Wie uns Yoga glücklich macht
Die heilende Kraft des Yoga in den Alltag integrieren
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Namasté
Meine Seele verneigt sich vor deiner Seele.
Ich ehre den Ort in dir,
an dem das gesamte Universum wohnt.
Ich ehre das Licht, die Liebe, die Wahrheit,
die Schönheit und den Frieden in dir,
weil all das auch in mir ist.
Weil wir diese Dinge teilen,
sind wir miteinander verbunden,
sind wir gleich.
Wir sind eins.
Yoga gehört auch zu meinem Leben – inzwischen seit rund 25 Jahren. Den ersten Yogakurs buchte ich in meiner damaligen Ballettschule, ohne zu wissen, was mich erwartet, und war verblüfft, wie gut es mir tat. Später probierte ich mit Hormonyoga, Ashtanga und Yin Yoga verschiedene Formen aus, nahm ich immer wieder an Kursen teil, wenn es irgendwie in meinen Stundenplan zwischen Studium, Job und Freizeit hineinpasste. Während Freunde auch alleine für sich jeden Tag ihre Yogaübungen machen, besuche ich tatsächlich am liebsten einen Kurs und genieße das Yoga-Erlebnis in der Gruppe. Zu Hause Yoga zu machen, habe ich inzwischen fast aufgegeben (sobald ich mich dort auf die Yogamatte begebe, sind meine beiden Siamkatzen sofort zur Stelle, um „mitzumachen“. Yoga scheint auf sie eine unwiderstehliche Anziehungskraft auszuüben).
In einer Gesellschaft, in der Leistung einen hohen Stellenwert hat, habe ich es immer genossen, beim Yoga kein bestimmtes Ziel erreichen zu müssen, sondern ganz bei mir sein zu können. Auf diese wunderbare Weise begleitet Yoga mein Leben und ist immer eine Bereicherung – mehr aber auch nicht. Meike hingegen machte Yoga irgendwann zu ihrem Leben.
Wir haben uns vor vielen Jahren bei der Arbeit kennengelernt – als Redakteurinnen im PR-Bereich. Ich schätzte sie als Kollegin und später auch als Freundin, die immer eine wunderbare Gesprächspartnerin war, die zuhörte und selbst viel zu sagen hatte. Auf der Suche nach mehr Sinn im Beruf entschied sie sich nach einiger Zeit, Heilpraktikerin für Psychotherapie zu werden – eine Aufgabe, die ich mir bei ihr sehr gut vorstellen konnte. Doch das war es noch nicht: Während der Ausbildung zur Yogalehrerin wurde ihr klar, dass Yoga sie nicht nur glücklich machte, sondern dass sie dieses Wissen auch an andere Menschen weitergeben wollte. Diese beiden beruflichen Wege führten so zu einer perfekten Synthese: Als Yoga-Therapeutin hilft Meike anderen, körperliche oder psychische Beschwerden zu lindern und glücklicher zu leben. Und sie unterstützt nicht nur andere – sie lebt es selbst. Auf der konsequenten Suche nach dem eigenen Glück und einem einfachen Leben, lässt sie vieles los und probiert Neues aus. Dass sie bald in einem Tiny House abseits der Stadt am Wasser leben wird, ist ein weiterer mutiger Schritt in diese Richtung.
Was für ein Glück, eine Freundin zu haben, die Yogalehrerin ist. Dass Meike das gut machen würde, war mir von vorneherein klar. Deshalb meldete ich mich vor ein paar Jahren gleich bei einem ihrer ersten Kurse an. Der fand zufällig auch noch in einer Bildungseinrichtung statt, die ich seit Jahren regelmäßig für verschiedene Kurse aufsuche: neues Lernen in Köln. Jetzt also auch für Yoga bei Meike. „Chill out! Gelassener mit Yoga“ nennt sie ihre Stunde und trifft damit einen Nerv – nicht nur bei mir. Ihre Kurse werden gut besucht, viele Teilnehmer sind wie ich von Anfang an dabei.
