Prolog
Das konnte doch wohl alles nicht wahr sein! Ich schlug die Hände gegen meine Stirn.
„Rhea.“, wunderte ich mich. Sah ich etwa eine Fata Morgana? Ich rieb mir die Augen. Ihre Mutter hatte mir gedroht, wenn ich Rhea zu nahe kommen sollte und sie hatte es doch tatsächlich gewagt hier her zu kommen. Ihre Mutter würde mir den Kopf abreißen und ihr gleich dazu. Was wollte sie hier? Das konnte ja was werden.
„Was willst du denn hier? Warum bist du nicht bei deiner Mum?“, fragte ich wütend.
„Kann ich reinkommen?“, fragte sie verängstigt. Meine Anspannung lockerte sich ein wenig.
„Klar, komm rein. Ist schön dich nach all der Zeit mal wieder zu sehen. Du siehst gut aus.“, antwortete ich und zog sie in eine kurze Umarmung.
„Was ist denn passiert?“
Immerhin hatte sie jahrelang keinen Kontakt zu mir gesucht. Warum also jetzt. Nachdem ich mich mit meiner Schwester, sprich Rheas Mum zerstritten hatte, war ich umgezogen und hatte mein Leben so gelebt, wie ich es für richtig hielt. Was bildete sich Yvy auch ein? Es war ein Unfall gewesen. Doch in ihren Augen hatte ich ihren Mann auf dem Gewissen.
Immerhin hatte ich es geschafft eine gute Polizistin zu werden. Ich war seit einem Jahr sogar Lieutenant. Ich sorgte für Recht und Ordnung.
„Kann ich bei dir wohnen?“
Ich verzog mein Gesicht, wenngleich ich wusste, dass sie es nicht sehen konnte.
„Wieso, Rhea?“
„Ich hab dir hunderte von Briefen geschrieben, die du nie beantwortet hast. Jahre lang hab ich versucht dich zu erreichen. Yvy hat mir alles gebeichtet. Sie hat dafür gesorgt, dass nichts bei dir ankam. Sie wollte nicht, dass du einen SCHLECHTEN Einfluss auf mich hast. Farah bitte lass mich hier unterkommen und sag Yvy nichts davon. Außerdem wohnt meine beste Freundin Laura mittlerweile auch hier.“
Warum nannte sie Yvy Yvy und nicht Mum; Mutter oder ähnliches. War etwas Schlimmes zu Hause vorgefallen?
„Was ist passiert?“, fragte ich schließlich zögernd nach.
„Sie hat einen Neuen und der kann mich nicht leiden. Seitdem nörgelt sie nur noch rum und glaub ihm jede Lüge. Ich halts zu Hause nicht mehr aus. Bitte, kann ich hier bleiben?“, bat sie erneut und schaute dabei etwas verzweifelt drein. Sie hatte mir geschrieben und meine ach so tolle oberzickige Schwester hatte die Briefe einfach zurückgehalten? Miststück!
„Bitte Farah. Ich hab gedroht, dass ich abhauen würde, doch sie hat nur gelacht und meinte, weil ich blind bin, komme ich eh nicht weit. Sie will mich nicht mehr.“
„Aber Rhea, du bist siebzehn. Nicht volljährig. Du gehst noch zur Schule.Wenn deine Mutter dich als vermisst meldet? Du kennst sie nur zu gut.“, wand ich ein. Klar, könnte sie hierbleiben, aber wenn sie herausfand, dass ich ihrer Tochter ein Dach überm Kopf gab, dann würde sie bestimmt behaupten, dass ich sie entführt hatte. Zuzutrauen wäre es ihr auf jeden Fall.
„Aber ich doch in zweieinhalb Wochen Geburtstag und gestern meine letzte Klausur geschrieben. Ich bin fertig mit Schule.“, stellte sie trocken fest.
Eins zu Null für sie.
„Ich mach dir das Gästezimmer fertig, okay?“
„Danke Tante Farah.“, meinte sie und umarmte mich. Woher wusste sie, wo ich stand? Ich dachte die Frau wäre blind. Außerdem Tante Farah? Ich zog eine Augenbraue hoch.
„Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest. Sollte Yvy jedoch zur Wache kommen und eine Entführung melden, dann ist Schluss mit Lustig.“
„Wieso? Du arbeitest doch da oder? Lass doch die Vermisstenanzeige einfach verschwinden!“, lachte sie und ich stimmte schnell ein. Sie war ja richtig schlau. Komm, sagte ich und zog sie hinter mir her.
„Das ist dein Zimmer, sieh dich ruhig um.“, meinte ich, schlug mir jedoch in Gedanken gerade an den Kopf. Ich dumme Gans. Sie war blind. Fettnäpfchen waren für gewöhnlich zum reintrampeln gedacht.
„Klar.“, meinte sie nur und zählte glaube ich die Schritte von einem Gegenstand zum nächsten. Ich ging ins Wohnzimmer zurück und schaltete den Fernseher ein. Es liefen gerade Nachrichten.
„Guten Abend meine Damen und Herren. Heute Nacht wurden wieder drei Leichen gefunden. Meine Kollegin Ina Black ist vor Ort.“
Es wurde nach außen geschaltet.
„Hallo. Die Leichen wurden zusammen in dieser Nebengasse gefunden. Mr. Blair, Sie haben die Leichen entdeckt. Haben Sie irgendetwas gesehen?“, fragte die Reporterin einen dicklichen Mann.
„Ja. Ich habe sie gefunden. Ein Glück war niemand mehr hier. Sonst würde ich vielleicht auch dort liegen. Ich hab echt Angst noch auf die Straße zu gehen. Ich meine das sind die nächsten Opfer. Die Polizei solle den Täter endlich mal schnappen…“, regte sich der Mann auf und fuchtelte dabei mit seinen dicken Ärmchen in der Luft herum.
„Sie haben es gehört meine Damen und Herren. Das ist jetzt schon der vierte Fund von mehreren Leichen. Wann wird das aufhören? Niemand weiß das, aber wir hoffen, dass die Polizei schnell macht. So viel vom Tatort. Zurück ins Studio.“
„Danke Ina Black.“
„Es wurde heute in der Gerichtsmedizin eingebrochen, dabei wurde eine Pathologin angegriffen und eine Leiche wird seid her vermisst. Da fragen sich die Leute: Ist das denn ein Wunder? Die Polizei ist anscheinend vollkommen überfordert mit der ganzen Situation. Sollten Sie irgendwelche näheren Infos haben, dann melden Sie sich unter dieser Nummer.“
„SCHEIßE!“, fluchte ich leise. Warum hatte mein Boss mich nicht angerufen oder aber mein Partner? Wobei. Die hatten mich ja schon förmlich aus dem Department schmeißen müssen, dass ich endlich mal Feierabend machte. Aber die Fälle waren nun mal oberste Priorität. Ich wollte den oder diejenigen, die dafür verantwortlich waren endlich hinter Gitter bringen, sodass die Stadt wieder etwas entspannter sein konnte. Aber die Leute verstanden nicht, warum wir den oder die Täter einfach nicht schnappen konnten und warfen mit Wörtern wie ‘Serienmörder‘ ‘Überforderung für die Bullen‘ ‘Zu nichts zu gebrauchen‘ um sich. Echt toll.
„Ist irgendwas Wichtiges passiert?“, hakte Rhea nach. Wo kam die denn her? Ich hatte mich echt erschreckt.
„Wieder ein Leichenfund.“, erklärte ich und sah sie nicken.
„Musst du dann los?“
Ich schüttelte den Kopf und hatte mal wieder vergessen, dass sie ja blind war und meine Gestik deswegen nicht sehen konnte. Also verneinte ich.
„Magst du das Zimmer?“, hakte ich nach und sie nickte zustimmend. Gut. Aber wie sollte es auch anders sein. Sie wusste ja nicht, dass die Wände weiß und kahl waren.
„Hast du dich auch schon in den anderen Räumen umgesehen?“, hakte ich nach.
„Ja. Du hast sogar noch das E-Piano von meinem Dad hier!“, freute sie sich. Ich hatte es nicht über mich bringen können es weg zu geben, wenngleich Yvy dieses gefordert hatte nach dem Tod ihres Mannes.
„Ich konnte es nicht weggeben. Spielst du immer noch?“
„Kaum. Nur noch in der Schule.“, antwortete sie geknickt.
„Du hast doch Musik immer geliebt. Warum spielst du nicht mehr?“, hakte ich nach. Als sie noch klein war, hatte sie immer mit ihrem Vater musiziert. Er war ein war er Gott, wenn‘s ums Klavierspielen ging. Und glücklicherweise hatte sie das Gen geerbt. Sie sah immer so froh und glücklich aus.
„Yvy wollte es nicht. Es hat sie zu sehr an Dad erinnert. Also hat sie alle Instrumente bei ebay verscherbelt.“
„Das hat sie nicht!“, fiel ich ihr geschockt und entrüstet ins Wort.
„Wolltest du nicht immer Musik studieren? Yvy wusste das doch. Wie konnte sie dir das nur antun?“, regte ich mich auf.
„Jetzt bin ich ja hier und du hast bestimmt einen Kopfhörer, sodass ich auch mal spielen kann. Ich freu mich so hier bei dir zu sein.“
„Ich werde dir einen besorgen! Sag mal… Wo sind eigentlich deine Klamotten? Wenn man abhaut packt man sich doch eine Tasche oder so.“
„Ich hab weißgott keine Tasche finden können und außerdem hat Yvy die ganzen Klamotten für mich ausgesucht. Ich denke mal, dass sie entweder quietsch pink sind oder aber mit kleinen Bärchen und Pferden drauf. Ich wurde nämlich immer ausgelacht in der Schule.“, antwortete sie und ich begann zu lachen. Ich hörte auf zu lachen, als es an der Tür klingelte. Huch, wer war das denn? Ich ging zur Tür und lugte durch den Türspion.
1
Brian stand dort. Freudig riss ich die Tür auf und begrüßte meinen Freund, indem ich mich um seinen Hals warf.
„BRIAN!“, rief ich dazu.
„Schatz!“, lachte er und bückte sich zu mir herunter um mich zu küssen. Warum musste er auch nur so groß sein? Oder aber ich so klein?
Ich ließ von im ab und zog ihn freudig in meine Wohnung.
„Huch, wer ist das denn?“, hakte er nach und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
„Darf ich vorstellen meine Nichte Rhea, Rhea das ist Brian mein Freund.“, vermittelte ich und deutete mit den Händen auf meine Augen, sodass er schnallte das sie blind war. Lieder war er kein Blitzmerker und guckte mich fragend an. Tja, entweder einen sexy Boyfriend oder aber einen mit Grips. Beides zusammen war entweder vergeben oder aber Mangelexemplar.
„Was willst du mir jetzt damit sagen?“, hakte er nach.
„Wahrscheinlich dass ich blind bin.“, klinkte sich Rhea ein. Woher wusste sie was ich gemacht hatte? Gruselig.
„Oh.“, war seine Antwort darauf und eine unangenehme Stille entstand.
„Ich wollte auch gar nicht lange stören. Ich muss weiter zur Arbeit, Schatz. Bye Rhea, war schön dich mal kennenzulernen.“
Die Tür ging zu und er war wieder weg. Was sollte das denn? Er war ja förmlich vor mir geflohen.
„Wie lange bist du schon mit ihm zusammen?“, wollte Rhea wissen und sah mich fordernd an.
„Seit etwa einer Woche. Aber so einen schnellen Abgang hat er noch nie hingelegt.“, stellte ich fest.
„Kerle. Die muss man nicht verstehen!“, lächelte mich Rhea an. Wo sie Recht hat, hat sie Recht.
„Wo waren wir eben noch gleich stehen geblieben? Ah ja. Klamotten. Du brachst welche und ich könnte auch mal neue gebrauchen. Lass uns Shoppen gehen.“
„Hört sich super an, aber ich hab kein Geld dafür.“, stellte sie etwas eingeschüchtert fest.
„Du bist meine Nichte. Wie viele Geburtstags-und Weihnachtsgeschenke schulde ich dir noch mal, weil ich nicht kommen und nichts schicken durfte?“
„24.“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen.
„Dann lass uns shoppen gehen.“
„Hast du heute frei? Kann ich Laura noch Bescheid sagen? Sie erwartet mich schon.“
„Sowas in der Art. Klar wenn sie dann in die Shoppingmeile kommt.“, meinte ich und sie ging nicht weiter darauf ein.
Ich nahm meine Motoradkluft und meinen Helm. Mist warum hatte ich mir kein Auto gekauft? Genau, weil ich auf heiße Öfen stand.
„Hier.“
Ich gab Rhea einen Zweithelm und eine meiner Jacken, die ihr viel zu groß war. Naja, wenn ich immer gedacht hatte, dass ich mit meinen eins siebenundsechzig klein wäre, dann war Rhea ein Zwerg. Mindestens zehn Zentimeter war sie kleiner.
„Motorrad?“, fragte sie nach und ich nickte mal wieder.
„Ja. Ist doch kein Problem oder“, wollte ich wissen.
„Wir könnten auch den Bus nehmen.“
„Nö. Bike ist schon ganz okay.“
Ich nickte, zog mich an und zog Rhea mit zum Fahrstuhl. Ein Glück ging er seit Montag wieder!
An meinem Bike angekommen, setzte ich meinen Helm auf und zog meine Handschuhe an.
„Steig auf.“, forderte ich Rhea auf und startete mein Baby.
Rhea ließ sich gar nicht lange bitten und stieg auf. Wir fuhren in die Innenstadt. Einen Vorteil hatte meine Maschine… mal abgesehen von ihrem geilen Sound und Aussehen, ich konnte überall platzsparend parken. Mal ausgenommen von den Halteverboten oder den Feuerwehreinfahrten natürlich.
„So. Wir sind da. War doch cool oder?“
Stille. War Rhea etwa nicht mehr da?
„Das war der Hammer! Bei M...Yvy durfte ich nie sowas machen. Das ist voll cool!“, freute sie sich und hüpfte auf und ab, wie ein kleines Kind.
Ich stieg ebenfalls ab und legte das Schloss an. Würde auch nur jemand wagen mein Baby zu klauen, dann würde ich ROT sehen. Ich zog sie hinter mir her.
„Hast du es eilig?“, fragte sie mich ganz aus der Puste. Oh hatte ich etwa noch meinen schnellen Schritt drauf? Naja, egal.
„Eigentlich nicht.“, einte ich und ging ein wenig langsamer.
„RHEA!“, rief eine blonde, schlanke junge und ziemlich große Frau nach Rhea. Das musste also Laura sein. Jetzt kam ich mir klein vor. Die war ja mindestens eins achtzig. Aber was sollte Rhea denn sagen? Sie war sogar mini im Verhältnis zu mir.
„Laura!“, freute sich Rhea und umarmte besagte.
„Das ist meine Tante Farah.“
„Hey ich bin Laura. Bereit Shoppen zu gehen?“
Ich nickte und lächelte Laura freundlich an.
Wir gingen in die erste Boutique und durchwühlten die Kleiderständer.
„Du sagst mir doch ehrlich, ob mir das steht, was ich aussuche oder?“
„Klar. Hier probier das mal an und das und … genau, das wird Hammer aussehen!“, meinte ich und gab ihr einige Teile, die ich durch Zufall gefunden hatte. Sie suchte sich auch einige Teile aus, selbst Laura war total begeistert bei der Suche und es ging zu den Umkleiden.
„Und?“, hakte Rhea nach und ich kam in einer Röhrenjeans aus der Umkleide um nach ihr zu schauen.
„Die Hose ist super, aber der Pulli geht wirklich gar nicht.“, meinte ich und sie nickte. Zufälligerweise fiel mein Blick auf den Spiegel und ich konnte mir ein Lachen wirklich kaum noch verkneifen. Ich war zwar schlank und durchtrainiert, aber hatte einfach zu kurze Beine um eine Röhre tragen zu können. Es sah einfach nur komisch aus. Selbst Laura hinter mir konnte sich das Lachen nur sehr schwer verkneifen.
„Was ist?“, fragte mich Rhea argwöhnisch.
„Ich hab ne Röhrenjeans an, aber meine Beine sind dafür eindeutig zu kurz. Ich seh voll bescheuert aus.“
„Ach so. Wie ist das T-Shirt?“
„Nett, wenn du auf den Spruch stehst.“, meinte ich.
„Was steht denn da?“, hakte sie nach.
„Blind Date mit einem… Vampir.“, lachte Laura und wir fielen mit ein.
So ging das weitere drei Stunden und viele Geschäfte lang.
Wir hatten eine Pause eingelegt und saßen zusammen in einem Café und tranken einen Cappuccino.
„Noch Schuhe und Unterwäsche und wir können nach Hause um unsere Kriegsbeute noch mal zu begutachten.“, meinte ich erschöpft, aber glücklich. Bei Unterwäsche würde es noch etwas dauern, aber Schuhe, da würde es schnell gehen. Immerhin brauchte man ja nur welche für die Wetterverhältnisse. Stiefel für den Winter, Sandalen für den Sommer, ein Paar Chucks, ein Paar schwarze Pumps für wichtige Anlässe und meine Arbeitsschuhe. Mehr brauchte man einfach nicht.
„Wie bekommen wir das Zeug eigentlich auf deinem Motorrad mit?“, wollte Rhea auf einmal wissen. Mist! Den Aspekt hatte ich noch gar nicht beachtet.
„Ihr könnt das Zeug auch bei mir zwischenlagern.“, bat Laura an.
„Äh… Danke, aber ich denke wir kaufen uns einfach zwei Rucksäcke und verstauen den Kram darin.“, meinte ich schlau und Rhea und ich verließen ohne Laura das Café. Es war bereits dunkel, als wir auf die Straße traten und alles in unseren neuen Rucksäcken verstaut hatten. Ich setzte den ständig mit mir herumgeschleppten Motorradhelm auf und hörte einen Schrei. So schnell es mir möglich war nahm ich ihn wieder ab.
