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Kapitel 1


Ich kann es immer noch nicht fassen … was mir heute passiert ist, meine ich.
Es ist einfach so unrealistisch, so unwirklich und wenn ich nicht die Betroffene gewesen wäre, würde ich es auch nicht glauben. Ich würde mir sogar ziemlich verarscht vorkommen. Es ist aber wirklich passiert. Ich schwöre es. Man kann viel schreiben, wenn der Tag lang ist, denkst du jetzt sicher. Vielleicht denkst du auch, wann es endlich mit der Geschichte losginge. Tja, das wüsstest wohl du gerne! Ich will dich nur vorwarnen, denn das, was ich dir nun erzählen werde, ist keine einfache Liebesgeschichte. Das ist etwas ganz anderes … Oder warst du schon mal mit dem Tod zusammen? Wenn ja, was ich aber nicht glaube, ist es schon eine normale Liebesgeschichte. Aber wenn nicht, dann lass dich überraschen. Auf jeden Fall lief es so ab...
Ich saß im Mathematikunterricht und Herr Hansen laberte irgendetwas belangloses über „Lineare Funktionen“. Shalia schob mir ein Zettelchen rüber:
„Hey Sally. Was redet Lutz die ganze Zeit?“
Ich sah zu Lutz der neben mir saß. Dann schrieb ich Shalia zurück:
„KP. Ich glaube, er singt irgendetwas über Suppe … Geld und Suppe.“
Ich schmunzelte und schob Shalia unauffällig den Zettel zu. Sie lächelte. Lutz singt ständig im Unterricht. Er ist echt süß. Ihr fragt euch jetzt sicher, wie jemand süß sein kann, der etwas über Suppe und Geld singt. Wie die Antwort auf diese Frage lautet, weiß ich auch nicht, aber er kann es trotzdem. Obwohl Lutz Sommer süß ist, schlug mein Herz nicht für ihn, sondern für meinen Freund Florian Asmussen. Er ist nicht nur süß, er singt auch nicht. Und schon gar nicht über Geld und Suppe. Obwohl ich zugeben muss, dass Lutz nicht schlecht singt, geht es einem auf Dauer ganz schön auf den Geist. Florian und ich waren schon seit zwei Monaten zusammen. Und zu diesem Zeitpunkt dachte ich auch, dass wir es auch noch etwas länger bleiben würden.
Ich tippte Shalia an und tippte danach auf mein Handgelenk. Das symbolisierte das Tippen auf eine Uhr. Unser Zeichen um zu fragen wie lange es noch dauert bis die Stunde vorbei ist. Sie sah auf ihre Uhr und hob drei Finger. Noch drei Minuten und ich könnte endlich nach Hause gehen. So ein Glück, dass Shalia immer eine Uhr dabei hatte. Die letzten Minuten vergingen wie in Zeitlupe. Doch irgendwann wünschte Herr Hansen uns einen schönen Tag und verließ das Klassenzimmer. Ich packte meine Sachen und es ertönte das Klingeln. Darauf verabschiedete ich mich von meinen Freundinnen und machte mich auf den Weg nach Hause.
Bis jetzt fragt ihr euch sicher, was denn so außergewöhnlich sein solle. Und diese Antwort lautet:
Bisher noch gar nichts, aber wartet ab und staunt …!
So ging ich halt nach Hause. Ungefähr auf halbem Wege kam aus meinem Ranzen der typische Standard SMS Ton von Samsung Handys. Ich setzte meinen Rucksack ab und holte mein Handy hervor. Den Rucksack setzte ich wieder auf. Im Weitergehen hob ich die Tastensperre meines Handys auf. Auf meinem Display öffnete sich das SMS-Ikon. Eine neue Nachricht von Florian Asmussen. Ich öffnete sie.
Hallo Schatzi<3
hast du heute
Lust auf treffen?
Ruf mich an
wenn du @
home bist.
HDGDL Flori
So ein Glück, dass ich Zeit hatte. Ich liebte Flori wirklich über alles. Auch, wenn er so seine Macken hatte, aber das war für mich kein Problem. Immerhin war ich nicht besser.
Mein Handy war fast wieder verstaut als der SMS Ton erneut erklang. Ich stöhnte genervt und holte es aus dem Rucksack
Eine neue Nachricht von Mama.
Hallo Schatz!
Wir sind gerade in
Oslo angekommen.
Essen für heute
steht in der Mikrowelle.
Wir sehen uns dann
wieder nächsten Freitag.
HDGDL Mama und Papa.
Oh ja. Wie konnte ich das nur vergessen? Meine Eltern hatten seit Wochen von nichts anderem mehr geredet.
Eine Woche sturmfreie Bude!
Meine Eltern machen eine Woche Urlaub in Norwegen. Mit ausgedehnten Wandertouren, Sauna-Besuchen und jede Menge kuschelige Abende vor dem Kamin …
Ich weiß schon, wieso ich meine erste Ferienwoche lieber zu Hause verbringen wollte. Kuschelige Abende? Vielleicht mit meinen Mädels vor dem Fernseher mit einer Tüte Chips und unterschiedlichen Meinungen beim Lästern. So wie beim letzten Mal als Shalia behauptet hat, dass Lesly viel zu viel Make-up trägt und ich ihr dann erst einmal erzählen musste, dass es sicher nicht so ist. Da ich mich genauso stark schminke wie Lesly und das kein bisschen zu viel ist, sie da aber anderer Meinung war, gab es eine lange und breite Diskussion über dieses Thema.
Na ja wie dem auch sei. Kein Urlaub in Norwegen mit meinen Eltern in einer Blockhütte an einem See. Wenn es sich um ein vier Sterne Hotel in der Karibik gehandelt hätte, wieso nicht? Aber Norwegen? Nein danke! Nicht das Norwegen nicht schön ist, aber Lust darauf hatte ich halt nicht. Obwohl Norweger ja schon ziemlich süß sind. Ich verscheuchte den Gedanken immerhin hatte ich ja Flori. Also ein klares nein zu Norwegen. Da blieb ich lieber hier.
Endlich zu Hause angekommen, warf ich meinen Ranzen in eine Ecke meines Zimmers, zog die Schuhe aus und begab mich in die Küche. Ich warf einen Blick in die Mikrowelle, um mein Essen zu begutachten. Kartoffelauflauf, wie ich ihn hasse! Es gibt echt nichts was weniger schmeckt als Kartoffelauflauf! Ich schloss die Mikrowellentür wieder und ging zum Kühlschrank. Ich öffnete ihn mit der Hoffnung etwas Essbares zu finden. Na geht doch, denke ich, als ich ein paar Äpfel und Birnen finde. Als ich dann noch ein Paar Bananen fand war ich endgültig der Meinung, dass ich genug Grundzutaten für eine vernünftige Mahlzeit zusammen hatte.
Ich schnitt das Obst klein. Zeit für Obstsalat! Ich ging zum Schrank, in dem wir die Schüsseln aufbewahrten. Ich öffnete ihn.
Kurz darauf ein dumpfer Schlag!
Kopfschmerzen!
Schwarz!

