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Ich schreibe dies, nicht weil ich es tun möchte. Nein, ich sitze hier am Schreibtisch und starre immer wieder aus dem Fenster gegenüber von mir und versuche mich an alles zu erinnern. An die erste Begegnung, an ihr Lachen, an den Tag an dem ich sie im Stich ließ und an alles was damit zu tun hat. Doch ich vergeude meine Zeit. Ich kann und will es nicht noch einmal durchleben. Aber ich muss, es soll Genevieve und mir helfen und solange es meiner geliebten Genevieve hilft, tue ich alles. Der Tag, der alles veränderte, der Tag an dem ich sie im Stich ließ war der 26.03. diesen Jahres. Genevieve begleitete mich zum Stützpunkt und verabschiedete sich von mir. Es sollte nur für einen Monat sein, doch nun scheint es als hätte ich sie für immer verloren.

 

Meine geliebte Genevieve, sie trug ein schwarzes Top unter einem meiner blauen Pullis. Sie sind ihr zwei Nummern zu groß, doch sie sagt immer zu mir: „Ich mag „Schlabber-Pullis. Außerdem ist er ein Teil von dir. Und er gehört ebenso zu mir wie du.“ Wir liefen beide Hand in Hand zur Landebahn und ich ließ meinen schweren bräunlichen Militärrucksack auf den Boden fallen, zog sie in eine lange und feste Umarmung, die von einem noch längeren Kuss beendet wurde, danach stieg ich in das Flugzeug und lies sie winkend und lachend alleine zurück. Es vergingen drei Wochen voller Sehnsucht nach ihr und ihrem Strahlen. In der vierten Woche war ich ganz schön nervös, denn zwei Wochen nachdem wir wieder zurück sein sollten, am 10. Mai, sollte ein Ball zu Ehren von den Soldaten stattfinden. Eigentlich wollte ich dort nicht ihn, doch Genevieve überredete mich, so kam es, dass ich tanzen übte. Die Jungs mit mir im Einsatz, haben gelacht, doch jeder von uns brauchte irgendwo wegen des Balles Hilfe. Mein bester Freund Sascha, eigentlich heißt er Alexander, doch jeder nennt ihn Sascha, hat mir das Tanzen beigebracht. Im Gegenzug dafür half ich ihm beim Binden seiner Krawatte. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich ihn fragte: „Wie kann man mit 21 Jahren keine Krawatte binden?“ Sascha warf mir nur einen Blick zu und fragte: „Wie kann man mit 20 Jahren nicht tanzen?“ Ich beließ es dabei.

 

Endlich war der 26. April angebrochen und voller Vorfreude setzten wir beide uns ins Flugzeug. Genevieve wollte uns dort abholen und so warteten wir am Gate 3. Ich wurde nervös und sah mich um, ob ich ihr Auto finden würde. Aber es war das Auto von ihren Eltern und Herr Glack stieg aus. Mit nachdenklicher Miene kam er auf uns zu und begrüßte uns: „Guten Tag. Wie war der Flug?“ „Guten Tag, Sir. Der Flug war lang“, begrüßte ihn mein bester Freund. „Sir, wo ist Genevieve? Stimmt etwas nicht“, fragte ich. Herr Glack warf mir einen Blick zu, der voller Kummer, Sorge und Erschöpfung war. „Sie hat den heutigen Tag fett im Kalender markiert. Deshalb wusste ich wann ihr kommen würdet.“ Das sah ihr ähnlich, sie markierte sich einfach alles. Ihr Terminkalender war deshalb so farbenfroh. Doch Herr Glack hatte nicht zu Ende gesprochen: „Genevieve liegt im Krankenhaus auf der Intensivstation. Sie…. Sie….“ Er vermochte es nicht weiter zu sprechen. Uns beiden wich die Farbe aus dem Gesicht und Angst überkam mich. „Herr Glack, was ist passiert?“, bohrte Sascha nach. „Aschton, Genevieve wurde vor zwei Tagen brutalst niedergeschlagen und gestern Früh hinter einem Restaurant bei den Müllcontainern gefunden.“ Nun brach eine Welt zusammen, ich ließ meine Tasche fallen und malte mir es in furchtbaren Bildern aus. Sascha nahm meine Tasche und redete zu mir: „Geh zu ihr. Ich kümmere mich um dein Zeug.“ Ich nickte und ging mit Herrn Glack zum Auto. Während der ganzen Fahrt über sagten wir kein Wort. Ich nahm die Kette, sie sie mir zum Geburtstag schenkte, in die Hand und versuchte nicht durch zu drehen. Meine Finger fuhren die Umrisse des Kreuzes nach und als sie in die Mitte wanderten, berührten sie den Stein. Er war in Form eines Herzens.

 

Am Krankenhaus angekommen eilten wir zur Intensivstation und fanden Frau Glack weinend vor. „Sie wird operiert. Sie verblutet. Oh, Paul. Sie… Sie…“ Frau Glack sprach zu ihrem Mann, was bald in schluchzende und tröstende Geräusche abbrach. Ich wartete dort mit ihnen zwei Stunden und 45 Minuten voller Quallen. Endlich wurde sie in ihr Zimmer geschoben und ich blieb fassungslos am Fenster stehen. Überall hingen Schläuche, sie war an etlichen Maschinen angeschlossen. Der Arzt wand sich an Herr und Frau Glack: „Ihre Tochter hat die OP gut überstanden. Es dürften keine Komplikationen mehr auftreten. 51 Stunden bleibt sie noch minimal in der Intensiv, danach wird sie auf ein Zimmer verlegt.“ Anita Glack stand nun ebenfalls am Fenster und Paul kam wenige Zeit später ebenfalls rüber, legte die Hand auf ihre Schulter und sprach: „In einer halben Stunde können wir zu ihr.“ So war es dann auch. Wir zogen uns Hauben über die Schuhe und den Kopf und einen grünen langen Kittel, der hinten zugebunden wurde, an. Fertig angezogen durften wir zu ihr ins Zimmer. Es hieß, falls sie aufwachen solle, sollten wir keine ruckartigen Bewegungen machen oder zu eilig mit ihr sprechen, da sie unterkühlt war und einige Schläge abbekommen habe. Ich hoffte die ganze Zeit, sie würde aufwachen doch ihr Körper blieb bewegungsuntätig. Als uns die Schwester sagte die Zeit wäre um, weinte Anita erneut und ich verabschiedete mich von ihr mit einem Kuss auf die Stirn und den Worten: „Komm zu mir zurück.“ Keiner von uns wollte sie alleine lassen und untätig auf den Stühlen im Gang verweilen, deshalb rief ich Sascha an und berichtete ihm die Situation: „Genevieve ist an einem Gerät zur Überwachung von Herz, den Gehirnströmen, Lunge und Blutdruck angeschlossen.“ „Das ist doch gut. In dem Krankenhaus kümmert man sich richtig um sie.“ „Sascha, sie ist voll mit Schürfwunden, blauen Flecken und inneren Verletzungen. Was ist ihr nur wiederfahren?“ „Genevieve packt das, sie ist stark. Und was mit ihr passiert ist erfährst du noch früh genug.“ „Danke, du bist ein wahrer Freund.“ „Kümmere du dich nur um ihre Eltern.“ „Das werde ich“. Später in der Nacht wachte sie auf, ihr wurden die Atemschläuche entnommen. Sie wurde nochmal gründlich untersucht. „Ihrer Tochter geht es soweit gut, nur leider scheint sie Teile ihres Gedächtnisses verloren zu haben. Das ist ganz natürlich und kann bald wieder vorbei sein. Sie dürfen zu ihr, doch bitte vorsichtig und erschrecken Sie nicht, falls sie Sie nicht wieder erkennt.“ Der Arzt ging und telefonierte, doch wir blieben wo wir waren. Als ich den Schock verdaute stellte ich mich wieder an das Fenster. Genevieve sah mich an und Hoffnung stieg in mir auf, doch ich begriff schnell, dass sie mich wie einen Fremden ansah. Um 18 Uhr erschien die Polizei und begrüßte Genevieves Eltern Paul und Anita. Danach gingen sie zum Arzt, der ihnen das „OK“ gab zur Befragung. Zuerst waren wir drei dran: „Was hat ihre Tochter so spät noch draußen gemacht“, lautete die erste Frage. „Sie war bei einer Freundin. Genevieve geht immer denselben Weg nach Hause. Sabrina, ihre Freundin, brauchte Hilfe beim Babysitten und dann sahen sich die beiden noch einen Film an“, erklärte Paul. „Das hat uns auch Sabrina Rengel gesagt“, bestätigten die Beamten. „Und Sie sind Genevieves Freund Aschton Mirto?“ Ich nickte. „Wie stehen Sie zu Genevieve“?“ Ganz verstand ich die Frage nicht, dennoch antwortete ich: „Sie ist meine Freundin, dank ihr bin ich ein besserer Mensch geworden. Ich liebe sie von ganzem Herzen.“ „Haben Sie sich gestritten?“ „Nein. Was soll die Fragerei? Sie glauben doch nicht etwa ich hätte ihr das angetan?“ „Wenn Sie das glauben, befinden Sie sich auf dem Holzweg“, ertönte es hinter den Polizisten. Sascha begrüßte mich und fuhr anschließend fort: „Ashton ist einer der wenigen, die ihre Freundin von ganzem Herzen lieben. Ich kann verstehen warum sie das fragten, dennoch, er hat sich geändert und jeder von uns hat eine Vergangenheit auf die er nicht stolz ist.“

 

Wenn ich mich an all das erinnere, wird mir klar, warum ich es aufschreiben soll. Es soll mich daran erinnern, wer ich war, wer ich jetzt bin und wie ich niemals wieder sein will.

 

Die beiden Polizisten sahen sich an und beließen es dabei. Als sie aufstanden und zu Genevieve wollten, schloss Sascha: „Zudem war er gar nicht da als das passierte. Er war mit unserer Einheit zusammen in Polen. Das kann ihnen jeder von dort bestätigen.“ „Danke“, begrüßte ich ihn. „Kein Thema.“, erwiderte er.

 

Ich frage mich, warum ich mich an manche Gespräche erinnere und sie wieder geben kann als wären sie erst ein paar Sekunden her und bei anderen nur noch Einzelheiten weiß.

 

„Unser Kommandant weiß Bescheid, du bist auf weiteres beurlaubt. Kein Einzug. Du bleibst bei ihr.“ Wir beide gingen an das Fenster und beobachteten was die Beamten taten. Sie sprachen mir ihr, doch Genevieve sah nur auf ihre Hände, bis sie ihr etwas zeigten. Ihr Blick heftete sich darauf und sie wollte es zurück haben. Es war das Medaillon, welches ich ihr vor meiner Abreise schenkte, das wusste ich einfach. Wir hörten die Maschinen lauter und schneller piepsen doch die Polizisten stoppten nicht mit ihrer Befragung. Plötzlich schrei Genevieve und eine Schwester, Paul, Anita, Sascha und ich stürmten ins Zimmer. Anita und Paul versuchten Genevieve zu beruhigen und Sacha versuchte mich ruhig zu halten. Ich hätte sie am liebsten hinausgeworfen, doch gerade als Sascha nicht mehr genug Kraft hatte, ertönte Genevieves Stimme. Sie schrie doch ich konnte es nicht verstehen. Beim zweiten Mal rann ihr eine Träne die Wangen hinunter. Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah sie an. Sie sah uns mit Tränen an. „Das ist mein Medaillon. Geben Sie es mir wieder zurück.“ Das war alles was sie sagte. Die Schwester brachte alle hinaus. Bevor ich ging wollte ich ihr zeigen dass ich bei ihr bin, doch der Arzt, der sie untersuchte, schüttelte den Kopf. Kaum war ich aus ihrem Zimmer draußen erklärte mir der Arzt was die heftige Reaktion verursachte, doch das wusste ich schon längst: Genevieve hatte mich nicht vergessen und das Medaillon ebenso wenig.

