Cover



1
„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, wütend betrachtete ich meinen in Hundekot getränkten Schuh und fluchte was das Zeug hielt. Schon wieder hatte ich es geschafft. Jedes Mal, wenn ich im Park umher spazierte, kam es dass ich eine Begegnung mit diesem matschigen klebrigen und zudem noch stinkenden Zeug machte. Was war also meine Feststellung fürs Leben? Genau.

Wenn man einen Scheißehaufen sieht, ist man meistens schon hineingetreten!

Wutentbrannt schnappte ich mir ein Stöckchen und versuchte alles zu entfernen. Ja, leichter gesagt als getan! Ich meine versuchen Sie mal auf einem Bein balancierend, das andere in der Luft hängend mit einem Ministöcklein den ganzen stinkenden Rotz abzubekommen. Das ist beinahe unmöglich. Zudem kam noch, dass ich einen Kotzreiz vom Geruch bekam.
Immer noch kräftig fluchend wischte ich den noch verbliebenen Rest mit meinem Schuh über den Rasen. Selbst ein alter Herr in der Nähe starrte mich geschockt an. Ja, was denn? Ich hatte halt einfach mal einen schlechten Tag auf der Arbeit erlebt. Eigentlich nichts Neues, denn jeder Tag entwickelte sich zu meinem ganz persönlichen Albtraum. Ich hasste es morgens früh aufzustehen und dann kräftig Überstunden zu schieben. Immer war ich die Erste, die kam und die Letzte, die ging. Selbst meine Beziehung litt darunter. Ich habe keinerlei Ahnung wann ich und Alex das letzte Mal einen Tag nur für uns hatten, geschweige denn eine Stunde miteinander verbracht hatten. Erbärmlich ich weiß, aber leider nun mal nicht zu ändern.

Mit großem Entsetzten stellte ich fest, dass es mittlerweile schon dunkel geworden war und ich beinahe eine halbe Stunde beim Entfernen der „Scheißebegegnung“ verpulvert hatte. Super Joe!
So spurtete ich nach Hause, donnerte meine Schlüssel auf die kleine Kommode auf dem Flur in meiner und Alex‘ Wohnung. Klirrend fielen meine Schlüssel zu Boden. Komisch, wo war denn nur die Kommode geblieben? Noch immer grübelnd, streifte ich meinen Schal und meine Jacke ab und war froh wieder daheim zu sein. Doch irgendetwas schien nicht zu stimmen, das bemerkte ich auf Anhieb. Vorsichtig ging ich den Flur entlang. Irgendetwas war anders an der Wohnung. Oh mein Gott, Einbrecher! Die Hälfte der Einrichtung war verschwunden.
„Was zur Hölle…?“, schrie ich beinahe hysterisch, als ich sah, dass der Fernseher, die Stereoanlage, der Computer eigentlich so ziemlich alle technischen Geräte und einige Möbel fehlten. Ich wagte einen Blick ins Schlafzimmer. Auch hier fehlte jede Spur von technischen Geräten, Alex‘ Bettwäsche… Moment mal… Alexander? Wo war der eigentlich?
„Alex Schatz bist du da?...Schatz?“
Stille. Nichts.
Ich eilte ins angrenzende Bad. Nichts. Keine Hinweise darauf, dass Alex überhaupt existiert hatte. Kein Rasierer, keine geöffnete Zahnpastatube, wie üblich. Rein gar nichts. Ich rannte beinah in die Küche. Nein, hier fehlte nichts. Warum sollte es auch? Welcher Herr kocht denn schon gerne? Alex jedenfalls hatte es gehasst! Ich drehte mich zum Kühlschrank um und da sah ich es.

Hey Joe,
wir haben uns auseinandergelebt!
Ich bin gegangen, wenn du das liest.
Alexander



Vermaledeiter Dreckskerl, dachte ich mir wutentbrannt und starrte den Zettel unglaubwürdig an. Vielleicht hatten Ihn ja Entführer dazu gezwungen. Genau, Entführer hatten meinen über alles geliebten Alex gezwungen einen Zettel zu schreiben und… Als ob, du Dummchen, teilte mir mein Verstand mit. Als ob er entführt wurde und vor allem mit dem ganzen Plunder.
Ich sackte auf den Boden und hyperventilierte. Passender Zeitpunkt. War mein Tag bis jetzt im wahrsten Sinne des Wortes beschissen gewesen, so war er jetzt vollkommen in Scheiße versunken! Wie auf Anhieb kamen mir meine Schuhe in den Sinn. Ja, sie hatten mich gewarnt, als ich in den Scheißehaufen getreten war. Jetzt wurde mir alles klar. Gott hatte mich warnen wollen: Joe, wenn du nach Hause gehst, dann ist alles im Arsch.
Nachdem ich meine Atmung wieder unter Kontrolle gebracht und meine Schuhe abgestreift hatte, fläzte ich mich mit einer Packung Schokoeis auf das Sofa und zog mir die volle Dröhnung „TWILIGHT“ rein. Ich heulte Rotz und Wasser und verbrauchte dabei drei Pakete Taschentücher. Die in der Box!
Doch leider ging es mir nach dem Film und der Packung Schokoladeneis noch immer nicht besser. Wütend suchte ich nach dem Funktelefon, doch ich konnte es nirgendwo finden. Als ich bei der Ladestation ankam, war dort leider keine Ladestation mehr. Mist, hatte ich ja beinah vergessen. Alex! Glücklicherweise hatte ich mein Handy noch in der Hosentasche und wählte. Kurz spähte ich auf die Wanduhr, die mir sagte, dass ihre Batterien mal wieder leer waren, denn der Sekundenzeiger stand auf der Stelle, aber immer noch tickend. Bescheuerte Uhr!
„Lane.“, meldete sich meine Freundin Pia.
„Hey.“, schniefte ich ins Handy.
„Mein Gott Joe. Was ist passiert?“
„Alex… er hat…“, schniefte ich.
„Es gewagt meine beste Freundin zu verlassen?!“, keifte Sie sofort ins Telefon und ich nickte. Dann schnallte ich erst, dass sie nicht neben mir saß und antwortete mit einem knappen und schlichten >>JA<<.
„Hast du Zeit?“, wollte ich wissen.
„Für dich immer!“, meinte sie.
„Schatz, ich muss dringend zu Joe... Ja ist es... Lebenswichtig... Klar... Mach ich... Keinen Alkohol okay... Ja... Versprochen…“, rief sie Sarah zu. Ich kannte das Prozedere nur zu gut. So ging das jetzt schon einen zwei Monate lang. Eben seit der Trauung.
„Babe, bleib unbesorgt ich bin unterwegs.“, meinte sie wieder an mich gewandt und legte auf. Ich seufzte und zog mich um. Ich wollte jetzt Party und Alkohol in Mengen. Meistens backten Pia und ich uns ein Ei darauf, ob Sarah (ihre Lebensgefährtin) ihr Alkohol trinken erlaubt hatte oder nicht.
Als ich mir meine verheulten Augen abgewischt und mit viel Schminke übertüncht hatte, klingelte es an der Tür.
Leichtfüßig raste ich zur Wohnungstür.
„Hey!“, begrüßte ich denjenigen an der Tür, doch es war noch nicht Pia. Hätte mich auch gewundert. Sie hätte sich herhexen müssen, aber egal.
„Fräulein Smith...“, begrüßte mich meine ach so nette Nachbarin Inge Schniese. Ja, so sah sie auch aus, wie eine Schniese. Weißt‘e Bescheid.
„Was ist denn bei ihnen los?“
Ich sah sie komisch an und schob die Tür wieder etwas zu als ich sah, dass die alte Klatschtante in meine Wohnung stierte.
„Äh, nichts wieso?“, meinte ich unschuldig.
„Aber der gutaussehende Alexander hat den ganzen Nachmittag und Abend Sachen nach unten geschleppt. Ist was passiert?“, hakte sie nach und versuchte erneut einen Blick in meine Wohnung zu erhaschen. Ein Glück war das meine Wohnung!
„So, jetzt passen Sie mal auf, Frau Schniese. Ihre nervtötende und spionierende Art geht mir tierisch auf den Senkel. Sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen, denn es geht Sie nichts an!“, blaffte ich unfreundlich und knallte ihr die Tür vor der Nase zu. Man hatte das gut getan. Ich raste ins Schlafzimmer und zog mein Partyoutfit heraus als es erneut klingelte. Fluchend und mit einem Bein in der Strumpfhose, hinkte ich zur Tür. Wenn das wieder diese alte Schnepfe war, würde ich sie zweiteilen!
Ich sah durch den Türspion und erkannte Pia, die dort gestylt wie immer stand und in besagten Türspion grinste.
Ich betätigte die Türklinke und zog meine Strumpfhose hoch.
„Hey.“, meinte sie freudig und binnen einer Sekunde war meine schlechte Laune und die Gedanken an die Trennung von Alex vergessen.
„Willst du noch aus?“, fragte sie skeptisch, als sie sah, dass ich lediglich in BH, Höschen und Strumpfhose vor ihr stand.
„Ja.“, stellte ich klar und raste ohne ein weiteres Wort abzuwarten zurück ins Schlafzimmer, um mir mein Kleid anzuziehen.
„Also doch eine Runde was Trinken gehen?!“
Ich betrat wieder das Wohnzimmer und nicke.
„Ich brauch jetzt Ablenkung.“
„In welchem Sinne? Einem Mann oder einem schönen Glas Whisky?“, lachte sie schon beinahe und ich schlug ihr kurz auf den Oberarm.
„Ach komm schon, oder hat Alex etwa auch deinen Humor mitgenommen?“, neckte sie mich.
„Ha-ha. Ich lach mich gleich tot. Er ist ein Arsch!“, entgegnete ich trocken und zog mir meine Jacke an.
„Können wir?“
Ein Nicken war ihre Antwort und wir verließen zusammen meine Wohnung und fuhren mit dem Bus in Richtung Partymeile und unseres Lieblingsclubs.


