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Name: Rainer Göcht
Land : Deutschland
Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben

Vorwort:
Über die eigenen Streiche kann man heute schmunzeln oder lachen. Damals durfte man bei gewissen Situationen nicht auch noch alle Einzelheiten preisgeben, es hätte sofort zu weiterem Ärger geführt.

1958, Fahrt nach Schwerin / DDR mit meiner Schwester Marianne, Oma und meiner Mutter. Wir besuchten die Familie des Zwillingbruders meiner Mutter, Kurt K, seine Frau Tante Lisi, zwei Söhne, Uwe, der für mich wesentlich ältere Cousin, Jürgen kaum älter als ich. Mein Cousin Jürgen und ich verstanden uns auf Anhieb.Jürgen liebte Tiere über alles, er wäre nie auf die Idee gekommen, für Mäuse ein Falle aufzustellen oder ähnliches, nein, viel besser, er versuchte sie sogar zu zähmen. Folgende Situation: Alte Wohnung seiner Eltern, erste Etage, sein Zimmer, alter Kleiderschrank auf Füssen. Alles musste ruhig sein, pst..pst.. Jürgen lag auf dem Bauch, hielt ein paar Krümel in der Hand, schnalzte mit der Zunge und starrte angestrengt unter den Kleiderschrank. Da, auf einmal schnüffelte ein kleines Näschen unter dem Schrank hervor und bewegte sich zögerlich zur ausgestreckten rechten Hand von Jürgen, und siehe da, das Tierchen schnappte sich blitzschnell das Fräschen und verschwand.

Ein Bruder meiner Großmutter lebte in Schwerin, Onkel Martin. Jürgen wollte mir zeigen, wo der Onkel wohnte. Der Hof dieses sehr alten Mietshauses bedeutete Abenteuer, Entdeckung, Dummheiten machen. Ein alter Schuppen hatte es uns beiden angetan. Dort gab es viele interessante Dinge zu entdecken. Ein Eimer mit Kohlenglut neben einem Eimer voller Kartoffeln, Werkzeuge, Schaufeln, Mistgabeln, gestapeltes Holz. Die Kohlenglut in einem Eimer? In der Nähe von gestapeltem Holz? Wir dachten, dass jemand die Kohlen vergessen hatte und wollten die Gefahr auslöschen. Aber wie? Blitzgedanke, wir guckten uns an, zwei Seelen, ein Gedanke, pinkeln. Es zischte und roch unangenehm, und es war keine Glut mehr zu sehen. Die Hoftür ging auf, Onkel Martin verschwand im Herzhäuschen auf dem Hof, um seinem täglichen Geschäft zu frönen, er bemerkte uns nicht. Wir hörten seine lauten japzigen Seufzer, es hörte sich nach einer großen Zufriedenheit mit sich und der Welt an. Jeder von uns schnappte sich ein paar Kartoffeln, schnell Maß genommen, durch das Herzchenloch der Tür geschmissen und hinter dem Holzstapel versteckt. Lautes Gebrüll, die Klotür sprang auf, die Hose auf Halbmast, Onkel Martin rannte wutentbrannt auf den Hof, sah den noch qualmenden Eimer mit fast erloschener Kohle und konnte es kaum glauben. Er schimpfte wie ein Hafenarbeiter, Ausdrücke, die man als züchtiger Erdenbürger besser vergaß. Wer hatte ihm das angetan? Wenn der uns erwischt hätte……

Die besten Spielmöglichkeiten gab es natürlich im und am Bootshaus, dort konnten wir die Abenteuergedanken voll ausleben. Diese Gedanken nach zu vollziehen, war nicht einfach, dies dachte wohl auch Onkel Kurt.Seine Autoreifen, sorgsam behütet, gute Qualität, mussten aufgestapelt für unsere besonderen Verstecke herhalten. Ein altes Feldtelefon mit zwei Paar Kopfhörern und alter Draht verband die zwei Stapel Reifen zum telefonieren. Als Tarnfarbe nutzten wir die weiße Farbe, die Onkel Kurt mühsam erstanden hatte, zum Bestreichen der Reifen.
So sauer habe ich Onkel Kurt nie wieder gesehen, weiße Reifen, so manche Fahrt sollten die noch halten, seine Farbe… Die Strafe war schlimm……Er missachtete uns beide, wir waren für ihn Luft. Nach einer angemessenen Entschuldigungsphase und gewissen erledigten Strafarbeiten hatte er die Angelegenheit vergessen.