 

Doch nun sollte ich erfahren was das Medaillon noch getan hatte. Als sie blutend und fast bewusstlos bei den Müllcontainern zurück gelassen wurde, kroch sie zu der Kette und umschloss diese mit ihren Fingern bevor sie das Bewusstsein verlor. Als dann der Angestellte Kartons weg warf, fand er es und wollte es mit rein nehmen, doch Genevieve ließ nicht los. So hat er sie dann unter Kartons gefunden und Hilfe geholt. Ebenso erfuhr ich, dass sie sich anscheinend nur an die Bedeutung des Medaillons erinnerte und nicht an meinen Namen oder das wir ein Paar sind.

 

Noch heute erinnre ich mich an den Satz den Anita zu mir sagte: „Sie hat damals wie heute an dir und eurer Liebe zueinander festgehalten. Ich bin sicher sie wird sich an uns alle wieder erinnern.“ Ich weiß, dass sie es ernst meint aber auch, dass Anita sich daran klammerte, in der Hoffnung alles würde wieder gut werden.

 

Genevieves Zustand verbesserte sich langsam und sie wurde nach ein paar Tagen in ein normales Zimmer, ein Einzelzimmer, verlegt. Immer wieder kamen die Beamten und fragten sie ob sie sich an etwas erinnern könne und immer wieder gab sie dieselbe Antwort: „NEIN“. Die meiste Zeit verbrachte ich vor dem Fenster oder in der Nähe der Tür, da sie immer noch unsicher zu scheinen schien wer ich sei. Ich bemerkte zusehends dass sie sich immer wieder an etwas erinnerte. Aber ich tat es auch aus dem Grund, das sie sich dann ruckartig von einem entfernte, nervös wurde und abwesend aus dem Fenster starrte, das ganze Leid, die Schmerzen, all das kam langsam zurück. Ich wollte Genevieve nicht so sehen, deshalb hielt ich mich zurück. Eines Tages bin ich auf dem Stuhl neben der Tür in ihrem Zimmer eingeschlafen. Doch ich hörte klar und deutlich wie sie meinen Namen sagte. Sie sagte ihn nicht mit einer Selbstverständlichkeit, eher wie eine Frage. Ich ging langsam zu ihr und sie lächelte. Von da an blieb ich immer bei ihr. Hielt sie im Arm. Langsam aber sicher kam die Genevieve vor dem Unfall zurück. Sie lächelte wieder und die Paranoia lies nach. Dennoch durfte ich sie nur extrem vorsichtig berühren. Niemand durfte sich von hinten oder nach dem Besuch der Polizei ihr nähern. Doch an einem Abend, nachdem die Polizei ihr klar machte, das sie nichts tun könnten beichtete sie mir: „Aschton, ich habe gelogen. Ich erinnere mich an vieles von der Nacht.“ „Ich weiß.“ Sie sah mich nur blinzend an und ich küsste sie auf die Stirn, kurz, aber es reichte. Sie berichtete mir alles was sie noch wusste und ich holte die Polizei. Ich hielt ihre Hand während sie ihnen alles erzählte. Ihre Eltern mussten draußen warten, doch sie hörten alles. „Es war schon spät und ich wollte schnell nach Hause um mein Kleid zu sehen, dass ich für den „Soldaten- Ball“ bekam. Als ich noch drei Blocks entfernt von dem Restaurant war, kamen Typen auf mich zu. Sie waren zu viert und betrunken.“ Vorher sagte der Arzt ihnen, sie sollen nichts fragen, deshalb wusste ich dass sie nichts sagen würden, doch es brannte ihnen auf den Zungen. „Ich wollte einfach weiter, da haben sie mich eingekesselt und in die Gasse dirigiert. Ich sagte, sie sollen aufhören, doch sie machten einfach weiter. Einer fasste mich an und ich schlug ihn und schrie sie sollen die Finger von mir lassen. Doch er schlug zurück und sie wurden sauer. Einer hielt Wache, der Rest…. Der Rest….“, sie weinte und die Polizisten sagte, es wäre für Heute genug. Sie wüssten was dann passiert sei, Genevieve wurde verprügelt und einfach liegen gelassen. In mir kam so eine Wut auf, doch ich beherrschte mich.

 

„Mama, kannst du mir einen geflochtenen Kranz mitbringen, für den „Kranz -Tag“, fragte sie Anita, die „Ja“ sagte, doch draußen fragte sie den Arzt: „Sie möchte, dass ich ihr einen Kranz mitbringe, doch das Aufstellen war vor einer Woche. Ist alles in Ordnung mit ihr?“ „Es ist alles in Ordnung. Genevieve kommt wieder ins hier und jetzt. Sie war lange Zeit nicht da, sie holt alles nach was sie verpasste.“ „OK. Dann bringe ich ihr einen mit.“ Genevieve fragte immer wieder etwas was mit den Wochen in ihrem abwesenden Zustand zu tun hatte. Insgeheim hoffte ich, sie hätte den Ball komplett vergessen, doch leider flüsterte sie mir eines Abends zu: „Es tut mir leid, dass wir den Ball verpasst haben“ und weinte. Ich sagte ihr nur: „Das macht nichts. Hauptsache du bist da und es geht dir gut.“ Sie nickte, doch das Thema war nicht abgehackt, das merkte ich. Deshalb zog ich mir einen Smoking an und brachte ihr das Kleid. Anita half ihr beim Richten und wir tanzten im Mondschein auf der Wiese vor dem Krankenhaus. Wir hatten sehr viel Spaß und als ich ihr ihr Medaillon umhängte, war der Abend für sie perfekt. Zum ersten Mal seit langem lächelte sie wieder aufrichtig glücklich.

 

Noch heute trägt sie es. Es verleiht ihr Kraft, Liebe, Geborgenheit und Optimismus.

 

Nach zwei weiteren Wochen durfte sie nach Hause und wir wollten zusammen mit ihren Eltern essen, doch die Polizisten kamen und Genevieve unterhielt sich mit ihnen hinter verschlossenen Türen. Danach war der Tag mit einem gemütlichen Dinner zu Hause zu Ende.

 

An die Tage die darauf folgten erinnere ich mich nicht mehr. Wieso nur kann ich mich nicht mehr an die Tage erinnern, in denen ich den Rest nicht wusste? Wo wir einfach zusammen waren?

 

Genevieve und ich wollten uns den Flohmarkt ansehen und waren unterwegs zum Platz an dem der Markt stattfand. Ich merkte, wie unsicher sie sich fühlte, doch sie bestand darauf, wollte ihr Leben wieder leben. Als wir alten Bekannten über den Weg liefen, war ihre Anspannung nicht zu übersehen. Es waren drei meiner Freunde, als ich noch auf der schiefen Bahn langschritt. Jede Begegnung mit Raimund, Franzisco und Jermie war nervenaufreibend, doch diesmal versteinerte Genevieve und bekam richtige tiefsitzende Angst. Das alleine war schon seltsam, denn normalerweise war ich es der angespannt war und sie diejenige die mich raus holte. Sie redeten Schwachsinn und kreisten uns ein, ich wollte gerade Franzisco weg schuppsen, da ergriff Genevieve meine Hand, sie war so kalt als wäre sie für länger Zeit in Eiswasser gelegen. Ich begriff und sagte nur sie sollten sich verziehen, schnappte mir Genevieve und ging auf die andere Straßenseite. Als ich sie fragte ob alles ok wäre und sie zusammen zuckte, begriff ich: Sie reagierte nicht so, weil sie uns einkesselten. Sie hatte nicht damit gerechnet die drei hier zu sehen. Das konnte nur bedeuten, dass sie es waren die ihr das angetan haben und ich wollte ihnen den Kopf abreisen, doch sie hielt mich ganz fest. Wir gingen in ein Kaffee und warteten bis Alexander auftauchte. Dies geschah nach 10 Minuten. Er kam direkt von der Kaserne und trug seine Uniform. Nachdem ich ihm meine Vermutung sagte und Genevieve auf den Tisch starte ging ich auf die Toilette und spritzt mir kaltes Wasser ins Gesicht. Das war einfach zu viel. In dieser Zeit bat sie ihn dafür zu sorgen, dass ich nichts Dummes machen würde, wie sich später rausstellte. Sie erzählte uns was passiert war und dass sie es den beiden Beamten schon an ihrem Entlassungstag sagte, deshalb die Überraschung über das Antreffen der drei. Genevieve sagte uns, dass ein neuer von ihrer Klicke Wache schieben musste, während die drei sie verprügelten, begrabschten, bedrohten und Raimund sie vergewaltigte. Genevieve kämpft die ganze Zeit mit den Tränen die sich in ihren Augen bereit machten ihre Wange herunter zu laufen und mit ihrer Stimme, die das Gesagte nicht sagen wollte. Sie wollte endlich abschließen mit all dem. Doch bei diesem Wort brannten bei mir alle Sicherungen durch, ich sprang auf und stürmte zu ihnen. Sie waren auf der andere Straßenseite in einer Gasse und rauchten. Sascha und Genevieve folgten mir und versuchten mich auf zu halten, doch ich sah nur noch rot. Es war schon schlimm genug, dass ihr das wieder fahren musste, aber das sie sie auch noch sehen und sich das anhören musste, immer wieder an die Nacht erinnert zu werden, diesmal wollte ich es verhindern. Vor ihnen stehend sagte Raimund zu mir: „Wie ich sehe hat sie dir gebeichtet, das ich es ihr besorgt habe. Ich kann deine Wut verstehen, immerhin war ich der erste und zeigte ihr wie man es richtige macht.“ Das wars. Ich zog auf und verpasste ihm eine, immer und immer wieder. Ich hörte Genevieve weinen und Sascha fluchen und brüllen, ich solle aufhören, doch ich stoppte erst als die Polizei dazwischen kam. Jermie rief sie. Wir wurden auf das Revier gebracht und unsere Aussagen aufgenommen.

 

Obwohl ich weiß, dass meine Reaktion falsch war, würde ich es immer und immer wieder tun. Da ich beim Militär bin und weiß wie man einen ernsthaft verletzt oder tötet werde ich stärker bestraft und eine Untersuchung gegen mich wird durchgeführt. Das ist der Grund warum ich hier seit Tagen sitze und schreibe. Warum ich immer wieder an das alles denken muss.

 

Genevieve wurde mitgeteilt, dass die drei aufgrund von Kaution raus kamen. Weil sie erneut für mich bürgte durfte auch ich wieder heim.

 

Nach zwei Tagen musste ich wieder zur Kaserne und während ich dort war konnte ich ihr nicht helfen und sie beschützen, das machte mich ganz krank. Doch das Härteste war, als ich wieder am Wochenende heim zu ihr kam. Sie wollte mich nicht mehr sehen und sprach kein Wort mehr zu mir. Anita und Paul ließen mich nicht mehr zu ihr, mit der Begründing, ich solle mit Genevieve reden, doch wie sollte ich das tun, ich kam nicht an sie ran. Eine Gelegenheit für mich mit ihr zu sprechen ergab sich drei Tage danach, ihre Eltern gingen fort und so konnte ich ungehindert zu ihr.

