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Zitat

„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

 

1. Korintherbrief 13, 13

 

Prolog

Ich rannte immer schneller dem Meer entgegen. Es war nur noch eine Frage der Zeit  bis Alice bemerken würde, was ich vorhatte. Ich rannte dem Wasser entgegen. Dem endlosen Blau des Meeres. Immer weiter, immer schneller. Dem Ende entgegen. Um mich von meiner Schuld zu befreien. Um sie glücklich zu machen. Denn ich würde nie wieder glücklich sein, wenn sie sich weiter bekämpfen würden. Aber das würde nicht passieren. Sie waren Feinde. Todfeinde. Deshalb würden sie sich nie verstehen. Nie den Kampf zwischen ihnen beenden. Genau deshalb würde ich nie wieder glücklich sein. Ich würde zwar mit meiner Entscheidung mein und ihr Leben verändern, aber hoffentlich würde sie so wieder glücklich sein. Schließlich hatten sie einen Grund dazu. Für mich gab es keinen Grund mehr. Nichts hielt mich mehr hier oder irgendwo anders auf der Welt. Endlich war ich da. Am Ziel. Am Ziel meines letzten Laufes. Die Wellen schlugen gegen die Klippen und das Rauschen hallte in meinen Ohren wieder. Ich blickte zum Himmel, sah wie die Wolken vorbeizogen. Immer weiter. Fort von mir. Ich würde sie nie wieder sehen. Oder, vielleicht doch. Wenn ich genau wie sie am – im Himmel sein würde. Da hörte ich sie. Ein Heulen zerriss die Luft. Sie waren auf dem Weg hierher. Alice hatte ihnen Bescheid gesagt. Meine Zeit lief ab. Immer lauter und mehrstimmiger wurde das Heulen. Sie kamen näher. Immer näher. Ich wollte mir die Ohren zuhalten. Doch da hörte und spürte ich, wie sie durch den Wald rennen. Jedes Aufsetzen ihrer Pfoten spürte ich unter mir. Ich streifte mir die Kette über den Hals und legte sie auf den Boden. Dann legte ich auch meinen Brief daneben. Meinen Abschiedsbrief. Ich hoffte sie würden meine Entscheidung verstehen. Das Armband würde ich mitnehmen. Mitnehmen dahin wo ich kommen würde. Ich hörte ein Knacken hinter mir. Trotzdem warf ich keinen Blick zurück. Ich atmete tief ein und machte mich bereit für den Sprung. Für das Ende. Ich hörte wie jemand aus dem Wald trat.

3,

2,

1.

Noch einmal holte ich tief Luft.

Das letzte Mal.

1. Kapitel

 

Dieses Buch erzählt die Geschichte eines Mädchens, dessen Leben sich von einen auf den anderen Tag ändert. Dieses Mädchen lernt einen Teil der Welt kennen, den andere nie kennen lernen werden. Es wird vor Aufgaben und Tatsachen gestellt die unmöglich, unwirklich und unveränderbar erscheinen. Doch durch ihren Mut, ihre Zuversicht und ihr Vertrauen in andere und sich selbst stellt sie sich diesen Aufgaben und Tatsachen immer aufs Neue.

Sie riskiert alles. Ihr Leben ist eines von vielen Dingen. Doch dieses Leben bedeutet ihr nicht mehr viel. Den Grund warum meint sie zum jetzigen Zeitpunkt zu kennen. Doch der wahre Grund ist ein anderer als sie denkt. Tief in ihr liegt der Glaube daran.

Ihr Glaube an die große Liebe und die Liebe zu denjenigen, die einem wichtig sind. Denn ihr Leben bedeutet ihr doch noch etwas, auch wenn sie mehrmals daran zweifelt und zweifeln wird.

 

Es ist Nacht. Tiefste Nacht. Die dunkelste Stunde der Nacht und des Tages. Mitternacht ist vorbei und Wolken haben sich vor den Mond geschoben. Aus der erst völlig durchschnittlichen Julia wird eine Jugendliche, die lernt, dass das Leben so wie sie es kennt trotz der Höhen und Tiefen ganz normal erscheinen kann. Denn normal wird für sie ab diesem Zeitpunkt nichts mehr sein. Ihr Leben wird sich ändern und somit auch sie. Sie wird eine andere sein. Ein Mädchen, das an Dinge glaubt und darüber nachdenken wird, worüber andere nicht mal einen Augenblick ihres Lebens nachgedacht haben werden.

Auf der großen Straße in der Nähe von Julias Zuhause fährt ein Auto entlang. Keiner bemerkt es, denn alle schlafen. Nur sie nicht. Sie die Julias Leben für immer verändern werden.

 

„Julia. Julia aufwachen.“, flüsterte die Stimme.

„Wer ist da? Mama?“, fragte ich verschlafen.

„Ganz ruhig.“, antwortete die Stimme, „Dir wird nichts passieren. Pass auf, du darfst jetzt nicht schreien. Verstanden? Wenn deine Eltern nämlich wach werden, müssen wir sie töten.“

„Mmh.“, antwortete ich ängstlich. Auf einmal war ich hellwach. Wer ist das? Und was wollen die?

„Gut. Jemand wird dir gleich eine Hand vor den Mund halten, nur zur Sicherheit, und dir die Augen zuhalten, damit dich das Licht nicht blendet.“ Ich bekam Panik. Wer war da im meinem Zimmer? Und wieso sollte das Licht angemacht werden?

Ich spürte die kalte Hand an meinen Augen und am Mund. Erst zuckte ich zurück und bekam Angst,  doch dann hielt ich still.

„ So ist es gut“, meinte die Stimme. Ich hörte den Lichtschalter und eine wenig Licht drang durch die Ritzen zwischen den Fingern vor meinen Augen. „Jetzt wird ganz langsam die Hand vor deinen Augen verschwinden. Nicht erschrecken und auch nicht schreien.“, sagte die Stimme beruhigend. Schon entfernte sich ganz langsam die Hand vor meinen Augen.

Erst blendete mich das Licht etwas doch dann sah ich alles deutlich. Auch die Hand, die auf meinem Mund lag, war bereits verschwunden. Das was ich nun sah, ließ mich vor Schreck in die Ecke meines Bettes rutschen, die wie am weitesten von meinen Gegenübern entfernt war. Vor mir standen, wie ich es nie für möglich gehalten hätte, die Volturi und die Cullens. Ja genau, die Vampire aus den „twilight“ Romanen von Stephenie Meyer. Auf den ersten Blick erkannte ich Carlisle, Esme, Alice, Edward, Jasper  und Emmet, den inneren Kreis der Volturi ohne die Frauen sowie Jane, Alec, Demetri und Felix. Mein Zimmer kam mir auf einmal sehr klein und eng vor.

„Hallo“, sagte die Stimme, die die ganze Zeit schon mit mir gesprochen hatte und hinderte mich daran weiter über den Anblick, der sich mir bot, nachzudenken. Ich sah das es Aro war, der Anführer der Volturi. „Ich bin Aro“

„Man das weiß sie doch auch.“, erwiderte jemand anders. Ich blickte mich um und sah, dass es  Emmet war, der gesprochen hatte. Er lächelte mir zu als ich ihn ansah. Schüchtern blickte ich auf meine Bettdecke und fuhr die Linien nach. „Das kann doch alles nicht wahr sein. Das sind Figuren aus Büchern und Filmen. Bestimmt träume ich“, dachte ich und überlegte ob ich halluzinierte oder nur unter starkem Schafmangel leidete. Erschrocken fuhr ich zusammen als jemand sagte:

„Nein. Das hier ist kein Traum und du bildest dir das auch alles nicht nur ein.“ Verwirrt blickte ich auf und wurde rot, doch schon wurde mit klar wer auf meine Gedanken geantwortet hatte. Edward. Auch er lächelte mich an als ich ihn ansah.

„Wir wollen dir wirklich nichts tun“, sagte eine noch beruhigendere Stimme, als die von Aro, und gleich darauf setzte sich Jasper auf meine Bettkante. „Komm her. Wir müssen mit dir reden.“, fügte er hinzu. Doch ich rührte mich keinen Millimeter aus meiner Ecke. Da nahm ich eine weitere Bewegung war und erschrak. Fast hätte ich laut aufgeschrien, doch ich konnte mich gerade noch zurückhalten „Man bist du schreckhaft“, meinte Jane und setzte sich ebenfalls auf meine Bettkante und blickte mich an. „Los komm schon her, ich bin nicht so gemein wie es in den Büchern steht. Stimmt’s?“ Die anderen nickten zustimmend und bejahten es.