Die Stunde ist anders als das, was ich bisher kannte: Während bei anderen Kursen eher der mehr oder weniger gleiche Ablauf von Asanas im Vordergrund stand, war jede Stunde von Meike anders. Übungsreihen aus dem Hatha- oder Kundalini-Yoga, vor allem aber Yin Yoga mit anschließender Meditation, bewirken bei mir nach einem anstrengenden Tag im Großraumbüro jedes Mal ein tiefes Gefühl der Entspannung und Erholung. Neu war für mich auch, dass Meike in ihrer Stunde im Hintergrund Mantra-Gesänge laufen lässt. Anfangs irritiert, merkte ich schnell, dass mir die Musik hilft, mich noch besser zu entspannen.
Meikes Yogaunterricht ist sehr vielschichtig, sie setzt verschiedene Schwerpunkte und passt sich auch schon mal den tagesaktuellen Bedürfnissen der Teilnehmer an. Sie gibt viele Anregungen, etwa zu weiteren Atem- oder Entspannungstechniken. So lernte ich bei Meike zum Beispiel Yoga Nidra neu kennen und schätzen. Sie vermittelt immer auch interessantes Hintergrundwissen und erklärt, wie die einzelnen Übungen auf Körper und Geist wirken – was immer eine zusätzliche Motivation ist–, ohne ins Dozieren zu geraten.
Der nächste logische Schritt zeichnet sich ab: Ein umfassendes Buch über Yoga, wie man damit zum eigenen Glück findet und dieses in den Alltag integriert. Als Profi-Redakteurin im Schreiben erklärt sie auf verständliche und kurzweilige Weise ihre eigene Yogaphilosophie und spannt dabei einen weiten Bogen über die Frage, was Yoga überhaupt ist, beschreibt die wichtigsten Quellen und Formen und was Yoga mit Selbstfürsorge – ein Thema, das sie auch in einigen ihrer Workshops in den Mittelpunkt stellt – und dem eigenen Glücksempfinden zu tun hat. Ein längeres Kapitel widmet Meike der Gesundheit und wie wir mit Yoga Krankheiten lindern oder heilen können. Das Buch ist keine praktische Anleitung für eine Yogastunde zu Hause – auch wenn viele Übungen beschrieben werden –, sondern vielmehr eine Anregung, aus dem, was man vielleicht schon jahrelang praktiziert (oder praktizieren möchte), mehr zu machen. Deshalb ist das Buch für alle geeignet – Anfänger und fortgeschritten Yogis sowie alle, die mehr über die Jahrtausende alte Heilwirkung von Yoga wissen wollen.
Ich schreibe diese Zeilen, während draußen die Corona-Pandemie Menschen weltweit Angst und Sorge bereitet. In einer Zeit, in der es sich ganz besonders lohnt, sich mit Yoga zu beschäftigen und dieses Buch als Anregung oder Aufforderung zu lesen, sich und der Welt etwas Gutes zu tun.
Durch Meikes Buch wünsche ich Ihnen, lieber Leser, eine gute Lektüre sowie viel Erfolg auf dem Weg zu einem glücklicheren Leben mit Yoga.
Namasté!
Geschrieben von Britta (begeisterte Freizeit-Yogini und gute Freundin von Meike Nachtwey)
P. S.: Warum Yoga auf Katzen so eine anziehende Wirkung hat, ist übrigens ein Phänomen, das in diesem Buch nicht geklärt wird.
Alle in diesem Buch genannten Informationen und Anregungen sind sorgfältig recherchiert und nach besten Wissen und Gewissen von mir zusammengestellt. Ich möchte dir damit Möglichkeiten für einen guten Umgang mit dir selbst aufzeigen und dich inspirieren und ermutigen, Neues auszuprobieren. Sie stellen jedoch keine therapeutischen Empfehlungen dar. Bitte entscheide selbst, wie tief du dich auf die in diesem Buch enthaltenen Hinweise einlassen und inwieweit du sie umsetzen möchtest. Achte dabei gut auf dich!