„Bleib hier, nimm mein Hany und ruf im Department an. Rühr dich bloß nicht von der Stelle.“, befahl ich barsch und lief in die Richtung, aus der ich den Schrei gehört hatte.
Meine Beine schmerzten, doch das kümmerte mich nicht wirklich. Ich hatte immer im Fitnessstudio unseres Departments trainiert und danach ging es mir immer so.
Ein weiterer Schrei kam aus einer dunklen Gasse. Warum hatte ich noch gleich meine Dienstwaffe und Marke abgeben müssen? Ach ja, die wurden mich einfach nicht los dort. Ich machte fleißig Schicht an Schicht. Versuchte als einzige, wie mir schien, den oder die Täter zu schnappen. Jetzt könnte es endlich so weit sein. Ich ging also in die Gasse und meine Augen gewöhnten sich nur sehr, sehr langsam an die Dunkelheit. Doch ich konnte drei Augenpaare ausmachen. Sie waren komischerweise hellleuchtend und zwar dunkelrot. Hört sich bescheuert an, war aber nun mal wahr. Sie hatten mich also bemerkt.
„Lasst die Frau gehen!“, schrie ich und sparte mir das ich bin von der Polizei. Immerhin hatte ich weder meine Marke noch meine Dienstwaffe. Hoffentlich hatte Rhea angerufen.
Ein tiefes kehliges Lachen erklang und es lief mir eiskalt den Rücken herunter.
„Ganz schön mutig für eine kleine Frau.“, meinte eine düstere Stimme und wäre ich nicht Polizistin gewesen, wäre ich bestimmt ängstlich geflüchtet. Aber nicht mit mir.
„Lasst sie gehen!“, beharrte ich unbeirrt, obwohl mein Verstand mir sagte, dass ich meine Beine in die Hand nehmen und mich verdrücken sollte. Die sahen einfach zu blutrünstig aus. Viel zu blutrünstig.
Der Redner ließ von der Frau ab und kam auf mich zu. In diesem Moment bissen die anderen beiden die Frau. WAS?
SIE BISSEN DIE FRAU? Ich sah noch mal genau hin und hatte nicht bemerkt, dass der Andere bereits neben mir stand und mir belustigt zuschaute. Durch ein Räuspern seinerseits, wurde ich in die Realität zurückgeholt.
„Buh!“, meinte er und begann zu lachen.
„Das ist doch nicht real! Ihr könnt keine Vampire sein!“, rief ich meinen Gedanken aus und vernahm ein lautes Lachen.
„Wir sind keine Vampire!“, meinte mein Gegenüber und man konnte förmlich hören, wie mir ein Stein vom Herzen fiel.
„Wir nennen uns Blodhunter!“, meinte er.
„Das ist nicht witzig!“, entgegnete ich sarkastisch.
„Ich scherze nicht!“, meinte er und zeigte mir zur Bestätigung seine Fänge. FÄNGE?
Ich sah noch mal genau hin und noch ein Mal um mich zu vergewissern, dass ich tatsächlich richtig gesehen hatte.
„Bloodhunter also.“, meinte ich. Gut, er hatte mich überzeugt.
Auch wenn es sowas normalerweise und laut Bibel nicht gab. Aber laut Bibel gab‘s ja auch keine Dinos und den Urknall.
Demnach konnte alles möglich sein.
„Aber ihr esst schon Blut oder?“, fragte ich nach und schlug mir meine Hand vor den Mund. Ich hatte es doch gerade gesehen. Warum war ich auf mal auf Smalltalk aus.
„Ja, und du wirst mir vorzüglich schmecken meinte er und es breitete sich ein Schmerz in meinem Kopf aus. Warum bekam man immer in den unpassendsten Situationen Migräneanfälle?
„Komm zu mir und biete mir dein Blut an.“, meinte mein Gegenüber und sah mich eindringlich an. Wollte der mich etwa verarschen? Ich würde einen Teufel tun!
„Vergiss es!“; zischte ich und vernahm von Weitem schon Sirenen. Die Frau!, Schoss es mir in den Kopf. Hoffentlich war sie noch am Leben, während ich mich mit diesem Ding unterhielt. Bitte, Flehte ich gen Himmel, bitte lass sie noch am Leben sein. Ich wurde unachtsam und dabei von dem Kerl gepackt. Ein riesiger Schmerz durchzuckte mich und Angst. Ich würde hier heute sterben. Sterben für eine Heldentat, die leider in die Hose gegangen war und meine Dummheit wiederspiegelte. Bye Rhea. Bye Brian. Bye Schwesterchen, tu mir leid, dass ich dein Leben ruiniert habe… Mir wurde kalt und der Schmerz hörte einfach nicht auf. Die Sirenen kamen zwar näher, doch ich würde hier sterben. Sie würden zu spät kommen. Sie kamen zu spät.
Ein großgewachsener und bewaffneter Mann tauchte auf und riss den Kerl von mir. Ein lautes Knurren hallte durch die Gasse und ich vernahm ein Wort.
„Krieger!“, schrie der Kerl ängstlich und wollte fliehen, doch er rammte dem Typen einfach einen Dolch in den Brustkorb und zog es wieder heraus. Die anderen waren geflohen, wie ich feststellte und die Leiche war weg. Nein falsch. Es gab keine Leiche. War er etwa entwischt?
Ich sah noch verschwommen in die schönsten, beinah weißen Augen, die ich jemals gesehen hatte und wurde bewusstlos.
2
Beinah panisch öffnete ich meine Augen. War das wirklich alles passiert? War ich jetzt tot? Um Himmelswillen, hoffentlich hatte ich das alles nur geträumt!
Jemand hielt meine Hand. Wer nur hielt meine Hand fest.
„Farah du bist wach!“, wurde ich freudig von Rhea begrüßt.
„W-was i-ist passiert?!“, fragte ich mit kratziger Stimme nach.
„Die Polizei hat eine weibliche, blutleere Leiche gefunden und du lagst bewusstlos auf dem Boden. Die haben so schnell gemacht wie sie konnten und dich ins Krankenhaus gebracht. Was ist passiert?“, fragte sie besorgt nach.
„Ich weiß es nicht mehr…“, log ich. Ich konnte ja schlecht sagen, dass da drei Typen waren, die mein Blut wollten und das der Frau und ihre Fänge in meinen Hals geschlagen haben, oder? Die würden mich noch länger suspendieren und dann mit einer Empfehlung in die Psychiatrie stecken. Nee, nee ohne mich! Einfach so tun, als wüsste ich nicht was passiert wäre, würde besser klappen. Immerhin wusste ich nicht, ob ich mich nicht doch geirrt hatte.
Ich fasste instinktiv an meinen Hals. Doch dort war nichts. Kein Kratzer, keine Bissspuren. Nichts. Nada. Niente. Komisch. Er hatte mir beinah die Kehle zerfetzt. Aber ich hatte keine Beweise und… Hatte ich mir also doch alles nur zusammen fantasiert? So musste es wohl gewesen sein. Es gab keine Vampire oder wohl eher Bloodhunter, wie er meinte.
Mein Partner, oder wohl eher ehemaliger Partner, kam ins Zimmer gestürmt.
„Du bist wach Payne. Gut. Wie geht’s dir Partner?“, fragte er nach und sah mich komisch an.
„Den Umständen entsprechend.“, meinte ich und schüttelte seine Hand.
„Gut. Sag mal was ist in der Gasse passiert? Wieso hast du nicht bis auf die Verstärkung gewartet?“, tadelte er mich.
„Ich weiß nicht genau. Ich kann mich nicht wirklich erinnern. Ich sah nur drei Angreifer und dann war alles schwarz.“, log ich. Ich hätte wirklich Schauspielerin werden sollen, denn er glaubte mir jedes einzelne Wort. Notierte er sich das etwa gerade?
„Du bearbeitest den Fall?“
„Nein. Persönlich involviert. Aber wenn dir was Neues einfällt, dann sag’s uns okay?!“
„Klar.“, log ich schon wieder. Als ob!
Nach drei Tagen Aufenthalt im Krankenhaus und der fürsorglichen Hilfe von Rhea, konnte ich wieder nach Hause.
Ich hatte nicht viel geschlafen im Krankenhaus und war dementsprechend echt fertig. Ich meine, um einen herum sind viele Schwerkranke und die schreien und tun was weiß ich. Außerdem suchten mich die weißen Augen meines Retters heim. Er hatte mich gerettet. Wusste er, was sie waren oder hatte ich mir das und seine Existenz auch nur eingebildet?
Tja, Einbildung ist auch ne BILDUNG!, witzelte mein Verstand und ich ließ mich auf mein Sofa fallen.
Kaum saß ich eine Sekunde, klingelte es auch schon an der Tür und mein Haustelefon zeigte mir, dass mich jemand dringend sprechen wollte. TOTAAAAL motiviert ging ich also zur Tür und staunte nicht schlecht, als Brian dort mit einem riesigen Strauß roter Rosen stand. Hatte er mir nicht zugehört? Ich hasste rote Rosen. Aber egal… Der Wille zählt.
Er küsste mich und überreichte stolz wie ein König den Strauß.
„Schön dich wieder da zu haben.“, meinte er und küsste mich verschmitzt lächelnd.
„Danke. Der Strauß ist echt wunderschön!“, log ich. Was soll man sonst auch machen? Ihm das Ding vor die Brust klatschen und sagen dass man Rosen hasst und er das verdammt noch mal wissen müsste, weil man es hundert Mal erwähnt hat. Ja, das wäre eine Option gewesen, aber Lügen haben nun mal kurze Beine. Die ich habe. Also was will man mehr?!
„Rosen?“, fragte Rhea und ich sah sie verdutzt an. Woher wusste sie das.
„Ich hab‘s gerochen Farah!“, stellte sie klar, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
„Ich dachte, dass du Rosen hasst! Vor allem die Roten!“, stellte sie fest und ich hätte sie dafür erwürgen können.
„Nein, nein, die sind wunderschön!“, beteuerte ich.
„MIST!“, fluchte Brian und ich drehte mich ihm wieder zu.
„Na dann eben anders!“, meinte er und ich kapierte gar nichts mehr. Da brachte selbst ein IQ von 140 nichts.
„Ich dachte, dass dich das auf die Palme bringen würde und du denken würdest, dass ich dir nicht zuhöre. Ich weiß, dass du Rosen hasst und Sonnenblumen lieber magst.“, zischte er.
Was? Warum dann das? Ich stand auf dem Schlauch.
„Ich betrüge dich seit dem wir ‘zusammen‘ sind.“, meinte er ganz dreist und machte die Gänsefüßchen mit den Fingern bei zusammen. Er hatte was?
„Ich wollte dich doch nur flachlegen und Babe, du bist nicht so gut im Bett, wie du ausschaust. Sorry, aber es ist aus!“
Ich lachte hysterisch. Macho. Anscheinend hatte Gott ihm wirklich vergessen ein Hirn zu geben!
„Rhea, hol meine Dienstwaffe, ich muss jemanden erschießen!“, schrie ich und Rhea spielte natürlich mit und ging in Richtung Schlafzimmer.
„Wo genau ist die denn?“, fragte sie mich und ich sagte ihr, dass sie an der Garderobe hängen würde in ihrem Halfter.
Meinen Blick hatte ich stur auf Brian gerichtet und mir einen blutrünstigen Blick aufgelegt.
„Du bist Bulle?“, fragte er nach und ich nickte.
„Mordkommission!“, meinte ich verschwörerisch und lächelte noch breiter, als ich sah, dass er Angst hatte. Vor mir!
„Dem entsprechend kann ich dich abknallen und sagen es wäre Notwehr.“, lachte ich zynisch und sah ihn weiterhin an.
„Du bist ja vollkommen irre. Hast wohl zu viel Tote gesehen!“, meinte er, drehte sich um raste davon.
Wütend knallte ich die Tür zu und ging endlich und ziemlich genervt ans Telefon.
„JA!“, schrie ich in den Hörer.
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Ist meine Tochter bei dir?“, fragte meine ach so tolle Schwester nach.
„Mir geht es auch gut, danke der Nachfrage und dir?“
„Ich suche Rhea. Ist sie bei dir?“
„Warum sollte sie? Du hast ja dein bestes gegeben sie von mir fern zu halten. Außerdem was kann ich bitte dafür, dass deine Tochter nicht da ist!“, meinte ich kalt und hörte förmlich wie ihre Wut anstieg. Ihr Pech.
„Sie ist seit vier Tagen verschwunden. Ich melde sie als vermisst und wag es nicht mich anzulügen Farah!“, meinte sie dreist. Was genug war, war genug!
„Halt die Backen, Yvy! Immer wenn etwas in deinem Leben schief läuft, gibst du mir die Schuld. Als Rhea sich die erste Verletzung gegezogen hat, als Rhea der erste Milchzahn ausfiel, war ich Schuld. Ich war immer an allem Schuld. Und als dein geliebter Shawn starb, war ich ebenfalls Schuld und du hast mich von euch vertrieben und jetzt auch wieder. Ich kann nichts dafür. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen und den Autounfall habe ich nicht mit Absicht gebaut. Shawn war nicht angeschnallt. Ich muss mein Leben damit leben, dass ich deinen Mann und vor allem Rhea den Vater genommen habe. Ja. ABER dieses Mal bin ich nicht Schuld! Wenn du unfähig bist ein Kind zu erziehen, dann tut es mir LEID!“, bellte ich in den Hörer und knallte ihn auf die Gabel. Wenn ich eben wütend gewesen war, war ich jetzt fuchsteufelswild!
Rhea stand in der Tür und ich ging auf sie zu.
„Deswegen wollte Mum dich nicht um uns herum haben.“, meinte sie.
„Du wusstest es nicht?“, hakte ich skeptisch nach.
„Ich hatte es geahnt. Aber hundertprozentig wusste ich es nicht. Nein!“, meinte sie und lächelte mich an.
„Du bist nicht sauer auf mich und haust ab?“
„Erstens wohin sollte ich gehen? Nach Hause? Niemals! Zweitens ist das alles lange her und du musst damit leben genau so wie ich und drittens dafür hab ich dich viel zu gern.“
Ich umarmte sie. Sie verzieh mir und dafür liebte ich sie.
„Ich hab dich lieb!“, meinte ich und drückte sie noch mal kräftig.
„Wann fängst du wieder an zu arbeiten?“, fragte sie mich und ich hatte keine Ahnung.
„Ich bin suspendiert worden, einige Wochen bevor du gekommen bist. Ich musste meine Dienstwaffe und meine Marke abgeben, weil die Interne gegen mich ermittelt hat. Ich muss eh gleich noch zum Department, also werde ich das gleich mal ansprechen!“, meinte ich und zog meine Jacke wieder an.
„Soll ich mitkommen?“
„Wenn du Lust hast, dann kann ich dir meine Kollegen mal vorstellen und du kannst dir ein Bild machen, was ich so alles um die Ohren habe.“, meinte ich und danach fiel mir wieder ein, dass sie ja blind war. Aber Rhea verhielt sich nicht so.
„Was hast du eigentlich die drei Tage so gemacht?“
„Ziemlich viel Musik- übrigens die Kopfhörer sind super- und ich war bei dir.“
Ich nickte und zog sie weiter hinter mir her.
„Hast du eigentlich einen Blindenhund?“, wollte ich wissen.
Ich wollte schon die ganze Zeit einen Hund haben, aber es hatte sich nicht ergeben.
„Nein. Wieso?“
„Willst du einen haben?“
„Wieso hast du einen oder was?“
„Nein, aber ich wollte schon länger einen Hund und wenn du einen kriegen kannst und dich etwas um ihn kümmerst, wäre das schon drin.“, meinte ich lässig.
„Darfst du den reih Mietertechnisch einen Hund halten?“
„Nein. Mist! Das hatte ich vergessen.“
Rhea lachte und ich war froh, als wir endlich am Department angekommen waren. Ich hasste Busfahrten, aber mein Motorrad stand hier, wie mir Rhea berichtet hatte. Banks hatte es veranlasst.
3
Ich kam rein und fand ziemlich viele herumwuselnde Kollegen vor.
Ich betätigte den Aufzugsknopf und erklärte Rhea kurz, dass wir nach oben fahren müssten.
Als ich dort jedoch ankam, hätte ich beinah einen Schreikrampf bekommen. Was war hier denn los? Eine Versteigerung oder aber eine Party?
Sämtliche Frauen aus allen möglichen Abteilungen standen herum und gaben ohs und ahs von sich.
Mit Rhea an der Hand bahnte ich mir einen Weg durch die Meute zum Büro meines Chefs.
„Warte hier kurz und komm bloß nicht in Kontakt mir diesen wilden Gänsen.“, meinte ich und klopfte.
„Ja.“, meinte mein Boss und ich trat ein.
„Oh Lieutenant Payne, das trifft sich gut.“, meinte Depiuty Chief Brown.
„Sir?!“
„Die Interne hat ihren Fall abgeschlossen. Willkommen zurück an Bord.“, meinte er und schob mir meine Dienstmarke und meine Dienstwaffe zu. Mit einem Freudestrahlen im Gesicht nahm ich sie an mich. Die würde ich nicht so schnell wieder abgeben.
„Sie sind dich zuständig gewesen für die Mordfälle nicht wahr?“, fragte er. Das wusste er doch genau. Immerhin hatte er mich darauf angesetzt.
„Ja, Sir.“, meinte ich und nickte noch.
„Gut. Morgen erwarte ich sie wieder pünktlich im Dienst. Ach und ich möchte ihnen jemanden vorstellen.“
Ein riesiges Fragezeichen machte sich in meinem Kopf breit.
„Darf ich vorstellen… Farah Payne, das sind Agent Xylon Swithin und Agent Ace MacAuley von der CIA.“, stellte er vor und zeigte von einen auf den anderen. Die hatte ich eben gar nicht bemerkt. Upps. Ich betrachtete jeden ausgiebig. Agent Swithin trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd, schwarze Krawatte und war verdammt attraktiv. Breite Schultern und wundervolle grüne Augen. Seine braunen Haare waren militärisch geschnitten und er hielt mir seine Hand entgegen, die ich annahm und sie kurz drückte.