Ich halluzinierte eindeutig. Gerade die Vampire, die mit am gefährlichsten aus beiden Zirkeln waren, versuchten mich dazu zu überreden mich zu ihnen zu setzen. Das war eindeutig nicht normal. Naja, vielleicht träume ich auch. Diesmal antwortete mir keiner auf meine Gedanken.

„Los komm schon“, sagte Jasper nochmals. Er deutete auf den Platz neben sich ans Bettende. Alle blickten mich an. Schließlich gab ich mir einen Ruck und rutschte nach vorne. Ich setzte mich aber nicht dorthin, sondern zwischen Jasper und Jane. Zwar weiß ich selber nicht wieso ich das machte, aber es war, als wenn ich  magisch angezogen wurde, obwohl ich eigentlich Angst vor Jane gehabt haben müsste. Und vor Jasper ebenfalls.

„So ist es gut.“, sagte Jasper. Es blickten mich zwar jetzt alle verwirrt an, aber ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und fragte:

„Was wollt ihr von mir?“

„Naja, das ist eine lange Geschichte. Aber ich glaube, wir sollten erst mal dafür sorgen, dass du nicht noch mehr frierst.“, meinte Aro. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich total zitterte und am ganzen Körper eine Gänsehaut hatte.

„Steh auf und streck die Arme von dir weg. Esme?“, erklärte Alice, die sich schon meine Bettdecke geschnappt hatte. Schon war Esme bei mir. Ich stand bereits und tat was sie verlangte, denn der Befehl hatte mich so überrumpelt, dass ich sofort auf ihn reagierte. Ehe ich mich versah war ich in meine Bettdecke eingewickelt und hatte Mühe mich auf den Beinen zu halten, so eng war sie um mich geschlungen. Während Esme mich festhielt, fragte Alice wo eine Decke wäre. Ich deutete mit dem Kinn auf meinen Kleiderschrank, weil meine Arme auf einmal auch unter der Decke steckten, und sagt: „Im obersten Fach.“ Schon hielt Edward die Decke in der Hand und reichte sie ihr. Er hatte es natürlich schon in meinen Gedanken gelesen. Jetzt wurde ich auch noch in die Wolldecke eingewickelt und dann wurde ich plötzlich hochgehoben und lag auf meinem Sessel. Alice zog mir auch noch die Socken, die auf dem Hocker, lagen, an.

„Besser?“, erkundigte sie sich.

„Ja. Außer dass ich mich fast nicht mehr bewegen kann.“, antwortete ich. Alle lachten leise. Auch ich. Worum weiß ich nicht. Wahrscheinlich war ich so verwirrt, dass das einfach so kam.  

„Also was wollt ihr nun von mir?“, fragte ich nochmals.

„Bevor du das verstehen kannst, musst du erst mal die wohl einzige Legende von uns kennen.“, begann Aro. „ Vor langer Zeit als sogar Caius, Marcus und ich noch Menschen waren oder vielleicht sogar noch gar nicht gelebt haben, man weiß es nicht genau, gab es einen Jungen der genauso alt war wie du. Auch damals gab es schon Vampire und Werwölfe, aber die Werwölfe die Caius nachher ausrotten ließ.“ Ich warf Caius einen kurzen Blick zu doch Aro erzählte schon weiter, weshalb ich mich wieder auf ihn konzentrierte. „Dieser Junge wurde von einem Clan Vampire, nachdem er alt genug war, von seiner Familie getrennt und lebte bei ihnen. Diese Vampire wollten ihn als Vermittler zwischen Menschen, Vampiren und Werwölfen einsetzen. Allerdings sollte er spätesten an seinem 18 Geburtstag selbst eine Vampir werden, damit er auch bei Problemen, die Jahre später entständen könnten, helfen konnte. Am Anfang lief auch alles gut. Er verriet nicht das es Vampire und Werwölfe gab und auch die Werwölfe hatten nichts dagegen das er ein Vampir war. Doch irgendwann dachte der Junge, er könnte sich mehr Macht aneignen. Er drohte damit den Menschen zu verraten, dass es Vampire und Werwölfe gibt. Das konnten diese jedoch nicht zulassen und brachten ihn um.“ Ich zuckte kurz zusammen doch Aro erzählte ungerührt weiter: „Danach wurde immer erzählt, dass das Ganze nur eine Legende sei. Bis Alice eine Vision von dir hatte“ Ich blickte sie verwundert an und sie lächelte. „Sie sah dich wie du dich mit uns unterhalten würdest. Worüber wusste sie nicht. Aber dann hat sich Marcus gesagt, er habe sich an die Legende erinnert und überlegt, ob wir nicht in der jetzigen Situation mit den Werwölfen, ein oder eine Vermittlerin brauchen.“ Ich sah Marcus an und verstand nicht wieso ich in Alice Visionen aufgetaucht war.

„Also sind wir hierhergekommen um dich zu fragen ob du als Vermittlerin bei uns leben willst. Oder eher gesagt bei den Cullens. Bei uns wäre es als Mensch natürlich zu gefährlich. Du würdest dann auch mit spätestens 18 ein Vampir werden.“, erklärte er. Ich starrte ihn an, als hätte er gesagt, ich solle Bungeejumping ohne Seil machen und sagte stockend:

„ Aber wenn ich nicht will, dann muss ich … sterben. Oder? Schließlich habt ihr euch mir gezeigt und ich weiß jetzt, dass es Vampire gibt. Dann … bin ich … eine … eine Schwachstelle.“ Ich war den Tränen nahe, als ich so über meinen nahenden Tod nachdachte, und meine Stimme brach mehrmals ab.

„Naja da hast du nicht ganz unrecht aber du kannst es dir ja überlegen. Wir würden verstehen wenn du es nicht willst. Schließlich müsstest du deine Familie, deine Freunde und dein jetziges Leben aufgeben und unter Unseresgleichen leben und ein Vampir werden. Auch würden wir dir Bedenkzeit geben, damit du dir überlegen kannst ob du überhaupt eine Vermittlerin zwischen Menschen, Werwölfen und Vampiren sein willst. Du könntest natürlich auch ein normaler Vampir sein ohne irgendwelche Verpflichtungen.“, meinte Carlisle nach einem Blick zu Aro. Er sagte das so, als wenn er selbst nicht von der Idee begeistert wäre, mein Leben so rasch zu beenden.

„Wie lange hätte ich denn Zeit mich zu entscheiden?“, fragte ich. Caius und Marcus berührten Aro kurz und dieser antwortete dann:

„Wir würden dir bis zum letzten Ferientag zeitgeben. Dann würden wir wieder kommen und deine Entscheidung wissen wollen. Falls du dich aber schon eher entschieden haben solltest, wird immer ein Mitglied der Wache hier sein, dem du dann die Entscheidung auf einem Zettel, den du im Garten unter einen Stein, an eurem Teig legst, mitteilen kannst. Auch wird diese Wache dich vor anderen Vampiren die vorbei kommen beschützen und auch sonst dafür sorgen das dir nichts passiert.“

„Bis zum letzten Ferientag sind es fast noch zwei Monate, schließlich haben sie noch nicht mal begonnen. Außerdem fahren wir auch noch in den Urlaub nach Italien“, sagte ich zögerlich.

„Ja das wissen wir bereits, aber jetzt solltest du erst mal schlafen, schließlich musst du morgen oder eher gesagt heute zur Schule.“, meinte Aro. Keine 2  Sekunden später lag ich wieder in meinem Bett die Wolldecke war wieder im Schrank und Alice deckte mich zu.

 „Ich glaube nicht dass ich jetzt noch wieder einschlafen kann.“, sagte ich. Schon lag Jaspers Hand auf meiner Schultern dann hörte ich noch wie jemand „Gute Nacht“ sagte und war eingeschlafen.