Früher war Yoga eine sogenannte Geheimwissenschaft, deren Inhalte nur von Yoga-Meistern an ihre Schüler in direkter Unterweisung weitergegeben wurden. Dies diente auch dem „Schutz“ der Praktizierenden, da Yoga aufgrund seiner Kraft starke körperliche, seelische und geistige Wirkungen entfalten kann. Diese können Yogis damals wie heute verwirren oder ängstigen. Von beispielsweise überschwänglicher Euphorie über unkontrollierbare Lachanfälle bis hin zu tiefer Traurigkeit sind vielfältige Reaktionen möglich. Solche extremen Wirkungen sind jedoch selten, viel wahrscheinlicher bewirkt Yoga bei dir Entspannung, gute Laune, eine bessere Körperwahrnehmung und ein gesteigertes Wohlbefinden. Dies ist auch Ziel meines Yogaunterrichts, sowohl in Einzelsessions als auch in größeren Klassen, in Wochenend-Workshops wie in Yoga-Reisen und -Retreats und im Business-Yoga: zu vermitteln, wie uns Yoga glücklich macht.
Sollten aber Beschwerden oder Krankheitsgefühle auftreten, bitte ich dich, einen Arzt oder Psychologen zu konsultieren. Gern kannst du dich auch an mich wenden, als ausgebildete Yoga-Lehrerin und Yoga-Therapeutin sowie Heilpraktikerin (Psychotherapie) habe ich mich auf die Therapie von Depressionen, Angst- und Essstörungen spezialisiert und werde mein Möglichstes tun, um dir zu helfen.
Du erreichst mich unter:
praxis@fraunachtwey.de
www.fraunachtwey.de
Lokah samastah sukhino bhavantu!
***
Mögen alle Wesen glücklich und frei von Leid sein!
Als ich gefragt wurde, ob ich ein Yoga-Buch schreiben möchte, dachte ich: „Was? Noch ein Yoga-Buch? Es gibt schon sooo viele! Und das wichtigste steht sowieso in den alten Schriften. Was kann ich darüber hinaus wohl noch Sinnvolles zum Thema Yoga beitragen?“
Und dann dachte ich darüber nach, wie sehr Yoga mein Leben verändert hat, besonders in der Zeit der Ausbildung zur Yogalehrerin und -therapeutin. Das beginnt bei „Äußerlichkeiten“ wie bei meinem Beruf, meiner Wohnung und beim Umgang mit anderen Lebewesen, geht über innere Einstellungen gegenüber dem Leben im Allgemeinen und im Speziellen bis hin zu meinen innersten Emotionen und meiner – bis dahin ungelebten – Spiritualität und Hochsensibilität.
So lebe ich seither weitestgehend vegan, was meine Ernährung betrifft, immer minimalistischer, was Besitz angeht, übe „Berufe“ aus, die tatsächlich Berufung sind und in denen sich viele meiner Fähigkeiten vereinen, pflege einen kleinen und feinen Freundeskreis und habe das spannende Konzept von Claus Eurich „Aufstand für das Leben“ für mich entdeckt, welches auf einem einfachen, gewaltfreien und am eigenen Gewissen orientierten Lebensstil basiert. Hier ist ein wichtiger Auszug aus seinem Manifest:
Wir leben in einer sehr besonderen Epoche der Menschheitsgeschichte und
vermutlich entscheidet sich jetzt gerade die Zukunft unserer Gattung. Einerseits
ist es nötig, sich ungeschönt all die negativen Entwicklungen vor
Augen zu führen, zugleich aber auch Mut und Hoffnung zu bewahren. Denn die
Zerbrechlichkeit unserer Lage ist die notwendige Voraussetzung für eine schöpferische
Weiterentwicklung. Das mögliche Neue zeigt seine Konturen erst im Erfahren
und Aushalten des Gegenwärtigen und damit in dem Mut, das Sein – so wie es ist – anzunehmen.
Eine bessere Zukunft ist möglich – für die Erde, für den Menschen, für jeden von
uns. Doch um die Kraft dafür aufzubringen, müssen wir wissen, wohin wir gehen
und wie wir leben wollen, wie wir Eintracht und Verbundenheit mit dem Leben an
sich gestalten wollen. Was ist wünschbar und wertvoll, und was ist ungut und lebensfeindlich?
Wir brauchen neben der Liebe zum Leben in all seinen Facetten Klarheit
und Entschiedenheit, um die notwendigen Schritte zu setzen. Und wir brauchen
das Wissen darum, dass wir nicht allein sind auf diesem Weg, dass wir uns
finden und begleiten, uns ermutigen und tragen. So können wir auch eine Einladung
an immer mehr Menschen sein, ihre Ohnmachtsgefühle, ihre Wut über die
Respektlosigkeit gegenüber aller Zerstörung des Lebens und das Leiden daran zu
überwinden und sie zu verwandeln in mitfühlendes Tun.