„Lieutenant Payne.“, stellte ich mich vor und lächelte ihn an. Doch als ich den zweiten Agent ansah, durchfuhr mich ein Schauer. Seine Augen. Diese beinah weißen Augen hatte ich schon ein Mal gesehen. In der Gasse vor vier Tagen. Oder irrte ich mich? Nein, solche Augen waren einzigartig. Also hatte mich ein CIA-Agent gerettet? Komisch. Die hielten sich sonst immer für etwas Besseres und gaben uns Befehle…
Vorsichtig musterte ich sein Gesicht und seine Erscheinung.
Er war genau so groß, wie sein Partner, hatte jedoch platinblondes langes Haar, das in einem Zopf zusammengefasst war und trug ebenfalls einen schwarzen Anzug, jedoch auch ein schwarzes Hemd und Krawatte. Sah echt böse aus. Doch seine Schultern waren noch breiter als die vom Agent Swithin. Sein Gesicht war sehr kantig geschnitten, was seine weichgeschwungenen Lippen etwas fehl am Platz machten und seine Nase etwas schief, so als wäre sie mal gebrochen gewesen, aber ansonsten war er mega heiß.
Seine Augen musterten mich ebenfalls neugierig.
„Freut mich“, meinte ich und hielt ihm meine Hand hin. Doch er nickte mir nur zu. Arrogantes Arschloch!, schoss es mir in den Kopf. War ja klar. Alle Bundesagenten waren so bescheuert. Idiot. Wut kochte in mir auf, doch ich zog meine Hand schulterzuckend wieder weg und sah Depiuty Chief Brown fragend an.
„Die beiden Agents sind hier, um ihre Ermittlungen zu unterstützen, beziehungsweise wollen sie die Aufklärungen beschleunigen. Die Einwohner werden schon wütend und vertrauen der Polizei nicht mehr. Sie und ihr Partner Detective Banks werden sich jeweils mit einem der Agents zusammen tun und ihnen alles zeigen, was wir haben und ihnen helfen wo sie können.“, befahl er und ich nickte.
„Ja, Sir.“
„Ach so Payne… Wagen Sie es nie wieder meine Autorität zu untergraben, ansonsten sind sie ihre Marke schneller wieder los, als Sie glauben.“, drohte er und ich verdrehte die Augen nachdem ich ihm den Rücken zugewandt hatte.
Dass mir die beiden CIA-Agents gefolgt waren, hatte ich erst bemerkt, als mir Agent Swithin auf die Schulter getippt hatte.
„Äh.. ja?“
„Könnten Sie uns jetzt schon mal zu den Akten bringen? Ich weiß, dass Sie noch nicht im Dienst sind, aber…“
„Gott!“, stieß Rhea aus.
„Was’n los?“, hakte ich nach. Immerhin war ich noch nicht im Dienst. Sollten die doch wen anders fragen. Morgen müsste ich mich eh mit mindestens einem von ihnen herumschlagen. Was sollt’s also.
„Die Frauen sind alle vollkommen irre. Faseln die ganze Zeit von ‘die Typen sind der Hammer und ich bin diejenige, die den braunhaarigen flachlegt‘. Ich dachte wir wären hier auf einem Polizeirevier und nicht bei einer Männerversteigerung. Die wetten sogar schon, wer als erste landen wird. Das ist ja der Horror. Jetzt verstehe ich auch, warum dich nicht die Leichen und der Tod so fertig machen, sondern deine Kollegen. Ich würde hier durchdrehen.“, stellte Rhea fest und ich begann zu lachen als ich das Gesicht von den beiden Herren sah.
„Oh nein, die stehen hinter dir hab ich Recht?“, fragte sie und ich nickte. Mensch Farah… SIE IST BLIND!
„Ja, das tun die beiden CIA-Agents in der Tat.“, lachte ich immer noch und nahm sie am Arm.
„Gehen wir!“, meinte ich zu Rhea und wollte gerade gehen, als ich grob am Arm gepackt wurde.
„Aua.“, gab ich von mir und funkelte Agent MacAuley wütend an.
„Wenn Sie wollen, dass die Zeit in der wir mit Ihnen zusammenarbeiten gut verläuft, dann beeilen Sie sich und bringen entweder uns zu den Akten oder aber die Akten zu uns.“, zischte er wütend Ich riss mich los. Was bildete der sich denn ein? Das war bestimmt nicht der Kerl, der mein Leben gerettet hatte. ARSCHLOCH!, hätte ich ihm am liebsten an den Kopf geknallt, ließ es aber sein. Er hatte in einem Punkt recht. In der Zeit, in der wir zusammen arbeiten müssten, müssten wir uns zusammenraufen. Immerhin ging es um hunderte von Vermisstenanzeigen und dem ständigen Fund von Leichen.
„Payne.“, rief mich mein Partner und guter Kumpel Thyron Banks.
„B.“, meinte ich und umarmte ihn. Niemand tat das normalerweise bei seinem Partner, aber wir waren auch die einzigen, die außerhalb der Dienststelle andauernd was zusammen unternahmen.
„Wieder im Dienst, Partner?“
Ich nickte.
„Morgen geht’s wieder weiter. Darf ich dir gleich drei Leute vorstellen?!“, fragte ich und lächelte ihn an.
„Das ist meine liebe Nichte Rhea Payne.“
„Die ist doch bei den Vermisstenanzeigen mit dabei gewesen…“, stellte B. fest und sah mich fragend an.
„Lange Geschichte… Kurzer Sinn. Rhea ist abgehauen von zu Hause und wir bei mir bleiben, bis sie volljährig ist und wehe du meldest das…“, stellte ich klar und drehte mich auch zu den Agents um.
„Wehe Sie petzen!“, pampte ich beide an und drehte mich wieder zu B., der Rhea freundlich umarmte.
„Gut. So sieht’s aus. Das hier ist CIA-Agent Swithin und das ist CIA-Agent MacAuley. Sie werden uns unterstützen und wollen alle bisherigen Infos zu den Fällen. Ab morgen wird einer von ihnen mit dir zusammen arbeiten und einer mit mir.“
Er musterte die beiden Agents mit wachen Augen und stellte sich vor.
„Die Akten!“, erinnerte mich Agent MacAuley. Ist ja gut!, dachte ich mir. Warum nicht gleich ‚‘aus, sitz, platz, fein gemacht Farah‘?
Ich schnappte mir Rheas Arm und ging mit drei Männern im Schlepptau zu Asservatenkammer, die im Keller lag.
Alles Frauen starrten mich wütend an und eine hatte sogar die Frechheit mich extra anzurempeln. Das brachte das Fass gänzlich zum Überlaufen.
„Habt ihr nichts Besseres zu tun als zu STARREN? Fehlt nur noch, dass ihr anfangt auf dem Boden nach Körnern zu suchen. Geht zurück in eure Abteilungen. Wir haben wichtigeres zu tun, als gackernde Tucken um uns herum zu haben.“, bellte ich wütend und binnen einer halben Minuten war der Haufen verschwunden. Endlich.
Ich rieb mir die Schläfen. Wenn das morgen auch so lief, wäre ich Ende der Woche ein Wrack.
Schnellen Schrittes kamen wir in der Asservatenkammer an und ich füllte schnellstmöglich die Aushändigungsformulare aus. Unterdessen hatte Rhea ein Gespräch mit einen Agent Swithin angefangen.
„Hier ist alles drin.“, meinte ich und hatte den letzten der vier Kartons auf einen Tisch gestellt. Toll, da hat man drei Kerle und keiner davon hilft einem beim Tragen.
„Rhea… Wir gehen!“, meinte ich, schnappte mir ihren Arm und schliff sie hinter mir her.
„Aber ich hab mich doch grade unterhalten.“, protestierte sie.
„Ja, aber die Agents haben einen Auftrag und du bist Zivilistin, also gehen wir.“, sagte ich nachdrücklich, blieb jedoch stehen, weil mein Motorrad mir einfiel.
„Wo ist eigentlich mein Bike?“, fragte ich an Thyron gerichtet. Er lächelte sehr, sehr verdächtig.
„Wenn meinem Bike etwas passiert ist, dann schwöre ich bei meiner Seele, dass ich dich umbringen werde, Thyron Banks.“
Er lachte und ich wusste auch warum. Ich war mini, hatte meine Hände in die Hüften gestemmt und vor allem knallrot angelaufen. Es musste zuckersüß ausgesehen haben. Selbst die beiden Agents sahen mich belustigt an. Tol. Wie bescheuert sollte der Tag noch werden.
„Habt ihr nichts zu tun? Und du zeigst mir wo mein Bike ist!“, keifte ich.
Wir erreichten das Parkdeck nebenan und ich rannte förmlich auf mein Baby zu. Mein Schatz, würde Gollum jetzt sagen und ich tat es ihm gleich! Thyron schüttelte nur mit dem Kopf. Egal, war ja auch nicht seins! Mein Verdacht hatte sich ein Glück nicht bestätigt und mein Bike war unbeschädigt gewesen. Glück für Thyron!
Ich musste noch einmal ins Gebäude, um die Helme und die Jacke zu holen und traf dabei auf die beiden Agents.
„Ich werde mit ihrem Partner Detective Banks zusammen arbeiten und Sie werden mit Agent MacAuley zusammen arbeiten.“, stellte Agent Swithin noch klar. Super, dann hatte ich das Arschloch noch länger an der Backe.
4
Der erste Tag war schon die reine Folter gewesen. Doch jetzt arbeitete ich schon seit zwei Wochen mit dem wirklich nervtötenden Agent Ace MacAuley zusammen. Er war dominant, ignorant, eingebildet und total mein Typ…. Moment, ich sollte den letzten Gedanken löschen. Alleine die erst aufgeführten Argumente machten ihn nicht zu meinem Typ. Hatte ich überhaupt einen Typ Mann, den ich bevorzugte? Keine Ahnung…
„Ist euch das denn noch gar nicht in den Sinn gekommen?“, fragte er mich und ich hätte ihn am liebsten geschlagen. Arrogantes Arsch!
„Doch, aber der Chief meinte, dass wir für sowas keine Zeit hätten!“, meinte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
„Aber das ist doch eine Möglichkeit. Wie kann man das außer Betracht lassen?“
„Woher soll ich das wissen, hä? Sehe ich etwa aus wie der Depiuty Chief?“, regte ich mich auf.
Er begann zu lachen. Man brachte der Kerl mich auf die Palme. Das ging mir tierisch auf die Nerven und deswegen schwatze ich Rhea auch schon seit Tagen eine Bulette ans Ohr. Aber was soll man machen?!
„Okay. Dann ziehen Sie sich etwas Anderes an und wir gehen dann in diese drei Clubs.“, meinte er und lächelte mich süffisant an. ARSCH! PIMMEL ARSCH ARSCH!
„So wollen Sie in eine Dico?“, fragte er mich, als ich in einer Jeans und Pulli, Waffe und Marke wieder aus den Umkleiden kam. Er trug ein schwarzes T-Shirt, das seine durchtrainierte Brust und seine Schultern betonte. Außerdem trug er eine schwarze Lederhose, die seinen Knackarsch betonte. KNACKARSCH? Ich hatte wohl einen Sonnenstich bekommen und biss mir auf die Zunge.
„Ja wieso? Ich bin immerhin dienstlich unterwegs.“
„Wir wollen aber nicht, dass das jeder weiß! Komm mit.“
Wiederwillig folgte ich ihm und wir standen vor einem Gott von Motorrad. Das wollte ich auch schon immer haben. Sabbernd ging ich rundherum und guckte ihn fragend an.
„Ich hab eine Schwäche für schelle, laute und sexy Dinge!“, erklärte er, doch es hörte sich eher nach einer billigen Anmache an. Egal. Der Ofen war heißer als heiß.
Er gab mir meinen Helm. Woher hatte er den denn?
Ohne zu zögern setzte ich ihn auf und zog meine Jacke an.
Mir war klar, dass ich nicht fahren durfte, doch alleine das Mitfahren war schon der Hammer. Ich stand kurz vor einem Orgasmus, so geil fand ich das!
Abrupt hielt er an und ich stieg ab. Fragend sah ich ihn an.
Er hatte seinen Helm abgesetzt und ich tat es ihm gleich.
„Wir brauchen ein anderes Outfit für dich und Make-up. Wir wollen Infos? Das geht nur, wenn du zum Anbeißen aussiehst.“, stellte er fest und hielt mir die Tür auf.
„Danke.“, entgegnete ich sarkastisch. Hässlich war ich wohl alle Male nicht. Ich hatte zwar kurze schwarze Haare, mit denen mein etwas männlich geschnittenes Gesicht mich wirklich männlich wirken ließ, aber das hatte immer gewirkt mir Respekt zu bekommen. Meine Hellgrünen Augen zeigten von Intelligenz, aber auch Charme. Wie kam er darauf, dass ich nicht gut aussah?
„Hey Ace!“, begrüße ihn eine schlanke und etwa gleich große Frau, wie ich, ihn und umarmte ihn noch dazu. Verspürte ich etwa Eifersucht? Gott, Farah er ist ein arrogantes Arsch und zudem noch vom CIA. Also Arsch hoch drei!
Sie musterte mich und lächelte dann.
„Ich mach dir ‚nen Kaffee, Schatz.“, meinte sie und ging kurz weg. Schatz? Er hatte doch gesagt, dass das EINE Bekannte war und nicht seine Freundin. Naja, sie war aber auch wirklich attraktiv. Jetzt bloß keine Komplexe bekommen, befahl mir mein Verstand und tadelte mich.
„Eigentlich brauche ich keinen Kaffee, Sam. Meine Partnerin bräuchte ein anderes Outfit und ein wenig Make-up. Wir sin undercover unterwegs.“, meinte er barsch und sie kam sofort zurück in den Laden.
„34, nehme ich mal an?“, fragte sie.
„Äh nein, 32.“, antwortete ich stolz und sie musterte mich komisch. Hey ich machte täglich bis zum Umfallen Sport nach dem Dienst.
„Schuhgröße? 37?“
„Ja.“, gab ich zu.
„Oberweite? 90 B?“
„Äh… nein 85.“
Warum zur Hölle brauchte sie die denn?
„Bin gleich wieder da.“, meinte sie und lief durch den Laden.
Ich sah argwöhnisch zu, wie sie bunte Kleider zusammen suchte und dann noch die passenden Schuhe.
Ich musste jedes Outfit anziehen. Insgesamt waren es fünf gewesen. Immer wieder hatte sie auf Agent MacAuley geachtet. Ich fand das schlichte schwarze und die Sandalen am Besten, aber ich wurde ja nicht gefragt! Also stand ich jetzt in einem knallroten, ziemlich tief ausgeschnittenen und sehr knappkantig genähten Kleidchen auf schwarzen High Heels und wurde zu allem Überfluss noch geschminkt. Super. Wenn ich mir mal nicht die Knochen brechen würde an diesem Abend. Zu meiner Verblüffung sah ich wirklich gut aus und als mich Sam zurück in den Landen führte, wurde ich eindringlich gemustert und wie ich mir einbildete kurz angestarrt. Typisch Mann!
„Du hast dich mal wieder übertroffen!“, meinte er lächelnd und gab ihr glaub ich einen Kuss. Zumindest schmatzte es kurz. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt die Person im Spiegel zu erkennen. Das war nicht ich. Niemals.
„Kann ich mir deinen Wagen für heute Abend leihen? Ich lass auch mein Bike bei dir?“
„Hab ich eine Wahl?“
Er lächelte als Antwort. Sie gab ihm die Autoschlüssel, er nahm mich sanft am Arm und zog mich mit zum Auto. Oder eher Schlachtross? Das war ein Caddelac CTS-V Coupe!
Ich stieg ein, ohne mich lange mit ‘Halt mir die Tür auf‘ zu beschäftigen. Er kam auch in den Wagen und kurze Zeit später bretterten wir schon durch die Stadt. Wieso durften die eigentlich jedes Tempolimit missachten? Eingebildete Fatzkes!
Wir kamen an einem der Clubs an und wurden sofort durchgelassen, als man uns sah.
Es war alles überfüllt und für meinen Geschmack zu laut, aber leider konnte man das nicht ändern. Immerhin war Wochenende und genau die Zeit zum Feiern gehen.
„Ich nehme mir die linke Seite vor und du die rechte Seite.“, befahl er und verschwand. Toll wir wollten Infos sammeln, aber woher wusste ich, wer welche haben könnte und wer nicht? Alle zu fragen würde alleine schon eine Woche dauern. Das war Schwachsinn. Mein Boss hatte Recht. Das war Zeitverschwendung. Jemand grapschte mir an meinen Hintern. Ich wusste, dass das Kleid dazu gerade zu einlud, aber das würde ich mir nicht den ganzen Abend gefallen lassen.
„Geiler Arsch!“, lallte ein Mann und packte noch einmal zu.
„Das weiß ich, aber fass den noch mal an und du wirst keine Kinder mehr zeugen können!“, meinte ich wütend und sah mich suchend um. Toll Agent Ich-bin-ja-so-toll war schon umzingelt von zwanzig Weibern. War ja auch kein Wunder bei seinem Aussehen. Mist!
Ich drehte mich um und fand einen Kerl, der einem aus der Gasse ähnelte. Oder irrte ich mich? Vorsichtig ging ich an ihm vorbei und bestellte mir ein Bier, das ich zwar nicht trinken würde, aber irgendwie musste man ja auf sich aufmerksam machen. Natürlich biss er an. Bei dem Einblick, den ich gewährte, würde heute Abend hier jeder anbeißen. Außer mein toller Partner, schoss es mir durch den Kopf. Huch, seit wann wollte ich denn, dass er mich anziehend fand? Ich ignorierte den Gedanken und lächelte den Kerl neben mir an. Er hatte gerade das Bier für mich bezahlt.
