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1
„Wohin willst du Sheila?“, fragte mich mein Vater überflüssigerweise, denn er wusste genau, dass ich erst zu meiner Pediküre, dann zum Friseur und dann shoppen gehen würde. Natürlich alles zusammen mit meiner besten Freundin Debby, die mich schon komisch von der Seite ansah.
„Na, wonach sieht‘s denn aus Dad?“
„Hallo Mr. Davis.“, trällerte Debby höflich.
„Hey Debby.“, entgegnete mein Dad freundlich.
Gott stand Debby etwa auf meinen Vater? So anzüglich, wie sie ihn ansah, musste es wohl zutreffen. Okay mal abgesehen davon, dass mein Dad wirklich ein attraktiver Mann ist… Aber Himmelherrgott er ist mein Vater! Vergiss es gleich wieder Kleine, denn ich werde alles erben, witzelte mein Verstand über Debbys Reaktion.
„Keine Ahnung, aber du bleibst hier. Debby, du kannst wieder gehen. Sheila du kommst mit mir in die Firma!“
„Netter Witz, Dad.“
„Sheila ich meine es ernst!“
„Ich auch. Sieh dir doch nur mal meine Fingernägel an und meine Haare erst. Dad, das ist lebenswichtig. So kann ich mich doch nicht in deiner Firma sehen lassen!“
Mit diesen Worten ließ ich meinen vor sich hin fluchenden Vater im Eingangsbereich unserer Villa stehen und zog Debby mit nach draußen. Genau in diesem Moment fuhr unser Buttler Earl gerade meinen weißen Mercedes BRABUS SLR Roadster vor.
„Genau richtig, Earl.“, begrüßte ich ihn und setzte mich ans Steuer.
„Nett.“, entgegnete Debby knapp, als sie mein pinkes Innenleben begutachtete.
„Hab ich mir zu Ostern gegönnt. Ich fand den einfach zu schnuckelig. Außerdem ist es ja nicht so, als ob ich mir den nicht leisten könnte.“, gab ich schulterzuckend und mit einem Blick, der Debby sagte ‚sei ruhig eifersüchtig‘, zurück.
Tja, nicht alle Väter können Milliardäre sein. Ich weiß, dass mein Vater in der Baubranche tätig ist, aber das war‘s dann auch schon. Ich bin keineswegs daran interessiert, wie das Geld ankommt. Für mich zählt nur, dass das Geld ankommt, damit ich mir den Luxus des Lebens leisten kann. Klar, jeder denkt jetzt, dass ich eingebildet und zickig bin und- dafür komme ich in die Hölle- ich bin’s auch wirklich! Und ehrlich. Immer und zu jedem. Glück für mich und Pech für die Anderen.
Pünktlich um drei Uhr erreichten wir Aurelia’s Beauty Salon. Ich parkte mein Baby auf dem V.I.P-Parkplatz. Was soll ich sagen?-So bin ich halt!
Debby und ich würden gleich stürmisch von Giovanni und schließlich auch wenige Sekunden später von Aurelia höchstpersönlich begrüßt.
Der Klatsch und Tratsch, der auf den Straßen herrschte, war heftig. Gott, hatten denn die Leute nichts Besseres zu tun, als sich um ihren eigenen Dreck zu scheren? Ich hasste solche Leute. Tja, leider musste ich mir das nun für eine Stunde antun. Egal. Immerhin würden meine Fingernägel endlich wieder gepflegt aussehen.
Als Aurelia mit meinen Fingernägeln fertig war und mich prüfend ansah, ob es mir gefiel, begutachtete ich meine Nägel und lächelte.
„Wunderschön! Danke Aurelia. Bis zum nächsten Mal!“
Auch Debby war aufgestanden, hatte sich ihre Handtasche umgehängt und zeterte über ein Gerücht.
Ich schlenderte zum Tresen, legte meine schwarze American Express Kreditarte darauf und schob sie Giovanni zwinkernd zu.
„Debby, glaub doch nicht jeden Klatsch und Tratsch.“, witzelte ich, während sie ihre Fingernägel begutachtete.
„Miss Davis?“
„Hmm?“, entgegnete ich knapp und wandte mich zu Giovanni um, der meine American Express Black Card in der Hand hielt.
„Das ging aber schnell.“
„Die ist gesperrt.“, flüsterte er mir zu.
„Das kann nicht sein. Versuchen Sie es nochmal.“
„Tut mir leid, ich hab es bereits vier Mal probiert.“
Komisch. Ich nahm meine Visa Black Card und gab sie Giovanni.
Als er auf mich zukam, sah er mich mit gemischten Gefühlen an.
„Die ist auch gesperrt.“
„WAS?“
„Nehmen Sie diese.“ Ich gab ihm meine Mastercard Platin. Doch auch nach wenigen Sekunden kam Giovanni mit einem enttäuschten Gesicht zu mir. Mittlerweile war Debby wohl mit der Prüfung ihrer neulackierten Fingernägel fertig und drehte sich zu mir um, um nachzusehen wie lange das noch dauern würde.

Langsam wurde ich nervös. Wenn die auch nicht gehen würde, dann wäre ich am Arsch. Warum hatte ich noch mal Debby eingeladen? Ach ja, um zu prahlen, wie vermögend ich doch bin. Scheiße! Debby drehte sich wieder um und ich wartete erneut auf Giovanni.
Dieser schüttelte seinen Kopf. Entsetzt starrte ich ihn an.
„Was’n los? Stimmt was nicht?“, fragte Debby erneut nach.
„Deb. Würdest du doch die Rechnung dieses Mal übernehmen? Das nächste Mal geht dann wirklich auf mich! Sorry, hab meine Geldbörse zu Hause vergessen und da sind ja alle meine Kreditkarten drin.“, log ich.
Sie zog argwöhnisch eine Augenbraue hoch.
„Okay, aber nur ausnahmsweise.“, entgegnete sie mir zwinkernd. Ich hasste sie jetzt schon! Gott. Das war mir noch nie passiert. Solch eine Blöße vor Debby. Diese arrogante Tratschtante würde überall herumerzählen, dass sie die Rechnung übernehmen musste, obwohl ich sie eingeladen hatte.
Ich nahm meinen rosa Blackberry Curve aus meiner Handtasche und wählte die Nummer meines Vaters.
Nichts passierte. Totenstille.
Ich wählte erneut. Immer noch Totenstille. Mit zusammengezogenen Brauen starrte ich den Empfangsbutton an, der mir unlogischer Weise anzeigte, dass ich keinerlei Netz hatte. Shit. Ich war doch mitten in der Stadt. Hier hatte ich immer Empfang. Mein Vater müsste sich vielleicht etwas anhören, wenn ich zurück war.

Debby und ich waren gerade dabei, den Salon zu verlassen, als Giovanni mir quer durch den Salon zurief, dass ich meine Mastercard Platin vergessen hatte. Super! Jetzt hatte ich das Malheur! Ich drehte mich schnell um, ging zum Tresen und überlegte mir auf dem Weg zu Debby, was ich als Ausrede nehmen könnte. Ich muss wohlbemerkt anmerken, dass ich normalerweise nicht lüge. Aber, die Situation verlangt nun mal eine Notlüge, genau wie die davor. Erst als Debby und ich in meinem Baby saßen und wir losgefahren waren, brach sie ihr Schweigen.
„Was war das denn?“
„Was meinst du?“, fragte ich mit unschuldiger Miene.
„Ich dachte du hast deine beschissenen Kreditkarten zu Hause vergessen. Immerhin hast du mich zahlen lassen, obwohl du mich eingeladen hast. Was soll das?!“, bellte sie mich nun an. Der Zickenkrieg ist eröffnet. Sie wollte es ja nicht anders!
„Ach tu doch nicht so. Ich hatte es mir im letzten Moment doch noch anders überlegt. Immerhin habe ich dich die letzten vier Male schon eingeladen. Du hättest mich ja auch mal freiwillig einladen können!“
„Du tust ja so als wäre ich eine arme Kirchenmaus, die deine Obhut benötigt damit sie sich was leisten kann! Fahr rechts ran. Ich steige aus!“
Ich fuhr rechts ran. Der Wagen hatte noch nicht ganz gestanden, da hatte Debby schon die Tür aufgerissen und war ausgestiegen. Wütend knallte sie die Tür zu.
„Wie hab ich das nur die ganze Zeit mit dir ausgehalten? Du bist verzogen, zickig und egoistisch! Hast du eigentlich auch nur die leiseste Ahnung, was Arbeit ist? Weißt du überhaupt was dein Dad macht? Gott, du bist echt eine hohle Nuss und jetzt verpiss dich, Sheila!“, schrie Debby mich an.
„Immerhin vögle ich nicht jedem dahergelaufenen Typen das Gehirn weg… Oh, stimmt ja die haben keins, sonst würden sie dich ja nicht besteigen!“
Mit diesen nicht sehr weit hergeholten Worten drängelte ich mich wieder auf die Straße. Na toll. Rushhour!
Nachdem ich eine Stunde benötigt hatte um zu wenden und auf die andere Seite der Straße zu gelangen, war meine Wut immer noch angestaut.
Ich parkte mein Baby auf dem Managerparkplatz und schloss es im Gehen ab.
Wütend betrat ich den gläsernen Gebäudekomlex in dem die Firma meines Vaters ihren Sitz hatte.
Verwirrt sah mich die Rezeptionistin an.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte diese freundlich nach
„Sehe ich so aus, als könne man mir helfen?“
Waren denn hier alle so dämlich?! Gott ich würde veranlassen, dass die gefeuert wird. Nicht nur, dass sie zu freundlich war, sondern trug auch noch gelben Nagellack zu einem schwarzen Kostüm aus Second-Hand.
Ohne ein weiteres Wort oder Blick ging ich an ihrem Schalter vorbei und hämmerte auf die Aufzugstaste ein. Anscheinend waren alle Aufzüge im obersten Stockwerk, denn als endlich einer ankam, seufzte ich auf. Gerade wollten sich die Aufzugstüren schließen, nachdem ich auf den Knopf mit der Zahl ‚29‘ eingeprügelt hatte, als doch tatsächlich ein Arm den Fahrstuhl daran hinderte diesen Dienst zu vollenden. Wütend funkelte ich den Arm des Mannes, der es doch tatsächlich gewagt hatte, dass ich noch länger warten musste, an.
„Entschuldigung, aber die Dinger benötigen doch immer so lange, wenn man die gerufen hat.“, entschuldigte er sich, als er meine alles andere als freundlich dreinblickende Miene sah. Ein Knirschen mit den Zähnen konnte ich nicht unterdrücken. Ich ließ meinen Blick von seinem Arm ab und starrte auf mein Blackberry, der mir immer noch anzeigte keinen Empfang zu haben.
Als dann nach geschlagenen dreißig Sekunden die bescheuerte Fahrstuhltür sich endlich mal wieder schloss, atmete ich hörbar aus.
„Haben Sie schon gedrückt, oder soll ich das noch für Sie tun?“, fragte der Kerl nach. Als zu dieser überflüssigen Frage noch das Gedudel der Fahrstuhlsmusik einsetzte, platzte mir der Kragen endgültig.
„Boah, das glaub ich jetzt ja nicht! Erst das mit den Kreditkarten, dann das mit der Rushhour und dann noch das hier. Ich halte das nicht mehr aus! Dieses bescheuerte Gedudel. Wo bin ich hier gelandet? In der Sesamstraße? Gott, sehe ich eigentlich so bescheuert aus?...“, begann ich zu fluchen.
„Eigentlich nicht.“, murmelte der Mann verwirrt über meinen Ausbruch.
„Das war eine verdammte rhetorische Frage!“, bellte ich und wagte einen Blick in das Gesicht des Mannes. Mir fielen beinah die Augen aus dem Kopf, als ich ihn sah.
Der Mann war um die 1,90 groß, braungebrannt, hatte grüne Augen und lange braune Haare, die er in einem Zopf zusammengebunden trug.
„Äh…“, sagte ich verlegen. Naja, ich hatte es wohl eher gestottert. In diesem Moment machte der Fahrstuhl halt.
„Tut mir leid, aber heute ist einfach nicht mein Tag.“, stellte ich überflüssiger Weise fest, als er im Begriff war in der 22. Etage auszusteigen.
Ein wunderschönes Lächeln, das sein Gesicht noch attraktiver machte und eine Reihe weißer Zähne entblößte, war seine Antwort auf meine Entschuldigung.
Ehe ich noch etwas entgegnen konnte, waren die Fahrstuhltüren wieder verschlossen. Warum ging das immer in den Momenten, in denen man noch Zeit will so schnell und wenn man’s eilig hat so scheiße langsam?!
Ironie des Schicksals!
Immer noch wütend, aber sichtlich abgeschwächter betrat ich die 29. Etage und wurde von einer Sekretärin im Foyer begrüßt. Ich musterte sie argwöhnisch. Sie war nicht älter als ich und stakste auf Manolo Blahnik Thong Sandalen mit zehn Zentimeter Absätzen herum. Auch ihr vollbusiger Körper, war in feinsten Stoff von Gucci gehüllt. Qualität erkannte ich auf hundert Meter! Aber ihr Dekolleté sprang mich förmlich an, als sie sich zu mir beugte.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte auch sie mich. Unbeeindruckt von ihrer Arroganz und ihren Plastikmöpsen, schüttelte ich den Kopf und ging auf meinen schwarzen Jimmy Choo FEI Ankle Boots an ihr vorbei in Richtung des Büros meines Vaters.
„Halt!“, schrie mir die Sekretärin hinterher und packte mich grob am Arm.
Wie einen lästigen Käfer schob ich ihre Hand von meiner Schulter und öffnete die Tür zu Dad’s Büro.
Der schaute mich nur verwirrt an. Ich jedoch war nicht verwirrt, schloss die Tür vor der Nase seiner Sekretärin und drehte das Schloss herum, sodass sie auf gar keinen Fall stören könnte.
„Mr. Badagih ich werde sie zurückrufen.“, er legte den Hörer auf die Gabel.
„Du hier?“, fragte er immer noch verwirrt.
„Sieht wohl ganz danach aus oder?“, presste ich durch zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Warum hast du meine Kreditkarten sperren lassen? Ich hatte Debby eingeladen und war nicht im Stande zu bezahlen. Rede doch nächstes Mal einfach mit mir, wenn dir was nicht passt. Immerhin tue ich das auch grade!“
Mein Vater saß nur ruhig da und nickte. Was? Das brachte mich noch mehr in Fahrt.
„Außerdem wer gibt dir das Recht mein Handy abzumelden? Ich habe nirgendwo auf dieser Welt empfang. Scheiße, sag doch mal was dazu!“
„War das alles, Sheila?“, fragte mein Vater mich nach einer kurzen Stille. Ich nickte sichtlich verwirrt.
„Gut. Ich habe deine alle deine Kreditkarten vorübergehend sperren und dein Handy abschalten lassen, weil ich möchte, dass du endlich lernst mit Geld umzugehen und hier zusammen mit mir arbeitest. Du bekommst das Gehalt, wie eine meiner Assistentinnen in den unteren Etagen. Sheila, es tut mir leid, dass es keine andere Lösung gab, aber du wolltest nicht arbeiten. Du hast seit drei Jahren deinen Master in Management, doch interessierst dich nur für deine Fingernägel. Ab jetzt musst du für dein Geld arbeiten. In dieser Firma, als eine stinknormale Assistentin, bis ich entschieden habe, dass du bereit fürs Management bist und als meine rechte Hand arbeiten kannst.“, klärte er mich auf.
Ach so… so lief also der Hase. Ich sollte arbeiten?!
„Dad, das hättest du mir auch zu Hause sagen können!“
„Wann Sheila? Zwischen der Pediküre oder der Shoppingtour mit Debby?“
„Okay, Dad. Ich arbeite hier. Aber bitte dreh den Geldhahn wieder auf.“
„Nein. Du…“
„Regelmäßig, Dad! Ich werde hier jeden Tag arbeiten und mein Bestes geben!“
Ich setzte meinen Hundeblick auf, dem konnte er schon seitdem ich klein war nicht wiedersehen.
„Ich kümmere mich morgen Abend darum, Sheila. Ich will dich morgen früh hier sehen!“
„Dad ich brauche aber Geld. Debby und ich wollten…“, begann ich den Satz, brach ihn jedoch ab, als ich mich erinnerte, dass wir uns gestritten und aufs Übelste beleidigt hatten.
„Bis morgen, Dad. Ich versuch auch pünktlich um acht hier zu sein!“, weitzelte ich, entriegelte die Tür und lief prompt in die vollbusige Sekretärin meines Dads. Super!
Ich schritt an ihr vorbei und drückte ruhig den Knopf des Fahrstuhls. Sofort war er da und ich drückte sachte den Knopf des Erdgeschosses.
Als ich an meinem Wagen ankam, stellte ich fest, dass ich zugeparkt war. Wütend ging ich zurück ins Gebäude.
„Entschuldigen Sie, könnten Sie mir bitte helfen?“, fragte ich die Lobbyistin, die ich bei meiner Ankunft dumm angemacht hatte und lächelte freundlich.
Sie sah auf und als sie mich erkannte erstarb ihr Lächeln im Nu.
„Sehe ich etwa aus wie eine SOS Zentrale?“, zickte sie mich doch tatsächlich an. Gott ich mochte sie jetzt schon.
„Keine Ahnung, aber die richtigen Pumps tragen sie ja schon, nuttenrot!“, gab ich bissig zurück.
„Na immerhin sind die aus der neusten Kollektion. Im Gegensatz zu ihren Jimmy Choos.“
Ich begann zu lachen.
„Nett. Ich habe noch nie Kontra bekommen. Ich bin übrigens Sheila Davis und das sind welche aus der neusten Kollektion.“
„Oh Gott, Sie sind die Tochter von Traver Davis?“
„Sieht ganz danach aus. Aber nenn mich doch Sheila ich beiße ja nicht, wie ein bissiger Hund.“
„Sicher?“, lachte sie und wischte sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln.
„Ich bin übrigens Luciana O’Brian.“
Ich schüttelte ihre dargebotene Hand und lächelte sie freundlich an. Wie erfrischend. Endlich mal jemand, mit dem die Konversation nicht langweilig wurde. Aber zurück zum Wesentlichen, beorderte mich mein Verstand schnell.
„Wem gehört der schwarze Porsche mit dem Kennzeichen Dude oIo, denn der Arsch hat mich dichtgeparkt?!“
„Omar Hatschi.“
„Gesundheit“, entgegnete ich, da ich dachte, dass sie geniest hatte, doch dann schnallte ich, dass das der Nachname von Omar war. Upps. Mal wieder ein Fettnäpfchen mitgenommen. Egal, er war ja nicht hier.
„Ich sage ihm Bescheid!“

Nur wenige Minuten später stand besagter Omar Hatschi in der Lobby und stampfte, mir eine Standpauke haltend, zu seinem Wagen. Ich lächelte kühl, als ich mich in mein Baby setzte und wank ihm zum Abschluss noch einmal zu. Das würde morgen mein Parkplatz sein. Da konnte noch so oft sein Name auf dem Schildchen stehen.
Meine Laune wurde besser und ich beschloss nach Jause zu fahren, um mir Bargeld einzustecken und dann Party machen zu fahren. Egal ob ich morgen arbeiten musste oder nicht. Ich brauchte jetzt Ablenkung.


