Rainer Diesterhöf
Novelle
Die Sonnenstrahlen im Gesicht. Die Augen geschlossen, vielleicht ein wenig klimpernd, doch. Die geschwungenen Lippen des Mundes. Die Nase, der Pony. Der Pony des dichten dicken dunkelblonden Haars. Haare, wie man sie sonst nur von Pferden her kennt. Ein schönes Gesicht, ein wohlgeformter Frauenkörper im weißen Kleid. Auf dem Rasen eines Parks liegt im Sonnenlicht, mit einem weißen Kleid bekleidet, eine schöne junge Frau und genießt die Wärme. Doch die Strahlen, die sie treffen, strahlen nicht zurück.
An einem warmen Tag geht Karl, ein junger Assistent, kurzes schwarzes, frisch frisiertes Haar, gestutzter Schnauzbart, elegant gekleidet, braun gebrannt, erhabenen Blickes und lauten Schrittes aus dem dunklen Hauptweg des Stadtparks heraus in den hellen, vom Sonnenlicht durchfluteten Teil des Parks, wo er an einer Wiese vorbeikommt und sie, Gaby (24), sich sonnend, liegen sieht. Sie, die Schwester auf seiner Station, wollte er schon immer einmal. Doch das schien nicht so ganz einfach. Dieses wiederum machte die Sache für ihn nicht uninteressanter. Leise leicht, langsamen Schrittes, mit einem Lächeln auf den Lippen, geht er über die Wiese auf ihren Körper zu, stellt sich so, dass sein Schatten ihr die Sonne aus dem Gesicht nimmt und sie die Augen öffnet. Er geht in die Hocke, lächelt sie an. Sie hebt den Oberkörper, stützt sich mit den Ellbogen ab, kreuzt die Beine, hält die Augen nun halb geschlossen, weil ihr die Sonne wieder ins Gesicht strahlt, denn er hat sich nun ein wenig zur Seite gedreht.
Überladen, aber teuer. Das ist seine Wohnung. Goldfarbene Vorhänge, mächtig hoch, der silbern glänzende HiFi-Turm. Das französische Bett, ein Sofa zum totalen Versinken, eine vereinzelte Palme. Eigentum. Zwei Zimmer. Hausmeister im Haus. Schwimmbad und Sauna. Tiefgarage. Zeichen der Zeit.
„Mach's dir gemütlich!“
Sie versinkt im Sofa.
„Bourbon, Scotch, einen Cocktail? Was willst du trinken?“
Er setzt sich in den Sessel neben dem Sofa und schaut sie an. Sie prosten sich zu. Er, den Scotch mit Eis, sie, eine Cola.
„Und nun“, fragt sie ihn, „ist das Bett frisch bezogen?“
„Aber Gabylein, für Männer gibt es doch nicht nur das Eine!“
„Ach so, für Männer gibt es nicht nur das Eine“, wiederholt sie, macht eine Pause, schaut ihm wieder in die Augen, „aber viel mehr doch wohl nicht?“
Sie geht nach Hause. Sie geht langsamen Schrittes nach Hause. Fast schlendernd. Den Kopf, ein wenig gesenkt. Das Lächeln, auf den Lippen. Der laute Schritt der Schuhe, eigentlich nicht zu ihr passend. Das Kleidchen, gehalten von zwei Trägern. Die nackten Schultern, frei und warm die Haut. Die Strickjacke, warum habe ich die eigentlich mitgenommen?, in der linken Ellbogenbeuge gehalten, die Hand in der Tasche, die andere bei jedem Schritt ein wenig über den Oberschenkel streichend, geht sie durch den Park, der schon leicht dämmrig der kommenden Dinge harrend, ohne auch nur ein Anzeichen einer Angst zu verspüren, den Weg, den sie gekommen war. Das hat er sich wohl etwas anders vorgestellt, der Gute. Den Park verlassen habend, steht sie vor einer Ampel, schaut den leuchtenden und blinkenden Autos nach.
Zu Hause angekommen, im Sessel sitzen, einen Wein trinken und nachdenken. Nachdenken. Sie denkt nach. Wonach? Es ist egal, es musste zumindest so sein. Ich bin so frei, so unendlich frei, so sinnvoll frei. Wenn er doch nur mehr Zeit für mich hätte. Sie steht auf, schüttelt sich die Schuhe ab, schiebt sie mit den Füßen unter den Tisch, legt eine Platte auf. Verdamp lang her. Die Knöpfe ihres Kleides werden gelöst, von ihr. Sie streift es sich über ihren Körper. Wirft es auf das Sofa. Mit ihren langen Beinen geht sie über den dunkelblauen Teppichboden ihres Wohnzimmers, nur noch mit einem Slip bekleidet. Geht auf den Balkon, das Weinglas in der Hand, die Abendluft tief einatmend und schaut über die Stadt hinaus, ohne sich im Klaren zu sein, was werden soll. Verdamp lang her, dat ich bei dir am Jraav woor. Es ist wirklich schon schön lang her. Sie senkt den Blick, ein wenig. Der Ausdruck. Der Ausdruck ihres Gesichtes wird sanft, ein wenig. Aber nur einen Augenblick. Stolz und erhaben schaut sie wieder in die Ferne. Sie leert das Weinglas. Dreht sich um. Geht zurück. Stellt es auf einen kleinen runden Holztisch, wendet sich wieder zur Türe und schließt diese. Häss fess jejlaw, dat wer em Himmel op dich waat. Das saftige Grün der Pflanzen, jung und kräftig gewachsen, die reinen weißen Wände, der dunkelblaue Teppichboden und sie in ihrem schön geformten, leicht gebräunten weichen Körper inmitten, spiegelt sich im Fensterglas und laut lachend, kommt ihr der Gedanke, dass hier wohl was nicht stimme und ja richtig, der weiße Slip, zu weiß, und lockeren Schwunges zieht sie sich ihn über die Beine, wirft ihn in die Ecke und erfreut sich nun ihres nackten schönen Körpers und ihrer dunklen die Konturen nun zur Genüge abrundenden Scham.
Das frühe Aufstehen, im Sommer so einfach. Im Nachthemd auf dem Balkon stehen, ein wenig Wind in den Haaren. Das lange unter der Dusche stehen, sich benetzen lassen, perlend, abprickelnd. Die nassen, jetzt so festen Haare über den Kopf nach hinten geworfen, die Nässe auf den Lippen verspüren und überlecken, als wenn dieses sekundenlang anhaltende cremige Nasssein eine Änderung erwarten ließe, ist für sie eine Art des Aufstehens,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2014
ISBN: 978-3-7368-5857-2
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