Cover

Trump

 

 

 

 

 

 Für Trump, der uns Frieden, Freude und Eierkuchen gebracht hat.

Und für Robert Kurz, der wusste wieso.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

This is the end, beautiful friend

This is the end, my only friend, the end

Of our elaborate plans, the end

Of everything that stands, the end

No safety or surprise, the end

I'll never look into your eyes, again

 

Can you picture what will be, so limitless and free

Desperately in need, of some, stranger's hand

In a, desperate land

 

Lost in a Roman wilderness of pain

And all the children are insane, all the children are insane

Waiting for the summer rain, yeah

 

Doors – The End

 

 

 

 

 

 

The Beginning

 

New York ist das Ostberlin der späten 80er-Jahre: Hier geht eine Ära zu Ende. Ein ausgehöhltes System ächzt dem Zusammenbruch entgegen.

 

Amerika, fuck yeah?

 

Ich kotze im Strahl: Kriege mit Bomben hier, Kriege mit Geld da, dazu eine den ganzen Planeten verseuchende Kultur. Regiert von einer Kleptokratie, die keine Gelegenheit auslässt, sich auf sich selbst einen runter zu holen - in Gottes Namen! Die USA sind der dicke fette Bully, der die internationale Gemeinschaft terrorisiert. Der 25% der Umweltgifte absondert und sich einen Scheiß darum schert. Der von Moral predigt und keine Titten im Fernsehen zeigt, aber armen Familien am Fließband die Eigenheime einkassiert. Der alle zwei Tage einen Neger abknallt und sich nicht vor Gerechtigkeit, sondern dem F- und dem N-Wort fürchtet. Was ist im Land, das die verlogene Werbeillusion erfunden hat, noch echt?

 

Wohin die Reise auch geht: Die Amis sind die Ersten. Sozialabbau? Hatten die schon in den 70ern. Marktliberalisierung und Aktien von der Kette lassen? Frühe 80er. Startupwahn? Mitte 90er. In den USA passiert alles einige Jahre früher als im Sidekick BRD. So lange Demokratie bedeutet alle 5 Jahre seinen Willen einzutüten wohnt die Zukunft an der Wall Street. Allein deswegen muss man hin. Wo sonst bekommst man die soziale Apokalypse mittendrin statt nur dabei?

 

Zuhause kann man dann schön klug scheißen und noch weniger tun. Elitärer Kulturfaschist auf Schadenfreudesafari reicht nicht. Klar wird es hässlich, klar wird es widerlich, klar wird es gefährlich. Aber man kann den Amis eins nicht vorwerfen: Phlegma. Wo in Villa Germania noch Diskurs poliert wird, wird in Villa Washington schon gefeiert – oder getötet. Das Geburtsland des Öls haute 2014 im Vorbeigehen das größte Solarkraftwerk der Welt raus: Everything is bigger and better in America. Der erste Prince from Bel White House erklärte die Kriege im Irak und Afghanistan für beendet, wie Profalla die die NSA-Affäre. Oder Hitler Polen.

 

Natürlich wurden die nur schlecht privatisiert und Soldaten gegen Söldner getauscht, aber die Geste zählt. Der Zeitgeist. Vor allem schafft es dieser Kulturbastard, Milliarden Menschen zu beeindrucken. In den Hinterzimmern thailändischer Massagesalons stiert einen Tony Montana an, durch die schwedische Taiga blubbert ein Chevrolet Caprice Classic `74, Coca Cola rettet einem als einzige Alternative zu tödlichem indischen Leitungswasser vor dem Verdursten. Wer sind diese Außerirdischen, wer sind die Amerikaner? So blöde wie Trump können sie nicht sein. Klar sind sie jetzt auf einem absteigenden Ast, aber Europa nicht? Vielleicht kann man von Amerika Versagen lernen.