2
Wir betraten den Club und hörten schon im Empfangsbereich die wummernden Bässe und spürten eine gewisse Hitze. Leider verstärkte sich diese Kombo noch, nachdem wir eine der Areas betreten hatten und eine Art Schweißgeruch. Kannten die denn alle kein Deodorant? Pia zog mich hinter sich her zur Bar, sodass ich keinerlei Zeit hatte mir noch länger über solch belangloses Zeug den Kopf zu zerbrechen.
„Jack-Cola?“, hakte sie nach und ich nickte. Pia wusste immer was gut war.
Ich würde mir die Kante geben. Ja, das war der Plan. Ein guter Plan, wenn man mich fragte, aber das tat ja niemand.
„Hey hübsche Lady. Irgendwo habe ich dich doch schon mal gesehen.“, stellte sich ein dicklicher Mann mit Glatze und Bierfahne vor.
„Das mag daran liegen, dass sie mich und meine Frau getraut haben!“, meinte ich und zog Pia mit mir mit. Also wenn ich schon angegraben wurde, dann nicht von sowas. Manche Frauen mögen sowas, aber ich nicht.
Fragend sah Pia mich an und ich machte eine abwertende Handbewegung und zog sie einige Meter weiter.
Sie bestellte uns einen Jack-Cola und wir prosteten uns zu.
„Auf die Unabhängigkeit!“, meinte ich.
„Männer sind Arschlöcher!“, prostete Pia und ich musste lachen.
Ich sah mich ein wenig um. Die Tanzfläche war brechend voll und auch der Rest des Clubs war gut gefüllt. Menschen rieben ihre Körper aneinander und wieder andere schoben sich die Zunge in den Hals. Angewidert schüttelte ich den Kopf und sah zu Pia. Aufgrund der Lautstärke schrie sie mir ins Ohr. Schmerzvoll rieb ich es mir und wollte ihr damit demonstrieren, dass sie nicht so schreien musste, doch anscheinend verstand sie den Wink mit dem Zaunpfahl nicht.
„Hey Süße. Wie kam das denn eigentlich? Ich meine man zieht doch nicht so ohne Vorwarnung aus. Ich bringe den Kerl um…“, setzte Pia an und ich musste schmunzeln.
„Keine Sorge, das mach ich auch schon alleine. Lass uns über was anderes reden, ja?!“, bat ich und sie schenkte mir ein Lächeln.
„Willst du jetzt eine Frau? Die sind zuverlässig und liebevoll. Und heißen nicht Alexander!“, lachte sie und ich schüttelte nur meinen Kopf. Pia war durch und durch Lesbe. Ja, das hatte ich auch bei unserer ersten Begegnung spüren müssen. Ich fand sie nett und sie knutschte mich zum Dank ab, was ich dann wiederum mit einer Ohrfeige quittierte. Nach diesem Tag waren wir unzertrennlich, doch sie wusste Bescheid, dass ich hundertprozentig hetero war und sie suchte weiterhin nach der einen Frau. Der Frau fürs Leben. Alles in Allem, fand sie dann auch die Frau des Lebens und ging eine Lebensgemeinschaft ein. Doch Sarah, ihre Partnerin konnte mich partout nicht leiden und ich sie auch nicht. Pech! Aber was will man machen?
Ich exte meinen Jack-Cola und stellte das leere Glas zurück auf den Tresen, als mich ein nett aussehender Kerl ansprach. Er sah einige Jahre älter als ich aus, doch das hatte mich auch nicht davon abgehalten mit Alex zusammen zu sein, der ganze sieben Jahre älter war als ich, nämlich 26.
„Hey.“, sprach er mich an, was ich ebenfalls mit einem >>Hey<<, einem Lächeln und einem Kopfnicken antwortete.
„Ich bin Alex und du?“
Da war er wieder. Dieser unfassbar oft vorkommende scheiß Name, der mich so wütend machte.
„Nicht Alex.“, entgegnete ich wütend.
Ein verwirrtes Lächeln seinerseits war seine Antwort und er verschwand wieder. Gut so. Ich würde heute allen Alex‘ eine Abfuhr erteilen!
Pia zog mich ungeduldig mit zur Tanzfläche, auf der wir kaum Platz, geschweige denn Luft zum Atmen hatten. Also machte ich nach wenigen Minuten schlapp und signalisierte, dass ich zur Bar gehen und etwas zu trinken bestellen würde. Sie nickte und ich boxte mir meinen Weg zur rettenden Theke. Ausversehen schlug ich jemandem meinen Ellenbogen volle Elle in den Rücken, sodass sich der Typ zu mir umdrehte und mich wütend anfunkelte, genauso wie seine Begleitung. Doch als er mich sah, hellte sich sein finsterer Blick etwas auf.
„T’schuldigung.“, schrie ich laut und ging weiter zur Theke.
Man war der heiß gewesen. Damit meine ich eine echte Sahneschnecke. Braune Augen, kurze blonde Haare, eine schmale gerade Nase und markante Züge. Umwerfend. Einfach nur umwerfend. Ich schüttelte meinen Kopf. Nein, nicht schon wieder ein Kerl. Nicht jetzt und schon gar nicht an dem Tag an dem ich mir die Kante geben will!
Ich bestellte mir gleich einen Tequila und einen Jack-Cola und kippte beides in Windeseile herunter. Als auf einmal ein weiterer Tequila vor mir stand, wusste ich nicht…
Der nette Barkeeper zeigte mit dem Finger auf einen Mann, der einen Meter entfernt stand und als ich ihn ansah, kam er auf mich zu. Etwas torkelnd. Na, toll.
„Hey.“, lallte er mehr als dass er es gesagt hatte.
„Danke.“, meinte ich knapp und drehte mich weg.
„Ich bin übrigens der Alex.“
Och nö, ne! Innerlich fluchte ich. Was war heute Alex-Arschlochtag? Ich sah ihn wütend an.
„Du bist echt heiß. Geiler Arsch.“, stellte er fest und es hätte nur noch gefehlt, dass er mir zu seinem Text noch auf den Hintern geschlagen hätte.
„Als ob ich das nicht wüsste.“, meinte ich wütend und zog von Dannen.
Ich ging zurück in die aneinanderschmiegende statisch aufgeladene Menge und suchte nach Pia. Wieder bahnte ich mir mehr schlecht als recht einen Weg durch die Menge, doch dieses Mal verlor ich den Halt, als jemand mich umtanzte und fiel unbeholfen, wie ein Käfer strampelnd auf jemanden hinter mir.
„Aua.“, meinte ich und rieb mir den Hintern.
„T’sch…“, weiter kam ich nicht, denn ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
„Vielleicht sollten Sie nächstes Mal etwas weniger Trinken.“, meinte der blonde Kerl mit den braunen Augen und dem hübschen Gesicht von vorhin und sah mich komisch an.
„Als ob ich betrunken wäre. Ich kann viel ab und das war nicht meine Schuld. Ich wurde umgehauen!“, stellte ich blöderweise fest und wurde rot. Toll. Dieses Rotwerden hatte ich in der Beziehung zu Alex unterdrücken können, warum nicht jetzt?
Wie von der Tarantel gestochen, drehte ich mich um und suchte weiter nach Pia, die nur zwei Meter entfernt am Tanzen war.
„Boah, da bist du ja!“, schrie ich und dancte mit.
Doch nach einer halben Stunde, war ich erstens durchgeschwitzt, zweitens meine Kehle ausgetrocknet und drittens ich wieder nüchtern, weshalb ich mal wieder den Weg zur Bar anschlug. Pia tanzte immer noch ununterbrochen. Wie machte sie das bloß? Ich würde sie später mal darauf ansprechen.
Ohne weitere Zwischenfälle kam ich an der Bar an und bestellte mir erneut einen Jack-Cola, doch gerade als ich bezahlen wollte, hielt jemand dem Barkeeper schon Geld entgegen. Mit einem fragenden Blick sah ich auf und sah in das wunderschönste Lächeln auf der Welt. Der blonde Typ strahlte mich an und nahm einen Schluck aus einer Bierflasche.
„Danke, aber eigentlich schulde ich dir doch eher einen Drink?!“, meinte ich und lächelte ihn verschmitzt an.
Er lachte und sah mich dabei unverwandt an.
Das war doch alles zu schön um wahr zu sein. Ich wollte die Stille überbrücken und fragte eine sehr, sehr dumme Frage. Das kommt eben davon, wenn ein solches Lächeln einem die Gehirnzellen wegbrutzelt!
„Lass mich raten du heißt Alex?“
„Ja, woher weißt du das?“, wollte der Typ wissen und ich hätte am liebsten losgeheult oder hyterisch aufgelacht, stattdessen stand ich auf, schüttelte den Kopf und wollte gehen, wurde jedoch zurückgehalten.
„Das war ein Scherz.“, stellte er klar und ich sah ihn komisch an. Wieso scherzte man über seinen Namen. Wobei… Dumme Fragen erhalten für gewöhnlich dumme Antworten!
„Ich bin Kevin.“, meinte er und begann beinah zu Lachen, als er meine Miene sah.
Das wurde ja noch schlimmer. Was kam als nächstes Jason oder Vince?
„T’schuldige, aber dein Gesicht war zu komisch. Nein mal ganz im Ernst ich bin Cailean Finlay.“
„Bist du dir da gaaaaanz sicher?!“, hakte ich lächelnd nach.
„Ja. Ich bin Schotte. Cailean Finlay.“, meinte er erneut und hielt mir seine Hand entgegen, die ich freudig annahm. Endlich mal kein Alex!
„Ich in Joe… ähm Joelle Smith.“, stellte ich mich vor.
„Freut mich.“
Wir unterhielten uns ein wenig über dies und das und über seinen Aufenthalt hier. Ich mochte ihn. Auf Anhieb. Etwa so lange, bis eine kleine zierliche schwarzhaarige Frau ankam und ihn zu sich zog. Er sagte irgendetwas zu ihr, dass ich aufgrund der Musik jedoch nicht verstehen konnte. Mist!
„Hey, ich bin Rowan Finlay.“, stellte sich eine blonde, hübsche Frau vor und gab mir die Hand.
„Joelle Smith.“, meinte ich und sah den anderen Kerl an, der auch wirklich lecker aussah, jedoch eine Freundin zu haben schien.
„Blaan Finlay, das ist Allison Finlay, meine Frau.“
Ich lächelte beide an und schüttelte abermals Hände.
Als ich wieder zu Cailean sah, war das Mädchen bereits wieder verschwunden.
„Ja, das ist meine kleine, nette und zugleich nervige Familie!“, rief er und alle mussten lächeln.

In ein erneutes Gespräch mit Cailean vertieft, hatte ich Pia gar nicht bemerkt, die sich aber auch sicherlich von hinten angeschlichen hatte, um die Lage zu checken. Erst durch ein Tippen auf meine Schulter, wurde ich auf sie aufmerksam.
„Babe, ich muss wieder nach Hause. Tut mir leid. Bleib ruhig noch etwas, wenn du willst, aber Sarah hat schon drei Mal angerufen und du kennst das…“
„Klar. Soll ich dich wirklich nicht begleiten?“, hakte ich nach. Immerhin war es kalt, es liefen komische Gestalten herum und sie war eine Frau. Wobei… ich auch. Mist!
„Alles bestens. Amüsiere dich noch. Bye. Hat mich übrigens gefreut Nicht-Alex!“, lachte sie und verschwand ohne ein weiteres Wort.
Cailean sah mich komisch an und ich musste automatisch grinsen. Man, war dieser Mann attraktiv.
„Was hat denn das mit dem Alex auf sich?“, wollte er stirnrunzelnd wissen.
„Pia ist meine beste Freundin und mein Ex hieß Alexander also sind alle, die diesen Namen tragen für mich Geschichte. So ist das auch mit dem Namen Kevin, Brian, John und Peter und deswegen wollte ich mir heute die Kante geben!“
„Na dann. Glück im Unglück und Barkeeper noch einen oder zwei oder drei.“, verkündete Cailean lachend.
Ich ließ das kleine Detail weg, dass ich erst seit heute Abend wieder Single war und dass mich ein Hundehaufen gewarnt hatte. Immerhin spielte es keine Rolle.
Wir tranken noch eine Menge und redeten viel. Doch irgendwann war ich fast nicht mehr in der Lage zu gehen und mein Körper gehorchte mir nur noch zum Teil.
Mich über mich selber ärgernd, wurde ich von Cailean gestützt und zu meiner Wohnung gebracht.


3
Gedankenfetzen flogen durch meinen von Migräne geplagten Kopf. Der Scheißehaufen, meine halbleere Wohnung, meine Heul-und Fressattacke wegen Alex. Pia und ich in unserem Lieblingsclub Ich sah mich in der Bar und am trinken. Ich hatte eine Menge weggesteckt, doch dann… Pia war gegangen und dann? Scheiße, wie war ich denn nach Hause gekommen, wenn Pia schon gegangen war? Ich kratze mich am Kopf, setzte mich auf und öffnete die Augen. Ich hätte es lieber lassen sollen, denn sofort wurde mir schwindelig und ich rannte in Windeseile zur Toilette, um mich zu übergeben. Sündhafter und verführerischer Alkohol. Ich würde nie wieder Alkohol trinken. Obwohl ich das bei bzw. nach jedem Kater meinte.
Jemand hielt mir meine Haare hoch, denn ich selbst war dazu nicht in der Lage. Immerhin musst eich mich aufs Übergeben konzentrieren. Doch wer war das?
Ich zog ein Stück Toilettenpapier von der Rolle und wischte meinen Mund ab. Als ich aufstehen wollte, versagten jedoch meine Beine und ich saß wie ein kleines Kind, das gerade Laufen lernt vor meinem Klo und kam nicht weiter. Wieder schob jemand seine Arme unter meine Achseln. Alex konnte es nicht sein, es sei denn, er war zurückgekommen. Sehr unwahrscheinlich, aber immerhin möglich.
Als nächstes lag ich in den Armen eines starken Mannes.
Ich sah auf und sah ein völlig fremdes Gesicht. Doch komischerweise war ich keinerlei schockiert. Der Typ lächelte mich kokett an und ich musste automatisch auch lächeln. Doch mein Atem war nicht der Tollste und der Kotzegeschmack kam auch durch.
„Zähneputzen.“, meinte ich und wurde zum Waschbecken getragen. Ich langte nach meiner Zahnbürste und versuchte kläglich die Zahnpastatube aufzuschrauben. Der Kerl lachte und setzte mich kurzerhand auf den Klodeckel.
„Bleib da. Ich mach das schon.“, meinte er und schraubte mit Leichtigkeit den Deckel ab, um etwas von der schleimigen Substanz auf meine Zahnbürste zu tun.
Ich steckte sie mir in den Mund und begann ihn betrachtend meine Zähne zu putzen. ER stand nur in Boxershorts vor mir, hatte sich an die Türzarge gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und starrte mich belustigt an.
„Was?“, fragte ich lispelnd. Reden mit einer Zahnbürste im Mund ist halt eben nicht so leicht!
„Du weißt aber schon noch, wer ich bin oder? Immerhin bist du so ruhig.“
„Um ehrlich zu sein. Ich hab keinen Plan, aber ich weiß, dass ich nur Leute mit zu mir und ins Bett schleppe, die ich mag und denen ich vertraue.“, lispelte ich und spuckte mit der Zahnpasta herum. Sehr grazil. Sehr damenhaft. Aber so war ich nun mal.
Ich hangelte mich zum Waschbecken und spuckte aus, spülte mit Mundspülung nach und drehte mich zu ihm um. Man, er sah echt zum Anbeißen aus. Nicht zu trainiert und auch nicht zu schwabbelig. Einfach perfekt.
„Ich bin Kevin-Alexander.“, stellte er sich vor und meine Kinnlade fiel gerade auf den Boden.
„WAS?“, schrie ich hysterisch und spuckte ihm die gesamte Ladung Mundspülung ins Gesicht. Er sah mich wütend und zugleich belustigt an.
„Scheiße, so war das aber nicht geplant!“, fluchte er und nahm sich ein Handtuch.
„Selbst Schuld, Kevin-Alexander. Und jetzt RAUS!“, schrie ich und sah ihn wütend an. Wie hatte ich einen Kevin-Alexander mit in meine Wohnung nehmen können?
Verdammter Mist!