2
Ich hatte Bargeld geholt und es in meine lila Dior Tasche gestopft. Hundert Dollar mussten wohl oder übel reichen. Als Frau bekam man eh immer Gratisdrinks. Außerdem wollte ich mich nicht abschießen, sondern nur einen Drink nehmen. Einen prüfenden Blick warf ich in den Spiegel am Eingangsbereich. Ich hatte mir lila Dior Pumps angezogen und trug ein schlichtes, knielanges und enganliegendes schwarzes Kleid ebenfalls von Dior, jedoch aus der letzten Saison. Egal. Ich sah scharf aus!
Es hupte einmal. Earl war mit einer schwarzen Rolls Royce Phantom 5 Limousine vorgefahren. Dezent wie immer, dachte ich mir und rollte mit den Augen. Rolls Royce. Gott, ich war doch nicht die Königin. Eine normale Limousine hätte es auch getan. Ich stieg ein und binnen zehn Minuten im Stadtverkehr war ich am V.I.P-Club angelangt. Das ‚Lasercraft“. Earl öffnete die Tür für mich und ich betrat den roten Teppich. Gott, die Farbe dieses Teppichs biss sich mit meinen Lila Pumps und meiner lila Handtasche.
Schnellen Schrittes betrat ich das ‚Lasercraft‘. Vielleicht hätte ich nicht hier her kommen sollen, denn auf den ersten Blick machte ich Debby in einem knappen grünen Kleidchen aus, die mit einem heißen Typen an der Bar flirtete. Meine Stimmung sank direkt und kam dem Gefrierpunkt nahe. Warum ließ ich mir auf einmal die Stimmung versauen? Ich konnte auch alleine Spaß haben!
Entschlossen ging ich an die Bar und bestellte einen überteuerten ‚Bounty‘. Meinen absoluten Lieblingscocktail. Eine Mischung aus Schokoladen Creme, Sahne, Kokosnuss und Amaretto. Super geil, wenn man auf Kokosnüsse steht, so wie ich.
Ich wühlte nach meinem hundert Dollar Schein und fand ihn schließlich. Ja, so war das immer. Das was man brauchte war in den Tiefen der Handtasche verschwunden. Ich meine, kennt das nicht jede Frau? Wie auch immer ich gab dem Barkeeper den Schein und bekam lumpige 70 Dollar wieder. An meinem Drink nippend, sah ich mich ein wenig um. Viele waren am Tanzen, andere standen an der Bar und wieder andere gingen bereits. Ein Mann fiel mir ins Auge. Ich betrachtete ihn näher, was beachtlich schwer ist, wenn man kaum Licht hat und der Typ mehr als 25m von einem entfernt steht. Ich will mich aber nicht beschweren. Es gibt weitaus schlimmeres! Irgendwoher kannte ich den doch? Während ich mir mein Hirn zermarterte, wer woher ich den Typ kannte, der gerade aus den Toiletten kam, kam Debby an mir vorbei. Sie war stockbesoffen, das roch ich.
„Was willst du denn hier?“, zickte sie mich an.
Ich beschloss sie zu ignorieren, denn mit Besoffenen sollte man niemals Konversation betreiben. Man wurde sie nie wieder los und sie schütteten bei einem das Herz aus. Meine damals beste Freundin hatte in ihrem Vollrausch auch so einige Sachen ausgeplaudert, die man besser niemandem erzählt.
„Hör auf mich zu ignorieren, Sheila!“, schrie Debby nun.
Der Mann kam näher und jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war der Typ aus dem Aufzug. Der, den ich heiß fand und an dem ich meine schlechte Laune ausgelassen hatte. Mist. Hoffentlich erkannte er mich nicht.
„Thor, Schätzchen ich bin hier.“, lallte Debby unterdessen und ich sah entsetzt zu, wie sich der Kerl aus dem Aufzug auf uns zu bewegte.
„Debby du bist betrunken…“, begann ich, wurde aber jäh durch sie selbst unterbrochen:
„Du bist doch nicht meine Mutter Sheila. Thor…“, sprach sie und KÜSSTE den Mann MEINER Träume. Wenn ich sie vorher noch nicht gehasst hatte, dann tat ich es spätestens jetzt!
„Deine Freundin?“, fragte Thor freundlich nach. Zu freundlich, dachte ich mir sauer.
„Nicht mehr.“, entgegnete Debby kurz angebunden und wollte Thor erneut einen Kuss aufzwingen, doch er schob sie sanft von sich. Eins zu null für Ihn, dachte ich mal wieder sarkastisch.
„Thor Swithin.“, stellte er sich vor, obwohl Debby an seinem Arm zerrte.
„Sheila Davis, freut mich.“
Und er wusste ja gar nicht wie mich das freute.
Wir schüttelten kurz unsere Hände, als Debby mir eine pfefferte. Sie hatte mich geschlagen. Noch nie in meinem ganzen Leben war ich geschlagen worden! Vor allem nicht von einer Frau, die ich dachte zu kennen.
„Was zur…“, begann ich wütend. Wie schnell doch meine Stimmung von frostig auf eiskalt umschlagen kann.
„Lass die Finger von ihm. Ich will ihn heute Abend vernaschen!“
„Erstens meine liebe Debby hat er mich doch nur begrüßt. Zweitens du bist vollkommen besoffen und last but not least: Schlag mich noch einmal und ich verpasse dir eine, sodass du im Krankenhaus aufwachst, auch wenn ich normalerweise gegen Gewalt bin...“
Ich rieb mir während meines Ausbruchs meine schmerzende Wange. Wie konnte eine solch kleine, beinah magere Frau solch einen schmerzhaften Schlag haben?
„Ist wohl immer noch nicht Ihr Tag oder?“
„Nein.“, antwortete ich automatisch und verstand einen Moment zu spät, dass das eine rhetorische Frage war und Thor mich wiedererkannt hatte.
„Das war eine rhetorische Frage.“, witzelte er und ein kleines Grinsen konnte ich nicht unterdrücken.
Debby legte besitzergreifend einen Arm um Thors Mitte.
„War schön Sie wiedergetroffen zu haben.“, zwinkerte er mir zu und schlenderte mit der an ihn geklammerten Debby davon.

Ich beschloss mich doch zu besaufen. Scheiß auf den Kater und auf die Arbeit, die auf mich wartet. Außerdem wie heißt’s so schön? Wer saufen kann, ist auch in der Lage zu arbeiten! Oder so ähnlich.
Was würde Debby wohl mit Thor anstellen? Stand er etwa auf Standgebläse? Debby war doch nun alles nur keine Schönheit. Okay zugegeben, sie hat einen Modelkörper, bei dem selbst Gisele Bündchen eifersüchtig werden würde, doch ein Alleweltsgesicht. Nichts Besonderes. Dennoch war er mit ihr weggegangen und nicht mit mir.
Ich bestellte mir noch zwei weitere ‚Bounty‘ und zwei Shots, dann war ich pleite und kurz vorm Kotzen. Ich kramte nach meinem Blackberry, um Earl anzurufen damit er mich abholen könnte. Nach einer halben Ewigkeit fand ich das nicht gerade kleine Ding und wählte die Nummer von Earl. Nichts.. Nada. Niente. Nothing. Totenstille.
Scheiße. Ein prüfender Blick ging auf den Display. Fünf Uhr und eine Minute. Toll. Ich torkelte auf die Straße und wank mir ein Taxi heran, das mit quietschenden Reifen etwa dreißig Zentimeter vor mir stehen blieb. Gut.
Ich stieg ein und nannte dem Fahrer meine Adresse. Zumindest hoffte ich, dass ich das getan hatte, denn im nächsten Moment fielen mir die Augen zu.
Nur ein Schütteln an meiner Schulter, ließ mich aufschrecken und verstärkte den Kotzreiz. Ich beigte mich leicht zur Seite und der Taxifahrer schaffte es noch gerade rechtzeitig aus der Schusslinie zu springen. Ich übergab mich. Angewidert starrte ich meine Kotze an, wischte mir mit meiner Hand das Kinn ab und klingelte an der Haustür. Earl öffnete mir die Tür und sah mich entsetzt an. Gott, hatte er denn noch nie eine besoffene Frau gesehen? Das war doch nicht das erste Mal, dass er mich besoffen abgeholt hatte bzw. sah. Earl bezahlte schnell den Taxifahrer und eilte mir zur Hilfe. Auf ihn gelehnt schaffte ich es dann doch irgendwie in mein Himmelbett. Natürlich in rosa. Mit diesem Gedanken und meinen Klamotten, die morgen früh völlig scheiße aussehen würden und ich wegschmeißen könnte, schlief ich ein.


3
Als ich am nächten Tag…lach, wohl eher sieben Stunden später mit höllischen Kopfschmerzen aufwachte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Mein Wecker hatte nicht geklingelt. Es war kurz nach zwölf. Gott, Dad bringt mich um. Ich flitzte, so gut es mein momentaner Zustand zuließ in mein Badezimmer und ließ mir ein Bad ein. Eine Stunde mehr oder weniger, wäre jetzt auch egal. Ich ließ die Kokosmilch ins Wasser, die mein Bad in ein Paradies verwandelte. Dann begannen wieder die Kopfschmerzen. Verärgert ging ich rüber zu meinem kleinen Medizinschrank und musste feststellen, dass ich keine Aspirin mehr hatte. Fluchend und stöhnend ging ich ins Bad meines Vaters und klaute ihm seine Packung. Später würde ich Earl beauftragen Aspirin zu besorgen, vorausgesetzt dass ich es bis dahin nicht vergessen hatte.
Zurück in meinem Bad goss ich Wasser in meinen Zahnputzbecher und ließ meine Aspirin auflösen. Mit dem Glas in der Hand stieg ich, selbstverständlich nackt, in das warme und wohlduftende Nass. Wärme durchströmte meinen Körper und ich trank das nach Orange schmeckende (ja neue Geschmacksrichtung) Aspirinwasser in einem Zug leer. Notiz an mich selbst. Das nächste Mal entweder nur die Hälfte trinken oder aber mindestens einen Liter Wasser vorm Schlafengehen vernichten. Ich tauchte unter und wusch mir die Haare. Natürlich mit Kokosshampoo. Wenn schon, denn schon. Eigentlich komisch. Mein Leben lang fuhr ich auf pink ab, hasste jedoch den penetranten Geruch von Rose und Himbeeren. Stattdessen stand ich auf den nicht minder penetranten Geruch von Kokosnuss. Ich erinnerte mich an Zeiten mit meinem Dad. Er hatte als ich klein war, mich nur in blaue Klamotten gesteckt und mit mir Baseball und Football gespielt. Als ich schließlich wie jeder Teenie in die Pubertät und vor allem meinen ersten Pickel bekam, hatte ich beschlossen meinen Dad in die Weißglut zu treiben und alles in Pink und rosa zu gestalten. Bis heute war das so. Obwohl ich heute auch lila und andere Farben mag. Selbst blau trage ich gerne, doch ich sehe darin immer so blass aus. Wiederwillig stieg ich aus dem Wasser, denn es wurde schon kalt. Ich schnappte mir mein rosa Handtuch und wickelte mich darin ein. Den kritischen Blick im Spiegel schenkte ich mir und klatschte mir so dick Schminke ins Gesicht, dass es keinem auffallen würde, wie scheiße ich an diesem Morgen aussah. Ich ging in mein Zimmer, kramte mir schwarze Spitzenunterwäsche heraus, schlüpfte in diese und ging zu meinem Schrank. Ein schlichtes schwarzes Kostüm von Gucci kramte ich hervor und stieg in meine weiß-schwarzen Zickzack Tip Toe Pumps von Emilio Pucci. Ich wusste, dass ich diese Wahl später bereuen würde. Einen Tag in Pumps rumlaufen… Pumps mit 12cm Absatz. Tödlich, aber das war es mir wert. Meine Haare band ich in einem strengen Dutt nach hinten.
Wie auf Befehl knurrte mein Magen und ich ging in die Küche, um etwas Essbares zu suchen. Die Packung Kekse, die auf dem Tisch stand, kam mir gelegen auch wenn ich wusste, dass das Extrarunden im Fitnesscenter bedeutete. Es war die Sünde wert. Kokoskekse. Diese komisch luftig leichten dünnen Kekse mit Schokolade und Kokosraspeln obendrauf. Yummi. Fröhlich schmatzend und nichts ahnend nahm ich mir den zuvor aufgesetzten Kaffe und schaltete den Fernseher ein. Nachrichten. Nachrichten. Nachrichten. Gott. Was war denn bitte schon so wichtiges passiert, dass die America’s Next Flopmodel Staffel 1001 oder so unterbrachen? Ich war gerade im Begriff auf Cartoon Network umzuschalten, als ich das Bild meines Vaters im Fernsehen sah und entsetzt die Schlagzeile las:

Bauunternehmer Traver Davis in Autounfall tödlich verunglückt.

Ich starrte den Bildschirm an und hörte jedes Wort einzeln auf mich niederdreschen:
Der Milliardenschwäre Bauunternehmer Traver Davis verunglückte heute früh um fünf Uhr und eins, als er aus unerklärten Gründen von der Fahrbahn abkam und gegen einen Baum prallte. Jegliche Hilfe kam für den fünfzigjährigen zu spät. Traver Davis hinterlässt eine Tochter: Sheila Davis, die wohl in seine Fußstapfen treten und das Unternehmen weiterführen wird. Herzliches Beileid, wünschen auch wir vom Channel 9…

Wie gelähmt saß ich auf meinem Stuhl. Erst als Earl die Küche betrat und mich nachdenklich ansah, begann ich in Tränen auszubrechen. Innerhalb eines Wimpernschlages hatte ich meinen Vater verloren. Ich wäre beinah im Streit von ihm fortgegangen, hatte ihm nicht gesagt, wie viel er mir bedeutete und wie doll ich ihn liebte und bewunderte. Hatte ich nicht im selben Moment auf die Uhr geschaut und mir gedacht, dass ich nach Hause fahren sollte?! War das Zufall? Wie konnte es sein, dass der Mann, der zu mir immer meinte fahr vorsichtig und nicht zu schnell, nun einen Unfall baute und gegen einen Baum fuhr?
Earl streichelte sanft meinen Rücken und hielt mir den gesamten Tag die Presseleute, als auch alle eingehenden Anrufe vom Hals. Ich wollte niemanden hören geschweige denn sehen. Niemandem Rede und Antwort stehen. Fragen beantworten, auf die ich keinerlei Antwort kannte. Die Trauer, Wut und das Unverständnis brannten sich in meine Seele ein. Sie kamen in mich hereinspaziert, wie an einem Tag der offenen Tür. Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war es bereits dunkle Nacht. Meine Armbanduhr bestätigte meinen Verdacht. Es war bereits Mitternacht. Ich ging ins Bad, um festzustellen, dass ich noch beschissener aussah, als heute morgen mit meinem Kater. Ich benutzte diese praktischen Reinigungstücher und schminkte mich ab. Das erste Telefonat, das ich heute führen würde, wäre das mit dem Krematorium. Die Einäscherung sollte am Besten noch in dieser Woche stattfinden. Heute war schon Donnerstag.
Ich ging die Treppe herunter und schnappte mir das schnurlose Telefon. Wählte. Nach einigen wiederholtem Tuten, ging jemand bei Macy und Macy’s letzte Bettung ran.
„ Macy und Macy’s letze Bettung, Tina am Apparat.“
„Hier ist Sheila Davis. Es geht um den Tod meines Vaters. Er hat sich eine Einäscherung vorbehalten auf unserem Familiengrab. Direkt neben meiner Mutter Leyla Davis. Wann kann die letzte Bettung stattfinden?“
„Mein Beileid Miss Davis. Ich sehe mal eben nach. Nächste Woche Donnerstag wäre ein Termin frei… Moment Mr. Macy kommt gerade an mir vorbei….“, unterbrach sie und ich hörte wie der Hörer weitergereicht wurde.
„Miss Davis, mein Beileid. Ich könnte Sonntagabend noch einen Termin hinzufügen, wenn das für Sie in Ordnung wäre.“
„Vielen Dank. Der Termin wäre sehr… Also ich…“, setzte ich an. Klang der Termin wäre sehr passend nicht etwas zu ja ja leck mich halt, dann bekommt der Penner mal Feuer unterm Arsch?
„Gut dann werden wir alle Vorbereitungen treffen und wir sehen uns spätestens am Sonntagabend. Sollte ich noch Fragen haben, dann werde ich mich bei Earl melden.“
Er hatte aufgelegt und ich war wieder in mein Zimmer getrottet. Was sollte ich jetzt tun?
Ich überlegte mir, was ich der Presse mitteilen würde. Doch erst wollte ich in die Firma fahren. Sachen dort mussten ungehindert weiterlaufen. Ich musste mich einarbeiten. Ach egal, das würde auch noch zwei-drei Tage warten können.


4
Ich hatte der Presse mit Tränen in den Augen erklärt, dass ich nur einen kurzen Kommentar abgeben würde. Der beinhaltete nur das Datum der letzten Bettung und meine tiefe Trauer um den Verlust meines Vaters. Zu mehr war ich nicht in der Lage gewesen.

Die Tage vergingen wie im Zeitraffer. Das lag wohl ausschließlich daran, dass ich viel schlief und mir die Seele aus dem Leib heulte. Ich hatte mich zwei volle Tage im Schlafzimmer meines Vaters verbarrikadiert, mich in Embryostellung auf dem Bett zusammengekauert und geflennt wie nichts Gutes. Solch ein Verhalten hatte ich noch nie in meinen fünfundzwanzig Jahren veranstaltet. Auch Earls Bemühungen mich aufzumuntern oder gar Essen zu verabreichen, scheiterten kläglich. Als ich das erste Mal am Sonntagmorgen die Augen öffnete, sah ich in die Morgenröte. Wann hatte ich diese das letzte Mal wirklich betrachtet? Ich zog die Tagesdecke von meines Vaters Bett um meine Schultern und ging nach draußen, um festzustellen, dass es schon knallheiß war. Also ließ ich die Decke auf den Boden fallen.
Wenigstens etwas, das mich wärmte. Als ob mein Vater aus dem Himmel zu mir herabschauen würde und wollte, dass mir wieder warm wurde. Ich stand schon wieder kurz vorm Heulen, verkniff es mir aber. An diesem Tag würde es noch genügend Möglichkeiten geben in Tränen auszubrechen. Wiederwillig ging ich zurück ins Haus und duschte schnell und schlüpfte in den blauen Seidenbademantel meines Vaters.