Kapitel 2



Mein Kopf schmerzte.
Ich lag auf einem kalten Boden, wahrscheinlich Fliesen.
Was war passiert?
Ich war auf dem Schulweg, dann wollte ich etwas essen und dann war ich am Schrank. Jemand sprach: „Mensch Audrey wie konnte das passieren? Du kannst doch nicht...Du hast doch wohl nicht... Jetzt mal ehrlich: Was sollte das?“ Die Stimme war angenehm, weich und eindeutig männlich. Ich fragte mich wer der Besitzer dieser Stimme wohl sein mochte. Und eine noch viel wichtigere Frage: Wo war ich überhaupt?
Eine zweite Stimme begann zu reden: „Also...ähm...ja das war so. Es war mega langweilig. Die Menschen sterben ja immer später und tja dann...“
„...Dann dachtest du halt, du schneidest ein wenig an den Lebensfäden herum? Sag mal Audrey spinnst du? Das geht nicht!“ Die zweite Stimme war rau, weiblich und ein wenig panisch, die erste Stimme hingegen sehr verärgert.
Ich versuchte meine Augen zu öffnen um die beiden Gestalten zu sehen, doch es gelang mir nicht. Ich hatte keine Kraft. Was hatte die männliche Stimme bloß so verärgert?
„Lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern. Also was ist jetzt?“ fragte die weibliche Stimme gereizt.
„Ich weiß es nicht. Mal sehen, was passiert, wenn sie wach wird“, entgegnete die andere Stimme genervt.
Das war mein Stichwort.
Ich versuchte erneut meine Augen zu öffnen. Diesmal gelang es mir.
Was ich als erstes sah, war eine Deckenlampe von Ikea. Sie hing an der mir bereits vertrauten Küchendecke. Ich richtete mich auf und fuhr mir mit der Hand durchs Haar um eine Haarsträhne aus meinem Gesicht zu verscheuchen. Da fiel mir auf, dass ein Teil meiner Haare verklebt und von einer Flüssigkeit überzogen waren. Mein Blick fiel auf meine Hand.
Sie war rot.
Vor Blut.
Mir wurde übel. Ich konnte kein Blut sehen und schon gar nicht mein eigenes.
Wieso blutete ich?
Was war passiert?
Panik stieg in mir auf.
Wer waren die Leute in meiner Küche und wieso waren meine Haare voller Blut?
Mein Kopf dröhnte und auch meine Wirbelsäule tat erstaunlich stark weh.
„Hallo“, begrüßte mich eine Stimme. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich nicht alleine war. Ich sah verdutzt zu den beiden Gestalten. Sie standen nur da und sahen mich an. Die linke von beiden, war groß, männlich und hatte blondes, zerzaustes Haar. Die andere war weiblich, schlank und etwas kleiner als der Mann. Ihre Haare waren schwarz und voluminös.
Das bemerkte ich sofort, weil ich schon voluminösere Haare haben wollten. Meine waren einfach nur platt, dünn und hellbraun.
Ich starrte sie an. „Okay nochmals hallo“, sagte der Mann und lächelte mir aufmunternd zu. Wie waren die beiden in unser Haus gekommen.
„Möchtest du nicht aufstehen?“, fragte er höflich. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Seine Kleidung wirkte im Gegensatz zu seinem Haar sehr elegant.
Dieser Kontrast war interessant anzusehen. Er schien nicht viel älter zu sein als ich. Vielleicht 18 oder 19.
Schließlich betrachtete ich das Mädchen. Ihre Haut war hell und schien zu glänzen, als ob sie aus Porzellan wäre. Zuerst fiel mir ihre Kleidung auf. Sie war im Gegensatz zu dem jungen Mann nicht elegant gekleidet, sondern eher, als wäre es ein schöner Sommertag. Ihr Top war grün, genau wie ihre ausgelatschten Chucks und ihre Uhr. Ihre Shorts waren schwarz. Ihre Kniestrümpfe waren weiß mit einem schwarzen Streifen an der Oberseite.
Außerdem trug sie schwarz-weiße Armstulpen. Sie sah mich genervt an und verdrehte die Augen.
„Redest du auch oder starrst du uns nur an?“ fragte sie bissig. Ich erwachte wie aus einer Trance.
„Was macht ihr hier?“, fragte ich verwirrt.
„Und wer seid ihr?“ Der Mann machte eine kleine Verbeugung.
„Wenn ich mich Vorstellen dürfte, ich bin Sam“
„Und ich bin Audrey“, murmelte das Mädchen leise.
„Und was macht ihr hier?“, fragte ich wütend. Da stehen fremde Leute in meiner Wohnung und ich bin verletzt. Was sollte das hier werden?
„Steh erst einmal auf. Gibt es hier bequemere Räume? Die Küche ist kein guter Ort, um dir die Lage zu erklären“, er sprach ruhig aber deutlich. Ich wollte ihn anbrüllen, aber ich konnte nicht. Irgendetwas an seiner Art hinderte mich daran. Er hielt mir seine Hand hin:
„Komm schon“ Seine Stimme war eindringlich, aber warm, ganz im Gegenteil von seiner Hand, die ich nun genommen hatte; sie war kalt.
Als ich Sams Hand berührte, durchfuhr ein eigenartiges Gefühl meinen Körper. Es war warm, angenehm und ich fühlte mich geborgen. Aber zugleich war es kalt und unangenehm. Ich schauderte. Er zog mich auch die Beine.
Ich fühlte mich ein wenig wackelig, als wäre ich von einem Boot gestiegen. Er stütze mich und Audrey beobachtete mich mit einem abschätzigen Blick.
„Gehen wir jetzt?“, fragte sie gelangweilt.
„Ja okay. Lasst uns ins Wohnzimmer gehen“, schlug Sam vor. Ich stolperte mehr oder weniger ins Wohnzimmer. Audrey und Sam setzten sich auf die Couch, während ich mich auf einem Sessel ihnen gegenüber niederließ. Sam sah sich im Raum um.
Sein Blick blieb an einem Bild hängen, welches mein Cousin Morris für mich gemalt hatte. Er ist ein echtes Zeichentalent. Auf dem Bild war ein düsteres Schloss zu sehen. Im Vordergrund stand ein Knochenmann in einem schwarzen Gewand. In seinen knochigen Händen hielt er eine Sichel, die mit vielen Knochen und Spinnen verziert war. Ich war dagegen es im Wohnzimmer aufzuhängen, aber meine Eltern waren dafür. Sie meinten es wäre eine nette Geste und Morris wäre sonst sicher verletzt. Also hängt es jetzt im Wohnzimmer und jedes Mal wenn ich es betrachte läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
Sam hingegen betrachtete es mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht. Er sah ernsthaft amüsiert aus. Wie konnte man bei so einem Bild nur lachen? Ich musterte ihn. Er hatte irgendetwas Geheimnisvolles an sich.
„Was ist nun?“ fragte ich neugierig. Am liebsten würde ich die beiden einfach rausschmeißen, aber mein Gefühl sagte mir, dass ich es nicht tun sollte. Ich vertraute meinem Gefühl.