In diesem Sinne haben wir uns auf den Weg gemacht. Wir sprechen von einem
»Aufstand«. Damit ist gemeint: Wir stehen auf für die gelebte Solidarität mit allem
Leben und allen Lebensformen. Wir zeigen Haltung, sehen nicht weg, verschweigen
nicht, handeln klar, solidarisch und gewaltfrei, wo immer uns das möglich ist. Wir
setzen dem lebensfeindlichen Denken und Handeln in unserer Kultur etwas entgegen:
die liebevolle Verbundenheit mit allem Sein.
Dieser Aufstand ist still und kommt von Herzen. Er benötigt keine Medienpräsenz
und keine konventionellen politischen Kampfformen. In ihm verbinden sich Menschen,
die Entschiedenheit vereint, was die Analyse des Zustands unserer Erde betrifft
und die Einsicht in notwendiges Handeln. Es sind Menschen, die von dem Anliegen
geführt sind, die in unserer Zeit ein Licht sein wollen, im Bewusstsein der eigenen
Schatten. Es sind Menschen, die sich als Diener des Lebens verstehen – in
Verletzlichkeit und Konsequenz. Und sie leben im Bewusstsein spiritueller Beheimatung,
eines tiefen Getragen- und Verbundenseins, ohne dies definieren zu müssen.1
Dieses tiefe Getragen- und Verbundensein erlebe ich durch das Praktizieren von Yoga. Ich orientiere mich dabei an den alten Schriften, der Bhagavad Gita, den Yoga-Sutras von Patanjali und dem traditionellen Hatha Yoga, wie ich es von meinen beiden höchst kompetenten Lehrern gelernt habe.
Dass Yoga darüber hinaus eine heilende Wirkung hat, und zwar nicht nur auf körperlicher, sondern auch und vor allem auf der psychischen und emotionalen Ebene, habe ich erfahren, als ich mit einer tiefen Depression kämpfte. Ich hatte jegliche Hoffnung verloren, war voller Ängste und Zweifel, mein Selbstwertgefühl war nicht mehr vorhanden und der „schwarze Hund“ war mein ständiger Begleiter. In den schwärzesten Zeiten war ich noch nicht mal mehr in der Lage, zum Yogakurs zu gehen, obwohl ich genau wusste, wie gut er mir tut. Dank einer ganz hervorragenden Psychoanalytikerin, eines fachlich und menschlich herausragenden Psychiaters und meiner beiden allerliebsten Menschen – meinem Mann und meinem Sohn – schaffte ich es jedoch, mir Hoffnung, Antrieb und Lebenssinn zurückzuerobern.
Yoga half mir, meine innere Ruhe und Gelassenheit wiederzufinden, den Fokus auf das Hier und Jetzt zu legen, mich als Teil eines Größeren zu erkennen und wahrzunehmen und das Vertrauen in das Leben zurückzugewinnen. Als Heilpraktikerin (Psychotherapie) und Yogalehrerin versuche ich nun, andere an meinen Erfahrungen, meinem Wissen, meinen Gedanken und meiner Hoffnung teilhaben zu lassen. Menschen, die auf der Suche sind, einen Raum zu geben, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen machen, sich entfalten und aufblühen dürfen. In dem sie zu sich und ihr Glück finden und ganz sie selbst sein dürfen. Getragen von Respekt, Wertschätzung und Wohlwollen.
Mit diesem Buch möchte ich dir zeigen, wie Yoga dich glücklich machen kann. Darum findest du darin neben vielen Informationen, Hintergrundwissen und Theorie zu Yoga, Glück, Selbstfürsorge und Gesundheit immer wieder Fragen, die dich anregen sollen, zum Innehalten und zum Reflektieren. Um eine Bestandsaufnahme zu machen und herauszufinden, in welchen Bereichen es hakt und wo du noch besser für dich sorgen kannst.
Darüber hinaus findest du konkrete Anregungen, wie du die Fürsorge für dich selbst (wieder) übernehmen kannst. Im Glücksplaner auf zum Beispiel habe ich kleine praktische Tipps für dich, von denen dich jeder deinem Glück einen Schritt näherbringen kann. Diesen kannst du dir sehr gern kopieren und als Erinnerung an deinen Kühlschrank oder Badezimmerspiegel pinnen. Damit du jederzeit eine Idee hast, was du dir heute Gutes tun kannst.