Es durchzuckte mich wie ein Blitz. Die Erinnerungen:
Ich hatte Cailean Finlay und seine Geschwister kennengelernt. Er hatte mich auch schon im Club veräppelt. Schuft! Dann hatten wir wie ein Loch gesoffen… Naja, ich zumindest und er hatte mich dann nach Hause geschleppt, wo wir unanständige Dinge angestellt hatten, die mich dazu veranlasst hatten mehrere Male seinen Namen zu schreien. Und der lautete nicht Alexander oder Kevin.
„Netter Versuch, Cailean Finlay.“, meinte ich und sah sein Hinterteil an. Kein Wunder, dass ich ihn nicht von der Bettkannte geworfen hatte bei dem Arsch.
„Du erinnerst dich also wieder an mich?“, wollte er wissen.
„An deinen Namen, ja.“, log ich.
„Aber nicht an die vier Male, bei denen du meinen Namen geschrien und um mehr gebettelt hast?“, fragte er und wackelte süffisant mit seinen Augenbrauen.
Ich begann zu lachen. Rache ist für Gewöhnlich süß.
„Das glaub ich dir nicht. Ich würde niemals gleich am ersten Abend mit einem Kerl ins Bett hüpfen. Ich bin kein One-Night-Stand Typ.“, stellte ich fest. Eigentlich stimmte das ja auch, doch ich war so stockbesoffen gewesen, dass ich alles für möglich gehalten hätte, hätte ich es nicht sowieso gewusst.
„Glaub mir du hast nach mehr geschrien.“
„Als ob.“
„Warum stehe ich dann in Boxershorts in deinem Badezimmer und habe bis eben noch nackt neben dir geschlafen?“, verlangte er nun etwas gereizter zu wissen.
„Keine Ahnung sag du es mir, aber wie ich schon sagte…“, begann ich, doch bevor ich ausreden konnte, hatte er seine Lippen auf meine gelegt, mich an die Wand gepresst und küsste mich stürmisch. Ohne lange zu zögern erwiderte ich den Kuss und vergrub meine Finger in seinen blonden, weichen und verwuschelten Haaren.
Immer drängender presste und rieb er sich an mir, wurde Stück für Stück steifer. So lobte ich mir das. Ein Mann, der nicht lange redete, sondern gleich das tat, was man von ihm verlangte. Er ließ kurz von mir ab.
„Überzeugt?“, fragte er etwas außer Atem nach.
„Nein, noch nicht wirklich.“, verkündete ich, wenngleich wir beide wussten, dass ich log. Seine Lippen senkten sich erneut auf meinen Mund. Wow, er war ein exzellenter Küsser. Besser als jeder Alex, Kevin, Brian, John und Peter zuvor. Doch er war nur ein Two-Night-Stand!?
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Wir sackten schließlich schweißgebadet auf meinem Bett zusammen. Ich war fertig. Und das nicht nur aufgrund des Katers. Er war echt eine Granate im Bett. Meine Augen fielen wie selbstverständlich zu und als ich beim nächsten Mal aufwachte, stellte ich fest dass ich alleine in meinem Bett lag. Ich sah mich um, ob nicht doch noch Klamotten von Cailean in der Gegend herumlagen. Doch leider gab es keinerlei Hinweise darauf, dass er jemals in meiner Wohnung gewesen war. Lediglich das zerknautschte Kissen auf der rechten Seite meines Doppelbetts, zeigte dass ich einen nächtlichen Besucher hatte. Ein Stich in meinem Herz war die Folge. Wütend über meine eigenen Reaktionen, zog ich die Laken ab und bezog mein Bett neu.
Suchend glitt mein Blick zur Uhr. Es war bereits vier Uhr nachmittags. Ich verbrachte den Rest des Tages damit, mir etwas zu Essen zu machen und es auch im Magen zu behalten.
An meinem Kaffee nippend, grübelte ich darüber, warum Alex mich verlassen und warum Cailean mir keine Nachricht hinterlassen hatte. Naja, warum sollte er auch? Immerhin hatten wir nur Sex und Alex hatte mich verlassen, weil wir keinen mehr hatten. Dazu kam noch, dass wir kaum Gemeinsamkeiten hatten. Super, jetzt war ich gleich doppelt depressiv. Ich trank einen Schluck Kaffee, der meine Zunge verbrannte. Wütend versuchte ich den Schmerz zu lindern, indem ich mit dem Finger über meine Zunge führ. Leider brachte es kaum etwas, deshalb schüttete ich den Rest in den Ausguss. Zwar schade um den Kaffee, aber ich hatte eh keinen Bock mehr drauf.
Ich duschte mich, zog mir bequeme Sachen an und fläzte mich aufs Sofa. Immerhin hatte ich noch meinen alten Fernseher und meinen alten DVD Player, weshalb ich mir „Basic Instinkt“ reinzog. Vielleicht sollte ich mir auch einen Eispickel anschaffen und damit Alex um die Ecke bringen. Eigentlich keine schlechte Idee. Wäre mal eine andere Option, doch seine Familie würde mir das wohl übel nehmen. Eigentlich nicht weiter schlimm, denn ich konnte seine Mutter und ihren Freund eh nicht leiden… Ich musste schmunzeln.


4
Als ich meine Augen öffnete, schien mir die helle Sonne ins Gesicht und veranlasste mich zu blinzeln. Ich rieb mir meinen Nacken, der ganz steif davon war, dass ich auf dem Sofa eingeschlafen war. Fragend sah ich auf die Uhr, die mir zeigte, dass es erst halb sieben Uhr morgens war.
Mich streckend und ausgeschlafen, ging ich in Richtung Bad, um mich fertig zu machen. Immerhin musste ich ja wieder arbeiten. So ein Mist aber auch. Etwas Urlaub würde mir jetzt wohl ganz gut tun. Egal. Ich sah fragend in den Spiegel und machte mich gähnend fertig. Immer wieder schossen mir die Szenen, die sich im Bad abgespielt hatten in meinen Kopf. Ich seufzte und verdrängte die Gedanken an die Nacht mit Cailean. Außerdem was hatte ich denn bitteschön für Komplexe. Ich wurde von Alex verlassen, der alle technischen Geräte, außer meinen kleinen alten Fernseher und meinen DVD-Player mitgenommen. Ich sollte noch immer wie ein Häufchen Elend auf der Couch sitzen und schniefen! Zumindest taten das normale Frauen so. War ich etwa unnormal? Ich zerbrach mir einfach über zu viele unsinnige Dinge den Kopf. Klar fand ich es nicht toll verlassen worden zu sein, doch irgendwie war es wohl doch an der Zeit für Veränderungen. Jawohl Veränderungen!, schrie mein Gehirn und ich musste grinsen. Scheiß auf Männer! Die machten immer nur Stress oder waren aber schon vergeben! Wie hieß es doch so schön überall in Internetforen?
Genau: Männer sind wie Toiletten! Entweder beschissen oder besetzt!
Meine Divise liebe Frauen… schafft euch einen Hund an, denn dann werdet ihr von Hundehaufen regelrecht vor den Idioten gewarnt!
Wie auch immer. Ich wusch mich und verwarf meine sehr komischen Gedanken wieder. Immerhin hatten Alex und ich auch schöne Momente gehabt. Zum Beispiel der Besuch bei seiner Mutter und ihrem vieeeel zu jungen Freund. Dazu muss ich noch anmerken, dass Brie (so war der Name meines Schreckens) eine penetrant hohe Stimme, pinke Strähnchen in den wasserstoffblonden Haaren und eindeutig zu viele Besuche im Sonnenstudio hinter sich hatte. Rundum war sie grauenvoll. Wenn sich sechzigjährige noch so aufführen, als wären sie zwanzig, dann verabscheue ich sie dafür! Zumindest wenn sie wie die Oma von Barbie aussehen!
Um wieder auf den Punkt zu kommen… Wir hatten Brie und Roberto (das sagt eigentlich schon alles) in ihrem protzigen Haus besucht und zusammen diniert.
Zur Krönung des Abends waren wir alle ein wenig angetrunken und meine Fischcremesuppe gaaanz zufällig auf der neuen weißen Hose von Brie landete, die mir gegenüber saß. Fragt mich bloß nicht, wie ich das geschafft hatte. Es war aber bilderbuchreif!
Genauso wie der Rauswurf ihrerseits, der darauf folgte.
Aber noch besser war unser Kurztrip, der eigentlich keiner werden sollte, nach Venedig. Alex und ich waren in einer kleinen Gondel durch die Gegend geschippert worden, ihm wurde seekrank. Zumindest dachten wir das, denn er hatte verdorbene Austern geschlürft und wir brachen den Urlaub dann ab. Nach einem Tag.
Das waren noch Zeiten.
Ich zog meine Arbeitskleidung an und machte mich auf den Weg. Bloß nicht zu nah an dich heranlassen, Joelle., meinte mein Verstand und ich stellte mein Gehirn auf Stop. Darin war ich einsame Spitze!

So saß ich also in meinem kahlen weißen Büro und schuftete mich dumm und dümmer.
Es klopfte und ich hätte beinah meinen Stift runter geworfen mit dem ich mir eine Notiz gemacht hatte.
„Miss Smith, Sie können Feierabend machen. Heute ist nicht so viel los. Gehen Sie schon! Sie haben es sich nach den Überstunden redlich verdient.“
Meine Chefin lächelte mich freundlich an und ich nickte.
„Vielen Dank!“, Welch eine Ehre hing ich in Gedanken an.
Also trat ich um zwölf Ur mittags schon den Heimweg an. Wobei… Ich brauchte einen eigenen Computer, ein Telefon und eine Xbox 360. Deswegen schlug ich den Weg in die Shoppingmeile ein. Hoffentlich hatte ich noch das nötige Kleingeld.

Die Shoppingtour verlief nicht besonders erfolgreich, da ich feststellen musste, dass ich chronisch pleite war. Na hoffentlich konnte ich mir noch die hohe Miete der Wohnung leisten. Umziehen wäre jetzt nämlich keine Option, ich liebte die Wohnung einfach zu sehr! Aber um Almosen wollte ich auch bei meinem Vater nicht betteln, denn das verbat mir mein Stolz. Er hatte mir den Geldhahn abgedreht als ich ihm ‚zu teuer‘ wurde und ich würde nicht angekrochen kommen. So trat ich den Heimweg an und stellte meine kleine Einkaufstasche in meinem Flur ab und zog Jacke und Schuhe aus. Als es an der Tür klingelte, fuhr ich zusammen. Doch Freude leuchtete auf. Vielleicht war Cailean ja zurückgekommen. Als ich jedoch einen Schlüssel im Schloss hörte, wurde mir klar, dass es sich nicht um Cailean halten konnte. Schnell flitzte ich in die Küche. Hatte ich meinen Schlüssel verloren? Nein, eben hatte ich doch noch aufgeschlossen! Verdammt Einbrecher! Darauf hatte ich nun wirklich keinen Bock. Schnell zog ich ein Fleischmesser aus dem Messerblock und hielt es verteidigend vor meinen Körper. Niemals würde ich kampflos untergehen! Niemals.
Mit einem Messer bewaffnet, trat ich zurück in den Flur.
Doch als ich Alex sah, fiel meine Kinnlade auf den Boden. Ich starrte ihm nur in seine graublauen Augen, wenngleich ich immer noch das Messer umklammerte. Ich hätte am liebsten losgeheult! Er hatte immer noch eine Anziehungskraft auf mich, wie am ersten Tag. Argwöhnisch musterte ich ihn. Was wollte er hier? Warum hatte er noch den Zweitschlüssel?
„Joe tust du mir einen Gefallen?“, fragte er mit seiner bezaubernden Stimme nach, sodass ich nur nicken konnte. Warum zur Hölle nickte ich, wenn ich ihm eigentlich die Fresse polieren wollte?
„W-was willst du noch, Alex?“, hakte ich endlich die Sprache wiedergefunden nach. Schnell waren die Tränen verdrängt, als ich sein selbstgefälliges Lächeln sah.
„Du meinst außer dass ich meinen Anzug in deinem Schrank vergessen habe und meine Mutter gleich vorbeikommt?!“
Ich funkelte ihn wütend an. Was wollte seine nervtötende Mutter denn hier? Sie wollte mich bestimmt terrorisieren!
Warum hatte er ihr noch nichts von seinem Auszug gesagt?
„Was will sie hier?“
„Uns besuchen.“, meinte er schlicht und strich sich durch seine braunen Haare, was ihn leider zu sexy wirken ließ.
„UNS?“, hakte ich skeptisch nach und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
„Lass das, Joe. Oder willst du in einigen Jahren wie eine fünfzigjährige aussehen? Falten werden dir nicht gut stehen!“
„Halt die Klappe Alex und schieb deinen Hintern aus MEINER Wohnung!“
„Sonst sollte ich den doch immer in dein Bett schieben.“
„Tja, ich ändere meine Meinung öfter. Außerdem bist du derjenige welche, der mich von einen auf den anderen Tag verlassen hat!“
„Zickig wie eh und…“, begann er, wurde jedoch von einem Klingeln an der Tür unterbrochen. Er legte ein Lächeln auf und drehte sich zur Tür. Die penetrante Stimme seiner Mutter war im gesamten Treppenhaus zu vernehmen.
„Komm doch herein, Mutter.“, bat Alex sie hinein.
„Joelle.“, begrüßte sie mich knapp und bedachte mich mit einem abwertenden Blick. Ich knirschte mit den Zähnen, als sie an mir vorbei schritt dicht gefolgt von Alex.
Er schlang im Gehen einen Arm um meine Taille und zog mich mit sich ins Wohnzimmer.
„Wollt ihr Renovieren oder wo sind die ganzen Möbel und so?“, hakte sie spitz an mich gerichtet nach.
„Ja. Mutter wir renovieren gerade.“, verkündete Alex und küsste mich fordernd auf den Mund. Verdattert starrte ich seine geschlossenen Lider an. Unfähig mich zu währen, ließ ich den Kuss zu und dass er mit seiner Zunge in meine Mundhöhle stieß. Erst ein Räuspern seiner Mutter brachte ihn dazu von mir abzulassen. Ohne mich noch mal mit einem Blick zu würdigen, drehte er sich zu seiner Mutter, die bereits auf meinem Sofa platzgenommen hatte.
Auf MEINEM Sofa. Wut keimte in mir auf, den ich einfach nur sehr gering unterdrücken konnte. Ich krallte mich jetzt regelrecht am Messer fest.
Die beiden würde ich nicht noch eine Sekunde länger in meiner Wohnung aushalten!
„Hast du sie schon gefragt?“, hakte seine Mutter nach und ich verstand nur Bahnhof.
„Nein. Ich bin noch nicht dazu gekommen!“, verkündete Alex und ich sah ihn ungläubig an. Denn erst jetzt schnallte ich es. Zumindest dachte ich das ich es schnallte. Hallooo ich war gerade einmal neunzehn. Ich würde einen Teufel tun und vor siebenundzwanzig heiraten. Hatten er und seine Mutter einen Knall? Außerdem hatte er mich verlassen.
„RAUS!“, schrie ich wütend, während ich verwunderte Blicke erntete.
„ Alex, du hast mich gestern VERLASSEN, schon vergessen? Als ich von der Arbeit kam, war dein ganzer Kram weg. RAUS und nimm deine Schreckschraube von Mutter mit. PRONTO! Außerdem werde ich dich niemals heiraten!“, verkündete ich, zog beide von meiner Couch und schob sie in Richtung Flur.
„Wovon redet sie da mein Sohn?“, fragte Alex‘ Mutter und sah mich wütend und verwirrt an.
„Du willst sie heiraten?“, hakte sie nach und ich fragte ob die Frau taub oder einfach nur dumm war. Hatte sie denn nicht zugehört.
„Nein! Was denkst du denn?“, verkündete Alex, was ihm einen vernichtenden Seitenblick meinerseits einbrachte. Was war denn so abwegig daran mich zu heiraten?
„RA-US!“, zischte ich und fuchtelte zur Unterstreichung mit dem Messer vor den Beiden herum.
„Ich sag doch schon seit einiger Zeit, dass sie irre ist! Sie keine Manieren und gehört in die Klapse! Jetzt bedroht sie uns schon mit einem Messer!“, meinte seine Mutter vorlaut. Diese Worte und die ganze Wut, die ich verdrängt hatte, kamen jetzt zum Tragen und ich schrie wie aus Liebeskräften.
„Ich war nicht derjenige, der seine Sachen gepackt hat und einfach abgehauen ist ohne eine Erklärung!“, wütend schob sie zur Tür heraus.
„Ach noch eine Sache, Alex. Gib mir den Zweitschlüssel zurück und lass dich gefälligst NIE WIEDER bei mir blicken!“
Zum Nachdruck fuchtelte ich noch einmal wild mit dem Messer, sodass Alex mir schnell den Schlüssel hinhielt.
Braver Alex. Sitz Alex! Platz Alex, dachte ich mir böse grinsend.
„Da ist die Tür!“, meinte ich noch und knallte meine Wohnungstür mit Nachdruck zu. Ich ließ das Messer fallen und rutschte an der Tür herunter.