„Danke!“, meinte ich und tat so, als würde ich einen Schluck nehmen. Dann drehte ich mich um und wollte verschwinden, doch er tigerte mir wie ein treudoofes Hündchen hinterher.
„Warte mal. Ich hab dich hier vorher noch nie gesehen!“, stellte er fest. Nee, ach!
„Ich wohne erst seit einigen Tagen in der Stadt.“, log ich uns lächelte gespielt schüchtern.
„Wow. Vielleicht sollte ich dir die Stadt zeigen.“, schlug er euphorisch vor und ich sah musterte ihn.
Ein Sunnyboy. Gott, der war doch mindestens acht Jahre jünger als ich. Durfte der hier schon legal rein?
„Danke fürs Angebot vielleicht komme ich noch drauf zurück.“
„Ich bin Adam.“
„Grace.“
Wir schüttelten die Hände und ich setzte mein Dauerlächeln auf. Wir führten etwas Smalltalk und dann stellte ich die Frage der Fragen:„Wie alt bist du eigentlich?“
„21 und du?“, meinte er und lächelte verlegen.
„29.“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Wow, dafür siehst du aber echt noch knackig aus.“, meinte er schief grinsend. Mist, hätt ich bloß gelogen und mich jünger gemacht, als ich eigentlich war.
„Ich steh auf erfahrene Frauen!“, hauchte er mit in mein Ohr. So war das also, hm?! Ich lächelte ihn so verführerisch an, wie ich nur konnte. Hoffentlich biss er erneut an, doch plötzlich bekam ich einen Migräneanfall. Wie in der Seitengasse. Er war also einer von denen. Mal schauen, was er wollte.
„Lass uns gehen und dann besorg ich’s dir so richtig.“
Ich nickte und folgte ihm ein Stück. So weit, bis Agent MacAuley auf einmal im Weg stand und den Mann vor mir anknurrte. Moment er knurrte? Wie der Kerl in der Seitengasse?! Jetzt drehte ich wohl erst recht durch!
Doch die Reaktion von dem Kerl irgendwie lustig und brachte mich zum Lachen. Agent MacAuley sah kurz zu mir und als wir wieder zum Ausgang sahen, war der Kerl verschwunden. Super! Die Flirterei hatte sich ja wirklich gelohnt!
„Was sollte das?“, fragte ich ihn wütend und immer noch verwirrt. „Ich hatte alles unter Kontrolle!“, motzte ich.
„Du wolltest mit ihm mitgehen!“, stellte er fest. Hatte er mich geduzt?
„Nein, wollte ich nicht! Ich wollt doch nur schauen, was er vor hatte.“, trotze ich.
„Die flachlegen nehme ich mal an!“, meinte er abfällig. Und aussaugen, hing ich in Gedanken dran.
„Bei dem Kleid will das jeder Mann in diesem Club.“
„Außer mir!“, stellte er trocken fest. Ich verdrehte die Augen. Darum ging es doch gar nicht. Auch wenn es mir fast mein Herz brach. Aber nur FAST! Es stapfte wieder wütend davon.
Ich suchte nach einem anderen Kerl und fand einen, der umringt von Frauen war. Das musste einfach einer von denen sein. Anders war dieser Frauenauflauf wohl nicht zu erklären.
Ich erinnerte mich an den Film HITSCH- Der Datedoktor. Will Smith hatte einem Girl, das umrundet von Männern war einen Gelschein zukommen lassen und etwas zu Trinken beordert. Sie war ihm dann gefolgt. Vielleicht würde das ja auch bei diesem Kerl klappen. Nur eben andersherum.
Ich wühlte nach einem Zwanziger, fand ihn und ging entschlossen auf den Kerl zu. Ich setzte meine Ellenbogen und meine Kampfsporttechnik ein und gelang endlich zu ihm durch. Mir fiel beinah die Kinnlade auf den Boden. Er war sowas von heiß. Ich konzentrierte mich auf meine Mission, drückte ihm den Zwanziger in die Hand und bestellte einen Virgin Colada. Ich wandte mich wieder ab und drängelte mich durch die Frauenmenge zurück an einen ruhigeren Ort.
Als ich mich umdrehte, stellte ich fest, dass er mir nicht gefolgt war. Super ich sollte den Typen verklagen, der behauptete, dass sowas klappte.
Ich sah auf den Boden. Eine ganze Weile, bis schwarze Schuhe in meinem Sichtfeld auftauchten und ich einen gutriechenden Männerduft in der Nase hatte. Vorsichtig sah ich auf. Er war es. Okay ich müsste doch niemanden verklagen.
„Dein Drink.“, meinte er und hielt mir den beorderten Virgin Colada vor die Nase und lächelte.
„Wow, das ging aber schnell.“, meinte ich belustigt und nahm das Glas aus seiner Hand.
Sein Lachen war der reinste Sing-Sang. Ich mochte es jetzt schon. Warum lernte ich eigentlich alle Typen auf der Arbeit kennen? MIST!
„Ich arbeite hier aber nicht.“, stellte er trocken fest.
„Als ob ich das nicht gewusst hätte, aber die Frauenmassen würden mich ziemlich nerven und da dacht ich mir… Bin ich mal so sozial und rette einen gutaussehenden Mann in Not.“, flirtete ich und begann wirklich zu grinsen.
„Meine edle Retterin.“, sprang er drauf an und musterte mich. Sein Blick blieb einige Sekunden zu lange auf meinem Hintern und danach starrte er mir einfach nur in die Augen.
„Bei wem darf ich mich also bedanken?“, fragte er Gentleman like nach und ich musste wieder schmunzeln. Lügen oder nicht?
„Ich bin Farah Payne.“, gestand ich.
„Ricardo Sola.“, stellte er sich vor und hängte noch ein ‘Danke Farah Payne ran‘.
„Sie sind Spanier, nehme ich mal an?“
„Ja.“, meinte er knapp und wandte sich zum Gehen um.
Das konnte ich nicht zulassen. So eine Sahneschnitte. Nein. Ich eilte ihm hinterher, doch bemerkte auf der Hälfte des Weges, dass sich das Beuteschema geändert hatte. Er hatte mich jetzt an der Angel. MIST. In diesem Moment drehte er sich um und sah mich lächelnd an. Ungefähr so lange, bis ein gewisser Ace MacNervensäge die Arme um mich schlang und mich demonstrativ küsste. Vor dem Mann meiner Träume. Wieder knurrte er. Ich sah ihn fragend an, doch er starrte nur Ricardo hasserfüllt an. Kannten sie sich etwa? Warum hatte er mich geküsst? Warum hielt er mich immer noch an der Taille fest? Er zog mich näher zu sich und ich sah, dass seine sonst weißen Augen auf einmal komplett dunkelrot waren. Oh Gott, er war auch einer von denen.
„Immer mit der Ruhe, alter Freund!“, schlichtete Ricardo.
„Grüß mir die anderen Krieger, Atilla Christien Ephrime MacAuley.“, meinte er und war innerhalb eines Wimpernschlags verschwunden.
„Ich sag dir du sollst aufpassen und du schnappst dir den gefährlichsten Kerl von allen!“, zischte er wütend.
„Du bist auch so ein Ding oder? Bloodhunter?“, fragte ich leider wirklich. Upps…. Das war nur ein Gedanke. Doch er versteifte sich und ließ mich abrupt los.
„Woher…“
„Du hast mein Leben gerettet in der Gasse damals.“, fiel ich ihm gleich ins Wort.
„Das warst du doch oder? Dieselben Augen…“, murmelte ich und sah ihn in seine beinah weißen Augen. Er sah mich nur geschockt und dann liebevoll an. Liebevoll?
„Ja. Aber du solltest das eigentlich alles vergessen!“, meinte er und sah mich komisch an.
Ein Migräne-Anfall machte sich bemerkbar und brachte mich zum Schwanken. Hätte er mich nicht aufgefangen, hätte ich den Boden geknutscht.
„Weiß er deinen richtigen Namen?“
Ich reagierte nicht. Was ging es ihn bitteschön an? Apropos richtiger Name.
„Du heiß nicht wirklich Atilla Christien Ephirme MacAuley, oder?“, fragte ich skeptisch nach und er sah mich sehr wütend an. Wieso das denn?
„Doch hast du was dagegen?“
„Entschuldige.“, meinte ich kleinlaut und etwas verletzt. Ich wollte doch nichts Böses.
„Tut mir leid. Aber wenn du meinen vollständigen Namen irgendjemandem verrätst, dann gibt’s Ärger. Die Abkürzung ist ACE. Also nenn mich bitte auch so.“
Wann würde ich ihn denn bitte mit Vornamen ansprechen? Wobei wir uns auch schon geküsst hatten.
„Warum hast du mich eigentlich geküsst? Ich dachte, dass du der Einzige hier wärst, der mich nicht flachlegen will.“
„Will ich auch nicht. Ich wollte dich nur vor einem Idioten, der zufälligerweise der Anführer der Bloodhunter ist, beschützen.“
Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich hatte den Anführer der Bloodhunter kennengelernt und den Kuss mit Ace genossen. Dummerweise. Er wollte mich nur retten. Toll, darauf hätte ich auch verzichten können, denn jetzt hatte ich mir Hoffnung gemacht.
Hast du nicht, tadelte mich mein Verstand, aber mein kleines, elendes Glashäufchen von Herz, sagte etwas ganz Anderes!
Ich wurde sauer.
„Na dann ist ja alles geklärt! Können wir jetzt wieder los. Mir ist der Spaß am Flirten restlich vergangen!“
Er nickte einfach und sah mich den Rest der Fahrt nicht mehr an. Würdigte mich keines Blickes. Warum? Hatte ich gedacht, dass mich seine Art schon auf die Palme brachte, dann brachte mich das Nichtbeachten auf 180. Scheiße, ich hatte es verbockt. Innerhalb eines Abends. Super, Farah. Warum machte mich das alles so traurig?
„Eigentlich sollte ich dein Gedächtnis genommen haben, damals in der Gasse, aber anscheinend hast du so einen Geist, wie Cava, die Freundin meines Kumpels.
„Du bist gar kein CIA-Agent oder?“, hakte ich nach, doch er schwieg.
„Wieso hat das Ding dich in der Gasse ‘Krieger‘ genannt?“
„Weil ich einer bin. Und nein… Ich bin kein Bloodhunter. Ich bin ein Nachtwandler.“
„Aber du trinkst auch menschliches Blut?“
„Ja. Mit dem Unterschied, dass wir unseren Wirt nicht töten. Wir nehmen nur so viel wir brauchen.“
Ich nickte. Das leuchtete ein.
„Was ist mit Xylon Swithin?“
„Was soll mit ihm sein?“, hakte er nach.
„Ist er auch kein echter Agent und wann ja, wie konntet ihr euch einschleusen?“
„Nein ist er nicht. Eigentlich musst du auch nicht alles wissen, aber naja… Wir haben ein Technikgenie unter uns Kriegern. Er erstellt uns eine Identität beim CIA und dann gibt’s noch sowas tolles, dass sich Gedankenkontrolle nennt.“
„Aha. Das erklärt Einiges.“
Ich rieb mir über die Oberschenkel. Irgendwie war mir kalt.
„Ist dir kalt?“, fragte Ace nach und drehte die Heizung auf volle Pulle. Ich drehte sie jedoch wieder aus. Es war Sommer und warm. Ich hatte glaub ich nur Gänsehaut. Gänsehaut, weil ich endlich zu begreifen begann, was es alles für Böses gab und die Fälle hätte abschließen können. Leider würde mir niemand Glauben schenken.
„Warum habt ihr euch bei uns eigeschleust?“, hakte ich nach.
„Wir wollen eine schnellstmögliche Aufklärung. Nicht alles soll an die Öffentlichkeit geraten. Ricardo und seine Bloohunter werden Stück für Stick dran glauben müssen.“
„Wieso also…“, setzte ich an, doch er ging voll in die Eisen. Warum das denn? Wütend musterte ich seine kantigen Züge. Er sah wirklich wütend aber verdammt gut aus.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte ich nach und er sah mich mit dunkelroten Augen an. Hatte er etwa Hunger?
„Du hast hoffentlich gut zu Abend gegessen, denn die Snackbar hat heute leider geschlossen!“, erklärte ich und zeigte dabei auf meinen Hals. Der Blick war so intensiv, dass es mir den Atem raubte.
Einen Wimpernschlag später, war sein Gesicht nur noch wenige Millimeter von meinem entfernt. Oh, er hatte Hunger, aber nach etwas Anderem. Mir ging es ähnlich. Nur mit dem Unterschied, dass meine Augen dabei nicht dunkelrot leuchteten. Egal… Ich wollte es!
Ich überbrückte die wenigen Millimeter und küsste ihn. Er erwiderte den Kuss und so saßen wir einige Minuten und vollführten den heißesten Tango mit den Zungen, den ich je hatte. Gott, er war so gut. Seine Hände wanderten zu meinem Kleid und… Moment… So eine war ich nun auch wieder nicht! Auf ein One-Night-Stand konnte ich auch gut verzichten und dabei lief es ja meisten drauf hinaus. Vor allem aber ging das schon mal nicht, da wir noch länger zusammen arbeiten mussten. Als hätte er meine Gedanken gelesen, ließ er von mir ab und gab kurze Zeit später Vollgas. Die unschöne Stille zwischen uns ignorierte ich einfach. Es war ein Fehler gewesen ihn zu küssen!
5
Wir standen noch nicht ganz, als ich schon die Wagentür öffnete und aus dem Auto sprang. Mit schnellen Schritten betrat ich das Department und wurde von jedem Kerl angestarrt, den ich traf. Ein alter Sack sah mir süffisant grinsend auf den Hintern.
„Was denn? Noch nie einen Hintern gesehen?“, pampte ich den Kerl an.
Dachten die etwa aufgrund des grünen Kleides, dass ich ein Alien war oder was?
„MÄNNER!“, fluchte ich und ging weiter.
Ich brauchte jetzt ne Runde Sport. Aggressionen abbauen.
Immerhin hätte ich gleich Feierabend. Wütend ging ich zu den Spinden, zog meine Trainingssachen an und schminkte mich ab. Ich sah endlich wieder wie ich aus. Ich hämmerte auf den Fahrstuhlknopf ein, der mich ins interne Fitnesscenter bringen würde.
Als ich dort jedoch ankam, wurde ich stinksauer. ER war da. Sonst herrschte Leere. Warum musste ER jetzt HIER trainieren, hm?
Ich würde ihn ignorieren. Und das tat ich auch für einige Stunden. Total ausgepowert und verschwitzt, machte ich mich auf den Weg zurück zur Umkleide.
Ich nahm meine Ersatzklamotten heraus, suchte mein Duschgel und ein Handtuch heraus und verschwand unter die Dusche. Wenigstens war ich hier vor ihm sicher!
Zumindest dachte ich das.
Ich temperierte das Wasser nach meinen Wünschen und stellte mich frontal in den Wasserstrahl. Die Wärme umfing mich und die Müdigkeit, die ich verdrängt hatte, schwang über. Ace bemerkte ich erst, als ich mich umdrehte und nach meinem Shampoo griff, das definitiv nicht mehr da stand, wo ich es hingestellt hatte. Ich sah mich um und sah Ace mit dem Selben intensiven Blick von vorhin und stellte fest, dass er nackt dort stand. Ich musterte ihn und blieb bei seiner Männlichkeit hängen. Ach du meine Güte. Der war ja schon steif und zudem noch riesig. Auf einmal war ich hellwach.
„Gefällt dir, was du siehst?“, fragte er mich grinsend und ich wurde rot. Als ich das merkte, schalt ich mich eine Idiotin. Er war doch derjenige, der hier steif war.
„Die Frage werfe ich gerne zurück, aber dein kleiner Freund sagt mir eigentlich schon die Antwort.“, lachte ich und forderte das Shampoo. Statt es mir einfach zu geben, kam er hereinspaziert, stellte sich dazu und massierte die reinigende Flüssigkeit in meine Haut ein. Es war atemberaubend schön seine weichen Hände auf meinem Körper zu spüren. Kurz hielt er zwischen meinen Schenkeln inne und sah mich durchdringend an.
Mein Blick sprach anscheinend Bände, denn er begann mich auch dort einzuseifen. Ich wurde erregt. Noch mehr. Mein Orgasmus stand schon vor der Tür. Wo kam der denn so schnell her?
Er ließ von mir ab und schob mich unter den Strahl zurück.
Es war die reinste Folter. Ich wollte wieder seine Hände spüren. Ihn dicht bei mir haben. Also schlang ich meine Arme um seine Mitte, stellte mich auf Zehenspitzen und versuchte ihn zu küssen. Leider war ich zu klein und kam gerade mal so an sein Kinn. Er beugte sich zu mir runter und endlich hatte ich seine Lippen auf meinen. Ich erschrak kurz, als er mich hochhob und eine Nanosekunde später gegen die Wand presste. Ich schlang meine Beine um seine Hüften und küsste ihn wieder leidenschaftlich.
Jemand räusperte sich hinter uns und ich sah in die Gesichter von Xylon Swithin und Thyron. Beide lächelten mich an. Scheiße! Ace drehte sich genervt um und schirmte mich so gut es eben ging mit seinem Körper ab.
„Du lässt aber auch nichts anbrennen, Alter.“, stellte Xylon fest. Thyron starrte mich nur entgeistert an.
„Ich will das jetzt noch zu Ende bringen. Würdet ihr euch bitte verdrücken?“, knurrte er die Beiden an.
„Was genau macht ihr eigentlich in den Damenumkleiden?“, wollte ich böse wissen.
„Wir haben da so Geräusche gehört.“, lachte Xylon und zog Thyron mit sich.
Ace sah mich wieder an und küsste mich. War eben meine Stimmung auf einen Quickie dahin gewesen, so war sie jetzt wieder da. Wieder schlang ich meine Beine um seine Hüften und nahm ihn schließlich in mich auf.