 

„Genevieve, was ist los? Warum stößt du mich von dir?“ „Geh weg. Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein.“ Das traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. „Aber warum nicht? Es tut mir Leid, so furchtbar leid, dass ich dir nicht helfen konnte. Ich war nicht da, als du mich brauchtest, aber…“ „Nein“, sie kam zu mir und legte mir ihre Hand auf die Wange und sorgte dafür, dass ich sie ansah. „Es liegt nicht an dir. Du warst immer für mich da, dass bist du noch. Genau das ist das Problem.“ „Genevieve, ich bleibe bei dir. Ich gehöre zu dir und du zu mir, wie die Luft zum Atmen, wie die Sonne und ihre Stahlen.“ Nun fing ich an zu weinen. „Warum tut sie das“, fragte ich mich. Die Antwort sollte ich bald bekommen.

 

Die Worte klingen in meinen Ohren: „Aschton, ich bin kaputt. Du verdienst ein Mädchen, dass dich glücklich macht, das dir etwas bieten kann.“ Doch ich ließ nicht locker. Von mir gedrängt sagte sie mit bebender Stimme: „Raimund hat mich in jener Nacht geschwängert.“ Das musste ich erstmal verdauen, ich ging ohne Worte rückwärts raus und schüttelte den Kopf, ich ließ sie weinend und flehend zurück. Nach einem kurzen Telefonat kam Alexander und ich erklärte ihm die neue Hiobsbotschaft. Selbst für ihn, der immer positiv denkt, war das nun zu viel. Wir fuhren zur Bar in der Nähe der Kaserne und tranken. Wir tranken bis wir wieder denken konnten.

 

Am nächsten Morgen mussten wir wieder zur Arbeit und unser Kommandant sah uns an, dass was mit uns los sei.

 

Unser Kommandant ist ein netter Mensch und hilft einem wo er kann.

 

Wir erzählten ihm die Kurzfassung und er wurde böse, er bestrafte uns dafür, dass wir gestern sauften und dafür, dass ich von Genevieve gegangen bin und Sascha mich nicht aufhielt. Nach unserer Bestrafung ging ich wieder zu dem Haus der Glacks, ihre Eltern waren immer noch weg. Ich ging hinein und fand Genevieve auf dem Boden im Bad weinend vor, sie hatte eine Rasierklinge in der Hand und wollte sich die Pulsadern aufritzen. Ich sah, wie aus ihrem linken Handgelenk Blut floss, die Klinge hielt sie nun an die Rechte. „Was tust du da?“, rief ich. „Es tut mir leid, ich…“ Schnell nahm ich ihr das Ding aus der Hand und schloss sie in eine Umarmung. Ich schnappte mir ein Handtuch das im Bad lag und umwickelte damit ihre blutende Hand. Wir fuhren zum Krankenhaus. Der Arzt versorgte sie und ich benachrichtigte ihre Eltern. Als ihre Eltern eine Stunde später aufgelöst kamen, wurde Genevieve untersucht und musste mit einem Psychiater sprechen. Wir warteten alle drei wie auf heißen Kohlen und sobald wir ein Geräusch wahr nahmen sprangen wir erwartungsvoll und ängstlich auf. Während wir warteten erklärte ich ihren Eltern was passiert war und entschuldigte mich dafür. Anita kam zu mir und schloss mich in die Arme. Sie entschuldigten sich bei mir und so warteten wir wieder wie eine Familie. Als sie heraus kam, hielt sie ihre rechte Hand auf dem Verband und sah zu Boden. Anita schluchzte auf und Herr Glack biss sich auf die Unterlippe. Keiner von uns rührt sich und als Genevieve stehen blieb, streichelte sie über den Verband und flüsterte fast: „Können wir jetzt wieder nach Hause?“ Ohne ein Wort nahmen ihre Eltern sie in den Arm und wir fuhren zu ihrem Haus. Sobald der Motor aus war stieg sie aus, lief zur Haustür, wartete bis diese aufgesperrt wurde und verschwand in ihrem Zimmer. Sie öffnete die Tür nicht, aber verschlossen hatte sie sie nicht. Doch wir verstanden.

 

Am nächsten Tag wachte ich auf, als ich ein Gewicht auf der Couch, auf welcher ich schlief, spürte. Ich öffnete die Augen und sah Genevieve wie sie sich auf den Boden setzte und die Polsterung etwas nach hinten verschob. Sie merke, dass ich wach war und sprach ohne sich zu drehen: „Ich schaffe das nicht. Es tut mir leid.“ Ich setzte mich auf und rutschte vorsichtig von der Couch, hoffend sie nicht zu erschrecken. Erneut sah ich wie sie etwas Scharfes in ihrer Hand hielt. Diesmal war es ein Messer. Langsam nahm ich es ihr ab. Wir saßen solange dort auf dem Boden ohne ein Wort zu sagen oder einen Muskel zu bewegen bis die Uhr sich meldete und verkündete, dass es 4 Uhr Morgens war. Genevieve bewegte sich als erstes und ich spannte meine Muskeln an als sie sich zu mir lehnte und einschlief. Es war ein herrliches Gefühl sie wieder zu spüren, sie wieder anfassen zu dürfen. Doch ich wusste ebenfalls, dass sie ihrem Leben ein Ende bereiten wollte.

 

In den nächsten Tagen wurden wir wieder eins und unternahmen vieles, wie Kino, Spaziergänge. Ich unternahm alles um sie von ihren schrecklichen Gedanken abzulenken. Sascha kam ebenfalls wieder und es schien endlich wieder Berg auf zu gehen. Dennoch, sobald sie alleine war und sei es nur für eine Minute, fiel sie in dieses traurige und ängstliche Schema wieder rein.

 

Einmal in der Woche muss sie mit einem Psychiater reden. Vor ein paar Tagen war ich mit ihr bei einem Frauenarzt. Ein ein halb Stunden saß ich im Wartezimmer. Und als Genevieve wieder raus kam merkte ich die Sorge. Auf dem Weg nach Hause bat sie mich nicht nach Hause zu fahren und so fuhren wir zum Park. Wir stiegen aus und auf einer schattigen Bank berichtete sie mir was sie beim Arzt erfuhr. Die Ärztin sagte ihr, dass sie tatsächlich schwanger sei und sie sich überlegen müsse was sie nun tun wolle. Sie hätte drei Optionen was den Embryo betraf. Die erste wäre das Kind zu bekommen und zur Adoption frei zu geben, die zweite wäre es zu bekommen und zu behalten, eine Familie zu haben. Als sie mir die Dritte nannte war sekundenschnell mein Gehirn abgestürzt und alles leer. Denn die dritte wäre eine Abtreibung. Ich ergriff ihre Hand. Wir sahen uns noch eine Zeit lang die Blumen an und fuhren danach zu ihr nach Hause. Sie erzählte es ihren Eltern nicht.

 

Montag

Heute hat sie es ihnen erzählt, mitten bei Mittagessen, aus heiterem Himmel. Anita und Paul wussten gar nicht was sie sagen sollten und hörten einfach nur zu. Nachdem sie zu Ende gesprochen hatte sah sie sie an, nahm ihr Messer und beförderte es mit Kraft in das ganze Hänchen vor ihr. Es blieb senkrecht darin stecken und Genevieve stand mit Tränen in den Augen und einem frustriertem Lächeln auf, ging in ihr Zimmer und war seitdem nicht mehr von ihrem Bett aufgestanden. Wir alle wissen was diese Tat bedeutet. Und ich hoffe inständig dass sie es nicht tut, dass ich sie nicht noch einmal verliere.

 

Und nun schreibe ich es. Genevieve sitzt auf dem Bett und starrt weiterhin zu Boden, während ich am Tisch sitze und meine Auflagen erfülle. Ich würde lieber etwas mit ihr unternehmen, ihr zeigen, dass sie nicht alleine ist, aber sie lässt nicht locker und sagt, dass es wichtig sei. Denn bei nicht erfüllen komme ich hinter schwedische Gardienen. Sie sitzt zwar im selben Raum wie ich, aber dennoch fühlt sie ich alleine.

 

Ich weiß nicht was ich tun soll. Immerhin könnte sie meine Reaktionen verstören und sie sich somit noch mehr zurückziehen. Ich brauch dringend einen Rat.

 

Mittwoch

Als ich gestern auf dem Weg in die Kaserne war grübelte ich über das was die Ärztin gesagt hatte nach. Egal für was sich Genevieve entscheiden würde, ich stehe zu ihr und helfe ihr. Mittlerweile hat die ganze Einheit mitbekommen was passiert ist. Doch jeder hält den Mund. Gelegentlich kommen ein aufmunterndes Lächeln, ein Klopfen auf die Schulter und der Kommandant fragt immer wieder ob alles in Ordnung sei. Obwohl ich suspendiert bin, zumindest solange die Untersuchung läuft, sehe ich beim Training zu und gehe es für mich alleine durch. Sascha weiß Bescheid und hat sich bereit erklärt mir zu helfen, dabei tut er das schon die ganze Zeit.

 

Donnerstag

Als wir beide heute im Wohnzimmer auf der Couch lagen und Fern sahen setzte sie sich auf, sah mir in die Augen und sprach nur zwei Wörter: 9. Woche. Sie blieb regungslos und mein Gehirn versuchte diese beiden Wörter zu verstehen und zu zuordnen. Als ich verstand was sie meinte setzte ich mich auf und sie sprach weiter. „Die Ärztin meint ich müsse mich schnell entscheiden. Man darf nur bis zur 12 Woche abtreiben.“ Schwer schluckend fragte ich: „Und? Was möchtest du tun?“ Da ich keine Antwort bekam fragte ich sie: „Möchtest du es denn abtreiben?“ „Ich weiß nicht.“ Sie sah auf ihre Finger runter und sprach langsam weiter. „Die Ärztin meint, eine Schwangerschaft abzubrechen ist meist schmerzhaft und dass es sein kann, dass man danach keine Kinder mehr bekommen kann.“ „Aber das muss bei dir ja nicht der Fall sein. Egal für was du dich entscheidest, ich stehe hinter dir.“, versicherte ich ihr „Wie?“ Ich blinzelte zwei Mal und sie erklärte mir ihre Frage. „Wie kannst du das sagen? Ist dir dass den alles egal?“ „Nein, tut es nicht. Es ist schwer für mich. Aber ich liebe dich und ich möchte bei dir sein, egal was passiert. Wir schaffen das gemeinsam.“ „Und was ist, wenn ich das Ding in mir nicht loswerden kann?“ „Falls du dich dazu entschließt das Baby zu gebären werde ich dir durch die Zeit helfen.“ „Und falls du es behalten möchtest werde ich es lieben als wäre es mein eigenes Kind den es ist von dir und ich liebe dich.“ „Wirklich? Bist du dir wirklich sicher, dass du das alles ertragen kannst?“ Um ihr zu beweisen wie ernst ich es meine, zog ich sie zu mir und küsste sie lange und nachdringlich auf den Mund. „Ich bin mir zu 100 % sicher.“ Wir saßen noch etwas vor dem Fernseher und dann ging sie in ihr Zimmer um zu schlafen, ich blieb auf der Couch.

