Diese Geschichte nahm ihren Anfang in den letzten beiden Wochen der Sommerferien.
Eigentlich war ich mit dem festen Vorhaben nach Italien gefahren, an einer etwas längeren Story weiterzuarbeiten, aber keinerlei Inspiration wollte sich einstellen und ich war, was das anging, gelinde gesagt verdammt verzweifelt.
Aber dann passierte etwas, was dem Ganzen eine Wendung gab.
Ich traf auf Matteo.
Ja, ihr habt richtig gelesen, Matteo gibt es wirklich - auch wenn ich keine Ahnung habe, ob das wirklich sein
Name ist und seine Geschichte komplett meiner Fantasie entsprungen ist.
Wir machten in Milano Marittima Urlaub, das ist der Nachbarort von Cervia (das leider genauso ist wie beschrieben), einem Badeort in der Nähe von Ravenna.
Wie es der Zufall wollte, fuhr ich eines Nachmittags mit meinem Vater im Auto zum nächsten großen Supermarkt, um ein paar Dinge zu besorgen, die wir zuhause vergessen hatten.
Ich starrte die ganze Fahrt lang aus dem Fenster, nicht weil ich erwartete, etwas Besonderes zu sehen, sondern weil es einfacher ist nachzudenken, wenn man nichts Besonderes sieht.
Und dann sehe ich da diesen Jungen auf seinem Fahrrad aus der Einfahrt kommen, mit den roten Haaren, was ja bei einem Italiener auch was Besonderes ist, und dieser trotzigen Melancholie auf seinem schönen Gesicht, und obwohl es nur ein kurzer Augenblick war, hat sich dieses Bild in mein Gedächtnis eingebrannt.
Kaum waren wir wieder im Hotel, hab ich den Laptop rausgezogen und mit 'Scars in the sky' begonnen - weil ich das Gefühl hatte, jemanden gesehen zu haben, der eine Geschichte verdient hat.
Fühlt sich gut an, muss ich schon sagen.^^ So kann ich mir sicher sein, dass diese Erinnerung nicht mehr verloren geht....
Ich finde nämlich, dass die kleinen Momente oft die größte Wirkung haben.
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Die Haustür fällt mit einem Donnern hinter mir zu, das hoffentlich drinnen bis in die letzte Ecke zu hören ist. Ich sprinte die Einfahrt hinunter, schnappe mir mein Fahrrad und bleibe beinahe mit dem Fuß in der Kette hängen, als ich so schnell wie möglich in den Sattel springe, um schon weg zu sein, bevor Mama mir hinterher laufen kann. Die Straße öffnet sich vor mir wie eine graue Verheißung, sie zieht sich durch den Ort und weiter hinten durch die Felder, wo sie schon nach Einsamkeit und Frieden zu schmecken beginnt und nach stummen Möglichkeiten. Genau dort möchte ich hin.
Ich ordne mich in den Verkehr der Hauptstraße ein, ohne nach rechts und links zu schauen. Das Hupen der Autos kümmert mich nicht, für Vorfahrtsregeln hab ich jetzt wirklich keinen Nerv. Ich zeige den Autos den Mittelfinger und fahre einfach weiter. Ziemlich kindisch, ich weiß.
Du fährst wie ein Idiot
, schnarrt eine Stimme in meinem Kopf. Glaubst du wirklich, dass du vor allem weglaufen kannst, wenn du nur so viele Verkehrsregeln wie möglich verletzt? Und so was will in einem Jahr volljährig sein!
Ich ignoriere sie. Nehme stattdessen eine Hand vom Lenker und fummle mir die Kopfhörer des mp3-Players in die Ohren. Fall Out Boy spielen mir in Endlosschleife Bang the Doldrums vor, ich drehe es so laut, dass die Musik den Text überschwemmt. Auch das ist etwas, was man im heutigen Straßenverkehr nicht tun sollte. Die Stimme, vielleicht ist es mein Gewissen oder so was, gibt einen entrüsteten Laut von sich, der mich mit einer seltsamen Genugtuung erfüllt. Eigentlich bin ich ja nicht die Sorte Kerl, die gegen Regeln verstoßen muss, um sich toll zu fühlen, diese bescheuerten Pseudorebellen. Hey, schau mal, ich hab einen Kaugummi auf die Straße gespuckt und meiner Mutter nicht beim Einkaufen geholfen! Bin ich nicht total mutig und außergewöhnlich? Alles Mist, wenn du mich fragst, würde nie auf die Idee kommen, das selber zu machen. Aber heute bin ich wirklich in Stimmung, ausnahmsweise.