Er küsste mich, während er immer kräftiger zustieß. Ich glaube sogar ein ‘Ja härter, Atilla und ein Gib’s mir, Ephrime‘ von mir gegeben zu haben. Aber ich war mir nicht sicher. Erschöpft und jetzt von der Müdigkeit übermannt, gähnte ich und stellte das Wasser ab.
„War ich etwa so einschläfernd?“, hakte Ace nach und ich lächelte ihn an während ich nickte.
„Du willst also mehr?!“
„Oh ja gib’s mir BABY!“, rief ich und konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Er ließ mich kurz los und kam dann mit zwei Handtüchern wieder. Den Job übernahm er auch für mich. Er trocknete mich ab und ich sah, dass er schon wieder steif war. Ach du Schreck!
Na dann… Ich nahm sein Handtuch weg und tat es ihm gleich. Vorsichtig trocknete ich ihn ab. Noch langsamer kniete ich mich jedoch vor ihn und gab mein Bestes, um ihn zu befriedigen. Es war einfach nur wundervoll.
Als ich fertig und ziemlich zufrieden war, zog er mich zu sich hoch und gab mir einen zärtlichen Kuss.
„Ich muss dringend nach Hause.“, meinte ich und gähnte.
„Ich bring dich. Nicht, das du noch einen Unfall baust.“
Schweigend zogen wir uns an und gingen zum Parkdeck.
6
So leise wie möglich schloss ich die Tür auf und schlich mit Ace im Schlepptau zu meinem Zimmer.
„Bist du wider da Farah?“, hakte eine verschlafene Stimme nach. Ich zog Ace mit mir in Rheas Zimmer und antwortete. Sie setzte sich gerade hin, als ich ein Schnarchen vernahm.
Wer war das denn da neben ihr?
„Ja ich bin wieder da. Wer ist das?“
„Ich glaub er heißt Pierre.“, antwortete sie schulterzuckend.
„Und wer ist dein Begleiter?“
„Äh… Ace.“, flüsterte ich, doch sie hatte es gehört.
„Das ist nicht dein Ernst!“, meinte sie und wollte noch was sagen, doch ich schnitt ihr das Wort ab.
„Schlaf schön, Süße.“
Ich drehte mich um, schloss ihre Zimmertür und zog Ace mit in mein Schlafzimmer.
„Das ist übrigens meine kleine, bescheidene Wohnung.“
„Sieht nett aber irgendwie etwas kahl aus.“, stellte er fest und zog sich aus. Ich hatte ebenfalls alles bis auf mein Höschen ausgezogen und zog mir das bescheuerte T-Shirt an: Blind Date mit einem… Vampir. Rhea und ich hatten uns beide das Shirt gekauft. Nur aus Spaß und seitdem musste es zum Schlafengehen herhalten.
Ich huschte unter die Decke und wurde eine Sekunde später an eine durchtrainierte Brust gepresst.
„Ich liebe dich.“, flüsterte Ace in mein Ohr, doch ich tat so als würde ich schon schlafen. Oder hatte ich mir das auch nur eingebildet? Naja, was sollte ich auch antworten? Ich kannte ihn kaum. Ja, wir hatten zusammen gearbeitet und taten es auch immer noch, aber richtig kennen tat ich ihn nicht. Er war gut im Bett, wobei wir es ja nicht im Bett getrieben hatten… Egal… Außerdem war er ein super Küsser und sah atemberaubend aus. Aber ihn schon lieben? Vielleicht war ich in ihn verliebt und er raubte mir den Verstand…
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich gehofft Ace noch neben mir vorzufinden, doch leider war die Seite meines Bettes leer. Soviel zu Liebe. Demnach hatte ich mich also doch verhört. Wahrscheinlich war er gerade zu seiner Frau und seinen Kindern zurückgekehrt… Eifersucht keimte in mir auf. Eifersucht, die ich nicht verspüren sollte. Normalerweise, aber was war schon normal?
Wütend über mich selbst machte ich mich auf den Weg zum Bad. Noch im Halbschlaf schlenderte ich ins Bad und traf auf einen nackten Mann. Aber es war nicht Ace.
„Ah!“, schrie er und hing sich schnell ein Handtuch um die Hüften.
„Morgen…“, entgegnete ich gähnend und interessierte mich gar nicht für ihn und sein Gehänge.
„Ich bin Rheas Tante. Farah. Freut mich.“, meinte ich und steckte mir meine Zahnbürste in den Mund.
„Schuldige noch mal, dass ich hier so reingeplatzt bin.“, hing ich dran und hielt ihm meine Hand entgegen.
„Schon okay… Peter.“, stellte er sich vor und schüttelte meine Hand. Oh Rhea, da hatte sich wohl jemand im Namen vertan.
Ich putzte mir schnell die Zähne und legte eine Katzenwäsche hin. Immerhin sollte Peter sich nicht unwohl fühlen. Also stapfte ich in die Küche. Rhea saß am Küchentisch und hatte eine Kaffeetasse in der Hand.
„Na… Lange Nacht?“, hakte ich lächelnd nach.
„Die Frage stell ich zurück. Was ist da zwischen dir und dem sonst so gehassten CIA-Agent Ace MacAuley gelaufen, hm? Vor einigen Tagen konntest du ihn gar nicht schnell genug los werden und jetzt springst du mit ihm in die Kiste?“
„Mal abgesehen davon, dass du dir nicht einmal den Namen deines One-Night-Stands merken kannst, geht dich das einen feuchten Kehricht an!“, blaffte ich und goss mir ebenfalls einen Kaffee ein.
„Hä?“
„Sein Name ist Peter.“
„Oh, ich glaube, dass ich die ganze Nacht Pierre gestöhnt habe. Naja, irren ist menschlich…“, meinte sie schulterzuckend.
„Sag mal… du bist erst siebzehn und der sah zwar schnuckelig aus, aber ist doch bestimmt über zwanzig oder so… Außerdem wo hast du den aufgegabelt?“, verlangte ich zu wissen.
Klar hatte Rhea mich einige Male gefragt, ob sie ausgehen könnte und ich hatte es erlaubt…
„Eigentlich bin ich 20 und Student. Meintest du gestern nicht, dass du auch 20 wärst?“, meinte der Typ und schlenderte grinsend in die Küche.
„Ja, und du meintest, dass du Pierre heißt!“, konterte ich.
Ich musste anfangen zu lachen.
„Na dann sind wir ja quitt.“, stellte Rhea fest und lächelte ihn an. Er nickte und wandte sich dann zum Gehen.
„Ich hoffe für dich, dass du sie nicht geschwängert hast, ansonsten lernst du die Polizei mal so richtig kennen!“, drohte ich und konnte mir das Grinsen nur schwer verkneifen als ich sah, dass er Angst vor mir hatte. Schneller als schnell, war er verduftet.
„Du hast morgen Geburtstag. Was wollen wir machen?“
„Keine Ahnung. Ich hatte an essen gehen gedacht und du?“
„Da ich und Thyron morgen extra freigenommen haben, werden wir essen gehen und dann in einen Club.“
„Klingt gut.“
Wir redeten noch einige Zeit über verflossene Liebe und Kerle. Komischerweise waren es eine Menge. Sowohl bei ihr, als auch bei mir. Rhea war zwar blind, aber definitiv keine Jungfrau mehr.
„Mist.“, fluchte ich, als ich auf die Uhr sah. Ich hatte vollkommen verschlafen. Es war bereits vier Uhr nachmittags.
„Was?“
„Ich komm zu spät…“, meinte ich, duschte schnell und eilte in meiner typischen Uniform zu meinem Bike.
Ich hetzte von Parkdeck in die vierte Etage und fand dort bereits alle anderen versammelt. Thyron musterte mich komisch, doch ich ignorierte es.
„Hallo Leute.“, meinte ich und ein Gemurmel folgte.
„Was’n los?“, verlangte ich zu wissen, doch ich ahnte es. Es gab wieder Leichen.
„Diese zwei weiblichen Leichen wurden unten am Flussufer gefunden. Doch sie sind definitiv nicht ertrunken. Wie all die anderen Leichen waren ihre Körper blutleer. Das war auch ihre Todesursache.“
Ich starrte unentwegt auf Ace, der mich ignorieren zu schien. Auch gut, wenn er es so haben wollte! Wut kochte in mir hoch. Wie hatte ich mich auch nur auf so einen einlassen können?
Wir teilten uns wieder auf und beendeten die Sitzung. Zwei Wochen waren vergangen, aber wir waren noch lange nicht auf den Fersen der Täter.
Eine blonde, vollbusige Frau kam um die Ecke und schrie förmlich, als sie Ace sah. Dieser wiederum versteifte sich und sah mich das erste Mal in dieser Schicht an.
Ich stieß Xylon an, doch auch er starrte die Frau an. Thyron hatte sie auch entdeckt und war ebenso versunken in seine Fantasie. Toll, was war denn an der so besonders? Ich musterte sie erneut, als sie auf uns zu kam. Hatte sie etwa amethystfarbene Augen? Auch du meine Güte. Kein Wunder, sie ließ Männerherzen bestimmt höher schlagen. Eleganten Schrittes trat sie auf Ace zu und umarmte ihn innig. Also doch seine Freundin! Wirklich wütend, wandte ich mich ab und knallte die Tür meines Büros zu. Ein Glück hatte ich ein eigenes Büro. Ich drehte mich um und wollte gerade die Jalousie vom Fenster und von der Tür schließen, als ich den Blick von Ace vernahm. Ihn vollkommen ignorierend, schloss ich die Jalousie und setzte mich an meinen Schreibtisch. Eine Menge Papierkram hatte sich inzwischen angehäuft, die ich jetzt erledigen könnte. Es klopfte gerade, als ich die erste Akte in die Hand nahm.
„Ja, bitte.“, sagte ich höflich und rechnete eigentlich schon damit, dass es sich um Ace handelte. Doch es war Thyron.
Im Hintergrund vernahm ich noch ‘Nicht jetzt Amethyst. Das kannst du auch mit Vasco oder Sly klären. Verschwinde.‘, bevor er die Tür schloss.
„Wer ist das denn?“, war meine erste Frage an ihn.
„Sie meinte, dass sie Amethyst Precious sei. Alter ist die heiß.“
Ich sah ihn tadelnd an. War ja klar…
„Vielleicht ist sie ja seine Cousine oder so.“, warf Thyron schnell ein, als er meine Miene sah. Ja, wer’s glaubt wird selig.
„Darüber will ich mir jetzt ehrlich gesagt keinen Kopf machen. Wir haben einen neuen Fall. Ach so, morgen wollen wir erst essen gehen und dann ne Runde in einen Club.“
„Hört sich super an.“, meinte Thyron und in diesem Moment ging die Tür auf. Konnte man denn nicht anklopfen?
„Kann ich kurz mit dir sprechen, Farah?“, hakte Ace nach und Thyron verließ den Raum. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und zog fordernd eine Augenbraue nach oben.
„Ich glaube... Es… Verdammt…“, setzte er an.
„Komm zum Punkt.“, drängte ich.
„Ich glaube deine Nichte ist in Gefahr.“, begann er.
„Was? Wie kommst du darauf?“
„Du hast Ricardo gestern deinen Namen genannt, nicht wahr?“
Ich nickte. Das hatte ich in der Tat.
„Ich glaube, dass er sie als Druckmittel gegen mich verwenden wird.“, gestand er.
„Warum als Druckmittel? Und warum hast du gestern Abend nichts gesagt?“, wollte ich wissen. Doch wollte ich das wirklich?
„Ich wollte die Stimmung nicht kaputt machen und außerdem war ich ja auch in der Wohnung. Ich hätte euch beschützt.“, stellte er fest.
„Aber irgendwann bist du abgehauen!“, stellte ich wütend fest.
„Ja, wegen der Sonne. Ich bin etwas allergisch. Ich hatte dir einen Zettel auf den Nachtschrank gelegt.“
Oh, den musste ich wohl übersehen haben.
„Und was jetzt?“
„Ich schicke Thyron und Xylon zu dir nach Hause. Sie sollen auf Rhea aufpassen.“
Ich nickte einverstanden.
„Wer war das eben?“, verlangte ich zu wissen. Wenn er verheiratet wäre, dann würde ich ihn zerstückeln!
„Eine lange Geschichte. Ich erzähl sie dir irgendwann mal.“
„Du verarscht mich doch grade oder?“, wütend stand ich auf, schritt an ihm vorbei und zog mich um.
Ich musste mich abreagieren.
Ich verbrachte eine Stunde meiner Schicht im Fitnessbereich des Departments. Rannte mir die Seele aus dem Leib. Es war beinahe so, als würden mich hunderte von Bloodhuntern verfolgen und aussaugen wollen.
Die Playlist, die mir Rhea zusammengestellt hatte, war der Hammer. Laute Bässe und gemischte Beats umfingen meine Ohren. Genau richtig zum Abschalten. Rhea hatte wirklich Talent, das musste man ihr lassen. Dafür, dass sie erst siebzehn war und blind, konnte sie mit Musik umgehen. Man muss wissen, dass sie all die Songs selber gemischt oder aber gespielt hat. Warum hatte ihre Mum ihr noch gleich das Musizieren verboten?
Meine Lunge brannte und meine Beine fingen an zu schmerzen. Gut so. Schmerz zeigte mir noch, dass ich am Leben war.
Jemand tippte mich an und ich währe beinah vom Laufband gefallen. So sehr hatte ich mich erschreckt. Wütend wandte ich mich um. Ace. Ich funkelte ihn an.
Er bewegte seine Lippen, doch ich verstand kein Wort. Zögernd nahm ich die Kopfhörer ab.
„Deine Nichte ist dran.“, meinte er und hielt mir mein Handy entgegen.
„Danke.“, meinte ich und nahm es an mich.
„Hey, Rhea.“, begrüßte ich sie.
„Hey, Farah. Ich hab das Gefühl, dass ich beobachtet werde.“, meinte sie verängstigt. Ich hielt die Hand vor die Sprechmuschel.
„Ace…“, zischte ich und er kam wieder näher.
„Hast du Thyron und Xylon schon zu Rhea geschickt?“, hakte ich nach.
„Sie müssten jetzt gerade losfahren.“, meinte er.
„MIST!“
„Wieso?“
Ich nahm die Hand wieder weg.
„Rhea. Hör mir gut zu. Schließ alle Rollos und Vorhänge. Lösch die Lichter in der Wohnung und schließ die Haustür ab. Thyron und Xylon kommen gleich vorbei. Lass nur sie rein.“, befahl ich barsch und vernahm ein halbes schluchzen.
„Alles wird gut meine Kleine.“, meinte ich, doch im nächsten Moment krachte es laut.
„Rhea?“, schrie ich panisch.
„Farah, hier ist jemand in der Wohn….ah.. Hilfe Farah…“, schrie Rhea und die Stimme wurde immer leiser. Irgendjemand nahm das Handy ans Ohr, denn ich hörte einen Atemzug.
„Wenn Sie ihr auch nur ein Haar krümmen, dann schwöre ich, dass ich sie niedermetzeln werde.“
Ein belustigtes Lachen war zu vernehmen, doch im nächsten Moment hatte Ace mir das Hany entrissen und bellte förmlich in es hinein.
Ich heulte los. Immerhin hatte ich mit anhören müssen, wie meine Nichte entführt wurde. Ich wollte Rache.
7
Ich ließ mich beurlauben. Hatte meine Waffe und meine Marke vorläufig abgegeben. Doch die Aufopferung von Ace und Xylon war unübertrefflich. Wir waren sofort nach dem Anruf zusammen mit Thyron in meine Wohnung gefahren. Ein Schlachtfeld war das. Die Tür war aufgebrochen und alles verwüstet. Rhea hatte sich heftig gewährt.
„Du kannst hier nicht bleiben, Farah. Das ist jetzt eine Angelegenheit, die mich auch etwa angeht.“, flüsterte Ace mir zu.
„Wo soll ich denn hin?“, fragte ich ratlos.
„Du kommst mit zu mir und ich kläre dich vollkommen auf.“
„Ich will Rache!“, meinte ich wütend, nickte und packte eine Tasche.
„Ace… was ist mit ihrem Partner?“
„Xylon, du fährst ihn zu sich in die Wohnung und er soll er sich ebenfalls eine Tasche packen. Bring ihn dann zum Hauptquartier.“, befahl er und Xylon nickte.
„Lass uns hier verschwinden.“
„Ja. Farah… wir werden beide unsere Rache bekommen. Wir finden sie, das verspreche ich dir.“
Ich nickte und wir fuhren in Windeseile zu einem riesigen umzäunten Haus. Ace gab einen Code in eine Armatur ein und ein robustes Eisengitter öffnete sich.
Wir fuhren einige Meter um dann in eine Tiefgarage, die man hier definitiv nicht vermutet hätte, zu fahren.
„Alter was ist los? Warum hat Xylon einen Menschen mit hier her gebracht?“, wollte ein Abbild von Xylon wissen. Ich starrte ihn an. Außer, dass er lange Haare hatte, sah er identisch aus, wie Xylon.
„Komm, Farah.“, antwortete Ace stattdessen und zog mich mit sich. In einem großen Saal angelangt, schaute ich in die Runde. Es war eine Runde im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Tisch an dem alle saßen, war rund.
Ich lächelte alle freundlich an, als Ace zur Seite trat. Sechs Männer, drei Frauen, ein kleines Mädchen und Thyron saßen am Tisch. Ich musterte sie und wurde ebenso gemustert.
„Ich bin Sheila Davis.“, stellte sich eine Frau vor. „Das ist mein Freund Thor… Er ist der Zwillingsbruder von Xylon, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte.“, plapperte sie fröhlich.
„Vasco Cordello.“, stellte sich ein sehr spanisch aussehender Mann vor.
„Raven Knight und das ist meine Freundin Cava und unsere Tochter Midnight.“, stellte er vor. Ich nickte ihnen kurz zu.
„Ich bin Amethyst Precious.“, stellte sich die Frau vor, die auch schon auf dem Revier gewesen war.
