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Prolog

 

Caspar de Fries

Schriftsteller

 

Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben

 

Texte und Bildmaterialien:

Caspar de Fries

Alle Rechte vorbehalten

 

Vorwort

Vorwort: Der preußische Städtekrieg ging im Jahr 1462 mit ungehinderter Härte weiter. Nachdem Überfall von polnischen Heerscharen, vermischt mit Tataren, auf Neustettin, welche die Stadt niedergebrannt und ausgeraubt, die Frauen und Kinder vergewaltigt und die Männer einfach erschlagen hatten, war zunächst die Beziehung beider Staaten in eisigen Tüchern. Das änderte sich, als die schuldigen polnischen Einheiten bis auf den letzten Mann von pommerschen Freiwilligen aufgerieben und die gefangenen Offiziere vor ein ordentliches Gericht gestellt wurden. Nach Vollstreckung der Höchststrafe kehrte in die polnische und pommersche politische Landschaft wieder etwas Ruhe ein. Das Herzogtum Pommern versuchte mit seinem Repräsentant Herzog Erich II. von Pommern sich aus weiteren Konflikten heraus zu halten. Das polnische Heer stand sich 1462 bei Zarnowitz einer großen Einheit des Deutschen Ritterordens gegenüber. Dabei erlitt das Heer des Ordens eine empfindliche Niederlage . Für Erich II. von Pommern war es eine gute Gelegenheit wieder die Seiten zu wechseln und erneuerte das schon einmal ausgehandelte Abkommen mit König Kasimir IV. von Polen. In verschiedenen Städten von Pommern brachen wieder die ersten Erkrankungen an Cholera und Tuberkulose aus. Selbst vor der Stadt Greifenberg machten diese Krankheiten keinen Halt. 

Schlechte Nachrichten

Im Frühjahr des Jahres 1462 kehrten Kasper von Greifenberg mit der begleitenden Delegation des Herzogs Erich II. von Pommern aus Marienberg zurück, wo ein neuer Staatsvertrag mit dem polnischen König Kasimir IV. vereinbart wurde. Bei guter Fernsicht, Sonnenschein, schneidend kalten Temperaturen und einer steifen Brise kämpften sich die drei Schiffe mit der Reisegesellschaft um Nicolaus von Lebbin und Daniel Lukovic, als Schiffsführer, sowie zwei Begleitschiffe mit den entsprechenden Sicherheitsleuten durch die sehr starken Wellen der Ostsee. Der Mastkorbgast vermeldete nur wenig Schiffsverkehr, alles schien diesbezüglich ruhig zu sein.

„Musste erst eine verlorene Schlacht gegen den Orden unseren Herzog umstimmen, um diesen Vertag mit Polen ein zu gehen? Wenn die Polen nicht diesen Feldzug unternommen hätten, ständen wir immer noch politisch in der Schwebe.“

„Der polnische König war eigenartig zugänglich, und hat Allem sofort zugestimmt. Gerade er ist ein ganz gewiefter, notorischer Lügner, wir müssen auch in Zukunft sehr aufpassen, damit ein Städteüberfall, wie er in Neustettin stattfand, sich nicht noch einmal wiederholt.“

Nicolaus und Kasper zündeten sich ihre Pfeifen an und lehnten sich im Kartenhaus des Schiffes auf den Bänken zurück. Daniel, der Schiffsführer, übergab das Ruder einem Matrosen und setzte sich dazu. Der Koch brachte drei große Becher mit heißem Tee, denn es war empfindlich kalt, und ein dauernder Aufenthalt im Freien war doch recht ungemütlich.