Der Winter im Jahr 1962 / 63 brachte der Nordseeküste viel Packeis, die Fahrrinnen der Schiffe mussten ständig mit Hilfe von Eisbrechern freigehalten werden. Packeis bei Ebbe lud wunderbar zum Spielen ein. Die riesigen Eisplatten ächzten und stöhnten, wenn sie aneinander rieben. Man konnte auf den aufgetürmten Eisplatten klettern, auf andere Platten springen, aber aufpassen, dass man nicht in die Freiräume zwischen die Eisschollen fiel. Und genau so passierte es, einer meiner Freunde rutschte in ein schneebedecktes Loch zwischen zwei riesigen Eisschollen und schaffte es nicht alleine, da wieder heraus zu klettern. Wir merkten, dass sich die Schollen bewegten, die Flut setzte ein. Es war Eile geboten. Zu dritt versuchten wir, ihn aus seinem kalten Gefängnis zu befreien. Nach verschiedenen Versuchen klappte es, das sich immer mehr bewegende Eis half dabei sogar mit.

In meinen Osterferien besuchte ich meine Patentante Berta R. und Ehemann Hermann von Beruf Förster, wohnhaft im Forsthaus „Schlagpfütze“, in der Nähe von Marburg. Die beiden hatten drei Söhne, einiges älter als ich. Aber mit dem Jüngsten fuhr ich das ein oder andere Mal in Richtung Marburg zu einer dort wohl bekannten Kneipe mit einer Musikbox. Hier verbrachten sehr viele junge Leute ihre Freizeit, tranken und tanzten, hatten ganz einfach Spaß. Ich fühlte mich in dieser etwas illustrierten Gesellschaft recht wohl und hatte das Gefühl, nicht einfach ein Klotz am Bein zu sein. Selbstverständlich trank ich auch das ein oder andere Bier, rauchte hustend die eine oder andere Zigarette, obwohl ich beides überhaupt nicht gewöhnt war. Die Rückfahrt zur „Schlagpfütze“ bekam ich schon gar nicht mehr richtig mit, im Forsthaus sehnte ich mich nach meinem Bett. Aber kaum gelegen, drehte sich meine Umgebung, was war mir schlecht. Ich gelobte Besserung, und das ich dieses Getränk nie wieder zu mir nehmen würde. Zwei Tage später schauten wir wieder in dieser Gaststätte vorbei…..

Geschichte ist ein Schulfach, welches nur Schüler mögen, die sich ernsthaft für Geschichtszahlen, die dazu gehörenden Ereignisse und Personen interessieren. Stures Auswendiglernen mochte eigentlich keiner, also wurden die hierzu nötigen Hausaufgaben gerne vergessen. Der Geschichtslehrer war ein sehr kleiner Mann, vielleicht 160cm Kleinigkeit, ein giftiger, stets aufbrausender, schnell erregbarer Zeitgenosse. Die meisten seiner Schüler überragten ihn um einiges, was ihn dazu ermutigte, besonders streng zu wirken. Für ihn gehörten die Geschichtszahlen und die nötigen Erklärungen zu den abfragungswürdigsten Vorkommnissen im Unterricht. Bevor der eigentliche Unterricht begann, fragte er willkürlich in der Klasse nach, man wusste also nicht, ob man an der Reihe war. Er rief zum Beispiel einen Namen in Richtung Fenster, obwohl der Schüler hinter ihm saß, drehte sich dann blitzschnell um, und zeigte mit dem Finger und dem ausgestreckten Arm auf den Betreffenden. Ein grotesker Anblick, er sah dann aus wie ein Schutzmann, der den Verkehr regelte. Fing der Schüler an zu stottern, oder konnte nicht, wie aus der Pistole geschossen, die Geschichtszahl erklären, baute er sich vor demjenigen auf, die Hände in den Hüften verschränkt, nach oben blickend, funkelnder Blick, tief Luft geholt, dann kam: Du Urwaldheini, du Waldheini, die Zahlen von….. bis …. Dreimal abschreiben und nächstes Mal ohne große Aufforderung aufsagen. Sechs, setzen.Damit gehörte dieser Tempramentsausbruch der Vergangenheit an. Die Strafarbeit schrieb er sich meistens nicht auf. Aber wenn er es doch tat, dann war es besser, nicht anwesend zu sein.