 

2. Kapitel

 

Als ich am morgens aufwachte dachte ich erst das Ganze sei nur ein Traum gewesen. Doch was in den nächsten Tagen und Wochens passierte, führte mir vor Augen das alles Realität war. Ich hatte alles noch so vor Augen. Es musste wirklich passiert sein. Auf dem Nachhauseweg von der Schule fuhr ich mal wieder zu schnell um die Kurve. Mein Hinterreifen rutschte weg und in Gedanken sah ich mich schon auf dem Boden liegen. Doch wie durch ein Wunder wurde mein Rad leicht nach hinten gezogen, sodass ich langsamer wurde. Gleichzeitig drücke mich etwas nach links, damit ich nicht stürzte. Gerade noch einmal ließ sich der Sturz vermeiden. Sofort wurde mir bewusst, dass eine der Volturiwachen mich „gerettet“ hatte. Kurz hielt an um den Schock zu überwinden. Dann fuhr ich weiter. „Zum Glück ist es heute bewölkt, sonst hätte es ausgesehen als wäre ich von einer Discokugel zurückgezogen worden. Aber es hat wahrscheinlich eh keiner gesehen, sonst hätte er oder sie mich nicht vor dem Sturz bewahrt.“, dachte ich als ich bei uns auf den Hof fuhr. Meine Mutter und meine Großeltern bemerkten glücklicherweise nicht, dass ich noch etwas verwirrt war. Nach dem Essen ging ich in mein Zimmer und schrieb auf einen Zettel:

 

Danke

 

Dann legte ich ihn unter einen Stein am Teich. Ich hatte mich zwar noch nicht entschieden, ob ich ihr Angebot annehmen sollte, aber nächste Woche würden wir erst mal in den Urlaub fahren. Trotzdem dachte ich oft darüber nach und erinnerte mich an Carlisles Worte: „Schließlich müsstest du deine Familie, deine Freunde und dein jetziges Leben aufgeben und unter Unseresgleichen leben und ein Vampir werden.“ Ein Vampir werden. Dieser Satz verfolgte mich in den nächsten Tagen immer wieder und wenn ich gerade nichts zu tun hatte, erinnerte mich an den beinahe Fahrradunfall und das alles wirklich passiert war. Ich würde alles aufgeben müssen. Einfach alles. Mein Leben, meine Freunde und meine Familie. Obwohl ich mich noch nicht entschieden hatte, brannten sich die Worte quasi in mein Gehirn und jedes Mal wenn ich einen meiner Freunde oder Freundinnen sah oder jemanden aus meiner Familie mich ansah, wurde ich daran erinnert. Ich hatte das Gefühl mein Unterbewusstsein hatte sich schon längst entschieden, aber ich mich noch nicht. Vielleicht würde mir die Entscheidung in Italien leichter fallen. Schließlich fuhren wir auch nach Volterra. Der Stadt der Vampire, wo es ja, wie ich jetzt wusste, wirklich Vampire gab. Kurz beschlich mich Angst, dass wir getötet werden könnten. „Aber Heidi holt ja die Leute aus anderen Ländern und es weiß keiner von denen, dass sie in Volterra, geschweige denn in Italien, sind. Also besteht keine Gefahr.“, dachte ich. Bei meinem letzten Gedanken musste lachen. Eine Antwort auf meinen Zettel erhielt ich nie.

3. Kapitel

 

Volterra. Endlich waren wir in „der Stadt der Vampire“. Den ganzen Vormittag waren wir jetzt schon durch Volterra gegangen und hatten uns alles angeguckt. Auch in Montepulciano und Siena waren wir schon gewesen.  „Los komm lass uns doch diese Tour mitmachen. Bei dieser Hitze ist es in den alten Gemäuern bestimmt angenehm kühl.“, versuchte meine Mutter mich zu überreden an einer Gewölbetour teilzunehmen. Schließlich gab ich mich geschlagen. Sie waren ja wegen mir hier hergekommen. Also gönnte ich ihnen es auch. Obwohl der Führer ein Mann und keine Frau war, wurde ich das mulmige Gefühl in meiner Magengegend nicht los. „Irgendwas stimmt hier nicht.“, meinte eine Stimme in meinem Inneren. Doch schon schrie eine andere Stimme in mir: „Das bildest du dir alles nur ein“ Einbildung. Etwas worüber ich in den letzten Tagen und Wochen mit mir selbst gestritten hatte. Einerseits glaubte ich nicht an Vampire, aber dann waren da noch die unerklärlichen Dinge. Zum Beispiel wusste ich nicht wie das Unterbewusstsein einem Stimmen aus einem Traum oder einer Halluzination so genau wiedergeben kann. Außer das Ganze war kein Traum und andererseits gab es genug Beweise das alles wirklich passiert war. Einer dieser Beweise war, dass ich mich in letzter Zeit beobachtet und zugleich sicherer fühle.

„Let’s go Ladies and Gents. The journey starts now. The journey in the underground of Volterra.”, riss mich die Stimme des Touristenführers aus meinen Gedanken.

„Please follow me. Follow me to the gateway of the hell.”

,, Eingang zur Hölle - Tolle Beschreibung. Wenn der wüsste, wie er auf eine Art und Weis recht hat.“, mein Sarkasmus fing an mit mir durchzugehen aber ein bisschen mulmig war mir immer noch. Ich hatte durch meine Gedankengänge einen Teil seiner Rede verpasst, aber er wiederholte alles noch mal auf Deutsch: „Die Bewohner Volterras  lebten früher in dem Glauben, dass in einem dieser unterirdischen Gewölbe der Eingang zur Hölle liege. Also zu Satan selbst“

Ein älterer Mann neben mir meinte zu seiner Frau: „Oh, wie gruselig.“

Diese unterdrückte ein Lachen und ich war kurz davor laut aufzustöhnen. Die ganze Zeit über lachte sie schon leise vor sich hin und selbst ein böser Blick unseres Führers konnte sie nicht stillkriegen. Nach einem weiteren vernichtenden Blick setzte dieser seine Rede fort:

„Also, vielleicht begegnen wir ihm oder einem Vampir.“ Er ließ seinen Blick über die ganze Gruppe wandern, alle Deutschen lachten, und blieb bei mir hängen. Ich hatte das Gefühl er wolle mich gerade zu durchleuchten, nur weil ich über seinen Witz nicht gelacht hatte. „Das war jetzt aber echt lustig. Sogar Mama und Papa lachen. Sonst sind sie doch auch nicht so drauf.“, dachte ich wütend „Was passiert mit den Leuten hier unten nur?“ Der Mann öffnete den Eingang zu einem noch tiefer gelegen Teil. Langsam ließ ich mich zurückfallen. Mitten im Gewölbe sagte der Mann, er müsse noch etwas erledigen und seine Kollegin würde uns weiterführen. Sofort bekam ich Panik und versuchte meine Eltern zu überreden die Führung abzubrechen, aber sie wollten unbedingt weiter. Meine böse Vorahnung hatte sich also bestätigt. „Oh nein! Das ist Heidi´s Gabe. Sie sind schon total in ihren Bann gezogen.“, dachte ich erschrocken, „Wieso sie wohl bei mir nicht wirkt? Ach egal. Ich bin die einzige die noch normal ist. Ich muss sie retten“ Schon trat eine große dunkelhaarige Frau aus einem Seitengang und stellte sich als Heidi vor. Die Führung ging weiter. Plötzlich sah ich in einem Seitengang eine hünenhafte Gestalt stehen. Schnell ging ich zu ihr. Ich war mittlerweile ans Ende der Gruppe zurückgefallen. Zum Glück bemerkte niemand mein Fehlen.

„Felix.“, flüsterte ich.

„Was? Du? Was um alles in der Welt machst du hier?“, fragt die Gestalt mich und trat unter eine Fackel im Gang. Es war Felix.

„Meine Eltern wollten unbedingt eine Führung mitmachen. Ich konnte sie nicht aufhalten. Sie sind jetzt mit Heidi unterwegs. Aber irgendwie funktioniert ihre Gabe bei mir nicht und ich hatte eh schon so ein merkwürdiges Gefühl. Dann habe ich dich gesehen. Wir müssen sie retten.“, erklärte ich ihm schnell.

„Oh“, stöhnte Felix, „Los komm wir haben nicht viel Zeit.“ Schon rannten wir los. Er war zwar schneller als ich, lief aber die ganze Zeit neben mir her. Wahrscheinlich hatte er Angst, ein anderer Vampir könnte mich angreifen.

„Ahh! Hilfe! Nein!“, hörten wir die Schreie kurz vor der Tür. Ich wollte rein rennen, doch Felix hielt mich zurück.

„Du kannst da jetzt nicht rein. Warte noch ein wenig“, versuchte er mich zu beruhigen.

„Ich kann da jetzt nicht rein!? Ich will zu meinen Eltern. Wir müssen sie retten!“, schrie ich ihn an und versuchte mich loszureißen. Doch ich hatte gegen seine Stärke keine Chance. Was sollte das? Wieso unternahm er nichts? Waren ihm meine Eltern völlig egal? Da fing ich an zu schluchzen und zu weinen. Ein paar Minuten später löste er seinen Stahlgriff um meine Arme, öffnete die Tür und schob mich in den Saal.

4. Kapitel

 

“Julia? Was um alles in der Welt machst du hier?“ Felix was ist los?“, fragte Aro uns verwirrt, sobald wir in den Thronsaal traten.

