Cover


1
„Hey ihr Süßen!“, begrüßte Zack mich und meine Mitbewohnerin und zudem beste Freundin Roxy.
„Zack.“, gab ich schniefend zurück.
„Hey.“, das war Roxy.
„Süße, was hast du denn?“, hakte Zack skeptisch nach, als er meine angeschwollenen und geröteten Augen sah.
„Besser, Joe?“, fragte mich Roxy. Als Antwort schüttelte ich nur meinen Kopf.
„Irgendwas stimmt nicht mit mir. Ich weiß auch nicht…“
„Ist deine Ampel auf Rot umgesprungen?“, fragte Roxy.
„Hä?“
„Na ob deine rote Tante zu Besuch ist?“, klärte Zack mich auf. Manchmal war er einfach zu feminin. Wobei, wenn ich es bedachte… Hatte ich ihn eigentlich jemals mit einer Frau gesehen? -Keine Ahnung. Notiz an mich selbst: In der nächsten Zeit darauf achten.
Ich verdrehte die Augen. Typisch für Roxy. Sie schlussfolgerte meine Stimmungsschwankungen immer so. Leider hatte sie auch meistens Recht damit.
„Also?“, hakte sie weiter nach.
„Gott ich hab eine Absage bekommen. Im allerletzten Moment haben die mir doch abgesagt!“, schniefte ich.
„Oh, schade. Der Job wäre das Sahnehäufchen gewesen. Ich hätte bei Victoria’s Secret laufen können. Aber lies mal die Begründung.“, erklärte ich und reichte Roxy das Stück Papier.
„Sehr geehrte Frau Killigan, bla, bla, bla… Tut uns leid Ihnen mitteilen zu müssen… bla, bla, bla… Das ist nicht deren Ernst oder?“
„Was denn?“, fragte nun auch Zack sichtlich interessiert.
„Hör dir das an Zack: Aufgrund Ihrer skurrilen Tattoos ist es nicht möglich sie ein zu setzten…. Ist das zu fassen. Das sind coole Tattoos. Die sind echt bescheuert, wenn die dich nicht wollen!“
„Finde ich auch!“, stimmte Zack mit ein.
Ich musste über meine Freunde lächeln. Klar ich war attraktiv: Blonde lange Mähne, grau-blaue Augen, rundes, aber nicht unvorteilhaftes Gesicht, sinnliche Lippen und einen stramm trainierten Körper. Also die besten Voraussetzungen für die Show. Wären da nur nicht diese dämlichen Tattoos, die sich beinah über einen Großteil der rechten Hälfte meines Körpers zogen. Ich hatte sie seitdem ich denken konnte. Sie waren stets da gewesen. Doch erst als ich älter wurde, traten sie auf. Ich hatte höllische Schmerzen gehabt. Schlimmer als sich ein Tottoo stechen zu lassen. Da war ich mir sicher. Ich hatte immer Blackouts bekommen. Sogar einmal, während einen Auftrittes. Danach wurde ich kaum noch gebucht. Toll.
Also zierten diese Dinger, von denen niemand die Bedeutung wusste nun also die rechte Seite meines Nackens, meiner Schulter, meines Rückens bis hin zu meinem Oberschenkel. Selbst in meiner Achselhöhle waren leichte Linien zu sehen und an meiner Brust. Super würde sich das etwa noch ausbreiten? In all den Jahren rechnete ich mit allem.
„Du bist also in der nächsten Zeit frei?“
„Ja, wie es scheint, Zack. Warum?“
„Na, du wolltest dir schon seit einiger Zeit den Entwurf meiner Ausstellung ansehen. Und ich würde dich sehr gerne auch mal ablichten. Du weißt, dass mein Thema Kunst in seiner eigenen Form ist oder? Ich finde dein Körper ist ein Meisterwerk. DU würdest gut in meine Ausstellung passen. Passt es dir morgen um zehn?“
„Ich komme gerne vorbei, doch über das Ablichten meinerseits reden wir noch mal.“
„Na also. Können wir dann jetzt Essen gehen? Oder muss ich heute Abend ohne Essen ins Bett?“, brachte sich Roxy ein.
„Lasst uns gehen!“, befahl ich, raste ins Bad und stellte fest, dass ich verdammt verheult aussah.
„Kann noch ein wenig dauern…“
„Beeil dich ein Bisschen. Ansonsten vernasche ich in der Zwischenzeit Zack.“
Wir alle drei mussten anfangen zu lachen. Den brachte Roxy immer, wenn sie hungrig war. Also beschloss ich mich ein wenig zu beeilen. Ich wusch mich, klatschte mir ein wenig Schminke ins Gesicht und schlüpfte in meine neuen Jeans. In einer ausgewaschenen roten Jogginghose würde mich da draußen niemand zu sehen bekommen.
So kam es dann, dass wir in einem der schicksten Restaurants der Stadt saßen und mal wieder über die neusten Schlagzeilen diskutierten.
„Nicht dein Ernst.“, stellte Zack fest.
„Doch es sind doch tatsächlich wieder technische Probleme bei Google aufgetreten. Ich wette, wenn ich es versuchen würde, könnte ich mich in den Server hacken und würde tonnenweise Daten von euch beiden dort finden, wobei ich bei dir Joe nur eine Minute brauchen würde, dann hätte ich deinen Computer geknackt.“, lachte sie.
„Tja, nicht jeder kann halt ein Technikgenie sein, wie du Roxy. Du hast den Grips und ich das gute Aussehen! Kein Wunder, dass wir zusammen wohnen.“
„Ach so, jetzt sind wir ja gar nicht eingebildet oder was?“
Sie machte einen Schmollmund, was mich und Zack in Gelächter ausbrechen ließ. Peinlich, wenn man bedachte, dass wir in einem der renommiertesten Restaurants in der Stadt saßen und ich dazu noch in Jeans.
Die Schnösel auf den billigen Plätzen starrten uns schon ganz verwirrt an. Wahrscheinlich fragten sie sich, was wir hier zu suchen hatten.
Der nette Kellner von vorhin kam zu uns geeilt. Was war dem denn über die Leber gelaufen? So wie der dreinschaute.
„Ich nehme den klassischen Shrimpsalat und ein Glas Orangensaft, bitte.“, entgegnete Roxy ihm lächelnd, als er am Tisch ankam.
„Und ich nehme das Rinderfiletsteak, bloody mit der Curry-Bananen Sauce und…“
Weiter kam ich nicht.
„Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin nicht da um ihre Bestellung aufzunehmen, sondern Sie zu bitten sich an einen anderen Tisch zu setzten.“
„Was?“, hakte ich nach.
„Hören Sie. Wir haben diesen Tisch seit fast drei Monaten jede Woche. Immer und immer wieder bestellen wir diesen rechtzeitig vor. Es ist der mit dem besten Ausblick. Auf gar keinen Fall werden wir den tauschen!“, verkündete Zack hörbar verärgert über die Dreistigkeit des Kellners.
Zwei Riesen, die in schwarz gekleidet waren, tauchten hinter dem Kellner auf. Wollten die uns jetzt etwa vor die Tür setzen?
„Bitte. Diese Herren sind unsere V.I.P’s und haben sich nun mal diesen Tisch ausgesucht. Wenn Sie also so freundlich wären.“, bat der Kellner, mit dem Blick ins Leere, erneut.
Ich vernahm ein ‚okay‘ und ein ‚geht klar ‘ von Roxy und Zack. Sie starrten nur den Kellner an.
„Nein. Das ist eine Frechheit!“
„Madam. Ich bitte Sie…“
„Wenn jemand meint eine Very Important Person zu sein, dann ist das sein Pech! Wir werden nicht gehen.“, beharrte ich. Doch Zack und Roxy standen zu meinem Entsetzten auf und boten ihre Stühle dar. Super mussten sie mir ausgerechnet jetzt in den Rücken fallen?
„Roxy, was soll denn der Scheiß?“, flüsterte ich ihr zu.
„Na sieh dir doch mal die Kerle an. Ich nehme den linken mit den blonden Haaren. Den anderen kannst du gerne haben.“, flüsterte sie zurück.
Jetzt sah ich mir die beiden Männer mal genauer an. Naja, wer modelt hat schon einige Sahneschnitten gesehen, aber diese beiden Exemplare waren echt mal der Hammer. Egal, Joe sie wollen deinen Stammtisch, an eurem Stammabend! NO GO!
„Wissen Sie was? Wir machen einen Deal. Wir essen jetzt noch schnell und Sie kommen dann in ein-zwei Stunden wieder und können gerne den Tisch haben! Klingt doch super oder?“
Ich hatte die beiden Männer direkt angesprochen.
„Tut mir leid Miss, aber wir benötigen den Tisch sofort!“, entgegnete mir der blonde mit einem eiskalten Blick.
„Las uns gehen, Joe.“, trällerte Zack, was ich mit einem strengen und wenn Blicke-töten-könnten Blick strafte.
„Wie wär‘s, wenn wir einfach einen Gruppentisch aufmachen und uns den Tisch teilen?“, fiel Roxy ein.
Ich beobachtete die Reaktion der Männer. Blondchen schaute verwundert drein und dann strafend seinen Kollegen Gothy an. Zack verließ ohne jeglichen Widerstand den Tisch und ging auf den Eingang zu. Man, der konnte einem echt in den Rücken fallen!
„Dann eben nicht!“, entgegnete Roxy trocken und raste Zack hinterher. Verräterin!
„Verdammte Scheiße!“, fluchte ich nicht gerade der Etikette entsprechend.
Ich ging am Kellner vorbei und stand unmittelbar vor den V.I.P’s.
„Arschlöcher trifft es wohl eher als V.I.P’s!“, zischte ich die beiden an und schob sie zur Seite um zu Roxy und Zack zu kommen, die bereits in ihre Mäntel gekuschelt da standen.
Ich zog mir meinen schwarzen knöchellangen Mantel an, während Roxy und Zack schon auf die Straße gingen.
Vor mich hin fluchend, lief ich direkt in jemanden hinein.
„Scheiße, verdammter Mist! Können Sie denn nicht aufpassen. Was ist heute, Arschlochtag?“, fragte ich immer noch wütend und funkelte den Mann an.
„Entschuldigen Sie.“, entgegnete er mir ebenfalls sauer und schritt an mir vorbei.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass der Kerl mindestens zwei Meter groß sein musste und durch die Narbe, die sein nicht gerade unattraktives Gesicht entstellte, doch verdammt angsteinflößend wirkte. Gott, der sah ja noch wütender aus als ich. Seine Augen waren nachtschwarz gewesen. Ohne jegliche Gefühlsregung. Ich rieb mir den Nacken und band meine Haare in einem Zopf zusammen. Immerhin war es am Schneien und Schnee und meine Haare vertrugen sich so gut, wie Roxy und Alkohol. Also gar nicht. Immer wenn meine Haare feucht wurden, bekam ich supertolle Kringel. Die ganze Angelegenheit wäre ja nicht schlimm gewesen, wenn die wenigstens gleichmäßig gewesen wären, doch wenn die eine Seite glatt blieb und die andere Seite wie seit Tagen nicht gekämmt aussah: Absolutes NO GO!
„Was sollte das denn Leute?“
„Ach komm schon Jonah, die waren doch echt heiß!“
„Na und. Es waren arrogante Pisser, die sich für super wichtig halten. Man jetzt hab ich immer noch Hunger!“
„Ja und ich erst.“
„Tja Ladys. Dann sollten wir was bestellen. Bei mir oder bei euch?“, klinkte sich nun auch mal Zack ein.
„Bei uns.“, erklärte Roxy und wählte schon die Nummer unseres Lieblingsasiaten.
„Ich will Sushi.“, freute sich Zack.
„Und du Joe? Wie üblich?“, fragte Roxy mich.
Doch ich hatte mich noch einmal umgedreht und sah zu dem Mann mit der Narbe, der zufälligerweise genau in diesem Moment in meine Richtung sah. Erst als Roxy mich kurz antippte, wandte ich meinen Blick ab.
„So wie immer!“, lachte ich und zog die Beiden schon eine Spur weit besser gelaunt zu einem haltenden Taxi.


