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Das Bildnis des Mörders

Das Bildnis des Mörders

 

 

 

Das Telefon summt schon eine Weile auf dem Nachttisch. In der Hoffnung, dass es einfach verstummt und nicht wieder von neuem beginnt, hat es Tom Holborn ignoriert. Doch der nächtliche Anrufer tut ihm nicht den Gefallen.Denn im nächsten Moment hört er das Summen erneut. Mit einem Seufzen setzt Tom sich auf und nimmt den Anruf entgegen.

Schließlich ist er Hauptkommisar in Bereitschaft und kann jederzeit nach Dienstschluss bei einem Kapitalverbrechen angefordert werden. Und als Leiter der Dienststelle Abteilung für Kapitalverbrechen fällt ihm diese Ehre immer öfter zu. Woran das liegen mag, darüber hat er sich seine Gedanken gemacht. Möchte diese aber nicht laut Aussprechen, der er sonst Probleme bekommt.

»Holborn«, meldet er sich kurz und knapp.

»Entschuldigen sie die Störung, Herr Hauptkommissar«, hört er eine erstaunlich muntere Stimme sagen.

Holborn verdreht die Augen und schaut auf den digitalen Wecker.

2:51 Uhr

zeigen ihm die blutroten Finger an. Wie kann man um solch eine Uhrzeit, nur so munter sein?, denkt er.

Walter Mattau, fällt ihm der Name seines Gesprächspartners ein. Ein netter und stets gut gelaunter Kollege. Hat einige Schicksalsschläge zu verkraften gehabt, wie er weiß. Darunter fiel auch der Tod seiner Frau. Daran wäre der Kollege beinah zerbrochen. Zum Glück hat er das Angebot seines Vorgesetzten angenommen, sich psychologisch behandeln zu lassen. Zweimal in der Woche hat eine Aufarbeitung des Erlebten Walter Mattau aus seiner tiefen Depression geholt. Aber eines konnte auch die Therapie nicht verhindern. Seit dem Tod seiner Frau leider er unter Schlaflosigkeit. Aus diesem Grund hat Mattau sich zum Nachtdienst einteilen lassen und sitzt nun am Empfang der Dienststelle und nimmt die Anrufe entgegen, die hereinkommen. So fällt es ihm leichter, die restlichen Jahre bis zu seiner Pensionierung durchzuhalten.

Warum ihm dies gerade jetzt durch den Kopf geht, weiss Tom Holborn nicht. Darüber nachdenken möchte er auch nicht. Zudem lässt ihm Walter Mattau auch keine Möglichkeit. Dieser hat einfach weitergesprochen, ohne dass der Hauptkommissar zugehört hat. Daher bittet er seinen Kollegen noch einmal das Gesagte zu wiederholen.

»Natürlich«, sagt der Polizeihauptwachtmeister. »Auf den Stufen des Landesmuseum ist eine männliche Leiche gefunden worden. Zwei Frauen, die auf dem Heimweg waren, fiel ein Gegenstand auf. Beim Näherkommen sahen sie, dass es sich um eine Person handelte. Die beiden glaubten, dass dieser in Not war und Hilfe brauchte. Als sie den Mann fast erreicht hatten, erkannten sie, dass jede Hilfe zu spät kam.«

Holborn wartet darauf, dass sein Kollege weiterspricht. Da an Schlaf nicht mehr zu denken ist, möchte er so viele Informationen, wie möglich bekommen, so dass er sich auf der Fahrt zum Landesmuseum ein ungefähres Bild machen kann.

Doch Walter Mattau schweigt beharrlich. Beinahe so, als ob er alle ihm bekannten Informationen weiter gegeben hat.

Da er mit dem Wenigen wohl auskommen muss, was der Polizist ihm erzählt hat, fragt er:« War es das, oder möchten sie mir noch etwas mitteilen?«

»Mehr hat man mir nicht übermittelt.«

Na toll, denkt der Hauptkommissar. Warum fallen mir immer die beschissenen Fälle zu?

Mühsam schält er sich aus seinem warmen Bett und zieht sich an. Während Holborn überlegt, wo die Autochlüssel liegen, wählt er die Nummer von Sophie Schären, seiner Partnerin. Die meldet sich erstaunlich schnell und ist im Gegensatz zu ihm recht munter.

