Prolog
Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Immer wieder sah ich mich um. Irgendwer oder irgendwas verfolgte mich, da war ich mir sicher. Blicke, die mich verfolgten. Ich würde gleich anfangen zu sprinten, wenn ich noch schneller ging. Ein Block noch. Das war zu schaffen. Ich sah mich noch einmal um, denn das flaue Gefühl in meinem Magen hatte sich verstärkt.
Ein Block, rief ich mir ins Gedächtnis. Dann wäre ich zu Hause, würde meine Tür verriegeln und erst einmal tief durchatmen. Vor allem aber würde ich meine kleine Tochter Midnight in den Arm nehmen.
Ich wurde je in meinen Gedanken unterbrochen, als ich gegen jemanden lief.
„T’schuldigung.“, brachte ich hervor, obwohl es definitiv nicht meine Schuld gewesen war.
„So eilig, hübsche Frau?“
Ich sah auf und erkannte einen riesigen Kerl, der nun weißgott nicht freundlich aussah.
Ich wich zurück. Nein, das konnte doch nicht wahr sein. Meine Wohnungstür war doch schon in Sichtweite. Warum jetzt?
Ich wollte einfach an dem Kerl vorbeigehen, doch er hielt mich am Arm fest. Cava, du bist echt schlau!, stellte mein Verstand fest und redete mir ein, dass ich endlich mal anfangen sollte mich zu wehren und zu schreien.
Das tat ich dann auch. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib und trat auf den Kerl ein.
Der Versuch brachte nur ein tiefes Lachen seinerseits mit sich und, dass ich ins Gesicht geschlagen wurde.
„Genauso mag ich es.“, hauchte der Kerl mir ins Ohr. Er mochte es also, wenn ich mich wehrte und er mich betrafen konnte?
Ich verstrifte mich und wurde in eine kleine Nebengasse geschleppt. War das etwa mein Ende? Würde er sich nur vergnügen? –Wenigstens hat ER dich nicht gefunden, stellte mein Verstand fest.
Ja, Drake würde mir nie wieder etwas tun können. Niemals wieder. Aber was würde mit Midnight geschehen? Oh nein Midnight!
Ich wehrte mich wieder. Ich musste überleben. Um meiner Tochter Willen. Außerdem wollte ich mit meinen sechsundzwanzig Jahren noch nicht sterben.
Er lachte wieder und ich wurde an eine Steinmauer gedrückt.
„Dein Geist ist stark. Du wärst eine Bereicherung in unseren Reihen.“, stellte der Typ fest. Was? Wie Bereicherung? Ich bin Mutter du Arsch!, fluchte ich innerlich, doch ich hatte den Kampf aufgegeben. Ich sah ihn an und erschrak. So etwas hatte ich zuvor noch niemals gesehen. Klapse ich komme. Ich zwinkerte, in der Hoffnung, dass meine Augen mich verarschen wollten. Zu meinem Glück am heutigen Tag, war das leider nicht der Fall. Das Nächste, das ich mitbekam, war ein Schmerz. Ein Schmerz an meinem Hals. Was zur Hölle? Ich wollte den Kerl von mir stoßen, doch es misslang mir. Er war einfach zu stark.
In meinem Kopf schwirrten noch die Bilder des eben gesehenen herum. Ich kombinierte. Dunkelrote Augen, das ist nicht normal!- Check.
Lange Eckzähne, die normale Menschen ebenfalls nicht haben sollten.- Check.
Körperkraft, die unmenschlich ist. – Check.
Ich schrie innerlich auf.
Vampir. Das war ein Wesen, von dem ich niemals geglaubt hatte, dass es existierte. Nicht einmal in meinen dunkelsten Träumen. Nein, in denen tauchte immer nur mein Ex-Mann Drake auf. Die Leute fuhren alle total auf Vampirstories und – filme ab, aber ich, ich hatte das für den totalen Schwachsinn abgestempelt und vermieden mir so einen Quatsch anzuschauen.
Aber jetzt? Ich hatte quasi den lebenden Beweis dafür, dass es Vampire und alles, was damit zu tun hatte, tatsächlich gab.
Schluckgeräusche, waren das Letzte, was ich hörte und dann wurde mir schwarz vor Augen.
Das konnte es doch aber noch nicht gewesen sein oder? Ich war Beute. Die Beute eines Vampirs. Midnight!...
1
Ich kam wieder zu mir und musste mit Entsetzen feststellen, dass ich in einem kleinen engen Ding lag und mir meine Glieder schmerzten. In einem kleinen, engen Ding? Oh, nein. Ich hyperventilierte, dachte ich zumindest. Leider atmete ich gar nicht, wie mir auffiel. Ich atmete nicht?
Ach du meine Güte. Ich war also demnach tot. War ich etwa in der Hölle? Ich meine da war es doch schwarz oder? Aber eng?
Wie ich schwarz hasste. Meine Sicht wurde etwas genauer und ich sah, dass ich in eine Art Plane eingehüllt worden war. Gut, dass ich statt Vampirfilme zu gucken immer CSI geschaut hatte. Ich lag in einem Leichensack.
Jetzt hätte ich hyperventilieren sollen, tat es aber nicht. Ich suchte nach einem Reißverschluss oder ähnlichem. Meine Finger fanden etwas und öffneten den Sack, sodass ich mich endlich aufsetzen konnte.
Ich sah mich im dunklen Raum um und stellte fest, dass ich in der Gerichtsmedizin war und auf einem Serviertisch lag. Mein Blick schweifte weiter durch den Raum und ich entdeckte einige aufgeschnittene Leichen und noch mehr Leichensäcke. Ich sah an mir herunter. Hatten die etwa an mir auch schon herum geschnippelt?
Nein, aber ich war nackt. Nackter als nackt.
Toll. Alles noch mal zusammen gefasst:
1. Ich war von einem Vampir gebissen und anscheinend verwandelt worden. Sonst wäre ich ja tatsächlich tot.
2. Ich lag in der Gerichtsmedizin in einem Sack und das alles nackt.
Eine gewisse Hysterie packte mich. Gestern noch hätte ich den Leuten, die an sowas glauben einen Vogel gezeigt und die Leute in weißen Kitteln gerufen, damit ich sicher vor solchen Idioten war. Aber jetzt?
Gut. Ich musste mit der Situation eben ganz professionell umgehen. Aber erst einmal sollte ich diesen Ort verlassen. Genau. Aber nackt? Ich sah mich noch einmal um und entdeckte zum Glück einen Arztkittel. Also schwang ich meine Beine vom Tisch und stand auf. Hm, sollte es sich nicht irgendwie anders anfühlen? Fühlte sich ziemlich normal an.
Ich ging ein paar Schritte. Nö, alles normal.
Am Haken angekommen, nahm ich mir den Kittel und hätte dabei beinahe die Garderobe aus der Wand gerissen. Ich schmunzelte, zog den Kittel an und vollführte einen Tanz. Immerhin war ich superstark.
Meine Ohren vernahmen Schritte. Schritte, die auf mich zukamen. Also versteckte ich mich hinter der Massiven Eisentür. Ich hörte, wie der Schlüssel herumgedreht wurde. Eine kleine Frau betrat den Raum und schaltete das Licht ein. Sie ging zum Serviertisch, auf dem ich gelegen hatte und schrie auf.
Dann zog sie ein Telefon aus der Tasche und wählte eine Nummer.
„Sagen Sie dem Sicherheitsdienst bescheid. Eine Leiche ist verschwunden… Woher soll ich denn das wissen? Nein, ich habe vorhin zugeschlossen!“, sprach sie ins Telefon.
Nachdem sie aufgelegt hatte, nahm ich den Geruch wahr. Sie roch köstlich! Ehe ich mich versah, stand ich hinter ihr und starrte ihren Hals an. Dort unter ihrer Haut pochte es. Ohne zu überlegen schlug ich meine Zähne in ihren Hals. Huch, wo kamen die denn auf einmal her? Egal. Es war einfach nur köstlich.
Ich vernahm Schluckgeräusche. Es waren meine. Meine? Auch du Schreck! Erst in diesem Moment schnallte ich, dass es meine Wenigkeit war, die von ihr trank. Die Frau hatte keinen Mucks von sich gegeben. Ich zog meine Zähne aus ihrem Hals, legte sie auf den Boden und drückte den Notrufknopf neben der Tür.
So schnell ich konnte lief ich raus und fand mich in einem Gang wieder. Ich hatte die Qual der Wahl. Links oder rechts. Ich roch einmal kräftig. Eindeutig links. Also rannte ich nach links. Huch, war ich schnell.
Ehe ich mich versehen hatte war ich an einem Notausgang und hatte ihn geöffnet. Ein Alarm ging los. Doch die würden mich nie wieder kriegen.
Ich raste in die Freiheit. Midnight ich komme. Mummy ist gleich da.
Vor der Eingangstür blieb ich stehen. Mist, da hatte ich doch glatt vergessen in der Gerichtsmedizin nach meinem Hab und Gut zu schauen.
Folglich klingelte ich bei Familie Worth. Hoffentlich war Midnight nichts passiert.
Es summte und ich kam vor unsere Wohnungstür. 181.
Ich klopfte.
„Wer ist da?, fragte eine männliche Stimme.
Eine männliche Stimme?
Tucker, beruhigte ich mich. Mein Mädchen für alles. Lieber Nachbar und Babysitter.
„Ich bin es.“, entgegnete ich und die Tür öffnete sich.
„Wo zur Hölle bist du gewesen? Ich hab zwei Tage auf Midnight aufgepasst. Warum hast du dich denn nicht gemeldet? Scheiße, Cava. Hättest du dich nicht melden können? Und was trägst du da?“, tadelte mich Tucker und zog eine Augenbraue hoch.
„T’schuldige. Nichts.“
Er machte die Zarge frei und ich trat ein.
„Mummy!“, schrie Midnight euphorisch und ich bückte mich, damit ich sie umarmen konnte.
„Wo warst du Mummy?“, fragte sie nach.
„Entschuldige mein Liebling. Ich hatte einen wichtigen Termin, den ich vergessen hatte.“, entschuldigte ich mich. Ich log zwar ungern, aber was sollte ich ihr erzählen? Schätzchen, pass mal auf: Ich wurde von einem Vampir gebissen und bin dann in der Gerichtsmedizin wider aufgewacht. Ach so und ich bin ein Vampir. Hallo, komm her ich will dich beißen? Nein Danke.
„Danke Tucker. Das war echt lieb von dir bei meiner Kleinen zu bleiben. Warte hier.“, bedankte ich mich und ging in die Küche. Hier bewahrte ich eine Menge an Bargeld auf. Wie viel bekam er noch mal die Stunde? Ich holte zweihundert Dollar heraus und gab sie ihm, zurück im Wohnzimmer.
„Danke. Aber…“, setzte er an.
„Lass stecken. Immerhin hatte ich vergessen es dir zu sagen.“
„Okay. Wir sehen uns. Bye.“, entgegnete er und verließ meine Wohnung. Gut so.
Ich musste jetzt erst einmal verschnaufen, ging ins Schlafzimmer und zog mich um. Einige Zeit stand ich einfach nur da und sah Midnight zu, wie sie Fern sah.
„Was habt ihr beide denn tolles gemacht, als ich nicht da war?“, fragte ich nach, denn mal wieder schaute Midnight Spongebob Schwammkopf. Zu meinem Leidwesen. Hoffentlich war das bald die letzte Episode und vor allem die letzte Staffel! Ich meine, diese penetrante Stimme, diese bescheuerten Handlungen und die noch dämlichere Vorstellung, dass ein Unterwasserlebewesen zum Baden an eine Lagune fährt. Das verdammte Ding lebt doch schon im Wasser. Gott was für ein Mist!
„Schaltest du mal um auf die Nachrichten, bitte. Ich würde gerne wissen, was so alles passiert ist.“
Ohne zu murren, schaltete Midnight um.
2
„Guten Abend meine Damen und Herren. Heute Nacht wurden wieder drei Leichen gefunden. Meine Kollegin Ina Black ist vor Ort.“
Es wurde nach außen geschaltet.
„Hallo. Die Leichen wurden zusammen in dieser Nebengasse gefunden. Mr. Blair, Sie haben die Leichen entdeckt. Haben Sie irgendetwas gesehen?“, fragte die Reporterin einen dicklichen Mann.