Kapitel 3


„Also es wird jetzt etwas komisch für dich klingen aber...“, begann Sam.
„Aber was? Nun sag schon!“, unterbrach ich.
„Wenn es vorbei ist, also das Ende da ist, dann...“, begann Sam erneut.
„Jetzt rede nicht um den heißen Brei herum! Sally, du bist tot!“, mischte Audrey sich ein.
„Bitte was?“ Ich war verwirrt. Wie konnte ich tot sein? Immerhin saß ich hier, auf einem Sessel und fühlte mich sehr lebendig.
„Ihr wollt mich doch auf den Arm nehmen. Ich bin doch nicht tot! Dann müsste ich ja irgendwo tot liegen! Außerdem … wie soll ich denn gestorben sein? Das ist ja lächerlich!“
Ich wurde erneut wütend. Da kommen doch echt zwei sehr merkwürdige Persönlichkeiten in mein Haus und erzählen mir ernsthaft ich sei tot! Das ich nicht lache! Sam und Audrey blieben ernst.
„Du bist wirklich tot. Du bist gerade eben gestorben. Dir ist eine Glasschüssel auf den Kopf gefallen. Deshalb bist du nach hinten getaumelt und mit dem unglücklich auf die Arbeitsfläche in eurer Küche gefallen. Dadurch hast du dir das Genick gebrochen. Und jetzt … ja … du bist tot!“, erklärte Sam mir.
Ich lachte. „Das ist doch nicht wahr! Ich lebe. So etwas merke ich doch. Jetzt mal ehrlich, seit ihr von irgendeiner Serie und wollt mich verarschen?“ Ich betrachtete den Raum in der Erwartung irgendwo eine versteckte Kamera zu finden.
„Sagt jetzt endlich, was ihr hier wollt“, drängte ich sie. Es wurde mir langsam zu viel.
„Okay, es geht ja doch nicht anders.“ Er sah kurz zu Audrey und dann wieder zu mir.
„Ich bin Sam Koslowsky und … ich bin der Tod. Audrey ist eine Moire, eine Schicksalsgöttin, und damit meine Gehilfin.“
Ich musste lachen. Das war so ziemlich die blödeste Geschichte, die ich je gehört hatte.
Der Tod!
Das ich nicht lache!
Doch dann merkte ich an Sams Miene, dass er es ernst meinte. Ich sah in zweifelnd an.
„Moment mal“, sagte ich, „Das ist nicht dein Ernst, oder?“ Ich bemerkte wie meine Stimme ein wenig piepsig wurde.
„Doch!“, erwiderte er ruhig, „Doch das ist mein voller Ernst. Ich bin der Tod. Und ich bin hier, weil du tot bist und das hätte nicht passieren dürfen. Meine liebe Audrey hier…“, er nickte zu Audrey, die gelangweilt auf der Couch saß, „…hat nämlich deinen Lebensfaden durchgeschnitten.“ Ich schluckte.
Was hatte sie durchgeschnitten? Meinen Lebensfaden? Ich konnte mich noch ein wenig an ein Buch, welches ich vor einiger Zeit mal gelesen hatte, erinnern.
Darin ging es um die griechische Mythologie und dort habe ich auch von den drei Moiren gelesen. Drei Schicksalsgöttinnen, die mithilfe von Lebensfäden festgemacht haben, wann wer stirbt. Und diesen sollte Audrey durchgeschnitten haben?
Das ergab doch kein Sinn!
„Ist das jetzt wirklich wahr?“, fragte ich zögerlich. Irgendwie erschien es mir nicht wirklich, aber irgendwie schon. Und dieser hübsche Junge sollte der Tod sein. Er war weder ein Skelett, noch uralt. „Beweis es!“, sagte ich. Das war die Idee. Ich wollte mich nicht für doof verkaufen lassen, also ließ ich es die beiden einfach beweisen. „Okay“, Audrey lächelte. Ihr Lächeln hatte etwas Gefährliches an sich und erinnerte mich an das Zähnefletschen eines Raubtieres.
Zuerst zog sie ihre Handstulpe aus und legte sie auf den Tisch.
Dann stand sie auf und streckte ihren linken Arm aus. Sie drehte ihre Handfläche nach oben und strich mit der anderen Hand darüber. Dann murmelte sie leise ein paar Wörter und es brannte eine kleine Flamme auf ihrer Hand. Ich starrte ihre Hand an. Es war eine kleine, orangene Flamme, die munter auf Audreys Hand tanzte.
Ein leises „Wow“ kam über meine Lippen. Keinen Moment zweifelte ich daran, dass sie wirklich eine selbst entzündete Flamme auf ihrer bloßen Hand hatte.
„Dann ist es also wahr, ich bin tot“, ich seufzte.
„Und was jetzt? Ich meine ich bin tot, was...was passiert jetzt“. Ich musste an meine Eltern denken, was würden sie sagen. Und meine Freundinnen. Und Florian erst. Ich musste mich zusammen reißen, um nicht loszuheulen.
Ich war tot.
Und das nur wegen Audrey.
Jetzt wurde ich wütend. Ich stand auf.
„Du bist schuld“, schrie ich sie an. „Du!“

