen Kunden einen Info-Dankes-Brief und bedankte mich für die nette Zusammenarbeit, wünschte ein frohes Weihnachtsfest und ein frohes Jahr 1997. Weiterhin nutzte ich dieses Schreiben, um meine neue Tätigkeit an zu preisen und den Ort meines Büros mit der neuen Telefonnummer bekannt zu geben. Mehr durfte ich nicht schreiben, um nicht in den Verruf der Abwerbung zu gelangen.
Für das Jahr 1997 schrieb die Versicherungsgesellschaft Alte Leipziger einen Lebensversicherungswettbewerb aus, mit dem Gewinn für den ersten bis zweiten Platz einer Bezirksdirektion eine mehrtägige Flugreise nach Barcelona. Ich setzte alles daran, dieses Ziel zu erreichen. Meine Aussichten sahen gar nicht so schlecht aus, zumal ich im Jahr 1996 schon viele Vorabgespräche führte, die meine mögliche Abschlussquote erheblich verbessern könnte, und ich hoffte auf ein bisschen Glück.
Gelungene Arbeit
Meine Chancen, einen der vorderen Plätze im Lebensversicherungswettbewerb der AL zu erreichen stiegen gewaltig, denn mein Umsatzerfolg verlief sehr gut. Doch bis zum 1.Dezember 1997 konnte noch viel passieren, es zählte das bis dahin eingereichte und policierte Geschäft, d.h., die Kunden mussten auch mindestens den ersten fälligen Beitrag noch 1997 bezahlen.
Gewinn
Ich hatte es tatsächlich geschafft den Lebensversicherungswettbewerb 1997 zugewinnen. Für mich bedeutete dies eine mehrtägige Flugreise 1998 nach Barcelona, Unterkunft im Ritz, eines der ehrwürdigsten Hotels der Stadt. Weiterhin stand eine Ehrung, im Frühjahr 1998, in Bad Wildungen an, incl. Ehepartner, mit anschließendem Räuberessen in einer naheliegenden Räubergaststätte an. Dann hatte sich das Engagement und die Plackerei doch gelohnt.
Urkundenverleihung
Die Alte Leipziger lud im Frühjahr 1998 zur Ehrung der Gewinner, und Ehepartner, des Lebensversicherungswettbewerbes 1997 in den Fürstenhof nach Bad Wildungen ein. Die Ehrung fand auf Grund des schönen Wetters im Kurpark vor der Konzerthalle statt.
Abends erlebten wir einen Festakt im Hotel mit einem bunten Rahmenprogramm.
Am nächsten Tag, vormittags, gingen wir mit einigen anderen Kollegenpaaren in die Stadt, um etwas von Bad Wildungen kennen zu lernen, die ein Heilbad mit eisen-, magnesium- und kohlensäurehaltige Heilquellen ist. Es existieren ca. 20 Kliniken, die sich unterschiedlich spezialisiert haben, ob Orthopädie, Psychosomatik, Rheumatologie, und andere. Die Bereiche Fitness und Wellness mit Beauty gewinnen zunehmend an Bedeutung. Bedeutende Einnahmequellen sind der Tourismus und die Alten-und Pflegeheime der gehobenen Klasse. Bad Wildungen hat seinen Kurpark erheblich erweitert und beherbergt den größten Kurpark Europas.
Zu unserem Programm gehörte das Feldscheunenfest in Merxhausen, ein Ort außerhalb von Bad Wildungen, wo wir mit einem Bustransfer hingefahren wurden.
Bei einer lockeren Atmosphäre, Essen wie die Räuber, ohne Messer und Gabel, nur mit den Fingern, trinken aus Krügen und tönernen Bechern entstand ein fast gemütliches Beisammensein, bei dem einige der Herren, nach reichlichem Alkoholgenuss sich nicht benehmen konnten. Um sich nicht zu sehr zu bekleckern, konnte man sich in größere Tücher hüllen, die dann die meisten Schmierereien abhielten. Aber so Herren wie mein Agenturbetreuer Pillgram schnippte nicht gegessene Fettstreifen mit einem Löffel durch die Gegend, und freute sich diebisch bei diversen Treffern in die Ausschnitte der Damen. Einige Leute beschwerten sich beim Chef, der dann diese Spaßgeschosse unterband.
Minnesänger und eine Transvestiteneinlage rundeten den eigentlich gelungenen Abend ab.
Das andere Gesicht
Wie so oft im Leben liegen Freude und Enttäuschung dicht nebeneinander. Mein Geschäftsjahr 1997 verlief sehr gut, meine Zahlen konnten sich sehen lassen, der Gewinn des Wettbewerbes sollte das berühmt I-Tüpfelchen sein, wenn da nicht das Gespräch mit Herrn Neumann, Bezirksdirektor der Alten Leibziger, zwecks weiterführende Vertragskonditionen und ähnliches geführt wurde. Nach außen zeigte Herr Neumann diesen freundlichen, zu seinen Leuten stehenden Chef eines großen Bezirkes, nach innen nenne ich ihn einfach eine hinterlistige Bazille. So nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“ erhielt man dieses Schulterklopfen, versehen mit viel Lob, hinter den Kulissen erhielt man diesen berühmten Arschtritt.
Mein Gespräch in Köln tendierte auf eine weitere Verlängerung meiner Provisionsvorauszahlungen, um für ein weiteres Jahr den Salär der Exis-tenssicherung vertraglich fest zu legen. Herr Neumann behauptete gesagt zu haben, dass die allgemeinen Bedingungen der AL so konzipiert seien, dass nach einem Jahr automatisch eine Halbierung der Vorrauszahlung erfolge, danach wieder die Hälfte, weil der Vermittler nicht vergessen sollte, seinen Bestand weiterhin aus zu bauen, um daraus letztlich den Lebensunterhalt zu bestreiten. Er vergaß zu sagen, dass die Bestandsprovisionen immer ein Jahr hinterher hinken, und nicht jeden Monat eine direkte Erhöhung bedeuten. Kurz, ich musste ab sofort mit der Hälfte meiner Bezüge rechnen. Für meine Familie und mich stand die Existenz auf dem Spiel, so einfach den Gürtel enger schnallen, die Hälfte essen und trinken, die Hälfte heizen oder Licht anmachen, die Hälfte der Hypothek, wie sollte das funktionieren?
Herr Neumann sagte nur, so wären die Regeln und ließ sich von dieser Behauptung nicht abbringen. Außerdem müsste ich noch nicht verrechnete Vorausprovisionen ins Verdienen bringen, um bei der AL einen klaren Schnitt zu haben.
Mir blieb nichts anderes übrig, als die Gesamtsituation zu akzeptieren, ein erneuter Wechsel zu einer anderen Gesellschaft würde in der Kundschaft einen erheblichen Vertrauensverlust bedeuten, also erst einmal sondieren, Ärmel hochkrempeln und durch.
Die ersten Probleme finanzieller Art stellten sich ein, fällige Rechnungen stellten wir erst einmal zurück und ließen uns zunächst anmahnen. Neue Rechnungen folgten, ältere Außenstände bedienten wir, aber ein Loch stopfte das nächste, der Teufelskreis drehte sich, im Grunde waren wir jetzt schon pleite und wollten es nicht wahrhaben. Es folgten wieder hoffnungsvollere Monate, sodass wir die wirklichen Probleme hinten an stellten.
Urlaub in Nordholland
Wir planten unseren Sommerurlaub nach Nordholland, mussten dafür aber meine Mutter sicher unterbringen, denn ihre Alzheimer Krankheit ließ es nicht zu, sie alleine zu lassen. Marianne und Wilfried hatten für den Sommer nichts vor, und so ergab es sich, dass meine Mutter mehrere Wochen in Bremen verbrachte.
Wir mieteten in Schoorl, ein niederländischer Ort in Nordholland der Gemeinde Bergen, ca. 8 Km von Alkmaar, ein Ferienhaus in einem Ferienpark.
Um dahin zu gelangen, fuhren wir über den 29 Km langen Abschlussdamm zwischen Nordsee und IJsselmeer, eine Verbindung von Friesland nach Noord-Holland. Der heutige Süßwassersee besteht aus einem großen Teilgebiet der ehemaligen Zuidersee, einer eingedeichten Meeresbucht zwischen Friesland und Holland.
1932 begann der Bau des 90 m breiten Abschlussdammes, der auf seiner Krone die niederländische Autobahn A7 trägt.
Schoorl liegt am Rande der höchsten (54 m) und breitesten Dünen der Niederlande. Die Ersterwähnung als Scoronio geschah bereits im 10. Jahrhundert. In den Dünen unterhielten die deutschen Besatzer im zweiten Weltkrieg ein Internierungs- und Konzentrationslager, um von hier aus Juden in andere Lager zu transportieren. Der Sommer beansprucht diese Gegend als Zentrum des Tourismus. Sehenswert ist die reformierte Kirche aus dem 17.Jahrhundert und das alte Rathaus aus dem Jahr 1601.
Die Umgebung unseres Feriendomizils lud zu kleinen Wanderungen an den vielen Kanälen mit seinen alten Bauernkaten und Windmühlen ein, die wohl die bekanntesten Wahrzeichen dieses Landes sind.
Beeindruckend sahen die blühenden Heidefelder in Mitten der wunderschönen Dünenlandschaft bei Schorl aus. Einsam, wild, bizarr, farbenfroh, einmalig. In diesem Naturschutzgebiet halten sich auch sehr viele seltene Vogelarten auf, die in vielen anderen Regionen bereits ausgestorben sind. Zu beobachten waren Rebhühner, Fasane und natürlich sehr viele Kaninchen, die hier in wahrhaft großen Kolonien leben.
Unser Ziel gehörte Alkmaar, eine Stadt, die 1254 durch den holländischen Grafen Wilhelm II. die Stadtrechte erhielt. 1573 vertrieben die Verteidiger der Stadt mit viel Mut und Geschick die spanischen Belagerer und feiern an jedem 8. Oktober eines Jahres diesen historischen Tag.
Berühmt ist Alkmaar durch seinen seit 1622 abgehaltenen Käsemarkt, der zwi-schen Ostern und Herbst jeden Freitag stattfindet. Das Schauspiel, der ganz in weiß gekleideten „Käseträger“ mit ihren farbigen Hüten, lockt jedes Jahr viele tausend Besucher an.
Seit 1593 gibt es in Alkmaar eine Käseträgergilde, die aus vier Gruppen zu je sieben Trägern besteht. Jede Gruppe hat einen andersfarbigen Hut, entweder blau, grün, rot oder gelb. Über diesen Gruppen steht der Käsevater, der an seinem schwarzen Stock mit silbernem Knauf zu erkennen ist.
Bevor am Freitag der Markt beginnt, muß der Platz peinlichst genau gesäubert werden, damit anschließend die „Setzer“ die Käselaibe in langen Reihen neben-und übereinander schichten können. Um Punkt 10.00 Uhr ertönt die Startglocke und die Käseträger, ausgestattet mit großen Tragebahren aus Holz, beladen die Tragen mit den Käselaibern und hasten mit ihnen, in einem eigentümlichen, gleichmäßigen Schnellgang, kreuz und quer über den Platz. Dabei werden die Laiber ausgiebig von möglichen Käufern getestet und anschließend darauf geboten. Je schneller die Träger die Ware über den Platz tragen, je mehr verkauft der Händler. Feilschen ist dabei ein wichtiger Handelspunkt, das Geschäft erledigt sich dann immer nur per Handschlag.
Die malerische Altstadt von Alkmaar mit ihren alten, aber sehr liebevoll gepflegten Giebelhäusern sind einfach sehenswert. Weiterhin läd die Stadt zum Geschäftestöbern in den engen Gassen mit seinen kleinen Geschäften ein.
Die St.Laurens – Kerk stammt aus dem 15.Jahrhundert beinhaltet zwei Orgeln, eine aus dem Jahr 1511, die andere erbaute der deutsche Orgelbaumeister Franz Casper Schnitger im 17.Jahrhundert.
Die Stadt Alkmaar durchzieht ein Netz von Grachten, die nicht nur dem Tourismus dienen, sondern auch als zusätzliche Transportwege für kleinere Gütermengen gebraucht werden.
Eine Grachtenrundfahrt ist schon ein kleines Abenteuer. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Abschnitten der kleinen Wasserstrassen sind so eng und niedrig, dass das kleine Rundfahrtschiff gerade so durch die engen Röhren passt und die Passagiere sich tief bücken müssen, damit sie sich nicht den Kopf stoßen. Faszinierend sind die malerischen Wohnbereiche mit ihren dicht beieinander stehenden kleinen Gebäuden. Überall haben Hausboote ihren festen Liegeplatz, zumindest erkennt man sie schon an den flatternden Wäschestücken auf der Leine.
Unsere Strandaktivitäten fanden meistens in Egmond aan Zee statt, der Ort war schnell zu erreichen, gute Parkplatzmöglichkeiten, sauberer Strand. Wir stellten unsere Strandmuschel gegen den teilweise kräftigen Wind und ließen für ein paar Stunden die Seele baumeln.
Am letzten Tag unseres Urlaubs planten wir ein zünftiges Fischmenu in einem entsprechend urigen Restaurant. Dies fanden wir in Bergen aan Zee, ein kleiner Ort direkt hinter den Dünen, nicht weit von Schoorl entfernt. Wir waren so richtig begeistert von diesem so exellenten Fischessen.
Bei einem letzten Abendspaziergang am Meer ließen wir den Urlaub ausklingen, um am nächsten Vormittag in Ruhe nach dem Frühsück die Heimreise an zu treten.
Rückkehr aus Bremen
Meine Mutter kam aus ihrem Bremenaufenthalt sehr durcheinander, eher orientierungslos zurück. Ich glaube, es war keine so gute Idee, dass sie ihre gewohnte Umgebung für längere Zeit verließ. Sie hatte doch tatsächlich den persönlichen Kontakt zu ihrer eigenen Wohnung verloren. Aber, als sie ihre Katze wiedersah, kam die Erinnerung langsam wieder.
Frau Wanja, unsere Nachbarin, freute sich auch schon darauf, dass meine Mutter wieder daheim war.
Rückkehr aus Bremen
Meine Mutter kam aus ihrem Bremenaufenthalt sehr durcheinander, eher orientierungslos zurück. Ich glaube, es war keine so gute Idee, dass sie ihre gewohnte Umgebung für längere Zeit verließ. Sie hatte doch tatsächlich den persönlichen Kontakt zu ihrer eigenen Wohnung verloren. Aber, als sie ihre Katze wiedersah, kam die Erinnerung langsam wieder.
Frau Wanja, unsere Nachbarin, freute sich auch schon darauf, dass meine Mutter wieder daheim war.