„Wir haben ein Problem Aro. Julias Eltern wollten unbedingt an einer von den Gewölbetouren teilnehmen. Sie hatte zwar ein komisches Gefühl, hat sich aber nichts dabei gedacht. Erst als Giorgio Heidi die Führung fortsetzen ließ, ist sie nervös geworden. Ihre Eltern waren aber schon so in Heidis Bann gezogen das sie nichts machen konnte. Dann hat sie mich gesehen und mir alles erzählt. Aber als wir gerade vor der Tür standen hörten wir die Schreie.“, erklärte Felix. Ich fing wieder an zu weinen. Der Gedanke an diese schrecklichen Schreie erschreckte mich, wenn auch nur in Gedanken aufs Neue. Ich suchte in meinen Hosentaschen nach einem Taschentuch, fand aber keins. Felix reichte mir eins.

„Danke“, sagte ich und versuchte zu lächeln, aber es gelang mir nicht

„Keine Ursache“, erwiderte er. Meine Eltern waren tot, nur weil ich nicht aufgepasst hatte und weil ich zu langsam gewesen bin. Wie konnte so etwas nur passieren? Aro riss mich aus meinen Gedanken als er wieder zu sprechen begann.

„Das kann nicht wahr sein. Wieso hat es niemand  bemerkt, dass ihr Geruch an ihnen haftet? Was machen wir jetzt bloß? Julia es tut mir unendlich leid.“, brach es aus Aro heraus auch er hatte anscheinend keine Idee. Ich konnte einfach nichts sagen, ich stand zu sehr unter Schock.

„Kann ich sie sehen?“, fragte ich. Es war nur ein Flüstern und meine Stimme versagte mehrmals, weil immer wieder neue Tränen kamen. Ich hoffte, dass es ging. Ich wollte sie einfach noch mal sehen und mich von ihnen verabschieden.

„Julia ich glaube das ist keine so gute Idee.“, sagte Aro beschwichtigend.                

„Ich will sie aber sehen.“, ich versuchte meine Stimme stark klingen zu lassen. Doch der Versuch misslang.

„Ich weiß nicht“, dachte Aro nach.

„Bitte“, flehte ich ihn an.

„Na gut. Felix Demetri bringt sie hin“, stimmte er zögerlich zu.

Schon stand auch Demetri neben mir und bedeutete mir ihm zu folgen. Links von den Thronen der Volturi war eine Tür. Felix öffnete sie und ging hinein. Ich folgte ihm mit Demetri an meiner Seite. In diesem Raum war es nicht so hell wie im großen Saal. Nur zwei Fackeln an der Wand erleuchteten den Raum. Vor uns auf dem Boden lagen nebeneinander die Leichen der Menschen, die ich vor nicht mehr als 10 Minuten bei der Tour gesehen habe. Alles glückliche Leute die froh waren der Hitze zu entkommen und etwas über das unterirdische Volterra zu lernen. Sie sahen alle aus, als ob sie schliefen. Nur die Blässe ihrer Haut die bei so wenig Licht nicht richtig sichtbar war, deutete darauf hin, dass mit ihnen etwas nicht stimmte und bei genauerem Hinsehen bemerkte man auch die Bisswunden an der Halsschlag- und der Pulsader. Auch waren ihre Augen alle noch geöffnet, was für einen Außenstehenden wahrscheinlich am erschreckendsten war. Die Augen waren teilweise weit aufgerissen oder stark verdreht. So würde niemand schlafen können und doch schliefen sie alle. Für immer. Ich zuckte bei meinem Gedanken zusammen. Ein wenig rechts vom Eingang lagen meine Eltern. All das viel mir in nur 5 Sekunden auf. Sofort stürzte ich auf sie zu und ließ mich zwischen ihnen auf die Knie fallen. „Mama, Papa es tut mir so leid.“, meine Stimme brach ab und ich fing wieder an zu weinen. Ich dachte meine Tränen müssten längst aufgebraucht sein, doch anscheinend waren sie das noch nicht. „Julia komm mit. Aro hatte recht.“, sagte Demetri und versuchte mich hochzuziehen, aber ich klammerte mich an dem Arm meines Vaters fest. „Lasst mich in Ruhe ich will allein sein.“, schrie ich ihn an. Wahrscheinlich hätte er mich auch hochbekommen, doch sagte ihm irgendetwas in meinem Blick, dass das keine gute Idee wäre. Schließlich ließ er meinen Arm los und blickte Felix an, der richtig Tür deutete und beide verließen den Raum. Kaum war die Tür wieder geschlossen, drehte ich mich wieder zu meinen Eltern. „Es tut mir so leid. Ich wollte das nicht.“, begann ich wieder, doch ich konnte einfach nicht weitersprechen. Verzweifelt legte ich meinen Kopf auf die Brust von meinem Vater und blickte meiner Mutter in die Augen. Ich richtete mich wieder auf und schloss ihre und die Augen meines Vaters. Das war das einzige was ich noch für sie tun konnte, weil sie ja kein Begräbnis mehr haben können. Sie würden irgendwie beseitigt werden. Der Gedanke daran erschreckte mich doch gleichzeitig fasste ich einen Entschluss. Ich wollte nicht, dass jemandem das gleiche wie mir passierte, dass seine oder ihre Eltern getötet wurden. Das konnte ich nicht zulassen. Ich fasste den Entschluss den ich vielleicht später bereuen würde, aber vielleicht konnte ich so Menschenleben retten und das wollte ich. „Julia komm. Aro will mit dir reden.“, erschrocken fuhr ich zusammen. Ich hatte nicht mitbekommen das jemand hereingekommen war. Ich drehte mich um. Demetri stand in der Tür. Ich warf noch einen letzten Blick auf meine Eltern, küsste sie, ihre Lippen waren nicht so kalt wie ich vermutet hatte, und stand auf. Vor Demetri trat ich aus dem Raum. Neben ihm ging ich zu dem Podest und blieb davor stehen. Die Tür war bereits wieder geschlossen, sofort war mir klar, dass ich meine Eltern nun zum letzten Mal gesehen hatte. Trotzdem änderte ich nichts an meiner Meinung Menschenleben retten zu wollen. Ich blickte Aro an. „Julia es tut uns allen unendlich leid. Ich weiß nicht wie ich das wieder gutmachen könnte. Aber ich würde verstehen wenn du uns jetzt hasst und wenn du auch sterben willst. Ich sage das nicht gern, aber wir würden dir diesen Wunsch erfüllen.“, Aro klang immer noch erschüttert. „Ich will aber nicht sterben. Ich will weiterleben auch ohne meine Eltern. Wahrscheinlich denken manche, dass das so eingefädelt wurde, aber ich habe meine Entscheidung gefällt. Ich werde euer Angebot annehmen und Vermittlerin werden. Egal was manche Leute denken.“, erklärte ich ihm.

„Julia, du stehst unter Schock. Du solltest dir das nochmal genau überlegen. Denk doch mal darüber nach was du alles aufgeben musst.“, versuchte Aro meine Entscheidung zu ändern.

„Erstens ich stehe vielleicht unter Schock, trotzdem ist meine Entscheidung gefallen. Ich bin noch voll und ganz zurechnungsfähig.“ Alle gucken mich an, als wenn sie anderer Meinung wären, trotzdem ließ ich mich davon nicht beirren.  

„Zweitens habe ich es mir genau überlegt und drittens, glaubt ihr etwa ich würde mich töten lassen, obwohl es einen Ausweg gibt.“, erwiderte ich.

„Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit…“

„Was denn bitteschön? Entweder ich lebe weiter erst als Mensch, später als Vampir oder ich sterbe.“, schrie ich beinahe.

„Stefen komm bitte her.“ Neben Aro stand jetzt ein kleiner Mann mit blonden fransigen Haaren, der um die 30 sein müsste, als Mensch.

„Julia das ist Stefen, ein neues Mitglied unserer Wache.“, erklärte Aro „Einen hohen Rang kann der nicht haben, er hat nur einen grauen Umhang“, dachte ich als ich ihn musterte.