Kapitel 4


„Wegen dir bin ich tot!“, schrie ich Audrey an. Sie reagierte anders als erwartet und sah mich nur an.
„Hey ist schon gut!“, sagte Sam, „Du wirst nicht weiter tot sein. Du bist ja strenggenommen gar nicht tot, sonst würdest du dich anders fühlen. Aber wir haben eine Idee: Du lebst weiter, und als Entschuldigung für die ganze Aufregung darfst du dir die Zwischenwelt ansehen.“
Die Zwischenwelt? Ich war etwas misstrauisch. Immerhin war ich gerade gestorben, oder auch nicht. Ich verstand die ganze Sache nicht wirklich. Sam war unglaublich freundlich, aber mit Audrey wollte ich eigentlich lieber nirgendwohin gehen.
„Ich weiß nicht“, sagte ich zögerlich.
„Komm… Ich meine bitte, sonst … fühle ich mich schuldig“, erwiderte Sam. Welch eine Ironie. Der Tod fühlte sich schuldig, weil er mir nicht die Zwischenwelt zeigen konnte.
Seine Stimme überzeugte mich.
„Na gut“, willigte ich ein, „Aber mir passiert auch nichts?“
„Nein alles harmlos“, antwortete er und lächelte. Bei näherer Betrachtung fielen mir seine strahlend blauen Augen auf. Sie waren so hell, dass sie fast strahlten. Sie erinnerten mich an azurblaue Buchten im Mittelmeer und an die kalte Arktis zugleich. Als wenn sie Kälte und Wärme, Gut und Böse vereinen würden, sahen sie mich freundlich an.
Irgendwie freute ich mich auf die Besichtigungstour und konnte es gar nicht erwarten loszugehen, oder wie auch immer wir dort hinkommen würden.
„Und wie kommen wir da hin?“, fragte ich ungeduldig.
Audrey ließ ihre Flamme erlöschen und nahm Sam bei der Hand. Ich sah sie verwundert an. Waren sie etwas zusammen? Das durfte nicht wahr sein? Dieser tolle Typ mit der da? Nein danke!
Sam streckte mir ebenfalls seine Hand hin. Zögerlich griff ich danach und stellte mich neben ihn. Audrey streckte mir ebenfalls ihre Hand hin. Ich starrte sie an. Sam sah mich auffordernd an.
„Na los!“, zischte Audrey unfreundlich. Ich nahm ihre Hand. Sie war nicht so weich wie Sams Hand, aber sie war ziemlich warm, fast so als hätte sie Fieber. Audrey und Sam schlossen die Augen, ich tat es ihnen gleich, nicht in dem Wissen, was gleich passieren würde. Die beiden murmelten etwas auf einer Sprache, die ich nicht verstand. Trotzdem ließ ich meine Augen geschlossen.
Auf einmal fühlte ich mich, als wenn mir der Boden unter den Füßen weggerissen werden würde. Ich wollte schreien, aber aus meinem Mund kam kein Laut. Ich konnte ihn noch nicht einmal öffnen. Es wurde kalt, dann wieder warm. Meine Haut prickelte, als wenn viele kleine Nadeln sie piksen würden. Der einzige Trost war Sams Hand zu halten. Audreys leider auch. Aber das brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück.
Auf einmal endete das Gefühl und ich spürte Boden unter meinen Füßen. Ich öffnete die Augen. Ich stand in einer Höhle. An der Wand waren brennende Fackeln befestigt, die der ganzen Lokation noch mehr Übernatürliches und Fantastisches gab.
Die Höhle war ziemlich tief. In sie hinein verlief ein See.
Da entdeckte ich einen Mann. Zu mindestens glaubte ich, dass es ein Mann war. Er trug eine braune Kutte mit Kapuze und kam auf einem kleinen, altmodischen Boot über den See. Ich wollte näher an den See gehen, da bemerkte ich, dass ich immer noch Sams und Audreys Hände umklammerte. Als ich Audreys genervten Blick bemerkte, wurde ich rot und ließ sie los.
Wieso musste auch immer ich in so peinliche Situationen kommen? Ich ging näher zum Wasser, Sam und Audrey folgten mir. „Hallo Harry!“, begrüßte Sam den Fährmann. Harry legte an und verbeugte sich vor Sam. Erst wunderte ich mich über das Verhalten von Harry. Doch dann fiel mir wieder ein, dass Sam ja der Tod ist, was ich allerdings nicht wirklich glauben konnte, weil er super nett war und kein bisschen unheimlich. Na gut … vielleicht ein wenig.