Unser Musiklehrer hieß Herr Priske. Ein etwas älterer Lehrer mit sehr wenig Humor, eirigem, wenig behaartem Kopf, wenn er sich aufregte, zischte er stimmlich und hatte eine sehr feuchte Aussprache. Disharmonien im Gesang konnte er nicht leiden, präzise Tonfolgen schätzte er sehr. Leider gehörte unsere Schulklasse nicht zu den begabtesten Sängern und Liebhabern deutschen Liedguts. So kam es immer wieder zu gewollten Unterrichtsunterbrechungen, um die Musikstunde, für unsere Begriffe, harmonischer zu gestalten. Einer passte an der Tür auf, ob der Lehrer kommt, andere ließen die Musikbücher im Flügel verschwinden. Komplettiert wurde dies noch durch einen langen Draht auf den Seiten des Flügels.Er kam forschen Schrittes ins Musikzimmer. Moin…. Setzt euch, Musikbücher hervor, Seite… keiner bewegt sich. Wie immer klimpert er kurz auf seinem Flügel….. es war ein knarrendes Geräusch zu hören. Langsam begriff Herr Priske, dass etwas nicht stimmte. Sein Gesicht schwoll rot an, eine dicke Ader zeigte sich auf seiner Glatze, der Adamsapfel gluckerte rauf und runter. Er hob den Deckel des Flügels hoch, sah die Bücher und bekam fast einen Tobsuchtsanfall. Die Stimme zischte, seine Aussprache konnte der feuchten Gewalten nicht mehr Herr werden. Er zeigte nur auf die Bücher und bedeutete sie heraus zu nehmen. Es geschah, wie er es verlangte. Mühsam beherrschte er sich. Noch einmal Seite ……, er versuchte an zu spielen, diesmal ein kratzendes Geräusch. Stille….. er stand auf, verließ das Musikzimmer und kam ein paar Minuten später mit dem Direktor wieder. Natürlich gab es viel Ärger. Die gesamte Klasse nahm die Strafe an.

In den Sommerferien 1964 fuhr ich mit dem CVJM (christliche Vereinigung junger Männer), zu einem Zeltlager in der Rhön, unterhalb vom Kreuzberg, in Franken, nahe Coburg.
Wir schliefen in Zehnmannrundzelten, die Füße zur Mitte, auf Stroh im Schlafsack. Vor dem Eingang installierten wir einen Tassenbaum, ein großer Ast mit mindestens zehn Verzweigungen, zum Aufhängen unserer Tassen aus Blech.
Es gab ein Jungendorf und ein Mädchendorf. Jedes Zelt hielt mindestens einmal Nachtwache in den drei Wochen Aufenthalt, dazu mussten immer zwei Mann einen bestimmten Abschnitt bewachen. Aufregung gab es, als ein Mädchen wegen Heimweh`s nachts in den Wald lief.
Wir suchten mit Taschenlampen und vielen Rufen. Irgendwann gelang es sie auf zu spüren. Die Eltern des Mädchens kamen, um ihre Tochter ab zu holen.
Küchendienst, Revierdienst, also alltägliche Dinge mussten bei fast 300 Jugendlichen regelmäßig erledigt werden, eine gewisse Ordnung war wichtig.
Die Freizeitangebote waren vielseitig. Fußball, Schnitzeljagden, Ausflüge nach Coburg mit Burgbesichtigung, und natürlich auf den naheliegenden Kreuzberg mit seiner Klosterbrauerei. Mit 13 Jahren probiert man auch schon mal die leichten bayrischen Biersorten, die in tönernen Maßkrügen, ob einhalb Liter oder ein Liter, von Mönchen mit braunen Kutten serviert wurden. Wir liebten die Halbliter-Krüge, die konnte man am besten mitgehen lassen. Aber die Mönche passten auf. Ein noch halbwegs junger Mönch wollte gewisse Missetaten verhindern und versuchte durch hinterher Rennen das Eigentum des Klosters zu schützen. Der Mönch lief schnell auf seinen Jesuslatschen, wir waren schneller, denn über Gesteinsgeröll mit offenen Latschen zu rennen fördert nicht das Aussehen der Füße. Schade, ein Krug zerbrach unterwegs, einen konnte ich retten und habe ihn immer noch als Andenken.