 

Prolog: Aufgefahren in den Himmel

 

Billig in den Himmel kommt man mit ganz viel beten, sich für eine gute Sache in die Luft sprengen, oder mit Low-Cost-Airlines. Die fliegen seit neustem in die USA. Komischerweise sind das nicht die üblichen kakerlakenzerfressenen Verdächtigen wie Iren von Ryanair und Engländer von Easyjet, sondern Skandinavier: Norwegen invertiert seine sauer geschenkt beklommenen Ölmilliarden in die Subventionen von Norwegian Air. Für 250€ ist man dabei – hin und zurück. Dafür kommt man nach Bosnien. Je reicher man ist, desto besser werden die Angebote: Monopolismus rulezzz. Und wenn man nicht den CO2-Haushalt einer indischen Kleinstadt verblasen will, bieten Gewissenserleichterungsservices wie Atmosfair den CO2-Ausgleich an. Leider pflanzen mit dem Geld in den seltensten Fällen Kinder neue Bäume, aber es ist besser als es nur besser zu wissen.

 

Monate im Voraus muss man online einen Antrag für das Nichtvisum ausfüllen. Leider fehlt die Frage aller Fragen: Wollen Sie den Präsidenten töten? Es ist den Friedensnobelpreisträgern beim Zoll aufgefallen, dass selbst der beschränkteste Ruhrpottislamist das noch mit nein beantwortet hätte. Von Oslo geht’s ab Richtung Westen. Wer bei den 7 Stunden Aufenthalt auf die Idee kommt sich Norwegen ansehen lassen zu wollen: Nicht dem „Utgang“ folgen, sonst ist man schwupps aus der Schengen Zone. Und die Zone, das wussten schon die Ossis, verlässt man nicht. In einem abgeteilten Flughafenbereich wird man zum Luxusflüchtling degradiert. „Your own responsibility to have gone through“ am Arsch du Uniformfascho. Ohne Beschilderung kannst du froh sein, dass ich nicht den Präsidenten umgebracht habe.

 

Der Weg übers Meer ist minimal gemütlicher als in den wanzenverseuchten Gedärmen der Mayflower. Der Dreamliner bietet so viel Platz, dass einem wieder einfällt, wie grausam Ryanair und seine Klone sind. Vor jedem Gast ist ein Bildschirm: Endlich kann man die Sicherheitsanweisungen ignorieren und hat keinen unglücklichen Hampelmann mehr im Gang vor sich. Wenn eine Maschine ins Wasser kracht, liegt die Überlebenschance bei leck mich. Kein einziger Fall ist bekannt bei dem eine Schwimmweste das Leben der Insassen gerettet hat, wenn die Maschine weiter als 500m weg vom Ufer war. Zusammen mit einer Absturzwahrscheinlichkeit von 0,00000007%, der niedrigsten aller Verkehrsmittel, lohnt es sich nicht, sich die Minute zu langweilen. Das ist, als würde man einen zehntausendstel Cent aufheben. Außerdem geht der Flug über das Polarmeer. Wem Allah gnädig ist, dem wird vom herumfliegenden Snackwagen der Kopf wegkomplimentiert, damit der nicht mehr merkt, dass Free Willy sich nur für seinen Körper interessiert.

 

Wenn das Licht ausgeht, leuchten nur noch die Bildschirme. Die dröhnenden 50000 PS beim Start würdigt kaum einer eines Blickes. Wieso auch, wenn Affen die Welt übernehmen, Jonny Cash vor Selbstmitleid ein weißer Mann in den 1950ern zu sein scheint und Leonardo DiCaprio als Great Gatsby so schleimig grinst, dass man sich die Affengewaltherrschaft wünscht? Die Maschine hebt ab, niemand bekommt die Schräglage mit. Immerhin: Die Frisur sitzt. Das Beamen muss nicht erfunden werden. Per Kopfhörer dockt sich der Passagier an die Unterhaltungsboje an und nach vier Filmen hat man sogar seinen Namen vergessen. Man ist ein dem Snackwagen ausgelieferter sabbernder konsumierender Zellhaufen. Das Beamen sollte nicht erfunden werden. In der zwischendimensionalen Interzone ist die Frage nicht wie beim Heroinpoeten Burroghs: Wie knackig sind die Jungs auf den Düsenrollschuhen? Sondern: Wer verkauft Nüsse für 6,99€?

