PROLOG
Gleißend helles Licht zuckte blitzartig in sekundenschnellem Stakkato vor seinen Augen auf. Er musste die Augen schließen, doch so sehr er sie auch zukniff, die grellen Blitze drangen bis in sein Innerstes vor. Stachen in sein Hirn, tanzten vor seinem inneren Auge in Gelb-, Orange und Rottönen. Ein undefinierbarer Geräuscheteppich aus tausenden von Stimmen, lautes Piepsen und dumpfen Tönen schepperte um ihn herum, so laut, dass es wehtat.
Schmerzten!
Er stöhnte.
Er wand sich.
Es schien als ruderte er unendlich langsam durch Watte oder eine dickliche Masse, die jede seiner Bewegungen unmöglich machte, sie verschluckte.
Keiner schien es wahrzunehmen.
War da überhaupt jemand?
Hilfe…!, wollte er rufen, doch der Nebel aus Schmerzen, Licht und Lärm machte es ihm unmöglich, nur einen Laut von sich zu geben.
Was ist das? Was ist das nur?? Warum hört es nicht auf? Warum hilft mir keiner?!
Er wollte schreien, doch als er den Mund öffnete, spürte er einen stechenden (…oder ziehenden?) Schmerz an der Kehle.
Ihm stockte der Atem.
Da versucht mich jemand umzubringen!, schoss es ihm panisch durch den Kopf. Jemand hat mir ein Messer in den Hals gestoßen!
Hilfe!!
Er konnte nicht sprechen. Und er bekam keine Luft mehr.
Verzweifelt rang er nach Atem, schnappte nach Luft, die sich nicht in seine Lungen saugen ließ. Die Panik wurde größer.
Oh Gott, bitte hilf mir…, dachte er noch während er merkte, dass seine Kräfte schwanden. Das gleißende Licht schwächte immer mehr ab. Die Dunkelheit kam rollend näher wie eine riesige Welle, schwappte über ihn hinweg.
Das letzte, was er dachte, bevor sie ihn verschlang war: So ist es also, wenn man stirbt.
Dann war alles vorbei.
Teil 1 - Gegenwart
Vogelschiss auf den Fenstern.
Daniel hasste Vogelschiss auf den Fenstern. Überhaupt auf seinem Auto – seinem FRISCHGEWASCHENEN Auto.
Ärgerlich stieg er wieder aus, lief um den Kühler seines gebrauchten, aber dennoch gut gepflegten grünen Ford Mustang herum und starrte einige Sekunden schnaubend auf die weißgelblichen Flecken auf der Beifahrerseite.
„Grrmmblmhpf…“, brummelte er vor sich hin. Jetzt noch durch die Waschstraße zu fahren schaffte er nicht mehr. Er war sowieso schon viel zu spät dran. Seine erste Vorlesung begann um 9 Uhr. Dany blickte zur Turmuhr – es war zehn vor 9. Außerdem war er ehrlich gesagt zu geizig, zweimal innerhalb einer Woche für etwas Geld auszugeben, das nach spätestens drei Tagen eh wieder hinfällig wurde.
Also seufzte er entnervt und tat etwas, das er bei seiner Mutter immer gehasst hatte: Er spuckte in sein Taschentuch und wischte damit über die Scheibe, in der Hoffnung, das der Vogeldreck nicht schon zu sehr angetrocknet war.
Nach zwei Minuten gab er auf und entschied sich für die sinnvollere Variante: Angesichts der Tatsache, dass er nun wirklich zu spät in die Vorlesung kommen würde, klemmte er sich zurück hinters Lenkrad, schaltete den Scheibenwischer ein und startete den Wagen. Die Scheibenwischerflüssigkeit verschmierte den Dreck zwar mehr als dass sie ihn entfernte, ab er das war Daniel jetzt erst einmal egal. Zum Glück betraf es ja nur die Beifahrerseite.
Während der 20-minütigen Autofahrt drifteten seine Gedanken immer wieder ab. Zurück zu seinem Traum heute Nacht. Unheimlich war er gewesen. Bedrückend und gleichzeitig so erschreckend real.
Er hatte tatsächlich das Gefühl gehabt, sterben zu müssen. Schweißgebadet war er aufgeschreckt, mit einem Schrei auf den Lippen, nicht mehr als ein heiseres Krächzen.
Sein Hals schnürte sich zu allein bei dem Gedanken zurück daran. Dany schluckte heftig das kratzige Gefühl herunter.
Er würde doch keine Erkältung bekommen? In letzter Zeit fühlte sich sein Hals öfter so rau an nach dem Aufwachen. Laura behauptete, das läge daran, dass er schnarche.
Das Gegenteil beweisen konnte er natürlich nicht, wie denn auch? Er hörte sich schließlich ja nicht selbst wenn er schnarchte… oder auch nicht schnarchte… was auch immer…
Was ihn einfach nicht losließ war die merkwürdige Intensität dieses Traums. Zwar träumte er sonst auch ab und zu, aber meist wusste er irgendwie noch währenddessen, dass er schlief und träumte. Besonders bei Alpträumen hatte sich diese Eigenschaft schon oftmals als hilfreich erwiesen. Doch dieser Traum war anders gewesen. Dany atmete schwer beim Gedanken daran. Er war so real…
Lautes Hupen ließ ihn zusammenzucken und reflexartig auf die Bremse treten. Ein Laster fuhr haarscharf an ihm vorbei.
Langsam, wie in Trance sah er ihm nach.
„Dany-Boy, das war mal richtig knapp!“, murmelte er zu sich selbst. „Einmal reicht dir wohl nicht, was? Willst wohl unbedingt noch einmal unter die Räder kommen.“
Er dachte nur ungern an die Zeit seines Unfalls damals zurück. Als er nach einem Streit mit seinem Bruder von einem Auto erfasst worden war und danach mehrere Monate im Koma gelegen hatte.
Auch wenn er sich an den Unfall selbst nicht mehr erinnern konnte, die Zeit danach im Krankenhaus und später die kurze Zeit, bevor Billy…
Daniel schluckte und fuhr weiter.
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
"Wir glauben, dass wir wach sind, auch wenn wir träumen.
Aber wir wissen, dass wir wach sind, wenn wir nicht schlafen."