Vor meiner Konfirmation mit fünfzehn Jahren nahm ich das heilige Vergnügen in Kauf, zwei Jahre lang zum Konfirmandenunterricht zu gehen. Bibeltexte, Liedtexte und Gebete mussten für so ein wichtiges Lebensevent gelernt und verstanden werden. Ein schwieriges Unterfangen für den Pfarrer, wenn er die Gewähr hätte, dass seine Schäfchen die gleichen Interessen hegten, wie ein Pfarrer. Sein Name war Christmann, für einen Schäfchenjäger der richtige Name. Zu seinem Steckenpferd gehörte der sonntägliche Jugendgottesdienst morgens um 9.00 Uhr und ein Kontrollsystem mit Stempel, um sicher zu gehen, dass die Konfirmanden den Kirchgang auch ernst nahmen. Ein Stempel auf den Handrücken besiegelte das Alibi des Vorort-Sein. Abwechselnd gingen ein oder zwei unserer Kollegen in die Kirche, ließen sich den Stempel extra dick auftragen, andere kamen mit einem noch warmen gekochten Ei und stempelten den Aufdruck von der Hand auf unsere Hand. Das Ei ersetzte den Stempel. Genial, dachten wir. Der Pfarrer merkte erst viel später, dass seine Schäfchen in so geringer Zahl anwesend waren, als er für seinen Kollegen Vertretung des Jugendgottesdienstes machte. Er hielt uns einen langen Vortrag wegen Vertrauens-missbrauch ……..
Einmal hatte irgendjemand den Pfarrer in dem Pfarrraum neben der Kirche eingeschlossen, der Gottesdienst begann, kein Pfarrer zu sehen. Der Organist beauftragte mich und Werner W. nach dem Pfarrer zu schauen. In den Pfarräumen kannten wir uns gut aus, hörten auch das Klopfen des Pfarrers. Aber unser Interesse galt dem Krug mit dem Wein für das Abendmahl. Zur Stärkung konnte ein guter Schluck nicht schaden. Wir nahmen beide einen sehr tiefen Schluck, so dass die Hälfte des Weines mit Wasser ergänzt werden musste, um nicht auf zu fallen. So geschah es. Wir ließen den Pfarrer frei, Werner stand noch hinter der Tür, eine Hand griff um die Tür und Werner fing sich eine Watsche.Der Gottesdienst begann mit Verspätung, die Zeit des Abendmahles brach an. Wir als Konfirmanden durften noch an keinem Abendmahl teilnehmen, sondern nur zusehen. Die üblichen Oblaten fanden ihre Runde, gefolgt von dem Krug mit dem Wein, der nach jedem Schluck mit Hilfe eines Tuches gesäubert wurde. Die passionierten Weintrinker verzogen wegen der erheblichen Geschmacksdifferenzen das Gesicht. Der Pfarrer schaute drohend zu uns herüber, da braute sich etwas zusammen…..
Der Konfirmationstermin rückte näher, eine sogenannte „ Prüfung „ vor der versammelten Gemeinde musste abgelegt werden. Jeder von uns Anwärtern sagte einen Bibelspruch, ein Liedtext oder ähnliches auf und konnte auf die Zufriedenheit des Pfarrers setzen. Bei Liedertexten wurde erst der Text durch den angehenden Konfirmanden auswendig vorgesagt, die Gemeinde sang das Lied mit dem gesagten Text nach. Gut, dass meine Oma mir das Dichten beigebracht hatte. In dem von mir vor zu tragendem Text kam die Passage von heiligen Glocken vor, ich hatte heiliger Bimbam aufgesagt. Einige in der Gemeinde sangen dass so, wie ich es sagte, leichtes Durcheinander. Die bösen Blicke des Pfarrers deuteten wieder nichts gutes …..

Ein langer Bindfaden, eine offene Miesmuschel, und schon ließen sich wunderbar die Krebse fangen, sehr zum Leid derer, die auf einer Decke zum Sonnen ausgestreckt lagen. Die Krebse kannten keine Gnade. Sobald sie sich angegriffen fühlten, bearbeiteten sie mit Hilfe ihrer Scheren ihren Kontrahenten. Das manche so laut kreischen konnten….

Ein Garten in der Nachbarschaft von W`s Garten hatte es Werner und mir wegen der wunderschönen Erdbeeren angetan. Mitten im Beet stand ein Eimer, wahrscheinlich vergessen vom Besitzer. Kein Mensch zu sehen. Wir ernteten in aller Ruhe, aßen mit vollen Backen und füllten so nebenbei den Eimer. Plötzlich sprang die Tür der Gartenlaube auf und der Gartenbesitzer stand vor seinem Gartendomicil und rief. Der Krug fällt solange zu Wasser, bis er bricht. Na, da hatte er uns beiden aber toll erwischt. Wir ließen uns nicht beirren, stellten den Eimer ab und hauten ab. Wir hatten nur ein Problem, hat er uns erkannt, weiß er, wer wir sind? Wir beichteten Herrn W. von diesem Dilemma, er riet uns, wir sollten uns entschuldigen. Das taten wir dann auch, er nahm unsere Entschuldigung an. Ich erzählte meinem Vater von dieser Missetat. Mein Vater kannte diesen Gartenbesitzer vom Arbeitsamt her, und fand die Angelegenheit mehr als peinlich. Aber für Werner und mich ging das normale Leben weiter.


Impressum

Texte: Rainer Göcht
Bildmaterialien: Rainer Göcht
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2012

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