Und schließlich habe ich dir ein paar Yoga-Übungen herausgesucht, die du auch als Anfänger*in mit ein bisschen Übung praktizieren kannst. Neben einfachen, aber wirkungsvollen Asanas, meiner Lieblingsatemübung Nadi Shodana und einer Meditation zur Liebenden Güte gibt es das Heilmantra RA MA DA SA aus dem Kundalini Yoga nach Yogi Bhajan, das besonders beim kraftvollen Mitsingen dein Herz berühren und deine Stimmung positiv beeinflussen kann.
Und wenn dir Mantrasingen zu esoterisch daherkommt: Als langjähriger Fan der „Fantastischen Vier“ durfte ich – natürlich mit ihrer Erlaubnis – am Schluss den Text ihres Songs „Krieger“ abdrucken, der für mich die Essenz des Yoga als Weg zum Glück auf fantastische Art und Weise beschreibt.
Ich wünsche dir eine interessante Lektüre mit neuen und spannenden Erkenntnissen und viel Spaß und gutes Gelingen bei der Umsetzung und Integration in den Alltag,
deine Meike
Don’t practice Yoga to get better at Yoga.
Practice Yoga to get better at living.
Yoga ist eines von sechs traditionellen indischen Philosophiesystemen2, das vor Tausenden von Jahren entstand. Schon etwa 5.000 Jahre alte Abbildungen, bronzezeitliche Funde aus dem Indus-Tal, zeigen Figuren in klassischer Meditationshaltung. In den altindischen Texten, den Veden (um 1500 v. Chr.), wird bereits das Wort „Yoga“ erwähnt und später (etwa 1000 v. Chr.) in den sogenannten Upanischaden, dem jüngsten und letzten Teil der Veden, als Begriff für Meditation und Atemkontrolle benutzt.3
Die indischen Epen Ramayana und Mahabharata, geschrieben um ca. 300 v. Christus, gelten als weitere zentrale Texte in der Entstehungsgeschichte des Yoga. Beide in Sanskrit verfassten Geschichtszyklen nehmen denselben einzigartigen Stellenwert für die indische Literatur ein, wie Homers Epen „Odyssee“ und „Ilias“ für die griechische Frühzeit (dabei ist die Mahabharata sieben Mal so lang wie die Odyssee und die Ilias zusammen). Yoga wird hier als praktische Weiterführung des philosophischen Systems des Sankhya (sprich: Samkia) erwähnt.
Bei dem ursprünglichen Sankhyasystem handelt es sich um eine spirituell-kosmische Evolutionslehre (etwa 700 v. Chr.), die die indische Spiritualität zum großen Teil mitgeprägt hat. Anhand von 25 Tattvas (Grundprinzipien) wird das Universum und alles, was sich darin befindet, aufgezählt.
Die Bhagavad Gita gilt als „heilige“ Schrift im Hinduismus und im Yoga. Als sechstes, vergleichsweise kurzes Kapitel der Mahabharata, wird sie als episches Gedicht über Yoga verstanden und hat sich zu einem der drei wichtigsten Hauptquellen für die Philosophie des Yoga, zusammen mit Patanjalis Yoga Sutras und der Hatha Yoga Pradipika entwickelt. Die einzelnen Kapitelüberschriften der Gita unterscheiden bereits zwischen unterschiedlichen Arten von Yoga, wie Karma Yoga, Jnana Yoga, Dhyana Yoga und Bhakti Yoga.
Aber es ist vor allem der Dialog zwischen dem Helden Arjuna, der nicht in den Krieg ziehen will, und dem Gott Krishna, der sich als sein Wagenlenker „verkleidet“ hat, der die „Gita“ zum Lieblingstext aller Yogis, aber auch europäischen Denkern und Philosophen wie Humboldt oder Schopenhauer werden ließ.
Die Frage, wie wir handeln wollen und müssen, was unsere Pflicht ist, und welche Rolle die Konsequenzen unserer Handlungen spielen, hat eine ethische Diskussion angestoßen, die unter dem Begriff „Karma Yoga“ zusammengefasst heute auch Nicht-Yogis geläufig ist.