 

Freitag

Ihr ist schon die ganze Zeit schlecht und sie hat Angst. Die Frage was sie nun tut ist immer noch offen. Doch gerade als ich aufschreiben wollte was heute so passiert ist und wie meine Untersuchung verläuft, klopft Genevieve an die Tür und kommt in das kleine Büro, welches ich in der Kaserne habe um die Auflage zu erfüllen. Eigentlich ist es das Büro unseres Kommandanten, aber er hat es mir gegeben. Ich schob ihr einen Stuhl, der hinter der Tür seht, vor und sie setzte sich. Wie immer, wenn sie nervös ist, spielt sie mit ihren Fingern rum. „Ich kann nicht abtreiben. Ich kann es einfach nicht. Es tut mir leid.“ „Dir muss nichts leidtun. Es ist ganz alleine deine Entscheidung, dein Körper.“ Sie sieht mich mit einem Blick der mir das Herz zerrreist an. Sie ist traurig, verängstigt. Vorsichtig frage ich sie ob sie denn das Kind aufziehen möchte. Sie sieht mich nicht mehr an und ich versichere ihr, das ich mich freuen würde mit ihr ein Kind zu haben und dass es für mich wie mein eigenes Kind sei. Endlich lächelt sie und sie wartet schweigend auf dem Stuhl während ich dies hier schreibe.

 

Samstag

Da sie nicht viel Zeit hatte mit dem Überlegen sind wir heute in die Sprechstundenzeit der Frauenärztin und Genevieve berichtete ihr, dass sie nicht Abtreiben würde. Über die anderen beiden Möglichkeiten, Adoption oder Familie, unterhielten sie sich nicht. Zumindest antwortete sie nicht auf die Fragen der Ärztin, welche es mit einem Kopfnicken und einem Lächeln akzeptierte.

 

Beim Abendessen erklärte sie ihre Entscheidung ebenfalls ihren Eltern. Anita war stolz auf ihre Tochter und die beiden versicherten ihr sie würden ebenfalls hinter ihr stehen und sie tatkräftig unterstützen. Anscheinend hätten die beiden kein wirkliches Problem damit, wenn Genevieve das Kind nicht zur Adoption frei geben würde. Doch auch ihnen beantwortete sie nicht die Frage was sie nach der Geburt mit dem Baby tun wolle.

 

Genevieve ist immer mehr in Gedanken versunken und abwesend. Aber wenn sie lächelt, ist es ein aufrichtiges Lächeln. Nach dem Arztbesuch musste ich heute zu meinem Bewährungshelfer. Ich zeigte ihm die Seiten die ich schrieb und erzählte ihm dass ich mein Aggressionsproblem unter Kontrolle habe. Der kleine erfahrene Mann mit braun grauem Haar scheint zufrieden zu sein.

 

Sonntag

Genevieve besuchte mich erneut in der Kaserne.

 

Ab heute darf ich wieder offiziell beim Training mitmachen. Und ich bin total aus der Übung.

 

Ich war gerade mit den anderen auf dem Übungspakur und trainierte. Da sie nicht stören wollte wartete sie in der Mensa. Sie unterhielt sich mit dem Küchenpersonal und ein paar Offiziere und Soldaten unterhielten sich mit ihr, wenn sie an ihr vorbei gingen. Nur meine Einheit, der Kommandant und eine Krankenschwester wissen was mit ihr passiert ist, dennoch, jeder hier kennt sie. Denn sie war es die mich hier her brachte, der ich mein neues besseres Leben verdanke und die sich für Soldaten und Menschen die eine zweite Chance brauchen einsetzt.

 

Es ist nicht selten, dass Soldaten nur weil sie Soldaten sind und somit wissen wie man einen richtige verletzt, härter bestraft werden, auch wenn dieser sich oder andere nur verteidigte.

Aber mal im Ernst: Keiner von uns, eigentlich keiner der weiß wie man sich und andere richtig verteidigt wendet die Erfahrung nicht im Ernstfall an.

 

Jedenfalls kam es ab und zu, zu Verurteilungen oder Problemen/Schlägereien in der Soldaten involviert waren. Meist passierten diese Dilemma bei Veranstaltungen. Genevieve war die erste, die sich für die Soldaten einsetzte. Da sie bei den meisten Veranstaltungen bediente oder aushalf bekam sie nicht nur die Auseinandersetzung mit sondern auch wie es dazu kam und nicht selten wurden Soldaten angegriffen, beleidigt oder schritten ein um bedrängten Personen zu helfen. Es gab viele Gangs hier und die meisten schüchterten die Menschen in ihrer Umgebung ein, deshalb enthielt man sich oder log bei Befragungen zur Aufklärung der Sachverhalte. Genevieve sagte wahrheitsgemäß aus, zeigte offen, dass sie keine Angst vor den ganzen „Harten Kerlen“ hatte und das die Soldaten diejenigen sind die uns helfen, uns beschützen und man deshalb ihnen helfen solle. So sagten immer mehr die Wahrheit und das Ansehen der Bundeswehr stieg wieder. So kamen auch neue Rekruten.

 

 Da ich auch aufschrieben soll wie ich zur Bundeswehr kam und Genevieve traf, denke ich: hier ist der richtige Zeitpunkt es zu erklären. 

 

Wie am Anfang schon gesagt, gehörte ich zu einer dieser Gangs, allerdings wurden wir nicht wirklich gefürchtet, wir bestachen eher die Leute um unsere Ruhe zu haben. Doch nicht immer lief alles glatt. Immer wieder wurden wir verhaftet, so auch ich. Mein Strafregister wurde befleckt mit, Raub, Drohungen, Sachbeschädigung und Körperverletzung. Ich könnte jetzt sagen, der Alkohol war schuld, denn meistens stellte man fest, dass ich sehr viel intus hatte, doch für den vielen Konsum habe ich mich entschieden. Die meisten erzählten mir, sie würden meine Taten ja zum Teil verstehen, wenn ich eine kaputte Familie oder irgendwas Schlimmes erlebt hätte, doch das war nicht der Fall. Meine Familie war glücklich, beide Eltern hatten einen Job, keine Probleme und etwas Schlimmes habe ich auch nicht erlebt. Ich war einfach so auf die schiefe Bahn geraten und das schwarze Schaf in der Familie.

 

Bei einem dieser großen Festivals der Stadt geriet dann alles außer Kontrolle.

 

Raimund, Franzisco, Jermie und ich besuchten das „Sonnwendfestival“. Wir tranken viel und wir hatten Spaß. Doch Raimunds und Franziscos Laune verschlechterten sich zunehmens, da sie immer mehr Abfuhren von Mädels, die sie anbaggerten, bekamen. Wir hielten uns bei einer Pommes Bude auf in der eine alte Dame stand und die Bestellungen zubereitete. Frustriert und stock besoffen wollte Raimund eine Portion Pommes rot weiß. Er gab die Bestellung auf und die alte Dame gab Pommes in die Fritteuse. Nach ein paar Minuten waren die Pommes fertig und die Frau schüttete sie in eine Schüssel, salzte sie und füllte die Pommes in eine kleine Schale. Danach holte sie die Mayonnaise raus, machte einen Kleks an die Seite der Schale und wollte dies auch mit dem Ketschup tun. Doch leider war Ketchup aus. Sie versuchte noch den Rest raus zu quetschen, doch vergebens. Sie stieg aus ihrem Imbisswagen und brachte Raimund seine Bestellung an den Tisch vor dem Wagen. Entschuldigend erklärte sie ihm, dass Ketchup aus sie, aber wenn er noch etwas warten würde, würde eine Helferin Ketchup bringen. Diese Helferin, Genevieve, wie es sich dann rausstellte, sei schon unterwegs. Doch Raimund rastete aus, nahm die Pommes und warf sie ihr brüllend ins Gesicht. Da der Wagen am Ende des Festivals Bereiches war merkte es niemand. Raimund stachelte die anderen beiden, Franzisco und Jermie, an ihren Imbisswagen zu verwüsten und der Dame es heimzuzahlen. Nach seiner Auffassung nach weigerte sie sich schlicht ihm Ketchup zu geben, da er betrunken war und ihr nicht gefiel. Die beiden machten mit und so zerlegten sie den Wagen, während die Dame flehend daneben stand und versuchte sie zum Aufhören zu bringen. Während der ganzen Zeit hielt ich die Bierflaschen und lächelte. Die drei wurden noch aggressiver und gingen auf die Frau los, das sahen ein paar Zivilisten. Diese wollten helfen, bekamen aber ebenfalls die Wut und Aggressionen der drei zu spüren. Endlich kam die Helferin. Sie hielt zwei Flaschen Ketchup in den Händen und als sie sah was an dem Imbisswagen passiert, rannte sie schreiend zu der Schlägerei. Ein paar Soldaten sahen sie aufgelöst rennen und beschlossen der Sache auf den Grund zu gehen. Sie warf die Ketchup Flaschen auf Raimund der über einem Helfer stand und mit den Füßen nach ihm trat. Sie schrie er solle aufhören und als sie die alte Dame sah stürzte sie auf sie zu und half ihr auf. Die Soldaten kamen und halfen die Zivilisten von den dreien weg zu bekommen. Die drei gingen nun auf die Soldaten los und ein Zivilist rief die Polizei. Ich schmiss die Bierflaschen weg und griff ein. Ich fand es sei genug und dass wir einfach gehen sollten, doch die drei wollten nicht hören. Als sie die Polizeisirenen hörten rannten sie davon und ich wurde bei dem Versuch zu flüchten von einem der Soldaten festgehalten. Wir mussten alle ins Präsidium und die alte Dame, zwei Zivilisten und ein Soldat mussten verarztet werden. Als die Aussagen von den Soldaten, einem Zivilisten und Teils von mir, soweit ich dank des Rausches in der Lage war, aufgenommen wurden, wurde ich dem Richter vorgestellt. Er saß in einem schönen Büro mit cremefarbenen Wänden, alten gepflegten Holzmöbeln und einem Lederbürostuhl. Das Urteil lautete, dank meiner anderen Vorstrafen zwei Jahre Gefängnis ohne Chance auf Milderung oder Bewehrung in näherer Zukunft. Gerade als ich auf den Flur geführt wurde kam die Ketchup werfende Helferin hinein. Sie sah mich an und zum Ersten Mal sah ich keine Abscheu in ihren Augen. Sie lief an den Polizisten vorbei, direkt zu dem Büro des Richters. Ich wurde auf einen Stuhl befördert der nicht weit weg von dem Raum war. So konnte ich sehen, wie sie klopfte, nach drei Sekunden hineinging und die Tür hinter sich verschloss. Nach kurzer Zeit kamen Polizisten in den Raum und verließen das Büro anschließend wieder. Die Zeugen wurden in das Büro gebracht und nach circa 20 weiteren Minuten kamen zwei Polizisten aus dem Büro direkt auf mich zu und brachten mich in das Büro indem schon alle anderen warteten.

 

Ich kann mich noch gut daran erinnern was sich in dem Raum abgespielt hat.

 

Die wunderschöne selbstbewusste Retterin stand links von dem Tisch, der Richter saß auf seinem Bürostuhl und die Zeugen waren rechts von ihm. Ich stand mit den Polizisten im Nacken in der Mitte des Raumes, alle Blicke waren auf mich gerichtet. Ich dachte schon meine Strafe würde verlängert werden. Doch stattdessen ereignete sich etwas Unglaubliches.