Harry nahm Audreys Hand um sie zu küssen. Diese zog ihre Hand allerdings weg und verzog das Gesicht.
„Und wen haben wir da?“, fragte Harry Sam und deutete auf mich,
„Eine schöne junge Dame. Sollte ich sie kennen?“ Er zeigte aufs Boot. „Steigt ein, macht es euch bequem.“ Ich mochte Harry nicht; er erschien mir zwielichtig.
Sam stieg zuerst aufs Boot, ich folgte ihm und Audrey kam hinter mir. Harry stieg ebenfalls auf das kleine Boot.
Ich setzte mich auf eine schmale Holzbank. Sam setzte sich neben mich. Harry steuerte das Boot durch die gräulich schimmernden Wellen. „Wohin gehen wir?“, fragte ich Sam. Ich konnte es nicht glauben, dass er wirklich der Tod war. Er war so... anders. Anders als alle anderen Leute, die ich kannte. Die Art, wie er sich bewegte, glich der einer Raubkatze. Geschmeidig, elegant … , aber gefährlich. Wie eine Art unterbewusste Gefahr im Gegensatz zu Audrey, die nur eine offensichtliche Gefahr darstellte.
„Erst einmal über den See und dann in die Gerichtssäle.“, sagte er freundlich.
Gerichtssäle?
Was sollte das werden?
Ich habe mir nie große Gedanken über die Zeit nach dem Tod gemacht, aber ich habe dabei auch nie an Gerichtssäle gedacht.
„Gerichtssäle? Wofür braucht man in der Zwischenwelt Gerichtssäle?“, fragte ich ihn neugierig.
„Ganz einfach; darin werden die Entscheidungen getroffen, wo du nach dem Tod hinkommst.“
„Ach dieses alte Himmel oder Hölle Ding!“
„Naja so ähnlich.“, warf er ein.
„Wie so ähnlich?“
„Ähnlich halt. Darüber darf man mit lebendigen Sterblichen nicht reden.“ So hatte mich auch noch keiner genannt. Lebendige Sterbliche. Allerdings klang es aus seinem Mund irgendwie süß. Wir fuhren weiter über den See. Es roch nach Schwefel und Verwesung; kein besonders angenehmer Geruch. Ich rümpfte angewidert die Nase.
Sam schmunzelte. „Ja der Geruch ist ein wenig gewöhnungsbedürftig.“, sagte er amüsiert. Ich nickte nur und hielt mir einen Zipfel meines Pullovers über die Nase.
Das Boot schaukelte sanft über die Wellen. „So wir sind da“, sagte Harry, nachdem wir immer tiefer in die Höhle gefahren waren. Am anderen Ufer des Sees war eine normale Tür in den rauen, braunen Felsen gebaut. Das Boot legte an. Audrey ging zuerst von Bord. Sie machte den Eindruck, als wenn sie schnell von Harry wegkommen wollen würde. Was ihr auch niemand verübelte, weil Harry sie die ganze Zeit angemacht hatte. Dann wollte ich von Bord gehen. Neben bei kramte ich etwas Kleingeld aus meiner Hosentasche.
Zur Sicherheit hatte ich immer etwas Kleingeld in der Hosentasche. Man wusste ja nie was passiert. Ich wollte Harry gerade einen Euro geben, als Sam meinen Arm festhielt. „Nein tu es nicht. Merk dir eines: Bezahle niemals den Fährmann. Unser lieber Harry hier, hat diesen Fehler selbst einmal gemacht und jetzt ist er hier als Fährmann an sein Boot gefesselt.“, sagte Sam zu mir. Ich nickte und traute mich nicht Harry anzusehen. Er tat mir Leid.
Wir gingen von Bord.
Audrey ging auf die Tür zu und öffnete sie. Ich staunte nicht schlecht, als ich den Raum dahinter sah:
Der Boden war schwarz-weiß gekachelt und erinnerte an ein gigantisches Schachbrett.
Überall liefen Menschen herum (wenn es Menschen waren, wobei ich mir nicht so sicher war). Ich hatte noch nie so viele unterschiedliche Leute gesehen. Alle trugen andere Kleidung und stammten aus unterschiedlichen Kulturen. Ich sah traditionelle Trachten aus Kenia, Uniformen der amerikanischen Marine und elegante Kleider aus dem 15. Jahrhundert.
Nur eines hatten alle Leute hier gemeinsam: Sie waren beschäftigt; unterwegs, als wenn sie alle zu einem wichtigen Termin kommen müssten.
Ich wollte Sam fragen, wo wir waren. Ich sah mich um. Wo war er?
Weder er, noch Audrey, die eben noch neben mir gewesen waren, waren in der Menge zu sehen.