2
Die zwei Wochen bis zur Ausstellung von Zack vergingen wie im Flug. Wie versprochen hatte er mir und Roxy V.I.P- Tickets, was eigentlich nur so viel bedeutet wie: Das sind meine Freunde, zugesandt. Ich hatte hier und da Fotoshootings gehabt und durch die Überstunden die Roxy schob, sie seit zwei Wochen nicht mehr richtig unter die Augen bekommen.
So stand ich also vor meinem Kleiderschrank und suchte nach etwas Passendem. Es klopfte.
„J-ja?“, fragte ich und Roxy betrat das Zimmer.
Sie trug ein elegantes knallrotes Kleid und ebenso knallrote Pumps und duftete frisch nach Erdbeeren.
„Wow. Du siehst und riechst echt gut!“
„Danke. Was ziehst du an?“
„Keine Ahnung!“
„Wie wär’s mit dem aquamarinfarbenen Kleid. Zieh das mal an.“
„Nein. Das ist mir a) zu kalt und
b) viel zu einsichtig für eine Kunstaustellung mit anschließender Auktion. Wie findest du das?“
„Warum nicht!“, entgegnete sie und ich schlüpfte in ein dezentes, enganliegendes schwarzes Kleid und zog dazu den passenden langärmligen Bolero an und meine schwarzen Pumps.
Meine Haare bekamen die volle Dröhnung meines Föhns, dann meines Glätteisens und schließlich des Haarsprays.
Ein kritischer Blick in den Spiegel und schon machten Roxy und ich uns auf den Weg zum Sektempfang. Zu meinem Glück schneite es dicke Flocken. Als wir also die kleine Strecke von Taxi zum Eingang des Ausstellungssaals gerannt waren, erreichten wir den Empfang.
Wir gaben die Karten und unsere Mäntel ab und traten ein. Es war wunderschön dekoriert und Roxy drückte mir eines der Sektgläser in die Hand. Ich riskierte einen schnellen Blick in den Spiegel und stellte fest, dass die Tonne Haarspray, die sich in meinen Haaren befand vollkommen bewährt hatte, denn alles saß noch an Ort und Stelle.
Ich sah mich suchend nach dem kleinen Bild, das ich bereits bei Zack begutachten durfte, um. Roxy stand etwas gelangweilt neben mir.
„Menno.“
„Was Roxy?“, fragte ich nach.
„Na, hier sind nur reiche alte Säcke, die zu allem Überfluss noch ihre vollbusigen und vollschlanken blonden Tussis dabei haben. Warum gibt’s bei solchen Ausstellungen denn nie Männer in unserem Alter, die noch nicht nach Tod aussehen?“
Ich musste lachen. Roxy war immer so direkt. Deshalb mochte ich sie. Die ersten Worte, die wir mit einander gewechselt hatten waren: ‚Setz dich wo anders hin du Freak.‘ und ihre bissige Antwort darauf war gewesen: ‚heul doch du Schlampe‘
Das waren Zeiten gewesen. Auch genannt die High School.
Aber wir waren stets zusammen. Bis heute.
„Meine Rede, aber im Gegensatz zu dir bin ich nicht auf Männersuche, sondern suche ein Bild!“
„Äh. Joe. Sieh dich mal um, hier sind überall Bilder!“, witzelte sie.
„Sehr komisch.“
Sie zischte wieder ab. Wahrscheinlich immer noch auf der Suche nach einem annehmbaren Kerl.
Ich hingegen war immer noch auf der Suche nach meinem Lieblingsbild. Als ich es endlich fand, machte ich auch das Rednerpodest und eine riesige abgedeckte Leinwand aus.
Ganz in der Nähe des noch abgedeckten Bildes hing mein Lieblingsbild und die Skulptur, die ich zuvor im Atelier bewundert hatte, stand auch dort.
Staunend betrachtete ich den Preis und dann wieder und wieder das Bild. Es war wirklich mini im Verhältnis zu seinem Rahmen. Gerade so groß wie ein Notizzettel der Größe 10x10. Aber welcher normale Mensch gab schon 1.570 Dollar für dieses Bild aus?
„Wunderschön nicht wahr?“, fragte eine männliche Stimme hinter mir, die ich zuvor nicht bemerkt hatte.
Statt mich umzudrehen antwortete ich einfach frei heraus.
„Ja. Das ist mein absolutes Lieblingsstück dieser Ausstellung. Zack hat es mir bereits vorher gezeigt. Ich liebe es. So viele Farben…“, begann ich zu schwärmen.
„…und eine hohe Anzahl von verschiedener Gestik des Alltags. Das Leben in verschiedenen Formen und Farben.“, vollendete der Mann den Satz.
Ich drehte mich um. Genau das hatte ich auch sagen wollen. Naja, so in etwa.
„Sie kennen den Künstler?“, hakte der Mann nach.
„Äh, ja. Das klingt jetzt bestimmt total komisch, aber kennen wir uns nicht von irgendwoher?“, fragte ich verwirrt.
„Lustig, das sagen mir irgendwie alle Frauen.“, entgegnete er und verzog seine Lippen zu einem Lächeln.
Erst jetzt fiel mir auf, dass beinah alle Frauen mich eifersüchtig anstarrten. Ich nahm den Kerl argwöhnisch unter die Lupe. Er war nicht viel größer als ich. Vielleicht eins achtzig oder so. Blond und blauäugig. Ich bemerkte gar nicht, dass ich ihn anstarrte, doch als Roxy mich antippte, kam ich zurück.
„Äh, Joe?“
„Ja. Ro… Jetzt weiß ich es wieder. Die Very Important Persons. Zumindest einer davon! Sie haben uns den Tisch geklaut!“
Roxy starrte mich verwundert an.
„Jetzt wo du’s sagst. Ja. Das ist der Kerl!“, fügte Roxy bei.
„Willst du mich gar nicht vorstellen?“
Das war die nächste Frage. Okay und dieser Blick. Nicht Brad Pitt wäre der nächste, sondern der da! So viel stand schon mal fest.
„Entschuldigung, wo habe ich meine Manieren gelassen?“
Ja das fragte ich mich auch.
In diesem Moment tauchte der hünenhafte Riese mit der Narbe im Gesicht und den schwarzen ausdruckslosen Augen auf. Der der mich beinah über den Haufen gerannt hatte.
„Ich bin Alokay Vittec.“, er bot seine Hand an, die ich nur skeptisch begutachtete, während Roxy diese ergriff.
„Ich bin Roxy Sinclare und das ist meine bezaubernde Freundin Jonah Luca Killigan, freut uns.“, trällerte sie aufgeregt. Nicht wirklich, fügte ich in Gedanken an.
Wie auf Kommando kam Zack zu uns.
„Hey Zack. Wir bewundern grade die Ausstellung. Es ist wundervoll. Verrätst du mir jetzt das Thema?“
„Hautnah! Aber shh. Immerhin muss ich ja noch eine Rede halten und mein Meisterwerk enthüllen.“
„Das sind Alokay Vittec und… äh…“
„Sly Wemyss.“, stellte sich der Hüne vor.
„Die Ausstellung ist wirklich wundervoll, da muss ich Miss Killigan Recht geben. Ich bin gespannt auf ihr Hauptwerk.“, merkte er an.
Ich sah ihn direkt an und lächelte. Immerhin einer, der meine Meinung teilte.
„Hat mich gefreut. Und Roxy, Joe wir reden später. Ich muss meine Rede halten!“, verkündete er fröhlich.
Ich sah ihm nachdenklich hinterher und als ich mich wieder zu Roxy umdrehte, standen Sly Wemyss und Alokay Vittec etwas abseits. Doch schon im nächsten Augenblick waren zwei Frauen um Alokay Vittec herum und versuchten Konversation zu betreiben. Sly Wemyss hingegen sah dem Szenario belustigt zu. Seine Lippen hatten ein kleines, kaum sichtbares Lächeln angenommen.
Oder irrte ich mich?
„Man der eine sieht echt angsteinflößend aus und das nicht nur, weil er einen schwarzen Smoking, Hemd, Krawatte und Schuhe trägt. Seine Augen…“, begann Roxy im Flüsterton.
„…Kein Wunder, dass die Frauen ihn meiden und lieber mit dem Schnuckelchen Alokay Vittec flirten.“, fügte Roxy hinzu.
„Reiß dich zusammen. Man spricht nicht über Leute, hinter deren Rücken. Außerdem kann ich genau so angsteinflößend aussehen, wenn ich erst einmal in Fahrt bin und das weißt du. Ich finde er sieht ganz normal aus… Zack fängt jetzt mit seiner Rede an. Man ich bin ja sowas von gespannt auf sein Meisterwerk... Hautnah!“, flüsterte ich tadelnd zurück.
„Meine Damen und Herren. Ich freue mich über Ihr Kommen und bin stolz darauf Ihnen meine Kunstreihe ‚Hautnah‘ vorzustellen. Hiermit läuft der Countdown und Sie haben noch eine Stunde um sich die Ausstellung anzusehen, denn dann beginnt auch schon die Auktion. Hier ist also mein Meisterwerk der ‚Hautnah‘-Reihe.“
Zack zeigte auf das abgedeckte Kunstwerk und der Vorhang fiel. Genauso, wie meine Kinnlade. Und auch Roxy verschluckte sich an ihrem Sekt.


3
Ich starrte die bestimmt fünf Meter hohe Leinwand an und ging näher ans Kunstwerk. Unter dem Bild hing ein Schildchen, das mir mitteilte, dass das Kunstwerk ab 25.000 Dollar zu erwerben wäre.
Ich lachte hysterisch auf. Auch Roxy war nun neben mich getreten und räusperte sich.
Ich sah sie an.
„Ich dachte eigentlich immer, dass…“, begann sie, brach jedoch ab, als sie mein Gesicht sah.
„Oh-oh. An Zacks Stelle würde ich mich jetzt verdrücken. Du siehst genau so angsteinflößend aus wie dieser Sly Wemyss!“, bestätigte Roxy meine Wut.
Wütend stapfte ich zu Zack, der mich anrauschen sah und mich in einen Raum zurückzog.
„WAS ZUR HÖLLE! Zack du hast mir bei deiner Ehre versprochen keines der Fotos zu verwenden! KEINS! Und was muss ich feststellen? Du hast mich beziehungsweise mein Abbild zum Hauptkunstwerk gemacht?!“
„Beruhig dich doch mal! Du solltest dich geschmeichelt fühlen!“, entgegnete er frech.
„Ach ja… So siehst du das also! Mein Lieber, ich bin nackt auf diesem Bild. Man sieht mich auf dem Boden rekelnd. All meine Tattoos sind zu sehen und zu allem Überfluss hab ich dir noch vertraut. Wenigstens hast du meinen Kopf nicht mit auf die Leinwand gebracht! Ich bin STOCKSUAER! Nimm das Bild aus der Reihe. Sofort, ansonsten zeige ich dich an!“, drohte ich schreiend.
„Das kann ich nicht. Außerdem weiß niemand, dass das da dein Astralkörper ist. Lass uns einen Deal machen. Das Geld, was die Auktion bringt teilen wir fünfzig-fünfzig.“
„Nein. Nimm es RAUS!“, schrie ich immer noch entsetzt, vor allem über die Frechheit, die er an den Tag legte.
„Vierzig-sechzig, das ist mein letztes Angebot Du bekommst sechzig Prozent und ich vierzig! Überleg doch mal Joe!“
Jetzt reichte es mir und ich verpasste ihm eine. Mitten ins Gesicht! Upps bekam er etwa gerade Nasenbluten. Sein Pech! Vor Wut tobend kam ich zurück in den Saal, wo bereits alle meinen Körper und die Tattoos bewunderten.
Aus Reflex schaute ich, dass der Bolero, den ich ein Glück angezogen hatte auch alle Tattoos abdeckte.
„Das Bild wurde bestimmt mit Photoshop bearbeitet. Keine Frau hat einen solchen Körper.“, mutmaßte eine alte arrogante und dazu noch fette Schnepfe. Eifersucht sprach aus ihrem Blick.
„Ich glaube, dass die Tattoos nicht echt sind. Wer will denn schon so rumlaufen. Sein Leben lang?!“, flüsterte eine Andere. Roxy hatte die Aussagen auch gehört und sah meine mittlerweile vor Wut und Zorn zeugende Miene. Sie wusste, wenn noch jemand seinen Kommentar lassen würde, würde ich am Rad drehen.
„Also ich denke, dass sie alle nur eifersüchtig auf diesen Astralkörper sind. Außerdem sind die Tattoos doch voll cool. Noch niemand hat solche Zeichen. Was wohl für die Besonderheit der Person spricht.“, verteidigte Roxy mich und ich warf ihr einen dankenden Blick zu.

Die Auktion begann und einige Stücke wurden für viel Geld versteigert. Auch auf Roxy und mein Drängen hin, hatte sich Zack geweigert mein Bild aus der Auktion auszuschließen.
Das vorletzte Stück war mein Lieblingsbild, das versteigert wurde. Moment wurde denn die bescheuerte Skulptur von Zack nicht versteigert? Die mit seinen Farben? Ach ja das war ja sein Glücksbringer. Von wegen Glück!
„Das Gebot liegt bei 5.500 Dollar bei dem Herrn mit der Nummer 7. 5.500 Dollar zum Ersten… 5.500 Dollar zum Zweiten. Zum dritten. Verkauft für 5.500 Dollar an den Herrn mit der Nummer 7. Nun kommt das Schmuckstück der Sammlung. Die Gebote starten ab 25.000 Dollar…“
Wer hatte mein Lieblingsbild ersteigert? Ich sah mich vorsichtig um und stellte fest, dass kein Geringerer als Sly Wemyss, der außergewöhnlich attraktive Mann mit der Narbe, das Bild ersteigert hatte. Der Mann mit den schwarzen, beinah leblosen Augen. Was wollte ein Mann wie er mit solch einem Bild? Egal!

Aber nun zu wichtigeren Dingen mein Körper würde versetigert werden. Und mein Plan zur Sabotage stand. Hoffentlich funktionierte er auch!
„Höre ich 25.000? -25.000. 30.000…..“
„Ich biete 50.000!“, entgegnete ein Mann hinter mir.
„So geht das eigentlich nicht…“, erklärte der Auktionsleiter.
„55.000.“, entgegnete Sly Wemyss. Er bot mit. Er bot mit?
„60.000.“, bot der andere wieder.
„60.000. Bietet jemand mehr? 60.000 zum Ersten. Zum Zweiten… Verkauft an den Herren mit der Nummer 3 für 60.000 Dollar.“, beendete der Auktionier. Das war Roxys Stichwort. Sie rannte zu Zacks Glücksbringer und öffnete eine der Farbdosen. Der Inhalt landete auf meinem abgelichteten Körper. Verdutzt starrten sie alle an. Bevor die Security sie jedoch erreichen konnte, stand sie schon auf dem Rednerpodest.
„Das Bild ist nicht zu verkaufen. Es ist gegen den Willen der Abgelichteten in dieser Kunstausstellung!“, einte sie.
„DAS BILD IST UNVERKÄUFLICH!“, sagte Roxy nun nachdrucksvoller.
„Wohl eher zerstört.“, knurrte Zack.
Ich konnte mir ein Lachen nur sehr schwer unterdrücken, verließ jedoch mit Roxy an meiner Seite, die immer noch verdutzte Menschenmenge. Niemand hielt uns auf. Selbst an der Garderobe gab man uns unsere Mäntel.
„Danke Roxy!“
„Dein Plan war genial. Jetzt will das bestimmt niemand mehr haben!“, lachte sie fröhlich.
„Zack ist bestimmt stinksauer!“
„Na und. Er hat dich angelogen und dein Bild ausgestellt. Mal abgesehen davon, dass ich das Bild echt heiß fand!“
„Ja. Ich find‘s ja auch nicht schlecht. Abgelichtet auf einer fünf Meter Leinwand ist schon ganz schön cool, aber der Gedanke daran, dass sich vielleicht ein fremder Kerl deswegen einen runterholt oder so… Süße das geht gar nicht.“
Roxy begann zu lachen.
„Naja, beinah hätte das Sly Wemyss ersteigert. Du weißt schon, der Kerl mit der Narbe.“, sie zwinkerte mir zu.
„Ja. Oh Gott.“
Ich wank ein Taxi heran, das uns in unsere Wohnung fuhr.
Dort angekommen, machte sich ein komisches Gefühl in der Magengegend breit, was ich jedoch tunlichst ignorierte.
Mit Roxy an meiner Seite erklommen wir die gefühlten tausend Stufen bis zu unserem Stockwerk.
„Warum müssen wir noch mal im fünften Stock wohnen?“, fragte mich Roxy.
„Falsche Frage.“, entgegnete ich grinsend.
„Die Frage ist nicht warum wir im fünften Stock wohnen, sondern warum wir immer die Treppen nehmen, obwohl es einen Fahrstuhl gibt. Und die Antwort meine Liebe kennst du nur zu gut: Fettverbrennung!“, fügte ich an und brach in Gelächter aus, als Roxy mich wehleidig ansah.
Endlich erreichten wir die fünfte Etage und Roxy schob keuchend den Schlüssel ins Schloss.
„Nein, auch das war die falsche Frage, Joe. Die Frage war eher, warum du immer der Meinung bist die Stufen im Schnellgang zu meistern! Zudem noch im Abendkleid!“
„Ach, stell dich nicht so an du Freak.“
„Tze. Lass dir doch noch ein bisschen Botox spritzen. Ich glaube du bekommst da schon Falten.“
Schnippisch wie immer. Lachend zogen wir unsere Mäntel aus und Roxy ging ins Wohnzimmer, während ich auf das Badezimmer zuhielt.
Ein Schrei von Roxy ließ mich innehalten. Aber nur kurz. Hatte sie etwa ihre verlorengegangene Kette unterm Sofa widergefunden?
Ich zog meinen Bolero aus, schlug aber zur Sicherheit den Weg ins Wohnzimmer ein. Nicht, dass Roxy zufälligerweise an einem Herzinfarkt gestorben war, oder so.
Doch das Szenario, das sich mir im Wohnzimmer bot, konnte skurriler nicht sein. Ich lugte verholen durch den Türspalt und sah, dass Roxy von einem Mann im Anzug an der Kehle hochgehalten wurde. Ein anderer Kerl hatte das Reden übernommen.
„Wer ist die Runenträgerin?“
Roxy schwieg. Ihre Tränen verbergend.
„Wenn du sie nicht hierher lockst, werde ich dich persönlich aussaugen! Vorher ist diene kleine, blonde Freundin, die im Bad ist, an der Reihe. Otis hol die kleine Rubacuori!“, drohte der Sprecher und der Würger, drückte erneut zu. Bevor ich hereintreten konnte, wurde mein Mund von hinten zugehalten, ich wurde zurückgezogen und gegen eine muskulöse Männerbrust gedrückt.