Matteo
, höre ich meine Mutter wieder sagen, Matteo, du musst das doch verstehen. Papa ist jetzt schon zwei Jahre tot, erwartest du denn von mir, dass ich mein Leben auf ewig nicht mehr genieße? Ich versuche ja gar nicht ihn zu ersetzen, aber er würde doch auch nicht wollen, dass ich nicht mehr glücklich bin, oder, Matteo? Du weißt das doch, Matteo?
Ich beiße die Zähne zusammen und grabe die Fingernägel in das Gummi am Lenker. Nein, Mama, das würde Papa wahrscheinlich nicht wollen. Bloß hätte er garantiert was dagegen, dass du dein Glück ausgerechnet bei schmierigen Barbesitzern mit zu viel Gel im Haar suchst, die das ganze Haus mit ihren Zigarren verpesten und die du nur dann einlädst, wenn du glaubst, dass ich nicht zuhause bin. Vor deren Besuch du das Foto von Papa aus dem Wohnzimmerregal nimmst und es in eine Schublade steckst. So wie dieser Toni einer ist. Ein Glück, dass Papa nichts mehr dagegen machen kann, was, Mama?
Das Bild meiner Mutter vor meinem inneren Auge krümmt sich. In Gedanken bohre ich den Zeigefinger hinein und es verpufft. Ich habe keine Lust, jetzt über den Streit nachzudenken, wegen dem ich gerade erst das Haus verlassen habe.
Trotzig suche ich den Straßenrand nach etwas ab, das mich ablenken könnte. Natürlich finde ich nichts. Cervia, mein Heimatort, ist ein typisches Touristenloch, wenn du nach zwei Wochen wieder fahren kannst, ist es super, aber wenn du hier wohnst, geht dir alles ziemlich schnell auf die Nerven. Der ganze Ort ist nämlich hauptsächlich für die Touristen ausgelegt, also mit jeder Menge Edelklamottenläden, Eisdielen und so, aber die Dinge, die nur Einheimische brauchen, sind kolossal schlecht. Bis zum nächsten ernst zu nehmenden Supermarkt etwa fährst du eine halbe Stunde mit dem Auto, von der Schule gar nicht zu reden. Kein Wunder, dass Cervia zu bestimmt sechzig Prozent aus Hotels und Ferienwohnungen besteht.
Aber Mama hat hier einen Job und brauchte halt eine Wohnung in der Nähe ihrer Arbeit. Und ich fahre eben eine Stunde mit dem Bus zur Schule, was teilweise auch gar nicht so übel ist, weil ich dann noch Hausaufgaben machen oder auch den in der Nacht verpassten Schlaf nachholen kann, wenn Luca mich mal wieder für einen Discoabend geködert hat. Frag mich nicht, wie er das immer schafft. Im Grunde hasse ich diese verknautschten, flimmernden Nächte, die man eingequetscht zwischen verschwitzten Fremden verbringt, die sich einbilden, dass wir alle eine riesige Familie oder die besten Freunde sind, nur weil wir uns zufällig im selben Club befinden. Außerdem hat Luca einen verdammt schlechten Geschmack, was Discos angeht. Setz ihn in der Stadt aus und unter Garantie hat er in der nächsten halben Stunde den Laden mit der miesesten Musik und den grellsten Lichtern gefunden. Wenn nicht früher. Warum ich trotzdem immer noch mitgehe? Wäre ich sentimental, würde ich sagen weil er ein echter Freund ist. So sage ich: Weil mir nichts Besseres einfällt. Ehrlich, das mit den allein verbrachten Abenden ist so eine Sache bei mir, ich würde schon gern mal meine Ruhe haben – aber irgendwie habe ich Angst davor, was passieren würde, wenn ich mir selbst ausgeliefert bin.