Kapitel 5



Panisch sah ich mich um. Eben waren sie noch neben mir gewesen und jetzt waren sie weg!
Ich lief in die Menge und prallte gegen einen alten Mann in einem Anzug.
Er sah mich böse an. „He he...“
„Ähm... `tschuldigung“, murmelte ich und lief weiter. Ich lief panisch weiter. Immer wieder rempelten mich beschäftigte Menschen an. Alle waren sie an laufen beschäftigt, auf ihre Handys und Armbanduhren sehend und schweigsam zu Boden sehend. Ich fragte mich, wo die alle hinwollten. Ich meine, wo sollte man in der Zwischenwelt schon hin?
Sam hatte ja etwas von einem Gerichtssaal gesagt.
Aber alles andere war doch dann in einer anderen Welt, oder?
Worauf hatte ich mich da eingelassen?
Ich lief verwirrt durch die Zwischenwelt. Da sah ich mitten in der Menschenmasse, wenn es denn Menschen waren, ein Mädchen, nicht viel älter als ich. Ihr Haar war blond, lang und gewellt, als sei sie ein Engel. Ihre Haut war genauso weiß und rein wie Audreys Haut. Auch ihre Haut wirkte wie Porzellan. Sie trug ein sanftes, weißes Kleid und war barfuß. Und im Gegensatz zu allen anderen hier, wirkte sie nicht so beschäftigt und gehetzt. Sie stand einfach nur da und sah suchend in der Menge umher.
Ich ging zu ihr. Vielleicht konnte sie mir sagen, wo ich Sam und Audrey finden konnte. Mir würde es auch reichen, wenn sie mir nur sagen konnte, wo Sam war, denn …. auf Audreys Anwesenheit war ich jetzt nicht wirklich scharf! Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge. Sie sah mich freundlich an und lächelte.
„Du bist neu hier, oder? Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Ähm ja“, stotterte ich, „Ich suche Sam und Audrey“ Ich hoffte, sie wusste von wem ich sprach.
„Oh tut mir Leid. Ich bin in derselben Situation. Ich suche ebenfalls Sam und Audrey. Naja … eigentlich mehr Sam als Audrey“ Ich musste lächeln, sah wohl so aus, als hätte jemand die gleichen Probleme wie ich.
Sie lächelte ebenfalls freundlich. Ihre Zähne waren strahlend weiß und gerade. Sie sah einfach perfekt aus. Genauso hatte ich mir immer Engel vorgestellt.
„Wir können sie ja mal suchen gehen. Ich bin übrigens Malaika. Und wie heißt du?“
„Ich bin Sally“, stellte ich mich vor. Sie war super nett.
„Folge mir einfach“, sagte Malaika und ging durch die Menge. Ich folgte ihr still. Als wir endlich das Ende der Halle erreicht hatten, gingen wir durch eine Tür. Sie war klein und alt, aber so etwas hatte in der Zwischenwelt wohl nichts zu sagen.
Hinter der Tür war ein kleiner Raum, in dem ein kleiner Kücheneck eingebaut war. Außerdem war da eine kleine Sitzecke, bestehend aus einer Couch und einigen Stühlen und einem Tisch. Auf dem Tisch standen einige dreckige Kaffeetassen. Ich war erstaunt. Einen so normalen Raum hätte ich nicht erwartet. Ich wusste zwar auch nicht, was genau ich erwartet hätte, aber einen so normalen Raum gewiss nicht.
„Setz dich doch“ sagte Malaika auffordernd und deutete auf die Sitzecke. Ich setzte mich auf einen unbequemen Stuhl.
„Möchtest du einen Kaffee?“, fragte sie und ging zu einer Kaffeemaschine, die in der Ecke stand.
„Nein danke, ich bin nicht so der Kaffeefan!“, sagte ich. Immer, wenn ich mich mit allen meinen Freundinnen in der Stadt traf, wollten diese zuerst zu Starbucks. Ich konnte sie nicht verstehen, für mich war Kaffee einfach nur eine unausstehliche, dunkle Brühe.
Malaika hantierte an der Kaffeemaschine herum. Ich sah mich um. Dieser Raum war eingerichtet wie ein ganz normaler Pausenraum. Er hätte genauso in irgendeiner Firma stehen können, anstatt in der Zwischenwelt.
Malaika kam mit einem dampfenden Kaffeepott auf mich zu und setzte sich neben mich.
„Und du bist also das Mädchen, welches von Audrey getötet wurde?“ fragte sie mich und nippte an ihrem Kaffee. „Ja…die bin ich.“, sagte ich verlegen. War das etwa so bekannt in der Zwischenwelt?