Erst ein hämmern an meiner Tür ließ mich wieder zu mir kommen. Mir die Stirn reibend flitze ich ins Schlafzimmer, zog den Anzug von Alex heraus und ging wieder in Richtung Tür. Schnell zog ich diese auf und schleuderte den Anzug aus meiner Wohnung
„Vermaledeiter Arschkriecher!“, schrie ich noch und knallte die Tür wieder zu.
Erst als ich ein weibliches Zischen vernahm, schnallte ich, dass meine neugierige Nachbarin Frau Schniese voll ins Gesicht bekommen hatte. Egal. Soll sie halt nicht so neugierig sein!
Ich hatte genau das Richtige getan! Jetzt wollte ich nur noch zwei Sachen tun.
1. Pia anrufen, dass sie vorbeikam und mir beipflichtete, wie scheiße sich Alex in unserer Beziehung benommen hatte und wie doof es von mir war ihn so lange zu ertragen
2. Das Photoalbum aus dem Karibikurlaub verbrennen! (zum Glück hatte ich einen Kamin)
Schneller als man sagen konnte Verdammte-Kacke-ich-muss-Pia-erreichen-um-über-Alex-zu-lästern-und-das- Karibikphotoalbum-verbrennen, wählte ich die Kurzwahltaste von meinem Handy und wartete ungeduldig, dass meine beste Freundin abnahm.


5
Es tutete für meine Verhältnisse etwas zu lange. Aber ich war auch sehr, sehr ungeduldig.
Endlich nahm Pia ab.
„DU musst sofort zu mir kommen. Der totale Notfall! Ich will lästern und meine Wut herauslassen und irgendwas verbrennen. Beweg deinen Hintern hier her!“, befahl ich barsch. Stille.
„Ich nehme mal an, dass du Pia immer so nett begrüßt, oder?“, begrüßte mich Sarah.
„Pia ist noch auf der Arbeit und kommt erst in einer Stunde nach Hause.“
Sarah log. Ich hörte doch die Duschgeräusche im Hintergrund. Außerdem hatte Pia momentan Urlaub. Netter Versuch Schätzchen!
„Richte ihr aus, dass sie eine miserable Lügnerin als Freundin hat und mich zurückrufen soll, wenn sie fertig mit duschen ist!“, meine ich ruhig und hörte wie Sarah fluchte und auflegte. Ja, ja erwischt Süße! Eins zu null für mich!
Ich fischte meine Sportsachen heraus und suchte meinen Fehlkauf des Jahrhunderts, meinen Boxsack- den ich nie benutzt hatte, heraus und hängte ihn an einen Haken, der eigentlich für eine Hängematte gedacht war. Voller Wut schlug und trat ich auf den Sack ein. Außerdem erweiterte ich meinen Schimpfwortwortschatz um einige Wörter auf.
Bestimmt würde Frau Schniese ein Tonband mitlaufen lassen, sodass sie der Vermietung endlich einen Grund geben konnte mir zu kündigen. Aber selbst dieser Gedanke schaffte es nicht mir meine unendliche Wut zu nehmen.
Als mein Handy klingelte, war ich außer Atem, der Sportmangel machte sich wirklich bemerkbar!
„PIA?“
„Wer denn sonst? Was’n los, Süße?“
„Ich will lästern und meine Wut loswerden. Ich bin stinksauer und ich will irgendwas verbrennen!“, verkündete ich und erntete ein „O.o.“ ihrerseits.
„Bin unterwegs. Ach und Joe lass deine Einrichtung heile!“
Ich lachte bitter und legte auf. Ich war gerade erst so richtig in Fahrt. Nicht nur die Vorkommnisse mit Alex, seiner Mutter und all dem machten mich wütend, sondern auch die Tatsache, dass ich mir mehr von meinem One-Night… oder wohl eher Two-Night-Stand erwartet hatte. Wenigstens eine Nachricht… Stattdessen nichts und das machte mich beinahe so fuchsteufelswild, wie der Gedanke an den Auszug von Alex und dem Auftritt eben. Er hatte es gewagt mich so zu küssen, wie er es immer getan hatte. Jetzt wollte ich definitiv den Eispickel aus ‚Basic Instinkt‘, wobei mein Messer ihm auch schon einen höllischen Schrecken eingejagt haben musste. In unserer Beziehung war ich noch nie so ausgerastet. Eigentlich passte diese Aktion gar nicht so recht zu mir.
Als es an der Tür klingelte, zog ich sie schnell auf und zog Pia in meine Wohnung.
„Wie siehst du denn aus?“, hakte sie skeptisch nach als sie meine Aufmachung sah.
„Ich boxe!“
„Ah. Also hat sich der Kauf letztendendes doch gelohnt. Ich dachte schon das Ding würde von Motten zerfressen werden in deinem Schrank!“, lachte sie und erntete einen finsteren Blick.
„Hey nicht ich bin der Feind!“, murrte sie und setzte sich auf mein Sofa. Ich nickte und setzte mich zu ihr.
„Willst du was zu trinken?“
Sie schüttelte den Kopf und sah mich dann fragend an.
„Rate mal wer sich heute die Ehre gegeben hat hier zu erscheinen! Hätte mich meine Chefin nicht früher in den Feierabend geschickt, dann hätte ich meine Besucher wohl verpasst.“
„Wer?“
„Erst Alex und dann noch seine Schreckschraube von Mutter!“, zischte ich.
„Na hoffentlich hast du es ihm gegeben!“
„Ja ich war nahe dran es ähnlich aussehen zu lassen wie in ‚Basic Instinkt‘ zu seinem Glück hatte ich keinen Eispickel da!“
Sie lachte und ich fiel ebenfalls mit ein. Ich erzählte die ganze Geschichte und jedes Detail. Also wie mich seine Mutter und vor allem wie mich Alex angesehen hatte. Das war sowohl für Pia, als auch für mich Genugtuung.
„Warte!“, meinte ich und raste ins Schlafzimmer um das Photoalbum, welches wir nach unserem Karibikurlaub angefertigt hatten, aus meiner Schublade unterm Bett zu holen.
Wir sahen die Bilder durch und fischten alle mit Alex drauf heraus. Zu meinem Entsetzten stellte ich fest, dass beinah alle Fotos lediglich von ihm waren. Gott was für eine Verschwendung.
Ich begutachtete ein Foto auf dem wir zusammen waren. Es war das einzige aus dem gesamten Urlaub. Ich trug einen Strohhut, hatte meine Haare in einem Zopf zusammengebunden, trug meinen blauen Bikini und lächelte mein typisches Photolächeln. (Zähne aufeinander gepresst und dann die Lippen zu einem Lächeln zwingen) Denn ich hasste gestellte Photos. Schnappschüsse waren die Bilder, die mich eher in ihren Bann zogen.
Alex hatte seinen Arm um mich gelegt und grinste wahrscheinlich die nette vollbusige Einheimische an, die wir gebeten hatten das Photo zu knipsen.
„Das einzig Gute an der Beziehung war der Karibikurlaub. Zwei Wochen Sonne, Strand, Meer und Sightseeingtouren.“
„Ja, den Sex fandest du ja immer eher mittelmäßig!“, stellte Pia fest und ich musste lachen. Klar dachte sie nur an das Eine. Kleine versaute Pia!
„Naja und noch ein Pluspunkt war, dass er mich nie gezwungen hat Fußball zu schauen!“, fügte ich lachend an.
„Ja aber dafür wurdest du mit Basketball und Eishockey bestraft. Süße, nimm es mir nicht übel, aber wen interessiert das denn schon? Außerdem so schlimm ist Fußball gar nicht!“
„Amen! Das von einer Frau, die vor einer halben Ewigkeit noch nicht einmal wusste, was passives und was aktives geschweige denn allgemein Abseits ist pder aber wie viele Männer oder Frauen auf dem Platz gegeneinander antreten!“, lachte ich und verschluckte mich als Pia mich unsanft auf den Arm schlug.
„Bleib beim Thema!“
„Schon gut. Aber du hast recht gerade gut im Bett war er nicht. Also Cailean war dagegen ein wahrer Sexgott. Ich hab noch nie so oft einen Namen nacheinander geschriene und nach mehr verlangt.“
„Wer ist Cailean? Hab ich was verpasst?“, hakte Pia interessiert nach.
„Der Typ aus dem Club.“
„Ach der Nicht-Alex?!“, lachte sie.
„Sag mir jetzt aber nicht, dass du den gleich mit ins Bett genommen hast!“, tadelte mich Pia trocken.
„ÄH, okay ich hab ihn nicht in mein Bett genommen!“
„Du bist die schlechteste Lügnerin der Welt und Halleluja, da hat Gott wohl meine Gebete erhört und dich zu einem echten Drecksstück mutieren lassen!“
„Na danke, Pia.“
Wir lachten uns halb schlapp.
„Leider ist er ohne eine Nachricht am nächsten Tag abgehauen.“, fügte ich geknickt bei.
„Süße, so ist das nun mal bei einem One-Night-Stand. Keine Verpflichtungen. Einfach nur Sex. Und in deinem Fall sogar guter!“
Das war irgendwie nicht die Antwort, die ich hören wollte. Eigentlich gar nicht.
„Immerhin bist du nicht mehr ein solches Häufchen Elend wie am ersten Tag, als dich Alex verlassen hat! Gut so. Schwing dich gleich aufs nächste Pferd!“
Ich schüttelte nur den Kopf. Ich hatte den Sex mit Cailean genossen und seine Gesellschaft auch, wenngleich ich betrunken war. Hatte ich mich etwa in ihn verknallt? Nein. Bestimmt nicht. Es war bestimmt nur die Tatsache, dass er gut im Bett war und ich mich nach jemandem wie ihn gesehnt hatte. Auf garkeinen Fall wollte ich eine neue Beziehung anfangen! Diesen Stress und Liebeskummer wollte ich nun weißgott nicht so schnell noch einmal. Also Schwamm drüber.
Ich schnappte mir die aussortierten Photos, einen der Grillanzünder und deponierte alles im Kamin. Schnell zuckte ich ein Feuerzeug hervor und schaffte es sogar ohne mir die Finger zu verbrennen, den Anzünder anzuzünden.
Mit einem guten Gewissen und mit weniger Wut im Bauch sah ich dabei zu, wie meine Vergangenheit mit Alex in Rauch und Asche aufging. Im wahrsten Sinne des Wortes.
„Du bist echt eiskalt!“, meint Pia und lächelte mich aufmunternd an. Oh ja, Joelle Smith, die eiskalte Arschlochfrau!


6
Pia ging im Laufe des Tages wieder und ließ mich guten Gewissens zurück. Ich hatte eigentlich vor den Rest des Tages faul auf der Couch zu verbringen, doch dann kam mir in den Sinn, dass ich meinem Glück, so hoffte ich zumindest, auf die Sprünge helfen sollte. Was hatte Pia noch gleich gesagt? Auf das nächste Pferd aufspringen? Ich zog mich also schnell an und machte mich etwas geschminkt auf den Weg in meinen Lieblingsclub. Ich redete mir ein, dass ich wegen den Kerlen dorthin ging, doch mein kleines Teufelchen sagte mich offen und ehrlich, dass ich nur darauf wartete, dass ich Cailean begegnete um ihn erneut abzuschleppen oder aber es den Alex‘ heimzuzahlen. ALLEN!
So kam es dann, dass ich Abend für Abend im Club zubrachte.