 

„Herr Mirto, diese junge Dame, Frau Glack, war eben bei mir und bat mich Ihre Strafe zu verändern. Wissen Sie warum ich das tun sollte?“ „Nein, Sir.“ „Ich auch nicht. Aber nach Fräulein Glack zu folge ist sie sich sicher das ihre zwei Jahre Haft-Strafe zu viel sei, da und ich zitiere: „Sie nicht wirklich mithalfen die Opfer zu beschädigen und sie der Meinung sei Sie hätten eine gute Seite die nur hervorgerufen werden müsse.“ Ich sah sie an und sie lächelte. Ich begriff überhaupt nichts. „Wie dem auch sei“, sprach der Richter weiter. „Die Zeugen sind sich einig, dass sie die alte Dame und die beiden Zivilisten nicht anrührten, aber dennoch auch nichts unternahmen um ihre Freunde von ihnen fernzuhalten.“ Die Zeugen nickten bejahend. „Es fällt mir nicht leicht, aber unsere Glack hier hatte schön öfter Recht was das Gute im Menschen angeht, deshalb werde ich ihre Strafe verändern. Sie bekommen ein Jahr und vier Monate auf Bewährung und unterstehen ihrer Obhut. Herr Mirto, diese junge Dame ist ihre letzte Hoffnung, haben Sie verstanden?“ „Ja, Sir, das habe ich.“ Ich sah den Richter den beiden Polizisten zunicken und einer der beiden nahm mir die Handschellen ab. Die Zeugen gingen hinaus und nur noch meine Retterin, der Richter und die Polizisten blieben mit mir im Zimmer. Ich sah die Frau, die mich nicht kannte, aber dennoch Vertrauen in mich hatte, eingehend an. Sie war groß, schlank, hatte langes blondes Haar mit einem Stich rot und durchdringende leuchtende blau-grüne Augen. Mit einem Lächeln versicherte sie dem Richter: „Keine Sorge. Ich bin mir ziemlich sicher, dass alles gut wird.“ Mit einem tiefen Atemzug nickte er, stand auf und ging hinaus, gefolgt von den beiden Polizisten. Kaum hatte sich die Tür geschlossen widmete sie sich mir. „Guten Tag. Ich bin Genevieve Glack. Ich möchte Sie bitten mich nicht zu siezen.“ Sie reichte mir die Hand und ich erwiderte den Gruß. „Guten Tag. Aschton Mirto. Und bitte Sieze mich ebenfalls nicht.“ „Einverstanden.“ Sie lächelte mich mit einem aufrichtigen Lächeln an. „Also, wie der Herr Richter schon sagte, deine Strafe wurde umgewandelt in ein Jahr und vier Monate Bewährung. In dieser Zeit darfst du dir nichts zu Schulden kommen lassen sonst geht es ab ins Gefängnis.“ „Ich weiß.“ „Gut. Du hast zwar deine Freiheit, aber leider ist diese eingeschränkt.“ Sie wartete ab und lächelte mich dann freudestrahlend an. „Schön dass du dich drauf ein lässt.“ Ich sah sie verwirrt an. „Die meisten versuchen schnell aus diesem Büro zu kommen.“ Ich verstand, die Polizisten warteten hinter der Tür ob ich nicht eine Biege machen wolle. „Was sind diese Einschränkungen?“, fragte ich. „Diese Einschränkungen beinhalten, dass du irgendwo in der Nähe wohnen musst, ständigen Kontakt zu mir hast und dich in die Gesellschaft integrierst.“ Na toll, dachte ich mir. „Ich weiß, aber nach deiner Bewährungszeit hast du wieder freie Bahn. Zumindest im Rahmen des Gesetzes.“ Mit diesen Worten ging sie zur Tür und öffnete sie. Tatsächlich standen dort die beiden Polizisten, von dem Richter war nichts mehr zu sehen. Ich lief ihr nach und sie verabschiedete sich mit den Worten „Bis in zwei Tagen.“ von den Polizisten, die nur nickten und mich beobachteten. Wir traten in die frische Luft und Genevieve zeigte auf ein Auto. „Das ist meins. Möchtest du deine Klamotten oder so abholen?“ „Ja. Grunhoffer Straße 8.“ „Ich weiß leider nicht wo das ist.“ Wir stiegen ein und ich dirigierte sie durch die Nacht. Vor einem kleinen Häuschen mit blauer Außenfassade hielt sie an und ich bat sie im Wagen zu warten. Sie stellte keine Fragen und wartete geduldig. Das Haus in das ich nun ging war eine WG. Ich lebte dort mir Jermie, Francisco und Raimund. Mit einer vollbepackten Tasche voller Klamotten und ein paar Habseligkeiten stieg ich wieder ein. Genevieve fuhr in die Balon Straße und hielt am Haus mit der Nummer 24. „Das ist das Haus in dem du von nun an wohnen wirst. Es ist ein Mehrfamilienhaus und du hast dort eine kleine Wohnung.“ Als sie aussteigen wollte fragte ich sie, den Blick auf das Haus gerichtet, wer dort alles wohnte. „Ein oder zwei Familien und andere die ihr Leben wieder in Griff bekommen haben. Es sind alles nette Leute.“ „Hast du alle aus dem Knast geholfen?“ „Nein. Du bist so gesehen der erste. Aber nicht alle in diesem Haus haben eine kriminelle Vergangenheit. Keine Angst, das ist kein Haus bei dem die Polizei immer zuerst nach den Tätern sucht. Es ist ein ganz normales Haus, indem die Miete niedrig ist.“ Wir stiegen aus und Genevieve öffnete die Haustür und ging in den dritten Stock. Gleich an der Tür neben der Treppe blieb sie stehen und öffnete diese. Sie ließ mich zuerst rein. Die Wohnung hatte einen kleinen Flur, ein Badezimmer, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche. Die Waschmaschine und Trockner sollte ich unten im Keller finden, erklärte sie mir. Die Wohnung kostete 250 € kalt. Das Geld müsse ich selbst verdienen und falls es Probleme geben sollte, solle ich mich an sie wenden. Sie reichte mir einen Zettel mit ihrer Adresse und ihrer Handynummer darauf. Krögen Straße 8, nur 5 Minuten entfernt von hier.

 