Kapitel 6


Panisch sah ich mich um. Eben waren sie noch neben mir gewesen und jetzt waren sie weg. Ich lief in die Menge und prallte gegen einen alten Mann in einem Anzug. Er sah mich böse an. „He he... ähm... `tschuldigung“ murmelte ich und lief weiter. Ich lief panisch weiter. Immer wieder rempelten mich beschäftigte Menschen an. Alle waren sie an laufen, beschäftigt auf ihre Handys und Armbanduhren sehend und schweigsam zu Boden sehend. Ich fragte mich, wo die alle hinwollten. Ich meine, wo sollte man in der Zwischenwelt schon hin.
Sam hatte ja etwas von einem Gerichtssaal gesagt. Aber alles andere war doch dann in einer anderen Welt, oder? Worauf hatte ich mich da eingelassen? Ich lief verwirrt durch die Zwischenwelt. Da sah ich mitten in der Menschenmasse, wenn es denn Menschen waren, ein Mädchen, nicht viel älter als ich. Ihr Haar war blond, lang und gewellt, als sei sie ein Engel. Ihre Haut war genauso weiß und rein wie Audreys Haut. Auch ihre Haut wirkte wie Porzellan. Sie trug ein sanftes, weißes Kleid und war barfuß. Und im Gegensatz zu allen anderen hier, wirkte sie nicht so beschäftigt und gehetzt. Sie stand einfach nur da und sah suchen in der Menge umher.
Ich ging zu ihr, vielleicht konnte sie mir sagen, wo ich Sam und Audrey finden konnte. Mir würde es auch reichen, wenn sie mir nur sagen konnte wo Sam war, auf Audreys Anwesenheit war ich jetzt nicht wirklich scharf. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge. Sie sah mich freundlich an und lächelte. „Du bist neu hier, oder? Kann ich dir irgendwie helfen?“ „Ähm ja“, stotterte ich, „Ich suche Sam und Audrey“ Ich hoffte, sie wusste von wem ich sprach. „Oh tut mir Leid, da stecke ich in der selben Situation. Ich suche ebenfalls Sam und Audrey, naja eigentlich mehr Sam als Audrey“ Ich musste lächeln, sah wohl so aus, als hätte jemand die gleichen Probleme wie ich.
Sie lächelte ebenfalls freundlich. Ihre Zähne waren strahlend weiß und gerade. Sie sah einfach perfekt aus. Genauso hatte ich mir immer Engel vorgestellt. „Wir können sie ja mal suchen gehen, ich bin Malaika. Und wie heißt du?“ „Ich bin Sally“, stellte ich mich vor. Sie war super nett. „Folge mir einfach“, sagte Malaika und ging durch die Menge. Ich folgte ihr still. Als wir endlich das Ende der Halle erreicht hatten, gingen wir durch eine Tür. Sie war klein und alt, aber so etwas hatte in der Zwischenwelt wohl nichts zu sagen.
Hinter der Tür war ein kleiner Raum in dem eine kleine Küchenecke eingebaut war. Außerdem war da eine kleine Sitzecke, bestehend aus einer Couch und einige Stühlen und einem Tisch. Auf dem Tisch standen einige dreckige Kaffeetassen. Ich war erstaunt. Einen so normalen Raum hätte ich nicht erwartet. Ich wusste zwar auch nicht, was genau ich erwartet hätte, aber einen so normalen Raum gewiss nicht.
„Setz dich doch“ sagte Malaika auffordernd und deutete auf die Sitzecke. Ich setzte mich auf einen unbequemen Stuhl. „Möchtest du einen Kaffee?“, fragte sie und ging zu einer Kaffeemaschine, die in der Küchenecke stand. „Nein danke, ich bin nicht so der Kaffeefan.“,sagte ich. Immer wenn ich mich mit allen meinen Freundinnen in der Stadt traf, wollten diese zuerst zu Starbucks. Ich konnte sie nicht verstehen, für mich war Kaffee einfach nur eine unausstehliche, dunkle Brühe.
Malaika hantierte an der Kaffeemaschine herum. Ich sah mich um. Dieser Raum war eingerichtet wie ein ganz normaler Pausenraum. Er hätte genauso in irgendeiner Firma stehen können, anstatt in der Zwischenwelt.
Malaika kam mit einem dampfenden Kaffeepott auf mich zu und setzte sich neben mich. „Und du bist also das Mädchen, welches von Audrey getötet wurde?“ fragte sie mich und nippte an ihrem Kaffee. „Ja die bin ich.“, sagte ich verlegen. War das etwa so bekannt in der Zwischenwelt? „Und
als Entschädigung zeigen Sam und Audrey dir alles. Gute Leistung. Die Zwischenwelt bekommt eigentlich sonst nur Tote oder Unsterbliche zu sehen“ Sie warf ein wenig Zucker in ihren Kaffee. „Unsterbliche?“,fragte ich.
„Ja so wie ich, oder Audrey. Wir sind die Moiren, die Schicksalsgöttinnen. Wir sind für die Lebensfäden der Menschen zuständig.“, sagte sie und nippte erneut an ihrem Kaffee. „Sam hatte etwas von drei Moiren gesagt, wer ist die Dritte?“ fragte ich neugierig. „Meine andere Schwester ist Agyness.“, erklärte Malaika mir. „Was?“, fragte ich entsetzt, „Audrey ist deine Schwester? Wie kann das sein? Ich meine... Nein das geht einfach nicht.“
Malaika lachte. „Ja ich weiß“, sagte sie, „Wir sind sehr verschieden.“ „Oh ja sehr“, entgegnete ich.
„Und ihr seid also unsterblich. Wie seid ihr das geworden?“ „Ach das waren wir schon immer. Wir sind so geboren, aber das ist so lange her. Das waren die Zeiten bevor alles kam.“ „Alles?“, fragte ich. „Ja alles. Die Erde ist alt, sehr sogar, aber bevor es die Menschen gab, gab es uns, die Unsterblichen. Einige von uns ließen sich anbeten, manche werden es noch immer. Über uns wird in Sagen erzählt, in Märchen, uns wurden verschiedene Namen gegeben.“ Ich nickte stumm. Wenn man also jeden Unsterblichen, in Sagen wiederfindet, war Malaika wohl die ideale Vorlage für jeden Engel. Eigentlich müsste man sie hassen, weil sie so perfekt ist, allerdings ist sie auch viel zu nett zum hassen.
Ich sah sie nur an. Auf einmal wurde die Tür zum kleinen Hinterraum aufgestoßen. Ich zuckte zusammen. „Da bist du ja Sally. Hallo Malaika“ Es war Sam. „Ich habe sie“, rief er aus der Tür hinaus. Audrey stapfte unfreundlich drein blickend hinter ihm her und schloss die Tür.
„Ah da seit ihr ja endlich. Ihr habt einen Termin.“,Malaika war aufgesprungen und auf die beiden zugegangen.
„Wie sollen wir mit ihr“,Audrey musterte mich, „Zu einem Gerichtstermin? Ihre Sachen und Haare sind voller Blut“ Ich sah an mir herab. Sie hatte Recht. Seit meinem Unfall zu Hause waren meine Sachen voller Blut. „Ach nicht so schlimm“,sagte Malaika und ging zu einer Kommode die unauffällig in einer Ecke stand. Sie wühlte ich einer Schublade. „Das ist es ja“ Sie hob ein schwarzes Kleid hoch. Ich sah sie ungläubig an. Wollte sie etwas das ich das anzog?
Audrey lachte: „Dein ernst?“ Malaika nickte ernst: „Ja mein ernst“ Sie gab mir das Kleid. Ich betrachtete es genauer. Es war ein matter, glatter, weicher Stoff. Er fühlte sich sehr angenehm an. Das Kleid war ein schwarzes Kleid im 50er Jahre Style. Es war sehr schön, nur normalerweise würde ich so etwas nie anziehen.
„Nun mach schon“, sagte Audrey. Ich sah sie entsetzt an, sollte ich mich vor den dreien umziehen? Ich konnte mich unmöglich vor diesen Wesen umziehen. Sam sah einfach zu perfekt aus, Audrey war ein wenig merkwürdig, aber trotzdem wahr ihr Gesicht mehr als fabelhaft und Malaika war sowieso mehr als wunderschön. „Hier?“,fragte ich panisch. „Wir drehen uns um“ sagte Sam freundlich und drehte sich um. Audrey und Malaika taten es ihm nach. Ich zog schnell meine Sachen aus und zog das Kleid an. Es war ein Petticoat. Ich drehte mich. Das Kleid saß perfekt.
„Fertig?“,fragte Sam mich. „Ja fertig“, er drehte sich um. „Okay“, meinte Malaika, „Dann können wir ja jetzt los.“