Sonntag gegen Spätnachmittag stand ich in meinem schwarzen Armani Hosenkostüm, schlichten schwarzen Ballarina von Versace vorm Spiegel und betrachtete mich skeptisch. Ich sah mitgenommen aus, hatte tiefe Ränder unter den Augen und war sehr blass beinah wie ein Blatt Papier, so als würden mir die roten Blutkörperchen fehlen.
Ich setzte mir meinen schwarzen Hut mit einem Schleier auf und ging in Richtung Wagen. Earl war ebenfalls in Schwarz gekleidet und hatte sich die Haare zurückgegelt. Im schwarzen Rolls Royce fuhren wir in Richtung der letzten Bettung. Nur die engen Verwandten und besten Freunde waren eingeladen. Leider kannte ich niemanden von den Leuten, wie mir schien. Ich starrte den Sarg meines Vaters an. Gott er war von innen rosa. Er hatte doch immer rosa gehasst… Der Pastor hielt eine kleine Rede und dann war’s so weit. Der Sarg meines Vaters wurde aus dem Saal geschoben. Die ganzen Menschenmassen, die mir ihr Beileid wünschten, waren mir schnurzpiepegal. Nach geschlagenen dreihundertundsechs Beileidswünschen hatte ich aufgehört mitzuzählen.
Um dann endlich nach vier Stunden um zehn Uhr abends mit Earl in einem kleinen Nebenraum mit einem riesen Plasmabildschirm zu sitzen. In diesem konnten wir zusehen, wie der Sarg meines Vaters eingeäschert wurde.
Einige Zeit später bekam ich eine Urne gereicht und stellte diese zu der meiner Mutter auf unserem Familiengrab. Jetzt, nach fünfundzwanzig Jahren, waren wie wieder vereint. Eine kleine Träne stahl sich auf meine Wange. Ansonsten hatte ich kein einziges Mal geweint. Nur Earl wusste es besser. Er hatte mich ja schließlich auch betreut in meinem labilen Zustand in den Tagen vor der Beerdigung.
„Soll ich Sie alleine lassen, Miss Davis?“, hakte Earl rücksichtsvoll nach.
„Nein. Ist schon okay.“, antwortete ich stumpf und warf einen letzten Blick auf die kleine Nische mit den beiden Urnen. „Lass uns gehen Earl… Tu mir bitte nur einen Gefallen und nenn mich Sheila. Immerhin arbeitest du ja jetzt für mich.“
„Sehr wohl, Sheila.“, nickte er mir aufmunternd zu. Schweigend gingen wir zum Wagen und fuhren Richtung zu Hause, wo bereits die Presse auf mich wartete. Gott, gab es denn nichts Wichtigeres worüber sie berichten können?
Ich nahm meinen Hut ab, setzte meine Armani Sonnenbrille auf und gab Earl bescheid, dass er anhalten sollte. Wütend öffnete ich das Autofenster und das Blitzlichtgewitter und die Fragen prasselten auf mich nieder.
„Meine Damen und Herren…“, begann ich im neutralen Ton. „Ich habe gerade meinen Vater zu Grabe getragen. Dementsprechend ist auch meine Laune, verschwinden Sie bitte von hier. Es wurde bereits alles gesagt, was gesagt werden musste. Danke.“
Mein Autofenster schloss sich wieder und Earl fuhr durch das große Eisentor unserer Einfahrt, das sich mit einem kleinen ‚Kilck‘ hinter uns schnell wieder verschloss.
Earl parkte am Eingang und ich betrat mein Haus.
Das Telefon war bereits monoton am Klingeln. Also beschloss ich abzuheben.
„Davis.“
„Guten Abend Miss Davis. Ich bin Ben Urban, der Notar ihres Vaters. Mein Beileid nochmal. Ich komme am besten gleich zum Wesentlichen. Hätten Sie morgen um halb zehn Zeit um das Testament und den letzten Willen ihres Vaters Traver zu erhalten?“
„Ja.“, entgegnete ich knapp.
„Ich werde da sein.“
„Sehr wohl. Also dann bis morgen.“
Ich legte auf und begab mich in mein pink und rosa Zimmer. Doch ich fühlte mich unwohl in ihm und ging ins Zimmer meines Vaters. Traurig ging ich ins Bad und machte mich bettfertig. So kam es, dass ich tief in Gedanken versunken kurze Zeit später einschlief.


Der Wecker, den ich am Abend zuvor gestellt hatte, piepte penetrant. Nachdem ich drei Mal die Snooze-Taste gedrückt hatte, beschloss ich aufzustehen und mich für den Notar fertig zu machen. Also ging ich ins Bad und machte mich fertig. Meinen Blazer zuknöpfend erreichte ich die Küche, in der mich Earl schon mit einem Frühstück begrüßte. Pancakes mit Ahornsirup. Mein absolutes Lieblingsfrühstück. Tja, da merkt man mal wieder, dass ich eine Zuckerschnute bin.

Hungrig schlang ich vier der Pfannkuchen runter und schwor mir das Fitnesscenter noch heute zu besuchen. Etwas belustigt sah Earl mir beim Verzehr zu.
„Was?“, hakte ich kauend nach.
„Du isst endlich wieder was.“, bemerkte er.
„Du weißt, dass ich Pancakes einfach nicht wiederstehen kann!“, lachte ich, sodass Earl ausatmete.
Das war das erste Mal seit Tagen, dass ich wieder gelacht hatte.
„Lass uns zum Notar fahren, Earl.“
„Sehr wohl , Sheila.“


5
Ben Urban, der Notar unseres Vertrauens, begrüßte uns und Earl und ich ließen uns auf die angebotenen Stühle vorm Schreibtisch fallen.
„Miss Davis. Schade sie persönlich erst durch solche Umstände kennen zu lernen. Deshalb komme ich direkt zum Wesentlichen.“
„Danke.“, entgegnete ich kurz.
„Ihr Vater hat laut Testament angegeben, dass Sie seinen gesamten Besitz und Vermögen erben. Sehen Sie hier.“
Er zeigte mir ein aufgesetztes Schreiben meines Vaters und ich begutachtete nickend seine Unterschrift ganz unten.
„Earl, ihnen vermacht Mr. Davis das kleine Ferienhäuschen auf den Seychellen und eine Summe von 75.000 Dollar für ihre treuen Dienste in seinem Haus. Und… bevor ich es vergesse. Miss Davis Sie müssten hier unterschreiben, wenn Sie ihr Erbe antreten und auch Sie Earl müssten hier unterzeichnen.“
Natürlich setzte ich meine Unterschrift darunter und auch Earl tat dieses. Das Haus auf den Seychellen war eines der schönsten, das wir besaßen und hatte einen Wert von fast drei Millionen Dollar. Er hatte es sich wirklich verdient.
Earl hatte schon den Raum verlassen, als mich Mr. Urban noch einmal zu sich rief.
„Dieser Brief ist noch für Sie, Miss Davis. Ihr Vater wollte, dass Sie diesen erhalten.“
„Vielen Dank Mr. Urban.“, bedankte ich mich, steckte den Briefumschlag in meine Blazerinnentasche und verließ das Gebäude.
Earl saß schon in meinem Rolls Royce und wartete auf mich.
„Nach Hause Sheila?“, fragte er mich.
„Nein. Fahr mich doch bitte in die Firma und Earl du weißt schon, dass du in Ruhestand gehen könntest? Du musst nicht mehr für mich arbeiten, das weißt du oder?“
„Sehr wohl und ja, das weiß ich. Aber ich habe deinen Vater jahrelang begleitet und werde es jetzt auch für dich tun, wenn du es wünscht. Erst dann werde ich in meinen wohlverdienten Ruhestand gehen.“
Mit diesen Worten für er an und scherte in den regen Verkehr der Großstadt ein.

Er hielt am Straßenrand und bat mich darum mich zu melden, wenn ich abgeholt werden wollte. Ich bedankte mich höflich und schritt in meine Firma.
„Sheila.“, gegrüßte mich Luciana freundlich.
„Mein Beileid noch mal. Aber es gibt was Wichtigeres für dich. Omar Hatschi, hält gerade eine Versammlung und will dafür sorgen, dass du deine Firma verlierst und er den Vorsitz erhält. Saal acht im 28. Stock.“, rief sie mir zu.
Ich würde sie befördern, wenn das gut ging. Aber jetzt hatte ich erst recht einen Grund den Kerl zu feuern. Zuparken war eine Sache, aber die Geschäftsführung stürzen, während diese einen Verlust betrauerte, war etwas anderes! Etwas ganz anderes!
Ich stampfte in Richtung Aufzug und brachte noch Luciana ein kleines ‚Danke‘ entgegen.
Nachdem ich beinah zwei geschlagene Minuten das Gedudel des Fahrstuhls ertragen musste, erreichte ich den 28. Stock, stand vor der Saaltür und lauschte.
„..erachtet es nicht für notwendig sich zu kümmern. Die kennt sich nicht hier aus. Geschweige denn hat sie hier jemals auch nur hereingeschaut…“, weiter kam Omar Gesundheit nicht mehr, denn ich knallte die Tür mit einem lauten Knall auf.
„Entschuldigen Sie meine Störung die Herren und Damen, aber ich habe leider kein Schreiben erhalten, in dem stand, dass über meinen Kopf hinweg diskutiert wird, ob ich für den Job als Geschäftsinhaberin geeignet bin oder nicht.“, begrüßte ich alle Leute, die mich geschockt anstarrten.
„Ich danke Ihnen Herr Hatschi für Ihre Schilderung der Dinge. Erinnern Sie mich doch bitte daran einigen eine Gehaltserhöhung zu geben!“, sagte ich nun nachdrucksvoll.
„Sie sind Sheila Davis?“, hakte Mr. Gesundheit nach.
„Sieht wohl ganz danach aus! Bringen Sie mir schleunigst die Unterlagen und alle wichtigen Kontaktinfos zu den momentanen Aufträgen. Außerdem möchte ich Einsicht in die Konten bekommen und die wichtigen Bilanzen. Und Mr. Hatschi am besten schon gestern… Und nun zum Rest der anwesenden Meute. Gehen Sie wieder an ihre Arbeit. Ich will an meinem ersten Tag hier nicht direkt Leute entlassen müssen!“
Sofort löste sich die Sitzung auf und alle begaben sich zurück zu ihren Arbeitsplätzen. So ist’s recht, dachte ich.
Ich drehte mich um und ging in Richtung Fahrstuhl. Der 29. Stock stand immerhin schon seit einiger Zeit leer. Bis jetzt zumindest. Ab heute würden hier neue Zeiten anbrechen!
Im 29. Stock angekommen wurde ich von der vollbusigen Assistentin meines Vaters begrüßt. Verräterin. Ich hatte sie neben Omar stehen gesehen. Sie musste die Treppe genommen haben, um vor mir hier zu sein. Ich ließ mir jedoch nichts anmerken. Mal sehen, wie arschkriecherisch die jetzt war.
„Miss Davis?“, fragte sie nach.
„Ja und wer sind sie?“
„Ich bin Natascha Doyle. Ihre persönliche Assistentin.“
„Ach so. Freut mich…“ –nicht wirklich- „…Ich möchte nicht gestört werden. Es sei denn Mr. Hatschi möchte mir die Unterlagen bringen, die ich von ich von ihm angefordert habe.“
„Ja, Miss Davis. Selbstverständlich.“
„Ach und Miss Doyle… Ich bitte darum, dass Sie sich morgen möglichst dezent kleiden.“
Ich schloss die Tür. Diesen Spruch musste ich jedoch noch da lassen. Sie sollte ruhig wissen, dass ich sie nicht mochte. Außerdem würde ich schon eine Möglichkeit finden, um sie fristlos zu entlassen.
Kaum hatte ich mein Büro betreten, da klingelte schon mein Telefon. Hatte ich der Schnepfe auf der anderen Seite der Tür nicht angewiesen, dass ich meine Ruhe wollte?
„Sheila Davis.“, meldete ich mich.
„Ich habe noch Unterlagen, die ich ihnen via Data zukommen lasse. Sie müssten in den Mailport ihres Vaters schauen.“
„Gut. Und Mr. Hatschi… verspielen Sie es sich besser nicht noch einmal mit mir.“
Ich legte auf und öffnete meinen Blazer um diesen über die Stuhllehne zu hängen. Da fiel mir wieder der Brief meines Vaters ein. Ich zog ihn hervor und sah ihn erwartungsvoll an.
Vor Schreck, ließ ich ihn nach wenigen Zeilen auf den Tisch fallen und sank in den bequemen Bürosessel.
Die ersten Zeilen musste ich erst einmal verdauen:
Sheila,
meine über alles geliebte Tochter, wenn du diesen Brief bekommst, werde ich nicht mehr unter den Lebenden weilen. Du solltest aber wissen, dass ich immer zu dir aufgesehen habe. Du hast dein Studium mit 1,1 abgeschlossen und mich zum stolzesten Vater auf Erden gemacht. Selbst deine Tiraden und Rosaphasen hab ich über mich ergehen lassen. Und mein kleiner Engel, du weißt nur zu gut, dass ich die Farbe nicht ausstehen kann. Ich musste also vieles von dir erdulden und dennoch habe ich nie aufgehört dich zu lieben.

Ich brach ab. Und es dauerte einige Minuten ehe ich mich wieder gefasst hatte. Gott wie ich diesen Mann geliebt hatte und er mich. Mein Dad, so fremd und doch so nah.
Ich las weiter:

Mach dir keine Sorgen um mich, denn ich bin endlich wieder vereint mit diener Mutter, meiner großen und einzigen wahren Liebe neben dir. Sheila, ich habe Vertrauen in deine Fähigkeiten und du wirst eine würdige Nachfolgerin meiner sein. Wie drücktest du es stets aus: Ich werde das Kind schon schaukeln?
Mein geliebter kleiner Engel treuere nicht zu lange um mich. Sondern feiere dein Leben und finde endlich den Mann fürs Leben. Vielleicht klopfst du ja bald mal an seine Tür oder er gar an deine. Du hast dein Leben noch vor dir, meine Süße. Lebe es! Deine Mutter und ich sehen dir von da oben, wo die Wolken sind zu und wachen über dich.
Ich liebe dich mein kleiner Engel und vergiss mich niemals.
In all der Liebe, die ich für dich hege und noch viel mehr...

Dein Dad


6
Ich blinzelte die Tränen weg, so gut ich nur konnte. Ich wusste, dass er mich geliebt hatte, doch dass er mich sogar als ein Vorbild sah…. Seine eigene Tochter. Ich hatte außer meinem Abschluss noch nie etwas wirklich Wichtiges berissen bekommen.
Doch war ich zuvor mit Skepsis und Wut ans Werk hier im Unternehmen gegangen, so hatte sich das gänzlich geändert. Ich würde meine Seele und mein Herz für diese Firma opfern. Das Letzte, was meinem Vater viel bedeutet hatte und mir überlassen worden war. Ich würde es hegen und pflegen. Manchmal hatte ich das Gefühl verspürt, dass er seine Arbeit mehr liebte als mich. Daher kam wohl auch mein Rebellendasein. Jetzt und hier würde es enden und ich würde meinen Eltern und auch allen anderen zeigen, was in mir steckte.
Mit dieser neugefundenen Motivation begann ich die Unterlagen nach und nach durchzugehen.
Als mir nach geschlagenen vier Stunden beinah die Augen zufielen, fiel mir endlich eine Kostenstelle ins Auge, die irgendwie nichtssagend war:
Zwei Anwesen wurden bebaut, doch weder Adressen noch Architekturpläne waren aufzufinden. Selbst die verdammte Kontonummer konnte nicht stimmen. Laut dieser kam das Geld aus der Schweiz, doch beim zweiten dann auch schon wieder woanders her. Immer eine andere Bank oder ein anderes Land. Komisch. Wer zahlte denn so?
Ich suchte mich fuchsig und fand außer einem Namen und einer lausigen Telefonnummer rein gar nichts. Das war noch komischer. Mr. Smith, hieß der Bauauftraggeber. Super nur jeder Dritte heißt Smith mit Nachname, witzelte ich. Egal. Nähere Infos…
Alexander Smith.
Telefon: 123-4567890 [;)]

Super das sind ja ganz viele Infos. Wer ist der bearbeitende Mitarbeiter? Ashley Gee und… mein Dad?!
Huch. Die anderen Kostenstellen hatten aber genauere Bankverbindungen und auch Baupläne. Ich würde wohl oder übel die Mitarbeiterlisten durchsuchen müssen, damit ich Ashley Gee einen Besuch abstatten konnte. Immerhin flossen verdammt hohe Summen hin und her.