„Wie geht es Konrad? Ich hörte vor unserer Abreise, dass er einen ziemlichen Husten hatte und geschwächt im Bett lag.“ „Ich weiß es nicht,“ meinte Kasper, „ ich hoffe, es geht ihm besser. In letzter Zeit vermehrten sich die Fälle von blutigem Durchfall und fiebriger Schwindsucht in unserer Umgebung. Aber er ist auch nicht mehr der Jüngste.“ „Wie lange seit ihr befreundet?“ „Ich war gerade 15 Jahre alt, als mich Nicolaus zu Konrad in die Fuhrmannslehre steckte, und das sind jetzt 23 Jahre her. Damals sagte man immer, Konrad wäre schon alt. Aber wie alt er wirklich ist, wusste er auch nicht genau. Ich glaube, dass er einiges über 70 Jahre alt ist.“ Nicolaus nickte, „ ja das kann stimmen. Konrad war damals bereits der älteste und erfahrenste Fuhrmann, und der Beste.“ „Und wie kam es dazu, dass ihr zusammen die Pferdefarm eröffnet habt?“ „Unsere erste gemeinsame Tour brachte uns zusammen, eine Vater – Sohn – Beziehung. Ich konnte hier das Haus bauen, er brauchte noch einen Platz für den Winter. So blieb er bei mir. Er erhielt angrenzend an mein Land sein Stück Weide, so konnten wir zusammen mit einer Pferdezucht beginnen.“

Sie erreichten den herzoglichen Anleger von Rügenwalde. Der Herzog mit den Ministern und dem Kanzler stiegen aus. Daniel ließ die herzogliche Kutsche und die vier Zugpferde ausladen, damit der Herzog mit seinen Leuten in der Kutsche zum Schloss gebracht werden konnte. Zehn Sicherheitsleute begleiteten die Kutsche bis zum Schloss. Sie segelten bis Greifenberg weiter, wo Kasper von seiner Frau Barbara und Hela, der Frau von Konrad, erwartet wurde. Beide trugen schwarze Kleidung, ein Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Hela schluchzte unter Tränen, dass Konrad von der Fuhr vor 2 Tagen verstarb. Das Fieber hätte es geschafft. Kasper nahm die beiden Frauen fest in den Arm. Dann sagte er noch kurz Nicolaus und Daniel Bescheid, bevor sie im Zweispänner zur Farm fuhren. Sie hatten für Konrad vom Schreiner einen stabilen Sarg bauen lassen. Kasper nahm den Deckel noch einmal ab und blieb lange am offenen Sarg seines väterlichen Freundes stehen, um sich stumm von ihm zu verabschieden.

Kasper liefen an beiden Wangen die Tränen herunter. Es war schon lange her, dass er so getrauert hatte. Ihm gingen die vielen gemeinsamen Jahre durch den Kopf. So einfach in seiner Denkweise Konrad auch war, er hörte zu, und konnte auf seine Art meistens die richtigen Worte finden. Er war überall wegen seiner Ehrlichkeit, seines Pflichtbewusstseins und seinem Drang Anderen zu helfen, gerne gesehen. Seine Meinung war gefragt, man hatte Respekt vor ihm. Kasper war klar, dass für ihn persönlich ein ganz neuer Lebensabschnitt begann. Klar, er hatte seine Frau Barbara, die beiden Kinder und seine drei Geschwister, aber diesem Mann hatte er sehr viel zu verdanken. Ohne ihn wäre sein Leben ganz anders verlaufen. Die wirklichen Schritte ins Leben, hatte er ihm bei gebracht. Konrad wurde auf seinem Lieblingsplatz unter einer großen Buche, mit Blick zum See auf dem Farmgelände beerdigt.

Der Andrang seiner vielen Freunde und Bekannte war groß. Hela schüttelte viele Hände und nahm entsprechende Beileidsworte entgegen. Dabei musste sie sehr viel husten, was ihr Sohn Jan sogleich mit großer Sorge bemerkte, der aber auch vor Fieber glühte. Kasper und Barbara brachten beide ins Haus, damit sie sich ausruhen konnten. Ein Doktor schaute nach ihnen und meinte: „ Sie haben beide die gleiche Krankheit wie der selige Konrad. Ich gebe ihnen beide etwas für das Fieber. Viel trinken.“