Da heute Samstag war, konnte ich die Sau raus lassen und ging wieder in den Club. Da Pia mit Sarah verreist war, musste ich wohl oder übel wie den Rest der Tage alleine um die Häuser ziehen. Aber egal. Mir ging es gut.
So betrat ich bester Laune den Club. Noch war es nicht so überfüllt. Immerhin war erst früher Abend.
Ich deponierte meinen Körper an der Bar und bestellte mir ein alkoholfreies Bier. Ausnahmsweise wollte ich mich an meine Feststellung, dass Alkohol meistens einen Kater als Folge hatte und ich nie wieder trinken würde, in die Tat umsetzten.
Leider schmeckte das Bier nur halb so gut und ich zog es in schnellen Zügen leer. Schneller als ich gucken konnte, hatte ich ein alkoholisches Getränk vor der Nase stehen und einen nett aussehenden blonden Kerl an der Angel. Ungefähr so lange, bis er den Mund aufmachte, denn nur Stuss kam heraus. Und zu allem Übel auf dieser Welt hieß der feine Herr wie sollte es auch anders sein…ALEX.
Also zog ich Leine und lief prompt dem nächsten Alex in die Arme. Waren denn heute Abend nur Alex‘ unterwegs?
Fluchtartig ging ich wieder zur Bar und wurde von einer weiblichen Alex, sprich einer Alexandra angegraben. Schlimmer konnte es wirklich nicht mehr werden. Nicht wegen der Tatsache wieder einmal von einer Frau angegraben worden zu sein, nein sondern dass sie auch Alex hieß! Das brachte mich einfach zur Weißglut. Deshalb bestellte ich mir einen Malt Whisky und warf meine guten Vorsätze bezüglich des Trinkens über Bord.
Nach dem dritten Glas wurde mir langsam schlecht. Nicht weil ich zu viel getrunken hatte, sondern weil ich Paranoia hatte. Ich phantasierte mir in jede Ecke einen Alex. Alle Leute die auf mich zukamen wurden auf einmal mit dem Namen Alex angesprochen. Mir brach kalter Angstschweiß aus. Vielleicht war es doch an der Zeit umzuziehen. Vielleicht in eine andere Stadt, in der Hoffnung dass dort keine oder zumindest weniger Alex‘ leben würden. Doch da Alexander ein gängiger Name war, war er zeitlos sprich immer in und es gab immer und überall hunderte, nein tausende Alex‘. Es wäre also sinnlos meine schöne Wohnung aufzugeben!
Wenigstens soweit konnte ich noch klar denken. In Anbetracht der Situation sehr bewundernswert!
Da mir nun wirklich alles zu bunt wurde, nicht nur meine störenden Phantasien und Paranoia, sondern einfach alles an diesem Abend, trat ich den Heimweg an.

Ich stieg aus dem Taxi aus, das mich nach Hause gebracht hatte und Tatsache auch der Taxifahrer hieß Alex… jedoch Alexej Marokov oder so.
Nicht auf mein Umfeld achtend rutschte ich aus und knallte mit voller Wucht auf den harten Bürgersteig auf. Sogar Alex, der Taxifahrer sah zu, dass er Land gewann und raste davon. Anstatt mir zu helfen!
Zu meinem Pech war ich in einen Scheißehaufen ausgerutscht und zu allem Überfluss noch in besagten mit dem Hintern gefallen!
Fluchend und die Nase rümpfend fragte ich Gott warum er mir das alles antat. Zu meinem Glück war es mitten in der Nacht und niemand da, den es interessieren könnte.
Also rappelte ich mich gekonnt auf und ging in Richtung Eingangstür. Ich schloss entschlossen auf und beschloss die Schuhe auszuziehen und dann oben in Ruhe zu reinigen. Meine weiße Hose war wohl endgültig zerstört, denn ich würde sie mit Sicherheit nicht in meine Waschmaschine stecken! Ich meine Hallo-o. Da tat ich noch andere Sachen rein, aber damit sie sauber wurden und nicht mit Kacke bespritzt.
Mir mit einer Hand die Nase zuhaltend, zog ich meine Hose mit der anderen aus und knallte sie in die Mülltonne. Mal abgesehen davon, dass ich mitten in der Nacht in String auf der Straße stand, war es eine sehr, sehr lehrreiche Nacht für mich gewesen.
Ich würde nicht umziehen, weil es nichts brachte. Alex‘ gab es überall und das in Hülle und Fülle.
Irgendwas Schlimmes würde passieren, weil ich dieses Mal sogar in Hundekot getreten, ausgerutscht und hineingefallen war. Reife Leistung für jemanden wie mich!

In meiner Wohnung angelangt wischte ich mit einem Tuch den Schmadder ab und stellte sie vorsichtshalber in den Flur, denn den penetranten Geruch konnte ich nun weißgott nicht die ganze Zeit in der Wohnung aushalten!
Ich schloss die Tür ab, stieg unter die Dusche und fiel dann, kurz nachdem ich mir meinen Wecker gestellt hatte wie ein Stein ins Bett.


7
Ein nervtötendes Klingeln drang an mein Ohr, doch schneller als man hatte ‚Aufstehen‘ schreien können, hatte ich meinen Wecker verstummen lassen.
Genüsslich schloss ich meine Augen wieder und wurde nur kurze Zeit später, wie ich zumindest vermutete (meinem Gemütszustand zu urteilen) durch Sturmklingeln und hämmern an meiner Haustür wach.
Murrend rappelte ich mich auf, tapste in ein Staubnest und ging fluchend zur Tür. Lediglich in einem viel zu großen Schlaftop und einer Panty öffnete ich die Haustür. Am liebsten hätte ich sie sofort wieder zugeworfen.
Das hatte zweierlei Gründe:
Erstens stand meine nicht gerade freundlich dreinschauende Nachbarin Frau Schniese dort und zweitens roch es penetrant nach Hundekot.
Mir stiegen schon beinahe Tränen in die Augen aufgrund des Geruchs.
„Na endlich! Sagen Sie mal Fräulein Smith. Ich weiß ja nicht was bei Ihnen Momentan so los ist, aber das geht dann doch zu weit. Machen Sie die Schuhe dort weg, bevor ich sie hochkant aus der Wohnung werfe!“, regte sie sich auf und hielt sich die Nase zu.
Ich zuckte lediglich mit den Schultern.
„Von mir aus. Schmeißen Sie die halt aus dem Haus!“
Ich schloss die Tür wieder und beschloss erst einmal zu Frühstücken und den jährlichen Haushaltsputz zu veranstalten. Das meine ich vollkommen im Ernst, denn ich musste in der Zeit, in der ich mit Alex zusammen war nur einmal im Jahr putzen! Wahrer Luxus. Das Putzen der Wohnung hatte er immer übernommen. Liebe Frauen jetzt bloß nicht verzweifeln, wenn der eigene Herr den Sessel, eine Kiste Bier, Chips und Fußball vorzieht, aber Alex tat das auch nur, weil er gegen Hausstaub allergisch war und ich mich weigerte jeden Tag zu feudeln [für die, die den Ausdruck feudeln nicht kennen: wischen].

Ich schlang ein Knäckebrot mit Käse herunter und goss alles mit massig Kaffee nach. Als ich mich etwas munterer fühlte, band ich meine Haare zusammen und begann mit dem Wohnungsputz.
Erst kam die Küche dran, dann das Wohnzimmer, Bad und letztlich mein Schlafzimmer. Ich saugte freudig Staub, als er auf einmal ein komisches Geräusch von sich gab.
Schnell drehte ich den Fuß in meine Richtung. War ja klar. Verstopft. Ich schaltete den Staubsauger aus und prökelte das Stück Papier heraus.
Als ich mir es genauer ansah, ließ ich vor Schreck den Fuß und den Stiel des Staubsaugers auf den Boden fallen.
Auf dem Zettel stand in einer recht gut lesbaren Handschrift:

Sorry ich musste los. Ich fand unsere Begegnung wirklich lustig. Melde dich, wenn wir sowas wiederholen wollen :P
Cailean Finlay
XXXXX-XXXXXX


Ich las gleich alles noch mal, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht verlesen hatte.
„Nicht dein ernst!“, schrie ich in Richtung Himmel, denn auf die Idee unter meinem Bett nachzuschauen, wo ich nämlich gerade gesaugt hatte, war ich nicht gekommen. Wahrscheinlich war der Zettel runtergefallen. Mist, Mist, Mist!
Ich tippte die Nummer in Windeseile in mein neu erstandenes Telefon und wartete freudig darauf mit Cailean zu sprechen. Mein Blick glitt zur Uhr, die mir sagte, dass ich über zwei Stunden geputzt hatte und es bereits sechs Uhr abends war.
„Bei Finlay.“, begrüßte mich eine weibliche Stimme. Hatte ich eben noch den Höhepunkt der Achterbahn erreicht, so war ich jetzt auf dem Weg nach unten ins Tal. Wobei… Es konnte ja auch seine Cousine, Tante, Mutter oder Sekretärin sein. Ich sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen!
„Oh…äh Hallo. Hier ist Joelle Smith. Ist Cailean gerade zu sprechen?“, stotterte ich anfangs und kam dann besser rein. Eigentlich eine dumme Frage, denn das war seine Handynummer und er wäre sicher dran, wenn er zu sprechen war.
„Nein. Tut mir leid mein Verlobter steht gerade unter der Dusche. Soll ich ihm etwas ausrichten?“, stellte die Frau klar. Scheiße! Er war sogar verlobt! Na hoffentlich hatte er nicht an dem Tag gerade seinen Junggesellenabschied… Wobei was malte ich mir hier eigentlich aus? Und Warum musste das auch immer mir passieren?
„Ja. Sagen Sie ihm bitte, dass Joelle Smith angerufen hat.“
„Klar ich richte es ihm aus!“, meinte sie und ich wusste, dass sie log. Mein Anruf würde einfach gelöscht werden.
Komisch, hatte ich immer gedacht, dass Männer Arschlöcher waren, so wurde ich gerade eines Besseren belehrt. Frauen waren genau solche Wesen. Nur mit dem Nachteil, dass sie noch zickig und ansträngend waren… und besitzergreifend, wie ich gerade lernte.
Ich bedankte mich noch und legte dann auf. Hatte ich gerade noch an meiner Theorie: Alles wird gut!
Festgehalten, so war sie jetzt zerstört.
Ich atmete tief ein und aus. Bloß nicht in Selbstmitleid suhlen, dachte ich mir und zog mich aufreizend, aber nicht nuttig! an. Ich wollte jetzt aus Trotz auf Männerjagd gehen.
Mein kleines Engelchen hoffte immer noch darauf, dass seine Verlobte die Wahrheit gesagt hatte und ich mich vielleicht trotzdem mit Cailean treffen konnte, doch mein Teufelchen sagte mir, dass ich einfach nur in den Club gehen sollte und den nächstnesten Kerl aufreißen sollte.
Mein Herz hingegen hoffte auf die winzig kleine Chance, dass ich Cailean dort antreffen würde, selbst wenn seine Verlobte es ihm nicht gesagt hatte.
Mittlerweile gehörte es einfach zu meinem Tagesrhythmus und ich verbrachte viel Zeit in dem Club. Vielleicht sollte ich mir ein richtiges Hobby suchen, schoss es mir in den Kopf. Töpfern, Yoga oder aber Stricken.


9
Immer noch unschlüssig, was ich jetzt tun sollte, stand ich aufgebrezelt in meiner Wohnung. Letztlich gewann die Neugierde. Was wollte Cailean von mir? Warum lud er mich in ein Caffe ein?
Ich würde es herausfinden!, mit diesem Gedanken fuhr ich ins ‚Toffie‘.
Kurz nach halb drei kam mein Taxi an und ich sah Cailean bereits im Inneren des ‚Toffie‘ sitzen. Ich schluckte den Klos, der sich in meinem Hals gebildet hatte, herunter und betrat meine Bluse zu recht zupfend das Cafe.
„Hey.“, begrüßte ich ihn und umarmte ihn kurz mit links ein Küsschen, rechts ein Küsschen.
„Schön dich zu sehen! Du siehst hervorragend aus.“
„Danke. Du auch.“
Das tat er wirklich. Seine muskulöse Statur war in einem maßgeschneiderten schwarzen Anzug gekleidet, mit einem ebenfalls schwarzen Hemd, dessen obere Knöpfe leicht offen waren. Als Antwort lächelte er ein schiefes Lächeln.
„Nachdem ich dich verlassen hatte, hatte ich dir einen Zettel hinterlassen. Hattest du den gefunden? Ich hab nichts von dir gehört!“
Also hatte seine Freundin oder was auch immer tatsächlich meinen Anruf gelöscht und verschwiegen. MISTSTÜCK!
„Du hattest einen Zettel hinterlassen? Nein, den hab ich nirgends gefunden. Sorry!“, log ich. Er schien es mir abzukaufen. Gut so.
„Was stand denn drauf?“
„Meine Nummer und dass ich unser Treffen lustig fand und es wiederholen wollte.“
Ich kicherte und sah sein Lächeln. Während unsere beorderten Cappuccino kamen, flirtete er ungeniert mit mir und es war mir wirklich für einen Hauch einer Sekunde egal, ob er vergeben war oder nicht. Denn ich war wirklich glücklich! Aber so richtig.

Ich nippte gerade an meinem Cappuccino, als sein Handy klingelte. Fragend sah ich ihn an, doch er blickte nur entschuldigend zurück und sah auf das Display.
Seine Miene verfinsterte sich. Hatte er eben noch lächelnd dreingeschaut, so sah er nun grimmig aus. So als würde er dem Anrufer am liebsten den Kopf abreißen.
Seine Freundin, Verlobter oder was auch immer!