4
Ich fackelte gar nicht lange und biss demjenigen, der mir den Mund zu hielt in die Hand.
Doch sie lockerte sich kein bisschen.
Dann ging alles auf einmal sehr schnell. Eine Gestalt fegte an mir in übernatürlicher Geschwindigkeit vorbei. Erst nachdem derjenige einen der Kerle enthauptet hatte, konnte ich ihn erkennen.
Alokay Vittec?!
Was zur Hölle machte er in meinem Wohnzimmer? Woher zum Teufel wusste er wo Roxy und ich wohnten? Und noch wichtiger war die Frage warum er den Kerl gerade enthauptet hatte und er zerfallen war wie ein Häufchen Elend.
Der andere Typ sah nur verärgert drein und griff dann Alokay an. Zu meinem Pech ging die Einrichtung grade mit drauf. Super! Als ob die bescheuerte Miete nicht schon teuer genug war, nein jetzt musste auch noch unsere Einrichtung draufgehen. Wie zur Hölle sollte ich der Versicherung dieses Blutbad erklären, wenn doch keine Leichen zurück blieben?
Scheiße!
„Bissig?“, flüsterte unterdessen eine tiefe Stimme hinter mir.
Ich drehte meinen Kopf und sah ins Gesicht von keinem Geringeren als Sly Wemyss.
„Das glaub ich ja jetzt nicht!“, schrie ich empört, nachdem er meinen Mund losgelassen hatte. Psychopathen konnte ich nun weißgott nicht gebrauchen.
Wütend stampfte ich mit dem Fuß auf. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
„Alles okay bei dir?“, fragte Alokay Roxy, die wie angewurzelt da stand. Doch im nächsten Moment fiel sie um und sank genau in seine Arme.
Ich starrte nur von Alokay zu Sly, der mich auch endlich mal losgelassen hatte.
„Was genau wollt ihr hier? Wer oder was waren diese Dinger und woher wisst ihr wo ich wohne?“, fragte ich hysterisch nach.
Sly starrte mich nur stumm an und Alokay machte auch keinerlei Anstalten mir zu antworten.
„Hallo? Redet auch noch mal wer mit mir? Immerhin sieht meine Wohnung jetzt aus wie ein Schweinestall!“
Im nächsten Augenzwinkern stand ein weiterer Mann im Raum. Er war einfach so aus dem Nichts aufgetaucht.
„Draußen waren auch noch drei. Hab sie erledigt. Raven verfolgt die Spur von Ricardo.“
Sly nickte. Ich sah nur stumm zu. Von einem zum anderen. Das war ja fast wie im falschen Film.
Ich ging auf Alokay zu, der Roxy immer noch im Arm hielt.
„Rox?“, fragte ich.
„Roxy!“, schrie ich immer noch hysterisch. Warum musste ich die Scheiße mitbekommen, während sie jetzt bewusstlos in den Armen dieses Mannes lag? Mist!
„Xylon, nimm die Trägerin mit! Hat Thor die Negative eingesackt und alle Ablichtungen von ihr?“, hakte Sly nach.
„Also so viel Trubel um meine Tattoos? Was wollt ihr?“, fragte ich erneut, doch die Männer beachteten mich gar nicht.
„Miss Killigan haben Sie noch Abzüge ihres Bildes?“, fragte der Kerl, der auf einmal aus dem Nichts aufgetaucht war und den Sly Xylon genannt hatte, nach.
„Wieso?“, fragte ich trotzig zurück.
„Gibt es hier noch Abzüge?“, hakte nun Sly etwas energischer nach.
„Ich glaube nicht, dass euch das etwas angeht!“
„Und ich glaube, dass du besser gehorchen solltest, wenn du diesen Tag überleben willst!“, drohte Sly.
„Ui, jetzt hab ich aber Angst!“, witzelte ich. Aber in Wirklichkeit hatte ich verdammt viel Schiss. Keine Ahnung woher ich den Mut nahm so mit ihm zu reden. Er kam näher auf mich zu und sah mich wütend mit seinen schwarzen leblosen Augen an.
„Fordere mich besser nicht heraus, Frau!“
„Ich glaub ich mach mir gleich ins Höschen!“, entgegnete ich, obwohl mir mein Verstand riet, den Mann besser nicht noch wütender zu machen, als er sowieso schon war. Ich wusste, dass es ein Fehler gewesen war. Aber nun ja zurücknehmen konnte ich den Satz nun auch nicht mehr. Er würde es wohl schon verkraften.
„Fechtet das ein anderes Mal aus. Miss Killigan würden Sie mich begleiten?“, ging Xylon dazwischen um denke ich mal eine Auseinandersetzung zu vermeiden.
„Was genau habt ihr mit uns vor?“, hakte ich nach.
Roxy röchelte ein paar Mal und kam dann wieder zu sich.
„Gott, das war mal krank. Jonah? Alles okay?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme.
„Roxy!“, rief ich freudig und nahm sie in den Arm.
„Wir sollten aufbrechen!“, sagte ein Mann, der hinter mir stand. Jemand anderes als die drei zuvor.
„Ja, Raven.“, entgegnete Alokay.
„Roxy, gestattet ihr beide uns euch in Sicherheit zu bringen. Dort werden wir euch alles Weitere erklären. Aber erst einmal sollten wir eure Wohnung verlassen. Ricardo wird sich nicht geschlagen geben und mit weiteren seiner Bloodhunter hier auftauchen. Sly?“, brachte Alokay freundlich wie ein Vertreter, der dir einen bescheuerten Staubsauger aufschwatzen will, hervor.
„Ja.“, entgegnete sie freudig. Na super.
„Roxy?!“, fragte ich sauer nach.
„Na immerhin haben die uns gerettet. Wer weiß, was die anderen Kerle mit uns angestellt hätten! Ich pack meine Sachen.“, entgegnete sie trocken, zuckte mit den Schultern und ging an mir mit Alokay im Schlepptau vorbei.
„Xylon. Hilf du Miss Killigan.“, befahl Sly.
„Klar.“, entgegnete er und ging zur Tür. Dort stand er nun. Wartete, dass ich meinen Arsch hoch bekam.
Kopfschüttelnd folgte ich Xylon und ging an der Tür an ihm vorbei in mein Zimmer. Dort hing immer noch eines meiner Bilder.
„Wow. Das Bild ist ja echt der Hammer!“, stellte Xylon fest, als er es abnahm und einsteckte.
„Was genau hast du damit vor?“, hakte ich skeptisch nach.
„Ich? Gar nichts. Willst du es lieber haben?“
„Ja.“
Er gab es mir und ich verstaute es in meiner provisorisch gepackten Tasche. Schnell eilte ich ins Bad um auch meine Waschutensilien einzupacken.
Xylon stand schon mit meiner Tasche im Flur und sah mich drängend an.
„Wir sollten gehen. Alokay und Roxy sind auch schon unterwegs. Sly hat auf uns gewartet.“
So gingen wir drei nach draußen. Es fröstelte mir und Xylon bot mir seine Jacke an, die ich dankend entgegen nahm.
„Darf ich?“, fragte Xylon nach und machte Anstalten mich auf den Arm zu nehmen.
„Nein. Ich habe zwei gesunde Beine.“
„Jetzt reicht’s Frau!“, brachte Sly wütend ein und nahm mich einfach auf den Arm. Ganz so, als ob ich nichts wiegen würde.
„Hey!“, schrie ich und wehrte mich. Was allerdings nichts brachte. Also stellte ich es nach kurzer Zeit ein. Die Kraft kann man sich auch sparen. Das war meine Devise.