Barbara blieb bei beiden und versorgte sie. Das Fieber bei Jan stieg sehr, nachts phantasierte er, am nächsten Tag verstarb er ganz plötzlich, nachdem das Fieber nicht mehr sank. Hela wurde auch immer schwächer und bekam auch ganz starkes Fieber. Sie holten für sie noch einmal den Doktor. Er schüttelte nur den Kopf. „In der Stadt sind auch schon einige Menschen an der gleichen Krankheit gestorben.“ Nach weiteren zwei Tagen verstarb auch Hela. Kasper ließ sie und ihren Sohn neben Konrad begraben. Was war das nur für eine rätselhafte Krankheit? Kasper und Barbara saßen auf ihrem Lieblingsplatz am Tisch vor dem Kamin und hörten dem Knistern der Holzscheite zu, und ließen dabei ihre Gedanken kreisen. Keiner von beiden wollte etwas sagen. Kasper stopfte sich seine Pfeife und zündete sie gedankenvoll an. Barbara nippte an ihrem Weinglas und schaute lange auf das Lodern des Kaminfeuers. Nach einer langen Zeit des Schweigens standen beide auf und gingen gemeinsam ins Schlafzimmer, legten sich ins Bett, um möglichst eng zusammen zu kuscheln, und die Nähe des Andren zu spüren. 

Planung einer neuen Handelsreise

Das Testament von Konrad bestimmte in der Rangfolge Kasper von Greifenberg als Erbfolgeberechtigter für die Anteile an Konrads Anteil der Pferdefarm. Weitere Familienangehörige über Hela und deren Sohn gab es nicht. Der Syndikus in Rügenwalde verlas Konrads Testament, sodass Kasper bei alleiniger Erbschaft sofort sein Testament änderte, um seiner Frau nebst Kinder zunächst alle irdischen Güter im Falle seines Todes zu vererben. Seine beiden Schwestern und sein Bruder erhielten neben verschiedener Anteile an dem Handelsunternehmen Ost noch Aussteueranteile, die im Falle einer Heirat mit 25 Jahren oder dem Erreichen des 35. Lebensjahres fällig wurden.

Im Büro des Handelskontors der Handelsgesellschaft Ost in Greifenberg saßen alle führenden Leute zusammen, um über die neue Handelsreise zu entscheiden. Nicolaus von Lebbin und Daniel Lukovic schauten auf die große handgezeichneten Wandkarte, die an der Stirnwand des Büros befestigt war. Verschiedene Ziele mit den dort zu erstehenden Gütern standen zur Auswahl. Einig war man sich auf die nordischen Länder, deren Erzeugnisse mit Fisch, Rentierfleisch, Fellen, Muscheln und handwerklichen Produkten die allgemeine Zustimmung fanden. Daniel Lukovic, der Schiffsführer ihrer Flotte, meinte: „Ich glaube nicht, dass wir viele Flüsse in Skandinavien flussaufwärts befahren können. Wenn man auf der Karte sieht, wo die Flüsse entspringen, und mit welchem möglichen Gefälle und der entsprechenden Strömung sie talwärts rauschen, schaffen wir es nicht, dagegen zu segeln. Unsere Ziele werden sich wohl auf die Küstenregionen und ihren langen Fjorden begrenzen, wo auch die meisten Dörfer mit den Handelsplätzen zu finden sind.“

Nicolaus nickte dazu und meinte: „ Die Küstenregionen bieten auch sehr gute Möglichkeiten, wir müssen sie nur ergreifen.“ Kasper räusperte sich und meinte: „Vor ein paar Tagen traf ich am Hafen in Greifenberg einen holländischen Händler, der mir von der neuen Schiffsversorgung im Pökeln von Fischen erzählte. Die Hanse scheint auf diesem Gebiet schon sehr aktiv geworden zu sein. In den Gewässern der Lofoten, eine Inselkette im Norden von Norwegen in der Nordsee werden jedes Jahr zwischen Januar und Mitte April die Fischschwärme vom Dorsch und Kabeljau erwartet. Sie suchen dort ihre Laichgründe. Hunderte von kleinen Fischerbooten der einheimischen Bevölkerung der Lofoten und Fischer aus Norwegen gehen dort auf Fischfang. Der Fisch wird zu Stockfisch oder Klippfisch verarbeitet. Beide Fischarten werden ohne Kopf und Innereien zum Trocknen aufgehängt. Beim Klippfisch behandelt man die Fische noch zusätzlich mit Salz, damit sie mehr entwässern, und dann trocknen. Mit dieser Methode „haltbare Nahrung“ werden inzwischen viele Schiffe ausgerüstet, die lange unterwegs sind. Inzwischen wendet man diese Lufttrocknung sogar bei Fleisch in Verbindung mit Salz an, das erspart die Pökelei in Fässern. Noch etwas, die vielen Krankheitsfälle entstanden durch Mangelerscheinungen in der Nahrung. Der Holländer erzählte von einem Gemüsekohl, der inzwischen in den Ländern des Mittelmeeres angebaut wird. Hier bei uns kommt er auf Felsenklippen als Wildform vor, dort wo die Schafe ihn nicht fressen können. Dieser Gemüsekohl soll auf den Felsen von Helgoland vorkommen. Man kann die Schoten als Gemüse kochen, oder kleingeschnitten als Sauerkraut mit Salz einpökeln. Er soll vorbeugen gegen viele Krankheiten.“

