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Prolog

 

Caspar de Fries

Schriftsteller

 

Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben

 

Texte und Bildmaterialien:

Caspar de Fries

Alle Rechte vorbehalten

Vorwort

Die Geschichte schreibt das Jahr 1445, die Herrschaftsgefüge erhielten ein anderes Gesicht. Dafür sorgten Erbteilungen von Ländereien, Zusammenfügen von Grafschaften durch politisch versprochene Vermählungen und verlorene Kriege. Kasper von Greifenberg und seine Fuhrmannsfreunde hatten sich mit ihrem Handelspartnererfolg in Novgorod einen hervorragenden Namen gemacht und konnten sich vor Partnerschaftsanfragen aus den eigenen Regionen kaum retten. Die Pferdezucht auf der Pferdefarm von Kasper von Greifenberg und Konrad von der Furt verbuchten gute Zuchterfolge. Die russischen Steppentarpans, Wildpferde, lebten sich gut ein und vermehrten sich wie gewünscht. Die Dülmer Wildpferde, aus der Zucht im Münsterland, waren auch nicht mehr von den Weiden weg zu denken.

Ein neues größeres Projekt, eine Handelsreise zur Ukrainischen Krim, wo zurzeit die Tataren ein Khanat, ein Reich, schufen, um bis nach Indien ihre Handelaktivitäten aus zu bauen, gehörte zum eigentlichen Ziel ihrer nächsten Schiff-Treck-Reise. Die Vorbereitungen hierzu mussten bis ins Kleinste durchdacht werden. Sie benötigten genauere Karten der Flüsse und der Handelswege für die Fuhrmannswagen und vieles mehr. Außerdem wollten sie noch mehr über die politischen Ereignisse wissen, Aktivitäten der Hanse, die immer noch nicht locker ließ, und bei jeder Gelegenheit versuchte, die private Handelsgesellschaft Ost der Fuhrmänner und niedergelassenen Handwerker in Greifenberg zu denunzieren. Der Handelstauschvertrag mit Novgorod wurmte die Hanse sehr, denn überall gab es inzwischen ähnliche Verträge, welche die standardisierten Handelsabkommen aushebelte. Natürlich war der Hanse dies ein Dorn im Auge und versuchte überall mit enormen Preisnachlässen die Verträge zu ändern. Ihnen war bald jedes Mittel recht, um diese Emporkömmlinge in die Knie zu zwingen.

Farmalltag

Kasper und Konrad bauten ihre Pferdezucht weiter aus. Sie konnten für ihr Weideland eine weitere Parzelle erwerben, genau hinter dem Felsenmeer, was bisher als natürliche Barriere zu den anderen Weidegründen bestand. Einen Teil des Felsenmeeres und die dahinterliegende langgestreckte Wiese bis zu einem kleinen See nutzten sie nun als weiteres Zuchtgebiet, es eignete sich als abgegrenzter Bereich sehr gut für die russischen Wildpferde, die Steppentarpans, aus der Steppe von Novgorod, die sich prächtig einlebten und bereits für Nachwuchs sorgten.

 Samuel, der Bruder von Kasper, gelernter Schumacher, war nun stolzer Besitzer dieser besonderen Ziegenrasse, die ein schwarzbraunes Fell besaßen, welches sich nach der Gerbung hervorragend zur Herstellung von Schuhen verarbeiten ließ. Kasper hatte in Kaunas den älteren Bauern, die ihren Hof aufgeben wollten, nicht nur die Tiere abgekauft, sondern erstand noch einen Schuppen voller Ziegenleder, sodass für längere Zeit kein weiteres Tier geschlachtet werden musste. Weitere Ziegen konnte er noch dazu kaufen, um eine Zucht dieser sehr schönen Tiere zu beginnen.

Die Schwestern, Clara und Elisabeth, gelernte Schneiderinnen, erhielten für die Schneiderwerkstatt edle Stoffe, und konnten der gesamten Damenwelt die gefragten modischen Kleidungsstücke fertigen. Die Schneiderei hatte sich durch das Einstellen weiterer Schneiderinnen personell erweitert, sodass aus dem zunächst kleinen Geschäft ein gut geführtes Kleinunternehmen geworden war.

