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Name : Rainer Göcht
Land : Deutschland
Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben.


Ein denkwürdiger Jahreswechsel

Das Jahr 1975 brachte uns jungen Leuten eine Menge Erneuerungen: Alle, die mindestens 18 Jahre alt waren, erblickten das Neue Jahr 1975 als Volljähriger. Dies betraf viele unserer Freunde, die den Jahreswechsel zum feuchtesten Übergang unserer damaligen Jugend benannten.
Das Jahr 1975 neigte sich seinem Ende zu. Ich besuchte gerade einen meiner besten Freunde, der durch den plötzlichen Tod seiner Frau mit zwei ganz kleinen Kindern dastand, diese Situation aber sehr gut beherrschte. Das Telefon schellte, meine damalige Verlobte war am Telefon und offerierte mir folgende wohlwollende vorrausschauende Möglichkeit: „ Da ich ja nun zum Jahreswechsel volljährig werde, kann ich doch selbst entscheiden, wann ich heirate und wann nicht. Ich brauche also keine Zustimmung meiner Eltern. Ich finde, wir sollten den 13.1.1975 als unseren Hochzeitstag wählen? Ich denke, da bist du mit einverstanden?“
Sollte ich zu diesem Angebot nein sagen? So einem Angebot musste man einfach zustimmen. Mein Freund und ich machten sofort eine Flasche auf und begossen diesen für mich so spontanen Moment.
Unsere gesamte Klicke bestand aus 12 Paaren, die sich für den Sylvesterabend 1974/1975 schick anzogen, um an der Lingeseetalsperre im Seehaus Nanny den feuchtesten Abend zu feiern, den wir alle bisher erlebten. Unsere Klicke kannte sich schon viele Jahre, einige der Paare hatten sich auch dort im „Nanny“ kennen gelernt. An diesem Sylvester gab es neben dem umgebauten Tanzraum, jetzt mit Kamin und Seitennischen, auch ein großes oberbergisches Buffet, untergebracht in einem Nebenraum. Der Besitzer des Hotel-Restaurants-Tanzcafe-Discothek kochte selbst, war eigener DJ, seine Familie versorgte die Gäste. Die Eintrittskarten zu diesem Abend fanden reichlich Abnehmer und waren nach sehr kurzer Zeit vergriffen.
Ale putzten sich heraus, die Frauen in langen Abendkleidern, die Männer im Anzug, wobei man zu vorgerückter Stunde die Anzugsjacken abgelegte, um die vielen Tanzmomente auch gehörig zu erleben. Vom Rock`n Roll zum Twist, von Standardtänzen bis zur Polka, Tanzspiele mit Geschicklichkeitseinsätzen, Twist, um rückwärts so tief wie möglich unter einem Seil hindurch zu tanzen, Dicobuggy und vieles mehr. Auf unserem Tisch mehrten sich die vielen Sektflaschen, denn wir bekamen nach jeder 12.Flasche eine umsonst. Klar, bei 12 Paaren war eine Flasche schnell leer. Als meine Frau „inSpee“ und ich uns auch noch outeten, dass wir am 13.1.75 heiraten wollten, konnten die vielen Glückwünsche, Zuprosten und viele Ausdrücke den Moment nicht wiedergeben. Der Wirt und Familie hörten von dem bevorstehenden Ereignis, spendierten eine Fünf-Liter-Flasche Sekt, die natürlich an diesem Abend würdige Abnehmer fand. Jetzt mussten meine „Frau“ und ich als „Hochzeitspaar“ Probetanzen, also die gängigsten Hochzeitstänze mit entsprechender Musik sollten präsentiert werden.
Mitternacht rückte näher, alle bald Volljährigen versammelten sich auf der Tanzfläche um gebührend gefeiert zu werden. Die letzten Sekunden wurden lautstark mitgezählt, und ein ohrenbetäubender Lärm, verbunden mit den vielen Glückwünschen läutete das Jahr 1975 ein. Danach gingen wir alle nach draußen, um unser eigenes Sylvesterfeuerwerk auf der Speermauer zu erleben. Der Wirt des Tanzhauses hatte hierzu einen Feuerwerker engagiert, der speziell für die jetzt Volljährigen ein, für unsere Begriffe, wunderschönes Feuerwerk zum Besten gab. Kurz danach fing es an zu schneien, so, als wenn der Wettergott sagen wollte, jetzt bin aber ich dran. Natürlich hatte kaum einer gescheite Winterstiefel, geschweige denn Winterkleidung an, also mussten viele sich für den späteren Nachhauseweg etwas einfallen lassen.
Es schneite so viel, dass selbst die Taxen keine Möglichkeit sahen, das „Seehaus Nanny“ an zu fahren. Demnach blieben viele der Gäste da und feierten und tanzten einfach weiter. Die Uhr zeigte 6.00 Uhr am Morgen, ein paar Unentwegte tanzten, andere schliefen auf ihren Sitzen oder mussten den schweren Kopf auf die Tischkante legen. An unserem Tisch hielten sich alle sehr passabel, also auf zum noch großen Rest des oberbergischen Buffets, um die letzten Leckereien als Frühstück zu vertilgen. Der Wirt besorgte uns eine große Kanne Kaffee, dazu aßen wir sauren Hering und Gurken, restlichen Käse mit Brot, bisschen Fleisch und Fisch. Ein Frühstück in der Runde, mit den vielen leeren Flaschen auf dem Tisch, leicht verkaterte Blicke, aber glückliche Gesichter.
Die Uhr zeigte 8.00Uhr, als sich der erste Schneepflug an die Talsperre wagte und die Einfahrt bis zu den Parkplätzen freischaufelte. Jetzt erschienen auch die Taxen, um uns fröhliche Gesellschaft nach Hause zu chauffieren. Unsere Autos wollten wir nach gehörigem Entnüchterungsschlaf abholen.

Impressum

Texte: Rainer Göcht
Bildmaterialien: Rainer Göcht
Tag der Veröffentlichung: 01.01.2013

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