Die letzten Stunden
Es war Sonntagvormittag, der 20. September 1997, als meine Mutter bei uns anrief, dass sie so Probleme mit ihrem Ischias hatte und sich gleich wieder hinlegen wollte. Ich gab ihr zu verstehen nach meinem Frühstück zu kommen. Sie saß in der Küche und schaute mich wie ein Häufchen Elend an. Mir fielen direkt ihre blaue Lippen auf und die sehr fahle Blässe im Gesicht. Ich kochte ihr einen Tee und bereitete eine Scheibe Brot vor. Sie wirkte leicht apathisch, ich hatte den Eindruck, dass mit ihrem Herz etwas nicht stimmte. Ich rief Rita herüber, damit sie ihre Meinung zu dieser Situation abgab, sie bestätigte meine Vermutung, wir riefen einen Arzt. Um sie auf diesen Arztbesuch vor zu bereiten, wollte Rita mit ihr das Bad aufsuchen, dabei klappte meine Mutter zusammen. Es gelang, sie mit vereinten Kräften in ihr Bett zu legen.
Der diensthabende Sonntagsarzt diagnostizierte, nach genauerer Untersuchung, einen Oberschenkelhalsbruch links. Weiterhin zeichneten sich die Konturen des Schlafzimmerheizkörpers als blaue Striemen auf ihrem linken Oberschenkel ab. Wir vermuteten, dass sie in der Nacht auf dem Weg zur Toilette über ihre Katze stolperte, die die Angewohnheit besaß, immer sehr eng um die Beine herum zu streichen.
Der Arzt wies meine Mutter in das Gummersbacher Kreiskrankenhaus ein. Wochenende, Notbesetzung, großer Krankenandrang. Vor der Röntgenabteilung mussten lange Wartezeiten akzeptiert werden. Wir fanden diese Behandlung gar nicht so gut, denn meine Mutter hatte große Schmerzen und lag bereits sehr lange auf der fahrbaren Trage des Klino`s. Irgendwann fand ihre Untersuchung statt, die Diagnose bestätigte den Oberschenkelhalsbruch, es erfolgte die Einweisung auf die entsprechende Station mit der Option, am gleichen Abend noch zu operieren. Rita und ich fuhren erst einmal nach Hause, um am Abend noch einmal zum Krankenhaus zurück zu kommen.
Wir betraten am Abend das Krankenzimmer um nach meiner Mutter zu sehen. Man hatte sie in der Zwischenzeit auf die Intensivstation verlegt. Was war geschehen? Die Stationsschwester erzählte uns, dass meine Mutter sich in geistiger Umnachtung die angeschlossenen Infusionen herausgerissen hatte und sich nicht mehr orientieren konnte. Ferner brach ihr Kreislauf zusammen, sodaß man sie auf die Intensivabteilung verlegte, um eine bessere Überwachung gewährleisten zu können.
Sie lag in einem Einzelzimmer, versehen mit allen möglichen Infusionen zur Stabilisierung des Kreislaufes, etwas gegen die Schmerzen, Beatmungsschläuche verbunden mit der Herz-Lungen-Maschine. Der behandelnde Arzt gab uns keine große Hoffnung auf Überlebenschancen, ausschlaggebend wären die nächsten Tage. Ich gab Marianne darüber Bescheid, dass unsere Mutter im Sterben liege und sie sich auf den Weg nach Gummersbach machen sollte, damit sie sich ebenfalls noch von ihr verabschieden könne. Marianne erhielt angeblich von ihrem Schuldirektor nicht frei, also erübrigte sich alles Weitere.
Ich sagte alle Termine der kommenden Tage bei der Alten Leipziger ab. Der Bezirksdirektor, Herr Neumann, von Köln erkundigte sich hinten herum, über meinen Agenturbetreuer, Herrn Pillgram, ob diese Aussage von mir wegen meiner Mutter zutreffe, er sollte ihm darüber Bericht erstatten. Als ich diesen „Vertrauensbeweis“ vernahm, konnte ich meine Enttäuschung Herrn Pillgram gegenüber nicht verbergen und ließ ihn an den großen Chef einen schönen Gruß ausrichten, dass ich mit ihm noch ein paar persönliche Worte wechseln werde.
So oft wie möglich besuchten wir meine Mutter, wenn, um nur ihre Hand zu halten und ihr das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine ist. Im Gespräch mit dem behandelnden Arzt wurde mir mitgeteilt, dass ein nochmaliges Aufwachen meiner Mutter höchst unwahrscheinlich wäre, und ich in den nächsten Tagen mit allem rechnen müsste. Die jetzigen lebenserhaltenen Maßnahmen bedeutete nur noch ein Herauszögern des Sterbens, ohne die Geräte hätte sie keine Überlebenschance mehr.
Er würde mir vorschlagen, nur noch schmerztherapeutische Maßnahmen vor zu nehmen und ein Abschalten der Geräte, um sie auf natürliche Art und Weise sterben zu lassen. Ich verabredete mit ihm, am nächsten Tag, am Donnerstag, Bescheid zu geben, denn ich wollte diese Situation mit meiner Schwester aus Bremen besprechen.
Marianne fragte an, ob ich dieses Abschalten nicht so lange bis zu ihrem Kommen am Wochenende verschieben könne? Ich sagte ihr nur, dass man den Tod nicht so einfach ignorieren könne, der macht so wie so was er will.
Der Mittwochabend gehörte zu meinen schlimmsten Tagen im Leben. Ich sollte die Verantwortung übernehmen über den Tod eines anderen Menschen zu entscheiden. Ich fühlte mich richtig mies. Warum musste einem alles so schwer gemacht werden? Warum konnte sie nicht einfach noch einmal aufwachen, ein paar Worte sagen und sanft entschlummern? Warum entzog sich meine Schwester so aus der Verantwortung? Jeder Arbeitgeber hat normalerweise für solche Situationen Verständnis, warum hat Marianne sich hier nicht durchgesetzt?
Viele Fragen, aber ich gab mir einen entscheidenden Ruck und beschloss am nächsten Tag, am Donnerstag, dem Arzt meine Endscheidung über das Abschalten der Geräte mit zu teilen.
Donnerstag, 25.September 1997, ich befand mich auf dem Parkplatz des Kreiskrankenhauses in Gummersbach, als mein Handy schellte und Rita mitteilte, dass der Krankenhausarzt sie kurz vorher über den Tod der Mutter informiert hatte.
Also hatte das Schicksal die natürliche Folge selbst erledigt. Ich begab mich in das Sterbezimmer, um meiner Mutter die letzte Ehre zu erweisen. Es war das erste Mal, dass ich mich alleine von einer mir nahestehenden Person verabschiedete. Sie sah recht friedlich aus, den Anflug eines leichten Lächelns konnte ich in ihrem Gesicht sehen, so als wenn sie damit ausdrücken wollte: endlich geschafft.
Freigabe
Der Bestatter, Alfons Simon aus Jedinghagen, der von uns alle nötigen Papiere zur Bestattung erhielt, rief an, er bekäme vom Krankenhaus die Leiche meiner Mutter nicht frei. Was war geschehen? Meine Mutter kam in der Folge eines Unfalls in der Wohnung ums Leben, bei solchen Vorkommnissen muss, laut Gesetz, die Kripo ermitteln, und das tat sie auch. Ich musste deswegen extra zur Anhörung in das Gebäude der Gummersbacher Kriminalpolizei um dem Beamten Rede und Antwort zu stehen, und glaubhaft versichern, dass auch alles so geschah, wie ich es schilderte.
Wir informierten zwischenzeitlich alle Verwandten über das Ableben meiner Mutter und wann der Beerdigungstermin in der Hülsenbuscher Friedhofskapelle statt fand.
Die Kripo musste aber erst den Leichnam freigeben, also sprach ich noch einmal mit dem ermittelnden Beamten über die rechtzeitige Freigabe, um auch nnötige, zusätzliche Kosten zur Beerdigung zu vermeiden.
Wir bekamen alles im richtigen Zeitrahmen hin, die Beerdigungszeremonie endete mit dem Abtransport der Leiche im Sarg zum Krematorium, um im kleineren Rahmen später die Urne auf dem Friedhof bei zu setzten.
Trotziger Urlaub
Von Markus und Frauke mieteten wir für den Sommerurlaub 1998 ihr kürzlich erworbenes Ferienhaus mitten in Nord-Holland. Das Haus gehörte zu einer bewachten Ferienanlage mit kleinem Kiosk und Gastwirtschaft. Zum Einkaufen fuhr man in die nächste Ortschaft, die Entfernung zum Strand betrug ca. 20 Km. Trotz aller geldlichen Schwierigkeiten betrachteten wir die Lage recht gelassen und versuchten auch mit dem Wenigem viel zu erreichen.
Eines Tages bekamen wir einen gehörigen Schreck und konnten uns die ganze An-gelegenheit gar nicht erklären, denn viele Millionen von Flugameisen krabbelten draußen am gemauerten Kamin des Hauses herum, drangen durch die Fensterritzen und krochen hinter die Fußleisten im Innenraum, in die Steckdosen, durch die Ritzen der Terrassentür. Unser Versuch, mit dem Gartenschlauch die Verklinkerung des Außenkamins ab zu spritzen, scheiterte, es waren zu viele. Des Rätsels Lösung hieß Paarung der Ameisen, nach kurzer Zeit war dieser Spuk vorbei, und genau so traf es ein.
Ganz wohl bei so viel Ameisen war uns nicht, aber jetzt wollten wir den Urlaub auch geniessen. Wir unternahmen ein paar kleinere Wanderungen in der Umgebung des Ferienparks, um die reizvolle urholländische Landschaft zu erkunden.
In diesem Urlaub ging jeder seinen Lieblingsbeschäftigungen nach, zum Beispiel nach dem Essen sollst du…. Na was? Auf dem Liegestuhl von besseren Zeiten träumen
Alkmaar
Unser nächstes Ziel gehörte noch einmal Alkmaar, wo wir bereits ein Jahr zuvor den Käsemarkt besuchten. Diesmal sollte es ein intensiver Stadtbummel mit dem Durchstöbern vieler kleiner Geschäfte sein. Verschiedene Animateuere suchten Kundschaft für ihre Produkte.
Auf dem Schild über der Dame mit dem Regenschirm steht „Te Huur“ Apram Sara, inl. Binnen. Auf deutsch: Apram Sara zu vermieten, Nachfrage innen. Oder so ?
Inzwischen hatte Christian seine Mutter in der „Größe“ eingeholt. Daniel suchte am liebsten in den Läden nach Modeschmuck oder Ähnlichem.
Egmond
Von Alkmar fuhren wir noch die paar Kilometer zum Strand von Egmond, um das kühle, aber sonnige Wetter bei einer frischen Brise zu nutzen.
An diesem Tag sah man wenige Leute, die im Strandkorb saßen oder sich hinter einem Windschutz verkrochen, um die Sonnenstrahlen zu genießen. Strandwandern und Muschelsuchen, mit den Füssen in der ankommenden Brandung waten, war angesagt.
Enkhuisen
Unsere Fahrt ging nach Enkhuisen, ein beliebter Ausflugshafen am IJsselmeer. Wie viele andere Städte und Ortschaften hat auch Enkhuisen eine bewegte Geschichte. Um das Jahr 1000 stand hier bereits eine Siedlung. Die Menschen lebten vom Fischfang und kärglichem Aggerbau. Das Dorf entwickelte sich zu einem bedeutenden Anlaufpunkt in der Umgebung, auch Brennpunkt bei Auseinandersetzungen zwischen Friesen, den Holländern und dem Herzogtum Geldern. Der Ort erhielt 1355 die Stadtrechte und wurde bald das wichtigste Zentrum der Heringsfischerei. Um 1600 war Enkhuisen der Heimathafen von 300 der insgesamt 500 Heringsfischer Hollands. In der Blütezeit, um 1652, stieg die Einwohnerzahl der Stadt auf über 25000, für die damalige Zeit eine Großstadt.
Texel
Bei wunderschönem Sommerwetter besuchten wir zum Schluss unseres Urlaubs die Insel Texel, die größte und westlichste der Westfriesischen Inseln. Von der Nord- bis zur Südküste erstreckt sich ein 30 Km langer Sandstrand, dahinter ein hoher Dünengürtel. Strand-Strand-Strand. Ganz feiner Sand, ideal zum „sich Einbuddeln“ oder sich darauf ausstrecken. Einfach toll, hier ist ein Ort, wo man so richtig alles um sich herum vergessen kann.
Mit dem Auto fuhren wir bis zur nördlichen Spitze von Noord-Holland, nach Den Helder, um von da aus mit der Autofähre zur Insel zu gelangen. Zwischen Texel und Den Helder liegt das Marsdiep, eine 4 Km breite Meerenge, die einzige Verbindung zwischen Nordsee und Zuiderzee, weiterhin die südlichste und westlichste Verbindung zwischen der Nordsee und dem Nordsee-Wattenmeer. Aus militärischer und strategischer Sicht ist Den Helder ein wichtiger Hafen, und deshalb der Hauptstützpunkt der niederländischen Königlichen Marine. Auf Texel angekommen, ging unsere Richtung zur Ortschaft De Koog, das Zentrum des Tourismus auf der Insel. Das alte Dorf, mit seinen rund 775 Einwohnern, trennen nur zwei Dünenketten von der Nordsee.
Texel entstand durch eine gewaltige Sturmflut. Im Jahr 1170 durchbrach die Allerheiligenflut die holländische Küste und trennte das heutige Texel und die heutige Insel Wieringen vom Festland. Ein ehemaliges Sumpfmoor trennte Texel und Wieringen, das durch die Fluten ebenfalls weggerissen wurde, und das heutige Marsdiep, die Meerenge, entstand. Umfangreiche Eindeichungen und Anpflanzen von Strandhafer zur Festhaltung von Flugsand, so wie das fortwährende Aufschütten neuer Dünen ermöglichten einen gewissen Schutz gegen die Sturmfluten.
Auf der Schiffsrücktour begleiteten uns bettelnde Möwen, die man stets wegen freundlicher Fluggeschenke im Auge haben musste. Eine recht anstrengende Beschäftigung.
Das Büro hatte mich wieder. Wie immer sortierte ich erst einmal die Post, natürlich auch ein paar Rechnungen, damit wir es nicht verlernen. Einige Anfragen auf dem Anrufbeantworter nahm ich mir zuerst vor, weil diese Vorgänge meistens von gewisser Wichtigkeit waren.
Die nächsten Wochen dachte ich nur an Umsatz und wie ich so schnell wie möglich unsere „Ebbe“ in den Griff bekam. Ich merkte bald meine Grenzen in Puncto Zeitfenster. Nicht jeder Termin brachte den erhofften Sprung nach vorne, viel Kundenservice und Klein-Klein war gefragt, das Buhlen um jeden Kunden machte die Arbeit ungleich schwerer.