Barbara, Kaspers Frau, hatte inzwischen die viele schriftliche Arbeit auf dem Pferdegestüt übernommen, angefangen vom Registrieren des vielen Tiernachwuchses, bis hin zur Auszahlung der Löhne, denn die vielen Farmhelfer mussten bezahlt werden. Die beiden Kinder, Viktoria und Josua, waren der Stolz der Familie und des ganzen Hofes. Kasper nahm sie so oft wie möglich mit auf die Weiden oder mit in die Stadt, wenn Barbara gerade mal Arbeiten zu erledigen hatte, wo die beiden sehr quirligen Kinder nur hinderlich waren.

Am Abend saßen alle gerne vor dem Haus auf der Bank, genossen den lauen Abend, tranken gemütlich ein Glas dazu und ließen ihre Gedanken schweifen und rauchten ihre Pfeife mit einer Kräutermischung. Kasper erzählte von den drei Bienenvölkern, die er einem älteren Mann anvertraut hatte, der bereits in früheren Jahren mit Bienen zu tun hatte. „Diese Bienenkörbe sind ganz gut zum Transportieren, wie bei uns auf dem Schiff, aber um an den Honig zu kommen, müssen einen Teil der Waben zerstört werden. Schon in Novgorod hatte ich die Idee, einen Kasten konstruieren zu lassen, der Schubladen hat, worin die einzelnen Bienenvölker ihre Waben bauen konnten. Ich erntete nur Kopfschütteln. Hier bin ich zu unserem Schreinermeister Johann gegangen, der hat so einen Kasten gebaut. Er sagte, nach einer Woche überlegen und hineinversetzen in eine Biene, könnte er mir sagen, ob es geht oder nicht. Ihr kennt ja Johann, wenn der was austüftelt, dann gibt es kein Halten mehr.“ „Ich kann mir das gar nicht richtig vorstellen, mit diesen Schubladen,“ meinte Barbara. „Du hast doch diese Weidenkörbe mit nur einem Eingang im oberen Bereich des Korbes gesehen, da wo die Bienen hinein- und herausschlüpfen. Da musst du dann später mit der Hand rein und den Honig herausholen. Sehr lästig. Wenn man aber einen Holzkasten baut, in kleinerer Form wie deine Kommode bei uns im Schlafzimmer, mit mehreren Schubfächern, könnte man den fertigen Honig aus den Waben nehmen, ohne sie zu zerstören und den Bienenstaat neu auf zu bauen. Außerdem kann man viel mehr Honig ernten.“

„Das werde ich mir ansehen und mich einmal mehr mit Bienen befassen, das interessiert mich sehr.“ „Tolle Idee,“ meint Konrad und stopft seine Pfeife mit Kräutern, „Honig schmeckt und ist sehr gesund. Den Kindern wird es besonders schmecken, denn es ist sehr süß.“ „Konrad, bei der Gelegenheit möchte ich meine neuen Ideen vorstellen. Du erinnerst dich, als wir mit den Wagen an der Memel entlangfuhren und diesen weichen Untergrund vorfanden, wo die schweren Fuhrmannswagen einsackten, sah ich, dass das Einsacken der Räder nur passiert, weil die Wagenräder sehr schmal sind. Vielleicht kriegen wir es hin, breitere Räder zu konstruieren, oder aber wir setzen noch ein Rad davor, was wir bei Bedarf abnehmen können. Außerdem versehen wir die Räder mit kleinen Eisennoppen, damit sie nicht so leicht wegrutschen. Was sagst du dazu?“ „Ich finde die Idee mit den breiten Rädern gut, Eisennoppen, weiß ich nicht, müsste man erst ausprobieren.“