In der Bhagavad Gita werden etwa achtzehn verschiedene Arten von Yoga aufgezählt. Heute kennt man davon noch Jnana Yoga (die Suche nach dem wirklichen Wissen), Bhakti Yoga (der Yoga der Hingabe an eine höhere Macht), Mantra Yoga (der Yoga der magischen Silben), Raja Yoga (der „königliche“ Yoga), Kriya Yoga (alles, was wir üben können), Hatha, Kundalini und Tantra Yoga (allen dreien liegt das Konzept der Kundalini-Energie zugrunde) sowie Karma Yoga.
Die Bhagavad Gita erklärt, was Karma (Handeln) für uns bedeutet: Wir müssen handeln, denn das ist unsere Bestimmung im Leben, sollen es aber tun, ohne nach den Ergebnissen unserer Handlung zu schielen. Unsere Handlungen sollen also nicht durch bestimmte Erwartungen motiviert werden, sondern wir handeln aus Liebe4.
Geschätzt 400 bis 200 Jahre v. Chr. verfasste der indische Gelehrte Patanjali sein grundlegendes Werk „Die Yoga-Sutras“. Darin fasst er in 195 Lehrversen in Form von Aphorismen und kurzen Aussagen die Yoga-Philosophie zusammen und ordnet sie zu einem achtgliedrigen Übungsweg (Sanskrit: Ashtanga), der bis heute im traditionellen Yoga praktiziert wird. Patanjali beschreibt darin Yoga nicht nur als Wissenschaft, sondern auch als einen (spirituellen) Lebensweg mit verschiedenen Übungen und dem Ziel der Befreiung und Loslösung von allen Anhaftungen, somit dem Sein im Hier und Jetzt5.
Der Sanskritbegriff „Yoga“ ist auf die indogermanische Wurzel „yug“ zurückzuführen, die mit „Joch“, aber auch mit „sich vereinigen“, „sich verschmelzen“ oder „in Einklang bringen“ übersetzt werden kann. Der Begriff Yoga kann also sowohl „Vereinigung“ oder „Integration“ bedeuten, als auch im Sinne von „Anschirren“ (vgl. „jochen“) des Körpers an die Seele zur Sammlung und Konzentration bzw. zum Einswerden mit dem Bewusstsein verstanden werden.
Yoga ist demnach vor allem ein innerer Zustand. In diesem Zustand „vereinigt sich“ das Individuelle mit dem Universellen, der Mikro- mit dem Makrokosmos, der Körper mit der Seele und es verbinden sich das männliche und das weibliche Prinzip, aus denen das menschliche Wesen und das ganze Universum gebildet sind. Diese Verschmelzung erzeugt in uns ein Gefühl der Einheit, der Zeitlosigkeit, der tiefen Ruhe und offenbart uns neben der Selbsterkenntnis die innere Erkenntnis der universellen zeitlosen Weisheit. Patanjali beschreibt diesen Zustand bereits im zweiten Sutra: Yoga ist der innere Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen6. Oder anders gesagt: Yoga ist Meditation. Wie dieser meditative Zustand nun erreicht werden kann, zeigt Patanjali bereits in seinem dritten Sutra kurz und knapp auf: Durch Übung und Loslösung kommen die Gedanken zur Ruhe7.
Der authentische, traditionelle, ursprüngliche Yoga ist also eher eine alte Erfahrungswissenschaft jenseits aller religiösen Systeme. Und der Zugang zu dieser Philosophie, die am Ende absolute Freiheit und sogar Erleuchtung verheißt, ist durch die eigene Praxis des Yoga jedem zugänglich. Dabei bildet Meditation zum einen den inneren Kern jeder Yogaübung. Zum anderen stärkt das Üben der Körperhaltungen (Asanas) den Körper für das lange Sitzen in der Meditationspraxis.
Das letztendliche Ziel des Yogaweges ist die allmähliche Bewusstwerdung und Offenbarung des göttlichen Funken, der in jedem Menschen existiert, die Rückkehr zum Zustand der völligen Freiheit von Sorgen, Begierden, Wünschen, Ängsten und das Erleben eines äußerst entspannten und seligen Bewusstseinszustandes, der im Yoga Samadhi genannt wird.