 

Jetlag ist Beste – auf dem Hinweg. Nach glotzen ohne Ende ist es gerade mal 8 Uhr Abends. Es ruckelt bei der Landung doch ein wenig, als Dumbo durch die Smogschichten poltert. Die 1984er von Innendesign haben an alles gedacht: Ein Regenbogen fährt in Lichtwellen über die Passagiere. Das sollte man bei Schlachtungen einführen.

 

John Fuckup Kennedy ist der Flughafen Tegel New Yorks: alt, überlastet und hässlich. Nicht so brachial 70er brutalistisch wie Tegel, aber auch nicht so kühl effektiv. Während Tegel den in der Vorhölle ozillierenden BER locker ausgleicht, kollabiert der JFK pünktlich morgens, mittags und abends. Wer von der Schlachtereianalogie noch nicht genug hat: Hier wird man in sich schlängelnde Personenleitsysteme geschoben, bis man sich wünscht, man hätte einen Sprengstoffgürtel.

 

Was an Flughäfen vor sich geht, ist der schiere Wahnsinn. Die Kontrollen verwandeln jede schicke Niederkunftshalle in einen Slum. Tests am Flughafen Berlin Tegel haben ergeben, dass in 50% der Fälle Waffen ohne Probleme durchgeschleust werden konnten. Und das, obwohl die Flughäfen die Besten der Besten der Besten...der Subunternehmer eingestellt hatten. Überraschender Weise hatten die trotz Mindestlohnausnahmsbezahlung und Ausbildung vom Katzenkloreiniger weder die Fähigkeiten, noch die Lust eine Bazooka unterm Strahler zu entdecken.

Noch so eine scheiß Schlange und man wird Utiliutarist. Das sind Philosophen, die ganz simpel meinen, das Wohl für alle müsste maximiert werden. Ein von Gladiatoren zerhackter gäbe z.B. 3000 moralische Minuspunkte. Wenn er aber jedem der 4000 Zuschauer einen Pluspunkt bringt, ist das ok. Wenn man bedenkt, dass Millionen Menschen täglich um den Globus hetzen und in dieser Bullshitindustrie fest stecken – wäre dann nicht der eine oder andere Flugzeugböller gerechtfertigt? Selbst wenn nicht, zumindest um einiges gerechtfertigter als zwei Kriege mit über 300.000 Toten für zwei Flugzeuge mit 3000.

 

Der große Moment steht bevor. Man hört einiges über die Immigration. Horrorgeschichten von in präventiv durchforsteten Lebensläufen, von analintimen Gesprächen in Hinterzimmern bis zu sofortigem Heimflug. Na, alle Daten von Handy gelöscht? Braucht man eh nicht, die wissen alles und noch mehr. War da nicht ein Visum von Scherzkeksländern wie Ägypten und Pakistan im Pass? Rausreißen und noch schnell essen? Und wann habe ich das letzte Mal gekifft, gekokst, eine minderjährige Bulgarennutte geschlachtet? Wie im Casino ist der Croupier die Antwort, durch ihn Spricht Allah der Herr.

 

A) Latino mit Schnauzer, trotz seiner Zehnstundenschicht um Haltung bemüht. Man sieht, der will seinem Herrchenland was zurückgeben, indem er katholischer als der Papst ist. Nein danke.

 

B) Bovine-Rinderhormongeschwängerter weißer Bulle. Augenringe wie Pistolenläufe. Missmutiger Gesichtsausdruck, Hass stinkt aus jeder überlasteten Pore. Der wartet nur auf jemanden, dessen Leben er beschissener zurücklassen kann als das Eigene. Auf Keinsten.

 

C) Verzauselter Chinese. Gibt die üblichen Kommentare, ist aber schon in seinem inneren Pinguinpalast. Alles an ihm sagt: „gleite“. Bingo.