„Dann habe ich noch eine Überlegung, da wirst du mich gleich für verrückt erklären. Wenn wir durch einen Fluss wollen, der keine Furt hat, bekommen wir Schwierigkeiten. Pferde können schwimmen, ein Fuhrmannswagen geht unter. Wir sollten die Fuhrwerke so umbauen, dass sie an den Seiten Schwimmkammern erhalten, also längliche hohle Fässer, die den Wagen über Wasser halten. Wenn wir dann einen Fluss überqueren, spannen wir die Pferde aus, und lassen sie auf die andere Seite schwimmen, der Wagen wird an zwei Seilen durch Pferde über den Fluss gezogen, wir ersparen uns oft gewisse Umwege. Was sagst du dazu?“ „Genial, sage ich dazu, wenn das klappt, wäre das eine totale Verbesserung der Fuhrmannschaft. Das sollten wir unserem Schreinermeister vortragen. Der sagt dann wieder, in einer Woche sage ich dir, ob es klappt oder nicht.“ „Ich habe da aber noch etwas, ich habe es bisher noch keinem gezeigt, und wollte es bereits neben dem Kamin an die Wand hängen. Bei dem alten Bauern, wo ich die letzten Ziegen kaufte, sah ich eine Waffe auf einer Kommode liegen. Er sagte mir, dass sie aus China stammt und eine Art Armbrust ist, womit man mehrere Pfeile sofort hintereinander schießen kann. Er meinte nur, es gibt hier keinen, der damit schießt und wollte sie wegschmeißen. Mir hat er sie geschenkt, und hier ist sie.“ Kasper wickelte aus einem großen Tuch ein etwas klobiges Gerät, was sich aber bei näherem Hinschauen als technisch sehr überlegt zeigte.

„Ich habe mal überlegt, ob wir unserem Schreinermeister, in Kombination mit der Schmiede, dieses Gerät zeigen und auf unsere Bedürfnisse neu entwickeln lassen. Die Vorstellung wäre, dass man sowohl Einzelpfeile wie auch eine ganze Serie abschießen kann. Weiterhin benutzten sie kleine Holzpfeile, die allerdings nichts für Rüstungen sind, ohne sie zu durchschlagen. Wenn man so ein Gerät herstellt, dass vom Schiff oder vom Wagen eingesetzt werden kann und eine große Reichweite hat, einen Einzelpfeil sogar mit einer Sprengstange versehen kann, dann sind wir einen ganzen Schritt weiter und wären manchen Gegner überlegen. In diesem Magazin haben zehn Bolzen Platz, unglaublich, wenn wir dass hinkriegen würden.“ Konrad schüttelte nur mit dem Kopf, er konnte sich kaum vorstellen, dass diese Höllenmaschine funktionierte.

Kasper sprach bei Johann dem Schreinermeister vor und fragte: „Sag mal Johann, kannst du so einen Schießapparat nachbauen und die Metallteile vielleicht vom Schmied herstellen lassen?“ „Ich werde mir mal darüber Gedanken machen, und wenn es funktionieren sollte, komme ich nächste Woche mit den Plänen vorbei.“ „Das Zweite, ich möchte, dass du ausprobierst, ein Fuhrwerk so um zu bauen, dass es schwimmt.“ Kasper erklärte, was er damit meinte und Johann meinte nur bis zur nächsten Woche.
Kasper suchte noch den Schmied auf, und stellte ihm seine Idee mit den Rädern vor. Der Schmied schaute Kasper lange an und grinste. „Mein lieber Kasper, eine Idee, die ich sofort teile, muss ich aber erst testen, denn dazu müssen auch die Achsen umgebaut werden. Aber grundsätzlich denke ich, werden wir sicherlich einen Erfolg damit haben. Ich sage dir Bescheid.

Drei Wochen später brachte ein Bote des Herzogs von Pommern eine Einladung zur großen Besprechung der neuen Handelsreise im Schloss von Rügenwalde. Kasper und Konrad machten sich am nächsten Tag sofort auf, um an diesem sehr wichtigen Treffen mit allen Verantwortlichen teil zu nehmen.