Die Realität kam wie eine schmerzvolle Ohrfeige!
Er hatte mir das Blaue vom Himmel erzählt und beinah hätte ich ihm geglaubt und währe ihm verfallen. Lautlos stand ich auf, legte Geld auf den Tisch und verschwand mich stumm verabschiedend. Ich wich seinem fragenden Blick aus und wank bevor ich schnell das Weite suchte. Denn die Szenerie hatte mir mal wieder Lehrgeld gegeben. Gehe niemals mit einem Mann aus, wenn dieser eher an einer Freundschaft interessiert ist, als an einer Beziehung, wenn du Letzteres willst. Außerdem flirte nicht mit einem solchen. Falsche Hoffnungen hatte ich schon genug!

Ich betrat meine Wohnung. Wie konnte ich nur so blauäugig sein?
Caileans waren eben doch gar nicht so anders als Alex‘, nur das weniger so heißen!
Ich hätte mich für meine Dummheit ohrfeigen können.
Wütend ließ ich mich auf die Couch fallen. Dort saß ich in einer Art Schockstarre geschlagene vier Stunden. Dann beschloss ich meine vollkommen verspannten Muskeln unter einem Schwall heißen Wassers zu beruhigen und stieg unter die Dusche. Es brachte mich tatsächlich zum Entspannen und ich konnte meine wirren Gedanken endlich einmal vergessen. Völlig erledigt fiel ich aufs Bett und ignorierte das Sturmklingeln an meiner Tür. Ich war enttäuscht und einfach nicht in der Stimmung irgendwen zu empfangen. Also kramte ich in meiner Nachttischschublade nach meiner Schokolade.
Doch selbst zwei Tafeln verzehrt, ging es mir nicht sonderlich besser. Nein zu allem Überfluss war mir jetzt schlecht. Ein einziger Scheißtag! Doch wer oder was hatte mich sogar gleich zweimal gewarnt?
- Der Scheißehaufen! (Glaubte ich nicht an Wahrsager oder Zufall, so glaubte ich jetzt an Hundekot mit vorherwahrsagenden Fähigkeiten)
Meine wirren Gedanken brachte mich letztlich dazu in einen traumlosen Schlaf zu fallen und mir endlich die alles ersehnte Ruhe zu gönnen.


10
Als ich meine Augen öffnete, mich für die Arbeit herrichtete und frühstückte, fiel mir ein Zettel auf. Er wurde durch meinen Briefschlitz geworfen und lag auf dem Boden.

Hey Joe,
du hast so fluchtartig das Cafe verlassen. Hab ich etwas Falsches gesagt oder getan? Meld dich bei mir. Hier ist meine Nummer. XXXXX-XXXXXX
Cailean



Ich hatte eh schon das Hirn darüber zermartert, ob ich ihn nicht endlich zur Rede stelle. Ich wollte ein für alle Mal Klarheit. Ich ging also zur Arbeit, verrichtete diese gut und rief unterdessen die Nummer an.
Tatsächlich ging Cailean ran und ich zitierte ihn zu meiner Wohnung in ein paar Stunden. Leider verging die Zeit heute eher in Stundentakt, statt Sekunden. Mein Blick glitt immer wieder zur Uhr zurück. Ich wurde ganz hibbelig.
Dennoch blieb ich brav bis zum Ende meines Arbeitstages im Büro und machte mich langsam auf den Weg in meine Wohnung.
Schnell saugte ich noch einmal Staub, denn schämen für meine Wohnung wollte ich mich nun wirklich nicht. Noch zog ich mich gerade um, als es klingelte. Blitzschnell schlüpfte ich in eine Jeans und ein Sweatshirt.
Ich öffnete die Tür und sah Cailean.
„Komm rein.“, einte ich und ließ ihn an mir vorbeigehen.
Er setzte sich direkt auf die Couch im Wohnzimmer und ich setzte mich auf den Sessel daneben.
„Was war denn los mit dir?“
Ich wagte es ihn nicht anzusehen. Viel mehr malte ich mir seine Reaktion auf seine Verlobte oder gar Frau aus.
Wirrkürlich fiel mein Blick auf seine rechte Hand und seinen Ringfinger. Doch dieser war ohne Ring oder Ringabdruck.
„Willst du etwas Trinken?“, fragte ich nach und er nickte.
„Wasser, wenn du hast!“
Schnellen Schrittes ging ich in die Küche, goss Wasser ein und überlegte akribisch, wie ich am besten anfangen konnte um meine Antworten zu bekommen.
Erst als ich mich umdrehte und gegen Cailean lief, bemerkte ich, dass er mir gefolgt war. Das Wasser schwappte etwas über, doch ich schaffte es die Gläser nicht fallen zu lassen. Respekt!
Doch ehe ich mich versah, hatte Cailean mir die Gläser abgenommen, sie zurück auf die Theke gestellt und seine Lippen auf meine gelegt. Wie ein Impuls folgend, schlang ich meine Arme um seinen Nacken und er zog mich dicht an sich. So hatte ich mir das klärende Gespräch zwar nicht vorgestellt, doch mein Verstand war völlig vernebelt und nahm nur am Rande wahr, dass ich lediglich meine Unterwäsche noch trug. Ich entledigte Cailean seiner Kleidung und mein Déjà-vu begann.
Nur mit dem Unterschied, dass wir es gerade in der Küche auf der Theke, sprich der Arbeitsfläche, die ich zum Glück noch kurz bevor Cailean kam gesäubert hatte, und trieben es miteinander. Voller Entzücken schrie ich seinen Namen und es war mir höllisch egal, ob er verlobt war oder nicht, denn er entführte mich gerade in Welten, von denen ich niemals gedacht hatte zu träumen.

Als ich meine Augen aufschlug, stellte ich fest, dass die Seite neben mir leer war. Auch die Bettwäsche zeigte keinerlei Rückstände oder aber Gebrauch von einer zweiten Person. Hatte ich mir das alles nur zusammenphantasiert und geträumt?
Nichts, aber auch gar nichts deutete auf Caileans Besuch und unseren Liebesakten hin.
Vorsichtshalber vergewisserte ich mich, ob nicht doch eine Nachricht da war. So schlau, dass ich auch unter dem Bett nachsah, war ich dann auch schon, doch auch dort war keine Nachricht zu finden. War ich vorher im Ungewissen, was war ich dann jetzt?
Wir hatten ein Three-Night-Stand und vor allem er eine Verlobte und ich tiefgründige Gefühle. Das gestand ich mir das erste Mal wirklich und ohne Leugnen ein.
Ich hatte mich Hals über Kopf in Cailean verliebt. Mein Herz an ihn verschenkt, ohne es zu wollen oder aber zu erahnen.
Mist aber auch!

Ich beschloss wieder in den Club zu gehen. Doch heute nicht mit dem Ziel Cailean zu begegnen, sondern mir einen Kerl anzulachen und mit ihm meinen Spaß zu haben. Beziehungen und vor allem das was zwischen mir und Cailean, zumindest meinerseits herrschte, war unerträglich! Ablenkung ist die halbe Miete. Oh ja!
Also stieg ich aus dem Bett und machte Mir würde sogar egal sein, wenn der Kerl Kevin, Brian, John und Peter oder Alexander hieß! Heute war es mir wirklich egal. Ich zog ein eigentlich viel zu knappes Kleidchen an und stieg in High Heels. Dann rief ich mir ein Taxi heran und fuhr in den Club. Keine Sekunde war ich an der Bar, wurde ich auch schon prompt von den Männern taxiert, bekam Drinks und bescheuerte Anmachsprüche wie Buletten an die Ohren gequatscht. Ein einigermaßen attraktiver Schwarzhaariger versuchte gerade sein Glück. Er hatte zwar seine Hand bereits auf meinem Oberschenkel liegen, aber immerhin war er intelligent genug um sich mit mir normal zu unterhalten. Doch seine Hand wanderte immer und immer höher. Wo wollte der denn hin, hm? Ich lächelte ihn an, doch als ich besitzergreifende Arme um meine Taille spürte und wie die Hand des Schwarzhaarigen weggeschoben wurde, wurde mir das alles zu bunt.
„Was fällt Ihnen ein?“, fragte ich an den Kerl hinter mir gerichtet und gab ihm eine Ohrfeige. Erst jetzt erkannte ich, dass es sich bei der Peron um Cailean höchstpersönlich hielt.
„Wofür war das denn? Verdammt ich will nicht, dass der dich so betatscht!“, schrie Cailean über die laute Musik hinweg.
„Das ist ja wohl meine Sache! Ich bin nicht dein Eigentum!“, schrie ich wiederum zurück.
„Verdammt Joe benimm dich nicht so kindisch!“
„KINDISCH?! Du hast sie doch nicht mehr alle!“, zischte ich und rauschte davon. Ich wusste, dass er mir folgte. Genau das war auch mein Plan. Ich wollte ungestört in normaler Lautstärke mit ihm reden. Immerhin schuldete er mir eine Antwort bezüglich vergeben oder nicht! Immerhin benahm er sich wie mein Freund. Ich wollte jetzt endlich ohne Umschweife wissen, was Sache war.
Wir betraten die Empfangshalle und gingen in die kalte Nachtluft. Etwas vom Eingang entfernt blieb ich stehen, so auch er und ich konnte ungestört mit ihm reden.

„Bist du so dumm oder tust du nur so?“
„Was?“
„WAS?“, äffte ich ihn nach.
„Meine Fresse. Ich hab mit ihr telefoniert?“, zischte ich.
„Mit wem?“
„MÄNNER!... Jetzt pass mal auf Kollege Turnschuh. Du beanspruchst mich hier als deine Freundin, denn kein anderer Kerl soll mich anfassen, das hast du gerade gesagt. Warum machst du hier so einen Aufstand? DU…“, begann ich und zeigte auf ihn.
„Bist verlobt!“, betonte ich jedes Wort und er erstarrte.
Für eine Sekunde brach mein Herz und ich wandte mich zum gehen ab. Hatte ich noch Hoffnung, dass er nicht verlobt war, so war sie jetzt weg. Doch er hielt mich sanft am Arm fest.
„Joe, sieh mich an!“, bat er.
„Bitte!“, flehte er nun, nachdem ich seiner Bitte nicht nachgekommen war. Sanft hob er mein Kinn an und zwang mich dazu in anzusehen. Ich ließ es geschehen. Immerhin hatte er ein Recht darauf sich zu verteidigen oder es abzustreiten oder aber zuzugeben.
„Vivian war meine Freundin bis gestern, aber ich war niemals mit ihr verlobt. Sie hat phantasiert. Sich das ausgedacht. War waren gerade einmal ein halbes Jahr zusammen. Dann traf ich dich und die sowieso sinnlose Beziehung wurde unerträglich. Sie ging fremd, ich ging fremd und so hab ich alles beendet. Ich wollte dich niemals belügen oder verletzen! Das war niemals meine Absicht!“, meinte er und sah mich durchdringend an.
Das verstand ich ja alles und es klang ehrlich. Dennoch klaffte eine riesige Wunde in meinem Herz, die nicht dort sein sollte. Ich durfte mich nicht hintergangen und benutzt fühlen. Denn ich wusste schon länger von seiner Beziehung zu einer Frau. Nur war ich enttäuscht, dass er es zugab. Was erwartete ich denn? Eigentlich war er mir keine Rechenschaft schuldig, denn um genau zu sein hatten wir zu dem Zeitpunkt nur Sex.
Doch wenn ich ehrlich zu mir selber war, dann hatte ich nie, zu keinem Zeitpunkt nur Sex gehabt. Ich fand ihn von der ersten Sekunde an sympathisch und das wurde mir nun zum Verhängnis. Innerhalb kürzester Zeit wurde ich zum Emo schlechthin.
„Ich will aber nicht der Grund für die Trennung von deiner Freundin sein und…“, schrie ich hysterisch, unterbrach mich kurz und setzte dann ruhig und bedächtig wieder an:
„So will ich das aber nicht. Tut mir leid.“
Mit diesem Satz drehte ich mich um und ging. Schweren Herzens ging ich. Doch es war das Richtige für mich in diesem Moment.
Ernüchternd betrat ich meine Wohnung und bereute schon jetzt meine Entscheidung. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht ihn stehen zu lassen? Ich hatte ihm vor den Kopf gestoßen und gar nicht richtig zu Wort kommen lassen. Scheiße! Aber mein Stolz verbot mir jetzt noch etwas zu ändern.


kleine Anmerkung der Autorin:
Ich hab endlich meine Schreibblockade überwunden und weiter geschrieben. Ich hoffe, dass es euch weiterhin gefallen hat.
Danke fürs Lesen, die netten und auch kritischen Kommis und vor allem die Sternchen!
LG
Juliana




11
Warum musste ich immer nur so stur sein? Ich hatte das gehört, was ich nicht hören wollte. Ich war diejenige gewesen, die Cailean jetzt einen Korb erteilt hatte. Noch immer dachte ich jede freie Minute über ihn und mich nach. Über alles und nichts. Um mich abzulenken, vergrub ich mich schon seit Tagen, Wochen und Monaten in Arbeit. Schob sogar gerne Überstunden. Die Hauptsache war einfach, dass ich nicht zum Nachdenken kam. Ich wollte mir nicht noch mehr den Kopf zerbrechen. Ich wollte auch kein Weihnachtsfest feiern. Nicht ohne Cailean.
Es klopfte an der Tür zu meinem Büro.
„Herein.“, murrte ich.
„Ah Miss Smith. Sie vergessen doch nicht die Weihnachtsfeier am 24. Dezember? Wie jedes Jahr gibt es einen kleinen Empfang, Buffet und kleine Präsents. Um 16:30 Uhr geht das Spektakel los.“
Ich nickte. Die Weihnachtsfeier, bei der alle Anwesenheitspflicht bis um 18:30 hatten. Super. Das hatte ich ganz verdrängt. Außerdem auch, dass Weihnachten vor der Tür stand. Das würde dann mein erstes Weihnachten alleine werden seit mehr als… seit immer. IN meiner Kindheit war ich bei meinen Eltern gewesen, mit zwölf dann immer bei Pia und dann bei Alex. Dieses Jahr würde alles anders sein. Pia tröstete mich seit einiger Zeit mit Ausreden, warum sie keine Zeit für mich hatte und mit meinem Vater hatte ich kein Wort mehr geredet nachdem sich meine Mutter umgebracht hatte und ich die Schuld bekommen und den Geldhahn abgedreht bekommen hatte.
Ich schnappte mir meine Jacke, zog meinen Schal um und machte mich auf den Weg in die Innenstadt. Ich wollte shoppen. Ob ich nun Geschenke benötigte oder nicht.