Der „Speckwerfer“ Pillgram sagte sich an, um mit mir den Geschäftsplan durch zu gehen. Ich glaube, dass er diese Theorie der Gesellschaft als sein Lieblingsevangelium und Emporkömmlingsgehabe auskostete. Vom eigentlichen Verkaufskönnen und nötigem Versicherungsgrundwissen war er weit entfernt. Meine Achtung vor ihm stand auf einem Tiefpunkt nach der tollen Vorstellung, die er als „Vorgesetzter“ abgeliefert hatte. In meiner bisherigen Zeit als Versicherungskaufmann im Innen- und Außendienst gab es wenige Verkäufer, die nur im Sinne des Kunden verkauften. Für die sehr große Mehrzahl galt die schnelle Mark und nicht die seriöse Beratung. Die Vorgaben der Gesellschaften gehörten schon zu den ersten Schritten des Aufschwätzens und des NUR-Umsatzstrebens, der Kunde blieb auf der Strecke. Ich warnte meine Söhne frühzeitig vor diesen Verkaufspraktiken, nicht nur im Bereich Versicherungen. Überall, wo man mit dubiosen Tarifen in vielen undurchsichtigen Varianten zugemüllt wird, sollten direkt die Alarmglocken schlagen. Die wenigsten Verkäufer erklären die wesentlichen Passagen der kleingedruckten Geschäftsbestimmungen
Flugreise nach Barcelona
September 1998, ich trat die mehrtägige Flugreise nach Barcelona an. Man muss sich einmal vorstellen, ich hatte unser letztes Geld, gerade einmal 40 DM, für den Monat September in der Tasche, trug eine Jeans-Hose vom Handelshof für 15,95 DM und bestieg in Frankfurt einen Flieger nach Barcelona, um vom dortigen Flughafen per Bustransfer zum vornehmsten Hotel vor Ort, dem „Ritz“, zu fahren. Dort markierte ich den „vornehmen“ Versicherungsverkäufer der Alten Leipziger, die eine total durchorganisierte Reise mit vielen extra vaganten Details anbot.
Barcelona ist die Hauptstadt Kataloniens, und die zweitgrößte Stadt, gelegen am Mittelmeer etwa 120 Km südlich der Pyrenäen und der Grenze zu Frankreich.
Die Stadt durchlebte eine sehr bewegte Geschichte mit dem wahrscheinlichen Beginn um 230 vor unserer Zeitrechnung. Der Vater von Hannibal, der karthagische General Harnilka Barkas, soll der Gründer der Stadt Barcelona sein. Ablösung in der Beherrschung dieser Region fand man durch die Römer, dann die Mauren, die Westgoten, die Franken und die Spanier.
Die Geschichte schob die Ereignisse hin und her, genau so änderten auch die vielen historischen Bauten ihr Aussehen, je nach spezieller Nutzung.
Unser Flieger erreichte den Flughafen von Barcelona. Von oben sah das alles so spielerisch aus.
Mit dem Bus brachte man uns zum Hotel Ritz, nicht weit von der berühmten Einkaufmeile La Rambla.
Unser Gesamtaufenthalt war bis ins kleinste Detail durch organisiert. Unser Einchecken im Hotel durfte nur eine Stunde in Anspruch nehmen, da man für uns in einem großen Restaurant am La Rambla einen Tisch reserviert hatte.
Diese Einkaufsmeile für jedermann liegt in Mitten einer sehr breiten Straße, rechts und links fahren die Autos zweispurig, in der Mitte sind Cafes, Restaurants, verschiedene Marktstände, Musiker, Gaukler, natürlich jede Menge Taschendiebe, ein unglaubliches geschäftiges Treiben, viel Lärm, schlechte Luft. Ein Bus brachte uns auf den 173 m hohen Berg Montjuic, von wo man einen wunderschönen Blick auf Barcelona und den Hafen genießen konnte.
Neben verschiedenen Sportstätten auf und um diesen Berg, existiert hier oben eine ganz berühmte Festung, das Castell de Montjuic, welches in der Vergangenheit bei Belagerungen der Stadt eine wesentliche Rolle gespielt hatte. In der früheren Geschichte, zur Zeit des Franco-Regimes, gelangte das Kastell zu einer traurigen Berühmtheit. Hier wurden viele Sozialisten und andere Gegner des Regimes, in Zusammenarbeit mit dem NS-Regime in Deutschland, gemartert und hingerichtet. Am Rande des Zentralfriedhofs, ganz in der Nähe des Kastells, liegen noch ca. 4000 Opfer des Franco-Regimes verscharrt.
Nach dem anstrengenden Besuch auf dem Berg Montjuic fuhr uns der Bus quer durch die Stadt zu einem lauschigen Gartenrestaurant, wo für uns bei edlen Speisen und viel Wein, auch Bier, und speziell aus der Region kommend, ein klarer Schnaps, der angeblich gut zu dem leckeren Rotwein passen sollte, ein feuchtfröhlicher Abend präsentiert. Das Programm sah vor, dass wir uns im Scartbahnrennen versuchen sollten und hatten, extra für uns gemietet, eine ganze Scartbahn außerhalb von Barcelona zur Verfügung. Dafür ging es am Morgen mit unserem gecharterten Bus recht früh los.
Mit einem Schiff fuhren wir die katalanische Küste auf dem Mittelmeer entlang, vorbei an schroffen und felsigen Küstenbereichen mit dahinterliegenden kleinen Buchten, entlang. Überall sah man große Hotelanlagen mit eigenen Strandabschnitten und privaten Schiffanlegern. Ein Privatstrand einer großen Hotelanlage war unser Ziel. Über einen ausklappbaren Steg des Schiffes gelangten wir an den Strand, wovon die AL einen Abschnitt mit dazu gehörenden Sonnenschirmen und Liegestühlen für uns reservierte. Kellner brachten nach unserer Wahl kühle Getränke. Einfach toll.
Zu allem gehört natürlich auch der Spaß. Unsere Truppe konnte sich zu verschiedenen Aktivitäten anmelden, vom gezogenen Fallschirm, Rennboot bis zur meist gebuchten Attraktion, der Banane, ein langes schmales Schlauchboot, wo obenauf bis zu zehn Personen Platz fanden. Man hielt sich an Lederschlaufen fest und wartete darauf, dass das ziehende Motorboot dieses Ungetüm in eine große Renngeschwindigkeit brachte und versuchte, mit vielen Kurvenfahrten, die Passagiere von der Banane zu katapultieren. Es war noch keinem gelungen, diesen Fliegkräften stand zu halten.
Eine Stadtbesichtigung mit dem Fahrrad stand auf dem Programm. Die entsprechenden Fahrräder stellte uns eine Verleihfirma am Strand von Barcelona zur Verfügung. Ungefähr 40 Teilnehmer nahmen an dieser sehr ungewöhnlichen Stadtrundfahrt teil. Voraus fuhr unser Begleiter und Kenner der Stadt, neben ihm und am Ende der Kolonne sicherten Polizisten in Zivil unsere Tour ab.
Wir starteten auf der Strandpromenade Richtung Yachthafen, und radelten durch eine wunderschöne Palmenallee mit Blick auf die zahlreichen Segelboote.
Die Fahrt führte durch die verkehrsreiche Innenstadt zum Arc de Triomf, Triumphbogen von Barcelona, der 1888 anlässlich einer Weltausstellung als Haupteingangstor errichtet wurde. Der rötliche Ziegelbau, im neumaurischen Stil, ist etwa 30 m hoch, und liegt an einer weitläufigen Promenade in Richtung des Parc de la Ciutadella, der damals die Weltausstellung beherbergte.
Den Park errichtete man 1870 auf dem ehemaligen Gelände der hier halb abgerissenen Zitadelle, und ist für Barcelona der größte Park der Stadt, wo sich auch der Zoo, das geologische und das zoologische Museum befindet. Viele Grünflächen, kleinere und größere Seen, Wasserfälle, eine Fülle von exotischen Pflanzen und künstlerische Skulpturen bilden ein abwechslungsreiches Panorama. Im vorderen Bereich steht die große Brunnenanlage Font de la Cascada.
Eine Radtour durch diesen Park ist sehenswert, man konnte seine Eindrücke gar nicht so schnell verarbeiten. In den Bäumen halten sich jede Menge wilder Affen auf, die durch ihre Betteleien auf etwas Essbarem schon sehr lästig wurden. Eine Menge Skulpturen schmücken die Übergänge zu anderen Bereichen des Parks, so auch der Centenario Exposicio Universal 1888, eine Skulptur, die auf die starke Industriealisierung im Umkreis von Barcelona aufmerksam machen sollte.
Unser Weg führte uns an einem Wald alter, beeindruckender Yuccapalmen vorbei, und wieder aus einen der vielen Ein-Ausgänge des Parks in den belebten Straßenverkehr auf eine vierspurige Ampelkreuzung. Jetzt passierte etwas, was in Deutschland undenkbar wäre. Einer der beiden Zivilpolizisten sperrte mit einem speziellen Schlüssel die Ampelanlage so auf rot, dass alle Fahrzeuge, egal aus welcher Richtung sie kamen, stehen bleiben mussten. Unsere Fahrradkolonne hatte freie Fahrt und fuhr ungehindert über die große Kreuzung. Auf der anderen Seite stellte der Polizist die Ampel wieder auf normal, und alles fuhr seines Weges, als wenn dies nun einmal die einfachste Angelegenheit im Straßenverkehr sei.
Jetzt erreichten wir den historischen Bereich von Barcelona, allerdings auch da, wo die wirklich sozialschwachen Bewohner ihr Leben fristeten. Die schmalen Gassen zwischen den Häuserfronten waren so schmal, dass man mit ausgestreckten Armen bequem rechts und links an die Hauswände fassen konnte.
In einigen Bereichen kam so gut wie nie ein Sonnenstrahl durch. Am Ende der schmalen Gassen überquerten wir verschiedene Innenhöfe, wo die Anwohner auf Stühlen vor ihren Haustüren saßen und sich lautstark unterhielten. Hin und wieder gab es kleine Trinkhallen, die vor den Türen ein paar Tische und Stühle für diverse Kundschaft bereit hielten. So machte dort unsre Kolonne halt, um eine Kleinigkeit zu trinken. Den beiden Polizisten gefiel unser Stopp überhaupt nicht, weil sie meinten, für uns die Verantwortung zu tragen. Wahrscheinlich gehörte diese Gegend zu den nicht so sicheren Orten, wo Touristen sich aufhalten sollten. Man merkte deren Erleichterung, als die Fahrt weiter ging.
Wir verließen die etwas düstere Gegend und widmeten uns einer bombastischen Kirche, an der seit vielen Jahrzehnten gebaut wird und nicht fertig werden will. Der Bau finanziert sich nur über Spenden. Es handelt sich hier um die Basilika Sakrada Familia (Vollständiger Name:Temple Expiatori de la Sakrada Familia) Zu deutsch: Sühnekirche der heiligen Familie. Der Bau ist eine römisch-katholische Basilika, Baubeginn 1882, mögliche Vollendung 2026.
Unser letzter Abend in Barcelona gehörte einer Schiffstour, auf einem für uns gemieteten Schiff, welches in die laue mediterane Nacht hinaus fuhr und uns mit katalanischen Köstlichkeiten verwöhnte. Eine spanische Folkloreband unterhielt uns musikalisch, eine Flamencogruppe zeigte ihr Können, selbstverständlich waren wir Gäste in diesen Tänzen mit eingebunden.
Eine tolle Reise endete mit der Ankunft des Fliegers am Frankfurter Flughafen. Ein besonderes Lob verdienten Diejenigen, die diese Reise so hervorragend geplant und organisiert hatten.
Ritas neuer Job
Zum 1.November 1998 begann Rita als Kassiererin im EXTRA-Lebens-Mittelmarkt in Gummersbach Niederseßmar. Welch ein Glück für uns, gerade zur richtigen Zeit, um diverse finanzielle Unstimmigkeiten etwas besser in den Griff zu bekommen. Unser Ablauf im Familienalltag musste deswegen neu organisiert werden, da Rita für flexible Arbeitszeiten eingeteilt wurde, aber das störte uns recht wenig.
Unzufriedenheit
Mein Verhältnis zur Geschäftsführung der Bezirksdirektion in Köln der Alten Leipziger trübte sich immer mehr. Dort legte man einen unseriösen Führungsstil an den Tag, Versprechungen ignorierte man, Absprachen wurden nicht eingehalten, Interna landeten bei denen, die es nicht erfahren sollten. Viele meiner Kollegen, auch einige von Barcelona, orientierten sich bei anderen Gesellschaften. So weit wollte ich es vorerst nicht kommen lassen, sondern wartete erst einmal ab. Ich erhielt die feste Zusage, freiwerdende Bestände aus meiner Region von ausgeschiedenen Kollegen zu übernehmen, um dadurch bessere Perspektiven zu erhalten. Ich wurde nur hingehalten, keiner erinnerte sich an diese Aussagen, wieder neue Versprechungen und so weiter. Es grenzte bereits an reine Verarscherei. Meinen größten Fehler beging ich, als ich wegen angeblicher Provisionsrückstände und nicht erreichtes „ ins Verdienen Bringen“ der Vorausprovision ein Schuldanerkenntnis unterschrieb. Ich hätte besser mal nachrechnen sollen, denn nach nur knapp einem Jahr kürzte man meine Bezüge um die Hälfte, entsprechend geringer müsste die Berechnung ausgefallen sein. Ich war einfach zu gutgläubig, wie immer.
Mast-Mode
Der Extramarkt kündigte Rita den Arbeitsvertrag zum April 1999, ohne einen Tag dazwischen fing sie als Hauptkassiererin bei dem Bekleidungsgeschäft Mast-Mode in Gummersbach an und verdiente als Vollzeitkraft um einiges mehr.
Kündigung bei der AL
Ich kündigte meinen Arbeitsvertrag bei der Alten Leipziger und begann zum 1.10.1999 bei der Fa. Hensel GmbH, freier Makler in Gummersbach, als Außendienstmitarbeiter. Meine Aufgabe bestand darin, die vielen Privatkunden zu betreuen.
Zum 1.Januar 2000 erhielt ich einen Angestelltenvertrag mit steigendem Gehalt, angepasst an die Umsatzsteigerung des laufenden Jahres. Meinen Leasingvertrag vom Auto und meinen Handy-Vertrag übernahm die Fa. Hensel ebenfalls, sodass mein Auto in das Firmennetz integriert wurde. Dieses ganze Theater bekam schon fast einen kabaristischen Touch. Als ich im Januar 2000 ein paar Tage wegen einer starken Grippe das Bett hüten musste, brachte die Sekretärin des Herrn Hensel mir meine schriftliche Kündigung. Ausstehende Provisionen hielt die Fa. Hensel zurück. Die ganze Angelegenheit musste dann gerichtlich geklärt werden. Unserer finanziellen Gesamtsituation kamen solche Spielchen natürlich nicht entgegen, ohne Rita´s Gehalt wäre es zu einer Katastrophe gekommen.