Ich sah die Mitarbeiterlisten durch. Ashley Gee arbeitet auf der 22. Etage. Gut. Der Dame würde ich gleich mal einen Besuch abstatten. Doch vorher kurz durchklingeln. Vielleicht konnte sie mir auch so Infos geben.
„Miss Doyle, verbinden Sie mich doch bitte mit Ashley Gee im 22. Stockwerk. Danke.“
Die Wartemusik erklang. Gott ich sollte veranlassen die zu ändern. Mozart war ja mal sowas von out. Wie wär‘s stattdessen mit David Guetta-Sexy Bitch oder Sindey Samson-Riverside Motherf*cker? Na wenn ich dann den Ausdruck meiner Klienten sehen könnte wäre das wohl echt cool, leider aber musste ich mich professionell verhalten. Außerdem wollte ich, dass das Unternehmen weiterhin sehr gewinnbringend arbeitete. Also würde die Musik wohl oder übel bleiben müssen.
Noch immer nahm niemand ab. Wütend knallte ich den Hörer auf die Gabel. Ich müsste in ihr Büro gehen müssen.
Ich ging an meiner persönlichen Sekretärin vorbei und drückte den Fahrstuhlknopf. Als der Fahrstuhl sich öffnete und darauf schnell wieder schloss, war ich froh. Ich wollte schnell die ganze Angelegenheit hinter mich bringen. Warum waren so große Summen erst zu uns transferiert worden und kurz darauf wieder ausgegeben? Außerdem waren keinerlei Angaben wofür das Geld ausgegeben wurde und wo die neuen Gebäude entstanden waren oder nach den Daten zu urteilen noch entstanden!
Die Fahrstuhltüren öffneten sich und ich stieg noch in Gedanken aus. Ich suchte das Büro von Ashley Gee und fand es schnell. Es war das einzige, in dem kein Licht brannte.
„Miss Gee?“, fragte ich nach.
„Miss Davis!“, entgegnete eine Frauenstimme hinter mir, sodass ich kurz zusammenzuckte und mich dann zu der Frau umdrehte.
„Ashley Gee?“, fragte ich mit einer Augenbraue hochgezogen.
„Ja.“
„Ich hätte da einige Fragen an Sie wegen dem Smith-Auftrag. Alexander Smith.“
„Den hat ihren Vater hauptsächlich übernommen. Die Herren wollten es diskret halten. Ich weiß nicht viel darüber. Nur, dass das Geld immer pünktlich kommt und die Herren sehr gut und übertariflich bezahlen.“
„Haben Sie denn die Auftragsgeber mal zu Gesicht bekommen, Miss Gee.“
„Nein, tut mir Leid. Nur ihr Vater hat mit ihnen persönlich gesprochen. Meistens außerhalb.“
„Danke Miss Gee.“
„Seit drei Wochen eigentlich Mrs. Gee. Ich habe gerade erst geheiratet, Chef.“
Ich lachte. So hatte mich hier noch niemand genannt. Ich mochte die nette Mrs. Gee, auch wenn sie mir nicht so recht weiterhelfen konnte.
„Danke. Aber Chef müssen Sie mich nun wirklich nicht nennen.“
Anscheinend verstand sie jetzt warum ich am Lachen war.
„Auf Wiedersehen.“
„Bye.“
Ich beschloss Schluss zu machen für heute. Immerhin war es schon dunkel geworden. Also wählte ich mit meinem immer noch rosa Blackberry die Nummer von Earl. Er sollte schon mal losfahren. Gott ich würde alles rosa und pinke ausrangieren. Mein Dad hatte die Farben gehasst. Mittlerweile und vor allem seit seinem Brief an mich, hasste ich sie auch! Mit diesen Gedanken fuhr ich nach oben, holte meinen Blazer, verschloss mein Büro und wünschte Miss Doyle, meiner Sekretärin einen schönen Feierabend. Als ich erneut im Fahrstuhl stand und auf meine Uhr sah, war es bereits sieben Uhr abends. Na toll. Auch noch Überstunden gedreht. Ein Abstecher ins ‚Lasercraft‘ musste sich Earl aber noch antun.
Komisch war das aber doch schon mit dem Smith-Auftrag. Keinerlei nähere Infos. Nur große Geldmengen, die ausgegeben und überwiesen wurden. Wer war zu solcher Verfälschung denn nur möglich? Oh Gott, die Mafia? Hatte sich mein Dad auf die Mafia eingelassen, die ihre Gelder durch unser Unternehmen waschen konnte? Gleich morgen würde ich nachschauen und nachhaken gehen. Das durfte einfach nicht sein!
Erst durch ein Räuspern wurde ich darauf aufmerksam, dass sich noch jemand mit mir im Aufzug befand.
Ich sah auf und entdeckte Thor Swithin. Huch wo kam der denn her? Und warum sah er so heiß aus?
„Mr. Swithin!“
„Miss Davis!“
„Ich hab gar nicht mitbekommen…“, begann ich brach jedoch ab, weil ich es peinlich fand. So in Gedanken gewesen war ich noch nie. Hatte der Fahrstuhl irgendwo gehalten? Ich hatte nichts bemerkt.
„Ich war eben im 22.“
Das erklärte einiges.
„Freut mich.“
„Ebenso.“, entgegnete er lächelnd.
„Sie waren so in Gedanken. Ich hatte Sie schon für hirntot gehalten.“, witzelte er nun.
„Ha, ha. Selten so viel gelacht. Ich hab halt momentan sehr viel um die Ohren.“, entgegnete ich trocken und rechthaberisch. Upps. War das Sarkasmus gewesen?
Er lächelte mich an.
„Hab ich mir schon gedacht. Tut mir übrigens leid mit Ihrem Vater. Er war eine nette und starke Persönlichkeit.“
Verdutzt sah ich ihn an.
„D-danke. Ja das war er. Sie kannten ihn?“
„Ich hatte ein par Mal geschäftlich mit ihm zu tun.“
„Verdammte Scheiße….“, tobte ich, als ich ein Video im Internet sah, indem ich ein Interview gab. Ich sah voll scheiße aus.
„Ist was Wichtiges passiert?“, hakte Thor Swithin nach.
„Ja, sehen Sie mal. Ich sehe doch wohl mal sowas von scheiße aus. Also vor einer Woche wäre ich so niemals vor die Kamera gegangen. Mist Debby die Tratschtante wird das wieder platttreten, wie einen Pizzateig.“, fluchte ich.
„Ach kommen Sie so schlimm ist es doch nicht! Ich find’s recht süß. Außerdem glaube ich kaum, dass andere Frauen so aussehen, nachdem sie erfahren haben, dass ihr Vater umgekommen ist. Die sehen viel beschissener aus. Sie einfach nur süß und ein wenig hilflos.“, stellte er fest.
Ich zog eine Augenbraue hoch und sah ihn argwöhnisch an.
„Was?“, hakte er nach.
„Thor, Sie sind ein Charmeur! Aber wissen Sie was… ich mag das! Danke. Jetzt fühle ich mich immerhin etwas besser.“
„Also ist das heute schon eher ihr Tag?“
„Jain!“
Jetzt zog er eine Auenbraue hoch und sah mich komisch an.
„Wir sind da.“, entgegnete ich knapp, mich unter seinem Blick windend.
„Ja.“, entgegnete er und machte die Ladys-first Geste. Was für ein Gentleman. Das nenne ich drei zu null für ihn.
„Hey Sheila!“, begrüßte mich Luciana, die Rezeptionistin.
„Hey Luciana.“, entgegnete ich und wank ihr zum Abschied zu.
„Dein Freund? Netter Fang!“, entgegnete sie stattdessen.
„Willst du uns gar nicht bekanntmachen?“
Abrupt blieb ich stehen und sah ihr hämisches Lächeln. Supi. Ich hasste sie wirklich.
„Luciana, das ist ni…“, setzte ich an, wurde jedoch jäh durch Thor Swithin unterbrochen:
„Ich bin Thor und du?“
Luciana starrte ihn nur geistesabwesend an und gab dann ein leises kaum hörbares ‚Luciana‘ von sich. Sie fand ihn also heiß? Gott, er sie etwa auch? Supi!
„Ja hat mich gefreut, dass ihr euch nach so langer Zeit auch mal kennenlernt. Ich hab noch was anderes vor. Earl wartet eh draußen schon auf mich.“
War das etwa Schmerz in meiner Stimme. Nein, wohl eher gekränkter Stolz. Doch Thor richtete seinen Blick wieder auf mich.
„Dein Freund? Oder Date? Doch nicht dein Ehemann oder?“, hakte er interessiert nach.
Ich sah ihn überlegen lächelnd an.
„Naja, was soll ich sagen…“, entgegnete ich und zuckte mit den Schultern.
„… Ich kenne ihn seit dem ich im Sandkasten war. Mein Vater…“, weiter kam ich nicht.
„Du bist verheiratet, echt?“, hakte er nun sichtlich verwirrt nach.
„Nein du Dummerchen! Ich war immerhin noch nicht ganz fertig. Er ist seit dem Sandkasten unser privater Buttler.“
Atmete er etwa sichtlich erleichtert aus?
„Wieso interessiert es dich ich meine Sie eigentlich?“
„Mich interessiert es, weil ich gerne mit Ihnen ausgehen möchte und ich keine Lust auf einen amoklaufenden Ehemann habe. Wobei ich das für Sie wohl in Kauf nehmen würde.“
„Wie romantisch….“, gab Luciana ihren Senf dazu.
„Gott, ich glaube ich übergeb mich gleich.“, witzelte ich, jedoch gespielt ernst, sodass Thor mich komisch ansah.
Jetzt, da ich seinen Blick sah, brach ich in Gelächter aus.
„Ich bin übrigens Sheila.“, lachte ich.
„Thor.“
„Gut ich fand das Gesiezte nämlich total nerv tötend. Diesen Punkt werde ich bei der nächsten Versammlung auch mal ansprechen. Bis Morgen Luciana.“
„Bye, Sheila! Auf Wiedersehen Thor, hat mich gefreut.“

Ich trat vor die Drehtür und ein eiskalter Windstoß umwehte mich. Wieso war es denn aufmal so kalt. Immerhin war es Mitte Juli. Earl ging gerade um den Wagen und hielt mir die Tür zur Rolls Royce Limousine auf, als Thor neben mich trat und Earl kurz stoppte.
„N’Abend Earl.“
„Miss Davis.“
„Wie oft denn noch? Sheila. Earl mein Name ist Sheila.“
Er nickte kurz und sah dann feindselig zu Thor, wie mir schien. Doch der schien es gar nicht zu merken und lächelte mich stattdessen an.
„Ähm… Hast du schon was vor?“, fragte ich zurückhaltend.
„Nein. Willst du mich etwa auf einen Drink einladen?“
„Ja.“
„Na wenigstens mal eine Frau, die weiß was sie will!“
„Das werte ich als ein ja?!“
„Klar, aber nur, wenn ich dich einladen darf. Eine Dame muss niemals zahlen.“
Er zwinkerte mir zu und zusammen gingen wir in Richtung Limousine. Earl jedoch bat mich zur Seite.
„Miss Davis, bei aller Liebe. Wissen sie wer oder was der Kerl da ist?“
„Nein Earl. Das versuche ich noch für mich zu beantworten und dennoch ist es nicht deine Angelegenheit. Fahr uns bitte einfach nur zum ‚Lasercraft‘ und spiele nicht meinen Daddy.“
Ich dachte ein leises Lachen aus dem Innenraum des Wagens vernommen zu haben, doch das konnte nicht sein. Also setzte ich mich zu Thor, der momentan wie ein Gott auf der Sitzbank thronte und lächelte ihn warm an.
Wir führten leichten Smalltalk, doch nach einiger Zeit ging das sowohl mir als auch ihm sichtlich auf den Keks.
Schließlich erreichten wir das ‚Lasercraft‘.
„Earl ich nehme mir später ein Taxi. Immerhin möchte ich dich nicht um deinen Schönheitsschlaf bringen.“, warf ich ihm beim Aussteigen entgegen.
„Trägst du deine Haare eigentlich immer im Zopf?“
„Und du?
Ich begann zu lächeln, zog mein Haarband aus den Haaren, schüttelte meine Haare kurz und sah dann wieder zu Thor.
„Wow. Steht dir besser. Sieht nicht so streng aus!“, lobte er mich und tat es mir gleich. Seine Bewegungen sahen sehr feminin aus, doch selbst seine langen offenen Haare, die ihm bis zu den breiten, muskulösen Schultern in einem dunkelblauen Seidenhemd reichten, ließen ihn maskulin wirken. Es waren seine Gesichtszüge, die hart, kantig und markant waren. Auch seine breite Stirn und gerade Nase passten perfekt in sein Gesicht. Seine grünen Augen musterten mich kritisch. Upps. Ich hatte ihn angestarrt. Peinlich.
„Öhm… Also ich habe noch nie einen Mann gesehen, dem lange und vor allem offene Haare so gut stehen, wie dir.“
Ein kleines Lächeln war sine Antwort auf mein beinah lächerliches Kompliment. Er war Gott persönlich! Zumindest kam es mir so vor. Und wenn nicht Gott, dann wenigstens ein Bote. Ein Engel. Ein Engel mit geheimnisvollen grünen Augen.
„Thor alte Socke.“, begrüßte jemand Thor und holte mich zurück in die Realität.
„Hey Brüderchen. Alokay.“, entgegnete dieser.
Ich drehte mich zu den beiden Männern um und erschrak ein wenig. Denn mir gegenüber stand ein blondhaariger blauäugiger Mann und ein Abbild des Mannes, den ich echt heiß fand. Gott es gab sie gleich im Doppelpack! Wo kann man sich hier einschreiben? Ich will mindestens einen von den beiden!
„Hey, wer ist denn die Süße?“, hakte Thors Abbild nach und ich fand auch meine Sprache wieder. Ich war ja noch nie auf den Mund gefallen.
„Ich bin Sheila Davis.“
„Alokay Vittec. Aber Alokay reicht vollkommen!“
„Freut mich.“
„Ich bin, wie du vielleicht schon bemerkt haben wirst sein kleiner Bruder. Ich bin Xylon Swithin.“
Ich schüttelte Hände und lächelte freundlich. Ich wollte auf gar keinen Fall gleich die Freunde und den Bruder meines Traummannes vergraulen.
„THOR!“, rief eine Frauenstimme, welche ich als Debbys identifizierte. Na toll, das hatte mir noch grade gefehlt. Eine Konkurrentin. Wobei Xylon konnte sie gerne mitnehmen. Er war ganz nett, doch von der Art her war es eher Thor den ich mochte.
„Deb. Hey!“, entgegnete Thor zähneknirschend.
„Warum hast du mich nicht zurückgerufen?“
Thor sah seinen Bruder flehend an, während diese eher wunderlich dreinschauten.
„Was machst du mit dieser Schlampe Sheila hier? Letztens findest du noch meine Haare offen besser als geschlossen und kloppst eine Schmeichelei nach der anderen und heute willst du meine ex-beste Freundin vögeln? Ich kann das besser als Sheila. Sie hat kaum Erfahrung mit dem männlichen Geschlecht. Sie ist fast wie eine Nonne. Nimm mich. Komm schon. Außerdem bin ich eh hübscher als Madame Almosen da!“
„Debra du solltest besser gehen. Deine Meinung ist hier fehl am Platz. Außerdem bist du fehlinformiert. Ich habe vor einer Woche nicht mit dir geschlafen. Du warst zu betrunken und ich habe dich in ein Taxi gesetzt.“, rechtfertigte sich Thor. Lügner. Aber immerhin hatte er es versucht.
„Jetzt geh und vergiss mich ganz schnell wieder.“
Sie tat dieses. Drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging. Kein bissiges Wort folgte. Nein, sie ging als hätte jemand den Befehl in ihren Kopf gepflanzt. Wie gruselig.
„Vier Augen.“, entgegnete ich kurz angebunden. Thor folgte mir in eine kleine abgelegene Sitznische.
„Ich will mich ja nicht wie deine eifersüchtige Freundin aufführen, aber was war das grade? Debby? Sie ist meine beste Freundin oder war es zumindest bis vor kurzem.“
„Sheila, ja sie hat mich angegraben und ich dachte, naja was soll‘s, doch dann hat sie noch mehr getrunken. Ich meine du hast sie doch an dem Abend erlebt. Sie war voll und fertig mit der Welt. Draußen hat sie mir auf meine guten Schuhe gekotzt. Daraufhin hab ich sie in ein Taxi gesetzt.“
Er log. Das wusste ich. Ich sah es in seinem Blick und an seiner Gestik. Egal. Ich fand ihn heiß. Naja und vielleicht war es ja nur bis zum Fummeln zwischen den beiden gekommen. Nicht weiter. Warum führte ich mich eigentlich gerade auf wie eine eifersüchtige und betrogene Freundin. Ich musste ihn ja wohl mal sowas von verschrecken.
„A-also…“, setzte ich an.
„Sieh mich an Sheila.“
„Also irgendwie ist mir das jetzt grade ziemlich peinlich. Ich führe mich wie deine Freundin auf. Das bin ich aber nicht folglich habe ich auch kein Recht zu wissen was zwischen euch beiden war. Selbst wenn, dann wäre das euer Ding… Scheiße. Tut mir echt leid…. Ich weiß auch nicht…“, weiter kam ich nicht, denn Thors Lippen landeten sanft auf meinen. Oh… Mist, was wollte ich noch gleich sagen? Ich klinkte mein Gehirn aus und stellte fest, dass der Mann ein exzellenter Küsser ist. Gott seine Zunge war das Gegenstück zu meiner und der Tanz, den die beiden ausführten, war unbeschreiblich.
Nach einer Weile ließ er von mir ab und keuchend stellte ich meine Atemnot fest. Noch peinlicher. Ich hatte das Atmen vergessen. Debby hatte wohl recht. Ich war etwas eingerostet, was Männer und Dates anging. Aber egal. Ich würde das Kind schon schaukeln!
„Alles okay?“, hakte Thor lächelnd nach.
„Ja. Anscheinend bin ich echt eingerostet!“, gab ich kleinlaut zu. Besser als eine peinliche und beklemmende Stille.
„Das mag ich an dir. Immer direkt! Aber eingerostet würde ich das Inferno eben nicht nennen. Eher in der Tat atemraubend.“
„Nett ausgedrückt. Ach so, wollte ich schon die ganze Zeit sagen: Dein Kumpel Alokay ist echt witzig und dein Zwillingsbruder ist auch super nett.“
Ich zwinkerte ich Thor zu.
„Ja. Sind sie und nerv tötend. Zumindest auf die Dauer. Ich wohne mit ihnen und einigen anderen Freunden zusammen“
„Du wohnst in einer Männer-WG?“
„Ich bin nicht schwul!“
„Nicht?“, hakte ich nach.
Er küsste mich noch einmal innig. Nein, definitiv hetero.
„Okay, okay… Wie viele seid ihr denn und welches Alter?“
„Also da wären Raven, Ace, Alokay, Xylon und unser Leader Sly.“
„Euer Leader?“
„Ja. Er macht unsere Finanzen und ist der, der das große Sagen hat, zumindest im Notfall.“
„Ah. Ist denn gar keiner der Männer verheiratet?“
Nein. Vasco unser Kumpel, der seit einiger Zeit wieder in Spanien lebt hat eine Frau, aber der Rest ist Single.“
„Ah. Und euer Alter? Der Frage gehst du tunlichst aus dem Weg. So kenne ich das eigentlich nur von Frauen, die sich für zu alt halten. Ich bin 25.“
„Eine Person ist immer so alt, wie sie sich fühlt. Ich fühle mich wie 27. Die Anderen zwischen 25 und 30.“
„Da du weißt, dass ich ein Bauimperium führe… Was machst du beruflich?“
„Ist dir Geld wichtig?“
„Hä?“
„Ob es dir wichtig ist, dass ein Mann Geld besitzt oder nicht?“
„Wieso sollte es? Ich bin zwar manchmal oberflächlich… Zumindest was meine Kleidung angeht, aber ich habe ja genug Geld folglich ist es mir schnuppe ob ein Mann vermögend ist oder nicht. Außerdem bin ich doch nur an dir interessiert. Deswegen will ich wissen, was du so in deiner Freizeit treibst und der Job gehört nun mal dazu.“
Er nickte.
„Du willst mich also näher kennenlernen?“
„Ja. Du mich etwa nicht?“, fragte ich mit leicht verwirrtem Blick. Wollte er mich etwa nicht kennenlernen?
„Nein.“, entgegnete er steif.
Mir fiel die Kinnlade gefühlt bis auf den Boden. Okay, warum saß ich immer noch hier und starrte ihn fassungslos an? Ich sollte mein letztes bisschen Selbstachtung und Stolz zusammenkratzen und mich verdrücken. Ich war gerade im Begriff auszustehen und eine bissige Antwort zu geben, als er begann zu lachen.
„Entschuldige. Ich konnte der Versuchung nicht wiederstehen. Außerdem hatte ich am Anfang nur einen Gedanken: Dich in mein Bett zu bekommen.“
„Ehrlich gesprochen.“
„Du warst auch immer ehrlich zu mir. Warum sollte ich also lügen. Ich mag dich. Jetzt hat sich mein Plan geändert. Ich will dich zwar immer noch ins Bett kriegen, doch das mit dem Kennenlernen und allem drum und dran steht jetzt im Vordergrund.“
Zweifelnd sah ich ihn an. Ja klar. Er musste nicht lange warten, bis sich die Frauen ihm zu Füßen warfen. Er konnte kriegen welche er wollte. Jede Frau in diesem Club starrte ihn an und hoffte darauf, dass er mich in die Wüste schickte, damit sie selbst meinen Platz einnehmen könnte. Wütend über meine Gedanken und seine eindeutig zu ehrliche Antwort, drehte ich mich um und ließ ihn stehen. Verarschen kann ich mich auch allein!
Aber ich kam nicht weit. Schon hatte Thor mich von hinten um meine Mitte umklammert und zig mich an seine muskulöse Brust. Okay so egal, wie ich gedacht hatte, schien ich ihm wohl doch nicht zu sein.
„Geh nicht. Lass uns tanzen oder etwas Trinken.“
Mein Blick schwenkte zu meiner Armbanduhr. Oh man es war schon halb elf?
„Ich beantworte auch gerne die Frage mit dem Job.“
Scheiß drauf. Halb elf oder nicht. Ich wollte die Infos.
„Ich bin Architekt, zumindest manchmal. Das war auch einer der Gründe warum ich deinen Vater kannte. Momentan mach ich verschiedene Jobs. Mal in der Schädlingsbekämpfung, mal rette ich Leben und mal bin ich als Vermittler unterwegs. Ich habe viele Jobs.“
„Hmmm.“
„Was denkst du?“
„Ich weiß nicht. Ich mag dich. Ich mag diene Art. Du bist naja heiß trifft es nicht ganz. Du… ach keine Ahnung.“
„Du findest mich nicht heiß?“, witzelte er.
„Nein.“
„Echt?“
„Nein. Unecht!“
„Sheila.“
„Was? Thor ich rede mit dir so offen, wie ich teilweise noch nicht einmal mit meinen festen Freunden geredet habe und wir kennen uns wie lange? Vier Stunden und haben uns zwei Mal getroffen? Außerdem bin ich so eifersüchtig auf jede Frau, die du länger ansiehst als eine Millisekunde. Ich bin schlimmer als ein besitzergreifendes Klammeräffchen! Und schon wieder bin ich zu ehrlich um wahr zu sein.“
„Ich mag das an dir. Meistens verstellen sich die Frauen mir zur Liebe. Hoffen mich so zu beeindrucken und du, du bist einfach nur du selbst. Geh mit mir aus! Hast du morgen Abend schon was vor?“
„Nein.“, entgegnete ich niedergeschlagen.
„Nein du hast schon was vor oder nein du gehst nicht mit mir aus?!“
„Beides?“
„War das eine Frage, Sheila oder eine Antwort?“
„Ja.“, mit diesen Worten küsste ich ihn. Gott Thor war doch sonst nicht so schwer von Begriff, wenn man ihn hochnahm.
„Thor?“, räusperte sich eine männliche Stimme.
Wiederwillig ließen wir von einander ab. Ich drehte mich zu dem Mann und erschrak. Ein bestimmt zwei Meter großer, schwarzhaariger Mann mit einer riesigen Narbe quer durchs Gesicht starrte mich mit seinen pechschwarzen leblosen Augen an.
„Sheila, darf ich vorstellen. Das ist Sly Wemyss. Sly das ist Sheila Davis.“
Sly nickte nur und sah Thor streng an.
„Entschuldigt die Störung, aber es gibt mal wieder einen Schädlingsbekämpfungsfall.“
„Ich komme Sly. Tut mir leid Sheila. Wir sehen uns morgen Abend sagen wir um acht an deiner Firma?“
Ich nickte und erwiderte seinen Abschiedskuss kurz. Dann spürte ich einen kleinen Kopfschmerz, der jedoch so schnell vorüber wie er gekommen war.
Was für eine Ausdrucksweise? Schädlingsbekämpfungsfall. Kein normaler Mensch nannte das Beseitigen von Schädlingen so. Und damit meine ich wirklich niemand. So wie Sly gekleidet gewesen war, machte es eher den Anschein, dass Thor zur Mafia oder so gehörte. Was lächerlich war, oder? Schädlingsbekämpfung, Vermittler und Lebensretter? Gott, das traf ja mal sowas von auf die Mafia zu. Außerdem war es eine Kerle-WG und Alokay und Xylon waren auch in schwarz gekleidet gewesen. Oh, ich sollte den Kontakt zu ihm abbrechen, bevor ich noch ins Schussfeld geraten würde.


