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Künstliche Intelligenz

Müde und erschöpft schloss Emilia Romana die Tür zu ihrer Wohnung auf und trat ein. Sofort nahm sie die vertrauten Gerüche wahr. Es roch vielleicht ein wenig abgestanden, aber wer wollte das der jungen Frau verübeln, da es niemanden in ihrem Leben gab, der diesbezüglich Kritik hätte üben können.

Sie warf die Schlüssel in eine Obstschale, die auf einem Beistelltisch im Flur stand. Überrascht blieb Emilia vor dem Tischchen stehen und schaute auf die in der Schüssel liegenden Gegenstände. Außer dem Bund lag dort noch eine Spielfigur. Bei näherem Betrachten erkannte die junge Frau, dass es sich bei der Figur um einen metallenen Soldaten handelte, der in grauer Uniform gekleidet war. Dazu trug er schwarze Stiefel. Über seiner linken Schulter hatte er ein Gewehr geschultert.

»Ein Wehrmachtssoldat«, sagte Emilia zu sich selbst.

Sie schaute der Spielfigur in dessen Gesicht und hatte das Gefühl, als beobachte er sie. Stirnrunzelnd legte sie die Figur zurück und fragte sich, wo der Soldat herkam? Wahrscheinlich hatte Emilio, der Sohn ihrer Putzfrau die Figur beim letzten Mal, als er mit seiner Mutter hier war, nur vergessen.

Ich muss ihr noch einmal sagen, dass sie ihren Sohn nicht mitbringen soll, dachte sie.

Schließlich hatte Emilia in ihrer Wohnung Dinge gelagert, die in den Händen eines Kindes lebensgefährlich werden konnten. Sie hatte diese gut versteckt. Aber sicher war sicher.

Mit ihrem linken Fuß trat Emilia die Haustür zu. Dann streifte sie ihre Schuhe von den Füßen und lief barfuß über den flauschigen Teppich, der im Flur auf den nackten Fliesen lag, in den Wohnraum, der an zwei Seiten von großen Panoramafenstern umgeben war. Schnell schob sie die beiden Türelemente auf, die in die Fenstern eingelassen waren. Warme, angenehme Luft strömte augenblicklich in ihre Wohnung. Emilia wohnte im fünften Stockwerk des ImmoPlaza, einem Neubau innerhalb der Stadt. Die junge Frau hatte von der Terrasse ihrer Wohnung einen schönen Ausblick auf den unter ihr entlang fließenden Fluss und die etwas weiter entfernten Anlegestellen der Segelboote.

Sie hatte sich bei der ersten Besichtigung direkt in die ihr angebotene Immobilie verliebt, da der Wohnraum genau das bot, was ihr vorschwebte. Eine Küche, sowie Wohn-, und Schlafzimmer in einem Raum. Wobei das Bett, genau wie die Sitzmöbel, auf einer etwa zehn Zentimeter hohen Empore standen. Das Bett war durch Paravent und Blumen separat abgetrennt.

Von der Erhöhung aus, hatte Emilia die Möglichkeit, auf die Terrasse zu treten. Dabei nutzte sie immer eine der beiden Schiebelemente. Die dort stehenden Pflanzen verwelkten langsam, da sich der Sommer dem Ende zu neigte und diese anscheinend zu wenig Wasser bekamen. Warum hatte ihre Putzfrau dies nicht bemerkt und dementsprechend gehandelt? Ein weiterer Punkt, den Emilia mit ihr würde besprechen müssen.

Müde wandte sie den Blick von der Tristesse auf ihrer Terrasse ab, und schaute sehnsüchtig auf ihr Wasserbett. Allzu lange würde sie heute nicht aufbleiben. Das stand fest. Der Tag war anstrengender verlaufen, als sie gedacht hatte. Da war zum einen die Verspätung am Flughafen auf Kreta, was die Bediensteten auf einen plötzlichen Stromausfall zurückführten. Dann meldete die Maschine einen Schaden, so dass sie mit den anderen Passagieren auf eine Ersatzmaschine warten mussten. Als sie dann endlich, mit knapp siebenstündiger Verspätung gelandet waren, hatte Emilia nur noch den Wunsch in ihr Bett zu steigen, um sich auszuschlafen.