5
„Wir müssen jetzt aber nicht zu Fuß gehen oder?“, fragte ich sehr skeptisch und sarkastisch nach.
„Doch aber wir sind etwas schneller und so weißt du gleich, mit wem du es zu tun hast!“, entgegnete Sly todernst. Binnen einer Minute hatten wir ein Grundstück erreicht und standen vor einem großen umzäunten Grundstück. Als wir ein Tor passiert hatten und in einem großen Garten und mit einer langen Auffahrt verziert war, standen, rutschte mir ein ‘WoW‘ heraus. Das Haus war der Hammer. Aber mal sowas von. Dagegen war unsere Wohnung ja beinah eine Lachnummer.
„Nett.“
„Hey Leute. Ace erwartet euch bereits im Besprechungssaal.“, begrüßte uns eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren.
„Farah!“, begrüßte Xylon sie knapp.
Nachdem wir das Haus betreten hatten, hatte mich Sly endlich wieder runter gelassen. Nein wohl eher leider. Wie konnte ein Mann so anziehend und gut riechen?
„Oh, wer bist du denn? Ich bin Farah Payne. Freut mich!“
„Ich bin Jonah-Luca Killigan. Hey.“, stellte ich mich vor.
Wir gingen durch die Eingangshalle und dann runter in den Keller. Das Haus war noch nicht vollständig eingerichtet, aber man bekam eine Vorstellung davon, wie es aussehen würde.
Wir blieben alle vor zwei riesigen Schwingtüren stehen. Dahinter lag ein Besprechungssaal.
Einige Männer saßen an einem riesigen runden Tisch und waren schon in Diskussionen vertieft. Jedoch nur so lang bis wir mitten im Raum standen. Dann verstummten alle Gespräche und ich spürte Blicke auf mir. Sly, Alokay, Thor und Roxy hatten sich mit an den Tisch gesetzt, nur ich und Farah standen noch in der Gegend herum.
„Setz dich hier hin, Jonah-Luca.“, bedeutete mir Farah und machte Anstalten sich neben den gezeigten Stuhl zu setzen.
„Nenn mich ruhig Joe.“, entgegnete ich, lächelte sie an und setzte mich.
„Thor!“, begrüßte unterdessen eine andere Frau einen der Männer, der bereits am Tisch saß und setzte sich neben ihn. Er sah genauso aus, wie Xylon nur, dass Xylon lange Haare hatte und Thor kurze.
„Da wir nun vollständig sind, werden wir beginnen…“, begann ein platinblonder Mann mit den hellsten grauen oder besser weißen Augen, die ich je gesehen hatte.
„Gut.“, mischte ich mich ein.
„Dann kann man Roxy und mich ja endlich mal aufklären, warum unsere Wohnung ein Häufchen Elend ist, warum fremde Männer in unsrer Wohnung auftauchen von euch zur Strecke gebracht werden und zu Asche zerfallen und zu guter letzt, warum wir entführt wurden!“
Die weißen Augen hafteten sich auf mich und mir lief ein schauer über den Rücken. Uppps. Meine vorlaute Klappe mal wieder.
„Sly habt ihr alle Negative und Abzüge von den Runen sichergestellt?“, hakte Blondchen weiter nach.
„Ja.“, entgegnete Sly mürrisch.
„Warum ist die Frau dabei?“, fragte er mich ignorierend weiter und zeigte auf Roxy. Diese starrte mich wiederum an. Na toll war heute der Tag des Starrens?
„Alokay? Sly? Xylon?“, fragte Blondchen nun etwas nachdrucksvoller. Falls das überhaupt noch möglich war.
„Sie hat uns keine andere Wahl gelassen. Gedankenkontrolle war unmöglich.“, brachte Alokay hervor. Der platinblonde Mann sah erst Roxy und dann mich an. Das war meine Chance.
„Also Blondchen. Da es immer noch niemand nötig hält mich vorzustellen oder gar mir zu antworten, werden wir jetzt gehen. Roxy? Auf, auf!“, zischte ich verärgert.
Alle Blicke waren auf mich gerichtet.
Selbst Slys tödlicher Blick ruhte auf mir. Alokay sah mich ebenfalls verwundert an. Lediglich Farah fing an zu lachen.
„Ich mag dich!“, brachte sie schließlich hervor.
„So rede normalerweise nur ich mit Ace weil‘s sich niemand anderes traut!“, lachte sie weiter. Ich spürte immer noch alle Blicke auf mir, doch als ich zum Platz sah, an dem Ace eben noch gestanden hatte, so war er jetzt verschwunden. Ich erschrak, als er zu Sprechen begann, da er auf einmal neben Farah und mir stand.
„Temperamentvoll? Nicht schlecht. Aber du solltest aufpassen, wen du zu deinem Freund und wen du dir zu deinem Feind machst, Jonah. Ich bin Ace MacAuley, der Freund von Farah.“, stellte er sich vor, nahm Farah in den Arm und küsste sie.
„Freut mich.“, entgegnete ich und nickte ihm zu.
„Das links von dir sind Raven Knight, die Zwillinge Xylon und Thor Swithin, unser Gast Vasco Cordello aus Spanien, Alokay Vittec und Sly Wemyss. Und die Damen in der Runde sind meine bezaubernde Farah Payne und Thors bezaubernde Freundin Sheila Davis, Ravens bezaubernde Freundin Cava Woth und ihre Tochter.“
„Hey.“, entgegnete ich. Und auch von Roxy war ein ‚Hallo‘ zu vernehmen.
„Jonah, zeigst du uns deine Runen?“, fragte Ace mit einem Lächeln nach.
„Äh... Also ich zieh mich aber jetzt nicht vor euch allen aus!“, brachte ich ein und errötete bei dem Gedanken wie eine Tomate.
„Die Jacke, Joe!“, zwinkerte mir Farah zu und unterdrückte ein Lachen.
Ich schlüpfte aus der Jacke, die mi Xylon netterweise geliehen hatte und schämte mich wie nichts Gutes wegen meiner Dummheit. Kein Wunder, dass die Männer mich für dumm hielten!
„Warum sind eigentlich alle hinter Jonahs Tattoos her?“, fragte Roxy nach.
„Die sind voll cool, aber niemand weiß was die Bedeuten. Joe hat mir mal gesagt, dass sie die Wörter ‚sündig, Kampf und Tod‘ bedeuten. Mehr wusste sie aber auch nicht. Also sie lässt die sich doch andauernd stechen. Warum weiß sie die Bedeutung dann nicht?“
Ich setzte zur Verteidigung an, doch Sly brachte sich ein.
„Es gibt Dinge, die besser unbeantwortet bleiben. Außerdem ist das immer noch Jonahs Entscheidung, WEM sie WAS sagt!“
Verteidigte er mich grade?
„Danke. Meine Rede. Genau das habe ich dir damals auch schon gesagt Roxy!“, beteuerte ich.
„Deine Runen, Jonah, sind alte nachtwandlerische Schriften. Es ist sozusagen eine Art Bibel. Lediglich, dass sie auf den Körpern zweier Menschen geschrieben ist. Die eine hat diese auf der linken Seite und die andere auf der rechten. Leider sind nur vereinzelt ganze Wörter sichtbar. Dazu gehören die drei genannten Wörter und einige verwirrende Buchstaben. Ich weiß, dass das alles unglaubwürdig und komisch klingt, aber so ist es nun einmal.“, erklärte Ace.
„Was ist nachtwandlerisch? Und ich soll diejenige sein, obwohl ich nicht an Gott glaube, die eine Art Bibel mit sich rumträgt?“
„Es scheint so. Wir müssen einen Weg finden, wie alle deine Runen sichtbar werden. Jonah, wann sind die Runen sichtbar geworden und an welchen Stellen?“, fragte Ace nach und gab Alokay ein Zeichen, der daraufhin kurz verschwand und in der nächsten Sekunde mit einem Laptop wieder neben Roxy saß und von ihr angehimmelt wurde. Jeder das Seine!
„Erst will ich meine Fragen beantwortet bekommen und dann überlege ich mir, ob ich euch antworte!“, entgegnete ich trotzig.
„Das ist momentan nicht so wichtig. Wichtiger ist, wie wir sie sichtbar bekommen!“, brachte Ace ein.
Farah sah mich mitfühlend an.
„Alokay, du kümmerst dich um Roxy und darum, wie alle Runen sichtbar werden. Sly du zeigst Jonah das Haus und ihr Zimmer. Pass auf sie auf!“, befahl Ace und verschwand mit Farah.
„Also?“, fragte Sly und ich kam zu ihm. Er sah mal sowas von sauer aus. Wenn er mich hätte töten können, hätte er es wohl getan!
„Besprechungssaal. Hinterausgang. Garage.“, klärte mich Sly kurz auf und zeigte in die entsprechenden Richtungen.
„Deine Unterkünfte liegen alle hier unten!“, er blieb an einer Tür stehen und öffnete diese. Ich starrte nur ins Zimmer. Es war wunderschön. Hellgelb und geschmackvoll eingerichtet.
Unterdessen hatte Sly mich ins Zimmer geschoben und machte Anstalten sich zu verdrücken.
„Warte!“, bat ich ihn, doch er ging einfach weiter. Ich musste ihm hinterher rennen, damit ich seinen Gang einholen konnte.
„Sly!?“
Er ging unbeirrt weiter. Mann musste man diesen Mann etwa erst ein Bein stellen, damit er auf mich hörte?
Okay, wenn er es nicht anders wollte! Ich schlang meine Arme um meine Mitte, was ihn endlich zum Stehenbleiben brachte.
„Was zum Teufel?“, hakte er nach und löste meine Arme von seiner Taille.
„Was willst du?“
„Ich habe noch tausende Fragen und ich dachte…“, begann ich.
„Und jetzt dachtest du, dass ich dir diese beantworte? Keine Chance. Frag Xylon!“, entgegnete er bitter. Tse, dann eben nicht! Ich drehte auf dem Absatz um und ging in Richtung meines Zimmers zurück. Körbe konnte ich mir auch von anderen Männern holen.
„Ich schick dir Xylon, der kann sowas besser, okay?“, rief mir Sly hinterher, während ich die Zimmertür schloss.
Jetzt sah ich mich genauer um. Ein wundervolles Bett bat den Mittelpunkt. Ein passender Kleiderschrank stand an der entgegen liegenden Wand. Zudem stand ein Schreibtisch an de linken Wand und eine weitere Tür führte mich in ein kleines, nett eingerichtetes Bad. Als ich zurück im Zimmer war, klopfte es an der Tür.
„Wer ist da?“, fragte ich nach, denn auf Roxy war ich immer noch ein bisschen sauer. Das sollte auch gefälligst so bleiben.
„Ich bin’s Xylon. Kann ich reinkommen?“
„Klar komm rein.“, entgegnete ich und ließ mich in diesem Moment aufs Bett fallen.
„Alles okay?“
„Joar, aber es wurde mir immer noch nicht eine Fragen beantwortet. Geschweige denn was ihr von mir verlangt.“
„Wir wollen dich nur beschützen.“
„Ach so.“
„Warum bist du eigentlich neben Farah der Einzige, der mich anscheinend mag?“
„Ich bin halt offen für alles! Raven ist der extravagante, mein Bruder ist der Trottel, weil er sich ne Freundin angelacht hat. Alokay ist das Technikgenie, Ace unser Kopf und Sly der Waffenexperte, der nicht mit Frauen kann.“
„Ist er schwul?“
„Wer? Sly?“ Er lachte.
„Nein. Sly ist hundertprozentig hetero. Er verbraucht Frauen so wie kein anderer von uns.“
Oh. Wie hatte ich auch denken können, dass er nicht so war? Hatte ich mir etwa erhofft, dass er im Zölibat lebte?
Niemand, der so aussah, lebte im Zölibat. Ob Narbe oder nicht.
„Du magst ihn, hab ich Recht?“
„Ist das so offensichtlich?“
„Nein, das hab ich geraten. Aber wie mir scheint hatte ich Recht!“
Ich funkelte ihn wütend an. Ich und meine große Klappe. Mist! Naja, ändern kann man jetzt eh nichts mehr!
„Sag mal Xylon, was haben die Runen eigentlich zu bedeuten? Ich meine warum sind sie auf zwei Körper geschrieben. Das klingt alles so unglaubwürdig.“, lenkte ich ab.
„Kann ich mir vorstellen. Naja weißt du wir sind ganz spezielle Leute.“, begann er seine Erklärung.
„Etwa die Mafia?“, witzelte ich.
„Wie kommt ihr nur immer darauf? Sheila hat genau das auch von uns gedacht. Aber nein, wir sind etwas Anderes. Ich werd’s dir erklären. Aber hör mir bitte bis zum Ende zu.
Wir sind sogenannte Nachtwandler. In eurem Wortgebrauch werden wir als Vampire umschrieben, aber wir bevorzugen Nachtwandler…“, begann er,
„Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“, hakte ich nach und musste mir ein Lachen verkneifen.
„Hör mir einfach nur zu Jonah! Wir ernähren uns von Blut und sind anfällig für Sonnenlicht- was bedeutet, dass wir schnell einen Sonnenbrand bekommen und von zu viel UV-Licht sterben können. Wie auch immer. Deine Runen. Sie sind eine Art Bibel oder aber eher zusammen mit dem Gegenstück eine Art Waffe, die endlich den Frieden bringen soll. Jahrtausende hat unser Volk auf die Träger gewartet. Tausende sind in Kriegen umgekommen. Geborene Nachtwandler wurden von den Bloodhuntern verfolgt und umgebracht. Bloodhunter sind die Bösen unserer Art. Die reine Rasse droht auszusterben. Es gibt nur noch sechs geborene Nachtwandler. Der Rest der Meute wurde verwandelt, was ein sehr langes und kompliziertes Prozedere ist. Teilweise fordert es viele Tote und eine Menge an Blut. Ace, Vasco, Sly, Querin, Amethyst und Ricardo sind die letzten reinblütigen Nachtwandler. Leider sind sie schon seit langer Zeit alleine und haben einen größeren Drang nach Blut und Sex als andere der Art. Jedoch sind sie stärker und nicht so leicht zu zerstören, wie die unreinen Nachkommen. Wie auch immer... Um auf deine Runen zurück zu kommen... Bücher und Hellseher sprachen von zwei Frauen, die mit Runen beschrieben sind. Die eine links und die andere rechts. Du bist für unser Volk unentbehrlich. Ricardo, einer der Reinblütigen und zufälligerweise Anführer der Bloodhunter will dich für sich. Er will dich zu einem seiner Knechte machen, mit dir Nachkommen zeugen und deine Kraft nutzen, um letzten Endes die Waffe zu bekommen. Die Waffe um uns Krieger zu vernichten und die Menschheit zu versklaven. Außerdem sucht er die zweite Trägerin, um die Waffe zu komplettieren. Wenn das passiert, hat die Menschheit ausgedient, wie auch die Reinblütigen. Aber es kann Jahrhunderte oder auch Jahrtausende dauern bis die zweite Trägerin auftaucht. Geduld haben wir in den Jahrhunderten lernen müssen.“, beendete er.
„Du glaubst nicht wirklich, dass ich dir das abkaufe oder? Das klingt ungefähr so unwahrscheinlich, wie ich eine Waffe sein soll. Außerdem sind meine Runen nicht auf der ganzen rechten Körperhälfte! Wie kann es außerdem sein, dass ihr den Menschen noch nie aufgefallen seid? Humbuk!“, lachte ich.
„Wir wissen noch nicht, wie alle deine Runen sichtbar werden, aber wir bekommen das auch noch raus. Joe, du kannst deine Runen entziffern. Das ist eigentlich für einen Menschen unmöglich. Es sind einfach nur verschlungene Zeichen. Du bist bestimmt zum Teil eine von uns. Wir finden es heraus.“
„Sehr lustig! Ich glaub ich lach mich gleich tot. Kannst du etwa auch irgendwas Cooles, wie in den ganzen Filmen? Deine Zähne ausfahren, Gedanken lesen, Gefühle manipulieren, super stark oder schnell sein?“, witzelte ich, verstummte jedoch, als Xylon bevor ich geblinzelt hatte noch da und danach verschwunden war. Ich erschrak, als er hinter mir stand und mich antippte. Ich drehte mich um und sah lange spitze weiße Zähne. Ich tätschelte sie.
„Achtung, ich bin bissig, Joe!“, witzelte er und ich zog aufgrund der Echtheit seiner Zähne die Hände zurück.
Meine Pupillen weiteten sich und ich starrte ihn wie versteinert an. Das konnte doch nicht… Nein, niemals. Das ist rein physikalisch und auch rein biologisch unmöglich!
„Bei so gut wie allen Menschen können wir Gedanken löschen und Gedanken einsehen. Nur einige sind in der Lage sich unserer Kontrolle zu entziehen. So auch Roxy Midnight und Cava. Sonst hätten wir sie zu Hause gelassen. Selbst Raven, der die schwarze Magie beherrscht, kann nicht in euren Verstand eindringen. Leider aber können wir nicht in die Zukunft sehen. Der letzte Seher hat sich vor mehr als zweihundert Jahren die Existenz genommen.“
Ich starrte ihn immer noch ungläubig an.
„Das heißt also, dass alles, was du mir erzählt hast wahr ist und ihr Untote seid?“
„Nachtwandler. Untote haben kein Herz, keine Seele und keinen Verstand. Zombies sozusagen. Wir haben alles. Folglich sind wir keine Untoten.“
„Also das muss man ja erst einmal verdauen.“
„Ja. So ging mir das nach meiner Verwandlung auch. Ich musste mich an den neuen Zustand gewöhnen. Immerhin konnte ich nicht mehr in die Sonne und musste mich ab dato von Menschenblut ernähren. Ich habe einige Menschenleben auf dem Gewissen, aber ein Glück traf ich Sly und den Zirkelführer der USA, Ace. Sie haben mir gezeigt, wie ich auch ohne Töten an meine Dosis Blut komme. Ich verdanke ihnen meine Existenz. Meinem Zwilling erging es ähnlich. Wir hätten unsere Existenz beendet, hätten wir noch einmal töten müssen. Wir hätten das letzte Mal die Sonne gesehen.“
„Wie lange seid ihr schon Vamp… ich meine Nachtwandler?“
„Seit 113 Jahren. Thor und ich sind die Jüngsten bei den Kriegern. Wir sind vor 110 Jahren beigetreten.“
„Wie alt sind die Anderen?“
„Raven ist seit 207 Jahren ein Nachtwandler, Alokay seit 695 Jahren, Vasco seit 980 Jahren, Ace seit 981 Jahren und Sly ist 989 Jahre ein Nachtwandler.“
„Ach du Schreck. Dann haben sie ja so ziemlich jeden Krieg miterlebt, jeden Machtfall und jede Epidemie! Wie schrecklich!“
„Ja. Und man muss mit ansehen, wie sein eigen Fleisch und Blut starb.“, meinte Xylon traurig.
„Joe?“
„Ja?“
„Hast du jetzt Angst vor mir?“
„Ganz im Ernst?“, hakte ich nach.
„Ja, ganz im Ernst!“
„NEIN! Du bist einfach zu nett!“, lachte ich und umarmte ihn herzlich.


6
„Ich such mal Roxy!“, brachte ich ein und löste mich aus seiner Umarmung.
„Gleich. Warte noch kurz. Joe, wie und wann genau kamen eigentlich die Runen?“
„Das ist unwichtig.“, brachte ich ein. Was interessierte ihn das eigentlich? Wollte er mich demütigen? Wollte er von mir hören, dass ich Höllenqualen hatte leiden müssen, als sie durchkamen? Dass ich schreiend, zitternd und heulend auf dem Boden lag? Dass es tagelang nach dem Durchkommen rot und zugeschwollen war? Oder dar im Krankenhaus landete aufgrund eines Blackouts? Niemals würde ich mir solch eine Blöße geben. Es ging niemanden etwas an. Schon gar keinen Geisteskranken mit Blutsaugerzähnen. Ich meine, was war, wenn er mich anlog? Würde er sowas tun? Egal. Es geht ihn nichts an!
Xylon kam mir näher und legte seine Hand unter mein Kinn. Er zwang mich ihn anzusehen.
„So schlimm?“, hakte er nach.
Trotzig schüttelte ich meinen Kopf. Lügen haben kurze Beine. Gut, dass ich eins neunundsiebzig bin!
In diesem Moment knallte die Tür auf und Sly und Ace standen im Raum. Komischer Weise jedoch hielt Ace Sly zurück.
Sein eiskalter Blick traf mich und es fröstelte mir. So viel Zorn und so viel Abscheu hatte ich noch nie in einem Blick gesehen. Eine Gefühlswelle schwappte zu mir über. Jedoch verriet sie mit etwas Anderes.
Eifersucht, Verletztheit [gibt’s das Wort? Egal Neologismus von Juliana ;) ]und Zorn.
Eifersucht? Ja klar..
„So geht das nicht Sly!“, ermahnte Ace ihn. Ich hatte richtig Angst. Ich meine wenn Ace ihn loslassen würde, würde er mich zu Püree verarbeiten. Ws hatte ich ihm denn getan?
„Sie ist die Trägerin! Sly das kannst du nicht machen! Sie wird uns nicht mehr vertrauen!“, brachte Xylon ein.
„Die Streicheleinheiten sind vorbei! Jetzt kommt meine Methode! Ace, du hast es gesagt! Sie lügt! Also?!“, knurrte Sly und sah Ace streng an. Der ließ Sly los. Er ließ Sly los? Aaah!
Ich hatte gedacht, dass Ace hier das Oberhaupt war. Warum hielt er Sly nicht auf?
Nur ein Blinzler später war ich in den Armen von Sly gefangen und noch einen Blinzler später war ich in meiner Unterwäsche an ein Bett gefesselt. Ich war an ein Bett gefesselt? Was zur Hölle?
„Mach mich los!“
„Erst beantwortest du mir meine Fragen!“
„Sag mal hast du sie noch alle? Ich liege hier auf einem Bett gefesselt. Das Schlimmste kommt aber noch: In UNTERWÄSCHE vor einem mir fremden Mann!“, schrie ich mittlerweile.
„Frau, sei besser still und fordere mich nicht heraus!“
„Ach nein?“
„Nein!“
„Sicher?“, hakte ich nach und stellte fest, dass die Fesseln mich nicht halten konnten. Gut. Ich befreite mich mit Leichtigkeit und sprang auf Sly. Meine Faustschläge schienen ihn keineswegs zu stören, doch er sah mich wunderlich an.
Nullkommanichts lag ich wieder auf dem Bett. Dieses Mal jedoch festgenagelt von Slys Körper. Das war schlimmer als einbetoniert zu sein.
„Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, na das hat man gerne!“, schnauzte ich.
„Kannst du auch nur für eine Sekunde deinen hübschen Mund halten?“
„Nein. Das konnte ich noch nie. Bissige Kommentare sind nun mal meine Leidenschaft… Du findest meinen Mund hübsch?“
Er lächelte verführerisch und überlegen zugleich. Ja, ja als ob!
„Sly… Was genau willst du eigentlich von mir?“
„Ich will wissen wann deine Runen aufgetaucht sind. Wie sind sie gekommen? Wer sind deine Eltern? Deine Familie?“
„Warum willst du das alles wissen?“, hakte ich nach. Seine Gefühle zeigten mir Wut und Verleugnung von Gefühlen.
„Weil es von Bedeutung sein könnte.“
Ich sah ihn an. Seine Augen funkelten schwarz und irgendeine Gefühlsregung war im Inneren zu sehen.
Nur konnte ich nicht genau deuten, was es war.
„Aber es geht dich nichts an!“, entgegnete ich bissig.
„FRAU!“, schrie Sly zornig.
Er kam mir noch näher. Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Wollte er mich etwa küssen? Gott, ich wollte ihn küssen.
Doch bevor ich auch nur weiter darüber nachdenken konnte, knurrte Sly gefährlich. Wie ein Tier. Ich wusste nicht, ob es sich dabei um ein besitzergreifendes oder um ein ich-töte-dich-gleich Knurren hielt. Ich entschied mich auszupacken. Er wollte es ja nicht anders!
„Okay, okay. Ich rück ja schon damit heraus… Als ich klein war, wurden die Runen teilweise mit jedem Tag, den ich älter wurde mehr sichtbar. An meinem vierzehnten Geburtstag, kamen sie dann schwarz durch. So ging es Jahr für Jahr. Wort für Wort oder wohl eher Buchstabe für Buchstabe.“
„Sie kamen einfach durch?“
„Ja.“
„Wer sind deine Eltern?“
„Trisha und Dwight Killigan aus Schottland.“
Er nickte, ließ mich los und ging wie ein Tiger im Käfig umher. Irgendwie machte mich das ganz kirre.
„Meine Sachen?“, fragte ich nach, bekam jedoch keine Antwort. Gut er hatte es nicht anders gewollt. Ich stand auf und ging mit meinem elegantesten Schritt dicht an ihm vorbei. Auch er konnte sich einen Blick nicht verkneifen. Na also Mann bleibt eben Mann. Ob untot oder nicht!
„Meine Sachen?“, hakte ich mit verführerischer Stimme nach.
Er zeigte auf einen nahegelegenen Stuhl. Erst jetzt sah ich mich im Zimmer um. Es war dunkelblau eingerichtet. Wunderschön. Modern und alt spielte super gut zusammen. Ein Bett, ein Kleiderschrank, Schreibtisch mit Stuhl und Computer, ein Sofa, ein Flachbildfernseher und eine Spielekonsole.
Eine Spielekonsole? Ich ging näher an ein Regal und fand diverse Games. Oh, das war ja das Paradies! Zudem roch es hier so herrlich, dass ich nie wieder gehen würde.
„Darf ich?“, fragte ich.
„Klar. Worauf hast du Lust?“
„Das hier.“, ich hielt ein Shootergame in die Luft.
„Du zockst Shootergames?“
„Ja. Wieso?“, entgegnete ich, während ich das Spiel einlegte und in meine Hose schlüpfte.
„Ich kenne keine Gnade. Ob Frau oder nicht!“
„Tu dir keinen Zwang an, Sly!“
Wir zockten eine Zeit lang. Bis sich Sly aufregte.
„Du bist ein verdammter Camper!“
„Na und? Ich würd sagen, dass das Headshot Nummer siebundachtzig war.“, lachte ich.
„Ja, weil du unfair spielst!“
„Als ob Kollege Turnschuh!“
„Unfair!“
Ich legte meinen Kontroller auf den Boden und verschränkte die Arme.
„Okay,okay. Du hast eindeutig gewonnen. Ich dachte, dass Roxy der Computerfreak ist.“
„Ist sie auch. Ich bin nur diejenige, die für ihr Leben gerne auf der Konsole zockt. Computer sind nicht mein Ding.“
„Wow.“
„Wie wow?“, hakte ich nach.
„Ähnlich geht es mir auch. Konsole mag ich. Ist ja auch nicht so kompliziert. Mit dem Auto komm ich auch grade noch klar, aber der Computer und das Internet sind mir zu kompliziert!“
Ich begann zu lachen. Nicht nur, weil wir was gemeinsam hatten, sondern weil es verdammt witzig war, wenn man bedachte, dass Sly beinah tausend Jahre existierte und alle möglichen Neuheiten kennengelernt hatte, jedoch nur mit dem Computer nicht zurecht kam.
„Warum lachst du? Was ist denn so witzig?“
„Nichts!“, lachte ich weiter.
„Wir sehen uns!“, wank ich und verließ sein Zimmer.