„Ich lass dich dann mal alleine. So gegen 12 Uhr komme ich Morgen zu dir. Dann können wir reden und schauen wie es weiter geht.“ „Ist gut.“, erwiderte ich mich umblickend. „Na dann, gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Sie gab mir noch den Schlüssel und fuhr danach fort. Ich packte meine Klamotten aus und legte mich schlafen. Als mein Wecker um 10 Uhr klingelte machte ich mich mechanisch dran bereit für den heutigen Tag zu werden. Pünktlich um 12 Uhr klingelte es an der Tür. Ich öffnete sie und Genevieve trat ein. Wie gestern lächelte sie. Sie blieb im Gang stehen. „Aschton, es tut mir leid. Es ist mir noch ein Termin dazwischen gekommen. Wenn es dir nichts ausmacht, ich müsste noch schnell zum Festplatz.“ „Nein, kein Problem.“ „Wenn du willst, können wir ja dort zu Mittag essen.“ Sie wollte anscheinend dass ich mit ging und das tat ich auch. Wir fuhren zum Festplatz und gingen direkt in das große Bierzelt. Die meisten denen wir begegneten begrüßten sie mit einem Lächeln und ich erkannte auf der Bühne, welche in der Mitte es Zeltes stand, einen Uniformierten. Zu dem gingen wir anscheinend. Sie begrüßten sich wie alte Freunde. „Hei, na wie geht es dir?“ „Ganz gut. Weswegen brauchst du mich denn?“ „Genevieve, ich weiß das du für heute nicht eingeteilt bist, aber könntest du uns heute aushelfen?“ Sie drehte sich in meine Richtung und der Uniformierte tat es ihr nach. Endlich erkannte ich, dass es sich hierbei nicht um einen echten Polizisten handelte. Fragend sah ich sie an. „Ich denke, das bekomme ich hin.“ Sie drehte sich wieder zu dem Mann um und gab ihm beim Verabschieden einen Kuss auf die Backe. Danach gingen wir zu einem der Stände und aßen asiatisch. Wir bestellten beide dasselbe: Gebratene Nudeln mit Gemüse. Wir saßen uns an einen der Tische und ihre blaue Tasche legte sie neben sich. Als ich sie ansah, sah ich ein Stück von braunem Karton herausblitzen. Mir war sofort klar, dass es sich dabei um eine Kopie meiner Akte handelte. Sie folgte meinem Blick und sprach nach einem Bissen: „Ich habe sie nicht gelesen. Ich möchte, dass du mir erzählst wer du bist und nicht dieser Stapel Papier.“ Es war verblüffend. Sie war verblüffend. Das was andere über einem sagen oder was in der Akte über jemanden drin steht schien sie nicht zu kümmern. Sie war aufgeschlossen und hatte keine Vorurteile. Als ich nichts erwiderte begann sie von neuem: „Aschton, ich muss etwas über dich erfahren. Nenn mir deine Stärken, irgendwas. Schließlich müssen wir für dich eine Ausbildung oder einen Job finden.“ In meinem Essen stochernd erwiderte ich, dass ich 19 Jahre alt sei und ich keine Stärken hätte. Sie lachte und versicherte mir, jeder hätte Stärken. Wir unterhielten uns noch und sie fragte mich wie es mit Hobbies wäre. Ach Hobbies hatte ich keine. Nach etlichen Sackgassen was das Gespräch betraf, holte sie eine Zeitung aus ihrer Tasche und lass mir alle Job- und Ausbildungsangebote vor. Am Schluss blieb nur eine Ausbildung zum Mechaniker und als Schreiner sowie der Job bei der Müllabfuhr übrig. Wir beschlossen zuerst bei den Ausbildungsberufen nach zu fragen und fuhren zu den Betrieben. Beide lehnten ab und begründeten dies mit den Sätzen: „Keine Zeugnisse, keine Ausbildung.“ und „Keine Sicherheiten? Nein danke.“ Frustriert fuhren wir zur Müllabfuhr doch dort angekommen schüttelte Genevieve den Kopf und fuhr weiter. Dafür war ich dankbar. Genevieve hielt wieder vor meiner neuen Bleibe und wir setzten uns ins Wohnzimmer und redeten. „Morgen müssen wir wieder ins Polizeipräsidium. Ich muss angeben ob alles gut läuft und du musst mit jemandem reden.“ Meine Haltung verriet schon ,ich befürchtete ins Gefängnis zu müssen. „Keine Sorge. Wir kriegen das hin. Jeder wird sehen, das du ein guter Kerl bist.“ „Wieso bist du dir da so sicher?“, frage ich erstaunt über ihre Zuversichtlichkeit. „Nun, du bist nicht abgehauen, machst den Eindruck deine Taten zu bereuen und froh über die Chance zu sein. Zudem hast du gestern versucht deine Kumpels zu beruhigen.“ Ich war sprachlos. Eine Fremde glaubte tatsächlich an das Gute in mir und war bereit mit mir den schweren Weg zu gehen in der Gesellschaft angesehen und akzeptiert zu werden. Genevieve sah auf die Uhr und nahm meine Akte aus ihrer Tasche. Sie legte sie geschlossen auf den Tisch. „Du kannst kämpfen, oder?“ Unsicher was diese Frage bedeutete antwortete ich: „Ja.“ „Macht dir das Kämpfen Spaß?“ Immer noch unsicher antwortete ich ihr: „Etwas.“ „Für was Kämpfst du? Welche Motive hast du?“ Achselzucken. „Kämpfst du um deinen Besitz zu vergrößern?“ „Nein.“, entgegnete ich ihr entschlossen. „Kämpfst du weil du einfach Bock dazu hast?“, fragte sie ungehindert weiter. Erneute Verneinung. „Kämpfst du um zu helfen?“ Diesmal sah sich mich abwartend an. Unsicher antwortete ich: „Denke schon.“ Sie klatschte sich in die Hände und steckte die Akte wieder ein. Erneut sah sie auf die Uhr. „Aschton, ich muss mich jetzt fertig für meine Schicht machen und alles herrichten für die Abendschicht. Meine Nummer hast du ja. Wir sehen uns dann Morgen um 10 Uhr bei dir. Bye.“ Sie ging ohne auf eine Reaktion von mir zu warten. Sie war unglaublich. Anscheinend machte es ihr Spaß mich im Ungewissen zu lassen. Als es 18 Uhr wurde war Genevieve schon eine Stunde fort. Mir war langweilig und ich wusste nicht wo ich sonst hin sollte, deshalb ging ich in das Bierzelt. Die Musik spielte und die Leute tranken, aßen und amüsierten sich. Ich bestellte mir ein Bier und als es mir gebracht wurde erkannte ich den Kerl von heute Mittag wieder und fragte ihn wo Genevieve sei. Er zeigte nur in Richtung Bühne und tatsächlich. Genevieve gab der Band gerade etwas zu trinken, sie kellnerte also hier. Ich blieb die ganze Zeit sitzen und folgte ihr mit meinen Augen. Als es 20 Uhr wurde zog sie sich die Schürze aus und gab sie einer anderen Frau die hinter dem Herd stand. Ihre Tasche und Jacke schnappte sie sich an dem Hacken daneben. Ich winkte ihr in der Hoffnung dass sie mich sehen würde. Was sie auch tat. Sie kam zu mir und setzte sich. „Hei. Und wie gefällt dir die Musik?“, begann sie etwas außer Atem. „Ganz gut.“, gab ich zu. „Ich habe eine Stunde frei. Lust etwas rumzulaufen?“ Ich nickte und trank mein Spezi aus. Wir gingen am östlichen Ausgang raus und schauten uns die Stände an. Irgendwann konnte ich meine Neugier nicht mehr zurückhalten und fragte sie: „Kellnerst du um 21 Uhr wieder?“ „Nein.“ „Was machst du dann?“, bohrte ich weiter. Doch als Antwort bekam ich nur ein hämisches Grinsen und den Satz: „Lass dich überraschen.“ Ich beließ es dabei und wir liefen weiter umher und sahen uns alles an. Um 20:50 Uhr gingen wir wieder zurück ins Bierzelt und sie brachte mich zu einem Sitzplatz von dem aus ich die Bühne gut sehen konnte, danach verabschiedete sie sich. Immer mehr Frauen verschwanden hinter der Bühne und Männer nahmen Platz. Um 21 Uhr kam Genevieve mit dem Kerl, welcher verkleidet als Polizist war, auf die Bühne. Sie hatte sich ebenfalls umgezogen. Jetzt trug sie eine Strumpfhose, einen knielangen schwarzen Rock mit weißer Bluse, ihre Haare hatte sie zu einem Geschäftsdutt gebunden. "Meine sehr geehrten Herren. Heute am letzten Abend unseres Events möchten wir Ihnen etwas Besonderes bieten. Heute versteigern wir Dates mit heißen Singlefrauen an den Höchstbietenden. Die Einnahmen werden für den Bau des neuen Spielplatzes und für den Schutz des Waldes benutzt.“ Nun sprach der Kerl: „Ich bitte die Herren sich gesittet zu benehmen und die Hände für ein Gebot in die Luft zu strecken. Die Regeln für das erworbene Date sind folgende: Gesittetes Verhalten und Spaß.“ „Ich bitte nun die Kandidatinnen für einen kurzen Blick auf die Bühne.“ Kaum sprach Genevieve die letzte Silbe kamen 30 Frauen lächeln und aufreizend angezogen auf die Bühne. Jubelrufe erfüllten das Zelt. Die Freuen gingen ohne zu zögern in einem Tempo die Bühne wieder am anderen Ende runter und verschwanden hinter dem Vorhang. Der „Polizist“ musste seine Trillerpfeife benutzen um die Männer zur Ordnung zu rufen. Und schon begann die Auktion. Das Anfangsgebot bei jeder Frau betrug 20 €. Die meisten brachten allerdings zwischen 100 und 150 € ein. Als endlich alle Singlefrauen ein Date hatten bedankte sich Genevieve bei allen Teilnehmern und wollte die Bühne verlassen, doch da ergriff ihr Kollege das Mikrofon und erklärte: „Meine Lieben, ich muss euch leider mitteilen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zu ging. Unsere eigentliche Moderatorin, Susanne Lieb, musste kurzfristig absagen, da einer ihrer Söhne krank wurde. Deshalb ist Genevieve eingesprungen.“ Genevieve drehte sich um und wollte ihn aufhalten beim weiter reden, da kamen zwei weitere als Polizisten verkleidete und hielten sie fest. „Genevieve ist ebenfalls eine der Singelfrauen in dieser Stadt. Ich bin mir sicher einige sind scharf auf ein Date mit ihr, aber ich muss euch erneut enttäuschen, sie steht nicht mehr zur Verfügung. Denn Genevieve hat nicht nur einen sondern gleich eine ganze Horde voll um die sie sich kümmert und verwöhnt.“ Genevieve kreischte nun, da die beiden sie kitzelten. Der Redner machte weiter. „Genevieve ist ab heute wieder Angestellte des kleinen Restaurants „Die Ecke“. Und ja meine Herren, sie beglückt uns wieder mit ihren schmackhaften Gerichten und Backwaren.“ Alle klatschten und Genevieve wurde von den Polizisten heruntergetragen. Sie bahnte sich einen Weg zu mir und bedankte sich für die Gratulationen. „Ah, das ist so peinlich.“ Sie stütze das Gesicht in die Hände und wurde ganz rot. Ich zeigte nach draußen, da die Band wieder angefangen hat zu spielen und wir verließen das Getümmel. „Du bist ja richtig beliebt.“ Sie wurde noch roter. „Ich hab in „Die Ecke“ ein wenig Geld verdient und ein paar Rezepte ausprobiert. Die kamen ganz gut an. „Die Ecke“ war schon von Anfang an beliebt.“ „Und warum sagte er du würdest dort wieder arbeiten?“ „Ich habe zwei Jahre damit aufgehört. Die Schule wurde etwas stressig und danach war ich im Ausland. Und bekannt bin ich nur, weil ich angefangen habe in der „Die Ecke“ Rezepte auszuprobieren und dort gearbeitet habe.“ Das hatte ich echt nicht erwartet. In den nächsten Wochen sollte ich auch noch erfahren, dass sie Kampfsport gelernt hatte und auch nicht scheu ist beim Anwenden.

 

Ungefähr eine Woche nach dem Gespräch mit dem Richter suchte ich immer noch einen Job. Ich kam gerade aus der Besprechung mit dem Richter als mich ein Polizist auf die Seite nahm und erklärte: „Du hast immer noch keinen Job?“ Ich nickte. „Streng dich an und wehe du versaust es. Genevieve bürgt für dich.“ „Bürgt?“ „Wenn du einen Mist baust, wird sie zur Rechenschaft gezogen und deine Kosten übernimmt sie zum Teil ebenfalls.“ Ich wollte etwas erwidern, doch da kam Genevieve schon, doch diesmal nicht mit einem Lächeln. Sie sah kaputt, müde und gestresst aus. Als ich sie fragte was los sei, sagte sie nur in „Die Ecke“ wäre nur viel los gewesen. Bis zu dem Tag habe ich nie gesehen wie sie anderen Schaden zufügte oder aggressiv wurde. Kaum waren wir aus dem Polizeigebäude raus begegneten wir Raimund und einem anderen Typen den ich nicht kannte. Raimund hielt an und begann: „Hei, Aschton. Schon lange nicht mehr gesehen. Wie ich sehe hattest du einen guten Grund auszuziehen.“ Er sah Genevieve abschätzend an, die zog nur scharf die Luft an und sagte sie würde im Auto warten. „Raimund, was willst du?“ „Kann ich nicht mal mehr mit einem guten alten Freund quatschen?“ „Wir sind keine Freunde mehr. Halt dich gefälligst von mir fern.“ Ich ging. Sauer sprach er weiter, aber ich hörte nicht hin. Als ich einstieg sah mich Genevieve an und ich nickte, danach startete sie das Auto. Sie fuhr an Raimund vorbei, der eine Bierflasche auf das Auto warf und sie beschimpfte, Genevieve hielt quietschend an, machte aber nichts. Erst als er drohte auf andere und mich los zugehen und zu zeigen wie stark er sei schaltete sie den Motor aus und bat mich im Auto zu bleiben. Sie stieg aus und sah sich die Stelle an wo die Flasche das Auto traf. Ein paar Scherben lagen drauf und Bier verteilte sich auf der Motorhaube. Sie nahm die Scherben in die Hand, glaubte auch die vom Boden auf und warf sie in die Mülltonne neben Raimund ohne ihn zu beachten. Er beleidigte sie erneut und ich sah wie sie den Kopf schüttelte, dann drehte sie sie um und packte Raimund am Arm, riss ihn rum und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich stieg aus und hörte wie sie die Polizei anrief, diese kamen sofort raus und beäugten die Situation. „Ich möchte Bedrohung von mehreren Personen, Beleidigungen und Sachbeschädigung melden. Alles begannen von dieser Person.“ Die Beamten sahen wie sie Raimunds Arm hielt und verkniffen sich ein Lächeln. „Wenn Sie nichts dagegen haben würde ich mich jetzt gerne wieder meinem Tagwerk widmen.“ „Nein, wir haben nichts dagegen.“ Die Beamten nahmen Raimund und Genevieve ging zur Fahrertür als Raimund schrie er würde sie wegen Körperverletzung anzeigen. Genevieve erwiderte gelangweilt, dass sie das akzeptieren würde und sagte den Polizisten sie sollen ihr die Anzeige bitter per Post zukommen lassen. Im Auto angekommen sagte sie nur „Gewalt ist keine Lösung.“ Sie fuhr zu dem Stützpunkt nahe der Stadt.