Ihr Magen begann sich bemerkbar zu machen. Schließlich hatte sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen. Und das Essen im Flieger hatte sie dankend ausfallen lassen. Daher wanderte ihr Blick nun zu dem Küchenblock, der frei in dem Raum stand. Dort befanden sich die Kochplatte, der Kühlschrank sowie das Gefrierfach, die in die Tiefe verbaut waren. Per Knopfdruck hatte sie die Möglichkeit, außer dem Ceranfeld, beides in die Höhe fahren zu lassen.

Emilia lief in den Küchenbereich, um sich eine Kleinigkeit zuzubereiten. Da sie immer noch den herrlichen Geschmack von Schafskäse, Zaziki und Oliven zu schmecken meinte, beschloss sie, zum Abschluss ihres Urlaubs noch einmal ein solches Mahl zu genießen.

Sie bediente gerade den Knopf, der den Kühlschrank hochfahren ließ, als ihr Blick auf der Küchenplatte drei weitere Spielfiguren erfasste. Die Soldaten blickten die junge Frau an und zielten anscheinend mit den Gewehren in ihre Richtung.

Zum Glück sind die Figuren nicht echt. Dennoch verursachten die Kriegsfiguren ein ungutes Gefühl. Daher sammelte Emilia die drei Soldaten ein und warf sie in den Abfallbehälter. Sofort fühlte sie sich besser.

Das Gespräch mit ihrer Putzhilfe würde demnächst etwas länger ausfallen. Sie musste ihr klar machen, dass Emilio nichts in der Wohnung zu suchen hatte. Das hatte sie bei der Einstellung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Plötzlich ertönte das Klingeln eines Telefons. Emilia brauchte einen Augenblick, bis sie erkannte, dass das Bimmeln aus ihrem Büro kam. Schnell lief sie in den Flur und von dort in ihr Arbeitszimmer. Zumindest hatte sie dies vor.

Plötzlich durchzuckte ihre nackte Fußsohle ein brennender Schmerz. Emilia schaute auf die Stelle, wo sie gerade ihren Fuß hingesetzt hatte und entdeckte einen weiteren Soldaten. Anscheinende hatte dieser dort gelegen und sich in ihren Fuß gebohrt. Wütend humpelte sie in ihr Büro, wo das Telefon weiter auf Annahme des Anrufs drängte.

»Ja?«, schrie die junge Frau aufgebracht in ihr Telefon hinein.

»Tröger hier«, meldete sich der Portier vom Eingang.

»Hier steht ein Mitarbeiter von Lieferando und möchte eine Pizza liefern.«

Den letzten Teil hatte er so ausgesprochen, dass es sich wie eine Frage anhörte.

»Richtig«, erwiderte Emilia. »Bringen sie die Pizza rauf.«

Sie hatte die Pizza während der Fahrt vom Flughafen zu ihrem Zuhause bestellt. Die Bestellung hatte sie vollkommen vergessen, was sie auf ihre Müdigkeit schob.

»Sehr gerne«, hörte sie den Portier noch sagen. Dann legte sie auf.

Das war einer der Vorteile des ImmoPlaza, der sie zusätzlich veranlasst hatte, die Wohnung zu kaufen. Es standen niemals unerwartet Besucher vor der Tür, da diese nicht an Karl-Heinz Tröger oder einem seiner Kollegen vorbeikamen, wenn sie nicht das Einverständnis der Wohnungseigentümer bekamen. Ein weiterer angenehmer Nebenaspekt war, dass am Hauseingang keine Namensschilder angebracht waren. Das schreckte in der Regel Drücker und andere Vertreter ab. Ein System, das Emilia sehr schätzte.

Als sie das Telefon auf die Ladestation zurückstellte, bemerkte sie, dass der Anrufbeantworter blinkte. Es waren in ihrer Abwesenheit zwei Anrufe eingegangen. Emilia drückte den Knopf für den Rücklauf, als es an der Wohnungstür

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 21.02.2024
ISBN: 978-3-7554-7842-3

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