 

Finger auflegen, in die Kamera grimassieren und das wars. Jeder Bayrische Bulle ist anstrengender. Das Leben ist eines der härtesten als weißer Mann Ende zwanzig.

 

Big rotten Apple: New York City

Big rotten Apple: New York City

Erste Runde Geisterbahn

 

Das 70s-Shuttle hätte Tegel alle Ehre gemacht. Lautlos magnetiert man an Kilometerweisen Parkplätzen in kaltem Scheinwerfer vorbei. Quirliges New Yorker Stadtleben? Hier sieht es aus wie auf dem Mond. Die Umsteigestation Howard Beach ist nichts als ein verlassener Raumbahnhof. Wie in einem 30Grad zu kalten Western leuchtet ein einsames Diner hinter den Gleisen. 10% der Werbung ist verdammt clever und disruptiv: Vice, Startups, sogar Bittorrent macht Werbung. Die findet man später in der Stadt wieder: Ganz genau hinsehen, links oben hinter dem Schrottmarley: Im Land der NSA darf Bittorrent „Your data belongs to you“ raus posaunen.

 

 

90% zeugt allerdings vom Untergang des Abendlandes: Anwälte, Privatschulen, und Krankenversicherungen. Anwälte sind das Paradebeispiel für distributiven Kapitalismus: Niemand erschafft, es werden nur noch Werte verschoben. Und zwar zu denen, die sich Recht leisten können. Bezahlschulen sind no future: Nicht jeder kann sich die 20 Riesen pro Semester leisten. Egal wie groß du mit deinem gekauften Titel und Netzwerk raus kommst, der ohne Abschluss steht an der Ecke und ballert dir die Nebenniere für 5$ und ein paar Kopfhörer raus. Für Bildung zu bezahlen ist wie sich in Nigeria in einen Job rein zu bestechen. Bezahlen um arbeiten zu dürfen: andersherum würde es Sinn ergeben. Am perfidesten sind die Krankenversicherungen. In einer Gesellschaft, in der es nichts mehr zu verteilen und zu verkaufen gibt, weil der technologische Stand die kapitalistische Nichtnotwendigkeit längst überholt hat, klammert sich das Kapital an alles, womit man das Zahlvieh noch erpressen kann. Körper hat jeder und jedem fault der Weg. Besonders im Land der genetisch veränderten Fettapokalypse. Einer von drei Amerikanern ist übergewichtig, die Krebsraten Fokushima: 50% der Männer können sich auf einen Tumor freuen. „GET YOU FLU SHOT NOW. 26,99$!“, steht auf dem Plakat. Sonderangebot intravenös?

 

 

 

Im Flugzeug lief ein ausnahmsweise sehr guter Film: In Time. Klar, Timberlake, den muss man wie Keanu Reeves ignorieren. Einfach als Brett vorstellen. Neben der surreal theatralischen Aufmachung ist der Film trotzdem ein theoretischer Leckerbissen. „Geld oder Leben würde ich normalerweise sagen, aber ist ja das Gleiche, also her damit“, blafft Kboy als Robin Hood einem seiner Reichen Opfer entgegen. Lebenszeit ist in dieser Gesellschaft Geld, wer zu wenig hat, stirbt. Die Geldmenge kontrolliert eine Funktionselite, damit stets genügend abkratzen. Der beste Weg in diese Dystopie ist keine staatliche Vorsorge und eine privatisierte Gesundheitsindustrie. Krankheitsindustrie würde es eher treffen, da sie kein Interesse am gesunden der Patienten hätte. In den USA kann alles riesig laufen, dann knüppelt dich eine Taxe um und nach der sechsstelligen Krankenhausrechnung bist du pleite.

Selbst von emotional verkrüppelten Deutschen gab es dafür im Kino Applaus. Wahrscheinlich fanden die nur Kboys Performance voll geil, ey.