„Alokay Vittec.“, stellte sich ein weiterer vor, der an einem Laptop saß.
„Sly Wemyss.“, knurrte ein Hüne mit angsteinflößenden Augen und Narben quer durchs Gesicht.
„Freut mich… Auch wenn ich nicht weiß, ob ich mir gleich alle Namen merken kann. Ich bin Farah Payne.“, lächelte ich und sah genau den Hünen mit den eiskalten Augen an.
Er nickte mir freundlich zu und sah dann Ace fragend an.
„Farah und Thyon haben dieselbe Fähigkeit, wie du Sheila.“, erklärte Ace ruhig.
„Heute Morgen habe ich doch schon berichtet, dass wir Ricardo begegnet sind in einem Nachtclub. Farah wusste nicht wer er war und hat ihren echten Namen genannt. Gerade wollten wir Wachposten zu ihrer Wohnung schicken, als ihre Nichte Rhea, die zurzeit bei ihr wohnt, anrief und das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Wir müssen sie finden. Geht allen Spuren nach und horcht euch bei den Bloodhuntern um. Vielleicht weiß jemand wo sie festgehalten wird.“
„Warum entführen die Bloodhunter ausgerechnet sie? Wozu das Ganze? Du bist Polizistin, habe ich Recht?“, fragte Raven nach.
„Ja. Ich bin Lieutenant bei der Mordkommission und Thyron ist mein Partner.“, bejahte ich, zeigte auf Thyron und nickte.
„Ich glaube, dass sie Rhea als Druckmittel nutzen wollen.“, stellte Ace seine Theorie auf. Alle starrten ihn an.
„Mit welchem Grund solltest du darauf eingehen?“, hakte Sly nach.
„Na hör mal. Das ist immerhin Farahs Nichte, von der wir hier reden!“, mischte sich, wie hieß sie noch gleich… Cavo, nein. Cava. Genau. … mischte sich Cava ein.
„Ich dachte, dass Farah unter seinem Bann stand und habe sie verteidigt. Demnach schlussfolgert Ricardo, dass sie mir wichtig ist.“, stellte Ace klar.
„Ich dachte, dass sie dagegen immun wäre…“, wand Thor ein.
„Ist sie auch… Farah hatte nur mitgespielt. Leider wusste ich das nicht.“
„Geht auf Patrouille und meldet euch, wenn ihr was Interessantes seht. Wir treffen uns zur Lagerbesprechung in drei Stunden.“
Ich sah zu, wie die Männer und zwei Frauen verschwanden.
„Setz dich Farah.“, bat Ace.
„Wie wichtig ist dir Farah?“, hörte ich Sly an Ace gewandt fragen.
„Ich habe deine Autorität niemals in Frage gestellt, mein Freund, und du weißt dass ich Ricardo und die Bloodhunter auch vernichten will, aber was bedeutet sie dir?“
Ich hörte gebannt zu. Selbst, wenn es nicht für meine Ohren bestimmt sein sollte.
„Ich liebe sie. Würde alles tun, um sie und ihre Familie zu schützen.“
Sly blieb kurz vor mir stehen und sah mich fragend an.
Doch nur einige Sekunden später wandte er sich ab und verschwand ebenfalls.
„Was bitte sollen Bloodhunter sein?“, fragte Thyron in die Stille.
„Glaubst du an Übernatürliches?“, fragte Cava nach.
„Naja.“, grübelte Thyron.
„Sie sind Nachtwandler. Uns eigentlich unter Vampiren bekannt. Ernähren sich von Blut. Menschlichem Blut.“, erklärte sie. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gedacht, dass sie mir ein Schauermärchen erzählte. Thyron begann, wie ich es gedacht hatte, zu lachen.
„Sie sagt die Wahrheit! Ich hab drei der Dinger damals in der Gasse gesehen. Einer wollte mich auch aussaugen, doch Ace hat mich gerettet.“, stellte ich klar und bemerkte den komischen Blick von Thyron.
„Du hast gesagt, dass du nichts gesehen hast.“, stellte er klar.
„Na und? Hätte ich etwa sagen sollen, Hey ich hab da Vampire gesehen und mit angesehen, wie mein Held mit den schönsten weißen Augen, die ich je gesehen habe einen erstochen hat und der dann zu Staub zerfallen ist? Klar doch… Gummizelle ich komme.“, meinte ich und er sah mich komisch an.
„Was werden sie mit Rhea machen?“, fragte ich Ace.
„Hoffentlich sie nur als Druckmittel benutzen.“, meinte er verstört.
„Was könnten sie alles mit ihr machen?“
„Sie als Nahrung benutzen, aussaugen oder aber wandeln.“, stellte er trocken und ehrlich fest.
Das waren ja gute Aussichten!
„Okay Ricardo ist ihr Anführer habe ich Recht?“
Ace nickte.
„Und ihr seid Krieger, nicht wahr?“
„Ja. Wir beschützen die Menschheit vor den Bloodhuntern und verteidigen unser Geheimnis.“, sagte Ace stolz.
„Was könnte er von euch verlangen?“
Ace überlegte und irgendjemand hinter mir meldete sich zu Wort.
„Ace, er ruft gerade an.“, meinte Alokay, den ich wirklich gar nicht bemerkt hatte. Ace knurrte und war eine Sekunde später neben Alokay und hatte das Telefon in der Hand.
„Ich glaube, dass ich etwas habe, dass du gerne wiederhaben willst oder Ace?“, sprach eine mir bekannte Stimme. Es war Ricardo Sola.
„Mieses Arschloch!“, schrie ich dazwischen und er lachte nur.
„Jetzt weiß ich auch wo die kleine ihr Benehmen her hat!“
„Was willst du Ricardo?“, zischte Ace wütend.
„Ich will die Infos, die ihr habt zu den zwei Trägerinnen der Waffe.“, meinte er und ich verstand nur Bahnhof. Was für Trägerinnen der Waffe? Was sollte denn das sein?
Ich sah, wie Ace sich die Schläfen rieb und Alokay den Kopf schüttelte. Was sollte denn das heißen? Am liebsten hätte ich mich zusammengekugelt und angefangen zu heulen, aber mit meinen neunundzwanzig Jahren, wäre das ein wenig kindisch gewesen. Ich musste stark sein. Stark sein für Rhea. Also ging ich auf Ace und das Handy zu.
„Ich will sie sprechen.“, verlangte ich.
„FARAH.“, meinte Rhea und mir fiel ein Stein von Herzen.
„Geht es dir gut?“
„Wenn in Ketten liegen und das halb nackt gut ist, dann ja.“, meinte sie. Wie konnte sie in solchen Momenten denn och sarkastisch sein? Ich drehte fast durch.
„Also? Ist sie es dir wert, Ace?“, hakte Ricardo nach.
„Wann und wo?“
„Morgen Abend. Ich genieße noch eine Nacht ihre Anwesenheit. Ich melde mich.“, meinte er und die Leitung war tot. Er wollte noch eine Nacht ihre Anwesenheit genießen? Was sollte das denn heißen? Wenn er ihr etwas antat, dann würde ich ihn abschlachten!
„Dein Plan?“, hakte Alokay nach und alle im Raum sahen ihn abwartend an.
„Scann alle Scripte, die du noch nicht als Dateien hast. Wir werden ihm die Originale geben.“, befahl er und Alokay nickte, wenngleich sein Blick fragend blieb.
Ich brach zusammen. In ein paar Stunden hätte sie Geburtstag, den sie in Ketten verbringen müsste. Ein Heulflash brach über mich herein und ich bemerkte trostspendende Arme um meine Mitte.
„Wir sind in meinem Zimmer, wenn was sein sollte.“
Er nahm mich auf den Arm und ging mit mir einen langen Gang entlang. Überall standen Kisten und Kartons.
„Seid ihr grade erst hergezogen?“, hakte ich nach. Irgendwie musste ich mich ja ablenken.
„Nein. Wir ziehen demnächst in ein größeres und schöneres Quartier um.“
„Das ist mein Zimmer.“, meinte er und ließ mich auf einem riesigen Bett liegen. Es war umwerfend. Also nicht das Bett, sondern das Zimmer. Wobei das Bett auch bequem und riesig war. Es füllte den Großteil des Raumes aus. Mindestens zweifünfzig mal zweifünfzig oder so. Eine Sitzecke und ein riesiger Fernseher waren noch im Zimmer und vieeeele Bücher, die in Regale gestopft worden waren.
„Ich muss dir einiges erklären…“, setzte er an, doch ich hatte tausende Fragen. Fragen, die mich ablenken würden. Ablenken daran zu denken, dass Rhea entführt worden war.
„Warum hast du eingewilligt dieses Dingens Waffen Teil auszuhändigen? Ich meine du kennst Rhea doch gar nicht.“
„Das mag sein, aber wir Krieger haben seit Jahrhunderten geschworen unsere Rasse und die menschliche Rasse zu schützen und unser Geheimnis zu wahren. Wir wurden unsere Ehre verlieren, wenn wir Rhea sich selbst überlassen würden.“
Also doch nicht wegen der Liebe… Toll.
„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte ich schnell, damit ich endlich auf andere Gedanken kommen konnte.
„981. Ich bin einer der letzten geborenen Nachtwandler.“
„Wow. Dann hasst du zwei Jahrtausendwenden hinter dir. Beeindruckend. Wie viele gibt es denn noch?“
„Sechs. Die anderen wurden von den Bloodhuntern gejagt und ausgerottet.“
„Warum?“, wollte ich wissen.
„Weil wir stärker sind, als die Verwandelten. Ricardo will der mächtigste Nachtwandler der Welt werden und naja die Trägerinnen der Waffe würden ihm sehr viel weiterhelfen.“
„Was sind denn diese…“
„..Trägerinnen der Waffe?“, vollendete er die Frage.
„Es gibt seit Jahrtausenden, seitdem mein Volk auf diesem Planeten weilt, eine Legende, die besagt, dass es zwei Frauen geben wird. Eine Frau wird nachtwandlerische Runen auf der linken Hälfte ihres Körpers haben und die andere Frau auf der rechten Hälfte. Zusammen soll es die ultimative Waffe sein. Oder zumindest auf dessen Standort weisen. Ricardo will uns damit zerstören und die Menschheit versklaven. Wir hingegen wollen damit nur Ricardo und die Bloodhunter vernichten.“
Ich schluckte. Es würde Chaos geben, wenn die Waffe in Ricardos Hände geraten würde. Die Welt wie sie jetzt wäre, würde es nie mehr so geben. Ich gähnte ausgiebig. Doch rein theoretisch durfte ich gar nicht müde sein.
„Hast du ein Badezimmer?“, hakte ich nach und Ace nickte.
„Und eine Badewanne?“
„Ja. Wieso?“
„Weil ich jetzt ein Bad gebrauchen könnte.“, lächelte ich verlegen und sah nur zu, wie Ace kurz verschwand, Wasser plätscherte und ich auf einmal im Badezimmer stand.
„Ich bin nebenan, wenn etwas ist, okay?“
Ich nickte und entledigte mich meiner Kleider.
Der wohlige Duft von Vanille stieg mir in die Nase und ich begutachtete das kräftig schäumende Nass.
Schritt für Schritt stieg ich in die Wanne. Doch komischerweise, war es nicht trostspendend, wie ich angenommen hatte.
So kam es, dass ich nach etwa zehn Minuten wieder das Wasser aus der Wanne ließ und mir ein Handtuch von einem Regal nahm. Es war zwar ziemlich klein, aber das würde schon reichen. Ich rubbelte mich etwas trocken und band es mir dann vor die Brust. Leise Musik kam aus dem Zimmer nebenan und ich betrat wieder Aces Zimmer.
Er war nicht da. Aber woher kam die Musik? Ich folgte meinen Ohren und kam schließlich zu einer Tür, die gar nicht wie eine aussah, sondern eher wie eine massive Wand. Doch sie stand einen Spalt auf und die Musik wurde dahinter etwas lauter. Also betrat ich zögerlich einen kleinen Raum. Überall flackerte Kerzenlicht und ich sah Ace dabei zu, wie er mit einem Schwert trainierte. Das war also ein persönlicher Trainingsraum. Er trug lediglich eine Jogginghose und Turnschuhe. Das machte es nicht gerade einfacher die Augen von ihm zu lassen. Das Spiel seiner Muskeln war sehr erregend und ich merkte, dass ich feucht wurde. Super Timing!, mahnte ich mein Lustzentrum und sah wütend nach unten. Als ich jedoch wieder aufsah, blickte ich in dunkelrot leuchtende Augen, die mich hungrig ansahen.
„Ich wollte dich nicht stören.“, versuchte ich mich heraus zu reden, doch bevor ich mich umdrehen und gehen konnte, hatte Ace mich geküsst und des Handtuchs entledigt. Mein Verstand schaltete sich aus und ich presste mich gegen seinen muskulösen Oberkörper.
8
Ein Klopfen an der Tür ließ mich wach werden.
„Bleib ruhig im Bett, mein Schatz.“, hauchte Ace mir ins Ohr und küsste mich kurz auf den Mund.
„Dauert nicht lange.“, meinte er und ich fiel wieder in den Schlaf. Zum Glück ein traumloser Schlaf. Ich hatte seitdem ich in der Mordkommission arbeitete, wenn ich träumte immer Albträume gehabt. Ein Glück hatte ich heute keine!
„Bin wieder da.“, meinte eine samtene Stimme, die ich Ace zu orientierte.
„Mhm.“, gab ich schlaftrunken von mir und wurde von starken Armen umschlungen.
„Ich liebe dich, Farah.“, flüsterte Ace und mein Herz blieb für einen kleinen Moment stehen. Auf einmal war ich hellwach.
„Was?“, fragte ich nach. Ich wollte es noch einmal hören und vor allem sicher sein, dass Ace es tatsächlich gesagt hatte.
„Eigentlich hast du mich schon ganz gut verstanden… Ich liebe dich Farah!“
Es ratterte in meinem Hirn, wie blöde. Sag was!, schrie mein Verstand und auch mein Herz.
„Weißt du… du machst mich wirklich glücklich damit. Ich liebe dich nämlich komischerweise auch!“, stellte ich klar.
„Komischerweise?“, hakte er nach.
„Naja…“, setzte ich an, verstummte jedoch schnell. Nichts komischerweise. Ich liebte ihn.
„Streich das ‘komischerweise‘ einfach!“, lenkte ich um und küsste ihn.
„Ich liebe dich Ace.“, stellte ich klar und vernahm ein tiefes Grollen aus seiner Kehle.
„Deine Augen…“
„Ich habe Hunger.“, meinte er und ließ von mir ab.
„Wann hast du das letze Mal ge.. wie nennt man das eigentlich? Getrunken oder gegessen?“
„Ist ein und dasselbe… Vor drei Tagen denke ich. Ja, das müsste hinkommen.“
„Küss mich…“, bettelte ich.
„Nein. Ich könnte dich verletzen und das will ich nicht!“
„Ich will dich aber!“, murrte ich.
„Ich dich auch!“
„Na dann… ich liebe dich Ace und ich vertraue dir!“, stellte ich klar. Mir war es egal, ob er mich beißen würde oder nicht. Ich wollte ihn und dessen war ich mir bewusst. Doch Ace erhob sich und wollte das Bett verlassen.
„Warte… Du brauchst Blut zum Leben richtig? Richtig! Ich hab dir meine Gefühle gestanden. Richtig! Wenn du zu einer anderen Frau gehen solltest, würde mich das verrückt machen. Willst du mein Blut etwa gar nicht?“
Er sah mich komisch an. Hatte ich schon wieder was Falsches gesagt?
„Ich götze nach deinem Blut, aber ich will nichts Unüberlegtes tun, Farah.“, vertsidigte er sich und sah mir tif in die Augen.
„Ich will diejenige sein, die deinen Hunger stillt. Bei mich Ace. Ich hab keine Angst davor. Beiß mich!“, bat ich und mein Verstand hätte mir am liebsten die Zunge abgeschnitten.
Im nächsten Moment lag ich unter Ace begraben und spürte einen leichten Schmerz im Oberschenkel, welcher sich jedoch in Lust umwandelte. Ich stand dem ersten Orgasmus seeeeeehr seeeeeehr nahe und wurde feucht.
Das schien Ace noch mehr in Wallungen zu versetzen, denn ich merkte, wie ich ohnmächtig wurde.
Nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte, sah ich in die besorgten Augen von Ace. Was war passiert?
„Geht’s dir gut, meine Süße?“
„W-w-was ist passiert?“, wollte ich wissen.
„Ich hab die Kontrolle verloren…“, begann er bedrückt und zugleich beschämend.
„Ein Glück war Amethyst in der Nähe.“
Dieser kleine Satz brachte mich aus der Fassung. Nicht etwa, dass er mich beinahe umgebracht hatte, nein. AMETHYST. Dieses vollbusige Luder hatte mich gerettet? Toll.
„Bin ich jetzt eine von euch?“, wollte ich perplex wissen.
„Nein. Amethyst hat alles daran gesetzt dich als Mensch zu erhalten.“, stellte er klar.
Also hatte sie mich wirklich gerettet. Aber die schlimmere Frage, die ich mir stellte, warum wollte er nicht, dass ich eine von ihnen wurde? Wollte Ace mich nicht so lange um sich haben und war Amethyst doch seine Freundin?
„Es wird nie wieder vorkommen! Ich werde meine Nahrungsquelle bei jemand anderem suchen. Ich will das nicht jedes Mal durchstehen müssen.“
Jetzt war ich noch geschockter. Konkreter konnte man ja wohl kaum vor den Kopf gestoßen werden. Ich fühlte mich verletzt. Er würde sich eine andere Frau suchen, die ihm das lebenspendende Elixier gab, obwohl ich es freiwillig tun würde. Zusätzlich auch noch Liebe schenkte. Ich bat ihm alles an, was ich zu bieten hatte, doch er wies mich zurück.
Ich versuchte aufzustehen, doch der Blutverlust ließ mich rücklings in die Kissen sinken. Jetzt begutachtete ich Ace, der vollbewaffnet und in schwarz neben dem Bett stand und mich immer noch sorgevoll ansah.