7
„Hey Joe!“, begrüßte mich Farah.
„Oh du und Sly, hm?“, zwinkerte sie mir zu.
„Ich und… nein!“
„Leugnen ist zwecklos. Sly benimmt sich ganz anders, seitdem du hier bist. Alokay steht total auf Roxy! Männer! Sie meinten immer, dass ihnen nie sowas wie Ace passieren würde und mittlerweile sind sie mitten drin.“
„Quatsch. Sly kann mich nicht ausstehen. Wir streiten uns alle drei Sekunden!“
„Mag sein, aber bei niemandem bleibt er so ruhig, wie bei dir.“
„Wie auch immer. Wo ist Roxy eigentlich?“, hakte ich nach.
„Im Wohnzimmer. Den Korridor runter und dann dritte Tür links.“
„Danke Farah.“
Ich ging an ihr vorbei. Als ob Sly auf mich stehen würde. Das Zanken und ihn auf die Palme bringen war echt lustig, aber die richtigen Voraussetzungen für eine Beziehung war das nicht gerade. Zudem kam noch der Altersunterschied von mickrigen 989 Jahren. Bestimmt die besten Bedingungen. Und ich bin Mutter Theresa. Zu blöd.
Xylon kam mir entgegen.
„Na Hübsche!“
„Hey Xy.“
„Die Tortur überstanden?“, hakte er nach.
„Klärchen.“
„Gehen wir heute Abend aus?“
„Ein Date?“, fragte ich nach.
„Warum nicht?“
„Ich weiß nicht… Xy ich mag dich, aber…“, begann ich.
„Hey… Ist doch keine große Sache! Ich steh eigentlich auf eine andere Frau. Ich brauch einfach nur Ablenkung. Gehen wir einfach nur so aus?“
„Klar. Da bin ich dabei. Soll ich nachfragen, um wen es sich handelt und warum es gescheitert ist?“
„Nö. Lass uns einfach nur ausgehen!“, bat er.
„Oki doki.“
„Bis heute Abend!“
„Bis Peter!“, zwinkerte ich und ging bis besagter Tür und verschwand darin.
Ich fand mich ein einem Wohnzimmer mit Leinwand wieder. Roxy und Cava saßen zusammen auf dem Sofa und sahen sich <Schwer Verliebt> an.
Oh man. Da hatte Roxy wohl endlich jemanden gefunden.
„Hey ihr zwei.“
„Hey Joe.“, begrüßte mich Roxy.
„Hallo Jonah!“, entgegnete Cava.
„Rox, na endlich einen Dummen für diese Superschnulzen gefunden?“, witzelte ich.
„Eigentlich war das Cavas Idee!“
„Oh, t’schuldige. Nichts gegen dich, Cava.“, rettete ich mich.
„Hey kein Ding. Ich kenn auch nur wenige, die sowas gerne mögen.“, entgegnete sie und lächelte mich schief an.
„Roxy ich brauche deinen fachmännischen und objektiven Rat. Xylon hat mich gerade gefragt, ob ich mit ihm ausgehe…“, setzte ich an.
Cava und Roxy starrten mich an.
„Nicht dein Ernst!“, brachte Cava ein.
„Doch!“
„Was willst du genau wissen?“
Bevor ich weitersprach, bemerkte ich eine Gefühlsregung, die meine Fußnägel zum Aufrollen brachte. Die Gefühlsregung kam eindeutig von Sly. War er in der Nähe?
Bei niemand anderem nahm ich die Gefühle so intensiv wahr. Die Gefühle waren gemischt. Eine gewisse Verletzung, Zorn und Wut waren der Inhalt. War er etwa eifersüchtig auf Xylon? Ich hörte eine Tür laut zuknallen. Oh, er dachte wohl, dass ich seine Regung nicht mitbekommen hatte. Anscheinend hatten es Roxy und Cava jedoch nicht bemerkt.
„Also willst du wissen ob ihr zusammen passt oder was?“, hakte Roxy nach.
„Nein. Ich finde Xylon ganz nett, aber mehr auch nicht! Ich hab ihm das gesagt und er fand das vollkommen okay. Er mag anscheinend eine andere. Aber was ich wissen wollte, war ob…“
„Du stehst also doch auf Sly!“, rief Roxy und sah mich komisch an.
„Ist das so offensichtlich? Xy ist nett, aber ich steh halt auf groß und mysteriös.“
„Nicht dein Ernst!“, brachte Cava ein.
„Weißt du eigentlich, dass Sly einer der gefühlskältesten Männer ist, die es gibt? Er verbraucht Frauen, wie die ihre Höschen. Niemals würde er sich an eine Frau binden. Sly ist gewöhnungsbedürftig.“
„Sowas hat Xylon auch schon gesagt, aber ich hab mit Sly Konsole gezockt und seine Tortur, wie Xylon es genannt hat, überlebt.“
Der Abspann begann gerade, als Raven reinkam.
„Raven!“, begrüßte Cava ihn, küsste ihn stürmisch und verschwand dann sofort mit ihm. Alokay kam zusammen mit Sly herein. Roxy schaltete gerade die DVD ab und lächelte Alokay liebevoll an. Oh man. Es hatte sie erwischt!
„Hey ihr zwei!“, begrüßter er uns mit einem strahlenden Lächeln. Sly hingegen schaute drein wie drei Tage Regenwetter.
Es klingelte an der Haustür. Da niemand Anstalten machte die Tür öffnen zu gehen, ging ich zur Haustür. Am liebsten hätte ich sie sofort wieder geschlossen. Die Frau die dort stand war ein Traum. Braune, lange und lockige Haare, braune Augen und ein verboten gut geschnittenes Gesicht. Sie war relativ klein, aber gut proportioniert, was sie in ihrem engen und aufreizenden Kleid auch zur Schau zu stellen wusste. Sie musterte mich genau so argwöhnisch, wie ich sie.
„Darf ich mal?!“, fragte sie mich und zwängte sich an mir vorbei. Sie ging direkt ins Wohnzimmer. Anscheinend kannte sie sich hier aus. Vielleicht eine Freundin von einem der anderen Männer. Ich schloss die Tür und kam ebenfalls nur Sekunden später im Wohnzimmer an.
„Kann ich dir dabei helfen Alokay?“, fragte Roxy gerade.
„Klar, wenn du daran interessiert bist!“
„Auf jeden Fall. Erstens geht es um meine beste Freundin Jonah, zweitens um Technik und Recherche und drittens bin ich echt gespannt zu sehen mit was für Rechnern und Programmen du arbeitest. Sagtest du nicht mal, dass du die Programme selbst geschrieben hast?“, entgegnete Roxy euphorisch und ich hängte noch einen vierten Grund in Gedanken daran: Roxy stand auf Alokay. Hundert pro!
„Lass uns gehen!“, forderte Alokay und Roxy folgte ihm aus dem Wohnzimmer. Toll! Ich alleine mit dieser Schickse und Sly. Großes Kino!
„Ist noch irgendwas?“, fragte mich die Frau bissig und sah mich abwertend an. Ich setzte gerade zu einer Antwort an, als Sly mir dieses abnahm.
„Komm mit Pearl.“, presste er hervor. Ich sah ihn komisch an. Seine Gefühle zeigten mir, dass er sie nicht begehrte, aber warum diese Show? War es eine Show? War es seine Freundin? War er vergeben?
Pearl legte demonstrativ einen Arm um seine Mitte. Toll! Doch seine Freundin!
Sie verließen ebenfalls das Zimmer. Ich war wieder alleine.
Zudem eifersüchtig. Ich war eifersüchtig auf Pearl. Oh Gott!