Doch nach nur wenigen Minuten verging mir die Lust. Überall waren glückliche Pärchen und Familien. Das war eindeutig zu viel des Guten. Schnell zuckte ich mein Handy und wählte die Nummer, die ich seit langem nicht mehr gewählt hatte.
„Lane.“, begrüßte mich Pia.
„Hey Pia ich bin’s Joe. Hast du Zeit die alljährliche Shoppingtour mit mir zu machen?“, fragte ich etwas zögerlich. Sie würde bestimmt passen.
„Klar. Ich muss noch ein Geschenk für dich und Sarah kaufen. Ich dachte schon du fragst gar nicht mehr. Treffen wir uns im Center beim Juwelier?!“
Ich war etwas perplex.
„Ja.“, meinte ich dann knapp und freute mich wie ein Kind bei der Einschulung.

„Du siehst echt scheiße aus!“, begrüßte Pia mich einige Minuten später und ich rang mir ein Lächeln ab.
„Zum totlachen ehrlich!“
„Ach komm schon. Wo ist die Frau, die sonst immer weihnachtliche Stimmung verbreitet hat?!“, munterte sie mich auf.
„Im Urlaub?!“, konterte ich und begann automatisch zu lächeln. Warum hatte ich bloß nicht früher etwas mit Pia unternommen? Sie brachte mich immer auf gute Laune und zum Vergessen meiner Sorgen. Wie heißt es doch so schön… Hinterher ist man immer schlauer!
Wir klapperten so ziemlich jeden Laden ab und kauften wie die Weltmeister ein. Kein Wunder, dass so viel los war. Es war Schlussverkauf, denn Weihnachten war schon übermorgen.
„Na wenn wir beide nicht erfolgreich waren.“, verkündete Pia und ließ sich auf einen Cafestuhl fallen.
Ich nickte zustimmend und stellte meine Taschen ab.
„Ich bestell uns eben einen Cappuccino okay?“, meinte ich und machte mich auf den Weg zur Bestellfront.
„Ich geh dann noch schnell was für dich besorgen okay?“, rief mir Pia hinterher und ich drehte mich verwundert zu ihr, nickte jedoch zustimmend.
So langsam kam Weihnachtsstimmung bei mir auf.
Ich beorderte zwei Cappuccino an unseren Tisch und nahm noch zwei Stück Schokotorte mit. Pia ging gerade als ich ankam weg. Hatte sie da ein Handy an der Backe?
Schulterzuckend ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und stellte fest, dass Pia auch ihre Taschen mitgenommen hatte. Komisch… Hatte sie etwa Angst um ihr Hab und Gut?
Ich wartete… Sowohl auf den Cappuccino als auch auf Pia. Doch weder das Eine, noch das Andere bekam ich. Fragend sah ich mich um und wäre beinah vor Schreck umgefallen.
Kein geringerer als Cailean Finlay stand vor mir.
Ich bekam keinen Ton zwischen den Zähnen hindurch, als er auf mich zukam und mich begrüßte.
Ich hatte mit wirklich allem gerechnet, aber nicht mit Cailean.
„Hey. Wie geht es dir Joe?“, hakte er erneut nach.
Endlich fand ich meine Sprache wieder und mein Schreck kehrte sich in Freude um.
„Äh… Ganz gut. Was machst du denn hier?“, wollte ich wissen.
„Hmmm…“, machte er und sah sich dabei um.
„Was macht man wohl in einem Café?“, fragte er und ich klatschte mir in Gedanken ein Brett vor den Kopf.
„Also es gibt etwa hundert verschiedene Dinge, die man hier tun kann.“, konterte ich und musste aufgrund seines Gesichtsausdrucks lächeln.
„Dir fallen nur hundert verschiedene Dinge ein?“, hakte er süffisant lächelnd nach und ich musste endgültig lachen. Das hatte ich seit Wochen nicht mehr getan.
„Cailean kommst du?“, hakte eine weibliche Stimme nach und mein Lächeln schwand augenblicklich. Was hatte ich denn auch erwartet?! Frust, Schmerz und unfassbare Wut stiegen in mir auf. Frust, weil ich geglaubt hatte, dass er noch Single war, Schmerz, weil ich es nicht ertragen könnte, wenn er vergäben wäre und Wut, weil ich ihn stehen gelassen hatte.
„Ich muss dann mal los.“, meinte er, bewegte sich jedoch keinen Millimeter.
„Aha.“, meinte ich und sah im in die Augen. Er wollte nicht gehen und ich wollte auch nicht, dass er es tat. Doch beide waren wir zu stolz. Er drehte sich um und schlenderte davon. War ich wirklich zu stur?
„Warte.“, rief ich ihm hinterher und war ihm nachgegangen. Mein Mund und meine Beine waren mal wieder schneller gewesen, als mein Gehirn es abwägen konnte. Schnell hatte ich ihn eingeholt, nur um einen Ausblick auf keine geringere zu haben, als meine Chefin.
„Oh Miss Smith, Sie kennen sich?“, fragte sie mit großen Augen nach und sah mich dabei belustigt an. Wer zu letzt lacht…, dachte ich mir.
„Flüchtig.“, konterte er und ich zog Cailean unsanft zur Seite, was er seinerseits nur mit einer hochgezogenen Augenbraue quittierte. Danke auch.
„Ich…“, setzte ich an, doch Pias Stimme, die quer durch das Cafe nach mir rief, ließ mich innehalten.
Ich drehte mich kurz an und nickte ihr zu. Zu meinem Glück hatte sie mich gesehen.
„Cailean, es tut mir wirklich leid, wie ich mich damals verhalten habe. Ich hatte kein Recht dazu so zu reagieren. Ich wollte nur, dass du weißt, dass es mir wirklich schrecklich leid tut.“, gab ich kleinlaut zu und hoffte, dass er es mir etwas leichter machen und etwas entgegnen würde. Doch das tat er nicht. Stumm sah er mich an und nickte dann nach einer Ewigkeit knapp mit dem Kopf.
War das etwa alles? Sollte so unsere Versöhnung aussehen? In meiner Phantasie zogen wir uns gegenseitig aus und stiegen voller Freude und Erwartung miteinander ins Bett und es gab ein... they lived happily ever after…
Doch jetzt das…
„Ich hab noch etwas vor. Tut mir wirklich leid. Vielleicht ein anderes Mal.“, meinte Cailean nur und ging ohne eines weiteren Wortes oder Blilckes.
War für mich schon die Welt vor einigen Monaten auseinandergebrochen, so wurde sie gerade zerschmettert und ich musste sie mit einem Kehrblech vom Boden zusammensuchen.
Tränen stiegen mir in die Augen und mit hängendem Kopf stolperte ich mehr schlecht als recht zu meinem Platz zurück, auf dem mittlerweile sowohl Pia als auch unser Cappuccino warteten.
„Was ist denn passiert? Joe. Joelle, was ist los mit dir. Du sahst eben noch so glücklich aus und jetzt?“
„Mein Leben ist Scheiße!“, sprudelte es aus mir heraus und ich brach in Tränen aus. Leise schluchzend und schniefend nahm ich einen Schluck vom Cappuccino.
„Der ist ja kalt!“, bemerkte ich und sah Pia an.
„Willst du drüber reden?“
Den Kopf schüttelnd verneinte ich.
„Dir ist auch nicht mehr zu helfen!“, pflaumte mich Pia mit einem Mal an.
„Sarah hat Recht! Immer wenn es dir scheiße geht bin ich die beste Freundin und wenn nicht, dann lässt du nichts von dir hören. Weißt du was?! Du bist echt unerträglich geworden. Sag bescheid, wenn du wieder du selbst bist!“
Mit diesen Worten rauschte Pia an mir vorbei. Nur um Sekunden später wieder neben mir zu stehen.
„Hier. Das ist dein Weihnachtsgeschenk!“, zischte sie und verschwand dann endgültig. Musste ich das gerade verstehen? Denn das tat ich auf keinen Fall. Binnen weniger Sekunden hatte ich meine Hoffnungen auf ein Happy End und meine beste Freundin verloren und all das zwei Tage vor Weihnachten!


12
Niedergeschlagen betrat ich meine eigenen vier Wände und benutzte meinen Boxsack ein zweites Mal. Die Wut und der Schmerz zerfraßen mich innerlich und ich wollte einfach nur noch schreien und auf etwas einschlagen.
Das tat ich gekonnt eine Stunde, denn dann sackte ich kraftlos auf dem Boden zusammen und weinte mich in den Schlaf. Ich war schon wirklich ein Häufchen Elend. Zu meinem Glück hatte ich Urlaub. Übermorgen müsste ich noch die Weihnachtsfeier über mich ergehen lassen und dann konnte ich in Ruhe bis nach Neujahr in Selbstmitleid baden.
Mit Rückenschmerzen wachte ich am nächsten Morgen auf und beschloss mir ein neues Kleid zu gönnen. Eigentlich wollte ich nur Frustshoppen, weil ich Ablenkung brauchte, aber egal. Mittlerweile hatte sich sogar der Himmel gegen mich verschworen, denn es schneite dicke Flocken. Wow, dachte ich mir- endlich mal Schnee zu Weihnachten. Seit einigen Jahren hatte es stets geregnet und erst zu Neujahr geschneit. Ich stiefelte dick eingepackt in Richtung Shoppingmeile. Dort angekommen genehmigte ich mir einen Kaffee to Go und tingelte durch die Boutiquen. Als ich vor einem bodenlangen, royalblauen wunderschönen Kleid stand, wusste ich, dass es das werden würde, das ich morgen auf der Weihnachtsfeier tragen würde. Sofort schlüpfte ich in es hinein und begutachtete mich im Spiegel gegenüber der Umkleide. Ich drehte mich und bestaunte mein Spiegelbild. Es sah einfach nur umwerfend aus. Nein, ich sah umwerfend aus.
Wieder umgezogen bezahlte ich und machte mich auf den Weg nach Hause.