„Wie spät ist es?“, wollte ich wissen.
„Die Krieger und ich werden gleich zum Treffpunkt aufbrechen. Bleib bitte hier. Ich bringe dir Rhea wieder. Ich verspreche es dir.“, antwortete er, gab mir einen kurzen Kuss auf die Lippen und ging in Richtung Tür.
„Ich liebe dich, Farah.“, waren seine letzten Worte und er ging. Am liebsten wäre ich ihm gefolgt, doch mir ging es beschissen. Hoffentlich würden sie mir Rhea heil wiederbringen und heil zurück kommen.
9
Ich wartete jetzt schon seit mehr als zwei Stunden. War ihnen etwa etwas zugestoßen? Warum dauerte das denn so lange?
Ich ignorierte die Schmerzen und stand auf. Vielleicht waren sie ja schon längst wieder da und saßen fröhlich im Besprechungssaal herum und feierten ausgiebig.
Ich trat auf den Flur und suchte den Weg zurück. Leider stellte ich mich etwas bescheuert an und verlief mich. Super… Wo war ich denn hier gelandet? Schnellen Schrittes ging ich wider in die Richtung, aus der ich gekommen war. Na toll. Als ich endlich nach zehn Minuten den Saal betrat, fand ich Alokay vor den Bildschirmen wieder und hörte Funksprüche, die von den Anderen zu kommen schienen.
„Siehst du was, Al?“, hakte eine mit spanischem Akzent versetzte Stimme nach. Vasco.
„Nein. Die Videobänder sind alle sauber.“
Ich räusperte mich und erntete einen verwirrten Blick von Alokay.
„Wie hast du das gemacht?“
Wollte er das von mir wissen? Oder doch von Vasco?
„Dich anzuschleichen?“, fügte er bei und ich verstand, dass er mich meinte.
Schulterzuckend zog ich mir einen Stuhl heran und setzte mich mit an die Bildschirme.
„Ace wird mir den Kopf abreißen, wenn er das erfährt!“, fluchte Alokay und ich sah ihn fragend an.
„WOFÜR?“, bellte dieser wie auf Knopfdruck ins Funkgerät.
Doch statt Alokay zu Wort kommen zu lassen, antwortete ich ihm mit einem kleinen ‘Weil ich hier bin.‘
Er fluchte leise.
Das Telefon klingelte.
„13 Ecke am Dock.“, kam eine knappe Aufforderung.
„Und nur ein Krieger, sonst ist sie tot!“
Mir lief eine Gänsehaut über den Körper. Breitete sich aus.
Während Alokay die Infos weitergab und die Umgebung via Hacking und Internet schon mal abtastete, saß ich wie gebannt vor den Bildschirmen und hoffte auf ein Happy End.
Als mein Handy jedoch begann zu klingeln, begutachtete ich es skeptisch. Wer wollte denn in diesem Moment etwas von mir?
Auch Alokay sah mich fragend an.
„Payne.“
„Farah ich bin’s. Die Krieger laufen in eine Falle. Ich bin nicht bei den Docks…“, begann sie flüsternd. Rhea? Wieso konnte sie telefonieren?
„Wo bist du dann?“, hakte ich nach und ein ohrenbetäubender Knall erschütterte die Nacht.
Ich nahm noch gerade wahr, dass sich Alokay auf mich warf und ging dann zu Boden. Irgendwas war explodiert.
„Sie sind hier! Ace, sie sind im Hauptquartier!“, hörte ich Alokay noch schreien und dann bemerkte ich, dass ich am Kopf blutete.
Ich schlug meine Augen auf uns sah nichts als Dunkelheit.
Alles tat mir weh. Vorsichtig wollte ich mir an den Kopf fassen. Hatte ich nicht dort geblutet? Doch meine Hände lagen in Handschellen. Ich versuchte meine Gegend zu fokussieren, doch außer Mauern und einem reglosen Frauenkörper und weiteren verängstigten Frauen konnte ich nichts sehen. Moment… regloser Frauenkörper, der mir sehr bekannt vor kam und verängstigte Frauen?!
„Rhea!“, krächzte ich. Sie bewegte sich nicht. Was hatte man ihr nur angetan?
„E-er… sie…“, setze eine sehr verängstige Frau an.
„Was hat er mit euch und vor allem mit ihr getan?“
„Rote Augen. Hunger. Hiiiiilfeeee!“, schrie eine Frau panisch.
Eine Tür schwang auf und etwas Licht fiel in den Raum. Es sah hier so miserabel aus, wie es roch. Die meisten der Frauen hatten Blessuren, Bisswunden oder waren wie in Trance.
Ich sah zur Tür und erkannte Ricardo.
„Wo bin ich?“
Doch statt zu antworten, wurde eines der Mädchen von seinem Handlanger nach draußen gezerrt. Jeder sah zu, wie vier Bloodhunter ihre Zähne in ihr Fleisch bohrten und sie langsam starb.
„Bringt mir die Kleine.“, befahl er barsch und zwei andere Handlanger wollten Rhea mitnehmen.
„NEIN!“, schrie ich und rappelte mich auf. Wenigstens hatte man meine Beine nicht in Ketten gelegt, so wie bei den anderen Frauen hier unten.
Ich raste auf die Handlanger zu und verpasste ihnen gezielte Tritte. Es zahlte sich also doch aus Polizistin und Kampfsportliebhaberin zu sein. Einer der Kerle ging zu Boden, doch bevor mich der Andere zu Fall bringen konnte, schlangen sich zwei starke Arme um meine Taille und zogen mich in Sicherheit. Diese Attacke hätte ich bestimmt sonst nicht überlebt! Ungläubig drehte ich mich um und sah ins wütend dreinschauende Gesicht von Ricardo. Er preschte vor und tötete den Bloodhunter, der mich angegriffen hatte und Rhea mitnehmen wollte. Ohne meine Verwunderung zu beachten, nahm er mich auf den Arm und trug erst mich und dann Rhea aus der Zelle. In meinem Schockzustand hatte ich gar nicht an abhauen gedacht und vor allem was hätte es gebracht? Rhea wäre ja noch hier gewesen.
„Bring die dort ins linke Gästezimmer und bewache die Tür. Sollte sie abhauen können, dann war das dein Todesurteil.“, befahl Ricardo einem anderen Handlanger. Wie viele hatte er denn bloß? Naja, viel aus ihnen machte er sich ja nicht, wenn er sie sogar eigenhändig umbrachte. Er nahm mich auf den Arm und trug mich einen unterirdischen Gang entlang. Überall waren Türen. Wo waren wir?
„Was wird denn das, wenn’s fertig ist?“, fragte ich schnippisch. Immerhin durfte mich nur ein Mann so hin und her tragen. Ja und der will dich nicht!, stellte mein Verstand trocken fest. Außerdem ist dieser Mann auch sensationell. Mal abgesehen davon, dass er Rhea entführt und wie es scheint auch dich in Gewahrsam hat.
„Du sollst den Luxus genießen können, meine Liebe.“
„Okay… Dann würde ich mal sagen, dass ich die Dinger an meinen Händen abhaben will und würde verlangen, dass ich was zu essen bekomme.“
„So DU stellst also FORDERUNGEN an MICH? Ich dachte immer, dass man sich bei einer Entführung dem Entführer beugen muss. Oder erzählen die euch das bei der Polizeiausbildung etwa anders?“
„Ich weiß ja nicht wann du die letzte Polizeiausbildung abgeschlossen hast, aber mir hat man gesagt, dass man nicht mit den Entführern handelt.“
„Und was versuchst du dann gerade?“, fragte er und zog eine Augenbraue hoch. Man sah diese Geste heiße aus.
Komm zurück zum Wesentlichen, Farah!
„Um zu zeigen, dass ich eine starke Persönlichkeit bin und niemals das tun würde, dass du von mir verlangst!“, stellte ich klar und funkelte ihn an.
„Na dann.“, meinte er Schultern zuckend und öffnete eine Tür.
„Ich hätte dir befohlen einfach geradeaus und zurück zu den Kriegern zu gehen, aber du befolgst ja keine Befehle von mir.“, scherzte er. Ich verkniff mir gerade noch ein HA HA, verarschen kann ich mich auch alleine.
Als ich auf etwas Weiches geworfen wurde, die Tür verschlossen und das Licht eingeschaltet wurde, schnallte ich erst, dass ich in seinem Zimmer sein musste. Es roch nämlich alles nach ihm. Ja, soweit war es schon mit mir gekommen, dass ich riechen konnte, wem welches Zimmer hatte. Super Talent ich komme!
Als ich meinen Blick wieder auf Ricardo schwenkte, sah ich in dunkelrot leuchtende Augen. Meine Pupillen weiteten sich vor Schreck und ich wich ein klitzekleines Stück zurück.
„Keine Angst meine Hübsche!“
„Komm mir nicht zu nahe, oder ich…“
„Oder du was?“ Mist der Punkt ging an ihn.
„Kastriere dich und tanze anschließend Polka auf deiner Leiche.“, meinte ich boshaft. Leider funkelten seine Augen dadurch nur noch mehr. Ach so… Jetzt verstand ich. Er wollte kein Blut. Nö, der wollte mich. Als Trophäe. Kannst du bekommen mein Schätzelein.
Langsam stand ich auf und setzte mich auf die Bettkante.
„Wenn du mir die Dinger abmachst, dann könnte ich wenigstens auf die Toilette gehen.“, meinte ich und versuchte sexy zu lächeln.
„Wenn du gedenkst zu fliehen, dann muss ich dir leider einen Strich durch die Rechnung machen, aber in dieser Etage gibt es keine Fenster und nur die Tür, neben der ich stehe und dessen Schlüssel ich um den Hals hängen habe.“; meinte er.
„Das hab ich auch schon gemerkt. Ich muss aber wirklich ganz dringend.“
Leider traf das voll ins Schwarze. Ich musste wirklich mal ganz dringend für kleine Prinzessinnen.
Misstrauisch kam er zu mir, löste jedoch die Handschellen von meinen Händen. Gut so. Fall nur schön drauf rein.
Doch anstatt mich loszulassen, hielt er unbeirrt meine Handgelenke fest. Ich sah ihn fragend an und blickte wieder in dunkelrote Augen. Leider sah ich auch seine wunderschönen Lippen, die mir etwa zu nahe kamen. Und etwas, dass nur Ace in mich katapultieren durfte. FÄNGE! Ich wand mich hin und her. Niemand…
„Was wird das, wenn‘s fertig ist?“, wollte ich wissen.
„Denk nicht einmal daran.“, stellte er nur knapp klar und ließ mich los. Kopfschüttelnd ging ich ins Badezimmer. Es war nett. Große Wanne, Glasdusche und der Rest selbstverständlich auch. Ich kippte den Deckel der Toilette nach oben und ging eben für kleine Prinzessinnen. Als ich fertig war, betrachtete ich mich im Spiegel. Ich sah scheußlich aus. Meine kurzen schwarzen Haare lagen fettig und verwuschelt auf meinem Kopf und meine Augen zeugten von tiefen Augenringen. Ich seufzte.
„Alles okay, meine Hübsche?“, wollte jemand wissen und ich sah wieder in den Spiegel. Ricardo stand direkt hinter mir. Ich spürte seine Wärme.
„Ich möchte duschen. Ich sehe zum Kotzen aus.“, meinte ich kleinlaut. Ich hatte immerhin einen Plan.
„Soll mir das etwas sagen?“, hakte er mit hochgezogener Augenbraue nach.
„Ich weiß nicht? Soll dir das etwas sagen?“, fragte ich verführerisch nach.
Das hatte gewirkt, denn seine Augen leuchteten wieder dunkelrot. Richtig so… Der Köder liegt aus.
„Geh raus…“, lächelte ich und stieß ihn von mir.
„Warum denn auf einmal so zurückhaltend, hm? Im Club wolltest du doch auch etwas Anderes.“, schnurrte er.
„Und woher willst du das wissen?“
„Dein Blick sagte und sagt alles.“
„Mein Blick? Ich bin doch hier nicht diejenige, die hier dunkelrote Augen hat.“, stellte ich wütend fest. Er lachte nur und verließ das Bad. Angebissen. Mein Plan zeigte schon erste Früchte. Ich hatte ihn gereizt und er hatte angebissen und das würde er auch weiterhin tun. Ungefähr so lange, wie ich es wollte. Danach würde ich mich aus dem Staub machen, Rhea suchen und von hier verschwinden!
Ich stieg unter die Dusche und genoss das angenehme Nass auf meinem Körper. Als ich fertig war, hüllte ich mich in eines der Handtücher, die über dem Waschbecken lagen.
Zwar etwas knapp, aber oho.
Jetzt fehlten mir nur noch Ersatzklamotten. Langsam ging ich aus dem Bad. Hoffentlich war Ricardo noch da.
Doch als ich ins Zimmer kam, war es leer. Komisch. Ich sah mich überall um und lauschte an der Tür. Niemand. Nichts. Stille. Ich betätigte die Türklinke. Wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn die Tür nicht verschlossen gewesen wäre. Macht nichts! Ich suchte den Raum nach Waffen oder desgleichen ab und fand einen goldenen Dolch, der mit Diamanten besetzt war. Also nicht gerade mein Geschmack, aber darüber ließ sich für gewöhnlich streiten.
Ich platzierte ihn unter dem Kopfkissen. Immerhin war ich der Überzeugung, dass Ricardo mich dahin verschleppen würde, wenn er mich so sah. Zusätzlich legte ich ein Messer, das ich durch Zufall im Bad gefunden hatte auf eine Ablage neben der Tür.
Ich ging zurück ins Bad und nahm mir ein kleineres Handtuch, um meine Haare zu trocknen. Ein Glück trug ich sie seit vier Jahren kurz. Nachdem mir ein Täter ein Büschel hüftlanger Haare ausreißen konnte, hatte ich mir geschworen nie wieder einen entkommen zu lassen aufgrund meiner Schwäche. Demnach ließ ich sie abschneiden.
Ich war noch in Gedanken vertieft, als sich starke Arme um meine Taille schlangen und mein Körper gegen eine männliche Brust gepresst wurde. Ace, schoss es mir in den Kopf, doch da ich mich nicht in ihrem Hauptquartier befand, schalt ich meine Wahrnehmung einen Idioten und wusste, dass es sich um Ricardo handeln musste.
„Anklopfen wäre manchmal schon hilfreich, um mir einen Herzinfarkt zu ersparen.“, tadelte ich ihn und versuchte mich umzudrehen. Er sah mich kurz verwirrt an und ließ mich dann etwas los. Demnach drehte ich mich um und vollführte meinen Plan.
Das Handtuch landete schneller auf dem Boden, als ich es auch nur erahnen konnte. Ricardos Hände streichelten meinen Körper. Doch statt Erregung verspürte ich Abscheu. Verdammt. Hoffentlich merkte er nichts. Doch seine Küsse, die ich auf meinem ganzem Körper spürte zeugten davon, dass es nicht der Fall war. Ich setzte mich in Bewegung und schob Ricardo in Richtung Tür zum Schlafzimmer. Als wir schließlich auf dem Bett landeten, hatte ich eines meiner Ziele erreicht. Ich leckte genüsslich… nein wohl eher gemusst über seine Bauchmuskeln. Man hatte er sich schnell seiner Klamotten entledigt. Egal. Ich kam wieder zu ihm hoch und küsste ihn einigermaßen leidenschaftlich auf den Mund. Meine Hände wanderten unterdessen zum Kopfkissen und ertasteten den Dolch. Behutsam zog ich ihn hervor. Besonders darauf bedacht ihn nicht auf meine Waffe aufmerksam zu machen, küsste ich ihn weiter und positionierte diese vorsichtig an seiner Kehle. Ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle. Ich zuckte zurück. Hatte er mich etwa enttarnt? Doch ein anschließender Kuss sagte mir, dass es nicht der Fall war.
Ich ertrug den Kuss und rammte ihm den Dolch mit einem Wutschrei in die Kehle. Immer und immer wieder rammte ich ihn in seinen Hals. Selbst, dass mich sein Blut überströmte, war mir egal. Ich würde ihn töten. Soviel stand fest. Ich rammte den Dolch in seinen Brustkorb. Er sah mir geschockt in die Augen.
Ich ignorierte den Blick, schnappte mir den Schlüssel und ein Hemd aus seinem Schrank und rannte auf den Flur. Niemand war hier. Egal. Es hätte mich auch nicht interessiert. Ich wollte Rache und ich hatte sie. Ich suchte Rhea im ganzen Unterschlupf. Sie war nicht da.
Schweren Herzens floh ich alleine aus dem Unterschlupf. Ich merkte mir den Weg und rannte so schnell ich konnte zum Unterschlupf. Ich beachtete nicht einmal die Blicke von den wenigen Passanten, die ich auf der Straße traf. Mir war egal, was sie von mir dachten. Ich wollte nur in die schützenden und aufmunternden Arme von Ace. Wenn ich Rhea verloren hatte, dann wollte ich jetzt nicht alleine sein. Ich wollte ihn. Ganz alleine ihn.
10
Endlich war die lange Einfahrt in Sicht. Ich klingelte Sturm.
Das Tor öffnete sich und ich stürmte geradezu ins Quartier.
Hier herrschte reinstes Chaos. Überall lagen Mauerstücke und die PCs waren zerstört. Als ich die besorgten Blicke von Alokay verspürte und in eine Umarmung gezogen wurde, verstand ich erst das Ausmaß vom Geschehenen.
Raven, Thor, Vasco und Alokay standen um mich herum und sahen mich fragend an. Immerhin trug ich ein Männerhemd und war von oben bis unten mit Blut durchtränkt.
„Keine Sorge das ist nicht meins!“, sagte ich knapp.