Ambrosius von Lingen, Sicherheitsvormann auf allen Trecks, meldete sich zu Wort: „Dann haben wir doch schon unsere Reiserichtung. Wir segeln zu den Lofoten, sorgen dafür, dass wir die Lagerräume mit getrocknetem Fisch füllen, und fahren auf der Rücktour noch nach Helgoland. Dort versuchen wir ein paar dieser Pflanzen zu bekommen, um mit den Samen hier in Pommern auf einigen Feldern so nach und nach den Kohl anbauen zu können.“ Alle schauten Ambrosius an, nickten zu der einfachen Schilderung und beschlossen den Beginn ihrer Reise bereits auf den Oktober zu legen, um rechtzeitig zu Beginn der Fischereizeit im Januar 1463 vor Ort zu sein.

Daniel ließ zwölf Büsen aus dem Wasser heben, um den Schiffsrumpf und alle wichtigen technischen Anlagen nach Schäden untersuchen zu lassen. Kasper schaute bei Johann dem Schreiner in der Werkstatt vorbei, um sich eine neue Armbrust an zu schauen, mit deren Hilfe man ein Seil zu einem havarierten Schiff schießen konnte, um Seeleute über das Seil zu bergen, oder einen großen Fisch schießen, der mit dem Seil gehindert wird, weg zu schwimmen. Es sollte ein vielseitiges Hilfsmittel sein, um auf hoher See gegen verschiedene Probleme gewappnet zu sein.

„Kasper, Johann und ich haben einen Pfeil erfunden, dessen Spitze drei Widerhaken hat, anstatt zwei. Somit kann man diesen Pfeil auch bei Felsklippen verwenden, um hinauf oder hinunter zu klettern. Wenn du auf einen Hai oder einen kleinen Wal schießt, dreht der Pfeil sich während des Pfluges und bohrt sich tief in den Körper hinein. Du kannst den Pfeil mit oder ohne Seil verwenden. Mit Seil: du ziehst das Seil durch diese Öse und legst es in diese Rille. Mit den beiden Haken wird die Rille verschlossen, und das Seil hängt fest. Durch das zusätzliche Gewicht mit dem Seil kann der Pfeil 150 Meter fliegen. Ohne Seil fliegt der Pfeil mit einer Sprenggranate 400 Meter weit. Ohne Sprenggranate durchschlägt er dicke Bohlen und Bepanzerungen, er bohrt sich durch seine zusätzliche Drehung tief in etwas hinein.“ „Wenn wir einen Pfeil mit Seil auf einen Hai oder ähnlichem abschießen, brauchen wir an Bord eine Möglichkeit, wo wir blitzschnell das Seil herum schlingen und befestigen, vielleicht für einen Kreuzknoten. Es muss eine möglichst sehr stabile Vorrichtung sein.“ „Ich werde darüber nachdenken.“ „Wir brauchen zwölf dieser Armbrüste, für jedes Schiff eins.“ 

Schiffe - Treck - Marsch

In den ersten Tagen des Oktobers 1462 hieß es „Schiffe – Treck – Marsch.“ Nicolaus stand am Bug des ersten Schiffes, schaute auf den Schiffsverband der Handelsgesellschaft Ost und zeigte mit seinem rechten Arm in Richtung Nordwest. Viele Schaulustige hatten sich schon in den frühen Morgenstunden auf den Weg gemacht, um dieses Ereignis mit zu erleben. Barbara mit den zwei Kindern stand am Anleger und winkte, bis die Schiffe um die erste Flusskehre der Rega verschwanden. Es versprach ein sonniger Tag zu werden, eine leichte Seebrise aus Südost mit der Strömung des kleinen Flusses sorgte für ein gutes Vorankommen. Sie erreichten die Stadtmauern von Treptow, deren Stadtwachen schon aus alter Gewohnheit winkten und ihnen eine gute Reise zu riefen.