„Seine besondere Fähigkeit ist es das er vergessen lässt.“

„Wie vergessen?“

„Er kann die Gedanken einer jeweiligen Person auslöschen, das diese sich an nichts mehr erinnern kann, was jemals passiert ist. Stefen trainiert momentan daran nur bestimmte Gedanken auszulöschen, aber es funktioniert noch nicht so gut. Wenn du willst, kannst du solange warten, das er dich nur das vergessen lässt, was mit uns in Verbindung steht.“

„Das heißt er unterzieht seinem Gegenüber eine Gehirnwäsche?!“

„Nenn es wie du willst. Medizinisch gesehen würde man es Amnesie nennen. Das hört sich nicht ganz so brutal an. Also was ist, willst du?“

„Nein. Aro, ich sagte bereits meine Entscheidung steht fest und daran wird sich auch nichts mehr ändern. Selbst dann nicht wenn jemand meine Eltern wieder zum Leben erwecken könnte. Ich will nicht damit leben, dass wenn ich gewollt hätte, Menschenleben hätte retten zu können es aber nicht getan habe nur weil ich den … Leuten, euch, die meine Eltern töteten nicht helfen will.“

„Na gut. Aber lass es dir noch mal durch den Kopf gehen. Ich mache dir einen Vorschlag. Du kannst eine Weile, wenn du willst, bei uns wohnen bis du dir vollkommen sicher bist. Denk aber immer daran, wenn du dich wirklich dafür entscheidest ein seelenloses Monster zu sein, dass du deine Familie und dein Freunden nie wieder sehen kannst. Ein seelenloses Monster, denkt daran, du wirst Menschen und Tiere töten um Blut trinken zu können und um deinen Durst zu stillen.“

„Ich nehme das Angebot an, aber dein Versuch mir Angst zu machen ist gescheitert. Mir ist klar worauf ich mich einlasse und ich bin bereit die Konsequenten daraus zu ziehen.“

Aro stöhnte auf.

„Ok. Wir berufen für heute Abend eine Versammlung ein. Felix Demetri besorgt alles was sie braucht.“

Ich hatte gewonnen. Ich würde mein altes Leben aufgeben und ein neues beginnen. Der Gedanke erschreckte mich kurz, doch das ich Leben retten könnte, machte mich glücklich. „Zwei Leben sind schon verloren gegangen wegen mir, dass wird nicht noch mal passieren.“, schwor ich mir in Gedanken. Ich musste wieder an meine Eltern denken die jetzt tot im Nebenraum lagen, aber ich wusste, umso mehr ich vor aller Augen trauerte, umso schneller würde Aro sein Angebot zurück ziehen und dann müsste ich mich entscheiden. Tot oder so leben ohne irgendeine Erinnerung an das, was einem etwas bedeutet.Trauern würde ich später alleine. Die Tränen, die zuvor so stark geflossen waren, würden dann von selbst kommen. Nur durfte das nicht passieren wenn jemand dabei war.

„Julia los komm wir zeigen dir alles.“, störte mich Jane in meinen Gedanken. Alec hatte sich schon umgedreht und ging los. Schnell folgte ich ihm, Jane war schon an meiner Seite. Die beiden zeigten mir nun den ganzen unterirdischen Komplex der Volturi. Angefangen bei den Empfangshallen, einem großen Aufenthaltsraum, den Privaträumen der einzelnen Wachen und des inneren Zirkels und den Trainingsraum.

5. Kapitel

 

„Wo du schlafen wirst, wissen wir nicht, aber jetzt wirst du erst mal sehen wie wir trainieren.“, sagte Alec. Wir standen vor einer Flügeltür wie die des großen Saals. Allerdings war diese niedriger und aus dem Raum dahinter hörte man lautes Poltern, Lachen und Stöhnen. „Willkommen in unserem Trainingsraum.“, verkündete Jane und öffnete die Türen. Als man uns bemerkte, wurde es sofort still. Mehrere Augenpaare waren auf mich gerichtet und beäugten mich. Manche gingen in Angriffshaltung, doch als Alec und Jane ihnen böse Blicke zuwarfen richteten sie sich wieder auf. „Na toll. Ich dachte ich sei bleich wie ein Gespenst, deshalb würde ich nicht ganz so stark auffallen. Ist ja anscheinend nicht der Fall. Na gut, könnte auch daran liegen, das ich keinen Umhang trage oder sie haben mich gerochen. Bestimmt dachten die ich wäre eine entflohene Nachspeise, die gerade wiedergefunden wurde. “, dachte ich. Ich verkniff mir ein Lachen. Meinen Sarkasmus hatte ich wohl trotz des Schocks nicht verloren, aber er war stärker geworden. „Hallo. Das ist Julia. Ein Teil von euch müsste sie schon vom Sehen kennen und der andere müsste wenigsten wissen wer sie ist.“, sagte Jane und schob mich in den Raum. Also wussten anscheinend alle wer ich war  und die Reaktion von vorhin war bestimmt normal, wenn sie einen Menschen hier unten sahen. Doch trotzdem verschwand der fragende Gesichtsausdruck nicht aus ihren Gesichtern. Erst jetzt fiel mir auf, das wir wieder in einem Saal standen. Er hatte eine nicht ganz so hohe Kuppel wie der Thronsaal, war aber fast genauso groß, die Scheiben an der Decke waren getönt und an den Wenden steckten Fackeln. „Los komm, wir können uns da vorne hinsetzten.“, meinte Jane und ging auf ein Podium mit mehreren Sesseln und Sofas zu, das gegenüber der Tür lag. Ich folgte ihr und setze mich neben sie auf einen Sessel. Alec setzte sich auf meine andere Seite. Die anderen Vampire beobachteten mich und machten nicht damit weiter wobei wir sie zuvor gestört hatten. „Was macht sie hier? Macht sie nicht in Italien Urlaub?“, fragte einer der Vampire, er war groß und muskulös, aber trotzdem kein Vergleich zu Felix. „Ja. Das war auch eigentlich so geplant, aber dann kam etwas dazwischen.“, antwortete Alec und warf mir einen Blick zu. Ich schüttelte mit dem Kopf.

Sie würden es wahrscheinlich heute Abend sowieso erfahren.  Außerdem würde ich bestimmt wieder anfangen zu heulen wenn jemand davon sprach. Die Vampire warfen mir jetzt fragende Blicke zu. Auch ich fing nun meinerseits an sie zu mustern. Es waren 4 Frauen und 5 Männer ohne Jane, Alec und Felix und Demetri, die meine Sachen besorgten. Also musste die Leibwache aus mindestens 13 Mitgliedern bestehen plus die, die im großen Saal Wache standen und diejenigen, die die Frauen von Aro und Caius bewachten. Das wären dann insgesamt mindestens 21 Wachen. Die Vampire, die wir durch unser Eintreten unterbrachen, trugen keine Umhänge.

Anscheinend hatten sie mich genug betrachtet und wanden sich jetzt wieder sich selbst zu. Alec hatte sich bereits ihnen angeschlossen, nachdem er Jane einen fragenden Blick zu geworfen hatte, als brauche er ihre Erlaubnis. Das nahm ich aber nur am Rand war, weil ich mich auf die anderen Vampire konzentrierte. Dann bewegten sich sofort alle sehr schnell hin und her, sodass ich nur unscharf sah was sie machten. Alec konnte ich manchmal nur an seiner Größe und den kurzen Haaren ausmachen. Oft hörte man Fauchen, Stöhnen und Fluchen, wenn die ganze Erde bebte, lag einer von ihnen auf dem Boden.

„Was machen sie?“, fragte ich Jane. Kurz wurden die Bewegungen der Vampire langsamer doch dann wurde alles wieder unscharf.

„Sie kämpfen.“, antwortete Jane.

„Sie kämpfen? Ihr kämpft gegen euch selbst? Wieso das? Ich dachte, wenn ihr gegen andere Vampire kämpft dann Mithilfe eurer Fähigkeiten. Oder ihr müsst gar nicht kämpfen?“

„Ja, das stimmt. Sie kämpfen aber auch nur zum Spaß.“

„Nur zum Spaß?“

„Ja. Keine Sorge sie bringen sich nicht gegenseitig um.“ Mein Blick musste wohl sehr erschrocken ausgesehen haben.

„Ich erkläre es dir. Chelsea komm mal her“

Sofort stand eine Vampirfrau mit hellbraunen Haaren und einer Wespentaille vor uns.

„Julia das ist Chelsea. Chelsea Julia. Julia Chelsea.”, stellte Jane uns einander vor.

„Hi“, sagte ich schüchtern.

„Hallo. Jane was willst du?“, fragte Chelsea mit einem Gesichtsausdruck, als sei sie nicht begeistert aufgehalten worden zu sein,

„Julia möchte wissen wie ihr kämpft.“, erklärte Jane.

„Achso“, meinte Chelsea und guckte mich an. „Das  ist ganz einfach. Jeder von uns bekommt ein Band das er oder sie sich um den Hals bindet. Wenn man jemandem dann sein Band wegnimmt ist dieser tot, also ausgeschieden. Der Letzte der übrig bleibt hat gewonnen“

„Aber ist es dann nicht ungerecht, wenn jetzt zum Beispiel Alec mit seiner Gabe kämpft. Dann hat doch niemand eine Chance.“

„Ja, da hast du recht. Deswegen ist es ja auch verboten seine Gabe einzusetzen, aber es halten sich natürlich nicht alle daran.“, stimmte Chelsea zu und guckte Jane an.