Nicht viel später erhielt ich die Information von finanziellen Schwierigkeiten der Fa. Hensel, sie musste Konkurs anmelden.
LVM-Vertrag
Kurzfristig übernahm ich eine Agentur des LVM, Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster. Bis die ersten vernünftigen Provisionen flossen, vergingen ein paar Monate. Ein gewisser Vorlauf musste akzeptiert werden. Also schnallten wir für eine gewisse Zeit den Gürtel enger, aber so etwas waren wir bereits gewohnt. Durch diese Tätigkeit konnten wir ersteinmal wieder tiefer durchatmen.
Rita und ich feierten unsere Silberhochzeit am 21.März 2000, beginnend in der Pfarrkirche von Gimborn. Dort sang zu unseren Ehren unser Chor Canticum zusammen mit dem Kirchenchor Dieringhausen. Die Feier fand in den Vereinsräumen des Turnvereins Hülsenbusch statt. Hierhin luden wir unsere Gäste, Freunde, Bekannte und Verwandte zum Essen, Trinken und Spaß mit einander haben, ein.
Unserer Brautwagen von Hank und Grit aus Holland, wie bei unserer Hochzeit 1975, holte uns ab.
Ein ereignisreiches Jahrzehnt lag hinter uns. Unsere Silberhochzeit versilberte unsere Gefühle.
Chorfahrt nach Paris
Unser Chor Canticum unternahm eine Chorfahrt mit dem Bus nach Paris. Unterkunft fanden wir in einem Haus, welches von der evangelischen Kirche Nordrhein-Westfalen unterhalten wird. Das Haus befand sich in einer Seitenstrasse, nicht weit vom Pariser Zentrum.
Paris ist die Hauptstadt von Frankreich und der Region Île de France. Ältere, lateinische Texte benennen Paris auch als Lutezia. Der Fluss, die Seine, teilt die Stadt in das rechte Ufer, rive droite ( nördlicher Bereich ), und in das linke Ufer, rive gauche ( südlicher Teil ). Im gesamten Stadtbereich, Unité urbaine, leben 10,4 Millionen Menschen. Zur Stadt gehören sechs Kopfbahnhöfe und drei Flughäfen. Die Grundfläche von Paris entspricht ungefähr der Größe von Schleswig-Holstein. Die Île de la Cité, eine Seineinsel, ist der älteste Teil von Paris und wurde bereits in der Antike besiedelt. 1584 ließ Heinrich III. zu beiden Seine-Ufern die Pont Neuf, die älteste von neun Seine-Brücken, erbauen. Auf der Insel befindet sich auch Notre-Dame de Paris (Unsere Liebe Frau von Paris), Sitz des Erzbischofs, erbaut zwischen 1163 und 1345.
Der Fünfschiffrige Innenraum bietet ca. 9000 Menschen Platz. Um genügend Tageslicht zu schaffen, hat man bereits in drei Geschossen sogenannte Lichtgaden eingebaut, die mit künstlerischen Glasverzierungen versehen sind. Die größte Rosette Europas, mit einem Durchmesser von 12 m, kann man hier bewundern.
Die Pont au Change ( Tauschbrücke, oder Brücke der Geldwechsler ) ist eine Seinebrücke und verbindet die Île de la Cité auf der Höhe der Conciergerie (ehemalige Residenz der Herrscher von Frankreich ) und dem rechten Seineufer auf der Höhe des Théâtre du Châtelet, Eröffnung 1862, führt hauptsächlich Opern und klassische Stücke auf.
Zur Ergänzung, in der Consiergerie ist auch der Justizpalast untergebracht. Litfasssäulen als Reklameständer sieht man in Deutschland recht wenig, obwohl sie die preiswertesten Reklameständer sind.
Eine Fahrt mit der Metro ist schon ein Abenteuer, vor allen Dingen, wenn man sich schnell in so ein Gefährt hineinquetschen muss.
Le Butte Montmartre ist mit seinen 130m über NN die höchste natürliche Erhebung von Paris. Um auf den Hügel zu gelangen, müht man sich entweder die vielen, berühmten Stufen hinauf, oder man nutzt die Standseilbahn Funiculeur de Montmatre.
Unterhalb des Sacre Couer liegt der Place Abbesses, ein kleiner Nebenschauplatz des Montmatre, etwas abseits der allgemeinen Touristenwege. Dort findet man einen interessanten Brunnen, der le Fontaine Wallace genannt wird. Ein Relikt aus früherer Zeit. Diese Brunnen waren als Trinkwasserspender über das ganze Stadtgebiet in den Fußgängerbereichen, in Form von gusseisernen Skulpturen, verteilt. Der Engländer Richard Wallace finanzierte sie. Wegen ihrer hervorragenden Ästhetik gelten sie als Wahrzeichen der Stadt Paris.
Eine interessante Gegend, hier oben haben sehr viele, frühere berühmte Künstler gewohnt, und sie wird auch weiterhin von kreativen Leuten künstlerisch genutzt.
Das Maison Rose gehört in diese Kategorie der malerischen Zunft. Auf dem Hügel des Montmartre de Paris kann man schon von weitem die Basilika Sacre- Coeur (Herz-Jesu-Basilika) als römisch-katholische Wallfahrtskirche erkennen. Den Grundstein legte der Architekt Paul Abadie 1875, an dem Tag, als die Verfassung der „Dritten Republik“ in Kraft trat. Die Fertigstellung gelang 1914, konnte aber wegen des 1.Weltkriegs erst 1919 eingeweiht werden.
Unser Chor traf sich nach dem umfangreichen Besuch des Sacre Coeur in einem recht gemütlichen, aber auch interessanten Cafe-Bistro, dem Café des 2 Moulins.
Unser Fußmarsch vom Montmartre endete in der Avenue des Champs-Élylisées im teuersten Cafe von Paris, Henry V. wo wir unseren Durst löschen wollten. Hartmut Lange, Bäckermeister und Mitfahrer von Niedersessmar, sah, dass es hier deutsches Bier gab. Wir bestellten den Biertrinkern eine Runde, und dachten, nach dem schnell auf Durst ausgetrunkenem Bier könnten wir uns noch eine zweite Flasche genehmigen. Aber der Kellner hatte eine fürchterlich lange Leitung und sah uns deutsche Biertrinker von weitem nur mitleidig an. So nach dem Motto „ Wer nicht will, der hat schon“, fragten wir nach der Rechnung, und staunten nicht schlecht. Ein Bier sollte umgerechnet 15 DM kosten. Wir guckten uns an, der eine grinste, der andere war perplex, nur Hartmut Lange brachte in einem sachlichen und ruhigen Ton die Lage auf den Punkt:
Das Bier war lebensnotwendig…. , sagte es, bezahlte und verließ das Cafe. Nach gestärkter und lebensrettender Bierpause folgte unser Touristenblick dem Arc de Triomphe und dem Place Concorde, um dort eine Runde mit dem Riesenrad zu drehen und dabei die Aussicht genießen.
Der Place de Concorde entstand 1755, und sollte der letzte und größte der „Königsplätze“ von Paris werden. Der Platz blieb unvollendet, denn während der französischen Revolution erhielt er die Bezeichnung place de la Revolution. Man entfernte die Reiterstatue von Ludwig IV. und baute statt dessen für den König und seiner Gemahlin, Marie Antoinette, die Guillotine auf, um sie 1793 zu enthaupten. 1836 erhielt der Platz einen 23 m hohen, etwa 250 Tonnen schweren ägyptischen Monolith aus Granit, er stammt aus dem 13.Jahrhundert vor Christus aus Luxor, wo er als Gegenstück den Durchgang des Pylons im Luxor-Tempel flankierte.
Auf unserem Gang durch „wenige“ Strassen von Paris erreichten wir den Palais de IÈlysée und marschierten weiter zum Louvre, von wo wir eine Bustour durch Paris starten wollten, die als Nachtfahrt endete.
Eine Busfahrt, die ist lustig, eine Busfahrt, die ist schön. Eine interessante Variante, Paris im chaotischen Verkehr auf den Hauptverkehrsadern zu erleben. Für uns in Deutschland undenkbare Verkehrssituationen, wo bei uns die Polizei mehr als graue Haare bekäme. Hier in Paris werden kleinere Karambolagen als wenig abgetan, kurz geschimpft, weiter gefahren. Kaum ein Auto, was nicht irgendwo verbeult war oder dem ein Teil der Karosserie fehlte. Sehr viele junge Leute mühten sich mit einem Motorroller oder Moped durch das Verkehrsaufkommen zu gelangen. Passte die Durchfahrt zwischen den Autos nicht so ganz, stützte man sich an den Fahrzeugen mit den Füssen ab oder trat gegen die zu überholenden Blechkarossen, kurzes Geschimpfe, dann weiteres Bemühen, dem Verkehr zu trotzen.
Einen VW-Golf nutzte ein junger Mann als Möbeltransporter. Außen seitlich rechts und links, hingen ein Bettgestell und die dazu gehörende Matratze, ferner fehlte das Glas der Seitenscheiben, dafür guckten aus der Öffnung Regalbretter heraus, auf dem Dach hatte der Fahrer einen Schrank sehr abenteuerlich festgebunden, der Innenraum war mit allerlei Kartons und Tüten zugepflastert, dass man den Fahrer nur noch erahnen konnte. Bei Nichtweiterkommen verschaffte die Hupe lautstark akustischen Beistand.
Ein etwas undefinierbares Auto nutzte den Vorderwagen zum Anhalten, denn bei jedem Stopp, und da gab es einige, haute er sanft gegen das vor ihm fahrende Fahrzeug, um anhalten zu können. Der Fahrer des angeknufften Autos hatte es nach einer gewissen Beschwerdephase aufgegeben, noch weiter zu mosern, er nahm dieses Dagegenbumsen nachher gelassen hin.
Unser Bus brachte unseren Chor zu einer dem Eiffelturm gegenüber liegenden Aussichtsterrasse, von wo man einen tollen Blick auf den Turm genießen konnte. Wir warteten auf die Dunkelheit, weil dann der Turm mit vielen montierten Glühbirnen wie ein Weihnachtsbaum beleuchtet wurde.
Unsere Nachtour zeigte auch den beleuchteten Place de Concorde mit dem Riesenrad.
Ein phantastisches Bild bei klarer Sicht bot sich uns.
Wir beschlossen ganz spontan das gute Wetter zu nutzen, um draußen, vor einem Restaurant, noch eine Kleinigkeit zu essen und bei ein paar Gläser Wein / Bier den Tag ausklingen zu lassen. Wir fanden ein ansprechendes Lokal, mit aufgestellten Gasöfen, sodass bei entsprechender Wetterlage auch dann noch der Abend genossen werden kann.
Vor unserer sonntäglichen Abreise gaben wir noch in einer Deutsch-Evangelischen Kirche in Paris ein Konzert. Die Zuhörer, die regelmäßigen Kirchgänger, nahmen lange Anfahrzeiten in Kauf, um zu ihrer Kirche zu gelangen.
Eine erlebnisreiche Chorfahrt neigte sich ihrem Ende zu. Nach dem Konzert in dieser evangelischen Kirche fuhren wir mit unserem Bus wieder zurück nach Gummersbach.
Die Arbeit hatte mich wieder
Ein Computersystem der neuen Generation wurde vom LVM in den Büros der Vertrauensleute eingeführt, dazu installierte man im Keller unter dem Büro Spezialleitungen und einen Schaltschrank für das Internet und Intranet. Hierzu rückte ein ganzer Trupp mit Technikern und Softwareleuten an.
Nach ungefähr einer Woche stand die Leitung, und ein IT-Mensch des LVM sorgte in meinem Büro für einen dreitägigen Einführungskurs. Die Alltagsarbeit mit Schadensmeldungen, Schadensregulierungen und Kfz.-Anmeldungen beim Straßenverkehrsamt, sowie allgemeine Versicherungsanträge konnte durch die neue Anlage viel schneller bearbeitet werden. Diese Anlage bedeutete eine sehr große Arbeitserleichterung, man musste sich nur an viele neue Regularien gewöhnen.
Geburttagsplanung
Am 3.Februar 2001 wollte ich 50 Jahre alt werden, und dieses Ereignis gedachte ich mit meinen Freunden, Bekannten und Familie zu feiern. Angedacht war, selbst nicht so viel Arbeit zu haben, sondern sich einmal richtig bedienen zu lassen, und dies ließ sich wunderbar in der Wirtschaft von Potthoffs in Jedinghagen durchziehen. Aber oft kommt es anders als man sich das vorstellt. Kurz vor meinem Geburtstag klagte ich über Herz- und Kreislaufbeschwerden und wurde auf Anraten eines Herzspezialisten nach Waldbröl in das dortige Krankenhaus zu einer speziellen Untersuchung eingewiesen. Die Ärzte stellten, Gott sei Dank, keine schlimme Erkrankung am Herz fest, hoher Blutdruck und viel negativer Stress musste behandelt werden.
Morgens, 3.Februar 2001, Krankenzimmer in Waldbröl, die Tür geht auf, die Krankenschwestern traten mit einem geschmückten Tablett ein, darauf brennende Teelichter, dazu mein Frühstück, sehr nett zu bereitet, dazu sangen sie mir ein Geburtstagsständchen. Ich war total gerührt und konnte ein paar Tränen nicht verkneifen.
Auch wenn diese drei Krankenschwestern versuchten, mir ein bisschen Trost zu spenden, fühlte ich mich in diesem Moment unglaublich allein. Der 50. Geburtstag ist nun mal ein besonderer Tag unter diesen Ehrentagen, gerade der Tag, der die Hälfte des Lebens oder ein halbes Jahrhundert dokumentiert.
Meine Feier verschob ich auf ein paar Wochen später.
Feier des 50.Geburtstages
Ich feierte mit meiner Familie, Verwandten, Freunden und Bekannten meinen Geburtstag in der Gaststätte Pottoff in Jedinghagen nach ein paar Wochen nach. Wir bestellten zu Essen und zu Trinken, und ich glaube, keiner der Anwesenden kam zu kurz, ich auch nicht, denn ich wurde reich beschenkt.
Schloß Burg ist das zweite Stammschloss der Herzöge und Grafen von Berg. Die Burganlage liegt im bergischen Land, und gehört zum Solinger Stadtteil Burg an der Wupper.