7
Den Gedanken an die Mafia hatte ich schnell verdrängt und mir ein Taxi bestellt, das mich nach Hause bringen sollte und es auch anschließend tat.
Ich betrat die Villa und schwupps waren die in Thors Nähe vergessenen Sorgen um den Tod meines Vaters wieder da. So als ob jemand einen Schalter umgelegt hatte. Ich begab mich in mein Zimmer. Ich kramte den Brief meines Vaters hervor und las eine Zeile immer und immer wieder:

Selbst deine Tiraden und Rosaphasen hab ich über mich ergehen lassen. Und mein kleiner Engel, du weißt nur zu gut, dass ich die Farbe nicht ausstehen kann.

Ich würde alles, was rosa war ausrangieren. Egal ob Kleider, Möbel, Autos oder meine geliebten Schuhe und Handtaschen. Alles in rosa würde im hohen Bogen rausfliegen. Gleich morgen würde ich mich ans Werk machen. Selbst wenn ich selber streichen müsste. Alles in der Farbe sollte verbannt werden! Ich legte mein Blackberry auf den Nachtschrank, doch zuvor hatte ich es von seinem rosa Mantel befreit. Gut so, sprach mir mein Verstand Mut zu. Die Schiebetür zu meinem eigenen Balkon öffnete ich, damit die frische Brise mein muffiges Zimmer frisch machte. Ich ging ins Bad und drehte die Dusche auf. Schnell befreite ich mich von meinen lästigen Klamotten und stellte mich unter den lauwarmen Strahl. Ich seifte mich gerade mit Kokosshampoo ein, als ich eine Silhouette in meinem Augenwinkel wahr nahm. Doch als ich mich in die Richtung drehte, war dort nichts als Leere. Also wusch ich mir die Seife aus dem Gesicht und den Haaren, stellte die Dusche ab, wickelte mich in ein weißes Handtuch und ging auf den Balkon. Die Brise war kühl auf meiner Haut und ich begann zu frösteln. Wieder in meinen vier Wänden, schloss ich die Schiebetür, zog die Jalousie herunter, die mein Zimmer von der Außenwelt abschirmte. Als ich mein Licht ausknipste, das Handtuch fallen ließ und unter meine Decke kroch, hatte ich das ungute Gefühl beobachtet zu werden. Doch das verschwand schnell wieder, nachdem ich meine schloss und eingeschlafen sein musste.
Ich rannte. Nichts. Es war schon zu still um wahr zu sein. Totenstille. Immer und immer wieder drehte ich mich um die eigene Achse. Nichts außer Schwärze. Wo war ich nur?
Das einzige, das mir half nicht den Verstand zu verlieren, war ein Gedanke. Ein Gedanke an einen Mann. Ich sah Thor. Jetzt löste sich die Schwärze auf und ich war im Paradies gelandet. Zumindest musste ich dort sein. Doch ein kleiner Teil wurde wieder schwarz. Schwarzer Nebel kam von links und rechts. Hüllte mich erneut ein und ich fiel. Fiel in einen Abgrund. Einen Abgrund aus Schwärze, dem Gestank von Verwesung und Feuer.. Ich starrte in die erdrückende Leere und Stille und traf auf hartem Untergrund auf. Ein lautes Knacken war zu vernehmen und ein stechender Schmerz durchfuhr mich.
Schreiend schreckte ich aus meinem Alptraum hoch und sah schon wieder in Schwärze. Doch schnell machten meine Augen mein Zimmer aus und ich knipste das Licht an. Mein prüfender Blick glitt zum Wecker.
Es war bereits sechs Uhr. In einer Stunde wäre ich sowieso aufgestanden. Also schlug ich den Weg zum Bad ein und wischte mir den Angstschweiß von der Stirn.
Nach einer ausgiebigen Dusche fühlte ich mich schon menschlicher und machte mich arbeitsfertig.
Earl schien auch schon auf den Beinen zu sein, denn der Kaffee stand schon fertig gebrüht in der Kochzeile und ein Teller mit Pancaces. Wollte er mich etwa mästen?
„Danke Earl.“, bedankte ich mich und vernahm einen kleinen Laut aus der Vorratskammer.
Kurze Zeit später stand Earl neben mir.
„Bitte.“
„Willst du mich eigentlich mästen?“
„Wieso, magst du etwa keine Pancaces mehr?“
„Doch eben deshalb.“
Wir lachten beide.
„Und wie läuft‘s auf der Arbeit, Sheila?“
„Geht so. Aber mittlerweile haben sich die Leute etwas an mich gewöhnt.“
„Das hört sich doch vielversprechend an. Wenn es sonst keine Probleme oder Komplikationen gibt…“
Irgendetwas an seinem Tonfall ließ mich aufhorchen. Warum hatte er diese Feststellung mit einem solchen Ton gestellt? Und woher wusste er, dass es Probleme mit einem der Aufträge gab?
Dementsprechend winkte ich ab und trank einen Schluck von meinem Kaffee.
„Ich werde heute selbst fahren Earl.“
„Ist gut.“, entgegnete er etwas verstimmt oder klang es grimmig?
Ich nahm meinen Blackberry in die Hand. Zumindest das, was davon nicht in der Mülltonne gelandet war und ging in Richtung Garage. Ein kleiner Abstecher bei einem Elektrogeschäft und einer Werkstatt würde ich mir jedoch nicht verkneifen. Immerhin musste dieses lästige Rosa noch aus meinem Mercedes und eine neue Hülle um mein Blackberry.
So gab ich mein Baby bei der Werkstatt meines Vertrauens ab, bekam einen Land Rover als Ersatzfahrzeug und zog meinem Blackberry eine royal-blaue Hülle an.
Mit Elan betrat ich die Empfangshalle und begab mich zu den Aufzügen. Luciana war noch nicht da. Komisch.
In der 29. Etage angelangt. Verbarrikadierte ich mich und wählte den ganzen Tag ein und dieselbe Nummer. Die Nummer von Alexander Smith. Doch ständig ging der AB ran und bestätigte mir überflüssigerweise, dass Mr. Alexander Smith gerade nicht zu erreichen wäre und er sich wieder melden würde, wenn man ihm Kontaktdaten da ließ. Super. Ich hatte mittlerweile schon drei Male auf den AB gequatscht und kam mir dabei reichlich dämlich vor. Entweder verhaspelte man sich ständig oder aber man fand in dem Moment nicht die richtigen Worte. Egal, ich hasse diese Dinger! Wenn man nicht abnimmt, werden die anderen wohl schon nach einiger Zeit schnallen, dass man nicht da ist. Sollte es dennoch megawichtig sein, gibt es auch sowas wie eine Handynummer. Sollte man auch dort niemanden erreichen, dann sollte man mal ganz stark überlegen, denn dann könnte es sein, dass die angerufene Person nicht erreicht werden will. So sehe ich das!
Meine Gedanken schweiften, wie schon den ganzen Tag immer wieder zu der Verabredung mit Thor ab. Ich sah zur Uhr. Es war bereits halb acht. Ach du Schreck! Ich schlüpfte aus meinen Manolo Ballarina in meine schwarzen Jimmy Choo Pumps und öffnete meine Haare, die ich zuvor zu einem Pferdeschwanz getragen hatte.
Fünf nach acht…
Zehn nach acht…
Perplex starrte ich mein Bürotelefon an. In der Hoffnung, dass er sich melden und mir sagen würde, dass er etwas später kommen würde oder aber er halb krepierend im Krankenhaus lag und mich deswegen versetzte.
Viertel nach acht… Nichts.
Halb neun… Immer noch nichts.
Neun… Okay Limit war bei mir schon immer eine Stunde gewesen. Immerhin kam ich auch oft genug zu spät, weil mich der Spiegel und die Wahl meines Outfit aufgehalten hatten.
Um fünf nach neun verließ ich das Büro und ging ins Foyer. Hier war niemand mehr. Also ging ich wütend zu meinem Leihwagen und fuhr nach Hause.
Ich würde Thor aufgrund seines Aussehens und seinem Charakter, den ich wirklich mochte, noch bis morgen geben sich bei mir zu melden. Hoffentlich dann auch mit einer plausiblen und lebenswichtigen Erklärung.
Als er sich jedoch nach drei Tagen immer noch nicht gemeldet hatte, wurde ich stinksauer. So toll konnte er mich ja doch nicht gefunden haben, wenn er nicht einmal den Arsch in der Hose hatte mir abzusagen oder sich zu melden. Ab diesem Punkt versuchte ich den Mann MEINER Träume zu vergessen.
Auch Mr. Alexander Smith war nicht zu erreichen gewesen oder aber der Vorarbeiter von Mrs. Gee. So ein Mist. Schon wieder waren enorme Geldummen verschoben worden und ich wusste nicht wohin. Ratlos starrte ich meinen Computerbildschirm an. Was sollte heute eigentlich noch schiefgehen?
Wie auf Befehl klopfte es an meiner Bürotür.
„Miss Davis. Hier ist ein sehr gut aussehender Mann, der sie wegen des Smith-Auftrags sprechen möchte.“
„Lassen Sie ihn durch. Ich habe immerhin schon seit drei Tagen versucht ihn zu erreichen. Danke.“, entgegnete ich sauer.
Doch jemand kam um die Ecke, mit dem ich nicht gerechnet hatte.
Thor. Thor? Was hatte er denn bitteschön mit dem Smith-Auftrag zu tun?
Wütend funkelte ich Thor an, schritt an ihm vorbei und bat meine Sekretärin schon Feierabend zu machen. Ich wollte Ruhe und ihn zur Rede stellen. Jetzt und sofort und zwar ungestört. Fragend verließ Ashley Doyle den 29. Stock.
„Guten Abend, Sheila.“
„Thor.“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ich wollte mich entschuldigen, dass ich dich versetzt habe, doch ich musste kurzfristig beruflich nach Europa fliegen…“, begann er ruhig.
Ich nickte. Meine eigene Erklärung, dass er todkrank gewesen war, passte mir besser. Aber das Leben ist ja für Gewöhnlich kein Wunschkonzert. Sollte er nur weiter reden.
„…Aber deswegen bin ich eigentlich nicht hier. Sondern wegen des Baus.“
„Du meinst den Auftrag von Alexander Smith?“
„Nein.“
„Jetzt bin ich verwirrt.“
„Mein Auftrag. Sheila der Auftrag stammt von mir und meinen Freunden. Wir suchen ein neues Hauptquartier und diese Neubaute ist genau das Richtige.“
„MOMENT. Noch mal für ganz Dumme. Ist Alexander Smith dann sowas wie ein Pseudonym?“
„Jain. Der Name ist wirrkürlich ausgewählt. Es gibt hunderte Alexander Smiths in der Stadt. Unser Bauunterfangen soll möglichst schnell und unbemerkt über die Bühne gehen. Dein Vater und Mrs. Gee haben dafür auch schon vorher gesorgt.“
„Gott, ich wusste es.“, entgegnete ich und hob den Hörer des Telefons ab, um die Polizei zu rufen.
„Was meinst du?“, fragte Thor sichtlich verwirrt. Sollte ich es nicht sein, die jetzt verwirrt sein durfte.
Ich wählte die erste Ziffer der 911.
Die zweite Ziffer.
„Du bist von der Mafia. Mein Vater mag ja Geschäfte mit euch gemacht haben, aber ich nicht.“, entgegnete ich und wählte die dritte Ziffer. Doch bevor ich den Hörer an mein Ohr halten konnte und es das Freigeräusch gab, lag der Hörer schon wieder auf der Gabel und Thor stand dicht neben mir. Gott wie war der denn so schnell gewesen?
Er zog mich nach unten, dass ich in meinem Bürostuhl saß und drehte den Stuhl langsam zu sich herum, sodass ich in sein nachdenkliches Gesicht sehen konnte.
„Du denkst wirklich, dass ich bei der Mafia bin nicht wahr?“
„Das liegt doch auf der Hand. Der alltägliche Name. Keinerlei Infos zum Bau. Keine feste Bank und Konto und dennoch dauerhafte Transaktionen mit Geld. Kosten, die in die Leere gehen und übertarifliche Bezahlung.
Wenn das einem nicht spanisch vorkommt was dann? Und wer ist zu sowas fähig? Entweder die Regierung oder aber die Mafia. Und den Kluften deiner Freunde nach zu urteilen, denke ich eher an die Mafia als an die Regierung.“
Lachte er etwa?
„Was ist so lustig.“
„Du bist nicht gerade dumm und dennoch vollkommen auf dem Holzweg. Wir sind nicht von der Mafia, Sheila. Wir sind noch schlimmer.“, witzelte er etwa.
„Noch schlimmer?“
„Denk mal an etwas Paranormales!“
„Du willst mir jetzt aber nicht weismachen, dass du ein Alien von einem fernen Planeten bist oder?“
„Natürlich nicht.“
„Puh. Hätte ich dir auch nicht abgekauft. Es sei denn du hättest mich mit einem Ufo entführt.“
Er begann herzlichst zu lachen.
„Vergib mir bitte.“
„Wofür?“, hakte ich nach.
„Das ich dich im Smith-Auftrag angelogen habe und dich vor drei Tagen versetzt habe ohne mich zu melden.
Ich funkelte ihn an.
„Ich bin echt sauer…“
Er küsste mich. ER küsste MICH. Einfach ohne jegliche Vorwarnung.
„Sheila, ich mag dich wirklich und es tut mir leid. Lass uns jetzt was zusammen machen.“
„Eigentlich…“, setzte ich an, wurde jedoch durch einen erneuten Kuss unterbrochen. Guter Küsser traf es nicht einmal im Geringsten. Ich schob meinen Widerstand zur Seite und schob meine Finger durch seine seidenen braunen Haare. Gott was für ein Shampoo benutzte er nur. Für solche Haare würde ich einen Mord begehen.
Dieser Gedanke holte mich zurück ins Hier und Jetzt.
„Eigentlich, wollte ich mir zu Hause ein paar DVD’s reinziehen und Trübsal blasen.“, beendete ich meinen Satz und schob ihn von mir.
„Kannst du jemanden an deiner Seite gebrauchen?“
„Wen zum Beispiel?“, stellte ich mich dumm.
„Sheila.“
„Mich? Das war der Plan ja.“, witzelte ich.
„Mich!“
Ich sah ihn gespielt verwundert an.
„Eigentlich sollte das ein Single-Abend werden.“
„Trifft sich gut. Ich bin zufällig Single. Also Interesse?“
Ich brach in Gelächter aus. Hatte ich echte Hasstiraden gegen den Auftraggeber Alexander Smith gehegt, so war ich Thor, obwohl er mich angelogen und immer noch nicht mit der Sprache rausgerutscht war, nicht böse. Wie konnte ich einem Mann mit solch einem Aussehen und diesen Augen böse sein?
Thor küsste mich erneut.
„Okay, okay. Du hast mich überredet. Aber ich suche den Film aus.“
„Muss ich mich vor dir fürchten?“
„Keine Ahnung Thor musst du?“

Wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten und konnten nur schwerfällig die Finger von einander lassen. Gemeinsam fuhren wir mit meinem neuverkleideten Baby zu mir.
„Du stehst auf Cabriolets?“
„Joar. Aber ich muss gestehen, dass der grade erst in der Werkstatt war, weil… ach wirst du schon sehen, wenn du mein Zimmer begutachten solltest.“, zwinkerte ich ihm zu.
„Dein Zimmer? Was sollte ich da denn wollen?“
„Na, irgendwo werden wir wohl DVD’s schauen. Außerdem mag ich mein Heimkino nicht und es ist bequemer sich auf mein Bett zu fläzen und dort zu schauen.“
Ich parkte in der Garage.
„Ähm nette Autos.“
Thor zeigte auf die Rolls Royce Limousine, den alten Chevy und die ganzen anderen Wagen, von denen ich nicht einmal die Hälfte kannte.
Ich zuckte mit den Schultern und zog ihn hinter mir her.