Herzoglicher Auftrag

Im Rittersaal des herzoglichen Schlosses in Rügenwalde trafen sich alle Verantwortlichen, die mit der Planung dieses neuen Handelsprojektes beschäftigt waren und auf ihrem ihm zugedachten Ressort die nötigen Informationen gesammelt hatten. Nicolaus von Lebbin, Leiter des Schiff-Wagenzuges und des gesamten Projektes, Ambrosius von Lingen, Sicherheitsleiter der Begleitmannschaft, Daniel Lukovic, Schiffsführer und Leiter aller Schiffer, Konrad von der Furt, Vormann der gesamten Fuhrmannschaft, Kasper von Greifenberg, verantwortlich für die Zugtiere, und die gesamte Logistik. Die weiteren anwesenden Herren gehörten zum herzoglichen Stab, angeführt vom Kanzler, und natürlich der Herzog selbst, der aus finanzieller Sicht Schirmherr des gesamten Unternehmens war.

„Meine Herren, ich begrüße Euch heute zu der Planung eines weiteren Unternehmens, wobei ich lange gezögert hatte, dies überhaupt in Erwägung zu ziehen. Diese Handelsreise soll bis an das Schwarze Meer führen, genauer gesagt auf die Krim. Mein Zögern beruhte auf den sehr veränderten politischen Verhältnissen in diesen Regionen. Viele von Euch werden bereits von den Übergriffen der Tatarenstämme aus den asiatischen Gebieten gehört haben. Ich möchte an Hand dieser großen Karte hier auf dem Tisch allen Anwesenden die jetzige Situation auf der Krim und Umgebung erläutern. Das tatarische Adelsgeschlecht der Giray haben vor vier Jahren ein eigenes Khanat, also ein Reich, auf der Krim gegründet, dazu gehören die südlichen Steppengebiete der Südukraine und einige Teile des Moskauer Großfürstentums. Die eigentlichen Gründer des Khanats sind Devlet Berdi und Haji Girai. Wie ihre verwandtschaftlichen Beziehungen sind und die weitere Gesamtclanzugehörigkeit, ist nicht geklärt. Tatsache ist aber, dass sie vor dem Clan geflüchteten, und mit Eroberungen und verschiedenen Bündnissen sich auf der Krim etablierten. Der Haupthandelspartner der Krim sind die Osmanen, die sich auch gleich als Schutzmacht einnisteten, weil die Tataren auch den Glauben des Islam in weiten Teilen der Ukraine verbreiteten, und als Wächter fungierten. Die Übergriffe auf die Nachbarländer bringen den Tataren den wichtigsten Exportartikel, die erbeuteten Sklaven, die sie in das Osamanische Reich verkauften. Weitere Handelsgüter sind der hervorragende Wein, die Seide, Gewürze, Fellerzeugnisse und vieles mehr. Ihr werdet sehr vorsichtig sein müssen, diplomatisch, kämpferisch und wehrhaftig. Aber alle diese Eigenschaften kenne ich ja bereits von Euch. So weit meine Einleitung, ich gebe das Wort an den Kanzler weiter, der noch ein paar wichtige Instruktionen für Euch hat.“

„ Ja, meine Herren, dies wird kein Spaziergang, sondern Ihr müsst eine ganze Portion Mut und Entschlossenheit zur Verfügung stellen. Die Vorbereitung muss sehr sorgfältig geplant werden. Die Reise wird unter unserer Fahne geführt, das Land Pommern trägt die Schirmherrschaft. Auch die nötigen finanziellen Mittel werden aus der Staatskasse genommen. Für die weitere Ausrüstung seid Ihr verantwortlich, und plant in eigener Sache, welche Dinge mit zu nehmen sind. Aber das wisst Ihr, glaube ich, auch am Besten.“ Zustimmendes Gemurmel war zu hören. „ Ich denke mal, als Vorbereitung, sprich Materialien und ähnliches, dürfte der eigentliche Reisebeginn im Frühjahr 1446 nach der Schneeschmelze sein. Ich glaube, gehört zu haben, dass Herr von Greifenberg ein paar Neuigkeiten ausprobiert, ist das richtig? Ja,ja, im kleinen Pommern bleibt auch nichts verborgen, oder könnt Ihr darüber noch nicht sprechen?“ „ Doch kann ich, denn kurz bevor wir hierher nach Rügenwalde kamen, erhielt ich grünes Licht für verschiedene machbare Um – und Neubauten, die uns allen die Arbeit, hoffentlich, erleichtern werden. Als erstes erhalten die Fuhrwerke Schwimmkammern, seitlich angebracht an den Kästen, damit wir die Wagen auch ohne Furt durch einen Fluss ziehen können. Dazu werden verschlossene, hohle Fässer außen angebracht, die dafür Sorge tragen, dass die Wagen nicht untergehen. Das Zweite wären breitere Räder, deren Lauffläche dreimal so breit ist wie vorher. Zusätzlich baut der Schmied die Achsen so um, dass wir bei Bedarf noch ein Rad davor stecken können, um bei sehr matschigen oder abschüssigen Geläuf mehr Stabilität zu haben, Außerdem bekommen diese Räder auf die Fahrfläche Eisennoppen, damit auf nassem Untergrund die Räder nicht so schnell wegrutschen und die Pferde weniger Kraft aufwenden müssen.“