Anfang des 12.Jahrhunderts erbaute Adolf II. von Berg auf einer Höhe über der Wupper als Burg für die Grafen eine Hauptresidenz, was dann auch, nach vielen Kriegswirren und Erbauseinandersetzungen, im 13. und 14. Jahrhundert geschah. Zwischendurch nutzte man das Schloß als Jagdschloss und auch für zeremonelle Zwecke. 1496 versprach Herzog Wilhelm II. von Berg auf der Burg bei einer Kinderverlobung Herzog Johann dem Friedfertigen von Kleve-Mark seine Tochter Maria von Jülich-Berg zur Gemahlin. Mit diesem Politikum kam es zur Vereiniung der Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, die Hochzeit fand 1509 im Schloss statt.
Als Randbemerkung, zur Vervollständigung, möchte ich noch erwähnen, dass die zweite Tochter von Johann dem Friedfertigen die vierte Frau von König Heinrich VII. von England wurde, und durch diese familäre Verflechtung eine lockere Allianz zwischen dem Königreich England und dem erweiterten Herzogtum wurde und ein gewisser Schutz für Jülich-Kleve-Berg bestand.
Der dreißigjährige Krieg ging auch an der Burganlage nicht spurlos vorbei. 1632 beschossen die Schweden die Burg. Nach dem Krieg, 1648, zerstörten die kaiserlichen Truppen unter Oberst Heinrich von Plettenberg nach ihrem Abzug einen Großteil von Schloss Burg, außer ein paar Wirtschaftsräumen und dem Diebesturm. Im Laufe vieler Jahre zerfiel der übrig gebliebene Rest, man gebrauchte Materialteile für bestimmte Bauten in Wuppertal.
Ein neu gegründeter Schlossbauverein übernahm ab 1890 die Regie des Wiederaufbaus und der Rekonstruierung der alten Anlagen. Heute beherbergt SchlossBurg das Museum des Bergischen Landes, viele Veranstaltungen und auch Trauungen werden im Schloss zelebriert.
Die Wiederherstellung der Burg ist es Wert, einen intensiven Rundgang zu machen. Um das Schloss herum blubbert ein Wasser-Froschgraben, der in der Bewohnzeit der Burg mehrere Funktionen besaß, zum Einen als Schutz vor Eindringlingen, zum Zweiten als Abort und Grube für Küchenabfälle. Wenn der Geruch zu penetrant wurde, zog die Obrigkeit vorerst in andere Immobilien, bis die Ursache der Peinlichkeiten beseitigt war. Man betritt das Schloss durch das Grabentor und fühlt sich direkt in einer anderen Welt.
Hinter dem Grabentor, mit Blickrichtung Innenhof schaut man auf diese prächtige Fassade im Stil des bergischen Fachwerks.
Vom ersten Innenhof gelangt man durch das Mitteltor in einen weiteren Hof, wo auch der Froschbrunnen, Zugänge zu den Wehrgängen und den Türmen zu erreichen sind.
Von den Wachtürmen und den Wehrgängen sieht man weit in das bergische Land. Hier bekommt der Besucher einen Einblick in die strategischen Überlegungen der Erbauer.
Zu unserem Rundgang gehörte auch der Besuch des Batterieturms und des Bergfrieds, mit seinem einmaligen Blick über das Wuppertal. Von hier oben ist die Seilbahn zu beobachten, die das „Untere Land“ mit der Burg verbindet. Diejenigen, die gut zu Fuß sind, nutzen den Weg beginnend vom Nordtor, um in das Tal zu gelangen.
Für das leibliche Wohl kann man den „Bergischen Löwen“ mit seiner bergischen Kaffeetafel aufsuchen. Ein Platz auf der Terrasse vermittelt einen schönen Talblick.
Nach einem Besuch des Schlosses sollte man auch die Müngstener Eisenbahnbrücke in Augenschein nehmen, sie ist die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands.
Die Stählerne Bogenbrücke überspannt in 107m Höhe das Tal der Wupper und wird von der Regionalbahn 47, der Müngstener, zwischen Remscheid und Solingen genutzt. Bis zum Ende der Monarchie im Jahr 1918, nannte man die Brücke Kaiser-Wilhelm-Brücke, nach dem Kaiser Wilhelm I. Danach erhielt die Brücke den Namen Müngstener Brücke, benannt nach dem gleichnamigen, in der Nähe liegenden Ort Müngsten, der in der heutigen Zeit nicht mehr existiert. Nicht weit von der Brücke steht ein Aussichtspavillion, genannt „Diederichstempel“, genannt nach dem Stifter August Diedederich, der diesen über einen Wanderweg zu erreichenden Pavillion 1901 bauen ließ.
Der Chor Canticum aus Niedersessmar unternahm eine Chorfahrt mit den Zielen Dresden, Erfurt und Meißen, wo wir am 31.Mai 2002 um 12.00 Uhr im Dom von Meißen ein Konzert gaben. Vor weg genommen, ein toller Erfolg. Jeden Freitag finden im Meißener Dom Konzerte statt, sie werden lange vorher mit einem Plakat angekündigt. Aber um auch vom Domprobst die Konzertgenehmigung zu erhalten, mussten sehr früh vorher Hörproben auf Kassette oder CD zu geschickt werden, um den vielen Anfragen anderer Musiker zeitlich gerecht zu werden, denn die Konzerttermine sind bis zu einem Jahr vorher ausgebucht.
Die Stadt Meißen liegt 25 km nordwestlich von Dresden, am Ausgang des Elbtalkessels an der Elbe und ihrem Nebenfluss der Triebisch. Weiterhin ist Meißen durch die Herstellung des Meißener Porzellans bekannt, des ersten europäischen Porzellans seit 1708. Um die 929 erbaute Burg Misnia durch König Heinrich I. entstand zuerst eine Marktsiedlung, die sich zu einer Stadt entwickelte und als Meissen 1232 die Stadtrechte erhielt.
Um 1250 begann der Bau des Doms auf dem Albrechtsberg, der nach Blitzeinschlägen in den beiden markanten Türmen erst 1909 fertig gestellt werden konnte. Die Albrechtsburg erbaute 1470 Albrecht von Westfalen als erstes deutsches Schloss direkt neben dem Dom auf dem Albrechtsberg, sie sollte als Residenz der regierenden Fürsten dienen, blieb aber bis 1710 ungenutzt und beherbergte dann bis Mitte des 19.Jahrhunderts die Meißener Porzellanmanufaktur. August der Starke setzte hierzu 1710 die entscheidenden Impulse.
Der Dom zu Meißen wurde den Heiligen Johannes und Donatus von Arezzo geweiht, daher trägt der Dom die Bezeichnung St.Johannes und St. Donatus.Seit 1581 ist der Dom eine evangelisch-lutherische Kirche und verfügt über eine der reichsten und wertvollsten Ausstattungen sächsischer Kirchen. August der Starke, eine schillernde Figur der höfischen Prachtentfaltung, hatte einen unglaublichen Sinn für Kultur, Musik und übertriebener Schönheit. Er ließ die Akustik des Doms so herrichten, dass bestimmte Töne in bestimmten Liedern oder Musikstücken erst zur richtigen Entfaltung kamen. Dieser einmalige Raumklang beeinflusste sehr unser Repertoire an Liedern, und gab ihnen einen ganz anderen Ausdruck. Die Zuhörer im Dom, die unser Konzert erlebten, sagten hinterher, dass ihnen eine „Gänsehaut“ den Rücken herunter kroch, so einmalig hörte sich ein altes italienisches Lied aus dem 15.Jahrhundert an, es hieß Alta Trinta Beata. Schwierig war für unseren Chor die richtige Lautstärke zu finden, weil der Widerhall nach drei Sekunden den Gesang wieder einholte.
Das Weinbaugebiet um Meißen gilt als das nordöstlichste Anbaugebiet Europas und bringt unter Weinkennern hervorragende trockene Weine hervor. Zu den herausragenden kulinarischen Köstlichkeiten gehört der Meißener Fummel. Er ist ein aufgeblasenes und sehr zerbrechliches Gebäck. Der Erzählung nach sollte der ewig angetrunkene Bote des sächsischen Königs durch erzieherische Maßnahmen seinen Alkoholkonsum reduzieren. Dazu gab man ihm auf seinen beschwerlichen Fahrten durch unwegsames Geläuf einen dieser Fummel mit, der dann unterwegs nicht zerbrechen durfte, was schon im nüchternen Zustand auf diesen Wegen ein großes Problem darstellte.
Die Manufaktur des Meißener Porzellans besteht seit 1710 durch den Gründer August den Starken, der diese Erfindung gleich als Meißener Porzellan patentieren ließ. Ein Besuch in der Manufaktur ist sehens- und bemerkenswert. Die Vielzahl der verschiedenen Arbeiten, dieses filigrane Arbeiten erfordert ein gutes Auge und eine sichere Hand.
Erfurt
Das nächste Ziel unserer Chorfahrt war Erfurt, die Landeshauptstadt des Freistaates Thüringen. Bonifatius gründete 742 das Bistum Erfurt und trägt somit zur geschichtlichen Ersterwähnung von Erfurt bei. 1392 eröffnete die Erfurter Universität, ist damit die älteste Universität Deutschlands. Ein prominenter Student war Martin Luther. Die Stadt befindet sich am Südrand des Thüringer Beckens, im weiten Tal der Gera, einem Zufluss der Unstrut. Die Festung Erfurt umrahmte kreisförmig die Stadtbefestigung mit zahlreichen Stadttoren. Zur Befestigung zählten die Zitadelle Petersberg und die Zitadelle Cyriaksburg, sowie zwei Stadtgräben, der Flutgraben vor der äußeren Mauer und die sogenannte „Wilde Gera“, ein zugeschütteter Arm der Gera vor der Inneren Mauer.
Die Zitadelle Petersberg erbaute 1655 der kurmainzerische Kurfürst und Erzbischof Johann Philipp von Schönborn als Zwingburg, also als befestigte Festung.
Die Zitadelle Cyriaksburg liegt auf dem 265 Meter hohen Cyriaksberg in Mitten der Stadt und diente im dreißigjährigem Krieg König Adolf II. von Schweden als Ausgangsbasis für seine Feldzüge.
Auf dem Domvorplatz hatten wir eine Verabredung mit Till Eulenspiegel, der in einem mehrstündigen Fußmarsch durch die Stadt Erfurt die sehenswerten und interessanten Gegebenheiten in markigen Worten erklärte. Zuerst erzählte er von dem Leben der Menschen im Mittelalter, und welche Bedeutung Erfurt für reisende Händler in Richtung Ost oder umgekehrt in Richtung West hatte, und wie sich die vielen Wirtsstuben und Stadtkrämer auf den großen Besucherdurchgang einstellte.
Der Hauptsbereich hierzu gehörte den kleineren Märkten rund um die Krämerbrücke, die einen Zugang zu den Handelswegen nach Ost oder West darstellte.
Der Rundgang begann auf dem Domvorplatz, durch die schmale Kirchgasse zu einem Innenhof mit einem künstlerischen Brunnen, dessen Figuren die Bremer Stadtmusikanten darstellten.
Till Eulenspiegel führte uns weiter durch die historische Altstadt, die äußerst schmale Waagegasse zum Fischmarkt und dem Erfurter Rathaus, dessen Ursprünge aus dem 11. Jahrhundert stammen.
Hier am Fischmarkt stehen einige bemerkenswerte Patrizierhäuser aus der Zeit der Renaissance, wie das Haus „zum breiten Herd“ von 1584, oder das Haus “Zum roten Ochsen“ von 1562, die den Reichtum von Erfurt aus der Frühneuzeit zum Ausdruck bringen.
Wir verließen den Fischmarkt, wanderten durch die Pflöckengasse und erreichten das Haus „zum güldenen Krönbacken“, auch ein Patrizierhaus aus der Renaissance, wunderschön restauriert.
An vielen dieser prächtigen Häuser bemerkte man neben den Eingängen oder Portalen oberhalb von Glaseinsätzen eigenartige Öffnungen. Till Eulenspiegel ließ uns raten. Der eine meinte ein Dunstabzug, der andere eine Öffnung für Tiere, hierzu gab es eine ganz einfache Erklärung. Die vielen Fuhrleute hatten Hunger und Durst und suchten für die Nacht eine Bleibe. Da, wo gerade frisches Bier zur Verfügung stand, hängte man eine Stange mit Fahne in diese Öffnung, um die Fuhrleute und reisenden Händler zu animieren ein zu treten um etwas zu verzehren.
Ein weiteres Rätsel sollten wir entwirren. An einigen Häusern hingen anstatt blaue oder weiße Hausnummern Schilder mit grünen Hausnummern. Die Lösung war, dass die Stadt Erfurt die Hausbesitzer belohnte, die ihr Haus sehr umweltbewusst behandelten, also zum Renovieren den grünen Daumen benutzten.
Auf dem Weg zur berühmten Krämerbrücke passieren wir Reste der alten Stadtmauer und die älteste Synode Europas aus dem Jahr 1094, ein Zeugnis uralter jüdischer Tradition in Erfurt.
Das Collegium Maius beherbergte die Universität aus dem Gründungsjahr 1392. Zum prominentesten Studenten zählte Martin Luther, der hier von 1501 – 1505 sein Studium absolvierte.
Die Krämerbrücke ist wohl das bekannteste und einmaligste Wahrzeichen einer Stadt nördlich der Alpen als geschlossene beidseitige Brückenbebauung mit Fachwerkhäusern. Die ursprünglich 1177 neben einer Furt über die Gera erbaute Holzbrücke gehörte zum Ost-West-Handelsweg Via Regia. Die erste urkundliche Erwähnung, 1156, fand man unter der Bezeichnung pons rerum venalium. Nach sieben größeren Brückenbränden erbaute die Stadt eine steinerne Brücke, erst nur mit Verkaufsständen, später wurden, nach einem Stadtbrand, 62 Fachwerkhäuser auf der Brücke errichtet, die man später durch Zusammenführungen auf 38 Häuser, dann auf 32 reduzierte.
Die Häuser nutzte man als Verkaufläden, um Reisenden, die die Brücke passierten, um ihre Reiseziele zu erreichen, die Gelegenheit zu bieten, ihre Vorräte auf zu füllen.
Eine faszinierende Art, auf so einem Fleckchen zu leben. Heute beherbergen diese Häuser hauptsächlich Künstler mit ihren Ateliers, kleinen Geschäften und sehr gemütlichen Cafes, Restaurants undWirtschaften.
Dresden
Wir vervollständigten unsere Chorreise mit dem Besuch der Stadt Dresden, der Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen. Die Elbe teilt die Stadt zu großen Teilen in der Dresdner Elbtalweitung, dem Erzgebirgevorland.
Dresden`s Ersterwähnung geschah im Jahr 1206 als Acta sunt hec dresdene, eine Stadtrechtsverleihung wurde aber nie gefunden. Angeblich soll diese Verleihung am 21. Dezember 1403 durch Wilhelm I. erfolgt sein, eine Bestätigung erfolgte erst nach der links- und rechtselbischen Vereinigung am 29. März 1549 durch Kurfürst Moritz.