8
„Mein Dad war leidenschaftlicher Sammler. Aber ich hab schon überlegt alle bis auf den Rolls Royce und mein Baby zu verkaufen!“, erklärte ich beim eintreten in die Empfangshalle.
„Wow.“
„Ja, ja. Ich führ dich ein anderes Mal herum. Jetzt wird Popcorn gefuttert und ne DVD geschaut!“, sagte ich nachdrucksvoll und schliff ihn hinter mir die Treppe hoch.
„Bist das etwa du?“, fragte er mich auf ein Kinderbild zeigend, auf dem ich mich eine Monsterzahnlücke, ein breites Grinsen und fünfzehn Kilo zu viel hatte.
„Wieso?“
„Weil das kleine dicke und grinsende Mädchen wie ein kleiner Engel aussieht und das nicht nur wegen des Kostüms!“, entgegnete er schief grinsend.
„Ja, ja. Also ob. Ich kann ja auch nichts dafür, dass ich damals noch keinen Sinn für Geschmack und vor allem Sinn für ’Ich trage lieber eine Nummer größer, weil ich sonst aussehe wie eine Presswurst‘ hatte. Können ja nicht alle mit einem solchen Astralkörper versehen sein, wie du.“
„Du meinst also, dass ich einen Astralkörper habe?“
„Ach komm schon du musst ja förmlich Götterkomplexe haben und weich nicht vom Thema ab.“
„Das tust du aber momentan! Nicht ich!“
„Wieso bin ich denn jetzt schuld?“, fragte ich verwirrt nach.
„DVD?“
„Was ist damit?“
„Wir wollten eine schauen und du wolltest die aussuchen. Auch, wenn ich noch nicht weiß, was ich davon halten soll!“
Ich funkelte ihn an und hielt dann auf mein Heimkino zu. Hier waren alle möglichen DVD’s. Von A-Z sortiert. Zwei ganze Wände lang. Ich knipste das Licht an und ging zu einem der Regale. Hm, worauf hatte ich nur Lust?
Was Romantisches, Angsteinflößendes oder Komisches? Oder doch lieber was Actionreiches?
Basic Instinkt, Beim Leben meiner Schwaster, Beverly Hills Cop 1-3, Burn After Reading…
„Den hast du nicht wirklich!“, riss mich Thor aus meinen Gedanken. Ich richtete meinen Blick auf die DVD in seinen Händen.
„Wieso? Was ist denn bitteschön so falsch an einem Porno?“, witzelte ich.
„Meine Liebe, das ist Dracula.“
„Nee, auch schon gemerkt? Das ist einer der Klassiker. Mein Dad und ich haben den vor Jahren zusammen gesehen. Danach hatte ich immer Angst vor Vampiren.“
„Hast du immer noch Angst vor Vampiren?“
„Nein, eigentlich nicht. Ich meine, ich war damals sieben oder so. Angst hab ich nur vor einem und das ist mein Steuerberater!“
„Wollen wir den nicht sehen und ich fürchte dich des Gruselns?“
„Der ist uralt. Ich möchte lieber den hier sehen!“, entgegnete ich. Ich hatte zwar Dracula seit damals nicht wieder gesehen und war daran interessiert ihn zu sehen, doch ich wollte das Programm aussuchen. Ein paar Qualen konnte sich Thor schon noch antun, nachdem er mich so versetzt hatte! Rache ist für Bekanntlich süß!
Ich wedelte ihm mit ‚Jungfrau, 40, männlich sucht‘ vor der Nase herum. Immerhin war der witzig und romantisch.
„Dann erst deinen und dann meinen!“, forderte Thor.
„Abgemacht. Ich popp dann noch schnell Popcorn. Äh, was möchtest du dazu trinken?“
„Nichts. Ich komm schon klar. Trotzdem Danke!“
Ich raste aus dem Zimmer zur Popcornmaschine und poppte frisches Popcorn. Gott hört sich das krank an. Egal, wie soll man das denn sonst nennen? Macht man Popcorn? Oder tut man Popcorn machen? Schnurz-Piep. Antwortete mein Verstand. Wen interessiert das? Genau niemanden. Die Hauptsache ist doch, dass es schmeckt.
Ich nahm noch eine Flasche Brause mit und zwei Gläser. Vielleicht würde Thor es sich ja doch noch anders überlegen!
Ich raste zurück, doch Thor war nicht mehr im Heimkino.
„Äh… Thor?“, rief ich, bekam jedoch keine Antwort.
Schulterzuckend ging ich zu meinem Zimmer. Vielleicht hatte er es ja schon entdeckt. Zumindest wollte ich, dass er das schon getan hatte. Aber es war ja klar, dass er noch nicht da war. Woher sollte er auch wissen, dass mein Zimmer ausgerechnet im anderen Korridor, ganz weit von der Bibliothek, dem Heimkino und anderer Zivilisation liegt? Ich stellte den Kram ab, schloss die Jalousien und wollte gerade das Zimmer verlassen um Thor mit den beiden DVD’s zu suchen, als er ins Zimmer spaziert kam.
„Hier ist also dein Zimmer. Oh, ein wenig rosa.“
„Ja. Was dagegen?“
„Naja. Ich bin ein Mann und ich sehe zwar an, dass es rosa gibt, doch tragen würde ich es nie. Das lässt Männer so tuntig wirken.“
Ihm würde alles stehen! Das brachte mich auf eine Idee. Ich hatte zwar Klamotten der Wohlfahrt gestiftet, doch mein rosa Jogginganzug hing noch im Schrank.
Verschwörerisch lächelnd sah ich ihn an und ging in meinen Kleiderschrank. Das rosa Ding war schnell ausfindig gemacht und angezogen. Bequem wollte ich es ja schon haben. Doch irgendwas fehlte noch. Schneller als man Reiß-dir-die-Klamotten-vom-Leib-du-wildes-Luder schreien konnte, hatte ich den Jogginganzug als auch meine Unterwäsche ausgezogen und den Anzug wieder angezogen. Ohne Unterwäsche. Normalerweise schlief ich nackt oder in Boxershorts und Top. Heute würde es mein langärmliger rosa Anzug tun. Vorausgesetzt ich würde ihn den ganzen Abend anbehalten…
Ich trat zurück ins Zimmer und sah, dass Thor die DVD bereits eingelegt und startfertig hatte. Er hatte seinen Mantel und seine Schuhe ausgezogen und lag nun, wie ein Sexgott, leider in Klamotten, auf meinem Bett und wartete auf mich.
„Hey.“, lächelte er mir zu, begutachtete aber argwöhnisch den Jogginganzug.
„Ist noch eine Reliquie. Montag wird mein Zimmer umgestrichen. Von rosa in blau. Mein Dad hat blau geliebt. Und ich find‘s wahrheitsgemäß auch ganz toll.“
„Gut zu wissen!“
Er lächelte breit, als ich zu ihm aufs Bett stieg. Leider sah das nicht besonders galant aus.
Mist, sonst klappte das doch auch besser!
Ich legte mich auf den Bauch und starrte meinen Plasmabildschirm, der immer noch auf Pause stand, an. Immerhin wollten wir ja DVD schauen. Ich zumindest. Bis er, wie ein Sexgott neben mir lag. Ich drehte meinen Kopf zu ihm herum und sah sein noch breiteres Lächeln. Was hatte ich denn jetzt verbrochen.
„Na worauf wartest du? Ich werd nicht gerade jünger!“, blaffte ich. Doch sein Grinsen blieb.
Wiederwillig setzte ich mich auf. Dann müsste ich ihm eben die bescheuerte Fernbedienung abnehmen.
„Na und?“
„Sehr witzig.“, entgegnete ich und nahm ihm mit Leichtigkeit die Fernbedienung ab. Ein kleiner Stoß auf den Play-Knopf und schon ging das Spektakel los. In freudiger Erwartung stopfte ich mir eine Hand Popcorn in den Mund. Ich liebe dieses Zeug wirklich. Aber die fluffigen Kokoskekse finde ich immer noch Oberhammer!
Nach der Hälfte des Films konnte ich nicht mehr und brach endlich unser Schweigen. Ich war es halt nicht gewöhnt, dass ein Kerl so lange am Stück die Klappe hielt und ich schon gar nicht. Ich musste immer Reden. Selbst während manchen Filmen! Ich drehte mich zu ihm und musste feststellen, dass Thor schlief.
Ja, er schlief. Nicht mit mir Freundchen!
Ganz vorsichtig kroch ich auf allen Vieren zu ihm hinüber, stieg über ihn und wollte ihn gerade wachküssen, als ich schon unter ihm begraben in meinen Bettlaken lag.
„Huch.“, kam es mir noch herausgerutscht.
Ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle.
„Ich mag nicht, wenn man sich an mich heranschleicht!“
„Äh…“, entgegnete ich dümmlich, wurde aber durch einen Kuss zum Stillschweigen gebracht. Genau so hatte ich mir das doch vorgestellt.
„Hey… du hast meine Idee geklaut!“, zischte ich, als er eine Sekunde von meinen Lippen abließ.
„So. Hab ich das?“, lächelte er mir zu. Woraufhin ich lächelte. Oh, ja das hatte er!
„Was genau war denn deine Idee?“, hakte er nach.
„Hmm. Ich denke mal dich zu küssen und in die Laken zu drücken.“, witzelte ich.
„Na dann!“
Er küsste mich erneut. Innig und sinnlich. Er benebelte mir beinah mein Gehirn.
Vor Leidenschaft stöhnend, schob ich meine Hände unter sein T-Shirt. Das hätte ich wohl lieber lassen sollen. Das was sich darunter befand, war nichts anderes als Muskelmasse pur. Okay, und ein bisschen Haut. Samtweiche Haut.
„Menno.“
„Was Menno?“, hakte Thor nach.
„Es ist echt erniedrigend, wenn ein Mann bessere und weichere Haut hat, als eine Frau!“
Er lachte und bedeckte meinen Hals mit einer Spur von Küssen, die sich wie ein Flammenmeer über meine Haut zogen. Gott, ich wollte ihn. Sein T-Shirt landete als erstes neben dem Bett. Es bot sich mir einer der besten Ausblicke.
Eine durchtrainierte, aber nicht zu übertrainierte Brust zeigte sich mir. Unbehaart und weich. So weich, dass meine Lippen automatisch jede Faser des Muskelspiels nachfahren mussten. Ja, Thor konnte tatsächlich mal von meinem Hals ablassen.
Ich machte mich gerade an seinem Gürtel zu schaffen, den ich dann auch mit Mühe und Not aufbekam, als er den Reißverschluss meines rosa Jogginganzugs öffnete und meine Brüste freilegte. Einen Kuss legte er auf jede Brustwarze, die ihren Job erfüllten und sich ihm entgegenstellten. Unsere Unterteile landeten auch schneller als man ich-will-dich–jetzt-vernaschen sagen konnte auf dem Boden. Sein Blick, der auf mir ruhte war begierig und strahlte etwas von Leidenschaft, Besitzerstolz und Verlangen aus. Doch nicht nur seine Augen strahlten diesen Blick aus, sondern auch die Erektion an meinem Bauch zeigte mir dieses nur zu gut.
Instinktiv griff ich nach unten und umfasste seinen Schaft. Wieder instinktiv, weiteten sich meine Pupillen. Ich hatte ja auf etwas Großes gewettet, aber ganz sicher nicht auf etwas Monströses.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Thor besorgt nach.
„Sollen wir lieber aufhören?“
Hatte er sie noch alle?
Ich küsste ihn, schüttelte den Kopf und drückte nun ihn in die Laken. Langsam bahnte ich mir den Weg von seinem Mund herunter bis zu seiner Lendengegend. Schließlich umschloss ich seinen Schaft mit meinem Mund. Er schmeckte köstlich. Ich sog und leckte an ihm, wie an einem Lolly. Thor stöhnte leidenschaftlich. Das Geräusch versetzte mich in Ekstase und ich begann mein Tempo zu erhöhen und begann mit der klassischen Auf-und Abbewegung.
„Sheila.“, stöhnte er.
„Wenn du so weiter machst, bin ich gleich fertig.“
Er zog mich sanft zu sich hoch und küsste mich.
Und im nächsten Moment neckte mich seine Hand an meiner Klitoris und nur Sekunden später tauchte ein langer schlanker Finger in mein um Gnade bettelndes Lustzentrum ein.
Alleine diese kleine Handlung brachte mich dem Orgasmus bis auf wenige Zentimeter nahe.
„Warte.“, schrie ich beinahe. Thor hielt sofort inne.
„Schublade. Die Kondome sind in der Schublade! Keine Ahnung ob auch Übergröße, aber Kondome sind in der Schublade!“, fügte ich bei und wühlte in der Schublade herum. Doch Thor hielt meine Hand fest. Fragend sah ich in sein Gesicht.
„Sheila, ich bin unfruchtbar und kerngesund.“
„Na das haben schon so einige gesagt.“, witzelte ich, sah jedoch seine ernste Miene.
„Vertrau mir!“, bat er. Naja, das sagen normalerweise alle Männer, aber dann folgt die Enttäuschung. Oder man ist schwanger. Hat man allerdings noch mehr Pech, dann noch eine Pilzinfektion oder noch schlimmer.
Komischer Weise glaubte ich ihm. Kein schlechtes Gewissen, kein gar nicht. Ich weiß, dass das ziemlich leichtsinnig war, aber ich glaubte ihm.
Ich nickte. Doch anscheinend wollte er es von mir hören.
„Ich vertraue dir!?“
„War das ne Frage?“
„Ich vertraue dir!“, entgegnete ich mit Nachdruck.
„Das ist gut. Ich will dich nämlich und zwar jetzt!“
Im nächsten Moment klopfte es an mein Lustzentrum an und ich schrie ein wenig auf, als er mit einem sachten Stoß in es eindrang.
In diesem Moment hatte ich meinen ersten Orgasmus. Nicht gerade der passende Zeitpunkt, wenn man bedachte, dass wir gerade erst am Anfang waren. Doch schon war ich auf dem Trip zum nächsten Orgasmus, als Thor sein Tempo erhöhte.