8
„Farah?“, rief ich.
Roxy war ja mit Alokay beschäftigt und ich brauchte dringen eine Frau als Ansprechpartner. Cava akzeptierte mich zwar, doch mochte mich nicht so gerne, wie ich Farah und Farah mich.
Meine Gefühle fuhren den ganzen Tag Karussell. Erst war ich auf Pearl eifersüchtig gewesen, dann war es mir egal, dann wieder nicht und so weiter und so fort. Es war der Höllentrip schlechthin.
Farah war leider auch nicht auffindbar gewesen. Wer konnte es ihr verübeln? Immerhin hatte sie einen Götterfreund. Ace war ein Traum für alle Frauen.
Ich ging gerade auf den Flur, als mir Sly und Pearl entgegen kamen.
„Das ist jetzt aber nicht dein Ernst oder?“, fragte sie nach.
„Hast du alles!?“, fragte er ungeachtet ihrer skeptischen Frage.
„Aber selbstverständlich. Sag nächstes Mal nur bitte etwas früher bescheid, du kennst ja meinen vollen Terminkalender.“, entgegnete sie und küsste ihn. Sie KÜSSTE ihn. Jetzt war es amtlich. Er war vergeben. Wie hatte ich auch nur für eine Sekunde glauben können, dass Sly noch zu haben war?
„Bye Süßer, bis morgen Abend!“, verabschiedete sie sich und schritt an mir vorbei ohne mich eines Blickes zu würdigen. So was zu viel ist, ist zu viel!
„Sly?“, fragte ich leise, denn ich wusste, dass er mich gehört hatte.
„Jonah?“, fragte er gepresst nach. Diese Reaktion machte mich wütender als wütend. Warum konnte er nicht normal antworten, wie jeder normale Mensch auch? Ach ja, weil er keiner ist!
Ich drehte mich auf dem Absatz um. Das Prozedere konnte ich mir auch getrost sparen. Wie Auf Knopfdruck knurrte mein Magen.
„Folge mir wir gehen in die Küche und dann zu Alokay. Ich will wissen, ob sie endlich etwas wissen. Das ist auch für Bedeutung für dich. Komm.“
Diese Gefühlsschwankungen waren ja noch schlimmer als die von Roxy.
„Was soll das?“, fragte ich verärgert nach.
„Was soll was?“
„Egal!“
Ich ging an ihm vorbei. Doch er räusperte sich.
„Was?“, pampte ich.
„Du gehst in die falsche Richtung!“, lachte er.
Ich schüttelte meinen Kopf und ging wieder zurück in seine Richtung. Doch bevor ich an ihm vorbeigehen konnte, hielt er mich am Arm fest.
„Jonah. Was hast du? Bist du sauer auf mich?“
„Die Frage stelle ich dir auch gerne.“
„Aber ich merke doch, dass du… bist du etwa eifersüchtig?“, schlussfolgerte er.
„Eifersüchtig? Wie zum Teufel kommst du darauf?“
Ich funkelte ihn an, doch seine Reaktion erschreckte mich, denn binnen eines Augenschlags stand ich von Slys Körper an die Wand gepresst.
Er kam mir immer näher.
„Weil ich es riechen kann!“
„Wieso sollte ich denn deiner Meinung nach eifersüchtig sein? Ich denke eher, dass es anders herum ist. Du bist auf Xylon eifersüchtig. Ich hab mitbekommen, wie du sauer abgedampft bist, als du erfahren hast, dass ich mit ihm ausgehe.“
Er entgegnete nichts, sondern starrte mich nur an.
Ich sah ihn ebenfalls an, doch der Impuls ihn zu küssen, wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Seine Gefühle zu mir zogen mich an, wie Mücken das Blut.
Doch bevor wir uns küssen konnten, kam Farah auf den Flur gestürmt.
„Oh, entschuldigt.“, meinte sie und wollte wieder ins Zimmer zurück, doch ich hielt sie auf.
„Hey. Dich habe ich schon die ganze Zeit gesucht. Anscheinend warst du beschäftigt.“, meinte ich und lächelte sie wissend an.
„Ja. Genauso wie du.“, lächelte sie mich spitzbübisch an.
„Du wolltest etwas Essen und dann wollten wir zu Alokay.“, erinnerte mich Sly.
„Kommst du mit Farah?“
„Klar doch. Ich bin am Verhungern.“, lächelte sie und zwinkerte mir zu.
Wir betraten zu dritt eine riesige Küche.
„Normalerweise haben alle Hauptwohnungen eine Küche, außer die Gästezimmer.“, stellte sie klar.
Wir schmierten uns unter der Aufsicht von Sly einige Brote und nahmen sie mit, da er schon ungeduldig auf der Theke mit seinen Fingern trommelte.
„ist ja schon gut!“, meinte ich und schlug ihm sanft auf die Finger. Das brachte mir einen weiteren Ich-töte-dich-Bick. Was ich mit einer rausgestreckten Zunge quittierte.
Du mich auch.
Schweigend und schmatzend gingen wir in ein gesondertes Gebäude. Es standen überall Bildschirme und anderer technischer Kram herum. Mittendrin saßen Alokay und Roxy. Sie waren sehr in ihre Sucher vertieft.
Lediglich Alokay schien aufmerksamer zu sein.
„Gut das ihr da seid. Ich habe alle Systeme online und habe alle möglichen Quellen durchforstet. Nirgendwo steht, dass die Trängerin oder die Trägerinnen nur teilweise mit Runen bestückt sind.“, erklärte Alokay und blickte nur kurz von seinem Bildschirm auf.
„Niemand hat auch nur einen Hauch von einer Ahnung.“, meinte Roxy und sah mich mitleidig an.
Was sollte das denn jetzt?
„Sucht weiter. Es muss doch irgendwelche Infos geben.“, befahl Sly barsch und verschwand im nächsten Moment einfach.
„Was habt ihr zwei mit dem denn angestellt?“, wollte Alokay wissen, wurde jedoch mit einem strafenden Blick von mir und Farah bestraft. High Five.
Wir grinsten uns wissend an.
„Das ist ja fast so wie mit Rhea.“, stellte Farah fest.
„Mit wem?“, hakte ich nach.
„Mit meiner Nichte. Sie hat bis vor einiger Zeit auch bei uns gewohnt. Doch dann haben Ace und ich sie nach Oxford geschickt.“
„Oh.“, war das einzige Kommentar, dass ich dafür hatte.
„Ja. Aber ich glaube, dass es das Richtige war. Sie sollte mit alledem nicht noch mehr konfrontiert werden.“, stellte sie traurig fest. Aus einem Impuls heraus umarmte ich sie.
„Sie ist blind. Ace hat alles getan, damit sie nach Oxford konnte. Sie studiert dort Musik und hat zudem noch einen Mythologiekurs belegt. Frag mich bloß nicht wieso.“
Ich lächelte sie aufmunternd an.
Wir verließen das Technikhäuschen und gingen unterirdisch zurück zum Rest der Wohnungen.
„Komm mit. Ich will dir meinen absoluten Lieblingsplatz in diesem Haus zeigen.“, meinte Farah und zog mich hinter sich her. Man hatte sie ein Tempo drauf.
„Warst du beim Militär?“
Sie lachte.
„Warum fragt mich das nur jeder? Ja, ich habe gedient und dann wurde ich Polizistin. Bin ich übrigens immer noch.“, meinte sie und lächelte. Die Frau verblüffte mich. Sie war durchtrainiert, klein, hatte kurze Haare und war bei der Polizei. Ich stieg unendlich viele Treppen.
„Der Fahrstuhl geht noch nicht und diese Treppen müssen wir nun mal zu Fuß steigen.“, meinte sie und lächelte, als sie sah, dass ich nicht ein Bisschen aus der Puste war.
Wir standen in einem kleinen Turm. Etwa vier Etagen über dem Boden. Man konnte den Wald sehen, der in der Ferne lag. Den wundervollen Garten und die weit entfernten Lichter der Stadt sah man auch.
„Wow. Ich weiß, warum du diese Aussicht magst.“
„Wundervoll, ich musste es dir einfach zeigen.“
„Wie bist du eigentlich mit dem ganzen Drumherum hier in Berührung gekommen?“, wollte ich schließlich nach einer kleinen Stille wissen. Es interessierte mich ungemein.
„Ich bin bei der Mordkommission, zumindest wenn Ace mich aus dem Haus lässt…“, begann sie und musste lachen.
„…Naja, wir haben die Mordfälle von den ganzen Frauen untersucht und als ich mit Rhea und ihrer Freundin Laura shoppen war, da hörte ich einen Schrei in der Nebengasse. Ich wollte helfen und da sah ich Bloodhunter. Ace hat mir das Leben gerettet und naja er dachte, dass er meine Gedanken gelöscht hatte. Ein Glück konnte er es nicht. Ace und Xylon kamen dann als CIA-Agents zur Unterstützung zu uns ans Department. Ich hab nach zwei Wochen Zusammenarbeit herausgefunden, wer Ricardo und was Ace ist…“
„Du hast es von Anfang an geglaubt?“
„Nein. In der Gasse wollte ich es nicht begreifen, doch als ich Ace wiedersah und dann die dunkelrot leuchtenden Augen von Ricardo, da wusste ich, dass mein Verstand mich nicht hinters Licht geführt hatte.“
Ich nickte. Wow.
„Rhea wurde entführt und befreit. Ich schließlich verschleppt. Durch einen Plan konnte ich jedoch entkommen. Ich war im ehemaligen Versteck von Ricardo und seinen Bloodhuntern. Diesen Anblick werde ich niemals vergessen. Naja. So kam eins zum anderen.“, meinte sie und sah mich nachdenklich an.
Farah und ich vernahmen Schritte.
„Hey Xylon.“, meinte diese und lächelte ihn an.
„Hey ihr beiden… Ich dachte, dass wir ausgehen wollten.“, meinte er und ich sah ihn fragend an.
Ich war erschöpft und musste einige Dinge erst einmal verarbeiten.
„Wir gehen morgen Abend. Du siehst echt Schlaf benötigend aus.“, lachte er und nahm mich ohne Vorwarnung auf die Arme.
„Das nächste Mal, kannst du mich auch ruhig vorwarnen.“, bellte ich und vernahm ein Lachen. Sowohl von Xylon als auch von Farah, die immer noch oben im Turm stand.
Binnen einer Sekund standen wir vor meiner Zimmertür.
Galant öffnete Xylon die Tür und ich sah nur noch einen fluchenden Sly, der in seinem Zimmer verschwand. Ach so und eine Frau. Typisch. Alle hatten mir gesagt, dass er Frauen wie Klamotten wechselte.
Es war ein Stich ins Herz. Eigentlich sollte es das nicht sein, denn immerhin wusste ich nicht viel über ihn. Lediglich, dass er blau mochte und Shootergames. Toll! du solltest einen Orden bekommen, Jonah., witzelte mein Verstand.
In diesem Moment ließ mich Xylon einfach fallen und ich hätte beinah einen Herzinfarkt bekommen. Ich schrie, wie am Spieß. Doch zu meinem Glück war ich weich auf der Matratze gelandet. Ich sah zu, wie Xylon gerade die Zimmertür schließen wollte, als diese mit voller Wucht gegen ihn schlug und ein halbnackter Sly in der Tür stand und krampfhaft versuchte sein um die Hüften geschlungenes Handtuch festzuhalten und die Lage zu checken.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an.
Er war umwerfend. Seine Brust hatte zwar vier lange Narben, die von rechts nach links zogen, aber das lenkte mich nicht minder von seinen breiten Schultern und seinen Bauchmuskeln ab.
Als ich jedoch seinen eiskalten schwarzen und mörderischen Blick auffing, lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Was wollte er hier? Hatte er mich etwa schreien gehört?
Xylon kam wieder zu sich und sah Sly verwundert an. Wir mussten beide ein wirklich lustiges Bild abgeben.
Ich lächelte bei dem Gedanken und fing an schallend zu lachen. So skurril diese Begegnung auch gewesen war. Es war echt zum totlachen gewesen.
„Schrei das nächste Mal nur, wenn WIRKLICH etwas passiert ist. Es gibt schließlich Leute, die etwas ANDERES vor haben!“, presste er wütend hervor und drehte sich wieder um. Na toll, jetzt hatte ich es erst recht verbockt.
„Ich geh mal besser. Schlaf schön, Jonah. Wir sehen uns morgen. Ist es okay, wenn ich dich um ein Uhr abhole? Dann hab ich Schichtschluss.“, fragte er nach und lächelte mich freundlich an. Ich mochte Xylon. Ich mochte Farah und obwohl Sly so grob und zickig wie ein Teenager zu mir war, mochte ich ihn auch. Selbst Ace konnte ich gut leiden.
Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

Ich spürte einen Schmerz, der sich in mein Fleisch brannte. Es tat höllisch weh, sodass ich aus meinem Schlaf hochfuhr und laut aufschrie. Nicht schon wieder. Dieses Mal schien es ein ganzes Wort zu werden. Mein Unterleib brannte. Es roch nach verbrannter Haut. Als ich meinen Blick senkte und an mir herunter sah, stellte ich fest, dass ich Recht gehabt hatte. In meiner Schamgegend war alles blau, zugeschwollen und brannte allein schon vom Hinsehen. Ich hasste diese Runen. Der Schmerz zeigte mir jedoch immer und immer wider, dass ich noch am Leben war. Es war grauenvoll.
Ich richtete mich auf und wollte mich in die Küche schleichen. Dort würde ich bestimmt Eis zum Kühlen finden. Doch auf dem Weg dorthin, brach erneut ein grässlicher Schmerz über mich herein und ich unterdrückte nur sehr schwer ein schmerzvolles Krächzen. Stattdessen liefen mir stumm die Tränen über die Wangen und ich bekam Atembeschwerden. Meine Brust brannte so sehr, als würde ich bei lebendigem Leibe gebraten. Als mich eine Welle Schmerz förmlich überrollte, driftete ich weg. Fiel in einen Abgrund aus Schwärze, Leid, Hass und Tod. Ich war wie gelähmt.


9
Ich spürte weiche Lippen auf meiner Brust und in meinem Schambereich. Hätten hier die Schmerzen noch höllisch sein müssen, so verspürte ich nichts als Verzückung. Ach du schreck.
Ich schlug die Augen auf und starrte an eine bläuliche Decke. Tatsächlich leckte jemand an meinem Schambereich herum. Ich zwang meinen Kopf hoch und sah den schwarzen Haarschopf von Sly. Was machte er da?
„Oooh. Wa-as genaaaa-au machst du d-aaa?“, wollte ich stöhnend wissen. Gott tat das gut. Sollte es aber nicht!, meinte mein Verstand und ich kam in die Realität zurück.
Sly sah mich fragend und war er etwa besorgt? Schaute er mich etwa fragend und besorgt an?
„Was ist passiert? Ich hab dich gestern Nacht gehört und dich dann hier bewusstlos und zugeschwollen gefunden. Ich dachte, dass mein heilender Speichel deinen Schmerz lindern würde…“
„Heiliger was? Das ist ja mal sowas von abartig? Ich hoffe, dass du keine Geschlechtskrankheiten hast. Bei deinen ganzen Bettgeschichten hoffe ich das wirklich für dich, denn ansonsten werde ich dich einen Kopf kürzer machen.“, stellte ich klar und zog seine Decke über meine entblößten Körperteile. Ich lag hier nackt und wehrlos in seinem Bett. Moment nackt?
„Wieso liege ich nackt in deinem Bett?“
Jetzt war es an ihm mich wütend anzusehen. Wieso das denn, hm?
„Ich habe versucht deine Schmerzen zu lindern und was geht dich mein Privatleben an, FRAU!“, bellte er und schmiss mich förmlich von seinem Bett. Unsanft landete ich auf dem Boden. Ich war gedemütigt worden und das mehr als ein Mal, aber das brachte gerade das Fass zum Überlaufen. Erst wache ich nackt in seinem Bett auf, werde von ihm liebkost und liebevoll angeschaut und jetzt werde ich grob aus dem Bett geschmissen. DAS REICHT!
Schluchzend rappelte ich mich, so gut es eben ging, auf und funkelte ihn wütend an.
„Du bist ein Arschloch. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so behandelt worden, wie eben!“, schrie ich unter Tränen heraus und wollte aus dem Zimmer rennen. Doch zwei muskulöse Arme hielten mich zurück. Ich wurde an eine kühle, samtene und muskulöse Brust gedrückt.
„Shhh. Ich wollte dich nicht verletzen. Es tut mir leid. Ich kann nicht so gut mit den Gefühlen von Frauen umgehen. Es tut mir unfassbar leid. Jonah, bitte glaub mir.“, meinte er einfühlsam, doch ich wollte das nicht hören. Wollte seine Nähe nicht genießen. Er würde mich immer und immer wieder zu tiefst verletzen. Ich stieß ihn erbost von mir und raste aus seinem Zimmer. Direkt in meins.
Ich knallte mit aller Wucht die Tür zu und schloss sie ab. Das konnte doch wohl alles nur ein schlechter Traum sein. Ich wollte zurück. Zurück in mein chaotisches, aber bescheidenes Leben als Model. Mit meiner besten Freundin Roxy an meiner Seite. Ich wollte nichts von alldem wissen und wünschte innig die Leute niemals getroffen zu haben. Schluchzend lag ich auf meinem Bett. Es klopfte den ganzen Abend immer mal wieder an meiner Tür, doch ich wollte meine Ruhe. Wollte alleine sein. So wie ich es mein ganzen Leben gewesen war. Meine Eltern waren zwar da gewesen, aber nie für mich. Entweder waren sie arbeiten oder aber betrunken gewesen. Ich war vor alldem geflohen. Warum musste mich jede Sekunde unter ihnen mich immer wieder an die schwere Zeit erinnern. Ich hatte versucht vor allem davon zu laufen, doch die Vergangenheit holte mich dennoch immer wieder ein.
Es klopfte an meiner Tür und ich hörte die Stimme von Xylon. Meine Stimmung hellte sich etwas auf. Er war mir ans Herz gewachsen, so wie der große Bruder, den ich nie hatte.
„Hey. Ich dachte, dass wir ausgehen wollten. Es ist bereits halb zwei. Kommst du noch mal da raus?“, wollte er wissen und ich musst automatisch grinsen.
„Kannst du noch eine Viertelstunde warten?“, meinte ich bissig und flitzte ins Bad. Dort erledigte ich alles Wichtige und stieg dann in mein aquamarinfarbenes Kleid. Das, das sehr ausgeschnitten war und das ich niemals sonst angezogen hätte. Ich hatte es bei einem Event vorgeführt und es behalten dürfen. Schnell schlüpfte ich in meine schwarzen High Heels und stackselte zur Tür.
Wäre der Anblick von Xylon nicht zum totlachen gewesen, hätte ich ihn getadelt, denn er starrte mich mit riesigen Augen an.
„Das… Ach du heilige Scheiße!“, meinte er und starrte mich immer noch an.
Ich kam aus dem Lachen kaum noch heraus. Leider hatte das zur Folge, dass ich alle möglichen Leute hier aus dem Haus anlockte. Farah, die ebenfalls ein grünes Kleid Trug, sah mich fragend und dann ebenfalls schockiert an.
Auch Slys Tür öffnete sich und Pearl lugte durch den Türspalt. Sie starre mich ebenfalls an. Jetzt wurde es mir aber zu bunt.
„Hab ich etwa Spinat zwischen den Zähnen hängen oder was?“, verlangte ich zu wissen und sah alle fragend an.
„Das ist der Hammer. Du siehst echt scharf aus. Wen willst du heute Abend denn ins Bett locken?“, hakte Farah Augenbrauen wippend nach.
„So kannst du nicht gehen!“, erklang die barsche und befehlende Stimme von Sly. Also ob. Das war immer noch meine Entscheidung, wie ich rumrannte.
„Ace, sie wird den Bloodhuntern wie auf einem Silbertablett serviert. Das kannst du nicht zulassen!“, wand er sich nun an das Oberhaupt.
„So leid es mir tut, Jonah, aber Sly hat Recht. Jeder würde dich erkennen! Hast du noch etwas Dezenteres dabei?“
Geschockt sah ich von Sly zu Ace und wieder hin und her.
Im Augenwinkel sah ich, wie Farah sich Ace zur Brust nahm.
„Du siehst wirklich umwerfend aus, Prinzesschen.“, meinte Xylon liebevoll.
„Prinzesschen? Ich trag doch gar kein rosa. Mal abgesehen, dass ich rosa hasse.“, stellte ich klar.
„Ja. Du siehst einfach…wow.“, meinte er erneut und begutachtete mich.
„Ich pass schon auf Jonah auf!“, meinte Xylon dann lächelnd. Doch Ace schüttelte den Kopf.
„Sly du passt auf sie auf. Die Bloodhunter haben mehr Angst vor dir, als vor Xylon. Jonah du bist einfach zu wertvoll, um uns verloren zu gehen.“, meinte er und küsste im selben Moment Farah ausgiebig. Fassungslos starrte ich Ace an. Nicht nur die Bloodhunter hatten Angst vor Sly. Ich hatte es inzwischen auch schon. Zumindest redete ich mir das ein. Nach der Attacke…
„Aber wir wollten doch Party machen!“, wiedersprach Xylon und erntete ein tiefes und böses Knurren von Sly und Ace zusammen. Upps. Als ich mich umdrehte, war Xylon verschwunden und ich stand mit Sly und Pearl alleine im Flur. Ich in meinem knappen Fummel und sie nur in Handtuch bekleidet. Toll.
„Ich zieh mich kurz um.“, stellte Sly fest und erschien eine Sekunde später in einer schwarzen Jeans und einem etwas aufgeknöpften schwarzen Hemd.
„Wir sehen uns morgen Abend Pearl.“, meinte Sly, was mich zum Lächeln brachte und küsste sie flüchtig, was mir einen Stich ins Herz versetzte.