„Wo ist Ace?“
„Bei dir in der Wohnung…“, setzte Alokay an, konnte seinen Satz jedoch nicht beenden, da ich schon losrannte. Wie gut dass ich immer trainiert hatte und ziemlich um die Ecke wohnte. Also rannte ich mir die Lunge aus dem Leib. Ich wollte den Mann, der mir Trost spendete und den ich liebte.
An meiner Wohnung angelangt klingelte ich Sturm an der Klingel. Mist, sonst vergaß ich nie meinen Schlüssel. Niemand öffnete. Hatte Alokay mich verarscht? Nein, das hätte er niemals gewagt! Ich klingelte bei einer meiner Nachbarinnen und sprintete die Treppen hoch, da der Fahrstuhl mal wieder außer Betrieb war.
Ich sprintete die Stufen hoch und raste in meine Wohnung. Erst als ich eine Klinge an meiner Kehle spürte, blieb ich stehen. War ich etwa in eine Falle gerannt?
Beinah panisch sah ich mich um. Leider hatte das zur Folge, dass mir die Klinge etwas ins Fleisch schnitt. Als ich starke Arme um mich spürte und die Geborgenheit, die ich jetzt gebrauchen konnte, sprudelten die Tränen in Masse aus mir heraus. Aces beruhigende Stimme sprach auf mich ein und er streichelte mir sanft den Rücken, sodass ich mich nach einigen Minuten wieder beruhigte. Ich wischte die letzten Tränen aus meinem Gesicht und sah in Aces besorgtes und gleichzeitig wuttobendes Gesicht.
„Wie bist du entkommen?“, wollte Ace wissen. Doch ich sah mich nur schweigend um. Ich erkannte Laura, die Freundin von Rhea, Xylon, Thyron und Rhea. Rhea?
Sah ich jetzt etwa schon wieder eine Fata Morgana?
Ich sah noch mal genauer hin. Nein. Rhea stand dort.
Ich raste zu ihr und zog sie in eine Umarmung.
„Wie bist du da weg gekommen? Was haben die mit dir angestellt und warum wurde ich nicht benachrichtigt?“, verlangte ich zu wissen. Ich erdrückte sie beinahe, aber es war mir egal. Rhea war in Sicherheit.
„Wenn du etwas von mir ablässt, dann erkläre ich es dir.“, stellte sie klar.
„Laura. Es war nett dich wieder zu sehen. Machen wir morgen Party? Wir feiern einfach nach. Okay?“, hakte Rhea nach. Oh, die hatte ich ja ganz vergessen.
„Aber nur, wenn du diese Hotties hier alle mitbringst.“, meinte sie und lächelte Xylon an. Als sie endlich verschwunden war, wollte ich die Geschichte hören.
„Ace hat mich gegen irgendwelche Infos ausgetauscht.“, erklärte sie.
„WAS?“, hakte ich nach.
„Ricardo hat diese Infos bekommen und ich wurde freigelassen. Xylon hat sich seitdem um mich gekümmert.“
Ich umarmte sie erneut.
„Was hat er mir dir angestellt?“, wollte Ace auf einmal wissen und zog mich in mein Schlafzimmer. Warum war er denn so sauer und nicht erfreut mich zu sehen?
„Wie bist du entkommen?“
„Freust du dich denn gar nicht mich zu sehen?“, fragte ich stattdessen verdattert.
„Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.“
„Und wieso machst du mir dann hier Vorwürfe. Deine Art sich zu freuen, ist für mich leider etwas ungewöhnlich.“
„Ich dachte, dass ich dich verloren hätte, aber als ich deinen Geruch an Ricardo gerochen habe, wäre ich ihm beinahe an die Gurgel gegangen. Außerdem stinkst du nur zu nach ihm.“, stellte er fest und sah mich sowohl fragend als auch wütend.
„Ich bin in Ketten gelegt, entführt und eingesperrt worden. Mir ging es scheiße! Ich hab Rhea und die anderen Frauen gesehen. Es war scheußlich. Wir müssen ihnen helfen. Außerdem stinke ich nach Ricardo, weil ich ihm einen Dolch in die Kehle und in die Brust gerammt habe. Es ist sein Blut, dass an meinem Körper klebt.“, erklärte ich.
„Ja und sein Hemd!“, knurrte er und sah mich wütend an.
„Du denkt‘s, dass ich mit ihm geschlafen habe, nicht wahr?! Ich glaube bei dir piept‘s. Er war kurz verschwunden und ich hatte mir einen Plan ausgedacht. Ja, ich wollte ihn mit meinem Körper manipulieren, aber ich wollte nicht mit ihm schlafen und das habe ich auch nicht! Als er wiederkam hatte ich einen Dolch versteckt und den habe ich ihm in die Kehle gerammt. Mein einziger Gedanke war es zu dir zurück zu kommen. Ich dachte, dass ich Rhea verloren hätte. Warum hat er sie freigelassen und warum hast du den Tausch gebilligt, obwohl du von meiner Entführung wusstest?!“
„Du hast also mit ihm geschlafen?“
„Nein. Das habe ich dir gerade versucht zu erklären.“
„Aber du wolltest?!“
„Nein. Ich hätte keine andere Wahl gehabt.“, meinte ich und sah zu, wie sich Ace von mir abwandte. Na das hast du ja super hinbekommen!, stellte mein Verstand sarkastisch fest.
Ich raste ihm hinterher, doch er hatte schon meine Wohnung verlassen.
„Lass ihm Zeit… Er wird es bald verstehen.“, meinte Xylon und legte mir eine Hand auf die Schulter.
Was musste er denn noch verstehen? Ich war geflohen, weil ich ihn liebte. Ich hatte einem Mann mehrere Male einen Dolch in den Hals und anschließend in die Brust gerammt. Alles nur, weil ich Ace wiedersehen und Rhea retten wollte. Und jetzt das. Er sah mich an und ich sah Abscheu in seinem Blick. Abscheu.
Abscheu in den Augen des Mannes, den ich von ganzem Herzen liebte.
„Packst du auch deine Sachen?“, hakte Xylon nach.
Ich nickte und packte noch eine Tasche. Mit allem, was mir lieb war. Ich wusste, dass es der letzte Besuch in meiner Wohnung werden würde. Das Licht ausschaltend blickte ich das letzte Mal auf meine Wohnung zurück.
„Kommst du Farah?“, hakte Rhea nach und ich folgte allen nach unten.
Ace stand neben seinem Bike, während Rhea, Thyron und Xylon in einen schwarzen Land Rover stiegen.
Am liebsten wäre ich zu Ace aufs Bike gestiegen, doch ich wollte ihn nicht bedrängen, also stieg ich hinten in den Land Rover ein. In einem Affenzahn fuhren wir zum Hauptquartier und als wir dort ankamen, waren alle in Aufruhe.
„Wo ist das Versteck?“, wollte Alokay wissen und ich erklärte allen den Weg. Dieses Mal fuhren wir alle zusammen zum Versteck von Ricardo, doch leider waren schon alle Vögel ausgeflogen. Nicht einmal die verängstigten, halbtoten Frauen waren noch vor Ort. Lediglich einige Möbel erinnerten noch an einen Aufenthalt von Jemandem.
Als wir alle zurück im Hauptquartier waren, setzten wir uns alle an die Tafel.
„Rhea, Farah, Thyon. Ihr drei werdet erst einmal zu uns ziehen. Sheila, wie weit ist der neue Stützpunkt?“
„Also die unteren Räume sind soweit einzugsbereit. Lediglich das Haupthaus ist noch nicht ganz fertig und deiner Einsatzzentrale fehlen noch die nötigen technischen Geräte, Alokay.“, meinte Sheila.
„Gut. Al, du suchst deinen Kram zusammen und sicherst den neuen Unterschlupf schon mal. Wir kommen alle mit dem Wichtigsten Zeug einige Minuten vor Sonnenaufgang hinterher.“, befahl Ace und alle nickten.
„Kann ich dich bitte sprechen Ace?“, wollte ich wissen, doch er hatte schon den Saal verlassen.
„Eigentlich hätte er auf mich sauer sein müssen, aber als er gerochen hat, dass Ricardo nach dir roch, da hätte er ihm am liebsten die Kehle zerfetzt. Er ist eifersüchtig und zu tiefst traurig, dass er dich nicht beschützen konnte. Die Frau, die er liebt. Das ist das Schlimmste, was uns Nachtwandlern passieren kann.“, erklärte Alokay.
„Gib mir schon mal deine Tasche.“, meinte er und zwinkerte mir zu. Ich musste grinsen und gab sie ihm schließlich. Doch meine andere Tasche stand noch im Zimmer von Ace.
„Rhea wartest du hier mit B.?“
„Klar. Wohin ziehen wir denn jetzt?“
„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass wir dort in Sicherheit sein werden. Sag mal was hat dir dieser Mistkerl eigentlich alles gesagt oder gar angetan?“
Sie kam auf mich zu und nahm mich in den Arm.
„Ich weiß nicht mehr fiel. Mach dir keine Sorgen um mich.“
Ich wusste, dass sie log. Sie wusste bestimmt alles. Sie hatte schon immer eine gute Auffassungsgabe. Aber ich wollte ihre Antwort auch nicht infrage stellen.
11
Ich machte mich auf den Weg zu Aces Zimmer. Mich fragend, ob er mir öffnen würde oder nicht, klopfte ich an.
„Komm rein.“, ertönte eine Stimmer von innen.
Zaghaft betrat ich sein Zimmer.
„Meine Tasche ist noch hier und meine Zahnbürste.“, lockerte ich die Stimmung auf. Es war grauenvoll. Er würdigte mich keines Blickes. Nickte nur und verschwand dann im Badezimmer. Genug ist genug!
Ich folgte ihm und lief direkt in ihn hinein. Leider knallte ich mit meinem Hintern auf den Boden.
„Au.“, meinte ich und rieb mir den Hintern nachdem ich wieder aufgestanden war.
„Ace, was soll das?“
„Was soll was?“
„Warum ignorierst du mich? Ich versteh das nicht! Glaubst du mir etwa nicht, dass da nichts zwischen mir und Ricardo war? Er hat mich geküsst und ein bisschen gefummelt, aber dafür habe ich ihm, wie schon gesagt, mehrmals einen Dolch in den Hals gerammt und in die Brust. Wenn es dich beruhigt: Mich. haben. seine. Berührungen. abgestoßen.“
Er knurrte.
„Das ist nicht der Punkt. Mal abgesehen davon, dass ich ihn dafür umbringen werde. Er hat alles berührt, was nur ich berühren darf. DICH. Farah, ich war nicht einmal im Stande deine Familie oder DICH zu beschützen. Was bin ich für ein Mann? Ich liebe dich, aber sowas will ich nicht noch mal durchmachen und du solltest es auch nicht!“, begann er dann endlich. Hatte er sie noch alle. Sein Stolz war also verletzt worden und er bemitleidete sich, weil er mich und Rhea nicht beschützen konnte? Ich konnte doch auch Rhea nicht beschützen!
„Ace, hör auf mit dem Scheiß! Ich liebe dich und das war der einzige Punkt, warum ich meinen Plan durchgezogen habe. Ich wollte zurück zu dir. Ich hab daran gedacht, was wir noch alles haben können zusammen. Ich will Kinder und heiraten! Außerdem war ich selbst nicht in der Lage meine Familie zu beschützen. Also bist du nicht der einzige, der sich jetzt Vorwürfe machen sollte!“, meinte ich trotzig.
„Er hat dich angefasst und weißgott was mit Rhea angestellt.“
Er setzte sich auf die Bettkante und ich sah das als meine Chance mich bei ihm auf den Schoß zu setzen.
Sanft strich ich ihm über die Wange. Er sah auf. Sah mir intensiv in die Augen. Erst sah ich die weißen einfach umwerfenden Augen und dann dunkelrote. Er begehrte mich also noch?! Oder wollte er nur Blut?
„Du bist noch immer in seinem Hemd und vor allem hast du immer noch sein Blut an dir. Lass uns duschen gehen.“, befahl er und zwang mich förmlich zur Dusche. Was für ein Themawechsel. Aber irgendwie klang das lass UNS unter die Dusche gehen, sehr verlockend. Fürsorglich knöpfte Ace mir Ricardos Hemd auf und stellte mich unter das bereits temperierte Wasser. Rote Schwaden wuschen von meinem Körper und ich bemerkte, dass Ace sich ausgezogen hatte und Waschgel in den Händen verrieb. Liebevoll seifte er mich ein.
Wusch das ganze Blut von mir ab. Zu guter letzt leckte er über die kleine Schnittwunde, die er mir zugefügt hatte, um sie zu verschließen. Doch im nächsten Moment spürte ich einen Schmerz, der sich null Komma nichts in pure Lust umwandelte. Er biss mich! Oh ja!. Ich presste mich automatisch gegen seinen Körper und ehe ich mich versah, war er in mich eingedrungen. Liebte mich. Ja. Versöhnungssex ist der Hammer. Vor allem mit einem Nachtwandler!
Als es an der Tür klopfte, zog sich Ace schnell etwas über und fluchte ein Mal kurz. Oh, waren wir etwa spät dran?
„Zieh dir was an!“, befahl er steif.
„Wir müssen los.“
Ich nickte und nahm mir etwas aus der Tasche. Umgezogen und endlich wieder sauber, gingen Ace und ich nach oben.
Nur noch Xylon und Rhea standen oben. Alle anderen schienen schon aufgebrochen zu sein.
„Gehen wir!“, verkündete Xylon und kurze Zeit später waren wir auch schon auf dem Weg. Zu Fuß. Ace hatte mich auf den Arm genommen und Xylon hatte sich Rhea geschnappt, die es sichtlich genoss von einem solch durchtrainierten Mann durch die Gegend geschleppt zu werden. Als ich das Anwesen, das noch zum Teil einer Baustelle glich erblickte, fielen mir die Augen aus dem Kopf. Es war alles größer, weitläufiger und noch schöner als das alte Hauptquartier.
Wir begaben uns direkt in den Keller. Dort schienen dann wohl alle zu wohnen. Wir betraten die unteren Räume und es war bereits alles möbliert. Wie hatten die es geschafft die gesamten Möbel hier her zu transportieren? Oh man. Ich betrat zusammen mit Ace den neuen Besprechungssaal. Alle saßen an einem noch größeren runden Tisch und sahen uns neugierig an.
„Willkommen im neuen Heim!“, lächelte Sheila.
„In einem halben Monat wird alles fertig sein, das verspreche ich.“, fügte sie bei und wurde von Thor liebevoll geküsst.
„Ich führe Rhea etwas herum. Immerhin muss sie sich hier ja auskennen!“, meinte Xylon und zog Rhea mit sich.
„Ricardo hat also überlebt.“, stellte Sly knurrend fest.
„Aber ich hab ihm doch den Dolch einige Male in den Hals gerammt und anschließend in die Brust!“
„Hast du sein Herz getroffen?“, wollte Sly wissen. Ich schüttelte mit dem Kopf. Immerhin war ich mir nicht hundertprozentig sicher und zu Staub zerfallen war er auch nicht. MIST! Aber ich würde meine Rache bekommen.
„Wir werden ihn uns schnappen, mein Liebling!“, meinte Ace und küsste mich. Alle noch Anwesenden starrten uns an.
Als wir die Wohnung von Ace und mir betraten, staunte ich nicht schlecht. Seine Couch und sein Fernseher waren im Wohnzimmer und es gab eine kleine Küche. Sie war liebevoll eingerichtet.
„Das sollte eigentlich unser Kleiderschrank werden, aber Cava meinte, dass du ja auch etwas essen müsstest.“, erklärte Ace. „Also willst du hier mit mir zusammen wohnen?“, ahkte ich nach und lächelte ihn an.
„Es sieht ganz danach aus.“
Ich ging von Tür zu Tür. Im Schlafzimmer standen sein Bett und mein Kleiderschrank aus meiner Wohnung. Alles war detailvoll eingerichtet worden und es hingen einige Bilder an den grünlichen Wänden.
„Gefällt‘s dir?“
„Verarscht du mich? Ich liebe es. Grün ist zufälligerweise meine Lieblingsfarbe.“
„Ich weiß. Meine ist sie auch.“, stellte Ace klar.
Das Bad war ähnlich in grüntöten eingerichtet. Sonnenblumen standen im ganzen Raum. Wundervoll.
„Deine Lieblingsblumen. Ich weiß. Rhea war so freundlich!“, meinte er und lächelte mich verschmitzt an.
Wir gingen noch einen Raum weiter. Er war leer.
„Was wird das, wenn‘s fertig ist?“, wollte ich wissen.
„Mein Trainingsraum!“, meinte er, jedoch wenig überzeugend,
Vielleicht würde es ja auch mein Töpferzimmer werden… Ja, ja als ob ich jemals töpfern würde, aber egal!
Nach der kurzen Führung gingen wir wieder in den neuen Besprechungssaal und fanden hier immer noch alle anderen zusammensitzend.
„UND?“, wollten Sheila und Cava wissen.
„Hey lasst sie doch erst einmal ankommen!“, warf Raven ein.
„Es ist einfach umwerfend!“, meinte ich und lächelte Cava und Sheila dankend an. Sie hatten sich wirklich selbst übertroffen.
„Ich hab sie gefunden!“, schrie Alokay freudig.
Wen oder was hatte er gefunden?
„Die erste Trägerin der Waffe. Ihr Name ist Jonah Luca Killigan.“, verkündete er und alle fielen in eine Erleichterung.
„Wir werden uns die Tage darum kümmern. Hat Ricardo dieselben Infos?“, wollte Ace wissen.
„Nicht alle. Er hat nur die, die nicht digital waren. Demnach wird er wohl noch etwas benötigen um sie zu finden!“, stellte Alokay trocken fest.
„Gut. Das verschafft uns einen Vorteil. Sly, du hast das Kommando. Findet sie. Morgen Abend geht es los!“, befahl Ace und Sly nickte zustimmend.
Texte: Tja, ich wiederhole mich eigentlich nur ungern...
Tag der Veröffentlichung: 14.04.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch meinem Strullihündchen Apollo!
"Hondje, Kriebel aan het kontje"