„Ja. Ich habe sie gefunden. Ein Glück war niemand mehr hier. Sonst würde ich vielleicht auch dort liegen. Ich hab echt Angst noch auf die Straße zu gehen. Ich meine das sind die nächsten Opfer. Die Polizei solle den Täter endlich mal schnappen…“, regte sich der Mann auf und fuchtelte dabei mit seinen dicken Ärmchen in der Luft herum.
„Sie haben es gehört meine Damen und Herren. Das ist jetzt schon der vierte Fund von mehreren Leichen. Wann wird das aufhören? Niemand weiß das, aber wir hoffen, dass die Polizei schnell macht. So viel vom Tatort. Zurück ins Studio.“
„Danke Ina Black.“
„Es wurde heute in der Gerichtsmedizin eingebrochen, dabei wurde eine Pathologin angegriffen und eine Leiche wird seid her vermisst. Da fragen sich die Leute: Ist das denn ein Wunder? Die Polizei ist anscheinend vollkommen überfordert mit der ganzen Situation. Sollten Sie irgendwelche näheren Infos haben, dann melden Sie sich unter dieser Nummer.“
Oh, die hatten aber schnell Wind bekommen. Hoffentlich wussten die nicht, wer ich war. Wobei, die mussten noch meinen Ausweis haben.
„Mist!“, fluchte ich.
„Was ist denn Mummy?“, fragte Midnight nach.
„Äh… kann ich dich einige Minuten alleine lassen? Ich hab noch was im Büro vergessen.“, log ich.
„Okay.“, stimmte Midnight zu und ich machte mich erneut auf den Weg zur Polizeiwache. Wo lagerten die denn eigentlich Klamotten und Co? Vielleicht lag es ja noch in der Gerichtsmedizin unten. Da wäre jetzt aber die Hölle los. Egal.
Anscheinend nahm mich niemand wahr, denn Null-Komma-Nichts war ich unten angelangt und stand vor einem netten Officer, der die Leichenhalle bewachte.
Als er mich sah, begann er fast zu sabbern.
„Kann ich Ihnen helfen Miss?“, fragte er.
„Klar. Ich müsste da noch was rausholen. Geht auch ganz schnell.“, erklärte ich.
Ohne nachzufragen, schloss er auf und ließ mich passieren. Das ging ja wirklich zu leicht. Doch irgendwas stimmte hier nicht. Es roch eindeutig nach Vampir. Naja, das könnte auch an dir liegen, spottete mein Verstand und ich musste kurz lachen. Ich sah eine Box, in der meine Kleidung lag. Gut. Ich wühlte alles durch und fand meine Handtasche. Als ich jedoch in sie schaute, war außer meinem Pfefferspray nichts mehr darin. Zur Sicherheit schaute ich gleich zwei Mal nach. Nichts. Wütend hing ich sie mir um und nahm meine Sachen in die Hand. Immerhin konnte ich die immer noch anziehen, vorausgesetzt, dass ich die scheußlichen Blutflecken noch herausbekommen würde. Ich drehte mich um und lief direkt in den netten Officer.
„Entschuldigung.“, brachte ich hervor und stand von ihm auf.
„Kein Problem, hübsche Lady. Ich mag das.“, schwärmte er. Er mochte es? Auf dem Boden liegen und von einer Frau… Oh. Nicht gut.
„Vergiss es!“, schnauzte ich, doch er hielt mich am Arm fest.
„Komm schon. Mach‘s mir!“, verlangte er.
„Also ganz im Ernst! Nein. Vergiss einfach, dass ich je hier war und dann kannst du es dir selber machen!“, meinte ich, riss mich los und rannte wieder los. Immer noch bemerkte mich niemand auf dem Dezernat. Ich blieb in einer kleinen Ecke stehen. Warum war das noch alles da, aber meine Ausweise, Portemonnaie und Türschlüssel nicht mehr?
Eine Lampe leuchtete mir auf. Die suchten mich schon längst. Oh Gott! Die wussten wo ich wohnte. Midnight!
Ich rannte den ganzen Weg wieder zur Wohnung, schloss mit dem Ersatzschlüssel, den ich mir geschnappt hatte, bevor ich losgelaufen war, auf und raste zur Wohnungstür. Die war zu, doch ich spürte, dass irgendwer außer Midnight in der Wohnung war. Ich roch. Männlich, check. Ebenfalls Vampir, check. Mein Hirn ratterte. Was sollte ich tun? Die hatten es anscheinend auch noch auf meine kleine Tochter abgesehen. Ich wühlte in meiner Handtasche herum. Das Pfefferspray. Vielleicht konnte es helfen.
Ich schloss leise die Tür auf, aber ich wusste, dass er mich längst bemerkt haben musste.
Ein Blick ins Wohnzimmer und ich tickte beinah aus. Ein größerer Mann mit langen schwarzen Haaren und grauen Augen hatte Midnight auf dem Arm. Es gab kein Halten mehr und ich stieß die Tür vollkommen auf.
„Du verdammter Bastard!“, schrie ich.
„Gib mir meine Tochter!“
Komischerweise setze er sie ab und sah mich komisch an.
„Mummy, du bist wieder da!“, freute sich Midnight und kam auf mich zu. Ich schob sie schützend hinter mich. Ich merkte, dass meine Zähne sich verlängerten. Vielleicht wegen des Kampfes, der gleich folgen würde.
Wütend feuerte ich eine Ladung Pfefferspray auf ihn ab.
Das musste gesessen haben, denn er rieb sich die Augen, rümpfte die Nase und zog seinen schwarzen Pullover zu Recht.
„Pfefferspray?“, lachte er.
„Wie originell.“
Er kam auf mich zu.
„Halt! Oder ich…“, schieße? Spritze? Sprühe? Was genau tat das Ding eigentlich?
„Oder Sie was? Wollen mich zum Niesen bringen?“
„Nein… ich mache Sie blind!“
Er sah mich komisch an.
„Du hast anscheinend keine Ahnung was effektiv wäre um Nachtwandler zu schwächen und was nicht. Hm…“
„Schatz, halte dir die Augen zu!“, schrie ich und raste auf den Kerl zu. Doch er wich in einer faszinierenden Geschwindigkeit aus. Wie konnte er so schnell sein?
„Also wirklich! Angegriffen werden von einer Frau, ist nicht das, was auf meiner Tagesordnung steht.“, fluchte er wohl mehr zu sich selbst, als zu mir.
Er passte für eine Sekunde nicht auf und ich rammte ihm meine Fänge in den Hals. Ich trank einen Schluck, obwohl ich nur vorgehabt hatte ihm die Kehle zu zerreißen. Gott, das schmeckte besser als Alkohol und jedes Essen auf der Welt. Wie im Rausch nahm ich sein Blut. Ungefähr so lange, bis er mich von sich stieß. Ich riss ihm ein Stück Haut heraus und er hielt sich die blutende Wunde.
„Zur Hölle! Lass das gefälligst!“, schrie er. Ich roch das Blut. Und menschliches Blut. Midnight. Ich sah zu ihr, doch sie starrte mich nur mit weitaufgerissenen Augen an. Oh, nein.
„Midnight!“, stammelte ich und fuhr meine Zähne wieder ein.
„Du solltest dir doch die Augen zuhalten!“, schrie ich aufgebracht und ging langsam auf sie zu. Als sie schließlich ängstlich vor mir zurückwich, brach es mir das Herz.
„Schatz!“, bat ich.
„Was bist du? Wo ist meine Mummy?“, fragte sie mich stattdessen und sah mich immer noch ängstlich an. Selbst wenn nicht, hätte ich diesen bitteren Beigeschmack überall herausgerochen.
Wütend drehte ich mich um.
„Das ist alles Ihre Schuld!“, schrie ich den Kerl an.
„Was?“, fragte er nach.
„Sie haben mich doch angefallen und gebissen!“, protestierte er.
„Na und? Sie haben meine Tochter bedroht!“, schrie ich wieder. War das denn so schwer zu verstehen? Meine eigene Tochter hatte jetzt Angst vor mir.
„Habe ich nicht!“
„Als ob…“, setzte ich an, doch wurde von Midnight unterbrochen.
„Raven!“, rief sie und lief schniefend auf den Kerl zu.
Das war jetzt aber nicht ihr Ernst oder? Er nahm sie auf den Arm und meine Wut war sofort wieder da.
„Hat sie dir weh getan?“, fragte Midnight besorgt nach.
„Nur eine kleine Fleischwunde. Das ist gleich wieder weg.“, antwortete er und zwinkerte ihr zu, sodass sie zu kichern begann.
Vor Schock gelähmt starrte ich die Beiden an.
„Wenn Sie mich noch mal anfallen sollten, dann…“, begann er.
„Töten Sie Midnight?“, warf ich ein.
„Nein. Wieso sollte ich sowas tun. Ich mag sie…“
Er mochte sie? Hä? Ich verstand nur noch Bahnhof.
„…dann töte ich Sie!“, beendete er den Satz.
„Oh, ach so … WAAAAS?“, rief ich empört.
In diesem Moment klingelte es. Ein Mensch. Dem Geruch nach zu urteilen, stand Tucker vor der Tür.
„Willst du nicht aufmachen?“, fragte er nach.
„Sehe ich etwa so aus? Wenn ich wiederkomme, dann bist du mit meiner Tochter weg! Ich bin doch nicht bescheuert.“, antwortete ich und zeigte ihm den Vogel.
„Wenn ich Midnight hätte entführen wollen, dann wären wir längst über alle Berge.“
Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Es klingelte erneut.
Ich drehte mich um und wollte gerade zur Tür gehen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Verwundert drehte ich mich um.
„Darf ich?“, fragte der Kerl und wischte mir mit einem Lappen durchs Gesicht. Upps. Hatte wohl noch sein Blut dort kleben.
„Wir wollen deinen Freund ja nicht verjagen!“
„Danke.“, bedanke ich mich etwa gerade? Egal. Also ging ich zur Tür und öffnete diese einen Spalt.
„Hey, alles okay bei euch beiden?“, fragte Tucker nach.
„Ja. Wieso?“
„Es war etwas laut und du hast geschrien. Alles okay?“
„Klar Tucker.“, lächelte ich und wollte die Tür schließen.
„Verarsch mich nicht. Ich meine, du bist einen Tag verschwunden und jetzt. Was ist los?“
Er zwängte sich an mir vorbei und stand in meinem Flur.
„Tucker, das passt im Moment nicht so gut.“, meinte ich.
„Warum nicht? Sag nicht, dass Drake euch gefunden hat?“
„Nein, wie kommst du darauf?“
„Keine Ahnung, du warst verschollen. Ich hab mir tierische Sorgen um dich gemacht.“
„Aber ich bin ja jetzt wieder da.“
Er umarmte mich.
„Ja. Und ich bin froh darüber.“, meinte er und küsste mich.
Och nö. Warum wollten immer alle Kerle was von mir?
Immerhin trug ich Größe 42, hatte rote Haare und war gerade mal eins siebzig. Ein tiefes Knurren erklang hinter Tucker. Huch, warum knurrte der denn jetzt?
Vor Schreck drehte Tucker sich um und starrte den Kerl an.
„Ist das?“, fragte er nach.
„Nein ist er nicht, Tucker. Ich habe doch schon gesagt, dass es mir im Moment nicht so gut passt.“, stellte ich erneut klar.
„Wer ist das?“, hakte er nach.
„Tucker ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
„Doch, denn ich mag dich Cava. Wir haben uns geküsst.“, versuchte er erneut. Ich sah den Kerl an und wenn ich es nicht besser wusste, dann sah er Tucker hasserfüllt an. Beinah so, als würde er ihm den Kopf abreißen wollen, doch vielleicht hatte ich mich auch geirrt, denn im nächsten Moment lächelte er und kam immer noch mit Midnight auf dem Arm auf uns zu.
„Wenn ich mich vorstellen dürfte. Ich bin Raven Knight, Cavas Freund.“
Was? Ich sah ihn wütend an, doch das schien er gar nicht zu beachten. Unterdessen lief Tucker rot an, sah von Midnight zu Raven und von Raven zu mir.
„Entschuldigt die Störung.“, meinte er und dampfte wieder ab. Die Tür knallte und es herrschte wieder Stimmung, wie auf einem Friedhof.
„Mummy?“, fragte mich Midnight. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie jemals wieder mit mir sprechen würde.