9
Wir endeten verschwitzt in meinen Laken und erschöpft.
Als ich meine Augen wieder aufschlug, war es bereits halb elf Uhr Mittag. Ich drehte mich zur Seite und stellte fest, dass auch Thor noch nackt neben mir lag.
Hatte ich schon erwähnt, dass er göttlich aussah? Einen solchen knackigen Hintern beneide sogar ich!
Schwerfällig riss ich mich von seinem Anblick los, schwang meine Beine über die Bettkante und stieg in meinen Morgenmantel, der an einem Haken hing.
„Wo willst du hin?“, hakte Thor verschlafen nach und rekelte sich in seiner Männlichkeit auf meinem Bett.
Mein Blick wanderte seinen gesamten durchtrainierten Körper auf und ab. Yummy. Ich würde wohl noch anfangen zu sabbern, wenn das so weiter ging. Bis mein Blick an seinem selbstgefälligen Lächeln hingen blieb. Auf einmal wütend, zog ich das Band meines Morgenmantels zu und funkelte ihn an.
Thor begann zu lachen.
„Was?“, zickte ich ihn an.
„Ich hab dich doch schon die ganze Zeit nackt gesehen!“, protestierte er.
„Ja. Das war eine Ausnahme mein Freund.“
„Ah. Deswegen hast du heute Nacht auch fünfmal meinen Namen geschrien.“
Ich drehte mich um und ging in Richtung Badezimmer.
Doch noch bevor ich die Badezimmertür verschließen konnte, hatte Thor mich schon an sich gepresst und gab mir einen Kuss in den Nacken, der mich erschauern ließ.
„Zieh das aus!“, befahl er mir.
„Thor. Ich. will. duschen.“
„Na dann komm.“
Ich sah, wie er den Duschhahn aufdrehte, die Temperatur einstellte und mich süffisant anlächelte.
„Ich muss zur Arbeit. Ich bin sowieso schon spät dran!“
„Wieso spät dran? Scheiße! Wie spät ist es eigentlich?“, fragte Thor nun auf einmal angespannt nach.
„Es ist gleich elf, wieso? Musst du noch zu deiner Frau?“
„Scheiße, ja… Das kann wohl nicht wahr sein! Das ist mir noch nie passiert!“, fluchte er.
„Du hast eine Frau?“, presste ich wütend hervor und ging ins Schlafzimmer um die Jalousie zu öffnen. Ich brauchte jetzt eine Menge Luft.
„Nein. Ich habe keine Frau, Sheila.“
„Ja, ja. Das sagen Sie alle!“
„Lässt du das mal, bitte?“
„Was?“
„Lass die Jalousie zu und hör mir zu!“
„Wieso sollte ich?“
„Sheila, ich bin Single! Ich bin weder verheiratet noch geschieden. Sieh mich an! Mein kleiner Engel, sieh mich an!“
Ich drehte mich zu ihm um. Hatte er mich gerade kleiner Engel genannt? Mein Dad hatte mich immer so genannt.
Er legte einen Finger unter mein Kinn, sodass ich ihn ansehen musste.
„Ich bin Single. Zumindest noch. Aber ich muss dir dennoch etwas sagen…“, begann er.
Es klopfte.
„Sheila, möchtest du Frühstück?“, fragte Earl durch die Tür hindurch.
„Moment. Gleich. Wir müssen noch eben etwas anziehen.“, entgegnete ich.
„Wir?“
„Ja. Mein Freund und ich!“
„Ist gut. Ich bring es euch gleich!“
„Dein Freund?“, hakte Thor mit hochgezogener Augenbraue nach.
„Ja, wieso? Hätte ich dich als meinen Kumpel vorstellen sollen, wobei wir doch miteinander geschlafen haben? Das ist dann doch etwas erniedrigend für dich!“, witzelte ich.
„Komm lass uns was essen!“
Er küsste mich. Äh, er küsste mich!
Dann lächelte er mich sanft an.
„Willst du nicht was anziehen?“
Ich ging in meinen Kleiderschrank und wühlte blaue Spitzenwäsche heraus, schlüpfte in ein Dolce & Gabbana Jeans und ein buntes T-Shirt. Außerdem zog ich meine Sandalen von Jimmy Choo an. Als ich den Kleiderschrank verließ, stand Earl bereits mit dem Tablett in der Hand in der Tür. Er starrte erst mich und dann Thor an. Immer und immer wieder. Hatte er denn noch nie einen meiner Freunde zu Gesicht bekommen oder was? Scheiße, das war ja mal sowas von peinlich! Er stellte das Tablett auf einen Tisch und sah mich dann fragend an.
Thor kam demonstrativ zu mir, küsste mich auf die Wange und legte einen Arm um meine Taille.
Earl zeigte sich unbeeindruckt und war im Begriff die Jalousie zu öffnen.
„Sheila. Würdest du ihm sagen, dass er das lassen soll? Bitte es ist lebensnotwendig!“, bat mich Thor.
„Nur einen Moment. Ich brauch etwas frische Luft!“
Ruckartig öffnete Earl die Jalousie. Und die Sonne durchflutete das gesamte Zimmer.
„Würdest du das Fenster öffnen? Danke Earl. Thor?
Willst du auch was essen? Thor?“
Wo war der denn so schnell hin?
„Danke Earl.“
„Benötigst du noch etwas?“
„Nö. Ich hole mir nur schnell noch einen O-Saft!“, entgegnete ich. Jeder Gang macht schlank!
„Okay! Ich gehe dann mal.“
Ich schritt an Earl vorbei und ging in die Küche. Der O-Saft war schnell zubereitet, doch als ich wieder in meinem Zimmer ankam, hätte die Szenerie nicht skurriler sein können.
Earl hatte Thor in eine Ecke gedrängt. Das ist ja noch nicht schlimm, doch es schien so, als hätte Thor schwere Verbrennungen und hielt seine Augen krampfhaft geschlossen. Zudem roch es nach Verbranntem! Hallo es kroch einem förmlich in die Nase. Bedrohte Earl Thor etwa mit einem Holzpflock? Was sollte das denn?
„Männer?“, hakte ich fragend nach.
„Du hast mich hoffentlich verstanden, Nachtwandler!“
Earl ging an mir vorbei und verließ das Zimmer. Als ich mich umdrehte, war die Jalousie wieder verschlossen und Thor war im Bad verschwunden. Ich klopfte vorsichtig.
„Äh, alles okay bei dir Thor? Was wollte Earl denn von dir?“
„Nichts so weltbewegendes.“
„Kann ich reinkommen?“
„Klar. Das ist dein Bad.“
Vorsichtig öffnete ich die Tür. Er saß auf der geschlossenen Klobrille. Die Hände über sein Gesicht gelegt.
Vorsichtig ging ich auf ihn zu und kniete mich vor ihn und nahm seine Arme in die Hände, um ihm in die Augen sehen zu können. Anscheinend hatte ich mich doch geirrt und er hatte doch keine schlimmen Verbrennungen. Hmmm. Komisch.
„Was genau wollte Earl von dir, Thor?“
„Ich…“, begann er.
„Es gibt Dinge, die ich dir nicht sagen darf. Und es gibt Dinge, die du eigentlich nicht sehen durftest oder geschweige denn von denen du wissen dürftest. Ich muss das erst mit meinen Freunden abklären. Wie spät ist es jetzt?“
„Es gibt Dinge, die ich nicht wissen darf? Ach so ist das also. Ich ruf die Polizei!“
„Sheila. Ich würde dir gerne diese Dinge erzählen, aber es hat Konsequenzen für mich. Aber noch schlimmer wird es für dich. Du wirst eine Zielscheibe werden. Das kann ich nicht zulassen. Du weißt schon zu viel.“
„Ach du willst mich schützen? Wovor? Die Mafia? Thor, ich glaube du solltest gehen!“
„Sheila…“
„Geh bitte, bevor ich es mir noch anders überlege…“
Er küsste mich schon wieder, doch ich machte mich von ihm los. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ein Mann, der mir etwas vorflunkerte und womöglich belog. Super! Aber das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich mich schon bis über beide Ohren verliebt hatte. Menno!
Ich funkelte ihn wütend an.
„Okay. Ein kleines Geheimnis werde ich dir verraten. Hier, das sind die Baupläne für unser neues Haus. Der Smith-Auftrag. Schlussfolgere selbst daraus.“
Ich sah mir die präzisen Pläne an und staunte. Das war ein wunderschöner Bau.
„Warum braucht ihr einen solch riesigen Keller? Der zieht sich ja ganz unter dem Haus entlang und eine unterirdische Einfahrt?“, hakte ich kopfschüttelnd nach.
Immerhin würden die Baukosten doppelt so hoch sein, wie ohne Keller.
„Habt ihr denn ein Unternehmen, das eine solche Lagerkapazität hat? Das sind ja über 350 Quadratmeter.“
„Wir benötigen eine Menge Raum. Für Fitnessgeräte und andere Dinge…“
„…lass mich raten. Folterkammern und Waffenarsenale?“, witzelte ich. Er sah mich geschockt an. Scheiße, hatte ich etwa mitten ins Schwarze getroffen? Ich wich einen Schritt zurück.
„Nee oder?“
„Äh… Ich hab dir doch mal gesagt, dass wir in der Ungezieferbekämpfung und zum Schutz von Unschuldigen zuständig sind. Tja, und da gibt es so ein paar Dinge, die wir benötigen!“
„FOLTERKAMMERN und WAFFENARSENALE? Kein normaler Mensch braucht sowas!“
„Ich bin kein normaler Mensch!“, entgegnete Thor etwas geknickt.
„Auch schon gemerkt?“, stellte ich trocken fest.
„Du weißt aber, dass alles was mit dem Bau und mir zu tun hat, streng vertraulich ist, oder?“
„Geht klar! Das würde mir doch sowieso niemand abkaufen.“
„Mehr als du glaubst!“
Er packte den Plan wieder zusammen. Das musste ich jetzt erst einmal verdauen.
„Ziehen alle deine Freunde da mit ein?“
„Ja. Eine Art WG.“
„Wie lange kennt ihr euch denn eigentlich schon?“, hakte ich nach. Ein bisschen Spanisch kam mir die ganze Geschichte schon vor. Naja eine Vermutung hatte sich ja ganz schnell verworfen. Thor war eindeutig nicht schwul! Aber eine Vermutung hatte sich bestätigt… Er war ein wahrer Sexgott! -Sein Glück!
„Wie spät ist es?“, hakte er vorsichtig nach.
„Es ist jetzt vier Uhr, wieso?“
„Kann ich mal eben telefonieren?“
„Klar, das Telefon liegt… Mist, tut’s nicht. Moment ich hol‘s dir.“
Ich hatte ihm das Telefon gereicht und den Kleiderschrank, in dem wir uns immer noch befanden, verlassen. Freiraum ist gut.
In diesem Moment trat Thor zu mir ins Zimmer und sah mich nachdenklich an.
„Ja. DAS ist mir KLAR! Sly… Ist gut. Bis gleich!“, presste er wütend hervor.
„Du musst los?“, fragte ich überflüssiger Weise nach.
„In einer halben bis dreiviertel Stunde, ja.“
„Menno.“
„Wieso Menno?“
„Na ich dachte, dass wir heute noch zusammen los könnten oder so. Egal.“
„Versprichst du mir etwas?“
„Was denn?“
„Ja oder Nein?“
„Okay…“
„Bleib heute so lange in deinem Zimmer, bis ich wieder da bin. Es geht um deine Sicherheit und ich will dich überraschen, mein kleiner Engel.“
Er schaute mich mit einem Hundeblick an, der mich gleich wieder zum Lachen brachte. Ich meine ein ausgewachsener Mann, der sich wie ein kleiner Hundewelpe verhält… Zum totlachen.
„Was ist denn bitte so lustig?“
Ich küsste Thor und entgegnete knapp:
„Nichts. Aber ist gut Daddy ich bleib in meinem Zimmer. Wobei… Heißt das, dass ich jetzt Hausarrest habe?“
Jetzt war es an ihm zu lachen.
„Das mag ich an dir.“, entgegnete er.
„Was?“
„Das du selbst in der ernsten Situation den Spaß nicht verlierst und dass du so unfassbar hübsch bist, dass man sein Herz nur an dich verlieren kann!“, säuselte er.
Ich hielt in meiner Bewegung inne. Hatte er mir gerade seine Liebe gestanden?
Zur Bestätigung küsste er mich erneut, um mich dann verdutzt im Zimmer stehen zu lassen und zu verschwinden.
„Bis nachher mein Engel.“
Das zweite Mal nach dem Tod meines Vaters, war ich sprachlos.


10
Kaum war Thor gegangen, fühlte ich mich ein kleines Bisschen einsam. Man, wie konnte es ein, dass ein Mann so schnell mein Leben und mein Herz erobert hatte?
Aber was hatte das mit Earl auf sich? Ich meine, welcher normale Mensch bedroht einen Mann mit einem Holzpflock? Aber auch die Verbrennungen, die erst da waren und dann verschwunden. Hatte ich etwa halluziniert. Moment. Paranormales. Etwas Paranormales. Hatte Thor mich nicht darauf hingewiesen? Ein Alien mit einem Stöckchen zu bedrohen ist sinnfrei. Eine Elfe? Ja als ob. Dracula! Die Menschen kamen mit Pflöcken und Kreuzen um den Kerl zu erlegen. Ein Vampir? Wollte er mir das damit sagen? Klar doch, was denn sonst?, witzelte mein Verstand und tadelte mich einen Trottel.

Noch in Gedanken, bemerkte ich den Eindringling etwas zu spät, als dass ich dem Knüppel noch hätte ausweichen können. So überkam mich ein Schwindel, ich kam hart auf dem Boden auf und verlor kurz darauf das Bewusstsein.
Als mein Schädel pochte, wusste ich, dass ich wieder wach wurde. Scheiße, wer oder was das auch war, derjenige würde sich etwas anhören müssen!
Wehleidig und stöhnend kam ich zu mir. Mit Entsetzten musste ich feststellen, dass ich an einen Stuhl gefesselt war und dass mich eine helle Schreibtischlampe blendete.
„Ah. Macht mal jemand das Licht aus oder soll ich erst blind werden?“
Ein Lachen ertönte. Eines von der Sorte, von dem man denkt, dass derjenige, der lacht einen an der Klatsche hat und weggesperrt gehört.
„Wo bauen die Krieger ihr Hauptquartier?“, fragte mich eine raue Stimme.
„Was meinen Sie?“
„Sie haben dich also im Unwissen gelassen? Lass mich dir auf die Sprünge helfen. Earl… Oder willst du?“
„Earl?“, fragte ich geschockt nach.
„Zur Hölle lass mich frei! Lösegeld kann ich euch außerdem nur persönlich geben!“
„Ich hab gehört, wie ihr geredet habt. Er muss dir Infos gegeben haben. Sheila, es ist besser für alle Beteiligten, wenn du uns die Wahrheit sagst. Wenn erst die Bloodhunter hier sind, dann hast du verloren. Sheila, hilf unserer Organisation!“, bat mich Earl.
„Worum geht es denn eigentlich? Was zur Hölle sind Bloodhunter und warum bezeichnet ihr Thor und seine Freunde als Krieger? Scheiße, also doch die Mafia. Ich wusste es!“, fluchte ich.
Nochmals ertönte das kranke Lachen.
„Nicht die Mafia, sondern noch schlimmer.“
Das hatte Thor doch damals auch gesagt oder? Ja hatte er. Super Sheila eine Warnung übersehen!
„Die Krieger sind jene Nachtwandler, die gegen die Bloodhunter kämpfen. Sie haben deinen Vater auf dem Gewissen! Vampire werden sie in anderen Kulturen genannt. Sag uns, was du weißt, damit nicht noch mehr Menschen zu Schaden kommen!“
Ein hysterisches Lachen meinerseits ließ sich leider nicht unterdrücken.
„Nee schon klar. Und ich bin die Königin der Verdammten!“
„Dir wird das Lachen noch vergehen Weibsstück!“, schrie die andere raue Stimme und im nächsten Moment hatte er mir eine verpasst. Jetzt war ich gleich doppelt sauer! Erstens war ich mit einem Knüppel geschlagen worden und auf den Boden geknallt, dann an diesen Stuhl gefesselt und jetzt das! Was zu viel ist, ist zu viel!
„Sie sind da!“, verkündete Earl.
Ich sah mich um, doch außer der grellen Lampe sah ich nichts. Ein kurzes Blinzeln und im nächsten Moment stand ein bis an die Zähne bewaffneter blasser Mann vor mir und sah mich mit seinen hasserfüllten roten Augen an. Ach du meine Güte rot?
Es raste in meinem Kopf. Alle möglichen Dracula und Vampirfilme rief ich mir ins Bewusstsein. Ach du heilige Scheiße! Das war wirklich einer dieser Viecher.
„Gib mir die Info!“, bellte seine tiefe Stimme. Sein Blick wurde noch finsterer.
„Also erst einmal würde ich gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe, bevor ich zum Thema komme.“, entgegnete ich trotzig.
„Du Frauenzimmer willst Anforderungen an mich stellen? Ich glaube nicht. Für jedes Mal schweigen, wird dein Körper leiden müssen! Glaub mir ich bin en Meister meines Werks. Im Foltern als auch im Jagen eine Eins.“
„Wir sind ja ich gar nicht eingebildet!“, stellte ich trocken fest. Wobei ich zugeben muss, dass ich auch mal so war. Upps. Eigentor! Egal, der kann mich mal!
Ein Schmerz kroch in meine Wange. Woher wussten die denn immer so genau wohin man schlagen musste?
„Au.“, jaulte ich.
„Schweig.“, schrie der Kerl zornig.
„Was denn jetzt? Erst soll ich Infos teilen und dann doch wieder still sein. Menno. Könnt ihr euch nicht mal entscheiden?“
Er hob seine Hände und starrte mich an.
„Mist… Wie kann das?... Das ist einfach unmöglich!“, fluchte er.
„Gut, dann eben auf konventionelle Art!“
Er zog einen goldenen Dolch hervor und fuchtelte damit vor meinen Augen herum. Leider war er damit so schnell, dass mir schwindelig wurde und den Dolch erst wieder sah, als er in meinem Bauchbereich steckte.
Verwundert starrte ich die tropfende rote Wunde und den darin steckenden Dolch an.
„Also noch mal. Wo wird das Anwesen gebaut und wo befinden sich die Krieger momentan?“
„Keine Ahnung!“, presste ich mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor. Bescheuerte Frage im Anbetracht der Lage, in der ich mich befand.
„Thor, dein Schnuckelchen, wie mir Earl berichtete, ist für den Tod deines Vaters verantwortlich meine Liebe. Du hast also keinerlei Grund ihm mehr zu vertrauen oder gar schützen. Meine Magie ist für dich unwirksam, also kann er deine Gedanken nicht gelöscht haben. Du wirst schon sehen, was du davon hast! Willst du seinetwegen sterben?“
„Ich weiß es doch aber nicht!“, schrie ich.
Erneut stach der Dolch zu. Dieses Mal traf es mein Bein. Um genauer zu sein- meine Arterie. Scheiße. Es blutete wie verrückt. Und dem Kerl vor mir wuchsen doch tatsächlich Fänge. Und waren seine Augen vorher noch rot gewesen, so waren sie jetzt glühendrot.
„Mmh. Du wirst mir schmecken! Miller und Earl bewacht die Tür. Ich will ungestört sein!“, befahl er kühl und leckte sich über die Lippen. So schnell wie möglich hatten Earl und dieser Miller den Raum verlassen und ich war allein mit diesem Etwas.
Als er begann mir über den Oberschenkel zu lecken, machte sich eine Gänsehaut breit. Iiih!
Er saugte, nuckelte und leckte an meiner Wunde herum, sodass er anscheinend den Lärm von draußen nicht mitbekam. Erst als ihn jemand von mir wegriss, bemerkte er die Eindringlinge. Sly, der hünenhafte Mann mit der Narbe und seinen eiskalten schwarzen Augen hatte den Vampir von mir gezerrt und ihn Null-Komma-Nichts enthauptet.
„Bloodhunter!“, knurrte er und sah dann zu mir. Gott wollte er mich etwa auch umbringen? Er kam mit einem Schwert auf mich zu. Mein Herz raste. Hatte mich der Kerl von eben nur zum Lachen gebracht, so machte mir dieser Mann höllische Angst.
„Ganz ruhig! Ich mach dich los Sheila!“, beruhigte er mich. Erst als ich Thors Körper hinter Sly sah, beruhigte ich mich ein wenig und mein Herzschlag verlangsamte sich.
Endlich war ich frei, doch die beiden Fleischwunden waren immer noch freudig am laufen.
Sly gab irgendwelche Instruktionen und dann wurde mir auch schon schwarz vor Augen. Super! Der Tag konnte ja nicht besser werden!


Als ich meine Augen aufschlug, war ich schon wieder gefesselt an einen Stuhl. Sly stand mir gegenüber und sah mich nachdenklich an.
„Was genau hast du ihnen gesagt?“, verlangte er zu wissen.
„Nichts. Ich wusste doch auch nichts. Sie haben mir Lügen erzählt. Sie meinten ihr wäret für den Tod meines Vaters verantwortlich. Seid ihr es?“
„Nein. Zumindest sind wir nicht diejenigen gewesen, die deinen Vater ermordet haben!“
„Aber ihr hattet tatsächlich damit zu tun?“, krächzte ich den Tränen nahe. Die Kerle hatten also doch nicht gelogen!
„Dadurch, dass dein Vater unser neuen Unterschlupf baut, ist er in die Schussline geraten. Genau so wie Mrs. Gee. Nur mit dem Unterschied, dass sie noch am Leben ist.“, erklärte Sly ruhig.
„Was hast du ihnen also verraten?“
„Nichts! Oder woher denkst du hebe ich sonst zwei riesige Wunden, hä? Bescheuerte Frage. Macht mich jetzt gefälligst mal jemand los?“
„Die Wunden hast du also deinem losen Mundwerk zu verdanken.“, stellte Sly trocken fest.
Thor, sein Zwillingsbruder Xylon und ein Mann, der so schwarz gekleidet war und aussah, wie der Totengräber in der Lucky Luke Zeichentrickserie, kamen hereinspaziert.
„Ich habe bereits versucht ihre Gedanken zu löschen oder gar zu manipulieren. Es ist mir nicht gelungen. Thor, was genau hast du mit ihr angestellt?“
„Das geht dich doch schon mal gar nichts an!“, protestierte ich, doch Thor sah mich nur scharf an und antwortete:
„Wir hatten Sex.“, verkündete er.
„Super, wollt ihr ab sofort immer wissen, wenn wir Sex hatten oder was?“, hakte ich sauer nach.
„Kein Bann und kein Spruch?“, hakte Sly nach. Was zur Hölle meinten sie damit?
„Nein.“
„Raven, du bist derjenige, der sich der schwarzen Magie bedient. Suche nach dem, was sie preisgegeben hat, lösche ihr Gedächtnis an alles, was passiert ist und nimm ihr die Erinnerungen an uns alle.“
Raven nickte, doch Thor stellte sich vor mich.
„Nein. Sly. Das kannst du nicht machen!“, protestierte er, doch schon wurde er von Sly und Xylon zur Seite geschoben und starrte mich verletzt an.
„Und ich darf keine Stellung zum Thema nehmen oder was. Das ist doch wohl mal voll scheiße!“, schrie ich frustriert. Immerhin wollte ich nicht die Erinnerungen an Thor verlieren. Scheiß egal ob Menschen umgekommen und ob alle Anwesenden tatsächlich Vampire waren.
Endlich begriff ich und sah an mir herunter. Meine Kleidung zeugte nur noch durch rote Flecken davon, dass man Dolche in mein Fleisch gestochen hatte. Alles war bestens verheilt.
„Ihr seid wirklich Vampire?!“, krächzte ich.
„Nein. Wir nennen uns Nachtwandler!“, entgegnete Sly knapp. Im nächsten Moment begann mein Kopf höllisch zu schmerzen.

„Ich liebe dich mein kleiner Engel!“, flüsterte Thor und ich hätte fast aufgehört zu atmen.
Im nächsten Moment spürte ich einen noch krasseren Schmerz in meinem Kopf. Die Erinnerungen an Thor und die Geschehnisse wurden wage und ich hielt mich nur ein einer Szene fest.
‚Ich liebe dich mein kleiner Engel!‘
„Ich dich auch!“, schrie ich und begann in Tränen auszubrechen.
Eine Silhouette kam auf mich zu, befreite mich aus meinen Fesseln, nahm mich in die Arme und küsste mich. Thor!

„Sie hat keinerlei Infos weitergegeben. Wenn du gesehen hättest, wie sie getrotzt hat. Das glaubst du mir nie. Iron war kurz davor durchzudrehen! In der Frau steckt mehr als man auf den ersten Blick denkt!“, verkündete Raven.
„Ich kann ihre Gedanken nicht löschen. Alle Versuche sind gescheitert. Tut mir Leid Sly. Wir haben wohl eine neue unter uns!“
„Hey!“, warf ich ein als Thor im Begriff war mich loszulassen. Nicht mit mir Kollege Turnschuh!