Die Mündung der Rega mit dem kleinen Fischernest Deep näherte sich, wo kein Mensch von ihnen Notiz nahm. „ Kurs 55° westliche Breite und 14° nördliche Länge.“ „Kurs liegt an.“ Daniel ließ sogleich die Mastkörbe besetzen, denn verschiedene Kaperfahrer ließen nicht locker und überfielen viele Handelsfahrer. Immer wieder kam es zu Seegefechten zwischen Kaperfahrern aus Danzig mit Schiffen der Hanse, oder Kaperfahrern aus England, die mit der Hanse im ständigen Konflikt standen. Genau so versuchten die Schiffe des Deutschen Ordens die Schiffe der Polen oder der verbündeten Städte auf zu bringen. Man musste ständig auf der Hut sein.

Kasper saß wie immer im Kartenhäuschen, um den Kurs zu berechnen, Notizen in sein Logbuch zu machen, alles das, was auf See passierte. Der Koch brachte heißen Tee, den Daniel, Nicolaus, Ambrosius und Kasper dankbar annahmen. Der Wind frischte auf, und ließ die Segel in voller Größe zur Geltung kommen. Die Schiffe tauchten in die Wellenberge und ließ große Gischtspritzer über den Bugspriet auf das Vorderdeck klatschen, wo das Wasser dann seitwärts wieder ablief.

Auf Höhe der Insel Rügen rief der Mann im Ausguck: „ 4 Segel auf Nordost. Lastenfahrer mit der Hanseflagge.“ „Weiter beobachten.“ „Die haben bestimmt viel Pökelfisch an Bord.“ „Wir werden hier bestimmt noch mehr Schiffsverkehr haben.“ „3 Segel aus Nordwest, Dreimaster, sie halten direkt auf die Prähmen zu.“ „Jetzt wird es für die Prähmen gefährlich.“„Daniel, Kursänderung, halte auf die Dreimaster zu, nebeneinander, dann fächern und einen weiten Halbkreis fahren. Mal sehen, wie sie reagieren.“

Die zwölf Büsen segelten fächerförmig auseinander und fuhren weiträumig einen Halbkreis. Die Lastenprähmen blieben hinter ihnen, sodass die Dreimaster gezwungen waren, sich zuerst mit den kleinen wendigen Schiffen zu befassen. Der vordere Großsegler änderte seine Richtung und fuhr unter Vollzeug Parallelkurs zu den Prähmen. Vier Büsen änderten sofort ihren Kurs und segelten auf Kollisionskurs mit dem Großsegler, der sich aber von den kleinen Schiffen nicht beeindrucken ließ. Der Abstand verringerte sich immer weiter, bis der Dreimaster seine ersten Kanonenkugeln zu den Büsen herüber schoss, die er aber weit verfehlte.

Sie fächerten auseinander, so dass es aussah, als wenn die äußeren Schiffe flohen, und holten dann wiederum weit aus, um im spitzen Winkel auf den Großsegler zu zusegeln. Wieder donnerten einige Kanonen, die aber keines der Schiffe trafen. Die Kugeln tanzten kurz auf dem Wasser und versanken. Die nächsten Kanonen schossen ihre Ladung ab, die diesmal gefährlich an den Masten der mittleren Büse vorbei sausten. Nach dieser Serie der Kanonen fuhren die vier Büsen eine blitzschnelle Halse, lagen kurz mit ihren Breitseiten zum Großsegler und schossen ihre Kanonen mit den Sprenggranaten ab, die mit ihrer Spitze in der Außenhaut des Seglers stecken blieben.

Sofort nach den Abschüssen erfolgte die nächste Halse auf Steuerbord, und die anderen Kanonen schickten ihre Granaten zum Dreimaster hinüber. Die ersten Explosionen rissen große Löcher in die Außenhaut des Schiffes und hoben die schweren Kanonen wie Spielzeuge aus den Laufschlitten. Sie zerschmetterten und zerquetschten die Bedienungsmannschaften. Die nächsten Detonationen mit gewaltigen Druckwellen forderten den mittleren Mast, der auf die Decks krachte. Neue Explosionen sorgten für ein gewaltiges Chaos, Schiffsplanken und tausende Holzsplitter sausten durch die Luft, zerrissen und zerfetzten die Mannschaften, wirbelten sie mit durch die Luft und sorgten für Tod und Verderben. Das Schiff legte sich bereits auf die Seite und zog alles mit auf den Meeresgrund.