„Ja, mein kleiner Schatz?“
„Raven hat mir eben gesagt, dass du ein Nachtwandler bist, wie er und dass das gar nicht so schlimm ist, wie ich gesehen habe.“, meinte sie.
Ich sah Raven fragend an. Warum hatte er es ihr erklärt? Warum hatte sie ihm geglaubt? Warum?
Ich brach in Tränen aus. Sie hatte mich angesehen, als hätte ich sie fressen wollen, dabei wollte ich sie doch nur beschützen.
3
„Nicht weinen Mummy!“, bat mich Midnight und ich spürte ihre kleinen Arme um mich.
„Du musst doch fröhlich sein!“, verkündete sie mir und ließ mich wieder los.
Ich schniefte und heulte, wie das Zeug hielt.
„Midnight, es tut mir wirklich leid, dass du… Du musst keine Angst vor mir haben. Ich lieb dich doch!“, stellte ich klar. Stille. Niemand sagte etwas. Das brachte mich noch mehr zum Heulen. Sie hatte also immer noch Angst vor mir. Gute Voraussetzungen.
Ich spürte starke Arme um mich herum, die mich mit einer gewissen Geborgenheit auffingen. Ich schmiegte mich an eine muskulöse Brust und heulte noch etwas. Nach einiger Zeit hatte ich mich beruhigt und ließ Raven langsam los. Na toll, ich hatte einen mir fremden und Mann geborgen umarmt und ihn auch noch vollgeheult. Naja, wir hatten ja eh keinen Bilderbuch Start.
Ich sah ihn an und wischte mir die letzten Tränen weg.
„Besser?“, fragte er nach und lächelte mich an. Gott, dieses Lächeln sollte verboten werden. Ich nickte.
„Entschuldige.“
„Schon okay.“, konterte er.
„Nein, nichts ist okay! Ich werde von etwas gebissen, dass es nicht geben sollte, wache in der Pathologie in einem Leichensack auf, beiße eine Pathologin, treffe einen Vampir bei meiner Tochter zu Hause, reiß ihm fast die Kehle raus und vor allem jage ich jetzt der einzigen Person auf der Welt, die mir wichtig ist, Angst ein. Das ist nicht okay! Das ist SCHEIßE!“, schrie ich hysterisch.
„Naja, wenn ich an meine Wandlung zurück denke, dann hast du es eigentlich ziemlich gelassen genommen. Du wolltest nur deine Tochter beschützen!“
Ich beruhigte mich ein wenig.
„Wann wurdest du zum Blutsauger?“, hakte ich nach.
„Nachtwandler. Wir werden nicht gerne als Blutsauger oder Vampire bezeichnet… Ich wurde vor etwa zweihundertzehn Jahren verwandelt.“
„Was ist dir denn damals passiert?“
„Ich rede nicht gern drüber, aber es war schlimmer, als deine Story‘, meinte er und sah mich bedauernd an, doch lächelte gleichdarauf wieder.
„Midnight wird nicht lange so sein. Es vergeht. Sie wird nicht ewig Angst vor die haben. Glaub mir. Immerhin hat sie vor mir auch keine Angst.“, munterte er mich auf.
„Warum wolltest du mich nicht töten? Ich meine der Kerl der mich gebissen hat, meinte, dass er mich holen wollte oder gebrauchen oder so.“
„Ja, Riccardo und seine Bloodhunter können jeden starken Nachtwandler auf seiner Seite gebrauchen. Es wundert mich nicht, dass sein Handlanger dich ausgesucht hat, obwohl du eine Frau bist.“
„Was sind denn Bloodhunter? Und was soll das heißen?“
„Bloodhunter sind die Bösen unserer Art. Der Fädenzieher ist Riccardo einer der ältesten Nachtwandler, die es gibt. Alle die sich ihm anschließen, machen so ziemlich, was sie wollen. Sie töten Menschen, weil es ihnen Spaß macht, sie lassen die Leichen liegen und terrorisieren uns Krieger. Wir sind die einzigen, die Menschen verteidigen. Ansonsten wären wir vor langer Zeit schon ausgestorben, wie die Dinos. Normalerweise, nimmt Riccardo nur Männer auf, weil sie schneller stark werden. Aber du… Du bist dafür, dass du erst seit einem Tag einer von uns bist, schon verdammt viel. Zähne ein-und ausfahren, Gefühle manipulieren. Das konnte ich alles erst nach ein paar Jahrzehnten vollständig.“
Ich hing ihm an den Lippen. Was musste er denn auch so schöne volle haben? Naja und das, was er sagte interessierte mich auch.
„Du hast keinen Guide?!“, hakte er nach.
„Einen Führer? Nein.“
„Es gibt ein paar Gesetze an die du dich halten musst, wenn du nicht gejagt werden willst.“, zwinkerte er mir zu.
„Welche?“
„Du darfst keine Menschen töten. Niemals. Immer nur etwas Nahrung nehmen und die Wunden wieder versiegeln. Anfangs ist es etwas schwer, aber dann geht es eigentlich ganz leicht.“
Ich nickte.
„Verwandle niemals einen Menschen in einen Nachtwandler, wenn es nicht von einem der ältesten abgesegnet wurde, ansonsten wist du bestraft.“
„Womit werde ich bestraft?“
„Tod.“, antwortete er knapp.
„Ach so gehe niemals in die Sonne. Ein paar Minuten und du lebst nicht mehr.“, zwinkerte er.
„Ansonsten gibt es nur Tipps, die ich dir geben könnte.“
„Tipps, die du mir geben könntest?“, hakte ich nach.
„Ja. Dafür müsstest du mein Vertrauen gewinnen, zu uns ziehen und dann würdest du trainiert werden, vorausgesetzt Ace erlaubt es.“, grübelte er.
„Und wie bekomme ich dein Vertrauen?“
„Du wärst also interessiert?“
Leuchteten seine Augen etwa? Ich musste mich geirrt haben.
„Wie?“ fragte ich.
„Hmm…“, überlegte er.
„Als erstes: Geh mit mir aus, dann sehen wir weiter.“
Ich funkelte ihn wütend an. Hatte er sie noch alle?
„Eine bescheuerte Anmache fällt dir etwa nicht ein?“
Er lachte. Lachte er mich etwa aus? Dieser… dieser…
„Ich verzichte.“, zischte ich und drehte mich um, um zu Midnight ins Wohnzimmer zu gehen.
Er hielt mich am Handgelenk fest. Warum mussten mich heute alle betatschen?
„Ich komme morgen Abend wieder, wenn du willst. Hier ist meine Nummer, wenn was sein sollte oder du schon ein paar Fragen haben solltest. Ach so Cava, das war keine billige Anmache. Ich würde wirklich gerne mit dir ausgehen, aber naja, man kann nicht alles haben. Einen schönen Abend noch. Midnight dir auch.“, sagte Raven und ließ meinen Arm wieder los. Midnight stürmte aus dem Wohnzimmer und umarmte Raven.
„Geh noch nicht.“, meinte sie.
„Ich muss. Mein Job ruft. Aber morgen Abend bin ich wieder da, wenn deine Mummy es möchte.“
„Nicht der Hundeblick!“, schrie ich entsetzt, als mich sowohl Raven, als auch Midnight mich so anschauten. Von ihr war ich das ja gewöhnt, aber von einem Typen?
Raven lachte, gab Midnight einen Kuss auf die Stirn und ging. Ich konnte nur die Tür anstarren und die kleine Visitenkarte mit seiner Nummer drauf.
„Midnight. Es ist spät und du solltest ins Bett gehen!“
„Okay.“
„Ich ruf ihn nachher noch an, dass er morgen wiederkommen soll.“, versprach ich.
„Versprochen?“
„JA, versprochen. Mach dich bettfertig.“
Sie raste ins Bad und machte sich in der Tat bettfertig.
Ich kam hinterher in unser Schlafzimmer. Für gewöhnlich lasen wir abends noch zusammen eine Geschichte.
„Geschichte?“, fragte ich nach. Doch Midnight schüttelte nur den Kopf und deckte sich zu.
„Gute Nacht mein Schatz!“
Stille. Ich seufzte, knipste das Licht aus, schloss die Tür und ging ins Wohnzimmer zum Telefon.
Ich wählte die Nummer von Raven.
„Knight.“
„Hey Raven…“, setzte ich an.
„Cava.“, freute er sich.
„Ist irgendwas passiert?“
„Nein. Hier ist alles okay. Ich möchte gerne, dass du morgen Abend wirklich vorbei kommst.“
„Ist gut. Also gehen wir doch aus?“, wollte er mit einem freudigen Lachen wissen.
Sollte ich ihn anlügen? Doch lieber die Wahrheit?
„Ja.“, entgegnete ich.
„Ist sonst noch…*Raven, jetzt komm schon sei nicht so faul, Xylon ist auch dabei*…Moment, Sheila. Also ist sonst noch was?“
Ich hörte im Hintergrund eine Frauenstimme. Er hatte also eine Freundin… Mist! Wobei, was ging es mich eigentlich an? Genau gar nichts.
„N-nein. Entschuldige nochmal die Störung. Bye“, meinte ich.
„Du störst doch nicht. Bye.“
Ich störte nicht? War ja auch nur deine Freundin im Hintergrund. Als ob. Wenn er eine Freundin hatte, warum wollte er dann mit mir ausgehen. Vielleicht war es aber ja auch nur seine Schwester oder so.
4
Der Tag hätte nicht besser starten können. Wirklich nicht. Das monotone Klingeln des Weckers und meine unbequeme Übernachtung auf dem Sofa hatten meine Stimmung nicht gerade sonderlich gehoben.
Ich sah mich um. Jalousie in der Küche geschlossen, Check.
Im Wohnzimmer, Check. Selbst im Bad waren sie verschlossen. Immerhin hatte ich einen Bock drauf gegrillt zu werden. Ich klopfte an meiner und Midnights Schlafzimmertür.
„Aufstehen. Midnight du musst aufstehen. Die Schule ruft.“
Ich vernahm, dass sie aufgestanden war und ging in die Küche, um ihr was zu essen zu machen.
Gemütlich schlurfte Midnight an mir vorbei und setzte sich an den Tisch.
„Schön geschlafen?...Guten Appetit.“
„Danke.“, entgegnete sie knapp und schaufelte das Müsli in sich hinein. Ich sah ihr dabei zu, so lange bis ich anfing ihren Herzschlag zu hören. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Hatte ich etwa Hunger? Mist!
„Gehst du heute alleine zur Schule?“
„Nein, Mary holt mich ab. Das haben wir gestern so vereinbart.“
„Gut.“
Sie ging ins Bad, während ich ihre Schüssel in die Spülmaschine stellte.
„Viel Spaß in der Schule Süße.“, meinte ich und wollte ihr einen Kuss geben, doch sie wich zurück.
„Bye.“, entgegnete sie stattdessen, öffnete die Tür und ging raus. Jetzt war ich also alleine. Vielleicht sollte ich mir einen anderen Tagesrhythmus anlegen. Immerhin war es draußen hell. Wie ein Tiger in seinem Käfig, schlenderte ich den ganzen Tag durch die Wohnung. Ich putzte sogar mal freiwillig ganz gründlich und nicht so wischi-waschi, wie sonst immer. Dennoch war es gerade mal halb zwei.
Midnight würde gleich kommen. Also fing ich an die Reste aus meinem Kühlschrank zu kochen. Ich roch sie schon, als sie die Haupttür aufschloss.
„Wie war dein Tag?“, fragte ich nach.
„Okay.“, entgegnete sie knapp. Was genug war, war genug.
„Was soll das Midnight? Ich habe mich doch schon entschuldigt. Ich wollte dir keine Angst einjagen!“
„Ich bin nicht alleine deswegen sauer auf dich.“, trotzte sie.
„Warum dann?“
„Weil du Raven angefallen hast.“
„Bitte was? Du bist sauer, weil ich einen fremden Mann, der in meiner Wohnung stand und dich auf dem Arm hatte, gebissen habe? Verstehe ich das richtig?“
Sie nickte.