Durch das Erreichen dieses Zustandes, der auch als „Erleuchtung“ definiert wird, erfährt der Yogi seine Vollkommenheit und die Verschmelzung seines eigenen Wesens mit dem universellen, makrokosmischen Wesen (Gott oder Brahman), das Eins-Sein mit allem. Hier erfährt er wahres Glück.
Ursprünglich bezweckte Yoga also das Vertiefen der Selbstkenntnis, um sich schließlich seines eigenen höchsten, göttlichen und unsterblichen Selbst (Seele, göttlicher Funke oder Atman) bewusst zu werden. Dieses höchste Selbst, das im Menschen allgegenwärtig ist, wird durch Yoga von den Begrenzungen des persönlichen, vergänglichen, begrenzten und nur auf sich bedachten Ich (Ego) befreit8.
Ab etwa 500 n. Chr. breitete sich die Lehre des Tantrismus aus. Er gilt als revolutionär, da bis dahin die Askese vorherrschend war, in der es vorrangig war, alles Weltliche, vor allem Sexualität, zu überwinden. Der menschliche Körper, besonders der weibliche, mit all seinen Funktionen wurde als unrein angesehen.
Die tantrische Lehre geht davon aus, dass über die energetische Ebene alles miteinander untrennbar verbunden ist, so spiegelt sich das Kleine im Großen und umgekehrt. Alles Geschehen im Universum hat somit eine Auswirkung auf das Ganze, da alles miteinander verwoben ist. Demzufolge offenbart sich auch das Göttliche in allem und in jeder möglichen Form. Grundgedanke des Tantrismus ist es also, die Natur mit seinen vielfältigen Erscheinungen zu verehren und mit allen Sinnen zu genießen. An die Stelle von Askese tritt im Tantra nun Freude, ritueller Genuss, Sinnlichkeit und eine dem Leben und der Natur zugewandte Einstellung als Grundlage für spirituelles Wachstum9.
Patanjali schrieb in seinen Yoga Sutras bis auf eine „stabile und glückliche Sitzhaltung“ (Sutra II) für die Meditation jedoch nichts über konkrete Yoga-Positionen (Asanas). Das erfolgte erst in der Hatha Yoga Pradipika, einem Text von Swatmarama aus dem 14./15. Jahrhundert, der mit der Lehre vom Hatha Yoga Körperübungen als Voraussetzung zur Erreichung des Yoga-Ziels beschreibt. Anders als Patanjali besteht der Ansatz der Hatha Yoga Pradipika darin, vom Körper auszugehen und die Reinigung desselben zur Grundbedingung für jede weitere spirituelle Entwicklung zu machen.
Swatmarama lässt dabei ethische und moralische Gesichtspunkte außer Acht, ebenso Selbstkontrolle und Disziplin. An erster Stelle steht für ihn die Reinigung des Körpers. Damit meint er jedoch nicht unser heute übliches Duschen oder Baden, sondern verschiedene Reinigungstechniken (Kriyas) zur inneren Reinigung des Körpers. Dafür nennt er sechs sogenannte Shatkarmas10, wie zum Beispiel das Einführen eines Stückes Stoff, um die Atemwege zwischen Mund und Nase zu reinigen (Neti) oder die Darmspülung (Basti)11.
Aus dem späten 17. Jahrhundert stammt die sogenannte Gheranda Samhita, die ebenfalls zu den klassischen Hatha Yoga-Texten zählt und der umfassendste Text zur Yogapraxis ist. Hierin werden ebenfalls Reinigungstechniken (Kriyas), Körperübungen (Asanas), Techniken zur Energielenkung im Körper (Mudras), Atemtechniken (Pranayama), Konzentrationsübungen (Pratyahara), Meditationsübungen (Dhyana) und schließlich Übungen, die zur Erleuchtung (Samadhi) führen, beschrieben.
Ziel aller ursprünglichen Yogalehren ist es, den Menschen bei der Suche nach tieferer, absoluter Wahrheit (Erleuchtung) zu unterstützen. Dabei geht Yoga davon aus, dass dasselbe Prinzip hinter allen spirituellen Richtungen steht, die nur verschiedene Wege zum gleichen Ziel darstellen. Somit haben auch die großen Yogis und Meister ihre eigenen Wege beschritten und es kristallisierten sich je nach ihrer Persönlichkeit schon früh verschiedene Yoga-Pfade heraus12. Im Folgenden findest du kurze Beschreibungen zu den wichtigsten Pfaden. Alle haben auf der tiefsten Ebene gemeinsam, dass sie Glück, Liebe und Frieden anstreben.