„Wie soll ich denn sonst gegen Felix oder Demetri gewinnen? Schließlich bin ich keine Kämpferin.“, verteidigte diese sich.

„Gar nicht erst antreten.“, antwortete Chelsea und lachte auch ich musste lachen, allerdings über Jane Gesichtsausdruck.

„Sag mal, wie findest du uns gar nicht furchteinflößend? Schließlich haben wir deine Eltern umgebracht und sind die gefährlichsten Monster die es gibt.“, fragte Chelsea. Sie wusste also schon Bescheid. Ob alle anderen es auch schon wussten? Oder konnte sie Gedanken lesen. Ich wusste nicht welche Gabe sie hatte.

„Alles in Ordnung Julia? Du hast gerade so abwesend geguckt.“ Beide blickten mich besorgt an.

„Ja, ja. Alles bestens.“ Julia reiß dich zusammen. Sie dürfen nicht merken wie schlecht es dir geht. „Naja, ich bin wohl ja auch nicht gerade die Friedlichkeit in Person. Ich habe mich ja schließlich dazu entschieden der Menschheit den Rücken zuzukehren und werde irgendwann auch ein Monster sein.“ Ich versuchte überzeugend zu klingen, aber anscheinend hatten sie mich durchschaut. Beide schauten mich skeptisch an.

„Was ist? Ich habe mich entschieden und ich werde daran auch nichts ändern“

„Chelsea komm wir machen noch eine Runde“, rief einer der anderen. Alle blickten zu uns herüber. „Jane machst du auch mit?“

„Ne, ich setze heute aus“ Endlich war das Thema beendet. Hoffentlich denken sie ich bin nicht total fertig und erzählen es Aro.

„Du brauchst nicht wegen mir dir den Spaß verderben zu lassen.“, versuchte ich sie umzustimmen.

„Meinst du wirklich. Du siehst nicht gerade so aus, als wenn du alleine hier sitzen solltest.“

„Wie soll ich denn sonst aussehen? Ich habe gerade meine Eltern verloren. Soll ich hier etwa sitzen und mir einen ab Grinsen?“, schrie ich sie an.

„Ok. Aber sag Bescheid falls du was brauchst.“ Irgendwas in meinem Blick musste sie davon abgehalten haben noch etwas hinzuzufügen.

Na super. Die anderen gucken mich auch schon so komisch an. Das habe ich ja schon mal vergeigt. Jetzt wird sie oder einer der anderen es bestimmt Aro erzählen.

Doch Jane drehte sich um  ohne mir noch einen weiteren Blick zuzuwerfen und band sich ebenfalls einen roten Stoffstreifen um. Alle guckten mich noch kurz erschrocken an, doch dann ging das Spiel los. Zwar warf man mir ab und zu noch fragende Blicke zu, doch sobald ich zurück starrte, schauten sie schnell weg. „Na endlich. Jetzt muss ich jeden falls nicht die ganze Zeit so tun als wenn ich halbwegs ok wäre. Das stimmt nämlich nicht. Ich bin total fertig und will nur noch eins. Alleine sein und mich der Trauer und den Tränen hingeben. Den Kampf dagegen aufgeben und meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Doch das geht nicht, dann wäre alles umsonst gewesen und das darf es nicht sein. Ich hatte meinen Eltern und mir selbst ein Versprechen gegeben und ich würde es nicht brechen. Egal wie sie versuchen würden mich umzustimmen. Ich würde dieses Versprechen halten bis zu meinem Tod und darüber hinaus. Jeder ihrer Versuche wäre zwecklos. Meine Eltern würden nicht umsonst gestorben sein, egal wie ich mich bei den Folgen dieses Versprechens fühlen würde. Ich würde es halten. Egal was kommt.“, dachte ich. Melodramatisch wurde ich anscheinend auch noch – konnte man bei diesen Gedankengängen auch nicht ausschließen, wahrscheinlich.

Warum ich damals so gedacht habe, weiß ich nicht. Ich glaube ich habe mir damit selbst Mut zugeredet, damit ich die Fassade aufrecht erhielt, aber wie es sonst ausgegangen wäre weiß keiner und wird es auch niemals wissen. Meine Entscheidung war gefallen und ich würde sie nicht bereuen.

„Julia? Alles in Ordnung? Wir sind fertig. Kommst du? Felix und Demetri sind auch schon wieder da.“, Jane hatte mich aus meinen Gedanken gerissen. Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war.

„Ja, ja.“ Ich stand auf und folgte ihr. Sie sorgte dafür, dass wir einen Sicherheitsabstand zueinander hatten. Doch sobald wir aus dem Trainingsraum raus waren, ging sie dicht neben mir. Wahrscheinlich sollte niemand etwas davon bemerken. Alec war schon weg.

„Wo ist Alec?“

„Der ist schon vorgegangen. Ist bei dir alles in Ordnung? Du sahst vorhin so abwesend aus. Als wenn du gar nicht bekommen hast, dass wir fertig sind.“

„Klar alles super, soweit man das so nennen kann.“ Skeptisch sah sie mich an, ging dann aber zu einem anderen Thema über.

„Ich soll dich noch fragen was du essen willst. Gianna besorgt dann was.“

„Öhm, keine Ahnung. Ich habe nicht so richtig Hunger.“

„Du musst aber was essen. Schließlich soll es nachher nicht heißen, wir hätten uns nicht um dich gekümmert. Pizza? Oder hättest du lieber was anderes?“

„Nein, Pizza ist gut. Kann ich eine Margerita haben“, ließ ich mich umstimmen.

 „Klar wird gemacht.“

Wir gingen weiter, vor dem Thronsaal blieb Jane stehen. Sie hatte anscheinend keine Probleme damit sich meinem Tempo anzupassen oder sie versteckte es sehr gut.

„Geh schon mal rein ich komme gleich und sage Gianna das sie die Pizza besorgen soll. Alec müsste auch schon da sein.“

Schon war sie verschwunden und ich stand alleine da. 

6. Kapitel

 

Es war bestimmt schon nach sieben Uhr und das zweite Mal, dass ich an diesem Tag alleine war. Alleine unter Volterra. Irgendwie fühlte ich mich nicht wohl, obwohl ich eigentlich die ganze Zeit nur alleine sein wollte und ich hatte auch Angst davor alleine in den Thronsaal zu gehen. Reiß dich zusammen Julia. Es sind nur ein paar Vampire, die wollen, dass es dir gut geht. Ja, klar. Nur ein paar Vampiren, so jemandem begegnet man doch auch andauernd. Ist doch was ganz alltägliches. Mein Sarkasmus wurde immer stärker und fast hätte ich laut aufgelacht. So ist man wohl drauf, wenn man noch unter Schock steht. Ich atmete noch einmal tief durch und griff mit beiden Händen nach den Türgriffen. Ich hatte mir vorgestellt, dass die Türen total schwer zu öffnen seien und sie auch nicht leicht seien. Doch die beiden Türen ließen sich ganz leicht, wie die Türen bei mir zu Hause, öffnen. Sie waren natürlich nicht ganz so leicht, aber nicht so schwer ich mir es vorgestellt hatte. Irgendwie verwunderte mich das total. Alle Köpfe wandten sich zu mir. Ich merkte förmlich, wie ich rot wurde. Also senkte ich den Kopf etwas und ging schnell in den Saal. Gerade als ich die Türen wieder schließen wollte, hörte ich wie sie ins Schloss fielen. Die beiden Wachen hatten sie bereits geschlossen.

„Ah, Julia. Da bist du ja. Haben die beiden dir alles gezeigt?“, fragte Aro. Ich hob den Blick etwas.

„Ja. War total interessant.“ Anscheinend glaubte mir keiner. Wie sie mich alle anguckten, als wenn sie mich mit einem Röntgenblick durchleuchten wollten.

„Holt Jane dir schon was zu essen?“, lenkte Alec schnell vom Thema ab. Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu.

„Ja“

„Könnte mal jemand einen Stuhl und einen Tisch holen. Wie soll sie denn sonst essen?“ Alec war mir sofort sympathisch. Er sprach mich nicht auf meine Eltern an, worüber ich ihm sehr dankbar war, und er wollte anscheinend, dass ich den Umständen entsprechend normal behandelt wurde. Er selbst jedenfalls tat es. Er tat auch nicht so als wären meine Eltern gerade erst gestorben, sondern versuchte möglichst dieses Thema nicht anzusprechen. Das war mir schon während der Führung aufgefallen. Alle anderen standen nur da und guckten, als wollten sie ihr Beileid bekunden, es sich aber dann doch nicht trauten. Sofort rannte jetzt jemand los.