 

Die U-Bahn kreischt und nimmt eine mit ins Ghetto. Wohnen hier die Tennage Mutant Hero Turtles? Nichtgrüner Migrantenanteil? Hier sind alle komplett schwarz. Es ist wohl unter der Würde des Echten, also eines eingewanderten weißen Amerikaners, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Obwohl die verbeulte Blechdose von außen aussieht wie in B-Blacksploitationfilmen, geht es innen. Kein Graffiti, kaum Dreck, kein Blut auf den Sitzen. Noch nicht. Denn die U-Bahn fährt über Broadway Junction. Nein, nicht der Broadway, der in Brooklyn. East New York ist das Gegenteil von Glanz und Glamour. Folglich steigt nicht Paris Hilton ein, sondern ein Typ mit blutig geschlagener Fresse. Gesichtsgulasch. What if god was one of us? Just a stranger riding on the – U-Bahn? Wie sich das in einer guten Großstadt gehört, sagt niemand ein Wort. Als noch eine Gruppe von Hoodieträgern einsteigt, ist Geisterbahn angesagt. Aber es wird schnell voller. Erstickend voll. Die U-Bahn taucht in den Boden ein, Funken schlagen an den Wänden hoch. Hurricane Sandy hat das Salz über die ganze Stadt verteilt, jetzt kriecht die Bahn nur noch. Kein Wirbelsturm ist so verheerend wie eine Politik, die Benzin so subventioniert, dass man mit der Karre für den gleichen Preis zwei Mal durch die Stadt fahren kann. Als sie wieder auftaucht, sieht man sogar was von der Stadt. Nur einen Dreiviertelmeter ist die von den Schienen entfernt. Da wohnen die, denen die Wohnung nur 5 Minuten gezeigt wurde. Und die den Kopf ihrer Frau eines Tages in einem hübschen Präsentkorb finden.

 

Trotzdem kostet das letzte Loch hier noch so viel wie ein Palast in München. New York ist die Vorderfront der Gentrifizierung, des Ausverkaufs der Stadt. Zum Glück hat man als geiziger Deutscher Monate im Voraus das billigste Hostel unter der Co2-roten Sonne gebucht. Mit 20$ für ein Knastbett ist das East Village Guest House zwar doppelt so teuer wie ein Bett in Berlin, aber hier ist auch die Ganze und nicht nur die halbe Stadt weiß.

 

Die Bahn taucht aus Brooklyn auf und gibt den Blick auf das frei, was man aus der Werbung kennt: die New Yorker Skyline. Fast. Statt der zwei Türme an der Spitze ist da nur noch ein Mittelfinger. Delancey Street klingt nach Delinquent. Die Lower East Side ist das Kreuzberg New Yorks. War mal ganz schön was und ist verloren gegangen. Genügend Penner am U-Bahnhof gibt es zwar noch. Die Backsteinasitürme gegenüber leuchten finster. Das laute Altbauviertel könnte tatsächlich alternativ gewesen sein, jetzt ist an jeder Ecke ein Café mit koscheren Bagels für 7$. Lohnt sich nicht, da sitzen eh so viele Applespasten drin, dass das Frühstück den Rückwärtsgang einlegen würde. Jeder wird einem sagen, dass es klasse Bars in der Gegend gibt. Das mag sein, dafür kaum mehr Einkaufsmöglichkeiten und alles, was man außer Alk und Bagels braucht. Es sei denn, man steht auf zugelötete und gewaltaffine Gruppen junger Mittelklassetarzane. George Bernard Shaw hätte ihnen „Alcohol is the anesthesia by which we endure the operation of life.“ mit der halbvollen Pulle von der Laterne nachgebrüllt. Wie Little Italy wird die Lower East Side von Chinatown gefressen. Das Hostel ist ebenfalls in chinesischer Hand: Direktordicki ist nett und effizient wie ein Uhrwerk. Doppeltür, mintgrüner Flur, abgestellt in der Urlaubs-WG. Chinesen übernehmen die Stadt, weil sie brachial reduzieren. Bei ihnen geht alles schnell, ist billig, man bekommt das Minimum. 50M rechts vom Hostel 4 Wantan 1,50$ im Hundezwinger – das neue Wohnzimmer. Im Zweifelsfall wird auf Qualität geschissen – und das ist auch gut so. In einer luxussüchtigen Gesellschaft wird das Funktionale besonders. Chinesen sind die Nachkriegsdeutschen.