 

Er liegt nur eine halbe Stunde von Genevieves Zuhause entfernt. Sie fuhr ganz nach oben und wir stiegen aus. Ich ging neugierig mit, vielleicht würde ich noch etwas über sie erfahren was man ihr nicht ansah. Genevieve erkundigte sich wo ein gewisser Kommandant sei. Man sagte ihr er wäre draußen bei den Baracken. Wir gingen dem Soldaten hinterher, er führte uns zu diesem Kommandanten. Sie bedankte sich und begrüßte den Befehlshabenden „Guten Tag, Kommandant.“ „Guten Tag Genevieve. Was kann ich für dich tun?“ „Ich möchte Sie um etwas bitten.“ Nun hatte sie die volle Aufmerksamkeit von ihm und von mir. „Dieser Mann hier, Aschton Mirto. Könnten Sie ihn vielleicht in ihre Einheit nehmen?“ „Was“, fragte ich ganz perplex. Sie drehte sich zu mir. „Aschton, du hast mir erzählt du kannst kämpfen und das du es nicht aus den falschen Gründen tust. Deshalb dachte ich du könntest hier dein neues Leben beginnen.“ Der Kommandant widmete sich mir. „Herr Mirto. Ich kenne Genevieve schon lange und wenn sie mich darum bittet werde ich sehen was ich tun kann. Vorausgesetzt Sie möchten es und haben die nötigen Qualifikationen dazu.“ Beide sahen mich abwartend an und ich nickte. „Gut. Ich werde mir Ihre Akte besorgen und mich dann bei Genevieve melden.“ „Das brauchen Sie nicht.“ Sie zog die Akte heraus. „Aschton ist auf Bewehrung. Er braucht eine zweite Chance.“ Der Kommandant sah sich mein Strafregister an und redete mit Genevieve. „Das sind eine Menge Strafen. Du weißt, dass man eine reine Weste braucht.“ „Ja, das ist mir bewusst. Dennoch bitte ich dich, nimm ihn unter deine Fittiche.“ „Du bürgst für ihn.“ Das war keine Frage, gewiss nicht, denn das stand definitiv in meiner Akte. Dennoch bejahte sie es. „Ich brauche Zeugnisse, dass das der Vergangenheit entspricht und das er ein guter Mensch ist.“ „Danke. Kriegst du alles.“ Der Kommandant schloss die Akte und drehte sich zu seiner Einheit um. Genevieve machte es ihm nach. „Wie geht es den Jungs?“ „Sie sind verweichlicht. Kaum zu glauben was eine Woche Urlaub mit ihnen anrichtet.“ Genevieve lachte. Während der Kommandant zu seinen Leuten ging und ihnen Anweisungen gab erklärte mir Genevieve, dass er Richard Broll heißt, ihn aber alle nur Kommandant nennen und dass er sehr streng sei aber sich um jeden seiner Schützlinge kümmerte. Ich erfuhr auch, dass er Frischlinge ins kalte Wasser schmiss, was nicht gerade so toll klang. Wir sahen den Soldaten beim Training noch etwas zu und verabschiedeten uns dann. Genevieve setzte mich bei meiner Bleibe ab und fuhr nach Hause. Ein paar Tage danach bekam ich die Bestätigung dass ich bei der Bundeswehr angenommen wurde. Da ich auf dem Stützpunkt wohnen sollte, packte ich meine Habseligkeiten und sie fuhr mich zum Stützpunkt.

 

So habe ich Genevieve kennen gelernt und bin zum Soldaten geworden.

 

Genevieve kam immer wieder und sah beim Training zu, unterhielt sich mit mir, den anderen Soldaten und dem Kommandanten. Mein Vorgesetzter und sie mussten jeweils jede Woche einen einseitigen Bericht über mein Verhalten, meine Arbeit und meine Eingliederung in die Gesellschaft schreiben. Mit meinen Kameraden verstand ich mich auf Anhieb gut.

 

Seit fast zwei Jahren bin ich nun Soldat und seit einem Jahren bin ich mit der wunderschönsten und liebsten Frau zusammen die ich je getroffen habe.

 

Alexander Stalo, Sascha, war einer der ersten die mir aufzeigten auf was es im Leben wirklich ankommt. Ich trainierte hart und änderte apport mein Leben. Immer wieder, wenn Genevieve uns besuchte, sei es bei Festivals, einfach so oder um uns als Versuchskaninchen zu benutzen für ihre neuen Gerichte, merkte ich, dass sie mit uns allen Spaß machte aber wenn die Jungs flirteten nicht drauf einging. Deshalb fragte ich irgendwann beim Rundenlaufen Sascha ob Genevieve einen Freund habe und in welcher Beziehung sie zu dieser Einheit und den Jungs sei. Er grinste nur und beantwortete unterbrochen von tiefen Atemzügen die Frage: „Nein, sie hat keinen Freund. Und versuch es erst gar nicht. Sie hat bis jetzt jeden von uns abgeblitzt.“ Ich konnte nicht anders, ich musste grinsen. Das Genevieve Single ist konnte ich zwar nicht verstehen, aber es erfüllte mich auch mit Glück. Sascha fing nach einer weiteren Runde an mir die andere Frage zu beantworten: „Genevieve hat uns schon öfter verteidigt. Der Kommandant und sie kennen sich aus ihrer störrischen Phase als Teenager. Sie hat hier vier Jahre nach Schulschluss gearbeitet. Zuerst musste sie es zwei Jahre lang von ihren Eltern und dem Richter aus. Es soll ihr so gefallen haben dass sie noch zwei Jahre machte, danach hatte sie keine Zeit mehr und fing den Job bei „Die Ecke“ an.“ Genevieve soll eine dunkle Seite gehabt haben? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Trotz der Aussagen von Sascha und anderen versuchte ich mein Glück. Sie machte mit mir Dummheiten und erst dachte ich, ich hätte es geschaft, doch da ließ sie mich eiskalt fallen, doch aufgegeben habe ich deshalb nicht.

 

Wir wurden gute Freunde und als sie mir sagte, sie habe im Café jemanden kennen gelernt und sei glücklich, stellte ich meine Versuche ein. Der Typ hieß André und studierte Psychologie hier in der Nähe. Er machte einen netten Eindruck. Doch immer öfter wollte er dass sie nicht mehr zum Stützpunkt fuhr und dass sie sich von uns fernhielt, insbesondere von mir. Es wäre zu gefährlich. Sie kümmerte sich allerdings nicht darum und traf uns dennoch.

 

Als die beiden ungefähr fünf Monate zusammen waren erwischte sie ihn mit einer anderen. Wütend und aufgelöst kam sie nachmittags zu uns und der Kommandant kümmerte sich um sie. Als sie wieder wegfuhr beschlossen wir alle am Sonntag zu ihr ins Café zu gehen. Gesagt getan. Wir waren da, doch ihr Freund ließ sich nicht blicken. Genevieve sagte uns, sie hätte sich von ihm getrennt und ich war froh darüber. Es schien wieder alles in Ordnung zu sein. Doch das war ein Irrtum. Aufgelöst und beängstigt kam Genevieve abends an einem regnerischen Tag zur Kaserne und klopfte an unsere Baracken. Sascha öffnete ihr und sie trat ein.

 

Eigentlich komisch, dass Genevieve so leichten Zugang zum Stützpunkt hat. Doch selbst wenn das Tor verschlossen ist, scheint sie immer einen Weg zu finden um rein zu kommen. Anscheinend hat sich jeder damit abgefunden.

 

Als ich zu ihr ging sah ich die aufgeplatzte Lippe. Genevieve berichtete uns, dass André sie nach der Arbeit im Geschäft besuchte und sie umstimmen wollte was die Trennung anging, doch Genevieve ließ sich nicht beirren. Als sie ihn mehrfach abwies rastete er aus und schlug sie. Sie stieß ihn weg und kam zu uns, da sie nicht nach Hause und ihren Eltern Sorgen bereiten wollte. Sie fing wieder an zu weinen, gerade als der Kommandant kam. Irgendjemand musste ihn geholt haben. Er sagte sie solle sich hier ausruhen und er würde sie Morgen nach Hause begleiten. Genevieve blieb die Nacht über hier und schlief in einem der Feldbetten am Ende der Baracke, gegenüber von mir. Die ganze Zeit dachte ich an die Szene und machte mir Vorwürfe sie nicht beschützt zu haben, immerhin war ich ihr Kumpel. Morgens stand sie mit uns um vier Uhr morgens auf, beobachtete uns beim Training, fertigte einen Bericht und sagte ihren Eltern Bescheid, dass sie bei uns sei. Genevieve blieb bei den Baracken als wir zum 500 Meter entfernten Parkour gingen. Wir waren gerade auf dem Rückweg als wir Genevieve schreien hörten. Wir liefen schneller und sahen, dass sie André anschrie. André wollte sie erneut dazubringen mit ihm zu gehen und wieder mit ihm zusammen zu sein. Wir beeilten uns, doch er packte sie am Arm und zog sie zu seinem Auto. Wir hatten noch 200 Meter um zu ihr zu gelangen. Herr Broll kam und fragte was los sei, warum wir so hastig liefen. Da hörte er ebenfalls ihre Schreie. Niemand außer den beiden und uns war heute auf dem Stützpunkt. André schrie sie an und drohte mit ausholender Hand. Als wir ankamen drehte sie sich in seiner Umklammerung und verpasste André einen rechten Hacken der sich Gewaschen hat, auf die Nase. Danach ging sie zu Broll, gab ihm etwas und ging ins Haus. Von Sascha erfuhr ich, dass sie ihm 10 € gab. Die beiden hatten abgemacht, dass wenn sie zuschlägt, sie ihm 10 € geben und zu unserem Psychologen gehen musste. Als sie nach zwei Stunden wieder raus kam, sich nickend verabschiedete erzählte mir Blum, ein Kamerad, warum. Anscheinend hatte sie nie Glück was Beziehungen betrifft. Sie geriet immer an Arschlöcher und wegen ihnen in unschöne Situationen. Richard Broll half ihr Ruhe zu bewahren und nicht zu zuschlagen und dennoch war sie bei den Polizisten und dem Richter angesehen. Genevieve war ein Rätsel.

 

Donnerstag

Heute rief ich meine Eltern an und sagte ihnen, ich würde am Samstag zu ihnen kommen und wieder einmal mit ihnen gemeinsam zu Abend essen, natürlich mit Genevieve. Obwohl sie es war, die mich zu Vernunft brachte und aus der Schiefen Bahn raus holte, mag meine Mutter sie nicht besonders. Anscheinend würde sie negativ auf mich abfärben und ich würde es nur nicht merken, da ich blind vor Liebe bin und sie es geschickt anstellt.

 

Genevieve weiß immer noch nicht was sie nun tun möchte im Anbetracht des neuen Lebens. Heute ist es schon eine Woche her, seit dem wir wissen, dass sie schwanger ist.

 

Dieses ständige Aufschrieben meiner Gedanken, Gefühle und der Geschehnisse nervt und führt zu nichts. Wie sollen die Seiten Genevieve bei ihrer Entscheidung helfen? Wie sollen sie ihr helfen mit der Vergangenheit abzuschließen? Das ist einfach nur pure Zeitverschwendung.

 

Aber da ich ja etwas schreiben muss… Hiermit weigere ich mich weiter in dieses bescheuerte Buch zu schreiben.

 

Heute ist Samstag.

Genevieve und ich waren bei meinen Eltern beim Essen. Ein großer Fehler. Wie kann ich nur so dumm sein? Was findet sie an mir, dass sie immer noch bei mir ist?

 

Erst konnte ich ihr nicht helfen als diese drei Idioten über sie herfielen, dann habe ich auch noch Raimond eine runter gehauen und sie hat mich aus der Scheiße geholt und jetzt das mit meinen Eltern. Ich müsste sie beschützen und ihr nicht noch mehr zu muten.

 

Da ich mich zwei Tage weigerte etwas zu schreiben und dem Bewährungshelfer die Gründe nannte kamen zwei Polizisten gestern zu mir auf den Stützpunkt und erklärten den Sachverhalt: „Wenn Sie nicht weiter ihren Bewährungsauflagen nach kommen nehmen wir Sie mit und Sie wandern ins Gefängnis. Sie haben noch einen Tag sich zu entscheiden.“ Ein Tag. Mein Kommandant hat es Genevieve nicht erzählt und verstand auch meinen Standpunkt, doch er bat mich dennoch hier rein zu schreiben. Ich wollte es nicht machen, doch dann kam das Essen mit meinen Eltern….

 

 

Genevieve hat einen schönen schwarzen Rock mit ein paar Falten und dazu eine hellblaue Bluse angezogen. Ihre Haare band sie zu einem seitlichen, geflochtenen Zopf zusammen und trug kleine Schleifchen als Ohrringe. Dazu zog sie ihre drei Zentimeter hohen, schwarzen Schnürabsatzschuhe an. Es ist das erste mal dass sie meine Eltern kennen lernt und vor allem sieht. Ich habe zwar meinen Eltern als auch Genevieve voneinander erzählt, dennoch. Es ist die erste Begegnung.