„Ich hatte Angst, dass er dasselbe mit dir anstellen würde, wie derjenige, der mir das angetan hatte. Ich wollte dich doch nur beschützen Midnight.“
„Aber ich wollte dir erklären, wer Raven ist.“
„Wie lange war er eigentlich schon da?“
„Raven ist eine halbe Minute nach dir hier aufgetaucht. Er hat mit deinem Schlüssel aufgeschlossen und sich mit mir unterhalten.“
„Du hast nicht die Polizei gerufen, weil ein wildfremder Mann in die Wohnung gekommen ist?“
„Nein. Er hat sich vorgestellt und ich fand ihn nett. Er hat mit mir gespielt, bis du wieder da warst. Ich mag ihm Mummy.“
Das sollte mal einer verstehen. Da redet man seinem Kind ein, dass es ja keine fremden Leute in die Wohnung lassen soll und wenn die Polizei zu rufen und was macht Midnight? Sie findet ihn nett. Was wäre, wenn er sie getötet hätte oder verwandelt? Was wenn er sie vergewaltigt hätte? Ich hätte mir das niemals verziehen!
Niemals!
„Midnight! Du bist sechs Jahre alt. Tu nicht immer so erwachsen! Ich… ich wollte dich doch nur beschützen… Das…. Ich…“, schniefte ich und begann im Anbetracht der Situation zu weinen. Tränen kullerten über meine Wangen.
„Mum. Hör auf zu weinen. Ich… Raven… Wir… Mum. Hör bitte auf. Ich bin dir auch gar nicht mehr böse!“, flehte Midnight und ich nahm sie sanft in den Arm.
„Du hast wirklich keine Angst vor mir? Ich meine, ich bin jetzt ein Va… Nachtwandler. Ich ernähre mich von menschlichem Blut.“
„Wieso sollte ich? Du bist doch meine Mum!“
Ich lachte auf. Ja, ich war ihre Mummy.
„Hast du Hausaufgaben auf?“
„Nein, ich schon alles in der Schule geschafft.“
„Gut. Sehen wir fern?“
„Klar. Ich will Spongebob!“, rief sie freudig.
„Äh läuft auch etwas Anderes?“
„Ja. Pokemon.“
Naja besser als gar nichts.
So saßen wir also hier und schauten eine Serie nach der anderen. Als ich auf die Uhr sah, stellte ich fest, dass es gleich dunkel werden würde.
Vorsichtig ging ich in Richtung Jalousie, stellte mich rechts daneben und hob sie an. Es dämmerte bereits.
Ich vernahm, dass jemand die Tür aufschloss und hereinkam.
Schneller, als das Auge meinte, stand ich im Flur und hatte die Zähne gebleckt.
„Ganz ruhig, Braune. Ich bin‘s nur.“
Ich funkelte Raven an. Warum war er schon hier? Immerhin dämmerte es erst. Fragend sah ich ihn an. Er hatte keinerlei Verbrennungen oder sonstwas. Nein, er sah eher elegant aus in seinem Anzug und den zusammengebundenen Haaren. Er lächelte wissend. Upps etwas zu viel gestarrt.
„Du hast gar keine Verbrennungen!“, stellte ich fest und hoffte, dass er den Köder schluckte.
„Nein. Ich bin darin geübt schon raus zu gehen, wenn es dämmert. Ach so, bevor ich es vergesse… Ich möchte dir jemanden vorstellen. Cava das ist Sheila, Sheila das ist Cava. Sheila wird während wir essen sind auf Midnight aufpassen.“
„Hey, freut mich. Sie wird was? Ich geh nicht mit dir aus!“
„Du hast gesagt, dass du es tun würdest. Außerdem willst du was über mich erfahren nicht wahr und der Tisch ist auch schon reserviert!“
„Aber… du bist doch grade erst da. Midnight würde schade finden…“, setzte ich an.
„Raven!“, schrie sie und umarmte ihn.
„Wer ist das?“
„Midnight, das ist Sheila.“, stellte er sie vor.
„Sie wird auf dich aufpassen, wenn deine Mum und ich essen gehen, wenn‘s okay ist.“
„Schade, ich dachte du bleibst noch etwas.“, meinte sie geknickt.
„Es ist jetzt erst halb sechs und den Tisch habe ich um acht reserviert, also bin ich noch so lange hier und nehme mir Zeit für dich.“
Ich verdrehte die Augen und Midnight hüpfte auf und ab vor Freude. Sie zog Raven mit ins Schlafzimmer. Wir teilten uns eines und naja ihre Spielsachen waren alle darin.
„Sie ist echt nett.“, meinte Sheila zu mir.
„Ja, das ist sie.“
„Seit wann genau bist du eine Nachtwandlerin?“, fragte Sheila interessiert nach.
„Komm dich mit ins Wohnzimmer, da ist ne Couch und wir können besser mit einander reden.“
Wir setzten uns auf meine Couch und schalteten den Fernseher aus.
„Bist du eine Freundin von Raven?“
„Ja. Ich bin mit einem seiner Freunde zusammen. Er ist ebenfalls ein Nachtwandler. Thor ist großartig.“
„Wohnst du bei ihnen?“
„Ja. Ausnahmsweise. Normalerweise dürfen keine Menschen bei ihnen wohnen, aber ich konnte mich der Gedankenkontrolle entziehen und naja, jetzt lebe ich mit ihnen in einem Haus. Aber wir ziehen eh bald um.“
Ich nickte.
„Was machst du beruflich?“, fragte Sheila mich.
„Ich hab in einem Club gearbeitet, leider wurde er geschlossen. Er ist pleite gegangen. Und du? Was machst du beruflich?“
„Ich führe ein Bauunternehmen. Ist aber keine große Sache.“
Wenn du meinst, dachte ich mir.
„Wie alt bist du denn?“, hakte ich nach.
„Fünfundzwanzig und du?
„Sechsundzwanzig.“
„Und Befragung abgeschlossen? Lässt du mich jetzt bei deiner Tochter?“, fragte sie spitzbübisch nach.
„Ich überleg‘s mir.“
Raven und Midnight kamen ins Zimmer.
„Was gibt’s denn da noch zu überlegen?“, fragte er mich.
Ich zuckte die Achseln. Vielleicht der Aspekt, dass ich nicht mit dir ausgehen will, weil ich die heiß finde?!, dachte ich mir beiläufig.
5
Irgendwie hatte ich mich dann doch noch entschlossen mit Raven essen zu gehen und mich umgezogen.
Ich legte noch etwas Make-up auf und fertig. Ich verließ das Bad und kam zurück ins Wohnzimmer.
„Nimmst du mich so mit?“, fragte ich.
Er drehte sich um und ich hatte das Gefühl, dass er mich anstarrte. Sah ich etwa scheiße aus?
„Äh… So nehme ich dich gerne mit.“, meinte er, lächelte mich an und kam auf mich zu. Ich wurde rot.
„Bis später Midnight! Bye Sheila.“, verabschiedete ich mich.
Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Wie konnte ein Mann nur solch weiche Haut haben? Er öffnete die Beifahrertür eines schwarzen Mercedes und fuhr wenig später in Richtung Stadtzentrum.
„Alles okay?“, fragte er mich, weil ich mich etwas unwohl fühlte. Mein letztes Date, falls das hier eins war, lag fast zwei Jahre zurück. Ich war gerade mit Midnight vor Drake geflohen.
„Alles gut ja.“, log ich.
„Bist du nervös?“, hakte er nach. Warum konnte er es nicht einfach dabei belassen? Warum musste er herumstochern. Ich hasse sowas.
„Ein wenig.“, gab ich zu.
„Warum?“
„Warum willst du das wissen?“, stellte ich die Gegenfrage.
„Weil ich möchte, dass du dich wohl fühlst.“
„Okay… Ich bin sehr nervös. Mein letztes Date liegt fast zwei Jahre zurück. Zufrieden?“, hakte ich nach und sah ihn an.
„Ein Date also?!“
Hatte er das gerade gesagt oder gefragt? Mist!
„Wir sind da.“
Ich sah mich um. Wir waren in einer der angesagtesten Gegenden. Hier gab es nur teure Restaurants und Clubs.
Er half mir aus dem Wagen, gab dem Parkservice seine Schlüssel und ging mit mir rein.
Ein Portier führte uns zu unserem Tisch, ganz ohne, dass wir ihm sagen mussten, dass wir reserviert hatten. Demnach musste er öfter hier sein.
„Warum gehen wir eigentlich essen, wenn wir doch gar nichts essen?“
„Weil es hier den besten Rotwein gibt, den du je getrunken hast.“, zwinkerte er mir zu.
„Wir können trinken?“
„Klar. Aber feste Nahrung können wir nicht aufnehmen. Unser Organismus ist nicht in der Lage das zu verdauen!“
„Seit wann sind du und Midnight schon hier?“
„Seit etwa zwei Jahren.“
„Warum bist du eigentlich in solch eine Gegend gezogen?“
Ich errötete. Immerhin konnte ich mir momentan nichts anderes leisten. Er verstand mein Schweigen.
„Was nimmst du?“, fragte Raven mich nach einiger Zeit.
„Um ehrlich zu sein, verstehe ich nicht ein Wort von der Karte.“
Er erklärte mir jedes Gericht, selbst als der Kellner kam, machte er weiter. Ich tippte auf das Gericht, das ich wollte und er wunderte sich.
„Was?“, hakte ich nach.
„Hättest du das auch bestellt, wenn du..“, flüsterte er und ich nickte.
„Ich steh einfach auf Steak! Oder stand zumindest! Wieso?“
„Weil andere Frauen, mit denen ich aus war, sich immer nur einen Salat bestellt haben, um auf ihre Figur zu achten.“, stellte er trocken fest.
„Sieh mich doch an. Ich bin dick. Aber ich hab schon immer das gegessen, das mir schmeckte! Scheiß auf Kohlehydrate oder Kalorien zählen!“
„Du bist doch nicht dick! Du bist feminin geformt. Ich mag das! Außerdem mag ich Frauen, die wissen was sie wollen.“
Ich lächelte ihn verlegen an. Okay, er mochte meine Statur, aber entschlossen war ich eigentlich nur in eine Richtung. Ich wollte nie wieder einen Mann, der mich dominierte. Nie wieder. Das hatte ich einmal hinter mir. Ich lenkte das Thema auf Nachtwandler. Immerhin brauchte ich Infos und Hilfe.
„Wie oft müssen wir essen?“, fragte ich leise nach. Er rutschte zu mir heran und positionierte seine Lippen nah an meinem Ohr.
„Das ist verschieden. Manche kommen mit Menschenblut nur einen halben Tag aus. Andere kommen damit ein bis maximal zwei Tage aus. Trinkt man jedoch Nachtwandlerblut, dann hält man es bis zu einer halben Woche ohne Nahrung aus. Also dürfte es bei dir noch ein paar Tage dauern, bis du wieder hungrig wirst.“
„Gut.“, meinte ich.
„Es tut mir leid, dass ich dir beinah die Kehle aufgerissen hab.“, gestand ich und schaute beschämt nach unten.
Er hob mein Kinn an, sodass ich ihn ansehen musste.
„Es war meine eigene Schuld. Hätte ich dich nicht weggestoßen, hättest du mir das Stück nicht herausgerissen. Außerdem heilt alles innerhalb von kürzester Zeit wieder ab.“
Wie konnte er die Schuld auf sich nehmen? Immerhin hatte ich ihn angefallen und Gefallen an seinem Blut gefunden.
„Warum schmeckt Nachtwandlerblut besser als Menschenblut?“, hakte ich nach. Er zog eine Augenbraue nach oben.
„Mein Blut hat dir besser als Menschenblut geschmeckt?“, hakte er nach.
„Um ehrlich zu sein ja. Ich war voll im Rauschzustand!“
„Oh.“
„OH?“, fragte ich nach. Das klang ja vielversprechend.
„Das erkläre ich dir später. Sonst noch irgendwelche Fragen?“
„Ich möchte immer noch gerne wissen, wie du verwandelt wurdest und warum!“
Die Bedienung brachte uns eine Flasche Wein und goss etwas davon in zwei Gläser.
„Prost.“, meinte ich, während Raven mich komisch ansah.
Ich verspürte einen kleinen Schmerz im Kopf. Da war jemand drin.
Raven?, hakte ich in Gedanken nach. Geh aus meinem Kopf!
Die Kopfschmerzen ließen nach und ich sah ihn fragend an.
„Tut mir leid. Ace hat befohlen einen kurzen Blick zu riskieren, bevor du gelernt hast, wie man sich abschirmt. Ich wollte nur auf Nummer Sicher gehen, damit du mich nicht hereinlegst. Tut mir Leid.“
Ich starrte ihn fassungslos an. Er war grade in meinem Kopf gewesen. Wie zur Hölle?