»Bin schon vor Ort«, sagt sie vergnügt in die Leitung. »Ist eine verdammte Sauerei, die dich hier erwartet. Aber das wirst du ja sehen, wenn du hier eintriffst.«

Mit einem Brummen unterbricht der Polizist die Leitung. Warum weiß seine Partnerin schon Bescheid, während er in seinem Bett noch vor sich hin geschlummert hat? Er wird mit Walter Mattau mal ein ernstes Wort reden müssen. Nicht, dass er auf Hierarchien pocht. Aber noch ist er der Leiter der Abteilung für Kapitalverbrechen. Und da kann er erwarten, dass man ihn als erstes bei einem Tötungsdelikt benachrichtigt.

Als Tom Holborn eine halbe Stunde später am Tatort eintrifft, läuft die polizeiliche Maschinerie schon auf Hochtouren. Die Spurensicherung hat ihre Arbeit aufgenommen. Ebenso wie der Pathologe, der sich über die Leiche beugt, wie er sehen kann. Gerade wird auf den Stufen des Landesmuseum ein Sichtschutz aufgebaut, damit die Schaulustigen keine Bilder von der Leiche schießen können, was aber wahrscheinlich längst geschehen ist.

Wäre ja noch schöner, wenn die Bilder der Leiche eher im Netz landen würden, als das sie selbst welche geschossen hätten. Der Polizist erkennt einige Schreiberlinge von der Boulevardpresse, die ihn zum Glück noch nicht gesehen haben. Sonst hätten sie sich wie Schmeißfliegen auf ihn gestürzt und verlangten nach Informationen, die er selber noch gar nicht hat. Und dass die schreibende Meute ihn nicht erreichen kann, dafür sorgt er selbst indem er in den abgesperrten Bereich tritt, und von seiner Partnerin erwartet wird.

»Da bist du ja. Hast du dich verfahren?«, fragt sie ihn mit einem Lächeln, dass sofort seine Laune hebt. Seine Kollegin ist zwei Jahre jünger und immer gut gelaunt. Sophie hat ihr langes, blondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, was ihr hübsches Gesicht und die braunen Augen richtig zu Geltung kommen lassen. Ein paar enge Jeans und ein T-Shirt betonen ihre Figur, was in Kollegenkreisen zu der einen oder anderen Schnappatmung geführt hat. Ihre schmalen Füße stecken in einem Paar Nike Sneakers. Darüber hinaus hat sie einen messerscharfen Verstand und tritt furchtlos auf.

Bevor der Kommissar sich weiter in seiner Kollegin verliert, fragt er:« Womit haben wir es hier genau zu tun? Mattau meinte, dass es sich um eine männliche Leiche handelt. Und warum ist das Landesmuseum taghell erleuchtet?«

»Du bist immer ein Quell voller Fragen«, antwortet Sophie grinsend.

Holborn schaut seine Partnerin an und hebt eine Augenbraue. Die angehobene Augenbraue ist ein Zeichen, dass er nicht zum Scherzen aufgelegt ist.

»Aber ernsthaft«, fährt sie ungerührt fort. »Wir haben es tatsächlich mit einer männlichen Leiche zu tun, die wohl schon etwas länger auf den Stufen liegt. Das Blut, dass aus der Halsarterie ausgeströmt ist, ist teilweise getrocknet, so dass der Pathologe vermutet, dass das Tötungsdelikt mindestens drei Stunden zurückliegt. »Und warum das Landesmuseum hell erleuchtet ist?«, fährt sie fort.

»Die beiden Zeuginnen sind sich übereinstimmend sicher, dass sie gesehen haben wollen, wie eine unbekannte Person das Museum betreten hat. Tatsächlich haben die Kollegen eine offen stehende Tür entdeckt, so dass sie jetzt das Museum durchsuchen.«

»Du siehst, es ist alles organisiert. Sogar die Zeugenaussagen werden schon aufgenommen.«

Holborn nickt. In der Tat hat Sophie Schären hervorragende Arbeit geleistet.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Stefan Zenker
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2025
ISBN: 978-3-7554-8049-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für die Queen of Life

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