 

 

Manhattan

Mahnattan.

Das grottigste Hostel der Stadt

 

Das East Village ist kein normales Hostel mit Rezeption, kostenlosen Karten und einen betuttelnden Pesudoeltern. Es ist ein runtergerocktes Haus voller spottbilliger WGs, eine Expatselbsthilfegruppe. Die trudeln dann auch ein. Neuseeländer die schambefreit mit ihren Teenieschnecken stundenlange Schmachtgespräche in der Küche führen. Wenn die wüsste, dass ihr Schatz das Konzept Klobrille mit 25 noch nicht verstanden hat. Oder der Don Quixotte mit Oberlippen- und Ziegenbart mit seinem Teeniegespiele. Da zuckt es schon im Hirn wenn man rein kommt und die liegen romantisch zusammen im Bett. Bis man sich klar macht, dass einem das bei Heten wurscht wäre – wenn nicht zwei Generationen dazwischen liegen würden. Immerhin sind die ein wenig dezenter – die Klobrille verstehen sie leider auch nicht.

 

Nebenan kläfft der Köter eines Dauerbewohners, zum Glück. Sonst würde man sich auf den mintfarbenen Fluren verlaufen und das eigene Zimmer verpassen. Die Regel ist idiotensicher: Direkt vorne an der Straße, wo es am lautesten und dreckigsten ist – und wo man besoffen am wenigsten Treppen runter fallen kann. Zielgruppe getroffen. Und ja, es wird Zuhause. Nicht bei 20 Grad draußen, aber bei den klimakatastrophalen 0 am nächsten Tag. Dankbarerweise leicht zu wenig für sauberen Frostwinter. Nach 3 Stunden Dauerregen ist die Exon Valdez reif für den Hafen. Sich auf der leeren Matratze die als Couch aushilft mit einem Einkilosack Marshmellows vollzufressen und dem Straßenkrieg zuzusehen ist so gemütlich, wie es in der gestressten „Heimat“ nicht mehr wird.

Natürlich straft einen der Calvinistengott für die Faulheit mit Bettwanzen aus der Matratze. Was die vereinigten Luxusreisenden aller Länder verzweifeln lässt, ist weniger dramatisch als eine Mücke. Von Kakerlaken gar nicht zu reden: Die sind fast menschlich und waschen sich nachdem unreine Menschen sie berührt haben. Bettwanzen pumpen einen an und verschwinden leise wie sie gekommen sind. Keine Krankheiten und vor allem kein nerviges Gesumme am Ohr. Bettwanzen sind von allem Ungeziefer das Angenehmste. Wer schon zu nah an einem Ameisenhügel gepennt hat, kennt die höllischen Schmerzen mitten in der Nacht, wenn die Viecher zum Angriff übergehen. Auf den Damm.

 

Wenn einen am nächsten Morgen das Gefurze nicht aufweckt, dann der Verkehr. Ab halb acht ist selbst in den Seitenstraßen Remmidemmi. Die verhaltensauffälligen und tonnenschweren Jugendlichen vom Sozialtreff gegenüber übertonen das Verkehrsgetöse: „AH STAYS RRRIGHT HERE!“ Amerikanische Autos wirken seltsam Retro. Die Standardkarren und Taxen sind in den frühen 90ern stehen geblieben: Halbrund und viel zu viel Schnauze und Arsch. Je größer, desto weiter geht es zurück in die Vergangenheit. Die eckigen UPS-Transporter sehen aus wie traurige Eiswägen aus dem 70ern, die Trucks scheinen in den 60ern stecken geblieben zu sein. Jedes Mal, wenn die Gas geben, spürt man es noch Gegenüber im Brustkorb vibrieren. In hipperern Städten wäre jeder von denen ein mobiler Dubrave. Ein Kleinwagen könnte mit der Menge Sprit 50km fahren. Aber die gibt es so gut wie nicht. Die zwei Tonnen Stahl darf man sich ja wohl noch gönnen. Die Busse könnten direkt in Niznij Novgorod weiterfahren. Brutal eckig, derbe laut, sehen aus, als würden sie unter ihrer eigenen Last leiden. Beaten. Wenn sie anfahren, raucht man als Fußgänger eine Packlung Methol auf ex. Fehlt nur noch die ostblockige Stromschiene. Der einzige Vorteil: Sie nehmen das eigene Rad auf einem Ständer vor der traurigen Schnauze mit. Auf der Straße fahren ist wohl zu gefährlich. Dabei wird das in Philadelphia erst richtig schmerzhaft.