„Ach, das muss doch nicht sein. Ich kann mich auch einfach auf den Fußboden setzen.“ Doch schon stand mitten im Raum ein Tisch und Alec legte Messer und Gabel neben den Teller. Als ich mich immer noch keinen Millimeter rührte kam Alec auf mich zu.

„Los komm. Wir wollen schließlich nicht, dass es nachher heißt, wir wären nicht gastfreundlich.“

Doch ich rührte mich keinen Millimeter. „Wen von euch interessiert es schon, was andere von euch denken?“

Man hörte unterdrücktes Lachen, schließlich fingen alle an zu lachen.

„Da hast du schon recht. Aber mir wäre es trotzdem lieber. Also kommst du?“ Wiederwillig ließ ich mich mitziehen. Das Lachen war sofort verstummt. Merkwürdig Alec und Jane haben keine Probleme damit mich zu berühren oder mir nahe zu kommen. Wahrscheinlich alle Übung. Wie lange das bei mir als Vampir wohl dauern wird? Ich setzte mich und Alec schob den Stuhl näher an den Tisch. Auf dem Tisch lag eine weiße Tischdecke und darauf standen ein Glas, Messer und Gabel und ein Teller. Ich wusste nicht recht was ich davon halten sollte. Mitten in diesem Thronsaal saß ich nun, beäugt von mehreren Vampiren und wartete auf meine Pizza. Alec stand weiterhin neben mir und beobachtete mich wie alle anderen. Ich kam mir vor wie eine Schaufensterpuppe, die von allen angestarrt wird, nur das ich nicht irgendwas Tolles anhatte – Ganz im Gegenteil ich trug ein Sport-T-Shirt, eine kurze Hose und Wandersandalen. - Meine Sonnenbrille, die ich am Anfang der Führung abgenommen hatte, und mein Handy waren in meiner Hosentasche. Eine Sonnenbrille würde ich hier unten nicht brauchen und auf mein Handy könnte ich jetzt genauso gut verzichten. Wahrscheinlich gab es hier unten eh keinen Empfang und wer sollte schon was von mir wollen. Schließlich wusste ja keiner was los war. Ich verstand sie also nicht. Was sollte an mir so interessant sein mich Minuten lang anzustarren, aber wahrscheinlich sah man hier unten nicht so oft einen Menschen, der länger als eine halbe Stunde, mit der Tour, hier verbrachte und dann auch noch eine Pizza essen würde. Oder sie waren einfach neugierig wie ich so drauf war. Schließlich würde ich bald ihre Vermittlerin sein und nur Aro, Caius, Marcus und Alec kannten mich ein wenig, aber bei weitem nicht gut genug um viel über zu wissen. Jane, Felix und Demetri waren ja nicht da. Klare Dinge wie mein Geburtsdatum oder so konnten sie zwar kennen, aber auf keinen Fall konnten sie wissen wie ich in irgendeiner Situation reagieren würde.

Den Rest der Anwesenden kannte ich nur vom Kampftraining oder gar nicht. Felix und Demetri waren nirgends zu sehen und Jane holte meine Pizza. Anscheinend wusste von den anderen auch keiner so recht was er sagen sollte. Na super ein paar Vampire die kein Wort sagen. Ich stöhnte auf.

„Alles in Ordnung?“, fragte Alec sofort.

„Ja, ja.“, antwortete ich.

„Was habt ihr denn solange gemacht, dass ihr erst jetzt wiederkommt?“, wollte Aro wissen. Endlich brach jemand die Stille.

„Wir haben ihr erst alles gezeigt und sind dann in den Kampfsaal gegangen. Dort hat sie uns dann beim Kämpfen zugeschaut.“, erklärte Alec.

„Aber es war immer jemand bei ihr, oder?“

„Klar. Jane hat nicht mitgemacht.“ Anscheinend sollte Aro nicht mitbekommen das Jane doch mitgemacht hatte. Also hielt ich auch meinen Mund und sagte nichts dazu, wahrscheinlich wäre es dann sofort aufgeflogen. So schlecht wie ich in meinem Zustand lügen konnte… und ich hatte eh schon das Gefühl das alle hier einen eingebauten Lügendetektor besaßen. 

„Dann ist ja gut“

„Wo soll sie eigentlich schlafen?“

„Das müssen wir noch entscheiden. Hat es dir denn gefallen Julia? Ich hoffe sie haben sich ordentlich benommen und nicht angefangen sich gegenseitig anzuschreien. Nicht das du einen schlechten Eindruck von uns hast.“ Aro musste schmunzeln. Es erinnerte mich an Esme, als Bella das erste Mal beim Baseballspiel war. Nur das Aro nicht so etwas wie ein Vater für die Wachen ist. Er ist ihr Anführer. Trotzdem. Er wollte wahrscheinlich, dass ich keine Angst vor ihnen habe, obwohl die ja nicht ganz unberechtigt wäre.

Sie haben zwar meine Eltern umgebracht, aber trotzdem ich hatte mich entschieden und Angst wäre nicht gut bei meinem Vorhaben. Als ich wieder an meine Eltern dachte, hatte ich einen Klos im Hals, den ich schnell herunterschluckte. Weinen wäre jetzt nicht gut. Ich musste mich zusammenreißen.

„Ja es war super. Aber ich fand so furchteinflößend war es nicht. Auch wenn du das wahrscheinlich hoffst. Dir wäre es doch immer noch lieber ich würde das Angebot annehmen.“, konterte ich.

„Da hast du recht. Du könntest dann wenigsten, wenn du eine Vermittlerin sein willst, ein normales, solange man das jetzt noch so nennen kann, Leben führen. Mit deinen Freunden und deiner Familie  Spaß haben und du müsstest dir keine Gedanken darum machen, ob sie dein Verschwinden gut verkraften. Schließlich werden sie mit dem Tod deiner Eltern schon genug zu tun haben. Wenn dann auch noch deren Tochter verschwunden ist, wäre das für sie noch schwerer.“

„Hör sofort auf damit, mir ins Gewissen zu reden und meine Meinung ändern zu wollen. Ich habe mich entschieden und dabei bleibt es.“, schrie ich. Ich musste mich zusammen reißen um nicht loszuheulen.

„Ist ja gut Julia. Wir warten erst mal ab was jetzt passiert und dann sehen wir weiter. Ok?“, versuchte Alec mich zu beruhigen

„Abwarten?! Ich habe mich entschieden. Ich will meine Meinung nicht ändern.“ Und ich dachte er würde zu mir halten.

„Na gut. Belassen wir es vorerst dabei.“, meinte Aro.

Das Thema war damit vorerst beendet, denn Jane kam herein.

„Hier ist die Pizza. Tut mir leid hat ein bisschen länger gedauert, aber Gianna hat solange gebraucht.“, rief Jane als sie den Saal betrat. Ich drehte mich um. Es sah etwas absurd aus wie Jane herein kam. Den Pizzakarton in der rechten Hand, mit dem langen Umhang sah es aus, als ob sie durch die Gegend schweben würde, die roten Augen, die auf mich gerichtet waren und ihr Mund, der sich bei meinem Blick in ein Lächeln verwandelte. Jeder andere hätte bei diesem Auftritt gedacht er trete einem übernatürlichen Wesen gegenüber, was ja auch stimmte. Doch ich wusste, dass das bald Alltag für mich sein würde. Ich würde mich schon daran gewöhnen. Dann stellte ich mir Jane vor wie sie in die Pizza beißen würde. Bei dem Gedanken musste ich loslachen. Jane stand inzwischen vor mir und stellte die Pizza auf den Tisch. Sie und Alec wie wahrscheinlich alle anderen, ich hatte dafür im Moment keinen Blick, schauten mich verwirrt an. Alec legte den Arm um seine Schwester und fragte schließlich: „Was ist denn so lustig? Oder willst du es uns nicht sagen?“ Anscheinen war er nicht sauer das ich ihn vorhin so angeschrien hatte.