Mittlerweile habe ich den Ortskern hinter mir gelassen und durchquere die letzten Wohngebiete, die noch zwischen mir und den Feldern liegen. Am Straßenrand vor einem winzigen Supermarkt bemerke ich eine Gruppe sich unterhaltender Frauen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es sind vier, alle nicht mehr wirklich jung und alle sitzen sie im Rollstuhl. Und doch wirken sie wacher, lebendiger und fröhlicher als die meisten Menschen, die ich je gesehen habe, wie sie wild gestikulierend und mit ausdrucksstarken Runzelgesichtern aufeinander einreden.
Ist es nicht seltsam? Ich würde wirklich gern wissen, was der Trick ist, der dir das Leben, deine Persönlichkeit so erhält, dass sie durch die Haut schimmern. Wahrscheinlich gehört das zu den Dingen, die man immer weniger versteht, je länger man darüber nachdenkt, anstatt es einfach zu machen. Blöd nur, dass ich in sowas total schlecht bin. Irgendwas einfach nur zu tun, hab ich noch nie hinbekommen.
Nicht, dass ich mir nachvollziehbare Gründe für meine Taten überlegen würde, da stünde ich wahrscheinlich manchmal ganz schön dumm da, wenn ich das müsste. Meistens weiß ich zwar ganz genau, warum ich etwas tun möchte, aber das basiert dann nicht unbedingt auf rationalen Schlussfolgerungen. Es ist die Sache mit der Schwerfälligkeit, die meine Spontanität auf Null reduziert. Ich komm einfach nicht in die Hacken. Ist bequemer. Sicherer. Entspannter. Und verdammt unbefriedigend, aber was soll‘s? Ich hab nicht wirklich Angst, was zu verpassen, aus dem einfachen Grund, dass es in Cervia und Umgebung nichts zu verpassen gibt. Und später? Hab ich noch nie so richtig drüber nachgedacht. Klar will ich hier weg, nur hab ich keine Ahnung, wohin oder was ich dann mit meinem Leben anfange. Andererseits…irgendwas werd ich schon finden. Und dann erledigt sich die Schwerfälligkeit vielleicht auch. Ja, so wird es sein.
Aber zurück zu den Frauen. Die Mädchen, die ich so aus der Schule oder vom Weggehen kenne, bleiben mir oft kaum im Gedächtnis hängen. Liegt wahrscheinlich daran, dass sie eigentlich alle gleich aussehen, sich gleich benehmen. Immer einen Tick zu dünn, enge Jeans, tiefe Ausschnitte, mit Make-up verklebte Gesichter. Überhaupt, die Gesichter: Ist dir schon mal aufgefallen, dass man die fast nie sieht? Irgendwie gleitet der Blick daran ab, wie an Spiegelglas. Kommt meiner Meinung nach daher, dass man dort eh nichts finden würde, was irgendwie ansatzweise so was wie ein Individuum vermuten ließe. Ich will mich aber nicht als der Heilige hinstellen, der ich nicht bin. Zugegeben, ich hatte schon mal was mit diesen Mädchen, öfters sogar. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde das sei nicht befriedigend gewesen. Aber es erreicht nie das Herz, das, was mich ausmacht, das ist der Haken. Eine richtige Beziehung, mit Liebe und allem drum und dran, das hatte ich noch nie.
Halt. Einmal schon. Ich erinnere mich, weil die abgeernteten Getreidefelder, an denen ich gerade vorbeifahre, die gleiche Farbe haben wie Giulias Lidschatten. Giulia geht auf meine Schule und war vier Wochen lang meine Freundin. Genau genommen hat sie erst vor acht Tagen mit mir Schluss gemacht. Ich habe das wahrscheinlich deswegen kurz vergessen, weil sie auch so ein Spiegelglasmädchen ist. Und weil ich sie nie geliebt habe.
Eigentlich solltest du traurig sein
, meldet sich die Stimme in meinem Kopf zurück. Das ist man doch normalerweise, wenn das beliebteste Mädchen der Schule einen sitzen lässt. Ja, sollte ich das?