„Wie hast du das gemacht? Kann ich sowas cooles auch?“
„Nein. Ich habe Dunkle Magie studiert und bin einer der Besten auf meinem Fach. Du willst wissen, wie du dich schützen kannst? Ich helfe dir.“
Er murmelte einige Worte.
„Fertig… Sag mal, kann ich dich was fragen, ohne das du mir den Kopf abreißt?“
Ich nippte am Wein. Jetzt wurde mir nur wieder zu bewusst, warum ich keinen trockenen Rotwein mochte. Er schmeckte unheimlich nach Korken. Ich verzog mein Gesicht.
„Magst du ihn nicht?“
„War das deine persönliche Frage?“
„Nein, die kommt noch, aber dein Gesicht sprach grade Bände. Willst du was anderes trinken?“
„Nein, schon gut. Also?“
„Ich hab gesehen, dass du vor deinem Mann geflohen bist. Drake richtig? Warum bist du vor ihm mit Midnight geflohen?“
Mir klappte die Kinnlade beinah auf den Boden.
Ich schüttelte meinen Kopf vor Fassungslosigkeit. Wie konnte er so dreist gewesen sein und in meinen Erinnerungen zu stochern?
„Entschuldige, das geht mich nichts an.“
„Genau!“, pflichtete ich ihm bei. Hatte unser Date eben noch eine liebevolle und verdammt aufgeladene Stimmung, so war diese jetzt dem Gefrierpunkt nahe. Unser Essen kam. Was für ein Timing. Ich sah zu, wie er etwas Essen verschwinden ließ und tat es ihm gleich. Wozu hatte ich denn sonst eine Handtasche dabei? Das Prozedere erinnerte mich an Mr. Bean. Er saß auch in einem Restaurant, hatte keinen Schimmer, dass er ein Tatar bestellt hatte und hat es unter und in verschiedensten Dingen versteckt. Automatisch musste ich grinsen.
„Was ist so komisch?“
„Ich musste gerade an Mr. Bran denken. Der hat dasselbe gemacht mit seinem Essen.“
Raven sah mich komisch an. Okay anscheinend kannte er Mr. Bean nicht. Ich schüttelte nur den Kopf.
„Ist nicht so wichtig!“
„Wieso warst du eigentlich bei mir? Ich meine woher wusstest du, dass ich mich gewandelt hatte und in der Pathologie lag?“
Zufall konnte man das ja bestimmt nicht nennen.
„Ich habe den Bloodhunter, der dich verwandelt hat verfolgt und getötet. Als ich zurück an die Stelle kam, wo du lagst, war bereits die Polizei da und hatte dich weggebracht. Also war ich hinterhergefahren und hatte mir deine Ausweise und Portemonnaie und deinen Haustürschlüssel geholt. Leider wurde es schon hell und ich musste zurück ins Quartier.“
„Apropos Schlüssel, Ausweise und Portemonnaie. Wo hast du das alles?“
Er lächelte mich süffisant an.
„Hier dein Portemonnaie und deine Ausweise.“
„Und mein Haustürschlüssel?“
„Den will und werde ich behalten!“
Na also. Dieser Mann musste einen Haken haben. Dominant. Ich will dies, tu das. Du hast kein Mitspracherecht. Fing ja gut an. Ich verschränkte meine Arme und funkelte ihn wütend an.
„Ich hasse arrogante und dominante Arschlöcher!“, zickte ich und sah ihn noch böser an.
„Ich bin doch nicht arrogant und dominant bin ich auch nur selten. Es sei denn es geht um die Sicherheit oder Regeln… Jetzt verstehe ich auch, warum du vor deinem Mann geflohen bist…“
Ich wurde nicht nur wütend, sondern fuchsteufelswild.
Wie konnte er es wagen einfach zu tun, als wüsste er, was ich durchgemacht hatte?
„Halt deinen Mund!“, schrie ich und lockte mehrere irritierte und böse Blicke auf mich. Aber das war jetzt nebensächlich.
6
„Machst du mir schon an unserem ersten Date eine Szene?“, fragte Raven belustigt nach. Das brachte das Fass zum überlaufen. Ich stand auf und ging ohne ein Wort in Richtung Ausgang. Dort händigte man mir meine Jacke aus und ich ging nach draußen um mir ein Taxi zu rufen.
Ich fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und versuchte kläglich meine Tränen zurück zu halten. Ich verlor den Kampf. Tränen liefen in Strömen über meine Wangen. Was musste er mich auch so verletzen. Ich hatte angefangen ihn zu mögen. Vielleicht hatte ich mich auch schon in ihn verliebt. Aber warum das?
Ich spürte einen Arm auf meiner Schulter und schubste sie unsanft weg. Wie konnte ein Mann, den ich gerade mal einen Tag kannte mich schon so schnell verletzen? Wieso kannte er etwas, das ich sonst immer verschwiegen hatte?
Ich ignorierte, dass Raven hinter mir stand und freute mich, als ein Taxi extra für mich anhielt. Ich wollte gerade einsteigen, als ich zurückgezogen wurde.
Wütend drehte ich mich um.
„Was soll das? Willst du mich noch mehr verletzen? Bis jetzt hat das noch kein Mann vorher so schnell geschafft, wie du. Nicht einmal Drake!“, schimpfte ich und wischte hastig meine Tränen weg. Er sollte es nicht sehen. Weder meinen Schmerz noch meine Tränen. Statt etwas zu erwidern, legten sich seine Lippen auf meine. Sanft küsste er mich und zog mich dichter an seinen Körper heran. Mein Gehirn setzte aus. Damit hatte nun weißgott nicht gerechnet. Wollte ich mich eben noch gegen ihn und seine Umarmung wehren, schlang ich nun meine Arme um seinen Hals und streckte mich ihm entgegen. Erst das Hupen des Taxis, brachte mich in die Realität zurück.
Ich schubste Raven ein kleines Stückchen weg. Aber nur ein kleines.
„Was soll das? Willst du mich ab jetzt immer mit Küssen ruhigstellen?“, fragte ich ernst nach.
„Wieso sollte ich dich ruhigstellen wollen? Ich höre dir gerne beim Reden zu. Außerdem will ich dich kennenlernen und dazu gehört auch deine Vergangenheit, Cava.“
„Du erzählst mir deine doch auch nicht. Außerdem kennen wir uns doch quasi gar nicht. Ich meine…“
Er küsste mich nochmal. Jedoch nur kurz. Dann sah er mich intensiv an. Seine Augen leuchteten dunkelrot.
Ich wich zurück. Dunkelrot waren auch die Augen des Bloodhunters gewesen.
„D-deine Augen!“
„Was ist damit?“
„Hast du Hunger Raven?“
„Weißt du unsere Augen werden nicht nur dunkelrot, wenn wir Hunger haben. Sie werden auch rot, wenn wir befriedigt oder erregt sind.“
„Also hast du keinen Hunger!“, schlussfolgerte ich.
„Genau so wenig, wie du!“, konterte er.
Also blieben nur noch zwei Möglichkeiten offen. Entweder
Befriedigt, was rein technisch nicht möglich war oder aber Erregt!?
Er küsste mich erneut, nahm mich auf den Arm und ging los. Ehe ich mich versah, raste er in übermenschlicher Geschwindigkeit los und ich fand mich in einem weichen Bett wieder.
„Was wird das?“, hakte ich nach. Immerhin hatten wir uns grade erst bei unserem ersten Date gestritten. Wollte er etwa mit mir in die Kiste? Er nahm meine Handgelenke und hielt sie über meinem Kopf mit einer Hand zusammen. Klar, war er oben. Dominanz.
Ich befreite meine Hände nur schwer, doch schubste ihn mit aller Kraft von mir. Leider fiel er vom Bett und landete unsanft auf dem Boden. Er sah mich komisch an. Verletzt? Ich stand ebenfalls auf.
„Raven.“, setzte ich an. Erst jetzt kam mir wieder in den Sinn, dass er meinte, dass meine Augen auch dunkelrot waren.
„Ich mag keine dominanten Männer!“, witzelte ich und versuchte die Stimmung zu retten. Ich stand auf und ging zu ihm. Er saß immer noch auf dem Boden. Ich schlang meine Arme von hinten um ihn und küsste ihn leicht auf die Wange.
„Als ich gewandelt wurde, da…“, setzte er an.
„Ich war damals dreißig, hatte meine Frau und meinen Sohn verloren. Beinah jeden Tag verbrachte ich entweder im Freudenhaus oder in einer Bar. Als ich eines Nachts unterwegs nach Hause war, wurde ich überfallen. Man nahm mir mein Geld ab und der Kerl verletzte mich tödlich. Riccardo, der Anführer der Bloodhunter fand mich sterbend in einer Seitengasse und machte mich auf meinen Wunsch hin zu einem von ihnen. Danach habe ich ihn nie wider gesehen… Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte, was ich durfte und was nicht. Also machte ich alles, worauf ich Lust hatte. Ich mordete, wie mir der Kopf stand. Viele haben durch mich ihr Leben verloren. Ich verstand endlich, was es hieß ein Nachtwandler zu sein und dass ich keine Menschen leertrinken muss, um gesättigt zu sein. Also hörte ich nach sieben Jahren der Unwissenheit mit dem Morden auf. Doch dann traf ich eine Frau, die meiner verstorbenen sehr ähnelte und schlief mit ihr. Sie starrte mich an, als sie sah, was ich war. Ich hatte aus dem Bauch heraus beschlossen sie zu wandeln. Wusste nicht wo mir der Kopf stand. Also versuchte ich es, saugte sie bis auf ein paar Tropfen leer, flößte ihr mein Blut in die Vene und tötete sie anschließend. Am nächsten Abend erwachte sie. Ich hatte wirklich Glück. Normalerweise ist es sehr schwer Nachtwandler zu erschaffen. Das Problem war, dass sie nicht auf mich hören wollte und sie wie ihr der Kopf stand Leute umbrachte. Zu dieser Zeit kamen viele der Krieger gerade nach Amerika und wollten für Ruhe sorgen. Ihr Geheimnis bewahren. Wie auch immer. Ich habe sie erschaffen und tötete sie einige Wochen später wieder. Ace hatte mir zugesehen, wie ich sie erledigt hatte und bat mir an ihnen beizutreten. Seitdem bin ich einer von ihnen. Sie sind meine Familie. Es war eine schreckliche Zeit. Grauenhaft um genau zu sein.“, endete Raven und hatte während er geredet hatte nicht ein Mal den Blickkontakt zu mir gebrochen.
„Warum hast du mir das erzählt?“, hakte ich nach. Immerhin hatte ich ihm meine Story nicht erzählt.
„Weil es ein Teil von mir ist. Du sollst dir gleich ein Bild von mir machen. Kein halbes. Ich möchte dir mein ganzes Bild geben.“
„Warum?“, hakte ich nach.
„Weil… Du hast mich vorhin doch gesagt, dass mein Blut dir vorzüglich geschmeckt hat, wie eine Droge… Das passiert nur selten bei Nachtwandlern. Ich will dich nicht bedrängen oder gar belügen, also komm ich gerade heraus. Wir sind Soulmates. Für einander geschaffen. Die Legende besagt, dass es nur wenigen gestattet und vergönnt ist einen Soulmate zu finden.“
„Das heißt also das Schicksal hat uns zusammen gebracht?“, fragte ich nach und zog ungläubig eine Augenbraue nach oben.
„So kann man es auch sagen, wenn man will. Die Gefühle sind intensiver als alles andere. Deshalb kommt es mir auch so vor, dass ich dich ewig kenne und liebe.“
Ich starrte ihn ungläubig an.
„Das ist jetzt aber kein dummer Spruch, mit den du mich ins Bett locken willst oder?“
„Im Bett waren wir doch eben auch schon, bis du mich von dir geschmissen hast.“
Ich umarmte ihn, küsste ihn und übernahm die Oberhand. Seine Augen wurden wieder dunkelrot und als ich in einen Spiegel neben mir sah, stellte ich mit Entsetzten als auch Freude fest, dass ich ebenfalls dunkelrote Augen hatte.
Soulmates also…
Kerzenlicht flackerte auf und ich löste mich kurz von unsrem Kuss.