Kasper ließ diese Nachrichten erst einmal durch die Köpfe rattern, denn der Arbeitsaufwand an den Wagen brauchte schon seine Zeit. Der Herzog nickte zu den Ausführungen und fand diese Ideen bereits hervorragend. Nicolaus von Lebbin hatte sich bisher noch gar nicht geäußert, fand diese Änderungen an den Wagen aber auch genial. Wer sich jetzt äußerte, war Konrad: „ Ihr wisst, ich bin nicht so der große Redner, aber zu diesen Änderungen möchte ich sehr gerne noch etwas dazu erläutern. Als Kasper mir diese Ideen vorstellte, sagte ich nur, wenn das klappt, wäre das eine sehr große technische Erweiterung der Fuhrwerke. Was wir uns in den letzten 30 Jahren oft gewünscht hatten, wird hier in sehr kurzer Zeit realisiert. Aber nicht allein die Ideen machen es, sondern die Handwerker, die es verstehen, durch viele Tüfteleien diese Neuerungen überhaupt zu schaffen. Wir haben in Greifenberg zwei dieser seltenen Typen, die so viel vom Handwerk verstehen, wie kein Zweiter. Ich wollte, dass auch diese Leute mal erwähnt werden.“

„Klar, meine Herren, es ist richtig, wo wären wir ohne unsere Handwerker. Ich schlage vor, bevor unsere Debatte weiter geht, trinken wir auf die Handwerker.“ Der Herzog hob ein Glas Doppelbrandigen und trank das Glas in einem Zug leer. „Sind denn zu diesen Fortschritten der Technik noch weitere Erläuterungen, Anregungen oder ähnliches, vor zu bringen? Nein. Dann meine ich, hören wir noch einmal Herrn von Greifenberg, der uns eine, für unsere erfassbare Welt, Neuheit vor zu stellen hat.“ „Ja, ich habe hierüber mit sehr wenigen Leuten gesprochen, um erst einmal zu hören, ob unsere Handwerker überhaupt in der Lage sind, ein solches Gerät zu bauen. Und sie haben es geschafft, hier ist der neuste Schussapparat in unserer Zeit, in hervorragender Zusammenarbeit unserer beiden Handwerksmeister aus Greifenberg.“

Kasper gab dem einen Türdiener einen Wink, die Tür öffnete sich und die zwei Handwerker, der Schmied und der Schreinermeister schritten mit einem großen Paket herein. Natürlich war hier alles fremd für sie, und sie waren es nicht gewohnt, bei so hohen Herrschaften zu sein, deshalb wurden sie auch ganz verlegen und zurückhaltend. Der Herzog war über diesen Besuch eingeweiht und ging sofort lächelnd auf die beiden zu. „Meine Herren, der Herr von Greifenberg hat mir schon sehr viel von Euch berichtet. Es tut gut, solche Leute wie Euch in der Gemeinschaft zu haben. Deshalb möchte ich, bevor wir mit allen wichtigen Angelegenheiten fortfahren, die Gelegenheit nutzen, Euch im Namen des gesamten Herzogtums danken für die hervorragende Arbeit der letzten Jahre. Euch, Johann von der Drage, ernenne ich zum Hofschreinermeister. Durch den Zusatznamen seid Ihr berechtigt, im Namen des Herzogtums, öffentlich ausgeschriebene Arbeiten aus zu führen, und die Zunft der Schreinermeister in Greifenberg zu führen. Mit dieser Ernennungsurkunde erreicht Ihr die Position eines Bürgers in Greifenberg. Meinen Herzlichen Glückwunsch. Euch, Johann von der Schmiede, ernenne ich zum Hofschmiedemeister. Durch den Zusatznamen seid Ihr berechtigt, im Namen des Herzogtums, öffentlich ausgeschriebene Arbeiten aus zu führen, und die Zunft der Schmiedemeister in Greifenberg zu führen. Mit der Ernennungsurkunde erreicht Ihr die Position eines Bürgers in Greifenberg. Meinen Herzlichen Glückwunsch. So meine Herren, jetzt brauchen wir erst einmal was zum Anstoßen, ein Glas Doppelbrandigen wäre da genau die richtige Medizin. Prost.“