, motze ich zurück. Sollte man wirklich traurig sein, wenn man von jemandem sitzen gelassen wird, der einem total am Arsch vorbeigeht? Von einem Mädchen mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann, das meine Lieblingsband für eine Diätpille hält und Tolstoi für einen Starproktologen aus Amerika? Wir haben ja kaum ein Wort miteinander geredet, Himmelherrgott noch mal, geschweige denn irgendwas anderes gemacht, und das, obwohl ich unter ihren zigtausend Exfreunden derjenige bin, mit dem sie am längsten zusammen war! Nicht einmal Roberto, dieser stinkreiche Lackaffe, der nur Kleidungsstücke trägt, auf denen riesig groß Versace steht, ist länger als dreieinhalb Wochen mit ihr ausgegangen. Und der hat ihr sogar ein Wochenende in Rom spendiert!
Das bringt die Stimme erst mal zum Schweigen. Gut so. Entnervt trete ich noch ein wenig heftiger in die Pedale. Die Landstraße ist ganz leer, wie eine träge Schlange windet sie sich vorwärts und schluckt das Sonnenlicht. Der Sommer ist schon seit einiger Zeit vorbei, aber ziemlich warm ist es immer noch. Eine einzelne Schweißperle bahnt sich ihren Weg über meinen Wangenknochen. Wenn ich so weitermache, müsste ich in ein paar Minuten am Ziel sein. Die Landschaft hier im Hinterland ist eigentlich recht schön, auf eine spröde Art und Weise, mit den weiten, trockenen Feldern und den wenigen vereinsamten Bäumen, nur gerade habe ich nicht einmal dafür einen Blick.
Geben wir es doch zu: Ich bin ein Waschlappen. Ich bin immer schon vor Problemen weggerannt - und genau das tue ich jetzt gerade wieder. Aber ich werde mich nicht dafür rechtfertigen, so viel steht fest. Klar ist es ein Fehler, wegzulaufen, trotzdem muss man der Sache nicht noch zusätzlich Bedeutung verleihen, indem man darüber jammert. Selbstmitleid hab ich nicht nötig. Vielleicht ist Rückzug nicht der beste Weg, aber ein Weg ist es allemal. Und ganz ehrlich: zumindest vor dem Problem Giulia lohnt es sich wirklich, wegzulaufen. Je mehr Kilometer man zwischen sich und diese Tusse bringt, desto besser. Fragst du dich jetzt, warum ich überhaupt mit ihr zusammen war, wenn ich sie gar nicht leiden kann? Ganz einfach: Weil ich neugierig war. Ich wollte wissen, was sie in den Augen der anderen so besonders macht. Eine Antwort habe ich nicht gefunden, denn da gab es wenigstens für mich nichts an Besonderem zu entdecken. Soll ich dir sagen, warum sie mit mir Schluss gemacht hat? Sie meinte, ich würde anderen Mädchen hinterher hecheln. Das war natürlich nur eine Ausrede, um sich einen neuen Freund suchen zu können, aber sie hatte gar nicht mal so Unrecht.
Es stimmt nämlich nicht ganz, was ich vorhin gesagt habe: Ein Mädchen gibt es an meiner Schule, das wirklich interessant ist. Lucia sitzt im Literaturkurs neben mir. Sie hat Haare, die so nachtschwarz sind, dass ich mich manchmal frage, warum sich noch keine Sterne hinein verirrt haben. Ihre Gedichte treiben mir Tränen in die Augen, wenn ich sicher bin, dass niemand hinschaut. Und das erste, was sie zu mir gesagt hat, als sie neu an die Schule kam, war „Verpiss dich, du egomanischer Wichser“, weil ich sie mit einem ziemlich schrägen Spruch angebaggert habe. Seitdem hat sie kein Wort mehr mit mir gewechselt, und ich? Muss stumm zusehen, wie ich mich immer mehr in dieses geniale Miststück verliebe, ohne etwas dagegen machen zu können. Verrückte Welt, oder?
Alles Quatsch
, näselt die altbekannte Stimme. Da haben wir dein größtes Problem, Jungchen, du siehst dich gern als den tragischen Helden, immer verwickelt in noch spektakulärere, grässlichere Problemchen. Wann wirst du endlich ein Mann werden?