 

Manhattan von hinten

 

Später als bis halb 8 sollte man im November eh nicht warten, dunkel wird es um 5 und dann, so sagt (weißer) man, sollte man aus den Ghettos raus sein. Und da muss man hin. Zuerst jedoch nach Chinatown. Manhattan hat zwei Hochhausghettos, den Banking District an der südlichen Spitze und Downtown im Norden am Central Park. Da geht’s ab, der Banking District ist nur die Postkarte. West Side ist eher schicki, East Side war früher ranzig. Alles nördlich des Central Park ist nicht mehr wahr, aka Harlem. Die Lower Eeast Side quetscht sich in der Mitte rein, zwischen ihr und Downtown liegt Chinatown. Komische Lage für einen Migrantenbezirk? Geht so, das waren nach dem die Fertigen aus aller Welkt am südlichen Zipfel ankamen nach der ersten repräsentativen Häuserreihe einfach die ersten ranzigen Altbauten. Es gibt ein schönes Museum zu dem „Tenements“, aber für 20$ können die sich ihre Geschichte mal – auf Wikipedia rein ziehen. Schon morgens brummt es in Chinatown: Vor den Hochhäusern ziehen Chinesen Bollerwägen zu ihren Läden. Jeder vielleicht im Gegenwert von 20$, während in den Türmen Milliarden von blinden Börsenrechnern verschoben werden. Zum Vergleich: Allein bis zu einer Milliarde zu zählen dauert 200 Jahre.

 

Chinatown: Frisch ertrunkene Aale

 

Die Chinesen sind nicht Zimperlich: Krabben, Fische und Aale werden so eng in den Aquarien der Ladenfronten der Mulberrystreet zusammengequetscht, dass stundenweise die Besten zuerst verrecken. Die muss man schnell verkaufen, was nachts ausfällt. Schlaf ist die einzige Feuerpause der Wirtschaft. Morgens ist das Ganze eher Leichensuppe. Die volle Packung Ekel gibt es in „Spezialitäten“-Läden wie dem an der Ecke. Zwar ist da alles getrocknet, doch mumifiziert wird es nicht leckerer: Grillen, Früchte/Gedärme, oder der Dauerbrenner: Seegurken. Die Warzen kommen in den riesigen Gläsern schön zur Geltung.

 

Der Renner in der Kategorie „abartige chinesische Scheiße“ ist menschliche Muttermilch. Die Firma Xinxinyu macht die Welt durch BIP Steigerung besser: Seit einiger Zeit bietet sie das abgefüllte oder lebendige Glück direkt vom Euter an. Im Englischen existiert bereits ein Wort für das Saugen: Suckling. Spoiler an Radikalfoodies: Muttermilch gibt es in Chinatown nicht, die Frage wird konsequent nicht verstanden.

 

Man muss sich nicht wundern, wenn die Chinesen ein wenig ruppig sind, oder einen mit einer Ladung Reis fast erschlagen. Die Welt hat lange gewartet, letztes Jahr war es so weit: Das Buch „I Stand Corrected: How Teaching Western Manners in China Became Its Own Unforgettable Lesson“ erschien. Die schnöselige New Yorkerin Eden Collinsworth beschreibt darin ihre Erfahrungen mit Chinesen.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 12.02.2016
ISBN: 978-3-7396-3742-6

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Trumps Toupee.

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