Die beiden Johanns fühlten sich nicht so wohl in Ihrer Haut, deshalb nahmen Kasper und Konrad sich ihrer an. Ambrosius und Daniel hielten sich die ganze Zeit sehr zurück. Aber jetzt kam natürlich die interessanteste Vorführung. Kasper packte zunächst mal die chinesische Variante aus, um zu erläutern, worum es hier eigentlich ging. „Dies Gerät ist eine chinesische Repetierarmbrust, Erfinder soll der Politiker und Stratege Zhuge Liang sein. Damit kam man innerhalb von nur 15 Sekunden 10 Pfeile aus der Hüfte abschießen. Hier in diesem Magazin werden die zehn Pfeile eingelegt, durchlagen allerdings keine Panzerung und werden als Streuschussgerät verwendet, um, ohne zu zielen, in einen großen Pulk von Soldaten zu schießen. Mit diesem Hebel kann man auf das Einfachste die Pfeile nachladen und spannt dabei gleichzeitig die Sehne. Die Überlegung war nun, ein Gerät mit zwei Kammern zu bauen, einmal für unsere Eisenpfeile, und die andere für einen langen Pfeil, kürzer , wie bei den Langbogen, aber lang genug um eine Sprengstange mit daran zu hängen. So, diesen Mechanismus haben die beiden Experten hervorragend ertüftelt. Wir brauchten etwas Stabiles, was man vom Schiff oder Wagen, montiert auf einem Fuß, abschießen kann und etwa 250 Meter weit fliegt. Der Fuß gewährt den Schützen, immer zwei Mann, die Hände frei zu haben, und sie können schnell und zielend schießen, sie können parallel dazu eine Sprengstange mit verschicken. Während wir hier gewisse Dinge erklärten, haben ein paar Diener auf dem Hof etwas aufgebaut, damit wir die mechanische Armbrust vorführen können.“

Auf dem Innenhof, etwa 200 Meter vom Eingang stand eine Holzwand. Die beiden Johanns stellten den Fuß auf, steckten die Haltevorrichtung der mechanischen Armbrust in den Fuß, füllten das eine Magazin mit Pfeilen, das andere erhielt einen Pfeil mit einer ganz schwachen Sprengstange, damit nicht die Scheiben der Umgebung einfielen. Kasper nickte ihnen zu. Der Schreiner Johann betätigte die Kurbel zum Spannen, der Schmied Johann zog am Hebel und drückte ihn hinunter. Der Pfeil sauste auf die Holzwand und durchschlug sie glatt. Jetzt wollten sie es mit etwas Schnelligkeit zeigen. Kurbel drehen Hebel gedrückt, zack, und weiter. Sie schossen alle 10.