Wir gingen schweigend nebeneinander her. Als wir schließlich in einer Garage standen und das Licht anging, staunte ich nicht schlecht. Hier stand eine ganze Autosammlung. Oldtimer, Neuwagen und Mortorräder.
„Wow.“
„Die gehören zum Großteil Sheila. Sie hat sie von ihrem Dad geerbt. Er nahm sich einen Schlüssel und ging zu einem der Wagen. Es war eine schlichte schwarze BMW Limousine. Zögernd stieg ich in den Wagen ein. Die Nähe war erdrückend. Hätte ich mir nicht vorgenommen ihn zu hassen, dann wäre ich ihm jetzt an die Wäsche gegangen.
„Wie alt bist du eigentlich?“, begann ich Smalltalk. Ich konnte ja schlecht über das tolle Wetter sprechen. Immerhin war es dunkel und Mitten in der Nacht.
Er zog eine Augenbraue hoch und umklammerte das Lenkrad. Ich dachte schon, dass er mir nicht mehr antworten würde, als er endlich die unangenehm aufgeladene Stille durchbrach.
„Ich existiere seit 989 Jahren. Als ich verwandelt wurde, war ich 29. Ich bin also schon seit über tausend Jahren auf der Erde.“, antwortete er monoton.
„Du bist aus Schottland?“, hakte ich nach und er nickte.
„Du auch oder?“, wollte er von mir wissen.
„Ja hatte ich schon mal erwähnt.“
„Ich weiß. Warum machen wir das eigentlich?“, fragte Sly auf einmal und fuhr rechts ran.
„Was machen wir?“
„Na das! Wir halten es zusammen nicht aus, dennoch gehen wir in einen Club.“, stellte er seufzend fest und fuhr wieder los. Er hatte Recht. Warum tat ich das? Warum beharrte ich auf meinen Ausgang, obwohl ich nicht Xylon an meiner Seite hatte, sondern den von mir eigentlich gehassten Sly. Warum wollte ich die Zeit mit ihm zusammen verbringen. Hatte ich mir nicht geschworen ihn zu meiden und meiner Wege zu gehen?
„Dreh bitte um.“, bat ich und er tat wie ihm befohlen.
Das war das erste Mal, dass er das getan hatte, was ich ihm befohlen hatte. Das erste mal seit zwei Tagen.
Du bist hoffnungslos in ihn verliebt!, stellte mein überausnerviges Herz klar, doch mein Verstand wollte das alles nicht hören, wenngleich es die Wahrheit war.


10
Als wir wieder im Quartier ankamen, eilte ich schnellen Schrittes in mein Zimmer. Ich kickte meine High Heels von den Füßen und befreite mich aus dem Kleid. Ich riss es mir vom Körper. Ich konnte den Anblick nicht ertragen.
Nur mit meiner Unterwäsche bekleidet stand ich jetzt in meinem Zimmer und sah mich um. Der nächste Flash durchzuckte mich und Schmerz machte sich breit. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib. Schrie meine Verleztheit heraus und wurde von starken Armen umschlungen, die mir Kraft und Geborgenheit gaben. Es brannte an meinem Hals und ich drohte wieder in die Schwärze mit Leid, Hass und Tod abzudriften. Nur ein sanfter, liebevoller Kuss auf meine schmerzende Stelle, ließ mich bei Bewusstsein bleiben. Seit wann war ich denn zu einem Emo kollabiert?
Die Schmerzen ließen nach und meine Anspannung ließ nach. Jedoch ließen mich die starken Arme nicht mehr los. Gar so, als könnte ich gleich zerbrechen. Doch ich hatte härtere Zeiten hinter mir.
„Ist es besser?“, vernahm ich Slys besorgte Stimme.
„Danke.“
„Wofür?“
„Das du hier bist.“, meinte ich knapp und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Ein leichter Schmerz im Hals machte sich immer noch bemerkbar und ich zuckte kurz zusammen. Sly drehte mich zu sich herum und erst jetzt bemerkte ich, dass ich im Bett lag.
Er sah mich eindringlich an und ich spürte sein Verlangen auf mir, so wie er meins spüren musste. Seine Augen waren verändert. Er sah mich mit dunkelroten Augen an. Hatte Farah sowas nicht erwähnt?
Bevor ich noch fragen konnte, spürte ich einen fordernden Kuss auf meinen Lippen. Ich ließ mich gar nicht erst lange bitten und erwiderte ihn, leidenschaftlich. Es stand jetzt fest. Ich hatte mich wahrhaftig in Sly Wemyss verliebt.
Ich knöpfte sein Hemd auf und fuhr über seine muskulöse und vernarbte Brust. Ich genoss das Gefühl, wenngleich Sly kurz zurückzuckte. Doch ich zog ihn wieder zu mir heran. Berührte ihn. Wollte ihn.
Ein tiefes Grollen entsprang seiner Kehle und im nächsten Moment spürte ich eine Lust, die mich in ungeahnte Gegenden stoßen ließ. Wie es mir schien, ging es Sly genauso.
Ich hatte noch nicht einmal meine Hüllen verloren und wir waren beide schon von einem Orgasmus überrannt worden. Jetzt fielen endlich die letzten Hüllen und ich machte mich bereit um ihn zu empfangen.
Wir trieben gemeinsam gen Himmel und es war atemberaubend. Als ein kleiner Impuls mich bat etwas zu tun, das ich vorher nicht getan hatte. Ich biss Sly. Komischerweise war ich dazu in der Lage. Ich biss ihn uns schmeckte die gutschmeckende, rote Flüssigkeit. Ich geriet in Ekstase. Ich hätte angewidert sein müssen, doch ich war es nicht. Ich genoss seinen Geschmack. Ich leckte kurz über die Einstiche und der Speichel verschloss die rote Droge schnell wieder.
In diesem Moment rollte der zweite Orgasmus über mich und ich bäumte mich auf. Als Sly jedoch abrupt von mir abließ, öffnete ich ungläubig meine Augen. Das konnte er mir doch jetzt nicht antun oder?
„Warum hast du aufgehört?“, hakte ich nach Luft ringend nach.
„D-die Runen.“, stotterte er.
„Was ist damit?“
„Sie sind alle sichtbar!“, stellte er fest. Er zog sich kurz aus mir zurück und kam mit einem Handspiegel wieder. Ich betrachtete die geschwungenen und ineinander verwobenen Linien. Es war wunderschön. Sie waren in einem dunkelgrünen Ton sichtbar. Beinah so, wie wenn man gegen Nickel allergisch ist. Dann wir bei mir auch alles grün. Nur eben um einiges schöner.
„Das müssen wir den Anderen zeigen!“, meinte Sly knapp und raste davon. Meine Stimmung war dahin. Passé.
Das würde ich ihm nicht verzeihen. Wie konnte er während unseres Geschlechtsaktes an sowas denken?
Ich war zu tiefst verletzt und bedeckte mich mit der Bettdecke. Wieder betrachtete ich meine Haut, doch nichts war zu sehen außer meinen bereits schwarzgefärbten Runen. Ace kam ins Zimmer, dicht gefolgt von den anderen männlichen Kriegern. Doch sie sahen nichts außer: Mich. Jonah Luca Killigan, 23 Model und zu tiefst gedemütigt.
„Sie waren eben noch alle da!“, verteidigte sich Sly.
„Erregung. Vielleicht reagieren die nur, wenn Jonah erregt ist oder aber du mit ihr schläfst…“, schlussfolgerte Vasco, mit einem spanischen Akzent.
Ich funkelte sie alle wütend an. Das schienen sie bemerkt zu haben und verließen schnellen Schrittes mein Zimmer.
Selbst Sly sah mich komisch an.
„Warum hast du das gemacht? Hat dir das eben gar nichts bedeutet?“, verlangte ich zu wissen. Doch wollte ich das wirklich wissen?
„Nein, warte ich will es gar nicht wissen!“, korrigierte ich mich. Das wollte ich wirklich nicht.
War Sly überhaupt noch im Raum?
Ich sah fragend auf und stellte fest, dass auch er gegangen war. Super! Schnell zog ich mir ein Höschen und ein langes Schlaf T-Shirt an und flitzte zu Xylon.


11
Ich klopfte kurz und betrat kurz darauf sein Zimmer. Ich suchte den Lichtschalter, konnte ihn jedoch nicht finden.
Das Licht ging wie auf Befehl an und ich sah einen böse dreinschauenden Xylon.
„Was ist denn so wichtig, dass es nicht bis morgen warten kann?“, wollte er verschlafen wissen. Oh mir war gar nicht aufgefallen, dass er der einzige gewesen war, der nicht da gewesen war von den Kriegern.
Ich heulte auch schon los, erklärte Xylon alles detailliert. Selbst meine Gefühle. Meine Gedanken. Mein Leben. Ich erzählte ihm, was ich durchgemacht hatte und warum ich immer so zickig und arrogant rüber kam.
„Hey. Du liebst ihn und er dich. Nur mit dem Unterschied, dass er es noch nicht weiß oder sich zumindest dagegen sträubt. Sly war eine lange Zeit alleine. Selbst Ace weiß nicht, was Sly wiederfahren ist. Er war schon immer bitter, einzelgängerisch und sehr schnell aufbrausend.“, meinte Xylon einfühlend.
„Du solltest ihm das Selbe sagen, wie mir. Dann weiß er woran er ist und kann selbst entscheiden. Aber…“, begann Xylon wurde jedoch von einem Klopfen unterbrochen.
„Das ist Sly. Ich hab einen Plan, auch wenn ich mich dafür hassen werde und er mir eine reinhaut, dann wissen wir Bescheid!“, meinte er, zwinkerte mir zu und schon mich in sein Schlafzimmer.
„Leg dich in mein Bett.“, meinte er und zwinkerte mir zu.
Ich verstand. Er wollte sehen, ob Sly an die Decke ging oder nicht. Aber so? Ich war mir nicht sicher.
„Komm doch rein Sly.“, meinte Xylon freundlich und bat ihn zur Sitzecke.
„Weißt du wo Jonah ist? Ich hab sie glaub ich verletzt.“, gestand er. Vielleicht? Wut kochte in mir hoch und ich raste ins Wohnzimmer. Immer noch in Höschen und T-Shirt.
„VIELLEICHT?“, brüllte ich und sah Sly wütend an.
Er ignorierte meine Frage und meinen Ton.
„Also hast du dir gleich Ersatz gesucht?“
„Als würdest du es nicht anders machen!“, fauchte ich.
„Du weißt gar nichts über mich!“, stellte er klar.
„Und du nicht über mich!“, konterte ich.
„Wenn du dich da mal nicht irrst. Du bist in Edinburgh geboren und bis zu deinem vierzehnten Lebensjahr aufgewachsen. Dann starben deine Eltern bei einem Brand, den sie selber verursacht hatten. Du kamst in eine Familie, die dich nicht für voll genommen hat und bist zwei Jahre später nach Amerika ausgewandert. Seitdem bist du hier, hast deinen High Scholl Abschluss gemacht, bist mit Roxy befreundet und schlägst dich als Model durch. Außerdem hast du in einer halben Woche Geburtstag.“
Das war mein Lebenslauf. In wenigen Worten, ohne die Gefühle, die ich verspürt hatte.
„Na dann! Du meinst also mich zu kennen, hm?! Werde glücklich damit, denn ich werde abhauen. Ich…“, fluchte ich und wollte gehen.
Ich wurde zum Schweigen gebracht, indem mir Sly einfach die Hand auf den Mund presste. Déjà-vu, nenne ich sowas.
Ich biss ihm in die Hand. So weit war es schon gekommen, dass ich mir den Mund verbieten ließ!
„Wir müssen aber vorher die Runen scannen. Alokay und Roxy sind bereit.“, meinte er kühl.
„Wann?“
„Jetzt?“
„Dann bringen wir es hinter uns. Einen Softporno gratis für meine beste Freundin und ihren Liebhaber. Das wollte ich immer schon mal!“, stellte ich trocken klar.
„Wenn ihr das gescannt habt, dann kann ich gehen?“, wollte ich wissen, doch er antwortete mir nicht.
„Sly... KANN ICH DANN GEHEN?“
Doch statt zu antworten, packte er mich grob am Arm und schliff mich hinter sich her.
Im Technikhäuschen warteten schon Roxy und Alokay. Während Roxy versuchte meinen Blick zu meiden, sah mich Alokay mitfühlend an. Als ob er ahnen konnte, was ich fühlte! Tse.
„Hast du den Scanner, Alokay?“, wollte Sly wissen und zog sich schon mal aus. Roxy versuchte krampfhaft auf ihren Bildschirm zu schauen. Gute Freundin. Dachte ich mir, schalt mich jedoch eine Idiotin bei dem Gedanken.
Sly zog mein T-Shirt und mein Höschen aus. Doch etwas war anders. Wir spürten es beide. Dennoch ignorierten wir es tunlichst.
Sly küsste mich, jedoch in einer Wildheit und nicht mit der vorhergehenden Zärtlichkeit. Ich sah ihm in die Augen und sah nichts außer Distance und Kälte. Ui. Nach einer Weile drang er in mich ein und nichts passierte. Ich war immer noch ich selbst. Nur viel, viel verletzter.
„Das verstehe ich nicht!“, meinte Sly und ließ von mir ab.
„Es hat doch vorhin auch geklappt.“
„Schon gut! Wir werden einen anderen Weg finden.“, meinte Alokay, doch Sly tickte förmlich ab. Wütend schlug er Dinge um und verschwand dann schließlich aus dem Raum. Ich zog mein T-Shirt wieder über, wie auch mein Höschen. Das war jetzt schon das zweite Mal.
Ich begegnete Farah, die ein Glück keine dummen Fragen stellte und mir einfach nur im Turm Gesellschaft leistete. Mittlerweile war hier eine riesige runde Couch und wir fläzten uns in die Kissen.
„Ich hab gehört, dass du die Tage Geburtstag hast! Lass uns das feiern! Party ist immer gut gegen Liebeskummer!“, meinte sie aufmunternd und ich musste lächeln. Sie war immer so fröhlich und brachte mich zum Lachen.
„Wenn du meinst!“
„Unbedingt! Außerdem haben Xylon und Ace schon längst mit den Planungen begonnen. Wir gehen erst in deinem Stammrestaurant essen und dann weiter in einen der angesagtesten Clubs. Dort haben wir den V.I.P-Bereich. Das wird der Hammer.“, freute sie sich.