Als mein Wecker klingelte, hätte ich ihn am liebsten zerstört, doch ich ermahnte mich und stieg aus dem Bett. Ein Blick durch meine noch heruntergelassenen Jalousien verkündete mir nichts Gutes. Es hatte so doll geschneit, dass über einen halben Meter Schnee in der Gegend herum lag. Na super. Zudem war es saukalt in meiner Wohnung. War etwa die Heizung ausgefallen oder was? Wütend ging ich in mein Badezimmer um zu duschen und mich zurechtzumachen. Leider hatte ich kein heißes Wasser. Das war doch nun wirklich zu viel des Guten.
Schnell setzte ich zwei Töpfe mit Wasser und meine Wasserkocher auf. Irgendwie musste ich ja warmes Wasser bekommen. Ich ließ etwas kaltes Wasser in die Badewanne laufen und goss danach das heiße dazu. Schnell sprang ich ins warme Nass und entspannte. Etwa so lange bis ich auf die Uhr sah. Es war bereits 15:45 Uhr. Mist. Schnell trocknete ich mich ab und stieg in mein Kleid, legte etwas legeres Make-up auf und steckte meine Haare etwas hoch. Schneller als Schnell zog ich meine Winterboots, Mantel und Schal an und verstaute meine Schuhe in meiner Handtasche. Innerhalb kürzester Zeit war ich am weihnachtlich-erleuchteten Bürogebäude angekommen und betrat es bedächtig. Es war nämlich bereits etwas nach halb fünf.
Ich eilte auf die Fahrstühle zu und fuhr nach Oben. Unterdessen nutzte ich die weihnachtliche Fahrstuhlmusik und Fahrtzeit dazu meine High Heels anzuziehen. Oben angekommen, gab ich meine Jacke und meine Schuhe ab und versuchte die Blicke vom Garderobenjungen zu ignorieren. Meine Chefin hielt bereits die jährliche Winterrede als ich den Saal betrat.
Alles war bunt. Damit meine ich wirklich alles. Der gesamte Saal leuchtete in rot, silber, blau, grün und überall hingen Nistelzweige und ein riesiger Tannenbaum stand in der Ecke. Es sah grauenvoll und gleichzeitig kitschig gut aus. Eine komische Kombination, wenn man mich fragte. Natürlich hatte das niemand getan. Warum auch…?!
Als ich wieder zur Bühne sah, erstarrte ich.
Blaan Finlay stand dort wo eben noch meine Chefin gestanden hatte und hielt ebenfalls eine Rede. Hatte ich etwa etwas verpasst?
Suchend sah ich mich im Raum um. Vielleicht war Cailean dann auch nicht weit. Doch ich konnte ihn nirgends ausfindig machen. War ja klar!
Als alle applaudierten und jubelten, nahm ich an, dass Blaan mit seiner Rede fertig war und endlich gefeiert wurde, aber dann hörte ich ständig meinen Namen rufen.
„Joelle Smith?“
„Ist Joelle Smith heute anwesend?“, hakte eine andere Stimme nach. Ich blickte auf und ging wie in Zeitlupe auf die kleine Bühne zu.
„Ah, da ist sie ja.“, meinte meine Chefin und wedelte mit einer kleinen Trophäe in der Hand und einem Blumenstrauß. Ich ging zögernd auf die Bühne und nahm die Trophäe und den Blumenstrauß entgegen, auch wenn ich nicht wusste wieso ich so etwas bekommen sollte.
„Sie haben wundervolle Arbeit geleistet und das gesamte Jahr über ihre Arbeit ehrenhaft erledigt. Nehmen Sie sich alle ein Beispiel an unserer Mitarbeiterin des Jahres.“, verkündete meine Chefin und ich starrte sie perplex an.
„Also auf eine gute Zusammenarbeit mit Finlay Industries und Ihnen allen ein frohes Fest. Lassen Sie uns heute Abend feiern.“
Alle klatschten und lachten und nur wenigen Sekunden später ging die Musik an und ein lautes: „Highway to Hell“ ertönte.
„Wenn ich ihnen unsere neuen Geschäftspartner Blaan und Cailean Finlay vorstellen dürfte.“, stellte mich meine Chefin vor und ich sah zwischen Blaan und Cailean hin und her.
„Das ist unsere Vorzeigearbeiterin Joelle Smith. Sie wird ihnen ab nächsten Jahres zur Verfügung stehen.“
Das waren ja ganz neue Töne.
Niemand sagte etwas und eine unangenehme Stille entstand zwischen uns. Cailean als auch Blaan starrten mich einfach nur an. Ich jedoch versuchte einen grazilen Abgang zu machen und mich unter die Leute zu mischen. Es gelang mir mehr schlecht als recht, denn jeder zweite sprach mich auf meinen Titel an und ich wurde andauernd betätschelt. Als ich bei Sascha, einem guten Kollegen von mir ankam, brach ich in Gelächter aus. Ich, diejenige, die alle Jahre zuvor immer zu spät erschienen und ständig ausgefallen war, wurde dieses Jahr zur Angestellten des Jahres. So konnte man sich ändern. Selbst Sascha fiel mit in mein Lachen ein.
„Echt knorke oder?“, lachte ich und hielt ein Bild von mir und einen kleinen Pokal nach oben.
„Ja.“, meinte er knapp und zog mich zur Tanzfläche.
Wir tanzten einige Zeit zu Klassikern wie: All I want for Christmas is You und Last Christmas.
Dann sah ich Cailean. Er ging gerade in Richtung Buffet. Gefolgt von meiner Chefin, doch ich sah darin meine Chance. Die einzige, die ich mir noch zugestand. Ich machte mich von Sascha los, der einfach weiter tanzte und ging auf das Buffet zu. Ich konnte nur einige wenige Gesprächsfetzen zwischen meiner Chefin und Cailean auffangen, doch es klang nach. Richtige Entscheidung und Beziehung… Egal. Ich musste das jetzt tun.
Als ich dann vor Cailean stand, verschlug es mir den Atem. Er sah unfassbar sexy in seinem Maßanzug aus. Doch solche Gedanken konnte ich gerade nicht gebrauchen!
Ich klärte meinen Kopf und setzte an, wurde jedoch durch meine Chefin unterbrochen.
„Miss Smith. Feiern Sie gut. Cailean und ich werden noch einige Details besprechen und dann…“, setzte sie an, verstummte jedoch aufgrund meiner Tat.
Ich hatte mich immer dichter an Cailean herangeschoben und ihn geküsst. Beziehungsweise küsste ich ihn immer noch. Als ich nach einiger Zeit mein Augen wieder öffnete, sah ich dass Cailean angespannt war und die gesamte versammelte Mannschaft uns wortlos anstarrte.
Das war eine Abfuhr, die ich nicht erwartet hatte, denn er sagte nichts, sondern starrte mich nur an. Meine Chefin war ebenfalls perplex und sah von ihm immer wieder zu mir.

Unterdessen zersprang mein Herz in tausend und abertausend klitzekleine Teilchen. Die Splitter bohrten sich in meinen Leib und machten es für mich beinah unerträglich noch zu atmen. Ich war den Tränen nahe und wenn ich mich nicht irrte, dann rann eine schon einige stumm meine Wangen entlang. Ich war ja so dumm. Ich war ohne Grund sauer auf ihn gewesen und hatte ihm mein Vertrauen entzogen. Lange Zeit hatten wir uns nicht gesehen und es hatte Funkstille zwischen uns geherrscht. Wieso erwartete ich jetzt also eine Gefühlsregung seinerseits nach alledem? Wieso wollte ich, dass er mich noch genauso wollte, wie ich ihn?

Ich hätte mich am liebsten geohrfeigt und wäre im Erdboden versunken. Meine Gefühle waren einfach nicht zumutbar. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Beschämt und zu tiefst verletzt senkte ich meinen Blick und verließ wie ein Häufchen Elend den Saal. Ich spürte die bohrenden, fragenden und verwirrten Blicke auf mir, doch es war mir egal. Mein Herz war zerstört! In so kurzer Zeit hatte ich mein Herz verschenkt, war zu stolz gewesen es zuzugeben und hatte es jetzt ruiniert. Meine Sicht verschwamm immer weiter und der schwarze, tiefe Abgrund in den ich hineingezogen wurde, übermannte mich beinahe. Zitternd wankte ich in die Empfangshalle und zog mir meinen Mantel und Schal an.
Ich war ein einziges wandelndes Stückchen Elend. Vorgeführt und zu tiefst verletzt worden. OH ja: MÄNNER SIND ARSCHLÖCHER!


13
Ich trat auf den verschneiten Fußweg und setzte einen Fuß vor den anderen. Es war mir egal, ob es heftig schneite, kalt und windig war. Ich war sowieso leer.
Erst als ich Arm um meine Taille spürte, blieb ich stehen und drehte mich um.

Cailean. Er war mir gefolgt.
Er senkte sanft seine Lippen auf meine und wir küssten uns mit all der aufgesparten Leidenschaft, die wir die ganze Zeit füreinander verspürt hatten. Mein Herz machte einen Sprung und zeigte mir, dass der Sekundenkleber, den man benutzt hatte um es wieder zusammenzufügen, funktionierte. Wir ließen von einander ab, sahen uns kurz an und lächelten dann.

„Zu mir oder zu dir?“, hakte ich süffisant lächelnd nach, was er mit einem komischen Blick entgegnete.
„Also meine Heizung funktioniert nicht, aber ich habe einen Ofen- Mist aber kein Feuerholz. Wir könnten aber auch…“, bevor ich meine Nervosität noch deutlicher zeigen konnte, küsste mich Cailean wieder und begann zu lachen.

Ich ließ von ihm ab.
„Dann fangen wir wenigstens noch einmal von vorn an?!“, hakte ich nach und er nickte.
„Ich bin Joelle Smith.“, meinte ich ernst und lächelte ihn verführerisch an.
„Kevin-Alexander Finlay!“, stellte er sich vor und fing sich prompt einen kleinen Klaps auf dem Arm ein.
„Du hast gesagt noch einmal.“, lachte er und zog mich an sich. Mein Blick wurde auf einmal komisch und distanziert.
Ich stellte zu meinem Entsetzten fest, dass wir beide in Hundekot getreten waren. Ein Lächeln umspielte meine Lippen, als Cailean seinen Blick nach unten richtete und zu fluchen begann.
„Ha, Schicksal und ich mach dir doch einen Strich durch die Rechnung!“, schrie ich gen Himmel. Immerhin war etwas Gutes nach einem Malheur passiert. Ich hatte Cailean bekommen. Mein persönliches Happy End.


14
Cailean schleppte gerade die letzte seiner Kisten in die Wohnung, als es an der Tür klingelte. Wer wollte denn um diese Uhrzeit noch etwas von uns?
„Ich mach schon. Fang du schon mal an dein Zeug hier irgendwo in der Wohnung zu verstauen, Schatz.“, rief ich Cailean, der seinen knackigen Hintern gerade durch unsere Schlafzimmertür schob, hinterher.
„Miss Smith!“, stellte meine dauer freundliche und neugierige Nachbarin Frau Schniese fest.
„Ja die bin ich. Und zwar schon seit mehr als neunzehn Jahren. Ich bin nämlich vor einigen Wochen zwanzig geworden.“, machte ich mich über sie lustig.
„Das ist nicht witzig, Fräulein!“
„Aha.“, machte ich knapp.
„Was kann ich denn für Sie tun? Brauchen sie eine Rasse Zucker oder Mehl?“, hakte ich lächelnd nach.
„Dieser Umschlag wurde vorhin bei mir für Sie abgegeben. Sieht aus wie eine Einladung.“, gestand sie und ich wusste, dass sie schon in den Umschlag hineingesehen hatte. Schnüfflerin.
„Oh. Vielen Dank, Frau Schniese.“
„Wer ist denn der Mann da in Ihrer Wohnung? Haben Sie den gemeldet?“, schwenkte sie das Thema plötzlich um.
„Oh nein, das ist ein Massenmörder, der neugierige Nachbarinnen umbringt. Das sollten Sie schnellstens der Polizei und Hausverwaltung melden!“, sagte ich in Schauertonfall und knallte die Tür zu. Dann brach ich in Lachen aus. Cailean sah mich tadelnd an.
„Ich war wirklich mal im Gefängnis.“, stellte er nüchtern fest und ich verschluckte mich beinahe. Jetzt war es an ihm in Lachen auszubrechen.
„Du Arsch!“, zischte ich.
„Komm wieder runter Prinzessin. Was hast du denn da?“
Ich begutachtete den Briefumschlag skeptisch und setzte mich auf die Couch.
Vorsichtig besah ich die Handschrift mit meinem Namen darauf.
Dann öffnete ich den Umschlag und mit einem Mal wurde ich kreidebleich. Cailean sah mich fragend an und als Antwort hielt ich ihm die Einladungskarte entgegen.
„Alexander Wright und Tina Brown trauen sich…BLA…BLA… Sonntag 25.09. um 16:00 Uhr in der St. Johns das Ja….BLA…BLA… Bis zum 10.09 bitten wir um Antwort. Herzlichst Alexander, Tina und Familie.“
Er sah mich fragend an. Doch dann hielt ich noch eine kleine rosa Karte hoch.
„Einladung zum Jungesellinnenabschied?!“, hakte Cailean nach.
„Jap.“
„Kennst du diese Tina denn?“
„Ich schüttelte den Kopf.“
„Aber du willst da hin?“
„Keine Ahnung!“, meinte ich kleinlaut.
Sollte man als Ex-Freundin auf die Hochzeit seines Ex-Freundes gehen? Und vor allem auf die Einladung zum Jungesellinnenabschied der Braut gehen? Ich dachte immer, dass da nur Freundinnen der Braut hingingen und etwas mit der Braut unternahen…
„Wahrscheinlich will die Braut seine Ex-Feundinnen abchecken.“, meinte Cailean nachdenklich.
„Oder aber Alex‘ Mutter hat die Einladung verschicjt um mir zu zeigen, dass ihr Sohn schnell eine Andere gefunden hat, die so viel besser ist als ich. Sie rechnet bestimmt damit, dass ich wie ein Häufchen Elend zu Hause sitze und niemals zu den Feiern kommen werde. Darauf verwette ich meine linke Pobacke!“
„Du willst da also wirklich hin?!“
„Klar, wenn du mich begleitest!“
„Du willst auf die Hochzeit deines Ex um deiner ehemaligen Schwiegermutter in Spe eine reinzuwürgen?!“
„Ja…“, meinte ich knapp.
„Joe, das klingt in meinen Ohren so, als würdest du sie beeindrucken wollen. Willst du noch was von Alex?“
Ich sah Cailean wütend an. Er kannte die ganze Geschichte und das nur, weil er sie gerne hören wollte.
„Wir streiten uns jetzt aber nicht gerade wegen der Zimtzicke schlechthin oder? Wenn du sie kennen würdest, würdest du dasselbe tun!“, beharrte ich.
„Wir haben noch einen halben Monat Zeit es uns zu überlegen.“
„Würdest du mich denn begleiten, wenn ich mich dazu entscheiden würde zu gehen?“
„Ich liebe dich und deshalb solltest du die Antwort kennen, Joelle.“, meinte er knapp und setzte sich zu mir auf die Couch.
„Aber wenn du auf die Idee kommst, wenn wir mal heiraten sollten, deine Ex-Freunde einzuladen, dann tick ich ab.“
„Verstanden. Checkliste an mich selber: Zur Hochzeit keine Ex-Freunde einladen.“
„Ich meine es ernst Joelle.“
„Ich liebe dich auch, Cailean!“, konterte ich und küsste ihn stürmisch. Seit genau zehn Minuten waren wir offiziell zusammengezogen. Das musste gefeiert werden.


Anmerkung:
Ich hab endlich die Zeit gefunden weiter zu schreiben. Sorry, dass es so lange auf sich hat warten lassen. Jetzt hat das Buch die 50 Sternchen/Herzen, die ich mir erhofft hatte! Danke an alle.
LG
Juliana





Impressum

Texte: © Juliana
Bildmaterialien: Dieses Recht liegt nicht bei mir ;). Lediglich etwas Photoshop angewendet.
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Hmmm... Ich widme dieses Buch meinen treuen Lesern und denen, die ein Kommi oder Sternchen da lassen oder es noch werden...

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