 Pfeile so, das ein Kreis auf der Holzwand sichtbar wurde, also genau gezielt. Jetzt kam eigentlich der Clou. Beide zielten sehr sorgfältig, drehten ganz ruhig mit der Kurbel damit die Zielvorrichtung nicht verrutschte, zündeten die Lunte an und, zack, der längere Pfeil flog genau in die Mitte des Kreises und sprengte ihn mit der leichten Sprengwirkung heraus. Die Zuschauer sahen ein kreisrundes Loch. So eine Demonstration hatte noch keiner gesehen. Das war höchste Schusstechnik, mit einer Präzession, wie es sie noch keiner gesehen hatte. Der Herzog war ganz perplex, er wusste, damit würden sie manchem Gegner überlegen sein. „Meine Herren, meinen Glückwunsch, dass war eine Vorführung der Extraklasse. Ich wünsche allen ein gutes Händchen, dieses Instrument wirklich nur mit Bedacht ein zu setzen.“

Während des abendlichen Essens drehte sich alles nur um dieses Gerät. Ambrosius und Nicolaus waren ganz begeistert von so einer Verteidigungswaffe. Damit waren sie sogar auf den Schiffen mancher Kanone überlegen. Daniel Lukovic wusste auch, richtig auf den Schiffen eingesetzt, zusammen mit allen anderen Möglichkeiten, die sie bisher zur Verfügung hatten, konnten sie viele vermeintlich stärkere Gegner in die Knie zwingen. Die beiden Johanns erhielten den Auftrag, für jedes Schiff vier dieser Armbrustkanonen zu bauen, das heißt, bei 10 Schiffen 40 dieser Geräte. Auf jeder Seite des Schiffes sollten zwei dieser Kanonen installiert werden. Kasper besprach dies mit Daniel, ob so ein Gerät den Ablauf der Segelarbeit beeinträchtige, er sagte nur: „Kein Problem.“

Kasper erhielt den Auftrag, die ganze logistische Arbeit zu übernehmen, das hieß, die Reiseroute fest zu legen, das Material, welches die herzoglichen Bediensteten bereits sammelten, zu sichten, zu analysieren. Er brauchte von der Gesamtkarte eine Abschrift, die von verschiedenen Leuten in mühsamer Handarbeit erneut hergestellt wurde. Bis zur eigentlichen Abfahrt war es nur noch ein halbes Jahr. Ambrosius ließ seine Leute in der Zwischenzeit an den bereits fertigen Armbrustkanonen üben, damit sie mit der Handhabung vertraute waren. Konrad vertraute sich mit den neuen Wagenachsen und den neuen Rädern, der Montage, dem Ersatz und vieles mehr, an. Nicolaus kam oft bei Kasper auf der Farm vorbei, um schon bestimmte Details der Routenabschnitte durch zu sprechen. Sie wollten diesmal sehr genau über verschiedene Örtlichkeiten Bescheid wissen. Auch Ausweichrouten suchten sie zusammen, angefangen von bestimmten Stromschnellen, Hügelketten, Steigungen, Seen, Furten ja nein und vieles mehr.

Treckvorbereitung

Barbara besuchte viel den älteren Mann, dem Kasper die drei Bienenstöcke anvertraute, um sich viel vom Leben, der Haltung und Aufbau neuer Bienenvölker erzählen zu lassen. Weiterhin erlernte sie den Umgang mit den Bienen, wie man sich in deren Nähe bewegte, wie man den Honig erntete und vieles mehr. Die Holzkisten mit den Schubladen fanden sehr guten Anklang und erleichterten die gesamte Arbeit sehr. Barbara wollte sich im kommenden Jahr selber eigene Völker aufbauen, um auch mit einer eigenen Honigproduktion zu beginnen. Vorsorglich ließ sie sich vom Schreiner Johann bereits ein paar Kästen zimmern, um sofort beim Schlüpfen einer neuen Königin das richtige Behältnis zur Verfügung zu haben. Außerdem hatte sie auch eine Idee, wie sie sich in Zukunft vor den Bienenstichen schützen konnte. Dazu suchte sie den Schneiderladen ihrer Schwägerinnen auf, und teilte ihnen ihre Vorstellung von einer Schutzkleidung mit. Sie wollte einen sehr engmaschigen, aber durchsichtigen, sehr leichten Umhang mit einer Haube, die über ein leichtes Metallgestell gelegt wird, und dann über den Kopf gestülpt wird. Der Umhang sollte mit der Haube mit Schleifen verbunden werden.