„Eine Sache musst du mir jetzt doch noch mal erklären. Thor, was sind Bloodhunter und vor allem bist du auch ein Vam… Ich meine Nachtwandler?“
„Ja. Ich bin ein Nachtwandler. Es gibt wie bei euch gute und böse Menschen. Die Bösen bei uns werden Bloodhunter genannt, da sie immer zu auf der Suche nach Blut sind und unschuldige Menschen töten. Anders als wir Nachtwandler es für gewöhnlich handhaben.“
„Ich will euch ja nicht stören…“, begann Sly.
„Dann tu’s halt auch nicht!“, entgegnete ich trotzig.
„Das mag ich an ihr!“, pflichtete Thor bei.
„Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll aber wir werden es im Laufe der Zeit wohl merken! Dennoch. Leute wir sollten wieder auf Patrouille gehen. Thor du bist raus. Zeig Sheila unser Heim und pass auf sie auf!“, befahl Sly um im nächsten Moment zu verschwinden.
„Könnt ihr auch so coole Dinge wie in den meisten Filmen und Serien?“
„Teilweise, mein Engel. Teilweise.“
„Und was zum Beispiel?“
„Das findest du noch früh genug heraus!“
„Na toll.“


11
Ich folgte Thor nur wiederwillig.
„Das ist nicht dein Ernst Schatz, oder?“
„Wieso denn?“
„Weil ich finde, dass du es tierisch übertreibst. DAS alles hier. Lass es uns noch mal überlegen.“
„Willst du mir gerade sagen, dass dir das zu schnell geht?“
„Ja. Nein. Mist ich weiß auch nicht. Aber warum soll ich meine Autosammlung verkaufen, hm? Die hat mein Dad geliebt und an Geld mangelt es uns ja auch nicht gerade.“, stellte ich fest.
„Gut, dann behalt sie halt. Wenn du dann wieder fröhlicher dreinschaust! Aber dann muss eine extragroße Garage am neuen Haus dazu. Kannst du den Bau veranlassen?“
„Klar, aber ich stell euch das trotzdem in Rechnung.“
„Was? Das bauen wir nur wegen DEINEN Autos…“, fluchte Thor und sah mich böse an, als er begriff, dass ich einen Joke gemacht hatte.
„Wann können wir noch mal umziehen?“, hakte er nach.
„In drei Monaten. Der Bau dauert durch die ganzen Kellerräume so lange. Aber bis jetzt läuft alles termingerecht.“
„Sehr gut. Kommst du? Ich möchte noch rechtzeitig im Restaurant sein.“
„Gut.“, stimmte ich zu. Jetzt war es also amtlich. Ich war zusammen mit einem Nachtwandler und ich werde mit ihnen ins neue Haus ziehen, wenn es fertig ist. Komme was wolle. Ein kleines Bisschen zu schnell ging mir das Ganze aber schon. Ich meine Thor und ich waren gerade mal zwei Wochen zusammen. Außerdem konnten mich Sly und Ace nicht ausstehen. Gute Voraussetzungen also um eine WG mit ihnen zu gründen. Immerhin verstand ich mich gut mit den Anderen. Raven, war zwar etwas zurückhaltend, doch freundlich gesinnt. Xylon war das Gegenteil von Thor und Alokay war echt witzig und brachte mich zum Weinen. Zum Weinen von Lachtränen. Jede Frau liebt Männer mit Humor. Vor allem, wenn sie so aussahen. Dennoch zog ich Thor nun mal vor.
„Warum willst du eigentlich mit mir essen gehen?“, hakte ich nach. Wir waren das letzte Mal vor zwei Tagen essen gegangen.
„Weil ich Hunger habe.“, witzelte er.
„Na dann Baby, die Snackbar ist eröffnet!“, entgegnete ich und nahm meine Haare zur Seite. Verwirrt starrte Thor auf meine dargebotene Kehle. Wie in einem Bann kam er auf mich zu. Wollte er mich etwa jetzt wirklich beißen? Würde ich ihm denn schmecken? Oh, oh. Seine Augen fingen an zu leuchten und zwar in einem dunklen Rotton. Hilfe! Was hatte ich denn nur getan?
Ich wusste noch nicht viel über die Rasse der Nachtwandler, doch das, was mir Thor erzählt hatte, war echt angsteinflößend. Er kam mir immer näher und näher. So lange, bis nicht einmal mehr ein Blatt Papier zwischen unsere Körper gepasst hätte. Thor presste mich an sich und beugte meinen Hals zur Seite. Ich machte mich auf einen Biss bereit, einen Schmerz. Wobei. Thor hatte gemeint, dass es sich von Schmerz in pure Lust verwandelte. Ich spürte seine Lippen an meinem Hals, die mich dort sanft liebkosten.
„Du bist wunderschön und du riechst wirklich umwerfend, aber das ist noch nicht der richtige Zeitpunkt, mein Engel. Du weißt, dass ich dich begehre, wie nichts sonst auf der Welt, aber obwohl dein Angebot sehr verlockend ist, werde ich warten. Ich will mir bei dir hundertprozentig sicher sein. Lass uns Essen gehen.“, flüsterte er und sah mir langsam wieder in die Augen. Sie leuchteten immer noch rot, jedoch nicht mehr so stark. Er wandte sich ab, um zu gehen. Hatte ich ihn verletzt, weil er wusste, dass es ein Scherz gewesen war? Hätte ich das niemals tun sollen? Immerhin hatte er mir zwei Wochen lang immer und immer wieder erklärt, dass er ein Monster war, das lediglich noch auf diesem Planeten weilte, weil er die Menschen vor Bloodhuntern beschützte.
Ich wusste zwar, dass er sich jeden Abend in Gefahr begab, nur um Menschen das Leben zu retten, aber ein Monster hatte ich in dieser Zeit noch nicht entdeckt.
Männer und ihre Logik halt! Niemand versteht sie. Aber ich will mich ja nicht beschweren.
Das einzige, was mir und den Anderen zusetzte war, dass in diesem Monat immer wieder Menschen aus der Gegend verschwanden oder neue Leichen auftauchten. Thor hatte mir erklärt, dass die Bloodhunter sich vermehrten wie ein Virus und von ihren Vorgesetzten wie Hunde gehalten wurden.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Thor stehen blieb und ich gegen ihn lief. Er bedeutete mir still zu sein. War etwa jemand im Haus?
„Bleib hier.“, flüsterte mir Thor zu, als er seine Glock zog und um die Ecke verschwand. Super. Irgendwas musste ich doch unternehmen. Also wählte ich die Nummer von Xylon. Thors Zwilling würde bestimmt vorbeikommen.
„Sheila!“, begrüßte mich Xylon.
„Hey… Wir sind an meinem Haus. Irgendwas stimmt nicht. Thor ist nachschauen gegangen, aber ich glaube, dass was faul ist.“, flüsterte ich.
„Ich bin unterwegs. Sheila, bleib wo du bist! Bis gleich.“
Dann war die Leitung tot. Super. Ich verschwand im Schatten der Mauer und hoffte, dass mich niemand entdeckte. In diesem Moment sah ich eine Gestalt an mir vorbeihuschen und hätte beinah einen Herzinfarkt bekommen. Zu meinem Unglück bemerkte die Gestalt mich und sah in meine Richtung. Ein großer dunkelhaariger Mann sah mich mit dunkelroten Augen an. Toll, er war also hungrig. Ich blinzelte nur für einen kurzen Moment, als er mich packte und mir den Mund zu hielt. An schreien hatte ich gar keine Sekunde verschwendet. Typisch Frau. Meinen immer und alles kommentieren zu müssen und zu schreien, wenn was Ekliges vorbeikommt, sind aber nicht in der Lage in Krisensituationen wie dieser zu schreien.
„Thor!“, schrie ich oder aber wollte es schreien, denn was letzten Endes nach außen drang war ein: „W-hoooooor!“, oder so ähnlich.
Doch Thor hatte mich gehört, denn im nächsten Moment stand er uns gegenüber. Ein Blinzler später war er umzingelt von vielen Bloodhuntern. Na toll. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ein Messer an der Kahle hatte.
„Ergib dich Krieger!“, schrie der Bloodhunter. Ich wollte nein schreien, doch das Messer bohrte sich ein kleines bisschen in meinen Hals.
„Sie riecht köstlich. Ergib dich, oder sie stirbt.“, drohte mein Peiniger.
Wenn er sich ergeben würde, dann wären wir verloren. Ich hatte Xylon zwar Bescheid gesagt, aber wann würde er hier sein? Hoffentlich pünktlich und mit Verstärkung. Ich sah zu, wie Thor seine Glock senkte und Anstalten machte, sie auf den Boden zu werfen. Nein! Ich schüttelte wild mit dem Kopf, was zur Folge hatte, dass ich mich das Messer an meiner Kehle immer und immer wieder schnitt. Ich merkte, dass ich blutete, aber es war mir egal. Wenn Thor sich ergeben würde, dann würden sie ihn foltern und umbringen. Das konnte ich nicht zulassen. Ich schickte ein Gebet zum Himmel, dass Gott doch die Gnade hätte und Xylon mit Verstärkung hier rechtzeitig eintraf.
„Ich liebe dich mein Engel!“, sagte er und ließ zugleich seine Waffe fallen. Binnen weniger Sekunden waren alle Bloodhunter auf ihn gestürzt, hatten ihm die restlichen Waffen abgenommen und ihn in die Knie gezwungen.
„Bastarde!“, schrie ich, wurde jedoch durch einen Stich in den Oberschenkel ruhig gestellt.
„Fesselt ihn!“, befahl einer und die Anderen kuschten.
„Gehen wir. Du wirst uns eine riesige Hilfe sein und Ricardo wird sich freuen dich nach so langer Zeit wieder zu sehen.“
Thor war still und ruhig. Die Ruhe, die mir fehlte, strahlte er aus. Er würde sterben und ich würde sterben, wie konnte er nur so ruhig sein. Ich schielte wie auf Befehl nach unten und musste mit Entsetzen feststellen, dass mein Schenkel heftig blutete.
Meine Sicht wurde immer verschwommener und das letzte, das ich noch mitbekam war, dass Thor weggetragen und mir in den Hals gebissen wurde. Schmerz durchzuckte mich noch einige Sekunden und dann fiel ich in einen Abgrund. Schwarz, wie der Tod. Ich würde meinen Vater und meine Mutter bald wiedersehen. Leider war der Preis zu hoch. Ich würde Thor vermissen. Es sei denn, er würde mir folgen.
Ich machte einen Lichtschlitz aus. Das war also der Übergang ins Reich der Toten? Ziemlich öde, wenn man es bedachte. Ich griff nach dem Türgriff und stieß die Tür schweren Herzens auf. Ein langer sich schlängelnder, zu meinem Leidwesen rosa Weg, zeigte sich mir auf.
Na toll, wenn so der Himmel war, na dann Prost-Mahlzeit!
Doch bevor ich die Tür passieren konnte, wurde ich zurückgezogen. Eine Stimme drang an mein Unterbewusstsein und ich schloss die Tür wieder.


12
Ich schlug meine Augen auf. Wo war ich und was war passiert? Mir tat jeder einzelner Muskel und jeder Knochen weh. War Thor in Ordnung? Mein Gott Thor!
Ich sprang förmlich aus einem Bett. Hoffentlich hatten sie Thor nicht mitgenommen!
Lebte ich eigentlich noch? Klar, brachte mein Verstand ein. Du hast die Tür wieder zu gemacht.
Wie angewurzelt blieb ich stehen. Ich war in Thors Zimmer im Unterschlupf. Ich sah mich um, sah an mir runter und musste feststellen, dass ich nackt war. Wer hatte es gewagt mich auszuziehen?
Wütend ging ich zum Kleiderschrank, der schon zum Bersten mit meinen Klamotten gefüllt war und zog mich an.
Jetzt konnte ich Thor suchen gehen. Ich flitze auf den Gang und spähte in beide Richtungen. Ich beschloss in Richtung Besprechungssaal zu gehen. Vielleicht war dort ja einer zu finden. Ich eilte zum Saal und fand dort Ace. Na das hatte noch gefehlt. Der Macho und Anführer der Krieger. Toll.
„Sheila?“, fragte Ace und sah mich besorgt an.
„Wo ist Thor?“, fragte ich nach, stand auf und bedeutete mir mich zu setzen. Was? Nein, das konnte doch nicht wahr sein. Nicht er. Warum? Ich konnte die Tränen nur schwer unterdrücken.
„Sheila, Thor ist…“, setzte Ace an, wurde jedoch durch mich unterbrochen.
Ich heulte los. Wie ein Wasserfall. Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen.

Ich erschrak, als mich jemand an den Schultern hochzog. Leider war es nicht Thor. Ace hatte mich zu sich in eine Umarmung gezogen.
„Thor ist nicht tot, Sheila. Er ist seit drei Tagen ununterbrochen nur auf der Suche nach deinem Mörder.“
Ich horchte auf. Thor war nicht tot! Mein Herz machte einen Sprung und ich wischte meine Tränen weg.
„Er müsste gleich wieder da sein.“
Erst jetzt raffte ich, was Ace mir noch gesagt hatte.
„ICH BIN TOT?“, fragte ich hysterisch nach. „Wie kann das sein? Ich meine ich bin doch noch hier… ich meine das … Nein!“
Ich sank zusammen und wäre Ace nicht so freundlich gewesen und hätte mich aufgefangen, dann wäre ich derbe auf die Klappe gefallen.
„Als wir eintrafen, warst du beinahe verblutet. Thor hat unentwegt deinen Namen geschrien, während die Anderen fast alle Bloodhunter platt gemacht haben. Ich kam zu dir und naja, wir hatten die Wahl. Du kennst mich, zumindest ein wenig, ich war gegen die Wandlung, aber einen meiner besten Freunde so verstört zu sehen, hat mich wütend gemacht und so hab ich die Wandlung erlaubt. Thor dachte schon, dass es nicht funktioniert hat, als Raven dich zurückholen musste. Es war alles sehr knapp. Seid dem ist Thor unterwegs und sucht den Schuldigen…“, erklärte mir Ace. Wenigstens war er ehrlich gewesen, dass er dagegen gewesen war.
„Ace, kannst du mich nicht leiden?“, fragte ich vorsichtig nach. Ich wollte es jetzt wissen. Komme, was wolle.
„Ich finde dich in Ordnung. Du machst einen guten Freund von mir glücklich, also werde ich mit dir leben müssen. Außerdem halte ich allgemein nichts von Frauen. Sie lenken lediglich ab und sind zum Vergnügen gut…“, antwortete er und eine unangenehme Stille entstand.
„Wenn man vom Teufel spricht, Thor ist wieder da!“
Die Tür flog knallend auf.
„Mist verdammter! Ich hab ihn immer noch nicht, Ace!“, schrie Thor und ich sah mit Entsetzen, dass er blutüberströmt war. Sein blaues Hemd war jetzt eher ein dunkles Violett.
Jetzt sah er mich.
„Oh mein Engel!“, rief er und lief auf mich zu. Er umarmte mich so stürmisch und so heftig, dass ich wohl gestorben währe, wenn ich noch menschlich gewesen wäre.
Er küsste mich. Immer und immer wieder. Ace räusperte sich.
„Wenn ihr so freundlich wäret und euren Paarungstanz wo Anders aufführen würdet, dann wäre ich euch sehr verbunden.“
„Sei nicht so spießig Ace und such dir auch endlich mal eine Freundin!“, entgegnete Thor bissig und handelte sich einen Killerblick ein. Ich kicherte.
„Du kennst mich Mann. Ich habe nicht eine Freundin, sondern hunderte.“, lachte Ace und bedeutete, dass wir endlich verschwinden sollten.
Thor nahm mich auf den Arm und rannte in Windeseile zurück zu seinem Zimmer. Er warf mich aufs Bett, woraufhin es beinahe zusammengekracht wäre. Er schloss die Zimmertür und sah mich liebevoll an.
„Was?“, fragte ich.
„Hat Ace es dir schon erzählt?“
„Was?“, hakte ich nach. Ich wollte es aus seinem Mund hören, dass ich jetzt eine Nachtwandlerin war. Wollte hören, dass er mich liebte und wollte mit ihm Sex.
Doch leider bekam ich nichts desgleichen. Thor verschwand einfach. Innerlich zerbrach ich.
Wollte mich Thor jetzt nicht mehr, weil ich ebenfalls unsterblich war? Eine Dauerbeziehung würde immerhin nicht zwangsläufig gut gehen. Heutzutage ließ man sich doch mindestens ein bis zwei Mal scheiden.
Als ich wieder zur Tür sah, stand Thor wieder da.
„Was soll das?“, hakte ich nach.
„Ich hoffe, dass du mich nicht hassen wirst, Sheila. Du, du warst am Rande des Todes. Ich hab dich verwandelt. Du bist eine von uns. Eine Nachtwandlerin. Ich… ich…“, stotterte er etwa. Er sah zu Boden, dann wieder zu mir.
„Du willst mir also weiß machen, dass ich ein blutschlürfender Vampir bin? Das ist nicht dein Ernst!“, schrie ich gespielt hysterisch.
„Ich… Ja, aber…“
Ich erlöste ihn, indem ich ihn an die Wand drückte, sein Gesicht zu mir herunter zog und ihn ausgiebig küsste.
„Was?“, frage er.
„Thor. Ich liebe dich. Du hast mir das Leben gerettet. Gewissermaßen. Ich kann jetzt viel mehr Zeit mit dir verbringen, wenn du das auch willst.“
„Ja, aber… du wirst niemals Kinder haben, Sheila. Niemals leibliche Kinder. Nur reine Nachtwandler können Kinder zeugen. Ich bin keiner von ihnen.“
Er sah mich entschuldigend und sehr zärtlich an.
„Thor. Dann gibt es eine ganz einfache Lösung.“, begann ich und er sah mich skeptisch an.
„Ich such mir einen reinrassigen, wenn ich ein Kind will. Solange werde ich mit dir Vorlieb nehmen.“, scherzte ich.
„Nein, mal im Ernst. Ich liebe dich und Selbst als Mensch wäre ich nicht in der Lage gewesen Kinder zu bekommen. Ich bin nämlich unfruchtbar.“
Er sah studierte meine Augen eindringlich und dann küsste er mich.
„Also, heißt das, dass du bei mir bleibst?!“
„Manchmal seid ihr Kerle echt etwas schwer von Begriff.“, entgegnete ich und verdrehte die Augen.
„Ich liebe dich Sheila, mein kleiner Engel.“
„Na das will ich auch schwer hoffen, denn ab jetzt haben wir die Ewigkeit für uns. Ach ja und… Das wollte ich schon immer mal sagen… Beiß mich Thor!“


Impressum

Texte: Das Cover ist via Photoshop bearbeitet, aber ursprünglich im netten Browser, der sich Google nennt, zu finden ;)
Tag der Veröffentlichung: 18.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meinem lieben kleinen Strullihund... Apollo! Er hielt mich immer davon ab weiter zu schreiben, weil er Gassi wollte.

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