Durch die Verleihung des Stapelrechts am 17. September 1455 war Dresden eine noch sehr unbedeutende Stadt, gewann aber an Bedeutung, als durch die Leipziger Teilung 1485 der wettinischen Länder Dresden zum politischen und kulturellem Zentrum als herzogliche, kurfürstliche und königliche Residenzstadt emporstieg.
Das Stapelrecht oder auch Niederlagsrecht (lat.lus empori, eigentlich Marktrecht im Sinne von Verkaufsrecht)war im Mittelalter das Recht einer Stadt, von durchziehenden Kaufleuten zu verlangen, dass sie ihre Waren für einen bestimmten Zeitraum abluden,“stapelten“ und anboten.
Am 17. Juni 1485 teilten die wettinischen Herzöge Ernst und Albrecht III. von Sachsen ihre Herrschaftsgebiete und besiegelten diese Vereinbarung im Leipziger Teilungsvertrag.
1685 brannte Altendresden komplett ab. Der Wiederaufbau erfolgte über mehrere Jahrzehnte. Erst Friedrich August I., genannt August der Starke, verschaffte Dresden den erneuten kulturellen Aufstieg, der bis in die „Moderne“ anhielt.
1785 schrieb Friedrich Schiller hier in Dresden die Ode „An die Freude“, die lyrische Vorlage für die Hymne der europäischen Union.
Die Ode „An die Freude“ ist eines der berühmtesten Gedichte von Friedrich Schiller und fand seine Vollendung in der Bearbeitung im 4. Satz der 9.Sinphonie
(1823) von Ludwig van Beethoven. Der Inhalt:
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
himmlische, dein Heiligtum.
Die Besichtigungstour von Dresden beginnt bei der Brühlschen Terrasse, die eine touristische Sehenswürdigkeit ist und sich über eine Länge von 500 Meter erstreckt. Sie liegt in der Altstadt direkt an der Elbe zwischen der Augustus- und der Carolabrücke. Als durch Heinrich von Brühl die Terrasse mit den Brühlschen Herrlichkeiten(Galerie, Bibliothek, Bevedere, Palais und Gartenanlage) bebaut wurde, verlor die Terrasse seine Bedeutung als Dresdner Befestigungsanlage aus dem 16. Jahrhundert.
Das Dresdner Schloss war das Residenzschloss der Sächsischen Kurfürsten zwischen 1547 – 1806 und Könige zwischen 1806 – 1918. Es ist eines der ältesten Bauwerke der Stadt versehen mit allen Stilrichtungen von Romantik bis Historismus. Bevor man sich diese historischen Gebäude näher betrachtet, sollte man einen Blick auf die Augustusbrücke werfen, die den eigentlichen Eintritt nach Altdresden gewährt, stellvertretend für ein ehemaliges Elbtor als Stadtbefestigung.
Die Semperoper befindet sich am Theaterplatz im historischen Stadtkern von Dresden. Sie ist das Opernhaus der sächsischen Staatsoper Dresden mit einer langen geschichtlichen Tradition.
Die evangelische Frauenkirche Dresden wurde nach den Luftangriffen am 14. Februar 1945 durch Spendengelder aus der ganzen Welt wieder aufgebaut und am 30. Oktober 2005 eingeweiht. Sie ist das berühmteste Wahrzeichen der Stadt und beherrscht durch ihre hohe und breite Kuppel das Stadtbild.
Der Dresdner Zwinger gehört zum historischen Teil der inneren Altstadt direkt neben dem Residenzschloss und der Semperoper. Der Name Zwinger geht auf die mittelalterliche Bezeichnung für Gebäude zwischen dem Inneren- und Äußeren Festungsbereich zurück. In diesem Fall sollte der Zwinger der Vorhof eines neuen Schlosses sein, das den Platz bis zur Elbe einnehmen sollte. Das Konzept änderte sich jedoch nach dem Tod des Kurfürsten Friedrich August I. Der Zwingerbau endete mit dem Bau einer Mauer zur Elbe hin. Die ursprüngliche Bestimmung als repräsentatives Festareal sowie als Garten und Orangerie trat in den Hintergrund. In der heutigen Zeit werden dort Ausstellungen, Konzerte und ähnliches veranstaltet.
Zum Abschluss unserer Chorfahrt genossen wir noch den lauen Spätnachmittag auf der Terrasse eines Restaurants mit Blick auf die Augustusbrücke, tranken ein kühles Dresdner Bier und bestellten etwas Deftiges. Prost
Wir gratulieren Daniel zu seinem bestandenen Abitur im Frühjahr 2003.
Maklerscheine
Die EU-Richtlinien für den Versicherungsaußendienst änderten sich gewaltig. Jeder, der innerhalb eines Versicherungskonzerns mehrere „Untergesellschaften“ vertritt, arbeitet nicht mehr im Sinne eines Ein-Firmen-Vertreters, sondern jongliert mit verschiedenen Angebotsformen und ist im EU-Recht ein Makler. Deshalb benötigte ich diverse Maklerscheine, die über das Kreisordnungsamt zu beziehen und genehmigungspflichtig waren. Ferner musste man gewisse Unbedenklichkeitsbescheinigungen von verschiedenen Ämtern vorlegen können. Dazu zählte auch das Finanzamt, die nur dann solch eine Bescheinigung ausstellt, wenn alle fiskalischen Forderungen beglichen waren. Zufälligerweise hatte ich ein Jahr erwischt, wo zumindest das Finanzamt mir keinen Strich durch weitere Rechnungen machen konnte. Die nötigen Maklerscheine erhielt ich und hatte dadurch für die nächsten Jahre einen Meilenstein beiseite geschoben.
Führungswechsel
Beim LVM-Münster wechselte das Personal der Vorstandsetage, was zur Folge hatte, dass Überlegungen angestellt wurden, die Größe einzelner Agenturen zu überdenken und kleinere mit größeren Agenturen zusammen zu legen, um personelle Kosten zu sparen und um effektivere Leistungen zu erzielen. Überall suchte man nach Gründen, Veränderungen herbei zu führen. Bei mir fand man einen kleinen Abrechnungsfehler wegen ein paar fehlender nicht verkaufter Mopedschilder, die ich nicht frühzeitig zurückgeschickt hatte, es aber nach kurzer Zeit revidieren konnte. Ich erhielt meine Kündigung zum 1. Oktober 2004.
Versicherungsmakler
Ab sofort arbeitete ich als eigenständiger Versicherungsmakler und suchte mir zwecks Provisionsbearbeitung und Back-Office einen (dachte ich) geeigneten Partner. Zur weiteren Existenz waren viele technische Dinge von Nöten, angefangen bei einer gescheiten Software und demnach Zugang zu allen in Deutschland zugelassenen Versicherungsgesellschaften und deren Tarife, und einen Laptop, der es mir erlaubte beim Kunden direkte Angebote machen zu können. Alles musste natürlich finanziert werden, und da sollte dann dieser Partner einige Passagen im Voraus übernehmen. Die Angelegenheit rollte gut an, das abgeschlossene Geschäft war zufriedenstellend, der Geldfluss lief schleppend.
Jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, alle Außendiensttätigkeiten ein zu stellen, und noch frühzeitig den Absprung in Richtung angestellter Innendienst mit geregelten Bezügen an zu peilen. Aber die Gesellschaften stellten keine neuen Innendienstler mehr ein, sondern bauten die Stellen ab, um sich mehr auf die Online-Schiene zu konzentrieren, weil diese Geschäfte mehr Gewinn versprachen. Einige Versicherungsgesellschaften verschwanden von der Bildfläche, wurden von den großen Konzernen geschluckt, mehrere Verwaltungen legte man zu einer zusammen. Viele Innendienstler standen plötzlich ohne Arbeit da.
Im Gegenzug verschärfte die EU nochmals die Richtlinien und verlangte von jedem Außendienstler einen Nachweis über seine Versicherungsausbildung und ließ diesen Anhang von Prüfungsnachweisen über die betreffende IHK (Industrie-und Handelskammer) kontrollieren und mit Hilfe eines schriftlichen Bescheides dokumentieren. Viele „Kollegen“ erhielten keine Zulassung mehr und waren nach einer bestimmten Karenzzeit arbeitslos.
Ich arbeitete mit der „Alvecon“ aus Frankfurt zusammen, der vielen kleinen Maklern, wie mich, eine Möglichkeit offerierte, das abgeschlossene Geschäft dort ein zu reichen. Am Anfang klappte der Transfer-Antrag-Provision noch ganz gut, aber nach einiger Zeit stolperte auch hier der Geldfluss und wir konnten zu Hause wieder einmal bestimmte Rechnungen nicht bezahlen. Es war doch wirklich zum Verrücktwerden, da meinte man, jetzt bis du langsam wieder über dem Berg, da beginnt ein neues „Bremskapitel“.
Mahnung
Die Mahnungen häuften sich, die Gerichtsvollzieher gaben sich die Klinke. Wir versuchten, allen Parteien immer wieder gerecht zu werden, boten Ratenzahlungen an, bezahlten kleinere Beträge, nur um Zeit zu gewinnen. Es ging eine Zeit lang so weit, dass man schon hochschreckte, wenn es an der Tür klingelte. In manchen Momenten machten wir einfach nicht auf und stellten uns stumm. Rita war froh, am Tag über nicht anwesend zu sein, wenn uns die Gerichtsvollzieher in regelmäßigem Abständen beehrten.
Wenn dann zwischendurch eine größere Provisionssumme unser Konto heimsuchte, rann der Betrag wie eine Fata Morgana durch unsere Hände. Durchhalteparolen gaben uns die Kraft, solange die Angelegenheit durch zu stehen, bis Daniel und Christian sich alleine weiterhelfen konnten. Sie sollten wenigstens das Gefühl haben, ein intaktes zu Hause aufsuchen zu können.
Androhung zur Zwangsversteigerung
Unsere Zahlungsschwierigkeiten verursachten in der Zwischenzeit Albträume, unkontrollierte Schweißausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten. Der Hund biss sich in den Schwanz. Zu allem Überfluss hatten wir Schwierigkeiten nicht nur die Stromrechnung zu bezahlen, sondern die monatlichen Raten an das Gaswerk zur Begleichung der Heizkosten verschafften uns so viele Schwierigkeiten, dass man uns in der kalten Jahreszeit den Gashahn zudrehte. Zum Heizen nahmen wir dann Ölradiatoren, damit man nicht bei 12° Grad Raumtemperatur und weniger diese Zeit zitternd und fröstelnd in der Wohnung verbringen musste. Uns wunderte, dass unsere Mieterin diese so schlimme Zeit mitmachte.
Irgendwie liehen wir uns das Geld zusammen und konnten dann erst einmal wichtige Rechnungen begleichen, um die elementaren Dinge wieder im Lot zu haben. Dass dies wieder nur ein Zeitgewinn und Aufschub zur nächsten Katastrophe sein würde, konnten wir uns ausrechnen.
Die Aachener Bausparkasse, im Grundbuch an zweiter Rangstelle, mahnte die ausstehenden Beträge an und drohte mit Zwangsmaßnahmen. Kurz darauf folgte der vordere Kreditgeber, der LVM, und das Zwangversteigerungsverfahren ging in seine erste Phase.
Bestellter Gutachter
Das erste gerichtlich bestellte Gutachten über unser Haus und Grundstück erfolgte am 27.06.2006. Es kann sich keiner vorstellen, wie deprimierend und erniedrigend solche Momente im Leben sind. Man hat das Gefühl, für alles das, wofür man gearbeitet und sich geplagt hat, Pläne geschmiedet und Schweiß vergossen hat, viele schöne Stunden verbrachte, auf einmal nur noch ein Kartenhäuschen ist, welches unaufhaltsam langsam in sich zusammenfällt.
Zwangsversteigerung
Am Donnerstag, 22.Februar 2007, 10.00 Uhr, Amtsgericht Gummersbach, 1. Stock, Saal 103. Zwangsversteigerung mit Beschluss vom 03.11.2006 …….. usw.
Zwischenzeitlich wurde das Verfahren eingestellt, um dann wieder erneut zum nächsten Termin eingeleitet zu werden. Insgesamt folgen in den nächsten Jahren noch zwei Versteigerungstermine mit vorher beantragten Gutachten.
Merkwürdige Kollegen
Die Alvecon beschäftigte ganze Heerscharen von Anwerbern, die „Versicherungsmakler in Spe’“ anwarben, obwohl sie überhaupt noch keine Ausbildung im Versicherungswesen hinter sich hatten. Man gaukelte ihnen vor, über ein spezielles Schulungsprogramm einen Abschluß als „Versicherungsfachmann“ mit einer Prüfung vor der IHK zu schaffen. Diese Leute gehörten zu 90% zu den wirklich verkrachten Existenzen, die über Geldnot auf Kundenfang marschierten und über einen Wochenendcraschkurs ein paar Tarife von zwei oder drei Gesellschaften kennenlernten, um dann auf „Deuwel komm heraus“ die potentiellen Kunden betrogen. Ich hatte das Gefühl, in einem Gangstervorhof zu sitzen. Hier wurden die kommenden Betrüger rekrutiert. Falls ich nicht aufpasste, gehörte ich bald zu dieser Sorte Vermittler. Wenn unsere persönliche Situation nicht so angestrengt gewesen wäre, hätte ich nie so einen Kontrakt unterschrieben. Mein nächster „Vorgesetzter“, ein Herr Rösler, verkaufte, zum Beispiel, Versicherungshypotheken von Häusern, die noch gar nicht gebaut waren, und ließ im Namen des Kunden Teilauszahlungen nach Baufortschritt auszahlen. Dieses Geld verschwand in undurchsichtigen Kanälen. Man bot Fonds mit überdurchschnittlichen Renditen an, obwohl die Fonds gar nicht auf dem Markt existierten. Nach Bekanntgabe solcher Praktiken erhielt Herr Rösler seine fristlose Kündigung.
Ich blieb immer noch meiner sauberen Beratung den Kunden gegenüber treu und konnte mir abends wenigstens im Spiegel in die Augen schauen, ohne rot zu werden.
Mich integrierte man in eine neue Gruppe, mit neuen „Verkaufsleitern“ ohne Versicherungsausbildung, dazu einen Bereichsleiter, Herr Michael Wever aus Remscheid. Ein Luftikus, der hinter jedem Rockzipfel her war, sich brüstete, der große Frauenaufreißer zu sein. Seine Erzählungen im Detail ödeten mich langsam an und brachten keine interessante Pointe mehr hervor.
Wir gratulierten Christian zu seinem bestanden Abitur im Frühjahr 2006.