Es war Herbst 1445, Konrad, Kasper und die Pferdebetreuer sortierten aus ihrem Pferdebestand verschiedener Rassen einige einjährige Hengste aus, um sie zu verkaufen. Ein Pferdehändler, der auch für die Armee Tiere aufkaufte kam vorbei, um sich zu informieren und zu kaufen. Sie waren mehrere Tage auf den Weiden beschäftigt, um viele der Nachwuchstiere ein zu fangen. Brabanter – Zugtiere standen sehr hoch im Kurs, da sie zu den stärksten aller Zugtiere zählten, recht genügsam und willig im Umgang waren. Selbst aus Schweden und Finnland kamen Händler, um für die Waldbauern Pferde zu sichten. Die Armee kaufte auch die kleinere Rasse, die Dülmer, als Reit- wie als Zugpferde. So waren nach kurzer Zeit viele der Einjährigen verkauft. Für ihren Wagenzug sortierten Konrad und Kasper schon vorher für ihre Zwecke die entsprechenden Brabanter aus, und überließen sie auf einer eigenen Weide bis zum nächsten Frühjahr ihrem Schicksal.

Die Heuvorräte wurden für den Winter ergänzt, die Dächer der Tier – und Futterplätze auf den Weiden auf Schäden untersucht, morsche Weidepfähle ersetzt, Weidezäune repariert, mit anderen Worten, die Pferdefarm richtete sich auf den Winter ein. Holzvorräte für die Kamine und Lebensmitteleinlagerungen für lange kalte Tage mussten herangekarrt werden.

Die Handwerker von Greifenberg arbeiteten bis spät in die Nacht, um die herzoglichen Aufträge bis zum Frühjahr erledigt zu haben. Der Umbau aller Wagen mit den Schwimmtanks bis hin zu den vielen neuen Spezialrädern erforderte einen enormen Arbeitsaufwand. Hinzu kam die Serienfertigung der neuen Waffe, was für Waffenmeister eine Revolution in der Technik bedeutete. Die Schreinerei wie auch die Schmiede stellten für den Mehraufwand Arbeit Leute ein, um diesen Großauftrag zu schaffen.

Es schneite bereits im November des Jahres 1445, ein eisiger Wind fegte über das Land und heulte schaurig um die Hausecken. Die Temperaturen erreichten schon einige Minusgrade, die Wintervorboten sparten nicht mit kalter Pracht.

Kasper und Konrad verbrachten viel Zeit mit der großen gezeichneten Karte, die sämtliche Flüsse und Fuhrwege, Steigungen und Täler, Städte und Ortschaften des Gebietes aufzeigten, welches sie durchfahren wollten. Zu allen Gebieten waren einzelne Dossiers angelegt, mit Besonderheiten, politische Lage, Herrscher, Hanse, Häfen und vieles mehr. Noch nie war eine Handelsfahrt so akribisch vorbereitet worden, wie diese. Kasper hatte selbst auf solche Dinge hingewiesen, und konnten sich bisher mit viel Glück aus manchen schwierigen Situationen befreien.

In dieser kalten Zeit hatten auch Kasper und Barbara viel mehr Zeit für sich. Während man abends noch gemütlich am warmen Kamin saß, konnten des Nachts die frohen Gedanken bei dichtem Zusammenrücken umgesetzt werden. Sie wussten beide, dass sie bald wieder für lange Zeit Abschied nehmen mussten, und bis dahin wollten sie noch viele angenehme Stunden zusammen erleben.

Frühjahr 1446, die erste Schneeschmelze setzte ein, die zugefrorenen Flüsse brachen ihre Eisschichten auf, die Winterlandschaft verwandelte sich langsam wieder und ließ bereits einige Flecken Grün der Weiden durchschimmern. Kasper und Konrad waren bereits unterwegs, damit die Wagen gerüstet und die Brabanter – Zugpferde von der Winterweide geholt wurden. Sie erkundigten sich nach der Serienfertigung der neuen Waffe und bekamen stolz die gesamten Resultate vorgeführt. Die Handwerksunternehmen hatten hervorragende Arbeit geleistet.

In dem Gasthaus am Markt trafen sie viele kommende Treckfahrer. „Hallo, schön

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Caspar de Fries
Bildmaterialien: Caspar de Fries
Tag der Veröffentlichung: 19.10.2012
ISBN: 978-3-95500-434-7

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