„Wie?“, fragte ich, wurde jedoch gleich wieder zum Schweigen gebracht.
Meine Hände fanden die Knöpfe seines Sakkos und öffneten sie von alleine. Es war beinah so, als wäre ich mein eigener Zuschauer bei einem persönlichen Porno. Fast so als wäre das nicht ich. Aber es hatte etwas. Ich streifte ihm das Sakko von seinen Schultern und riss sein Hemd einfach auf. Das würde eine Menge Zeit sparen und brachte ein kehliges Knurren von Raven.
„Mach das noch mal!“, bat ich und er knurrte. Gänsehaut überströmte meinen Körper. Mein Kleid folge seinem Sakko und Hemd. Sein Blick hätte mir eigentlich Angst einjagen sollen. Hungrig starrte er mich an.
Ich öffnete seinen Gürtel und seinen Hosenknopf, während er versuchte sich die Schuhe und die Socken auszuziehen.
Ein Riss und meine neue Strumpfhose war von meinem Körper. Danach folgte mein BH und mein Höschen folge auch schnell. Ich zog seine Hose auf und staunte. Nicht schlecht, Herr Specht!
Ich schob ihn zum Bett und warf mich förmlich auf ihn.
Übersäte ihn mit Küssen, betrachtete ihn. Er sah mich an.
„Gefällt dir, was du siehst?“
Ich nickte und leckte ihm zur Bestätigung über seine Bauchmuskeln. Wieso wollte ein Mann, der so aussah mich? Eine dicke, rothaarige Frau? Meine Minderwertigkeitskomplexe setzten ein, doch ich verdrängte sie und nahm ihn in mich auf.
Ich ritt ihn und brachte uns beide an den Rande des Wahnsinns. Er ließ mir die Oberhand, ganz Gentleman like. Doch dann knurrte er einmal laut und ehe ich mich versah, hatte er seine Zähe in meine Brust gebohrt. Vor Schmerz schrie ich auf, doch im nächsten Moment überschüttete mich ein Wonnegefühl.
Viel zu schnell löste sich Raven von meiner Brust und wir waren dem Höhepunkt gefährlich nahe. Meine Zähne fuhren sich ebenfalls aus. Nicht, weil ich hungrig nach Blut war. Nein, ich wollte ihn. Ihm meine Zuneigung zeigen.
Ich biss ihn in die Kehle. Exakt die Stelle, an der ich gestern ein Stück Fleisch herausgebissen hatte. Vorsichtig zog ich meine Zähne aus seinem Fleisch, küsste ihn und erlebte die Nachbeben meines Orgasmus.
Raven strich mir einige klebrige Strähnen aus dem Gesicht und sah mich an.
„Wow.“, brachte er hervor. Ihm fehlten die Worte genauso wie mir.
Wir lagen noch eine Weile einfach so ineinander verschlungen da. Meine Augen wanderten zu einem Wecker, der auf einem Nachttisch stand. Es war drei Uhr nachts.
„Mist!“, fluchte ich, suchte meine Klamotten zusammen und zog sie hastig an.
„Was ist los?“, wollte Raven wissen und sah mir zu wie ich mich anzog.
„Midnight.“
„Ist in guten Händen!“
Ich machte Anstalten zu gehen, doch Raven hielt mich zurück.
„Warte ich mach mich auch eben fertig.“, bat er und nur zwei Sekunden später stand er in Lederhose, Boots und einem schwarzen Pulli vor mir und lächelte mich an.
„Hier lang.“, bat er und wir rasten in Windeseile zum Ausgang. Zumindest dachte ich, dass er mich zum Ausgang brachte. Stattdessen standen wir in einem Besprechungszimmer. Ein Mann saß hinter einer Unmenge von Computerbildschirmen und blickte verwirrt auf. Zwei andere saßen an einem runden Tisch und starrten uns an.
„Ace, Sly, Alokay… Das ist Cava Worth, meine Freundin. Ich werde sie und ihre Tochter Midnight hier her holen, damit ich ihr einige Dinge beibringen kann und beschützen!“, stellte er fest und ich musterte ihn. Dachte er ernsthaft, dass ich hier her zog? Wie lange kannte ich ihn noch gleich. Nicht aufregen, befahl mein Verstand.
„Ist das so?“, fragte ein Mann, der mir Angst einjagte. Er war an die zwei Meter groß, hatte platinblondes Haar und beinah weiße Augen. Er strahlte die Autorität in Person aus. Der andere Mann stand ebenfalls auf. Oh Gott, der war ja noch größer als der blonde. Und durch seine Narben im Gesicht wirkte er gleich noch angsteinflößender. Seine schwarzen leblosen Augen musterten mich. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter.
„Willkommen Cava. Ich bin Alokay Vittec.“, stellte sich der Computerfreak vor.
Der Mann mit den pechschwarzen Haaren und den Narben im Gesicht knurrte, würdigte mich keines Blickes mehr und verließ einfach den Raum. Was war dem denn über die Leber gelaufen?
„Freut mich Cava. Ich bin der Kriegerführer Ace MacAuley. Willkommen in unserem Haus.“
Er klang freundlich und sah mich auch dementsprechend an. Gut.
„Wie lange bist du schon eine Nachtwandlerin?“
„Seit gestern?!“, antwortete ich. Ace musterte mich mit seinen weißen Augen und nickte schließlich.
„Ich erlaube es, Raven. Stimme zu. Cava, du darfst bleiben, wenn du möchtest!“
„Und was ist mit Midnight?“, hakte ich nach.
„Midnight? Wer oder was ist Midnight?“
„Meine Tochter.“
Er zog seine Stirn in Falten. Ihm schien es nicht zu passen, dass ich eine Tochter hatte.
„Wie alt ist sie?“
„Sechs.“
„Weiß sie, was wir sind und was wir tun?“
„Ja.“, antwortete dieses Mal Raven.
„Gut. Ich gestatte es auch ihr, vorausgesetzt ich kann ihre Gedanken nicht manipulieren.“
„Sie ist ein gewöhnlicher Mensch…“, setzte Raven an.
„Genau deshalb. Willst du ihr die Freiheit nehmen nur, weil sie weiß wo unser Quartier ist?“
Raven schüttelte seinen Kopf.
Die Freiheit nehmen? Was sollte das denn? Meiner Tochter die Freiheit nehmen? Niemals würde ich sowas zulassen.
7
Wir liefen zum Parkplatz des Restaurants und Raven steckte den Schlüssel, den er sich als er gegangen war, geholt hatte, ins Zündschloss.
Wir fuhren bis zu meiner Wohnung in Schweigen.
„Ich hoffe, dass sie den Test übersteht. Ich würde euch gern beide bei mir haben.“
„Moment, Raven. Was soll das eigentlich heißen, mit der Freiheit nehmen? Außerdem kenne ich dich erst einen Tag lang. Wir hatten ein verkorktes Date. Wieso sollte ich zu dir ziehen wollen? Versteh mich nicht falsch, ich fühle mich zu dir hingezogen, aber… Das geht alles zu schnell. Viel zu schnell. Ich hab sowas ähnliches schon hinter mir und möchte sowas ähnliches nicht noch mal erleben.“
„Cava, weißt du eigentlich, warum ich dich am ersten Abend nicht gleich von meiner Halsschlagader gestoßen habe?... Ich hab mich auf den ersten Blick in dich verliebt. Midnight ist ein tolles Kind… Ich liebe dich.“
Ich starrte ihn gebannt an. Wie konnte er nach einem Tag wissen, dass er mich liebte. Ich war einfach nur verwirrt. Er brachte mich sowohl zum Lachen, als auch zum Heulen. Er verletzte mich einerseits und war andererseits ganz zärtlich. Drake war ähnlich gewesen zu Beginn unserer Beziehung, doch dann… Ich würde nie wieder etwas überstürzen. Nie wieder.
Seine Lippen legten sich sanft auf meine. Nur kurz, aber diese Geste zeigte mir, dass er es ernst meinte.
„Wir sollten reingehen. Sheila will bestimmt nach Hause.“, lenkte ich ab und durchbrach eine unangenehme Stille.
Ich öffnete die Beifahrertür uns stieg aus. Kurze Zeit später stand auch Raven auf dem Bürgersteig. Zusammen gingen wir in die Wohnung. Leise schlichen wir in die Stube und fanden eine schlafende Sheila vor. Vorsichtig bahnte ich mir den Weg zu meinem Schlafzimmer. Midnight würde bestimmt in unserem Bett liegen und tief und fest schlafen.
Mich traf ein heftiger Schlag, als sich Midnight nicht im Bett befand. Wo war sie? Ich suchte die ganze Wohnung ab, doch nirgends konnte ich sie finden. Mein Blick wanderte zu Raven, der Sheila anstarrte und sein Handy zuckte.
„Ace, wir haben ein Problem. Die Bloodhunter haben Midnight und Sheila braucht jetzt Thor. Schick ihn sofort hier her und sag den anderen, dass sie sich bewaffnen sollen. Ich brauche jetzt jede Hilfe, die ich kriegen kann. Wir müssen sie heute noch finden!“
Meine Kinnlade klappe mir gefühlt bis auf den Boden und ich brach zusammen. Was war hier passiert? Woher wusste er das so genau? Bloohunter waren hier gewesen?!
Erst jetzt fiel mir auf, dass Sheila ein blau zugeschwollenes Gesicht hatte. Sie musste sich gewehrt haben.
Raven umarmte mich, aber momentan konnte ich es einfach nicht vertragen. Diese Nähe… Meine Tochter war entführt worden, während wir miteinander geschlafen hatten und mein Leben endlich einen Sinn bekommen hatte, aber jetzt? Diejenigen, die mich zu dem gemacht hatten, was ich seit vorgestern war, hatten jetzt meine kleine Midnight. Ich weinte, als eine Flut von Männern ankam. Ich erkannte Ace, Alokay und Sly. Die anderen drei kannte ich nicht. Wollten sie mir alle helfen Midnight zu finden?
„Thor, du bleibst bei Sheila und versuchst dein bestes sie wieder zu Bewusstsein zu bekommen. Sly, Alokay ihr sucht die Ost- und Südseite ab. Seid wachsam. Vasco wir nehmen die Nord- und Westseite der Stadt. Raven… Versuche die Spur auszumachen und melde sich, wenn du auf ihrer Fährte bist.“, befahl Ace und alle parierten.
Bis auf Raven und Thor verschwanden alle anderen Männer. Thor kniete sich zu Sheila und machte eine Art Voodoo oder so. Bevor er es jedoch beenden konnte, kam Raven und roch an ihr. Beschnupperte sie und leckte er sie gerade etwa ab? Ach du Schreck. Auch Thor starrte Raven an und hatte sichtlich Probleme sich im Zaum zu halten. Wer nicht? Immerhin leckte mein Freund da gerade seine Freundin ab. Ein wenig skurril. In etwa so wie, dass du ein Nachtwandler bist und deine Tochter von den Bloodhuntern entführt worden ist!, stellte mein Verstand trocken fest.
„Kann ich dir irgendwie helfen, Thor?“, fragte ich freundlich nach. Immerhin war es auch irgendwie mit meine Schuld, dass Sheila dort so zugerichtet lag.
Seine Augen starrten mich eiskalt an und ich merkte, dass die Wut in ihm hochkochte. Er schoss auf mich zu, doch ich wich aus. Was sollte das denn jetzt?
„Du bist Schuld, dass sie jetzt so da liegt!“, schrie er den Tränen nahe.
„Sie kann nichts dafür, Thor. Es war meine Idee. Ich bin wenn schon Schuld. Wir sollten…. Hast du noch die Nummer von Amethyst?“
Thor horchte auf und dachte nach.
„Sie ist doch im Exil. Meinst du etwa…“
„Willst du Sheila retten, Thor? Ruf Amethyst an. Auf mich würde sie doch nicht hören.“
Thor nickte, wählte eine Nummer und ging kurz auf den Flur. Wer war Amethyst? Warum konnte sie in diesem Fall helfen?
„Wer ist Amethyst?“, fragte ich nach, während Raven ein Sheila herumfummelte.
„Ich hab sie.“, rief er und hielt inne.
„Was?“, hakte ich nach.
„Ich hab die Spur gefunden. Ich sag den Anderen Bescheid. Bleib bei Thor und Sheila. Hier ist es für dich momentan am sichersten.“, mit diesen Worten war Raven verschwunden. Verwirrt saß ich vor Sheila und starrte in die Leere.