Die Antwort spare ich mir diesmal, treibe nur noch fiebriger mein Rad an, ein letztes Mal noch, denn ein Stück die staubige Landstraße hinunter kann ich die abgeblätterte Werbetafel erkennen, die die Grenze zu meinem persönlichen Reich markiert. Ehrlich, auf das Versteck bin ich verdammt stolz. Ich hab es kurz nach Papas Tod entdeckt, als ich niemanden um mich herum ertragen konnte und mich lieber an dem verwilderten Kanal auf den Boden legte, anstatt in der Wohnung an der Leere zu ersticken oder von Mamas leisem Weinen taub zu werden.
Die Stimme hat jetzt wirklich keine Geduld mehr. Herrgott noch mal, Junge, wenn du nicht sofort mit diesem Gejammer und den melodramatischen Formulierungen aufhörst, kannst du aber was erleben, das schwör ich dir! Ist mir egal, dass ich nur dein imaginärer Moralapostel bin, ich hab einen ganz schönen Einfluss auf deine geistige Gesundheit, also reiß dich gefälligst mal zusammen!
Ach, halt du doch deine blöde Klappe
, schimpfe ich, meine gedankliche Wortwahl geht dich einen feuchten Dreck an, ich hab dich nicht gebeten, dich in meinem Kopf einzunisten, kapiert? Wenns dir da drin nicht passt, such dir halt jemand anderen, dem du auf die Nerven gehen kannst! Außerdem hat es sich verdammt noch mal genauso angefühlt, hörst du?
Ich donnere das Fahrrad neben dem Werbeschild auf den Boden, ist doch scheißegal, ob das Mistding dabei kaputt geht oder nicht, und das Handy, soll ich das vielleicht behalten, damit mich irgendwer volllabern kann, den ich eh nicht mag? Mit einem hasserfüllten Blick hole ich aus und lasse es auf die Straße krachen, wo es in wunderschöne Einzelteile zerspringt, den Geist aufgibt und zugrunde geht. Warum zur Hölle kann ich nicht alles so kurz und klein schlagen wie das blöde Handy, warum zersplittert nicht einmal die Welt, um mir einen Gefallen zu tun? Das wäre doch so herrlich poetisch! Du brauchst nur nach oben zu schauen, dann siehst du, dass sogar der Himmel Narben trägt, die scharfkantigen Wolkenscherben verfangen sich darin. Und ich sehe zum Himmel, in das Blau, dass niemand greifen kann, in die tief eingekratzten Wunden und in meinen Augen stechen Tränen, ich weiß nicht warum.
Doch dann schüttelt es mich und der Moment ist vorbei, wird fortgerissen wie Staub im Wind. Nur ein dumpfes Pochen in meiner Brust bleibt zurück, genau dort, wo meine Wunde begraben liegt. Einem Impuls folgend gehe ich auf die Einzelteile des Handys zu, betrachte sie einen Augenblick mit fast so etwas wie Bedauern und dann verbringe ich die nächsten zehn Minuten damit, die Überreste bis zur Unkenntlichkeit zu zertrampeln. Danach fühle ich mich ein Stückchen besser. Eine bleischwere Müdigkeit greift mit weichen Fingern nach mir, ich stolpere zum Kanal hinunter, will mich hinlegen, mich die nächsten Stunden nicht mehr bewegen müssen.
Und ich sehe den nachtschwarzen Himmel, der einen Blitz in mein Herz schießt, mich wie festgefroren stehen bleiben lässt. Ganz langsam dreht Lucia den Kopf und sieht mich an. Keine Ahnung, wie sie hier herkommt, wann sie mein Versteck gefunden hat, ob sie überhaupt wusste, dass es mein Versteck ist, und es ist mir auch egal. Sie scheint nicht wirklich überrascht zu sein, mich hier zu sehen.
Da lächelt sie, und ihr Lächeln löst eine Welle der Wärme aus, die so stark ist, dass es mich fast von den Füßen reißt. Ihr Blick fühlt sich so wohltuend an, als könne er vielleicht sogar die Narben des Himmels heilen.
Ganz sicher heilt er meine.
Tag der Veröffentlichung: 30.10.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Mama - die zum Glück ganz anders ist als die Mutter in dieser Geschichte