Karma Yoga nennt sich der spirituelle Pfad der vollständig losgelösten Handlung, der dem Praktizierenden die Möglichkeit bietet, sich spontan mit den kosmischen Energien zu verbinden. Er findet unter diesem Namen erstmals Erwähnung in der Bhagavad Gita, obwohl davon auszugehen ist, dass die Tradition dieses spirituellen Pfades viel weiter zurückreicht. Durch die Bewusstwerdung seiner Pflichten und daraufhin folgend der Ausführung dieser oftmals alltäglichen Handlungen ohne Anhaftung und ohne Verlangen nach Resultaten, reinigt der Karma-Yogi beständig seinen Geist von der Illusion des „Getrennt-Seins“ von Gott, allen Lebewesen sowie Dingen und beschleunigt so seine spirituelle Evolution. Er wird sich durch die Praxis der selbstlosen „guten Tat“ seiner Einbindung in das Ganze bewusst.
Dabei ist es ausschlaggebend, dass der Yogi aktiv ist und bewusst handelt im Gegensatz zu anderen spirituellen Wegen, die oft die Entsagung von der Welt predigen. Außerdem muss die Handlung passend sein sowohl für den jeweiligen Moment als auch für den Yogi, sodass dieser sich mit seiner und durch seine Aktivität in die göttliche Harmonie integriert. Die Loslösung seines Wesens von Aktion und Wirkung wird durch die Widmung derselben an das Göttliche erlangt. Sobald Herz und Geist einen ausreichenden Reinheitszustand erreicht haben, wird der Yogi ein perfektes und überbewusstes Instrument Gottes und ist somit in der Lage, sein Bewusstsein über die eigene Persönlichkeit hinaus zu erweitern und das göttliche Bewusstsein zu erfahren.
Der Karma Yogi bedient sich dabei keiner Lehrsätze oder Theorien, er denkt nicht über metaphysische Spekulationen nach oder darüber woher er kommt und was er ist. Er ist vollständig in der Tat und gleichzeitig völlig losgelöst von ihr. Sein Ziel ist die Erkenntnis und Verwirklichung seines Selbst durch die Verschmelzung mit dem Göttlichen durch dynamische Selbstlosigkeit.
Karma Yoga heißt, gleichmütig zu sein in Erfolg und Misserfolg, nicht an den Früchten der Handlungen zu hängen, klug zu planen, geschickt nachzudenken und mit vollem Engagement und ganzem Herzen die Handlung durchzuführen. Wichtig ist, dass wir unsere Handlung im Bewusstsein erfüllen, Teil des Ganzen zu sein, und uns über diese Art von Einstellung zum Ganzen zu entwickeln. Nicht ich, sondern Körper und Geist handeln. Körper und Geist sind Teile des kosmischen Körpers und kosmischen Geistes, werden also in Wahrheit gar nicht von mir gesteuert. Jede dieser Handlungen sollte unter Beachtung der Yamas und Niyamas (siehe Kapitel „Der achtgliedrige Pfad des Patanjali“) durchgeführt werden.
Als Karma Yogi handelst du also in Ruhe mit innerem Gleichmut und über deinem Ego stehend.
Auf diesem spirituellen Weg wird das höchste Ziel – die Erkenntnis des Eins-Seins mit Gott – durch wahres Wissen oder Weisheit und die klare Unterscheidung (Viveka), was wirklich und was nicht wirklich ist, erreicht. Alle Yogapfade sprechen vom Nicht-Wissen (Avidya) als Ursache von Unfreiheit und dem damit verbundenen Zyklus der Wiedergeburten. Die Praxis des Jnana Yoga erhellt diese Unwissenheit mit reiner Erkenntnis durch die Vereinigung mit den höchsten Energien des Supramentalen (Vijnana), durch die Beschäftigung mit den immer währenden Fragen wie: „Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“, „Wohin gehe ich?“, „Was ist der Sinn des
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Tag der Veröffentlichung: 11.06.2020
ISBN: 978-3-7487-4538-9
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