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Ein zarter Wind wehte meine Haare nach hinten, ein leises Geräusch, von ihm getragen, klang noch weitere Sekunden in meinem Ohr. Es war ein Frauenlachen, zart, unschuldig, wie das eines Kindes und doch erwachsen.
Ich blickte nach vorne und versuche die Quelle des Geräuschs zu finden, doch nirgendwo war jemand zu sehen.
Ich war ganz alleine, wie immer einsam und verlassen.


Der Sand auf dem ich saß war noch leicht feucht, der Morgentau auf den Wiesen noch ganz frisch.
Ich war eindeutig zu früh, aber warum? ich hatte mich an die Zeiten der letzten Woche gehalten.
Sanfte Wellen streichelten das Ufer, es war jeden Morgen ein Schauspiel der ganz besonderen Art.
Die Gischt, wie weißes Blut vom Meer ausgespuckt.
Das Blut das man vergisst, wenn man sich nicht mehr selber spüren kann.
Das Blut was ich selbst einige Male, einige Male zu oft, selbst vergossen hatte.
Für ihn, auf den ich jetzt wartete. Für sie, der ich verdankte hier zu sein.
Für Leute deren Namen ich nicht mal kannte.
Nur damit ich nicht mehr einsam sein musste.

Sandknirschen, er kommt.
Ich stand auf, rannte ihm entgegen.
Er schien nicht so erfreut wie ich.
Immer mehr rückte der Gedanke in mein Bewusstsein, das meine Mutter recht hatte.
Vielleicht wollte er mich doch nicht, aber es schien so schön letzte Woche, all das was wir erlebt hatten, all das was er mir erzählt hatte.
Er war doch mein Vater wie könnte er mich nicht wollen?
Mit dem Kopf geneigt ging er auf mich zu, stellte sich vor mich und machte keine Anstalten aufzuschauen.
Selbst das Meer schien sich seinem Schweigen anzuschließen, diese Stille tat mehr weh als das, was mir auch ohne seine Worte bereits klar wurde.
Doch bevor der Gedanke seinen Weg vom Kopf zum Herzen finden konnte kam er ihm mit seinen Worten zuvor:

„… Hör zu,… es tut mir Leid, aber ich glaube wir sollten es lassen, du bist schon fast Erwachsen und ich bin jetzt erst in dein Leben getreten. Wir haben einfach keine Gemeinsamkeiten und meine anderen Kinder sind noch so jung und meine Frau hält das auch nicht für so ne gute Idee mit uns.
Naja worauf ich hinaus will: Wir sollten uns nie wieder sehen, es bringt ja nichts.“
Mein Leben brach. Ich war eine Mauer die nicht mehr alleine stehen konnte, deren Gewicht zu groß war.
Er drehte sich ohne ein Wort weg und ging ohne sich ein letztes Mal umzudrehen.
Ich lag im feuchten Stand, winkelte die Knie an und winselte, flehte in mich hinein: ich muss wach werden es ist bestimmt nur ein Traum, ein bitter-süßer, bitter-böser Traum.“
Nichts passierte, ich regte mich nicht, ich kann noch wach werden.
Ich musste es nur stärker versuchen.
Immer noch nichts.
Vielleicht muss ich sterben, aus Träumen erwacht man, wenn man in ihnen stirbt.
Wie in Trance spüre ich wie mein leerer Körper sich dem blutigem Wasser nähert.
Kalt, meine Füße spüren es, meine Beine, aber ich friere nicht, ich fühle nur.
Die Haare fangen an meinem Körper zu kleben, sie waren der einzige Beweis für die durch das Wasser entstandene Feuchtigkeit.
Leblos aber noch lebendig stieg mein Körper weiter, tiefer in die rote Dunkelheit des Wassers.
Ein letztes Mal sog ich die doch so echt riechende Luft tief durch die Nase ein.
Ein Schauer, es ist doch kalt hier unten. Das Wasser drückt meinen Körper in alle Richtungen, aber ich will hier sterben und nicht wo anders hin gespült werden. Doch eigentlich könnte mir es egal sein, denn aufwachen werde ich doch so oder so in meinem Bett.
Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass dies vielleicht doch kein Traum ist. Was ist wenn dies doch die Realität ist?
Dann wäre mir das jetzt auch egal, ich hatte keinen Grund mehr zu Leben.
Zu hoffen.
Alles was ich wollte war weg und würde auch nie wieder kommen.
Das jetzt eisige Wasser wirbelte meinen Körper mit dem Abfall zusammen, den die Menschen immerzu in das Meer werfen.
Hier gehöre ich hin, da wo alle ihren Abfall loswerden.
Ich bekam keine Luft mehr, mein Körper konnte der Belastung des Wassers nicht mehr standhalten, er versuchte sich an die Oberfläche zu kämpfen.
„Nein lass das ich will doch sterben, bleib hier unten.“ Ich versuchte ihn befehligen, doch er hörte nicht auf mich. Er machte das, was normal war in einer gefährlichen Situation.
Er wollte Leben.
Ich nicht.
Ein Kampf den ich nicht ausfechten konnte, ein Kampf um mein Leben, um mein Sterben.
Ich merkte wie mein schwerer Kopf nach unten glitt, mein Oberkörper zugeschnürt wurde und ich wie ein gebundenes Packet bewusstlos nach unten sackte.
Tiefer, immer tiefer ins schwarze Nichts, in mein Verderben, in meine Hoffnung.
Und die Sonne versank.

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Tag der Veröffentlichung: 11.06.2010

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