„Er hat die Spur nicht wahr?!“, fragte Thor nach und kam zu Sheila geeilt.
„Sag mal… Wer ist Amethyst?“
„Lange Geschichte.“
Ich zog eine Augenbraue hoch und er nickte.
„Amethyst ist eine der wenigen Heilerinnen unseres Volkes. Sie arbeitet glaub ich als Ärztin in einem Krankenhaus, hat sie zumindest mal. Sie kann Menschen ungewöhnlich schnell retten und auch Nachtwandler heilen mit ihrer Hilfe doppelt so schnell. Naja, vor fast fünfhundert Jahren hat sie es nicht geschafft den König der Nachtwandler zu retten. Er starb und die Freunde des Königs gaben ihr die Schuld am Tod. Sie wurde ins Exil verbannt. Zumindest habe ich das so gehört.“, erklärte er.
„Ins Exil? Wo ist das?“
„Die Karibik.“, meinte er und schmunzelte.
„Wenn da das Exil ist, dann nehme ich das gerne in Kauf.“
„Auch, wenn dort die Sonneneinstrahlung höher ist als in anderen Gegenden und du so gut wie nie vor die Tür kannst?“, wollte er grinsend wissen.
Oh daran hatte ich ja gar nicht gedacht.
„Meinst du sie kann Sheila helfen?“, fragte ich und er schwieg. Aber wenn sie in der Karibik war, wie wollte sie hier so schnell herkommen? Ich wusste ja, dass Nachtwander schnell waren, aber es lag ein Ozean zwischen alledem hier und der Karibik. Ich begann zu zittern. Midnight musste es einfach gut gehen und Sheila musste das auch überleben. Warum stand es eigentlich so schlecht um sie? Hatte sie etwa innere Blutungen oder sowas? Wir schwiegen eine ganze Weile, als es auf einmal an meiner Tür klingelte. Ich ging hin, öffnete sie und starrte in die violettesten Augen und das schönste Gesicht, dass ich je gesehen hatte. Die Frau vor mir hatte lange, glatte blonde Haare und war etwas kleiner als ich.
„Sind Sie Amethyst?“, hakte ich nach und sie nickte. Ich ließ sie rein und zeigte den Weg ins Wohnzimmer.
„Thor!“, freute sie sich und zog ihn in eine Umarmung.
„Du hast also endlich deine Liebe gefunden?! Gut. Ich bitte euch beide ja nur ungern das Zimmer jetzt zu verlassen, aber ich brauche etwas Ruhe.“, erklärte sie und schob uns unsanft aus dem Wohnzimmer in den Flur.
„Vertraust du ihr?“, fragte ich und hielt mir sogleich die Hände vor den Mund. Warum zweifelte ich daran, dass sie Sheila heilen würde?
„T’schuldige.“, meinte ich kleinlaut und ging in die Küche.
Dass er mir gefolgt war, merkte ich erst, als ich ihn an meinem Küchentisch sitzen sah.
„Ich kenne sie nicht so gut, aber die Anderen haben ihr jahrelang vertraut, also werde ich dasselbe tun.“
„Möchtest du auch was trinken?“
Er nickte.
„Einen Kaffee oder doch lieber was Hartes? Ich hab glaub ich noch eine Flasche Malt Whisky hier herum stehen.“
„Ich bin im Dienst, aber den Kaffee nehme ich gerne.“
Ich lächelte ihn an und machte uns einen Kaffee. Etwa eine Stunde später tauchten die anderen Krieger wieder auf. Ohne Midnight. Ich brach in Tränen aus. Ich hatte so auf sie alle gebaut. Aber was hatte ich mir auch gedacht? Die Stadt war riesig und viel Zeit bis zum Sonnenaufgang war auch nicht mehr.
„Wer hat Amethyst hier her beordert?“, schrie Ace beinahe.
„Ich war das.“, meinte Thor und stand auf.
„Sie ist im Exil!“, schrie er wütend.
„Sie ist die einzige, die Sheila helfen kann!“, konterte er.
Jemand räusperte sich.
„Ich habe all ihre Verletzungen beheben können. Thor du solltest zu ihr gehen. Sie will dich sehen und Sie auch Cava.“, stellte Amethyst klar.
„Danke.“, bedankte sich Thor und umarmte sie flüchtig.
„Amethyst!“, fluchte Sly und sah sie hasserfüllt an. Wenn ich bis jetzt gedacht hatte, dass er mich nicht leiden konnte, wurde ich gerade eines Besseren belehrt, denn der Blick, der Amethyst traf, hätte sie auf der Stelle getötet, wenn Blicke töten könnten.
„Ich wollte nur helfen und das habe ich.“, verteidigte sie sich und wandte sich an mich. Sah sie mich flehend an?
„Also…“, setzte ich an.
„Mist!“, fluchte sie.
„Was?“, wollte Sly kühl wissen.
„Ich kann nicht zurück ins Exil.“, stellte sie fest.
„Wieso nicht Amethyst? Das war ein Befehl und du weißt was passiert, wenn du dich den Auflagen wiedersetzt. DU hast noch über fünfhundert Jahre vor dir.“, stellte Ace trocken fest.
„Das ist mir klar, aber in der Karibik ist die Sonne bereits am Himmel und ich würde sterben…“, meinte sie.
„Du erwartest aber nicht, dass ich dir anbiete, dass du bei uns im Quartier rastest oder?“
„Sie können bei so lange bleiben, wenn Sie mögen.“, bat ich an und erntete entsetzte Blicke. Hey ich bin doch nicht die Böse. Außerdem bildete ich mir schon immer meine eigene Meinung über Leute. Egal was Andere sagten oder was ihre Vergangenheit anging. Sie nickte mir dankbar zu. Doch die Blicke die ich erntete gingen mir gegen den Strich, sodass ich die Küche verließ und ins Wohnzimmer ging.
Sheila sah mich entschuldigend und mitfühlend an.
„Ich… Das wollte ich nicht. Ich hab alles versucht sie zu beschützen.“, stellte sie klar.
„Denkst du etwa, dass ich dir sauer bin? Das ist doch meine eigene Schuld. Ich war nicht da und du wärst beinah gestorben. Ich hätte mir nie verziehen, wenn ich dafür verantwortlich gewesen wäre!“, erklärte ich und sah sie an. Sie stand auf und umarmte mich. Ich mochte sie, auch wenn meine Tochter in Gefahr war. Raven war noch da draußen und suchte nach ihr. Er würde sie bestimmt finden und mir zurückbringen. Ich war mir sicher.
Alle Männer und Amethyst kamen ins Wohnzimmer. Sheila ließ mich los und drückte alle Krieger bis auf Ace und Sly.
Oh, mochte sie sie etwa nicht?
Ace knurrte.
„Wir sollten zurück ins Quartier. Die Sonne geht in einigen Minuten auf.“, meinte er.
Einige der Krieger verschwanden. Ebenso Thor und Sheila. Einzig Amethyst und Ace standen noch in meiner Wohnung. Er sah mich fragend an.
„Raven ist noch nicht zurück?! Ich warte hier auf ihn!“
„Nein. Er wird bestimmt ins Hauptquartier kommen. Komm wieder mit.“ Vielleicht hatte er ja Recht.
„Amethyst über deinen Verstoß gegen die Auflagen werden wir noch sprechen. Du kannst von Glück reden, wenn ich keine Sitzung einberufe. Du bleibst heute Nacht bei uns.“
Wir liefen alle drei zusammen zum Hauptquartier und sammelten uns alle im Besprechungssaal. Ace befahl etwas und brachte Amethyst in einen der Kerkerräume. Hatte wohl Angst der gute.
Raven erschien. Und mein Herz raste. Leider hatte er Midnight nicht dabei. Eine Wunde klaffe an seiner Kehle und im Gesicht. Ich erschrak. Was war passiert?
Ich hatte die ganze Zeit versucht zu verdrängen, dass etwas nicht stimmte, dass Raven schon Erfolg haben würde. Aber jetzt Enttäuschung und tiefste Trauer überschwemmten mich und ich brach zitternd wie Espenlaub zusammen. Raven umarmte mich und ich sah ihn fragend an. Mein Kummer war unerträglich und die Tatsache, dass er meinetwegen verletzt worden war, machte die Situation auch nicht gerade besser.
„Es tut mir leid. Er konnte entkommen.“, sagte er geknickt und strich mir sanft über den Rücken.
„Morgen werde ich ihn finden und abschlachten!“, versicherte er mir und ich sah ihn komisch an.
„Wer ist er? Kennst du ihn?“, hakte ich nach.
„Du kennst ihn.“, entgegnete er. Ich überlegte und schüttelte mit dem Kopf.
„Ich kenne keine anderen Nachtwandler als euch Krieger.“
Verdutzt schaute er mich an.
„Gehen wir in mein Zimmer.“, meinte er und trug mich hinein. Mir war immer noch nach heulen zu Mute, aber ich riss mich so gut es ging zusammen. Er legte mich auf seinem Bett ab und musterte mich argwöhnisch. Irgendwas verschwieg er mir doch.
„Was ist? Du verschweigst mir irgendwas! Wer ist der Entführer meiner Tochter?“, hakte ich nach.
„Unsere Tochter.“, korrigierte er und legte eine Hand auf seinen Mund. Unsere Tochter? Ich umarmte ihn.
8
„Ich sehe sie, wie mein eigenes Kind. Ich weiß, dass das immer noch nicht in deinem Sinne ist oder aber du das genau so siehst, aber ich liebe dich Cava!“
Beinah wäre mir ein ‚Ich liebe dich auch, Raven‘ herausgerutscht. Stattdessen küsste ich ihn kurz.
„Wer ist er also?“, wollte ich erneut wissen.
„Erzähl mir erst die Geschichte über deinen Mann.“
„Ex-Mann!“, korrigierte ich.
„Lenk nicht ab. Bitte erzähl mir was passiert ist. Warum du vor ihm geflohen bist.“
„Ist das denn jetzt so wichtig? Unsere Tochter wurde entführt. Warum willst du es denn gerade jetzt wissen?“
Hatte ich gerade unsere Tochter gesagt? Ich rieb mir die Schläfen. Wollte er mich etwa noch mehr verletzen?
„Ich will dich nicht verletzen, Cava.“, gestand er, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich schluckte. Eine andere Gelegenheit würde es nicht wieder geben. Meine Gefühle waren momentan sowieso im wahrsten Sinne des Wortes im Arsch.
„Ich hab Drake mit neunzehn kennengelernt und mich damals Hals über Kopf in ihn verliebt. Nach zwei Monatiger Beziehung haben wir dann geheiratet und ich wurde kurze Zeit später schwanger. Eigentlich ungewollt. Ich fand dass es noch zu früh für Kinder wäre, Drake nicht.
Später fand ich raus, dass er meine Pille durch irgendwas anderes ersetzt hatte und seine Kondome mit einer Nadel eingestochen hatte. Er hatte die ganze Zeit geplant mich zu schwängern. Naja, das Resultat war Midnight. …Ich liebe sie und deshalb floh ich auch mit ihr. Ich wollte die Scheidung einreichen, doch er verprügelte mich…“, ich begann zu schluchzen und musste angefangen haben zu weinen, denn Raven wischte einige Tränen von meiner Wange.
„…Ich durfte nichts alleine tun, war auf einmal nur noch zum Kochen und Putzen verantwortlich. Beinah jeden Tag schlug er mich oder beschimpfte mich. Eines Nachts wachte ich dann auf und stellte fest, dass er nicht neben mir im Bett lag. Ich suchte ihn und fand ihn bei Midnight. Er wollte sie vergewaltigen. Mein eigener Mann war ein Pädophiler. Ich nahm eine Lampe und schlug sie ihm über den Schädel, dann schnappte ich mir Midnight, packte einige Sachen zusammen, suchte Geld zusammen und floh mit ihr hierher. Ich hoffe, dass ich seine Visage nie wieder sehen müsste. Sollte er mir unter die Augen kommen, dann würde ich ihn in Stücke zerfetzen! Deswegen mag ich es nicht, wenn Männer so dominant sind oder mir ihren Willen aufzwingen wollen. Deshalb will ich auch, dass wir Alles etwas langsamer angehen. Ich weiß, dass du nicht so bist, aber manche Menschen zeigen erst nach Jahren ihr wahres Ich.“, endete ich und sah im in die Augen.