Kapitel 7


Sam, Audrey, Malaika und ich gingen viele schmale Gänge entlang. Wir gingen immer tiefer, vorbei an Türen und unglaublich vielen beschäftigt wirkenden Menschen. Wir liefen schon seit einer gefühlten Ewigkeit, als Sam endlich sagte: „Wir sind da.“ Vor uns war eine große, zweiflügelige Tür, braune Tür. Sam öffnete sie und wir gingen hinein. „Wow“,sagte ich leise. Der Raum war gigantisch. Am Rand waren gigantische Tribünen auf denen unglaublich viele Menschen saßen. Alle trugen elegante schwarze und weiße Kleidung. Mitten in der Halle stand ein Stuhl. Wir gingen hinter einigen Tribünen entlang, um zu einer anderen, speziellen Tribute zu gelangen. Auf der Tribüne waren drei Sitze samt Podium, an denen jeweils ein Mikrofon befestigt war. Auf dem von mir aus linken Stuhl, saß ein großer, bulliger Typ der sehr kurzes, blondes Haar hatte.
Er Trug einen Anzug der aussah als würde er jeden Moment auseinander reißen würde, weil er so muskulös war. Kein Typ mit dem ich mich freiwillig anlegen würde. Auf dem mittleren Stuhl saß eine junge, große, schlanke Frau, die ihr glattes, braunes Haar zu einem perfekten Pferdeschwanz gebunden hatte. Ich selbst bekam meine Haare nie in einen perfekten Pferdeschwanz, immer hingen einige Haare heraus.
Sie sah genauso kühl aus, wie sie perfekt aus sah. Und sie sah ziemlich perfekt aus, zumindest so weit man das von hinten beurteilen konnte. Sie trug ein dunkelblaues, Rücken freies Kleid. Der Platz rechts neben ihr war frei. „Du bleibst bei Audrey und Malaika“, sagte Sam zu mir und setzte sich neben die Frau. „Was macht er jetzt?“,fragte ich Malaika. „Er nimmt an der Verhandlung teil. Er muss nur seine Meinung sagen und seinen Standpunkt vertreten. Als Tod ist man dazu verpflichtet“, erklärte sie mir.
„Und wer ist der Typ dort?“,fragte ich und zeigte auf den stämmigen Typ neben der Frau.
„Das ist Magnus. Er ist das, was du als Teufel bezeichnen würdest“ Ich sah sie verständnislos an. „Er ist Sams Bruder und der Teufel. Der Inbegriff des Bösen, aber nehme das bitte nicht wörtlich, er kann echt nett sein“,sagte Malaika. Sam hatte einen Bruder? Hätte ich nicht mit gerechnet. Ehrlich gesagt habe ich gar nicht über Sams Familie nachgedacht. Weder über seine Eltern, seine Brüder und Schwestern noch über seine Frau und seine Kinder. Hatte er überhaupt welche? Aus einem mir unerklärlichen Grund, wollte ich den Gedanken, dass Sam eine Frau oder Freundin hat nicht weiter denken.
„Und wer ist sie?“,ich deutete auf die hübsche Frau zu Sams linker. War das vielleicht seine Frau? Ich hoffte nein. „Das ist die oberste Richterin. Ihr Name ist Europa. Sie ist mit Magnus verheiratet.“
Innerlich jubilierte ich, dass Europa nicht mit Sam zusammen war.
„Guck mal, da kommt die Angeklagte!“,sagte Audrey und zeigte auf die Mitte der Halle. Ein Mädchen kam hinein. Sie war vielleicht zehn oder elf Jahre alt und trug einen Schlafanzug. Zwei stämmige Typen begleiteten sie zum Stuhl, auf den sie sich setzte.
„Lisa Schneider, richtig?“,fragte Europa ernst. „Ja, die bin ich“,sagte das Mädchen leise. „Du bist erstickt, richtig?“ „Ja das ist wahr.“ „Ich werde dir jetzt einige Fragen stellen, um entscheiden zu können, wo du hinkommst“, sagte Europa forsch. „Hattest du etwas mit dem Brand zu tun, der dir und deinen Eltern das Leben kostete?“ Das Mädchen sah sich ängstlich um. „Nein“, sagte sie leise. „Aber warst du es nicht, die vergessen hat die Lampe im Wohnzimmer auszuschalten, nachdem du ferngesehen hast?“, fragte Europa ärgerlich. Wut stieg in mir hoch. Das kleine Mädchen, Lisa, hatte so offensichtlich angst, wie konnte man sie dann so anmachen? „Doch“, schluchzte sie und Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Also hast du doch etwas damit zu tun. Durch deine Unaufmerksamkeit ist die Lampe überhitzt und hat das Haus entzündet. Ich Frage dich nochmal. Hattest du etwas mit dem Brand zu tun?“,fragte Europa mit wütender Stimme. „Ja“, heulte die Kleine. Sie tat mir so leid. „Tu doch was“,sagte ich leise zu Malaika. „Da kann man nichts machen“,fuhr Audrey mich an, „Das ist immer so. Ist halt Europa.“ Sie zuckte mit den Schultern. Europa war mir im Moment noch unsympathischer als Audrey und das musste schon etwas heißen.
Europa fuhr fort: „Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen?“ Das Mädchen schwieg. Magnus begann zu sprechen. Seine Stimme war tief und ruhig. „Ich habe mir deine Akte angesehen. Eine 1,89. Das sind gute Werte um dir eine gute Stelle anzubieten.“,sagte er freundlich. Lisa wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. „Was...was bedeutet das?“,stotterte sie. „Ich habe in deiner Akte von deinen Gedanken und Taten gelesen. Wirklich böse waren die nicht. 20 ist die böseste Wertung die man erreichen kann.“ Sie lächelte ein wenig. Eine Akte in denen etwas über deine Gedanken? Okay das fand ich echt unheimlich. Allein der Gedanke, dass irgendwer wusste, was ich dachte, war Angst einflößend. Meine Gedanken waren nie sonderlich nett. Aber wessen Gedanken waren das schon? Sicher Malaikas. Sie war einfach zu nett für diese Welt.
„Wo wäre denn noch etwas frei?“,fragte Magnus Sam, der die ganze Zeit gelangweilt reingeschaut hatte. Er begriff nicht, dass er gemeint war. „Sam!“,sagte Magnus verärgert. Erst jetzt begriff Sam und räusperte sich. „Ja also wir hätten da noch Plätze bei der Todesfallbesprechung“ „Sam“, sagte Magnus auffordernd , „Sie ist zehn!“
„Ja okay dann Aktenordnung. Das ist ungefährlich und jugendfrei“, sagte Sam schließlich. „Ist er immer so... verwirrt?“,fragte ich Malaika. „Nein, normalerweise nicht, ich weiß auch nicht was mit ihm los ist“, sagte sie.

Kapitel 8


Ich zuckte mit den Schultern und verfolgte weiter das Geschehen. „Das klingt doch gut!“,meinte Magnus zufrieden lächelnd. „Gut das hätten wir. Die Sitzung ist geschlossen“, sagte Europa, stand auf und ging hochnäsig an uns vorbei. Auch die anderen Tribünen leerten sich langsam. Sam kam zu uns. „Hey“,sagt er, „Da bin ich wieder. Also das war eine Gerichtsverhandlung in der Zwischenwelt. Da muss früher oder später jeder durch.“ „Ich hoffe später.“ sagte ich. Mich schauderte es bei dem Gedanken mir irgendwann von Europa anhören zu dürfen, was ich alles falsch gemacht habe.
„Du warst ja echt voll bei der Sache“,sagte Audrey lachend, „Das kleine Mädchen bei der Todesfallbesprechung. Gott sei dank machst du nicht die FSK für Filme. Du würdest Saw sicher ab 6 freigeben“ Sam guckte gespielt beleidigt. Er sah aus als wenn er sich verteidigen wollte, lies es dann jedoch wieder, weil ihm sicher kein richtiges Argument einfiel.Er war total süß.
„Na dann wollen wir weiter?“ fragte Sam heiter. „Was willst du ihr denn noch zeigen?“ fragte Malaika und sah ihn fragend an.
Da Sam nicht antwortete sah sich zu mir. „Was willst du denn sehen?“

Impressum

Bildmaterialien: Anne Stokes
Lektorat: Svea Hofmann
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2012

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