Chorfahrt des Chor Canticum nach Ostdeutschland 2007
Die Wartburg ist eine Festung in Thüringen über der Stadt Eisenach am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes, die Gründung geschah im Jahr 1067 durch den sagenumwogenden Graf Ludwig von Schauenburg, oder auch als Ludwig der Springer bekannt.
Der Sage nach, soll Ludwig den Pfalzgrafen Friedrich III. erstochen haben, um an die Pfalzgrafschaft Sachsen zu gelangen. Seine Gefangenschaft verbrachte er drei Jahre auf der Burg Giebichenstein bei Halle, dort drohte seine Hinrichtung. In einem unbewachten Moment sprang er vom Burgturm in die da unten fließende Saale, wo ihn bereits sein Diener mit dem weißen Lieblingspferd „Schwan“ erwartete.
Durch diesen Sprung erhielt er den Beinamen der Springer.
Die Wartburg verbindet, wie keine andere deutsche Burg, die Geschichte Deutschlands. Die später heilig gesprochene Elisabeth von Thüringen lebte von 1211 bis 1227 auf der Burg. Der Reformator Martin Luther hielt sich hier in den Jahren 1521/22 als „Junker Jörg“ versteckt und übersetzte während dieser Zeit das Neue Testament der Bibel in die deutsche Sprache. Johann Wolfgang von Göthe verweilte mehrere Male auf der Burg, erstmals 1777.
Ludwig der Springer stammt aus dem Adelsgeschlecht der Ludowinger, der Familie der Grafen von Rieneck in Unterfranken. Er verlegte den Stammsitz seines Hauses auf die Wartburg. Der Sage nach soll er folgendes geäußert haben: Wart! Berg, du sollst mir eine Burg werden, So soll er die Gründung der Burg verkündet haben, mit dem Haken, dass ihm der Berg gar nicht gehörte. Er konnte ihn mit seinen 12 Rittern auch nicht erobern, also führte er eine List an. Er ließ von seinen eigenen Grundstücken jede Menge Erde herbeischaffen, um später zu behaupten, ihm würde die Erde mit dem Land gehören. Er wartete eine Klage ab. Vor Gericht sagten die Ritter für ihn aus, rammten ihre Schwerter in die Erde und beschworen, dass die Schwerter in der Erde von Ludwig steckten. Der Trick hatte Erfolg, der Bau der Burg konnte beginnen.
Unter Hermann I. (1190-1216) erlebte die Wartburg im Bereich Kunst und Kultur seinen Höhepunkt, Anziehungspunkt für namhafte Künstler und Dichter, woraus letztlich der berühmte „Sängerkrieg“ entstand, der im Laufe der Zeit immer neuere Formen annahm.
Die Wartburg galt auch als Festung und man baute sie im Laufe der Jahre als ein Sicherheitsbollwerk immer weiter aus. Strategisch gesehen hatte die Burganlage eine gute Weitsicht auf das Gelände von Eisenach. Den steilen Burgaufgang mit schwerfälligen Soldaten zu erklimmen war ein schwieriges Unterfangen.
Gotha
Die Kreisstadt Gotha liegt im Vorland des Thüringer Waldes, ist die fünftgrößte Stadt Thüringens und war von 1640 – 1918 Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Gotha.1820 fand hier die Gründung der Gothaer Versicherung und die Erstehung des Deutschen Versicherungswesens statt. In der ehemaligen Gaststätte Tivoli gründete man 1875 die „Deutsche Sozialistische Partei“ die SAP, die später in SPD umbenannt wurde.
In der Vergangenheit befand sich die Stadt Gotha und die Stadt Weimar in einer gewissen Rivalität, dem anderen Zentrum der ernestinischen Dynastie.
Die Ernestiner sind eine Linie des deutschen Fürstengeschlechts der Wettiner, Stammvater war der Kurfürst Ernst von Sachsen.
Weimar entwickelte sich zum künstlerischen Zentrum, Gotha bildete das naturwissenschaftliche Pendant, wovon heute noch das Naturkundemuseum und die Sternwarte Zeugnis tragen.
Das barocke Schloss Friedenstein nutzten die Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha als Residenz.
Der Sage nach, soll Gotha von dem Volksstamm der Goten abstammen.
Um das Jahr 510 sollen Krieger des Ostgotenkönigs Theoderichs des Großen nach Thüringen gekommen sein, um an der Hochzeit von Hermnafried, König der Thüringer und der Nichte Amalaberga des Ostgotenkönigs teil zu nehmen. Jene Ostgoten siedelten sich unterhalb des Schlossbergs an und nannten die Siedlung Gota.
Gotha entwickelte sich zu einem zentralen Marktort und war Etappenstation an einer Kreuzung der Via Regia in Ost-West-Richtung (Altstraße oder Königsstraße). Gotha erhielt Mitte des 12. Jahrhunderts die Eisenacher Stadtrechte vom Landgraf Ludwig II. und entwickelte sich zu einer der Hauptmünzstätten des Landgrafen.
Als Schwerpunkt im 16. Jahrhundert bildeten sich in Gotha und Umgebung Handwerkszünfte aller Art. Führend darin waren die Metallverarbeitenden Handwerker und das Ledergewerbe, wobei sich die Lohgerber besonders hervortaten.
Lohgerber oder auch Rotgerber genannt, ist ein bereits untergegangenes Handwerk einer speziellen Form der Gerberei. Hier wurden Rinderhäute zu strapazierfähigen Stiefeln, Sohlen, Sattel und Ranzen, oder auch Affen genannt, hergestellt. Lohgares Leder ist wenig elastisch und gewinnt auf Kosten der Fläche an Dicke und wird sehr widerstandsfähig gegen Wasser und schwachen Säuren.
Einen gewissen Wohlstand brachte der Waidhandel mit der Färberwaid in der landwirtschaftlichen Produktion. Diese Pflanze kultivierte man bereits seit Jahrhunderten in Europa als Färberpflanze für das Indigoblau.
Die Stadt Gotha hatte aber ein großes Problem, es fehlte an genügenden eigenen Wasserquellen, um die Bevölkerung mit Trinkwasser und die Herstellung der Produkte in den einzelnen Handwerksbetrieben mit ausreichend Wasser zu versorgen. Um dieses zu bewerkstelligen, ließ der Landgraf Balthasar von Thüringen den Leina-Kanal vom Thüringer Wald bis in die Stadt anlegen. Laut einer Stadtverordnung aus dem 14. Jahrhundert musste in jeder Gothaer Strasse ein Brunnenmeister zur Erhaltung der Wasserbauwerke gewählt werden. Noch heute werden wasserführende Anlagen über diesen Kanal mit Wasser versorgt.
Herzog Johann Friedrich II verbündete sich mit dem in kaiserlicher Ächtung stehenden Ritter Grumbach gegen Kaiser Maximilian II., um mit dessen Hilfe die verlorene Kurwürde wieder zu erlangen. Der Herzog wurde mehrere Male aufgefordert, Grumbach auszuliefern. Als dies nicht geschah, erhielt der Herzog ebenfalls eine Reichsächtung, was zur Folge hatte, dass kaiserliche Truppen die starke Festung Grimmenstein (darauf steht heute das Schloss Friedenstein) einnahmen und den Herzog mit Ritter Grumbach gefangen nahmen. Herzog Johann Friedrich verbüßte in Österreich seine Gefangenschaft und starb dort nach 29 Jahren. Ritter Grumbach erfuhr eine Hinrichtung von besonderer Güte, er wurde öffentlich auf dem Marktplatz in Gotha gevierteilt.
Die Hinrichtung erfolgte durch Zerren und Auseinanderreißen der Arme und Beine des Verurteilten, sodass drei der Gliedmaßen vom Rumpf abgetrennt wurden. Aufgrund des dann fehlenden Widerstandes verblieb die letzte Extremität am Körper, der Delinquent zerriss in vier Teile. Meistens vollzogen Pferde oder Ochsen die Prozedur, fehlte es an Zugkraft, musste der Henker mit dem Messer mit Hautschnitten nachhelfen, um das gewünschte Resultat zu erhalten.
Ein Gang durch die historische Altstadt von Gotha und ein Blick auf die geschichtsträchtigen Stätten beendete unsere geführte Gothaer Stadtbesichtigung. Unser nächstes Ziel war die Stadt Weimar, wo auch wieder eine Führung die vielen Sehenswürdigkeiten erklärte.
Weimar
Unsere Chorfahrt sollte einen Einblick in die Ostdeutsche Geschichte wie auch das Kennenlernen einiger ostdeutscher Städte, die durch die Existenz der DDR vielen von uns verwehrt wurde, ermöglichen. Genau so versuchten wir mit der Fahrt dieses elende Ossi-Wessi-Gehabe zu beseitigen, und nicht mehr dieses gönnerische Westgetue an den Tag legen.
Weimar liegt in Thüringen und ist durch sein kulturelles Erbe bekannt. Zum kulturellen Erbe gehört neben der Weimarer Klassik um Wieland, Goethe, Herder und Schiller auch das Bauhaus, wo 1919 die Gründung der ersten deutschen Republik, der Weimarer Republik, stattfand.
Außerdem war Weimar seit 1572 Hauptstadt von Sachsen-Weimar, bzw. Sachsen-Weimar-Eisenach, und der erste Staat Deutschlands, der sich 1816 eine Verfassung gab.
Das Weimarer Rathaus, im neugotischen Stil, befindet sich im Zentrum von Weimar am Marktplatz. Mit seinem repräsentativen Balkon und dem Glockenspiel im Glockenturm gehört es zu einem Wahrzeichen der Stadt.
Erst im Jahr 1410 erhielt Weimar die Stadtrechte. Ein verheerender Stadtbrand verhinderte den zwischenzeitlichen Aufschwung. Durch Steuererleichterungen, Zinsbefreiungen und zusätzlichen Marktrechten versuchten die herrschenden Wettiner den Wiederaufbau zu fördern. Eine sehr wichtige Maßnahme war die vorher spärliche Stadtbefestigung in ein richtiges Bollwerk mit doppelter Stadtmauer, zehn Wachtürme und vier gewaltigen Stadttoren zu verwandeln. Reste dieser Stadtmauer sind noch vorhanden, so unter anderem der Kasseturm am Goethe-Platz.
Das Weimarer Stadtschloss befindet sich in der Stadtmitte am nördlichen Ende des Ilmpark´s. Das Schloss hat eine bewegende Geschichte hinter sich, Umbauten in allen Epochen, von einer Burg zum Renaissanceschloss, mehrere verheerende Brände, immer wieder ein Aufbau mit neuen Ideen. Selbst Goethe vollendete, trotz leerer Staatskassen eine Baumaßnahme.
Dieses Denkmal reiht sich wohl zu den berühmtesten Denkmälern in Thüringen ein. Die beiden Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller gehören zu den bekanntesten deutschen Dichtern der Weltliteratur. Pikant ist die Gleichstellung der Körpergrößen der beiden Dichterfürsten, denn Schiller mit seinen 1,90 m überragte den wesentlich kleineren von Goethe mit seinen 1,69 m um einiges. Die Gleichstellung der Größe sollte wohl auch bei der Denkmalherstellung die geistige Größenordnung dokumentieren und die herausragende dichterische Arbeit von beiden würdigen. Während von Goethe noch zusätzlich im naturwissenschaftlichen und politischen Bereich tätig war, gehört Friedrich Schiller auch zu den bedeutenden Dramatikern und Lyrikern im deutschsprachigen Bereich.
Zum weiteren Viergestirn der Weimarer Klassik gesellten sich noch Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder ein. Die Wasserspiele in Weimar spielen im musischen Bereich eine sehr große Rolle.An vielen Stellen der Stadt entdeckt man künstlerisch geschaffene Brunnen.
Derr Park an der Ilm ist wohl der bekannteste Landschaftspark in Weimar. Er zählt seit seiner Errichtung im 18. Jahrhundert, unter Beteiligung von Johann Wolfgang von Goethe, zu den am besten erhaltenen Parkanlagen des Klassizismus und der Romantik.
Durch die Regentschaft der Herzogin Anna Amalia und ihrem sehr toleranten Sohn Herzog Carl August, Ende des 18. / Anfang des 19. Jahrhunderts, spielte die Stadt durch die Anwesenheit dieser hervorragenden Dichter, Denker und anderer Persönlichkeiten eine wichtige Rolle in der Förderung noch weiterer Künstler, die am Hofe die Freiheiten hatten, um ihre Künste zu verwirklichen. Man berief Franz Liszt zum Kapellmeister, Richard Wagner floh vor seinen Gläubigern 1849 nach Weimar und fand dort bei seinem späteren Schwiegervater Herzog Carl August Unterschlupf. Aber nicht nur die Musik fand ihre Förderung, sondern durch die Gründungen der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar, dem Lesemuseum und einer Lesegesellschaft, deren Anliegen es war, der Öffentlichkeit Zugang zu Zeitschriften zu ermöglichen.
Das Stadthaus, ein Renaissancebau aus dem 15.Jahrhundert, nutzten Goethe und Co. zu Aufführungen und Konzerten. Heute sind im Erdgeschoß Verkaufstände verschiedener Geschäfte untergebracht. Die Bibliothek beherbergt eine riesige hervorragende Büchersammlung aller Epochen. Der Gänsemännchenbrunnen befindet sich in der Schillerstrasse und entstand auf Wunsch von Friedrich Schiller.
Das Hotel Elephant hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1696 als Wirtshaus und Bleibe für Fuhrleute und Händler gebaut, avancierte es zum Treff der Künstler und wichtigen Leute Weimars. Heute ist es ein Nobel-Hotel der Marke The Luxury Collection.
Das Goethe-Schiller Archiv beinhaltet als das älteste und traditionsreichste Archiv Deutschlands nicht nur die literarischen Nachlässe von Goethe und Schiller, sondern verwaltet mittlerweile die gesamte Literaturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts.
Obwohl unser Chor aus Zeitgründen keine Besichtigung der Orte von NS-Greueltaten wahrnehmen konnte, möchte ich das KZ-Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar nicht unerwähnt lassen. Es war eines der größten KZ-Lager auf deutschem Boden. Von den ca. 250.000 inhaftierten Menschen in der zeit zwischen 1937 und 1945 starben etwa 56.000 Häftlinge. Nach Abzug der US-Truppen nutzte die sowjetische Besatzungsmacht das Lager als Speziallager Nr. 2 und forderte bis 1950 7000 Todesopfer.
Friedrichsroda
Unsere Bustour setzte sich fort zum historischen Luftkurort Friedrichsroda im Nord-westlichen Thüringer Wald. Mit dem Bau der Schauenburg (heute Burgruine) durch Ludwig mit dem Barte um 1044 kam es zur Gründung von Friedrichroda. Sein Sohn, Ludwig der Springer, erbaute die Wartburg und gründete 1085 das Kloster Reinhardsbrunn in Friedrichsroda, für viele Jahre ein geistiges und kulturelles Zentrum Thüringens. Während des Bauernkrieges 1525 zerstörten und plünderten die Angreifer das Kloster. Auf der Ruine erbaute man 1827 das Schloss Reinhardsbrunn.