Er küsste mich sanft und sah mich an, als könnte ich jede Sekunde zerbrechen.
„Cava, Midnight wurde von Drake entführt. Er ist ein Bloodhunter.“
Mein Herz setzte einen Moment seinen Dienst außer Betrieb und ich starrte ihn entsetzt an. Das konnte nicht wahr sein. Drake ein Bloodhunter? Das hätte ich doch gemerkt. Wobei du ja auch gemerkt hast, dass er ein Pädophiler ist und dich im Laufe der Beziehung verprügeln würde, stellte mein Verstand trocken fest.
„Aber woher kennst du ihn?“, hakte ich nach. Immerhin hatte ich nicht beschrieben, wie er aussah.
„Ich war doch in deinem Kopf. Dort hab ich sein Bild gesehen. Deswegen hatte ich dich doch gefragt…“, stellte er klar und ich verstand nur noch Bahnhof. Machte zu und heulte wie nichts Gutes.
Irgendwann musst eich dann eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war Raven nicht mehr da. Ich lag alleine zugedeckt in seinem riesigen Bett.
Ich gähnte leicht und tapste ins Bad. Dort erledigte ich alles Wichtige und bemächtigte mich Ravens Zahncreme.
Dann suchte ich den Besprechungssaal auf. Leider fand ich hier niemanden an. Stirnrunzelnd ging ich ins Wohnzimmer. Leere. Ich brauchte jetzt jemanden zum Reden. Wo waren denn alle? War Amethyst noch unten?
Ich ging in die Räume, die ich eigentlich meiden sollte, doch was sich dort abspielte, werde ich niemals vergessen. Alle Krieger und Amethyst standen um Drake, der an einer Wand in Ketten hing. Raven schlug immer und immer wieder auf Drake ein.
„Gefällt dir das du Schwein?“, schrie er und schlug erneut zu.
„Du hast nichts Anderes verdient. Du hast Cava verletzt und wolltest Midnight missbrauchen!“, schrie er weiter und schlug weiter auf ihn ein. Amethyst ging zu ihm und heilte ihn wieder und das Prozedere wiederholte sich, außer dass Raven jetzt einen Dolch gezuckt hatte und auf ihn einstechen wollte. Drake lachte. Das war genug.
Ich ging ebenfalls in den Raum und alle sahen mich mit großen Augen an. Raven kam zu mir, legte seine Arme um meine Taille und zog mich an sich. Ich funkelte alle im Raum an und zögernd verließen sie den ihn. Lediglich Amethyst und Ace blieben.
„Du Miststück. Ich bringe dich um.“, schrie Drake mich an.
„Versuch es doch!“, schrie ich ihm entgegen und rammte ihn den Dolch von Raven in den Hals. Er schrie empört auf.
„Na soll ich deine Sachen bügeln, putzen und mich dann noch mal von dir verprügeln lassen, so wie jeden Abend?“, schrie ich wütend.
„Ich hatte dich damals gewarnt, dass ich dich umbringen würde, wenn du Midnight noch einmal anfasst. Ich stehe zu meinem Wort!“, stellte ich mutterseelenruhig fest und rammte den Dolch erneut in seinen Hals.
„Miststück!“, fluchte er und versuchte sich aus den Ketten zu befreien. Ich warf Raven einen Blick zu. Er gab mir Kraft und Geborgenheit. Strahlte Selbstbewusstsein aus und zeigte mir, dass Midnight in Sicherheit war. Ich könnte ihn töten. Nein ich würde Drake töten.
„Fahr zur Hölle Drake!“, rief ich, lächelte süffisant und rammte ihn den Dolch mitten ins Herz.
„Nichtsnutzige Hure!“, schrie Drake noch einmal auf und ich zog den Dolch aus seinem Herz heraus. Er zerfiel zu Staub. Ich ließ den Dolch fallen. Es war endlich vorbei.
Okay, ich hatte meinen Ex zwar umgebracht, aber es war vorbei. Drake würde mir und Midnight nie wieder etwas tun können. Raven küsste mich. Huch!
Ich liebte ihn, wenngleich ich ihn erst so kurz kannte. Das wurde mir mit einem Mal klar. Er war der Rückhalt und die Stärke, dich ich brauchte und vor allem wollte.
Jemand räusperte sich. Ich drehte mich um und entdeckte Ace.
„Midnight würde dich bestimmt gerne wieder sehen.“, meinte er und sah mich komisch an.
„Übrigens… Sie kann auch bleiben. Ich komme nicht in ihren Geist.“, lächelte er und zog Amethyst mit sich. Waren die etwa mal zusammen gewesen? So wie er sie jetzt ansah. Ach du meine Güte. Ich wollte nicht wissen, was damals noch alles vorgefallen sein musste.
Ich flitze in einer Geschwindigkeit nach oben, dass selbst Raven als Krieger es schwer hatte mir Schritt zu halten.
Doch das tat er.
„Mummy!“, schrie Midnight und rannte in meine Arme. Beinahe hätte ich sie erdrückt. Aber ich war einfach nur so froh, dass ihr nichts passiert war.
Raven nahm uns beide in den Arm und sah wirklich zufrieden und glücklich aus.
„Ich liebe dich, Raven.“, entkam es meinem Mund und seine Augen schimmerten.
Im Hintergrund vernahm ich ein „Ooooooh“, das von Sheila kam.
9
Einige Wochen waren vergangen, in denen ich meistens hier im Quartier gewesen war. Midnight liebte es hier und war eigentlich den ganzen Tag, zumindest wenn sie aus der Schule wieder da war, entweder mit Raven oder mit Sheila unterwegs. Sie hatte sich eingelebt.
Ich stand kurz davor den entscheidenden Schritt zu machen. Ich würde hier einziehen. Zusammenziehen mit Raven. In eine WG. Eine WG mit meinen Freunden.
„In zwei Monaten ziehen wir um.“, verkündete Sheila freudig. Ach so… Wer noch Sonderwünsche hat oder so. Ich bin ganz Ohr.“, meinte sie freudestrahlend und küsste Thor.
Amethyst kam herein und die Stimmung schwenkte sich um 180°. Sie schien es zu bemerken, doch ignorierte es geflissentlich.
„Ich bin bereit für meine Strafe. Bekomme ich weitere fünfhundert Jahre?“, hakte sie nach und sah Ace in die Augen. Gerade als der etwas antworten wollte, sprangen Sheila und ich auf. Fragend sah er uns an.
„Sie hat mir das Leben gerettet!“, rief Sheila, wurde jedoch von Thor zurück auf den Schoß gezogen, als Ace einmal tief knurrte. Auch Raven wollte mich zurück auf seinen Schoß ziehen, doch ich ging schnell zur Seite und stellte mich neben Amethyst.
„Ich hab keine Ahnung, was sie angestellt hat, aber jeder verdient in meinen Augen eine zweite Chance…“, begann ich, doch Ace begann zu lachen.
„So wie du sie deinem Ex-Mann gegeben hast?“
Das war nicht fair. Ich hatte Drake mehr als eine Chance gegeben. Jeden Tag aufs Neue.
„Das ist nicht fair, Ace. Es geht hier nicht um Cava, sondern um mich und dich. Ich habe damals mein Bestes gegeben. Leider war es nicht genug. Ja, ich hab den König nicht leiden können, aber deswegen würde ich ihn doch nicht sterben lassen. Ich war ihm vorher treu ergeben und ich bin es immer noch. Brumm mir endlich meine Zusatzjahre auf oder mach sonst was, aber lass es nicht an den Anderen aus!“, schrie Amethyst und funkelte ihn wütend an.
„Raus!“, zischte Ace wütend und alle verließen blitzschnell den Saal. Lediglich Amethyst blieb stehen.
„Was macht er mit ihr?“, hakte ich nach.
„Ace ist der Ratsvorsitzende. Wenn er der Meinung ist, dass sie eine weitere Strafe bekommen soll, dann erteilt er ihr diese. Würde sie vor den gesamten Rat kommen, würden sicherlich viele ihren Tod wollen.“, erklärte Vasco und ich bemerkte das erste Mal, dass er einen spanischen Akzent hatte.
„Bist du Spanier?“, hakte ich interessiert nach.
„Ich bin Kriegerführer von Europa. Demnach sitze ich auch im Rat.“, bestätigte er.
So langsam setzte sich das Puzzle zusammen. Leider nur sehr, sehr langsam, wie ein zähes Kaugummi aber besser als nichts! Kurze Zeit später kam Amethyst heraus. Sie hatte den Kopf gesengt und schritt an uns vorüber. Ich eilte ihr hinterher.
„Und?“, hakte ich nach.
„Er gibt mir eine zweite Chance, aber…“
„Willst du das denn gar nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. Wir erreichten eines der Gästezimmer und sie verschwand darin. Ohne ein weiteres Wort folgte ich ihr.
„Wieso?“, hakte ich nach.
„Wieso was?“
„Wieso willst du keine zweite Chance?“
„Versprich mir, dass das unter uns bleibt…“, bat sie und ich nickte.
„Ich will nicht ständig in seiner Nähe sein und wissen, dass er mich eigentlich verabscheut.“, meinte sie.
„Was ist damals passiert?“
„Nach dem Gesetz hätte ich Razor heiraten und ihm viele Kinder schenken müssen, aber stattdessen hatte ich eine Affäre mit Ace. Razor hat sein Herz immer bei Ace ausgeschüttet. Sie waren beste Freunde. Eines Nachts wurden sie angegriffen und Razor wurde dabei schwer verletzt. Ich habe Gewebe entfernt um eine bessere Sicht zu bekommen und mein Möglichstes gegeben, aber Razor starb. Ace wollte mich beschützen vorm Rat, doch sie hatten Nachforschungen angestellt und von unserer Affäre Wind bekommen. Es tauchten Beweise auf, die es vorher nicht gab und so musste er sein Okay fürs Exil geben. Wäre es nach anderen gegangen, hätte ich mehr als tausend Jahre bekommen.“, erklärte sie traurig.
„Liebst du ihn noch?“, fragte ich.
„Ich weiß es nicht genau. Ich habe immer versucht nicht an ihn zu denken und das hat bis vor Kurzem auch geklappt.“
Ich umarmte sie und ging wieder.
Man die hatten ja Probleme und die Geschichte drum herum wurde auch immer komplizierter.
Midnight kam mir entgegengerannt.
„Mum, kann ich mit Raven in den Zoo?“
„Äh, in den Zoo? Hast du mal auf die Uhr gesehen? Der Zoo hat zu.“
„Nein. Raven hat dafür gesorgt, dass wir hingehen können.“
Ich zog meine Augenbraue hoch und sah ihn fragend an.
Er und seine Kontakte. Immer und immer wieder erfüllte er Midnights Träume. So konnte das doch nicht weiter gehen. Bald wäre sie vollkommen verzogen.
„Aber ich will mit!“
Midnight nickte und lief in unser Zimmer.
„Zu dominant?“, hakte er nach.
„Nein, zu viel des Guten!“
Ich sah Raven an.
„Ihr manche Wünsche zu erfüllen, ist ja okay, aber gleich alle? Sie wird doch ganz verzogen!“, stellte ich fest.
„Entschuldige, aber das ist das erste Mal, dass ich in der Erziehung tätig bin und sie hat den Hundeblick voll drauf.“
Ich lachte. In der Tat, den konnte sie als aller erstes. Ich küsste ihn kurz und umarmte ihn.
„Lass uns zusammen ziehen!“, hauchte ich in sein Ohr und er küsste mich leidenschaftlich.
Ich merkte, dass seine Augen sich veränderten und wusste, dass meine es auch getan haben mussten. Ich begehrte ihn, wollte ihn. Midnight kam um die Ecke geflitzt.
„Können wir los? Oder lasst ihr gar nicht mehr die Finger von einander?“, fragte sie spitzbübisch. Für ihre sechs Jahre war sie aber schon ganz schön frech.
Wiederwillig ließ ich von Raven ab und wir machten uns auf den Weg zum Auto.
Texte: Das Cover ist von meiner Wenigkeit bearbeitet, doch grundlegend ist es ganz leicht via Google oder anderer Browser zu finden.
Tag der Veröffentlichung: 31.03.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch immer noch meinem kleinen Strullihund Apollo, der mich tatkräftig daran hinderte weiter zu schreiben!