Ein paar einsame Schreie und Hilferufe ertrinkender Seeleute, vermischt mit einem Gurgeln und Rauschen ließ die Angelegenheit als sehr gespenstisch ertönen. Parallel dazu versuchten die zwei übrig gebliebenen Großsegler mit massivem Kanonenbeschuss Herr über die sehr wendigen Schiffe zu werden. Die meisten Kanonenschüsse gingen daneben oder lagen zu kurz. Es nützte ihnen nichts, sie fanden kein geeignetes Mittel, diese kleinen Büsen los zu werden.

Wieder versuchten die Dreimaster es mit fortwährendem Bombardement, mehr um die eigene Wut oder Unsicherheit ab zu schütteln. Die dicken Kugeln klatschten ins Wasser, tanzten einige Meter auf der Wasseroberfläche, und gingen dann unter. Jetzt begann die Taktik der sechs Schiffe. Drei fuhren eine Halse über backbord, die anderen drei Schiffe über steuerbord. Wieder das gleiche Manöver, im Querbereich schossen sie ihre Kanonen mit den Sprenggranaten ab, deren Spitzen sich in den Bordwänden beider Schiffe festnagelten. Direkt hinterher die nächste Halse, genau umgekehrt, um die Kanonen der anderen Schiffsseite zu aktivieren.

Die ersten Granaten explodierten, und richteten große Schäden an den Schiffswänden an. Riesige Löcher zeigten einen Teil des Schiffinnenlebens, dabei zerrissen und zerfleischten viele der Deckmannschaften. Die nächsten Explosionen rissen einen Teil der Aufbauten und der Oberdecks ab. Immer wieder wurden die schweren Kanonen hoch gewirbelt und in die verletzten Seeleute geschleudert. Schiffsplanken und Ausrüstungsgegenstände sausten einher, dazwischen ertönten die nächsten Explosionen und zerrissen viele der Mannschaften, die versuchten, in Deckung zu gehen. Eine einzige Kanone des vorderen Schiffes gab noch einen Schuss ab, bis ein gewaltiger Feuerpilz senkrecht nach oben schoss, und durch seine enorme Sprengkraft das vordere Schiff auseinander riss, und es in viele Einzelteile auf dem Wasser verteilte. Anscheinend explodierte die Pulverkammer des Schiffes.

Innerhalb von wenigen Minuten war von diesem einst so stolzen Schiff nichts mehr als Treibgut zu sehen. Der zweite Großsegler versuchte zu entfliehen, schaffte es aber nicht mehr, in das große Chaos an Bord noch eine gewisse Ordnung zu bekommen. Ein einziger Schuss aus der dicken Kanone von Daniels Büse mit der großen Granate sorgte für das endgültige Aus des Schiffes. Es brach auseinander und versank. 

Kurs Helsingör

Auf den Frachtprähmen winkte man ihnen noch zu, bis beide Seiten sich so weit entfernten, dass ein genaues Erkennen nicht mehr möglich war. Und wieder einmal konnten die Schiffe aus Pommern den Schiffern der Hanse helfen, eine sehr verkehrte Welt. „Kurs 55,2° westliche Breite und 13° nördliche Länge, Ziel dänische Insel Mön.“ „Kurs liegt an.“

Die Insel Mön liegt zwischen den Inseln Falster und Seeland, und ist berühmt für ihren 128 Meter hohen Kreidefelsen auf der Ostspitze der Insel. Mön ist ein Sichtpunkt für alle Schiffe, welche den Sund zwischen der dänischen Insel Seeland und der schwedischen Halbinsel Gotland passieren wollen. Am Sund liegt auch die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit seinen großen Hafenanlagen und dem Schloss des dänischen Königs. Am nordwestlichen Zipfel

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Caspar de Fries
Bildmaterialien: Caspar de Fries
Tag der Veröffentlichung: 14.12.2012
ISBN: 978-3-7309-0181-6

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