 

Um 18 Uhr hohle ich Genevieve ab und sie ist aufgeregt. Wir fahren mit ihrem Auto zu meinen Eltern, welche 1 Stunde von uns entfernt sind. 1 Stunde ist nicht viel und dennoch nicht genug.

 

Bei ihnen angekommen begrüßte mich meine Mutter indem sie mich herzlich drückte. Als sie Genevieve sieht reicht sie ihr die Hand und Genevieve stellt sich gut erzogen vor. Mein Vater hingegen nimmt mich in den Arm, erblickt meine nervöse Freundin und umarmt sie ebenfalls. Damit hatte Genevieve nicht gerechnet. Zu viert gehen wir in das Wohnzimmer und meine Mutter verschwindet in die Küche um das Essen fertig zu machen. Es ist ein schöner Raum. Ein Schrank mit teurem Porzellan, eine Couch, ein Sessel und ein Fernseher stehen darin. Die Wände sind in einem gelblichen weiß gestrichen, die Lieblingsfarbe meiner Mutter. Während dessen unterhält sich mein Vater mit uns. „Da hast du aber eine hübsche junge Dame gefunden. Die auch noch wohlerzogen ist.“, beginnt mein Vater. Ich sehe zu ihr und merke wie ihre Wangen rot werden. Ich ergreife ihre Hand und sie lächelt. „Ja, das habe ich.“ „Wie ist es dir so ergangen, Junge?“ „Gut. Dank ihr.“ Ich sehe meinem Vater in die Augen. „Genevieve hat mein Leben verändert. Sie hat mir die Augen geöffnet.“ Wissend, was ich damit meine nickt er. Plötzlich nehme ich eine Veränderung in seiner Haltung an, seine Augen strahlen nicht mehr und er rückt näher an Genevieve, die auf der Couch neben mir sitzt. Mein Vater beugt sich von seinem Sessel zur linken Genevieves vor und flüstert fast: „Geht es dir gut?“ „Ja, Sir. Ihr Sohn ist wundervoll. Er ist ein so lieber und netter Kerl.“ Doch er macht keine Anstalten sich zu bewegen. Da begreife ich was die Frage soll. Er weiß, dass sie im Krankenhaus war. Er hofft, dass ich nichts damit zu tun habe und es ihr wieder besser geht. Auch Genevieve merkt es und erwidert lächelnd: „Ihr Sohn hat sich seit meiner Entlassung hervorragend um mich gekümmert. Er ist ein wirklicher Schatz.“ Kaum habe ich geschluckt ruft uns meine Mutter zum Esszimmer. Wir gehen in den nebenliegenden Raum und mein Vater nimmt gegenüber von Genevieve und neben meiner Mutter Platz. Ich setze mich neben sie, so dass ich gegenüber von meiner Mutter bin. Als sie geht um die Verspeise, Gemüsesuppe, zu holen schenkt mein Vater einen Rotwein ein und Genevieve lehnt dankend ab. Er akzeptiert es und bringt ihr eine Apfelschorte. Doch meine Mutter sieht das leere Weinglas neben ihr und schmunzelt. Kaum hat sie sich gesetzt und wir beginnen die Suppe zu essen beginnt die Fas: „Du trinkst also keinen Wein?“ „Nein Ma’am. Im Moment darf ich das nicht.“ „Nicht dürfen?“ Sie sieht meinen Vater an und der lächelt einfach. Dann widmet sie sich wieder ihrer Suppe, doch nur für einen kurzen Moment. „Wieso darfst du nicht, wenn ich fragen darf?“ Genevieve hört auf Suppe zu essen und legt ihren Löffel an den Rand es Tellers. Sie sieht mich an und meine Mutter stellt eine Vermutung an. „Du nimmst doch keine Tabletten, oder?“ Jetzt hört sogar mein Vater auf und versucht Mum mit Blicken zum Schweigen zu bringen. Ich antworte ihr auf die Frage: „Nein, Mum. Genevieve nimmt keine Tabletten. Sie ist schwanger.“ Stille. Genevieve ergreift meine Hand und wir beide warten ab. Meine Mutter reagiert als erste: Sie blinzelt und wiederholt den letzten Satz. Mein Vater fragt gelassen: „In der wievielten Woche? Genevieve du musst uns nicht antworten, nur wenn du möchtest.“ „Oh, sie muss definitiv antworten, Thomas.“, stellt meine Mutter scharf klar. „Ich bin in der 10 Woche.“ „Ist das Kind von dir?“, will meine Mutter wissen. Vorsichtig antworte ich ihr, doch Gefallen tut mir das alles nicht. Dieses ganze Szenario beginnt schief zu gehen. „Ich werde es lieben wie mein eigenes Kind.“ „Also nicht.“, schlussfolgert meine Mutter. Das Essen nimmt dennoch seinen Lauf. Der Hauptgang wird aufgelegt und Genevieve begibt sich zur Toilette. „Wie kannst du nur mit ihr zusammen sein? Sie hat dich betrogen und bekommt auch noch ein Kind. Du musst weder für sie noch für den Bastard in ihr dich kümmern und Verantwortung tragen.“ „Mum, sie hat mich nicht betrogen.“ „Ach so. Du hast es also gewusst oder ihr noch die Erlaubnis gegeben?“ „Nein. So war das nicht.“ Mein Vater beobachtet nur was gerade passiert. „Ich möchte, dass du aufhörst ihr so etwas zu unterstellen. Sie ist das liebste, netteste und klügste Mädchen das ich je kennen gelernt habe und ich liebe sie. Mehr als alles andere. Also hör auf.“ Genevieve kommt wieder und Stille kehrt wieder ein bis meine Mutter sagt: „Ihr behaltet es natürlich nicht.“ Fassungslos sehen wir sie an. Doch das interessiert sie nicht. „Wenn ihr nicht abtreiben wollt verstehe ich das. Immerhin gibt es noch Babyklappen oder ihr gebt es zur Adoption frei.“ Geschockt von der Eiseskälte meiner Mutter muss ich erst wieder meine Stimme finden, meinem Vater geht es genauso. Doch Genevieve findet ihre Stimme schneller. „Um ehrlich zu sein, Frau Mirto, ich werde es definitiv nicht abtreiben und ob es zur Adoption geben wird entscheiden Aschton und ich gemeinsam.“ Mein Genevieve. „Aschton wird sicherlich nicht für das ... aufkommen. Immerhin hast du ihn betrogen.“ „Das habe ich nicht. Es tut mir leid, dass Sie ein so schlechtes Bild von mir haben, aber mir bedeuten Treue, Liebe, Ehrlichkeit und Vertrauen etwas und ich werde ihren Sohn niemals verletzten oder ihm eins dieser vier Dinge entziehen.“ Genevieve hat ihr tatsächlich höfflich Konter gegeben. Um es ein für alle Mal klar zu stellen hole ich tief Atem, sehe Genevieve an und mit ihrer Zustimmung kläre ich meine Eltern auf. „Genevieve wurde von Raimond und den anderen beiden verprügelt und vergewaltigt. Deshalb war sie im Krankenhaus. Und solange du nicht aufhörst so von ihr zu sprechen oder zu denken, werde ich mit euch nichts mehr zu tun haben.“ Ich stehe auf und bringe Genevieve zur Tür. Als wir unsere Jacken anziehen sieht sie mich an. Es ist ein Blick voller Schmerz, Schuld, Liebe und Dankbarkeit. Ich beuge mich zu ihr, küsse sie und sage ihr dass ich sie liebe. Ich will die Tür öffnen doch mein Vater steht davor. Wir sehen uns nur in die Augen, dann öffnet er die Tür und verabschiedet uns mit den Worten: „Es tut mir leid. Alles. Ihr seid ein tolles Paar und ich bin sicher, dass ihr die richtige Entscheidung treffen werdet.“ Wie immer steht mein Vater hinter mir. Er weiß wie nah ich dem Abgrund gekommen bin und was Genevieve mir bedeutet. Wir steigen ins Auto und fahren zu ihr. Die komplette Fahrt über sagt sie kein Wort, doch als ich sie vor ihrer Haustür ablieferte und mich für den Abend entschuldigte gibt sie mir das erste Mal seit dem Vorfall einen Kuss. Ich gab ihr immer wieder Küsse, doch diesmal küsst sie mich und es war ein Kuss der mein Herz wieder aufwärmt. Danach verschwindet sie in der Tür.

 

Montag

Seit Samstag habe ich Genevieve nicht mehr gesehen. Nicht etwa, dass sie es nicht wollte, nein, eher liegt es an mir. Ich hatte so viel zu tun, Training, Auflagen erfüllen, da blieb keine Zeit zu ihr zu fahren. Wobei das nicht stimmt. Selbst als ich für einige Stunden frei hatte, ging ich nicht zu ihr. Nach diesem Desaster am Samstag schäme ich mich für meine Mutter. Wie konnte sie nur so etwas sagen? Doch dank Sascha sah ich sie heute doch noch. Am Abend beschloss er mit mir in „Die Ecke“ zu gehen, dort wo Genevieve arbeitet. Wir liefen den Weg und unterhielten uns über Samstag, das Training und aus irgendeinem Grund über unmögliche Babynamen. In „Die Ecke“ angekommen setzten wir uns an einen Tisch in einer Ecke nahe der Tür. Genevieve bediente gerade zusammen mit Sabrina Rengel die Gäste. Es tat gut sie einfach nur zu sehen und auf meine Bitte hin hat Sabrina nichts über unser Dasein gesagt und uns bedient.

 

Die Gaststädte ist meist voll, doch das stellt kein Problem für die beiden da. Jeder geht an einen Tisch und bereitet sofort das Bestellte zu, sollte es dennoch mal zu viel sein, bereitet Genevieve die Bestellungen vor und Sabrina bringt sie an die Tische. Und wenn Herr Dilac, ihm gehört „Die Ecke“, da ist hilft er tatkräftig mit. Die drei sind ein gutes Team.

 

Jetzt folgt noch ein kleiner Zusatz. Ich weiß nicht, ob es ohne ihn besser ist. Finde ihn eigentlich wichtig:

 

Sascha und ich bleiben ungefähr eine Stunde. Es verwundert mich absolut nicht, dass Genevieve uns nicht sieht. Immerhin sind wir in Sabrinas Bereich. Wir bekommen Hunger und bestellen daher zwei Mal die Gulaschsuppe mit jeweils zwei Scheiben Brot. Sabrina bringt die Bestellung zur Theke und Genevieve bereitet sie vor. Nach ein paar Minuten bringt Sabrina sie und sie ist köstlich. Wie immer. Wir zahlen und machen uns dann wieder auf den Weg zur Kaserne. Diesmal reden wir darüber wie lecker das Essen war, wie gut sich Genevieve wieder integriert hat und erneut über unmögliche Babynamen. Wir kommen einfach drauf, ohne es zu wollen und sind uns einig: Günter ist einer der schlimmsten Namen für ein Kind. Zumindest in dieser Zeit. In unserer Baracke angelangt treffen wir den Kommandant und berichten ihn wie es Genevieve scheinbar geht und wie gut das Essen ist. Er weiß, dass ich mich seit dem Desaster am Samstag bei meinen Eltern von ihr fernhalte und findet sich damit ab.

 

Impressum

Texte: Black Rose
Tag der Veröffentlichung: 26.03.2015

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