Marienglashöhle
Die Marienglashöhle findet man im Thüringer Wald und entstand zum größten Teil aus dem Bergbau, der 1775 als Abbau für Kupfer begann, aber 1778 auf größere Gipsplatten stieß, welches dann bis in das Jahr 1903 abgebaut wurde.1784 entdeckte man eine der schönsten und größten Gipskristalldrusen Europas. Bei einem Durchmesser von 10 Metern beinhaltete sie farblose und durchsichtige Gipskristalle, sogenanntes Marienglas, welches bis 1848 zur Verzierung an Kronleuchtern, Gemälden und Altären in den Kirchen und Klostern zur Anwendung kam. Nach der Stilllegung wird diese Höhle nur noch für Besucher als Schauhöhle genutzt.
Schnepfenthal
Auf der Rücktour unserer Chorfahrt machten wir eine ausgiebige Mittagspause in einem historischen Ort, genannt Schnepfenthal. Im Landgasthof „Zur Tanne“ ließen wir unsere reservierten Plätze in den großen Biergarten verlegen und bestellten à la carte. Unser Menu bestand aus frischem Spargel, Schinken, zerlassener Butter und Salzkartoffeln. Dazu reichte man uns zwei gezapfte Pils. Das Essen war recht schmackhaft und kann jederzeit weiterempfohlen werden.
Zum 30. September 2009 zog unsere Mieterin, Frau Anne Lepperhoff, nach 20 Jahren Mieterin in eine kleinere Wohnung nach Berghausen, nachdem deren Söhne auf Grund ihrer Ausbildungen bereits in eigene Domizile gewechselt hatten.
Nach verschiedenen Versuchen neue Mieter zu finden, zogen wir es dann doch vor, unter den gegebenen Umständen, die Wohnung nicht mehr zu vermieten.
Samstag, 18.April 2008, nach dem Frühstück, Rita setzte sich, wie fast regelmäßig, zur zweiten Tasse Tee in ihren Schaukelstuhl am Fenster im Esszimmer. Plötzlich klagte sie über einen rasenden Puls und diverse Luftbeschwerden. Ich rief sofort den Notarztwagen an, der auch nach recht kurzer Zeit eintraf. Die Notärztin stellte erhebliche Herzrhythmusstörungen fest und ordnete die Einweisung ins Gummersbacher Krankenhaus ein. Fest stand, dass ein Herzinfarkt nicht weit entfernt war und eine intensive Untersuchung durchgeführt werden musste.
Zu speziellen Untersuchungen fuhr man sie mit dem hauseigenen Fahrdienst nach Waldbröl. Es wurde festgestellt, dass eine Herzklappe nicht richtig schloss und erhebliche Beschwerden hervorrief.
Als weitere Anwendungen verordneten die Ärzte Medikamente, um eine gewisse Normalität wieder her zu stellen.
Alvecon in Schwierigkeiten
Die Alvecon Frankfurt geriet in den Strudel der Zahlungsunfähigkeit. Einen der Gesellschafter verklagte die Staatsanwaltschaft wegen Untreue und Betruges, der andere Chef, ein Freund von Michael Wever, stieg aus dem Unternehmen aus und gründete in Köln eine neue Firma, ähnlich strukturiert, wie die Alvecon.
Die geldgebenden Versicherungsgesellschaften, die die Alvecon finanziell am Leben hielten, setzten einen neuen starken Mann an die Spitze, der in anderen Kreisen bereits in Ungnade durch übertriebene Geldgeschäfte aufgefallen war. Nur mit harten Durchgreifaktionen und Halbierung der Provisionen wollte dieser neue Sargnagel das Schiff in den richtigen Hafen steuern. Die Aktion misslang bereits im Vorfeld, als 75% der Außendienstler ihre Verträge kündigten. Somit endete auch meine Ära bei der Alvecon, unsere finanzielle Lage nahm natürlich dramatische Formen an, als auch Rita in absehbarer Zeit ihren Arbeitsplatz verlieren sollte.
Kündigung
Zum 1. November 2008 erhielt Rita nach fast 10 jähriger Tätigkeit die Kündigung als Kassiererin bei der Fa. Mast Mode in Gummersbach. Der Betrieb im Haupthaus in der Kaiserstrasse wurde geschlossen und an die Modekette H & M vermietet. Eine weitere Beschäftigung in anderen Filialen war angeblich nicht möglich. Rita klagte erfolgreich gegen die Fa. Mast Mode und erzwang eine kleine Abfindung.
Mit den Wolfen heulen
Meine Auswahl an Unternehmen, wo ich sofort mit der Arbeit beginnen konnte, reduzierte sich auf die Ascofin in Köln. Dort unterschrieb ich einen Vertrag, der uns, zumindest im Moment, finanziell etwas über Wasser hielt, bloß ich arbeitete mit fast den gleichen Leuten aus der Alveconzeit zusammen. Das Vorgaukeln der Maklerschiene mit Bestandszuwachs über verschiedene Gesellschaften, schneller Provisionsertrag usw. änderte sich nicht. Aber deren Verkaufsrichtung und Ertragsschiene erweiterte sich über die Immobilienfonds, Verkauf von eigenen Firmenanteilen mit hohem Renditezuwachsversprechen und schnellem verdienten Euro. Diese Geschäftspraktiken holten sogar ehemalige Provinzialkollegen hinter dem Ofen hervor. So nach und nach merkte ich, dass das eigentliche Versicherungsgeschäft der Ascofin viel zu lästig war und nur unnötig viel Bearbeitung in Anspruch nahm. Provisionen wurden zurückgehalten, obwohl ich nachweislich über die entsprechende Versicherungsgesellschaft erfuhr, dass die betreffende Provision bereits ausgezahlt war. Der Ärger programmierte sich von ganz alleine.
Ich besprach mit Michael Wever, einen der führenden Ascofinleute, meine Probleme und bat ihn, mit seinem Freund und Chef der Ascofin ein paar ernste Worte zu reden. Zumindest brachte es mir einen Teilerfolg über die Auszahlung meiner Provisionen. Trotzdem war ich es leid, immer und immer wieder bitte über mein mir zustehendes Geld zu machen und beschloss in weiterer Zukunft daraus meine Konsequenz zu ziehen.
Die Nase voll
Die Ascofin entpuppte sich zu einem schwammigen Geschäftemacherclub, der seinen Kunden über eigene, auch genehmigte Ansparprogramme hohe Renditen versprach, wo allerdings das böse Erwachen erst in einigen Jahren zu spüren ist. Ich hatte den Eindruck, dass ich mit meinem alleinigen seriösen Versicherungsgeschäft als Oldie oder Versicherungsgruffti angesehen wurde. Eine richtige Unterstützung erfuhr ich nicht mehr. Sogar das tolle und als unschlagbar in der Assekuranz angesehene Computerprogramm, welches wir Außendienstler teuer bezahlten, entpuppte sich als der Flop des Jahres. Sogar, als die Verbreitung des Programms eingestellt wurde, verlangte man von uns noch eine monatliche Gebühr. Der Geldfluss versiegte mal wieder, so nebenbei erfuhr ich von finanziellen Engpässen der Ascofin und dass man auf größere Beträge wartete. Ich glaubte den Verantwortlichen kein Wort mehr. Tatsache war, dass Rita und ich nicht wussten, wie wir die nächsten Wochen überstehen sollten. Mit anderen Worten, wir hingen am Fliegenfänger. Unser Hausverkauf und die Abgabe meines Versicherungsbestandes kurz vor Zwölf ließ die ganze Angelegenheit wieder etwas mehr ins Sonnenlicht rücken.
Ende meiner Außendiensttätigkeit
Zum 1. Dezember 2010 stellte ich offiziell meine gesamte Versicherungstätigkeit als selbstständiger Versicherungsmakler ein. Ich meldete mein Gewerbe ab, und gab meine Zulassung als Makler der IHK zurück. Ich muss schon sagen, das bedeutete für mich einen Schlussstrich über mehr als drei Jahrzehnte Versicherungsaußendienst, aber auch eine gewisse Erleichterung, endlich diesen Schritt gewagt zu haben
Unser irdisches Dasein ist in einem gigantischen Unternehmen, genannt Natur, eingebunden. Die Natur gibt es schon länger, als unsere Vorstellungskraft es rechnerisch erfasst. Wir sind ein winziges Teil in diesem Gefüge, jedes Teil hat eine bestimmte Aufgabe und einen Zweck an einem vorher flexibel gestalteten Ort zu erfüllen. Das Unternehmen Natur ist ein sehr sensibles Gebilde und reagiert auf Veränderungen in der Struktur, was sich bei der Entwicklung der vielen unterschiedlichen Pflanzen und Lebewesen positiv oder negativ auswirkt. Die Arten passen sich ihrer direkten Umwelt an, verändern sich und die Lebensgewohnheiten, oder sterben aus. Wir Menschen erlebten bisher die weiteste Entwicklung, vor allen Dingen geistiger Art. Unser Hunger nach Mehr ist ungebrochen, den Phantasien sind keine Grenzen gesetzt, obwohl uns die Natur bereits in natürliche Grenzen gedrängt hat, versuchen wir immer noch, die Natur zu überlisten, und jammern dann, wenn sie sich natürliche Gegebenheiten zurückholt, wir sprechen von Naturkatastrophen. Immer wieder kehrende Ereignisse, wie Sturmfluten, Wirbelstürme, Überschwemmungen, schwere Gewitter mit Hagelschlägen, Vulkanausbrüche, Erdbeben, Erdrutsche und Lawinen sorgten seit Menschengedenken für eine natürliche Auslese. Hinzu kamen Trockenheiten, Eiszeiten, Klimawandel und dauernde Kriegsereignisse, die ebenfalls zur Ausdünnung der Tier-und Pflanzenwelt, sowie der Regeneration der Menschheit dienten.
Doch je mehr Katastrophen das Dezimieren beeinflusste, der Erfindungs- und Einfallsreichtum an physikalischen und chemischen Hilfsmitteln wurde forciert und konnte ausgebaut werden. Durch diese Erfindungen gestaltete sich der Rhythmus der Zeit schneller und hektischer.
In diesem riesigen und enormen Räderwerk der Zeitgeschichte schafften es unsere Vorfahren sich durch zu setzen und den vielen Kriegen, Seuchen und natürlichen Katastrophen zu trotzen. Unsere Herkunft zeigt auf einen vorgezeichneten Weg, der sich hauptsächlich mit den Charaktereigenschaften des Einzelnen befasst. Standesrechtliche und materielle Begleiterscheinungen lasse ich außen vor.
Fazit: Die persönliche Entwicklung des Einzelnen ist ein Produkt seiner Umgebung. Ausgestattet mit einem Mix des Erbguts seiner Vorfahren, eigenes Engagement und Förderung aus dem eigenen näheren Umfeld begleiten die Karriereleiter des Nachfahren.
Woher ich abstamme, wer mich familiär geprägt hat, wer mein Erzeuger ist, das meine ich, ausreichend geklärt zu haben. Meine ganz persönliche Bilanz, meiner bisher 60 Lebensjahren, möchte ich in den nachfolgenden Sätzen zusammenfassen.
Tatsache ist, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Dieser Zyklus beginnt schon in der Kindheit, wo man bereits ein gewisses Interesse für die eigene Entwicklung zeigt, seine Neugier durch Entdeckungen befriedigt, die Erwachsenen mit Suggestivfragen nervt.
Die Frage stellt sich fast jeder: Wenn ich noch einmal die Zeit zurück drehen könnte, würde ich mein Leben genau so gestalten oder anders entscheiden?
Meine Antwort zu meinem Leben lautet: Ich würde nichts ändern! Viele Entscheidungen sind Bauchentscheidungen, also gefühlsbetont, und in dem bewussten Moment als richtig entschieden, auch wenn sich hinterher herausstellt, falsch gehandelt zu haben. Wenn man zu einer bestimmten Situation einen Endschluss fasst und der Ausgang noch offen ist, hat man auf das Ergebnis bereits keinen Einfluss mehr. Meine Erkenntnisse aus vielen positiven, wie auch negativen Begebenheiten lautet, lerne aus vergangenen Dingen und versuche nicht zweimal den gleichen Fehler zu machen. Hat man einen folgenschweren Fehler begangen, muss man die Folgen tragen, auch wenn es noch so schmerzhaft ist. Man sollte sich davor hüten, bei anderen den Fehler zu suchen.
Eine zusätzliche Anmerkung zum Bereich Wertschätzung eines Menschen möchte ich aber noch betonen. Unsere Gesellschaft beurteilt das Können, die Daseinsberechtigung, das Schaffen, das Erreichte bzw. das Verlorene nur nach dem Geldbeutel und Mithalten im gesellschaftlichen Leben. Looser werden direkt als Menschen zweiter Klasse abgestempelt, um nur nicht selbst in die Gefahr zu kommen, auf die gleiche Stufe gestellt zu werden. Viel Gerede durch Gehörtes oder falsch Verstandenem heizt natürlich die mögliche Gerüchteküche besonders auf, und keiner will dann anderen gegenüber, bei zu viel Kontakt mit diesen Verlierern, in ein schlechtes Bild gestellt werden. Rita und ich haben, was dies betrifft, sehr schmerzhafte Erfahrungen im Freundeskreis, später auch im nächsten Verwandtenbereich hinnehmen müssen. Zunächst gab es gewisse mitleidige Bemerkungen zu hören, danach verschärfte sich der Tonfall in eine abwertende und herablassende Art. Besuche in unserem neuen Wohnbereich wurden vermieden.
Aber unser Blick ist optimistisch nach vorne gerichtet. Innerlich haben wir schon längst unsere Konsequenz aus diesem Erlebten gezogen und sehen zusammen viel offener in die Zukunft.
Ich hatte ich ein sehr bewegtes, erfülltes, schon mal sehr kurvenreiches, nicht langweiliges Leben, wofür ich, unter Mithilfe meiner Oma Wanda, meinen Eltern, meiner Frau Rita und meinen beiden Söhnen, recht dankbar bin. Ihr Zutun und ihre Zuneigung, ihr Bestreben im Hintergrund mich zu zügeln, hat mein Leben stark beeinflusst. Das Schicksal zu ändern oder versuchen es zu beeinflussen ist ein schwieriges Unterfangen, aber es lohnt, den Versuch zu wagen.
Caspar de Fries
Rainer Göcht
Texte: Caspar der Fries
Bildmaterialien: Caspar de Fries
Tag der Veröffentlichung: 27.06.2013
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