12
Mein großer Tag rückte immer näher. Doch eigentlich hätte ich mich lieber mit Farah und Roxy vor den Fernseher gesetzt und mal wieder ‘From Dusk Till Dawn‘ reingezogen. Leider waren alle in Partylaune.
Sly hatte mich gemieden, so wie ich ihn.
So stand ich an meinem Geburtstag auf, stieg unter die Dusche und in das Outfit, dass Farah mir ausgesucht hatte. Sie hatte es mir bereits am Nachmittag geschenkt und mich gebeten es anzuziehen. Also stieg ich in den Hauch von nichts. Es war ein Spitzenkleid. Eigentlich war mir das zu altmodisch, doch irgendwie war es hinreißend. Farah hatte einen exklusiven Geschmack!
Immer und immer wieder betrachtete ich mich im Spiegel. Ich legte noch dezentes Make-up auf und ging dann vor die Tür. Stille. Na hoffentlich hatten die nicht vor mich zu überraschen. Doch genau das war der Fall. Alle. Damit meine ich wirklich alle, selbst Sly, standen im Besprechungssaal und riefen: „ÜBERRASCHUNG!“
Ich zwang ein Lächeln auf meine Lippen und sah alle an. Jeder kam zu mi, um mich zu umarmen und mir seine Glückwünsche auszudrücken. Alle, bis auf Sly. Er musterte mich nur aus schwarzen, leblosen Augen. Dann eben nicht!
Zusammen gingen wir in die Garage und teilten uns auf die Autos auf. Zu meinem Entsetzen musste ich mit Sly fahren. Alleine. Ich würde Farah umbringen müssen, doch erst nach diesem Abend!
Zähneknirschend stieg ich auf der Beifahrerseite ein und schnallte mich an.
„Alles Liebe.“, verkündete mir Sly, nachdem er den Wagen gestartet hatte. Fragend sah ich ihn an. Woher kam seine Stimmungsschwankung?
„Danke.“, meinte ich kleinlaut und sah ihn immer noch unverwandt an. Musste ich diesen unwiderstehlichen Mann verstehen?
Kurz wanderte ein Seitenblick zu mir.
„Was? Habe ich etwa einen Pickel auf der Wange?“, wollte Sly schmunzelnd wissen.
„Nein. Aber du hast mich die letzten Tage ignoriert und ich bin etwas sprachlos, dass du überhaupt mit mir kommunizierst!“
Er lachte. Hatte ich ihn vorher nur mürrisch dreinschauend, fluchend oder aber knurrend erlebt, so hatte ich jetzt einen neuen Eindruck. Sein Lachen war wundervoll, wenn auch kurz.
„Ich hab dich keinesfalls ignoriert. Es war eher andersherum!“, stellte er fest. Damit hatte er wohl Recht gehabt. Ich hatte ihn ignoriert, doch nur weil ich dachte, dass er es auch bei mir getan hätte. Wir erreichten mein Stammrestaurant, als mein Handy vibrierte.
Fragend sah ich das Display an. Zack. Oh, den hatte ich ja ganz vergessen. Es vibrierte weiter und ich beschloss abzuheben.
„Zack!?“
„Hey Joe. Ich wünsch dir alles Liebe und Gute. Wo steckst du eigentlich? Ich hab bei Roxy und dir sturmgeklingelt. Aber niemand hat aufgemacht.“
„Danke dir. Ich bin aus.“
„Du verarscht mich!“
„Wieso sollte ich das tun?“
„Na, weil wir bis jetzt jedes Jahr vor der Glotze gehangen, was zu essen bestellt und ‘From Dusk Till Dawn‘ gesehen haben.“
Ich musste lachen. Wie Recht er hatte.
„Wo bist du also wirklich?“, wollte er wissen.
„Ich sitze gerade im Auto auf dem Weg in unser Restaurant und dann geht’s weiter in einen Club. Du, ich muss Schluss machen…“
„Bist du mir noch sauer?“
„Ja. Deswegen bist du auch nicht eingeladen!“, meinte ich und fügte in Gedanken dazu: Und weil ich dich vergessen hatte, aber egal. Ich legte auf. In diesem Moment fiel mir das Bild wieder ein. Mein Lieblingsbild. Wo hatte Sly es gelassen?
„Sag mal… Du hast doch eines der Bilder von Zack ersteigert, nicht wahr? Wo hast du das eigentlich?“
„Wieso?“
Weil es mein absolutes Lieblingsbild ist, zum Beispiel?! Doch antwortete etwas Anderes:
„Na, weil es mich interessiert!“
„Ich hab es Pearl geschenkt.“, meinte er kurz angebunden.
WAS? Innerlich kochte ich. Wie konnte er es einfach verschenken? Mein Herz schmerzte mal wieder. Doch nicht nur mein Herz schmerzte. Ich zuckte zusammen, als mich ein Stich mitten an den Schädel traf. Schmerzerfüllt schrie ich auf. Doch leider half das auch nicht, den Schmerz los zu werden. Sly ging voll in die Eisen und ich knallte zudem noch mit meinem Kopf auf die Kopflehne. Jetzt schrie ich erst recht. Höllische Qualen durchzuckten meinen Körper. Doch jetzt war es nicht mehr nur noch mein Kopf, sondern auch auf meiner Wange schmerze es und mein rechtes Auge schwoll an. Das Sehen fiel mir zunehmend schwerer.
Samtene Lippen strichen über meine geschwollenen und schmerzenden Stellen. Sly leckte vorsichtig über alle Stellen und ich sah zu, wie die Schwellungen und meine Schmerzen verschwanden und lediglich die schwarze Schrift stehen blieb. Mein Körper reagierte auf seine zärtliche Zuneigung und auch seiner schien es zu tun. Seine Augen leuchteten wieder in einem dunklen Rot und nur kurze Zeit später vielen wir übereinander her. So hatte ich mir das gewünscht. Nur mit dem Unterschied, dass ich es nicht in einem engen Innenraum eines Sportwagens treiben wollte. Aber wie heißt es so schön?
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!

Ich presste mich gegen Sly und genöss seine Nähe, als auch die Nachbeben meines Orgasmus. Einen Blick wagend sah ich ihm in die Augen. Sie waren mittlerweile wieder schwarz. Doch nicht so hasserfüllt und leblos. Seine Augen starrten mich an. Welchen Ausdruck sie genau hatten, wusste ich nicht, doch es war keine Abscheu oder Reue. Dessen war ich mir bewusst.
„Wir sollten ins Restaurant fahren. Die Anderen werden schon auf uns warten.“, meinte er. Leider hatte er wieder seine Miene aufgesetzt und sagte es mit seinem typischen befehlerischen und monotonen Unterton.
Es war also alles wieder beim Alten?! Ein Quickie im Auto und dann war er wieder derselbe, wie vor einigen Tagen. Sollte das jetzt etwa immer so ablaufen?
Ich wurde wütend, sehr wütend. Dennoch strahlte ich Ruhe und Gelassenheit aus, als ich meine Unterwäsche und den Hauch von Nichts wieder anzog.
Schweigend erreichten wir das Restaurant.
Alle saßen schon an der langen Tafel und musterten Sly und mich komisch, als wir ankamen. Klar, wussten es alle.
Doch ihre Blicke blieben auf mir länger liegen.
„Du hast neue Runen. Auf den Augenlidern und unter den Augen.“, stellte Roxy fest und sah mich mitfühlend an. Okay, jetzt würden mich die Fotografen und Co nicht mehr buchen.
„Das sieht aber unfassbar cool aus!“, meinte Farah und lächelte mich an. Ich würde mir später am Abend Sorgen darum machen.

Wir bestellten Essen und saßen freudig schwatzend in der Runde. Farah hatte sich den ganzen Abend um mein Wohlergehen gesorgt und Xylon hatte mich ebenfalls tatkräftig unterstützt. Roxy hingegen hatte mich gemieden. Von wegen beste Freundinnen für immer. Ich verdrehte die Augen.
„Wir sollten in den Club feiern gehen!“, stellte Farah fest und alle außer mir stimmten ein.
„Kann ich bei euch mitfahren?“, fragte ich schnell nach und Farah lächelte mich an.
„Ace, fahr du doch bitte mit Sly. Ich muss Frauengespräche führen.“, bat sie und küsste Ace entschuldigend.
Kaum waren die Autotüren zugeschlagen, plapperte Farah los. Doch mir war nicht nach Reden zu Mute und ich betrachtete entsetzt meine neuen Runen. Sie liefen in der Tat über mein Augenlid und unter meinem Auge waren ebenfalls Runen. Würde ich das auf der gesamten Hälfte bekommen? Wer würde mich denn nehmen, wenn ich eine komplette Seite vollgeschrieben hätte mit Runen? Ich würde doch immer angestarrt werden.
„Deine Laune wird im Club steigen!“, meinte Farah und ich hätte am liebsten aufgeschrien.
„Lass dir eines gesagt sein, aber jemand von dem du es nicht denken würdest, hat sich sehr viel Mühe gegeben.“, stellte sie geheimnisvoll fest.


13
Wir erreichten den Club und gingen hinein. Alle möglichen Leute starrten mich an. Die Frauen verächtlich oder aber überlegen und die Männer anzüglich. Na super. Das würde wahrhaftig mein ‘wunderschönster Geburtstag ever‘ werden. Ja, als ob.
Wir gingen in eine abgelegene Area. Vereinzelt flackerten Lichter, ansonsten war es stockfinster.
Ich sah etwas hell Leuchtendes auf mich zukommen und musste lachen, als ich eine riesige Geburtstagstorte mit 24 Kerzen sah.
„Nicht lachen! Du musst die Kerzen auspusten und dir etwas wünschen!“, meinten Cava und Sheila zusammen.
Ich nickte freudig und holte tief Luft.
„Na dann frisch ans Werk!“, verkündete ich und blies alle Kerzen aus. Klar hatte ich mir etwas gewünscht. Und jeder, der nur etwas bei klarem Verstand war, wusste was!
Musik erklang und das Discolicht legte los. Erst jetzt sah ich die vielen Leute. Doch mein Blick blieb auf einer Person hängen. Pearl. Was machte sie denn hier? Hatte Sly sie etwa mitgebracht?

Empört darüber, drehte ich mich um und setzte mich ohne eine Begrüßung der Anderen auf einen bequemen Sessel.
Noch ehe ich mich versah, hatte mich jedoch Xylon in eine Umarmung und auf die Tanzfläche gezogen.
Mir sollte es Recht sein. Ich tanzte mir die Füße wund. Die ganze Nacht hatten Xylon und ich getanzt.
„Danke für den wunderschönen Abend. Ich habe meinen Geburtstag noch nie so genossen!“, bedankte ich mich bei allen.
„Tse.“, wand Roxy ein und ich sah sie fragend an.
„Die letzten Jahre wolltest du ja auch nie unter Leute gehen!“, meinte sie trocken und verschwand. War sie sauer auf mich? Eigentlich hatte ich vorgehabt ihr nach zu eilen, doch ich wurde von Sly zurückgehalten.
„Bevor du ihr folgst… Ich hab noch ein Geschenk nachträglich für dich. Ich hoffe, dass du es magst.“, flüsterte er mir in mein Ohr und ich konnte nicht anders, als ihm zu folgen. Er zog mich zu Pearl, die mich anlächelte und etwas in der Hand hielt.
„Pearl war so freundlich und hat es für dich eingepackt.“
„Bitte.“, meinte sie halbherzig und sah mich eifersüchtig an.
Sollte das nicht normalerweise mein Blick sein?
Ich starrte das Geschenk in meinen Händen nur an.
„Willst du es nicht aufmachen?“, wollte Sly wissen.
Ich sah ihn verwirrt an. Was hatte Farah noch gesagt? Derjenige, den ich am wenigsten vermutete?
Ich riss in freudiger Erwartung das Papier auf und starrte auf mein Lieblingsbild. Mein Hirn ratterte. Hatte er es nicht Pearl geschenkt? Das hatte er mir doch im Auto bestätigt!
Fragend sah ich ihn an.
„Alokay meinte, dass es dein Lieblingsbild sei, also hab ich es erstanden und will es dir schenken. Entschuldige die Ausrede vorhin, aber es sollte eine Überraschung sein.“
Mein Augenlid zuckte und ich starrte von Bild zu Sly und wieder zum Bild.
„Äh… Ich denke, dass ich liebe dich. Meine Gefühle gerade nicht annähernd ausdrückt.“, meinte ich, zog Sly zu mir herunter und küsste ihn stürmisch.
Als wir von einander abließen, sah ich seine dunkelrotleuchtenden Augen, die mich begierig ansahen und binnen einer Sekunde lagen wieder seine Lippen auf meinen. Ja, Wünsche und Träume werden doch ab und zu mal wahr!

Wir feierten alle zusammen, bis kurz vor Sonnenaufgang. Freudig fuhr ich mit Sly nach Hause. Endlich hatte ich das, was ich von ganzem Herzen wollte.
„Meintest du das eigentlich ernst?“
„Hm?“, hakte ich nach.
„Das du mich liebst? Ich meine du kennst mich kaum…“, setzte Sly an, doch mein Lachen unterbrach seine Gedanken.
„Was ist denn so lustig an der Frage?“, wollte er verärgert und mit mordlustigem Blick wissen. Das brachte mich noch mehr zum Lachen. Er konnte von einem harmlosen Riesenbaby zu mordlustigen Killer werden. Das alles in nur einem Wimpernschlag. Ich bemerkte erst, dass wir das Quartier erreicht hatten, als Sly ausstieg und die Tür zuknallte. Upps.
„Hey!“, schrie ich ihm immer noch lachend hinterher.
„Sly! Verdammte Scheiße, bleib stehen!“
Doch er ging weiter. Ich rannte ihm hinterher und kam völlig aus der Puste bei ihm an. Er schob gerade den Schlüssel in sein Schloss, als ich ihn am Arm berührte.
Ein schmerzerfüllter, wütender und hasserfüllter Blick traf mich kalt, sodass mein Lachen erstarb.
„Tut mir leid.“, presste ich zwischen den Atemzügen hervor, doch ich stand nur vor einer verschlossenen Tür.
Super!
Ich glitt an seiner Wohnungstür herunter und bettete meinen Kopf auf meinen Händen, die wiederum auf meinen angewinkelten Knien langen.

So musste ich eingeschlafen sein, denn zwei starke Arme trugen mich gerade.
„Ich liebe dich Sly.“, nuschelte ich an eine Brust.
„Ich dich auch, Joe.“, gab die Stimme zurück.

Als ich aufwachte, bemerkte ich, dass ich in Slys Schlafzimmer lag und dass er beschützend und besitzergreifend die Arme um mich geschlungen hatte.
Ich hatte das bekommen, was ich wollte.


14
Ich küsste Sly auf die Brust und ein tiefes Schnurren erklang. Wow. So lobe ich mir das.
„Heißt das jetzt, dass wir zusammen sind?“, hakte ich nach, doch keine Regung ist auch eine Regung.
„Oder darf ich mich mit anderen heißen Typen treffen?“, fügte ich neckend bei.
„Du machst mich wahnsinnig, FRAU!“, blaffte Sly und küsste mich ausgiebig.
„Aber das liebst du an mir oder?“, hakte ich nach.
„Eigentlich macht es mich rasend. Noch nie hat eine Frau es gewagt so mit mir zu reden und vor allem hat sie s nicht überlebt!“
„Uhi. Ich mach mir gleich ins Hemd!“, lachte ich, wurde jedoch unter seinem riesigen Körper begraben.
Er starrte mich an. Nicht mit seinen dunkelroten und auch nicht mit seinen hasserfüllten schwarzen Augen. Es war ein anderer Blick. Ein liebevoller und von Besitzerstolz zeugender Blick.
Es klopfte an der Tür und Ace stand im Raum. Ich sah den mordlustigen Blick, den Ace auffangen musste. Aber anscheinend war er es gewohnt, denn er lächelte nur kurz und verschwand daraufhin.
„Ich will dich wirklich nicht verletzten, aber wir müssen immer noch die Runen scannen!“, meinte Sly verführerisch.
„Ich zeige meinen Freunden nur zu gern, wer der Boss ist und wer dich besitzt! Außerdem wären nur Alokay und Roxy dabei.“
„Das meinst du wirklich ernst oder?“
„Es ist wichtig!“
Das wusste ich, aber es wiederstrebte mir eine Peepshow für Arme hinzulegen.
„Verkaufen wir dann auch Tickets?“, wollte ich neckend wissen und er lächelte mich an.
„Auf die Idee wäre ich jetzt nicht gekommen. Guter Einfall!“
Entrüstet sah ich ihn an.
„Keine Sorge. Jonah es gibt nur dich und mich. Ignoriere Alokay und Roxy einfach. Nur dich und mich!“
Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, küsste er mich zärtlich und ich musste mich geschlagen geben.
Ich würde es tun. Mit ihm an meiner Seite. Glücklich. Zumindest bis zur nächsten Krise, die bei uns und meinem Glück bestimmt nicht weit entfernt war!


Impressum

Texte: Mal wieder war ich krativ *lach* und habe Google benutzt um das Bild zu finden, welches es dann wiederum geschafft hat von mir mit Photoshop bearbeitet zu werden.
Tag der Veröffentlichung: 15.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Stellt euch vor außnahmsweise widme ich das Buch meinen treuen Lesern und nicht meinem kleinen Strullihund Apollo.

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