„Doch klar.“ Ich fing wieder an zu Lachen. Auf einmal hatte ich meine Eltern total vergessen. „Es ist nur, ich habe mir gerade vorgestellt wie Jane in einen Raum geht mit einer Pizzaschachtel in der Hand und was die Leute in dem Raum wohl denken würden. Sie würden sie bestimmt für ein übernatürliches Wesen halten und wie die Leute erst gucken würden, wenn sich Jane dann ein Pizzastück in den Mund schieben würde.“

„Ja da hast du nicht ganz unrecht. Das wäre bestimmt ein lustiger Anblick.“, stimmte Alec mir zu und fing auch an zu lachen. Irgendwas in seinem Lachen und wie die anderen mich anguckten störte mich. Sie sahen mich alle so komisch an als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Vielleicht verstanden sie aber auch nicht wie ich so kurz nach dem Tod meiner Eltern lachen konnte. Ich verstand es selbst auch nicht.

„Ich glaube du solltest jetzt mal anfangen zu essen. Sonst ist deine Pizza gleich kalt.“, meinte Jane. Statt einer Antwort nahm ich mir ein Stück und biss hinein.

„Und schmeckt es?“, fragte Alec.

„Mmh“, machte ich mit vollem Mund. Auf Alecs Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Entweder hatte Alec hatte Stimmungsschwankungen, so wie er mich in den letzten halben Stunde behandelt hatte, oder ich verstand ihn einfach nicht. In einem Moment versucht er mich zu beruhigen, dann schreie ich ihn an und er ist trotzdem nicht sauer auf mich. Kurz darauf habe ich das Gefühl, er denkt ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank und dann lacht er und ist so glücklich, dass mir die Pizza schmeckt. Ich verstand den Jungen nicht. Er benahm sich als wenn er wollte, dass es mir gut ging und er hielt mich wahrscheinlich für verrückt, oder er schob mein Verhalten auf den Schock und versuchte mich normal zu behandeln. Gleichzeitig dachte ich, er wolle nicht, dass ich ihn nicht mag, aber das könnte ihm doch eigentlich egal sein. Außer… keine Ahnung mir fiel nichts ein.

Schweigend aß ich weiter meine Pizza und dachte nicht weiter darüber nach. Vielleicht würde ich ihn irgendwann verstehen. Zwischendurch ließ ich meinen Blick durch den Saal wandern. Das Licht, das durch die Fenster fiel, war jetzt rötlich und ließ die Vampire noch unnatürlicher erscheinen. Ihre Augen leuchteten durch das rote Licht noch mehr.

„Hast du noch mehr Hunger? Sollen wir noch eine Pizza holen oder reicht das?“, fragte Alec nachdem ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte. Er hörte sich sehr fürsorglich an, aber ich befahl mir, nicht weiter über seine Art nachzudenken.

„Nein. Ich bin total satt. Ich glaube nicht das ich in den nächsten Stunden irgendwas in mich rein bekomme.“ Das stimmte auch. Die Pizza war riesig gewesen, aber ich wusste nicht wie sie reagieren würden, wenn ich etwas übrig ließe. Vielleicht hätten sie das auch als unhöflich empfunden. Ich wusste nicht, wie die Sitten zu der Zeit als sie als Menschen gelebt hatten, waren.

„Das ist gut.“, meinte Jane und ich sah wie sie und ein paar andere Vampire über meine Worte lächelten. Im selben Moment hörte ich wie die Tür aufging. Ich drehte mich um und sah wie Felix und Demetri mit drei Koffern, zwei Wanderrucksäcken, zwei großen Taschen, einem weiteren Rucksack und einer Taschen hereinkamen. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass die Sachen mir und meinen Eltern gehörten. Die beiden mussten sie aus unserem Hotelzimmer geholt haben.

„Entschuldigung. Wir hatten etwas vergessen und sind noch mal zurück. Wir wussten nicht wo die Sachen hinsollten.“, erklärte Demetri rasch und an mich gewandt meinte er: „Wir haben alle Sachen hergeholt. Auch die deiner Eltern. Wir waren uns nicht sicher, ob die sie vielleicht haben willst.“

„Öhm, danke.“, brachte ich nur hervor und hoffte sie hatten sich die Sachen nicht so genau angesehen. Sonst machen sie sich vielleicht über irgendwas lustig von den Sachen, die ich mit in den Urlaub genommen habe. Plötzlich fiel mir noch etwas ein „Was habt ihr denn den Leuten an der Rezeption erzählt als ihr die Sachen mitgenommen habt?“, fragte ich.

„Wir haben gesagt, dass du und deine Eltern an einer Tour teilnehmen werden und dass ihr dafür eure Sachen braucht. Du brauchst dir keine Gedanken machen, dass uns jemand wiedererkennen könnte. Wir haben uns verkleidet“, antwortete Felix. Ich hatte keine Zeit mehr länger darüber nachzudenken denn Aro erklärte Felix und Demetri bereits wo ich schlafen würde:

„… im westlichen Trakt auf dieser Etage. Im Gang zwischen der Galerie und weiter geradeaus geht es zur Halle. Die anderen Räume sind alle leer. Es ist der einzige mit elektrischem Licht und dahinter gibt es ein Badezimmer. Dort hatte Gianna ihr Büro.“

Halle? Galerie? Giannas Büro? Ich verstand nur Bahnhof.

„Ja, ich weiß welches du meinst. Steht denn da überhaupt ein Bett und ein Schrank?“, antwortete Demetri.

„Eigentlich müsste alles da sein. Wenn nicht, kommt nochmal her.“, meinte Aro

„Ok. Komm Julia wir zeigen dir dein Zimmer.“, sagte Felix zu mir. Statt einem Kommentar warf ich mir meinen Rucksack über die Schulter. Felix und Demetri hatten bereits den Rest genommen.

„Wenn du dich kurz ausruhen willst, ist das in Ordnung. Komm aber bitte nachher noch mal her wegen der Versammlung.“, sagte Aro.

„Klar mach ich.“, rief ich ihm noch zu und rannte Felix und Demetri, die bereits auf dem Gang standen hinterher. Wenn die beiden mich kurz im Zimmer alleine lassen würden, könnte ich mich auf meine letzte schauspielerische Leistung an diesem Tag vorbereiten. Durch mehrere Gänge folgte ich ihnen durch Labyrinth aus Gängen, Abzweigungen und Kreuzungen. Die Gänge wurden nur von Fackeln an den Wänden erhellt und ich hoffte mich nicht, wenn ich alleine hier unten unterwegs war, zu verlaufen. Schließlich blieben wir vor einer Tür auf der linken Seite des Ganges stehen. Felix und Demetri hatten auf dem ganzen Weg kein Wort gesagt, aber aus Felix Gegrummel schloss ich, dass er sich selten mit menschlicher Geschwindigkeit bewegte.

„Da wären wir. Das ist dein Zimmer.“, sagte Demetri und öffnete die Tür. Beide blieben vor der offenen Tür stehen. Ich schnappe mir einen der Koffer und zog ihn hinter mir ins Zimmer. Mit der Hand fuhr ich an der Wand entlang und fand schließlich an der rechten Seite einen Lichtschalter. Geblendet von dem Licht, blinzelte ich kurz und ging schließlich weiter in den Raum und blieb in der Mitte stehen. Felix und Demetri waren endlich eingetreten und kamen sich irgendwie fehl am Platz vor. Ich blickte mich im Zimmer um. Gegenüber der Tür stand eine Kommode und eine Tür führte wahrscheinlich in das vorher erwähnte Bad. An der rechten Wand stand ein alter dunkelbrauner Holzschrank mit vielen Verschnörkelungen und Blumen an den beiden Türen. An Wand neben der Tür stand ein Bett derselben Holzart allerdings ohne Verschnörkelungen. Nur die Füße sahen wie Tatzen irgendeines Tieres aus. Zuletzt fiel mein Blick auf die linke Seite des Raumes. Dort standen um einen schmiedeeisernen Tisch mit einer Mosaik Tischplatte drei schmiedeeiserne Stühle mit dicken beigen Sitzkissen. Von der Decke hing ein alter Kronleuchter, der den ganzen Raum erhellte. Selbst die grau- schwarzen Wände wirkten in dem Licht nicht mehr ganz so düster. Der Raum war zweckmäßig und gleichzeitig sehr nobel eingerichtet. Das war nun mein neues Zuhause. Es gefiel mir auf Anhieb sofort.

„Und wie findest du es?“, fragt mich Felix.

„Es ist toll. Echt. Mir gefällt es.“, antwortete ich.

Felix und Demetri atmeten erleichtert auf. Sie hatten sich wohl Gedanken gemacht was ich von dem Raum halten würde.

„Wir lassen dich dann kurz alleine um dich frisch machen zu können und dich auszuruhen. Komm einfach raus, wenn du was brauchst.“, sagte Felix und beide verließen den Raum. Demetri schloss leise hinter sich die Tür.

Ich atmete aus und mein Blick richtet sich auf die Koffer, Taschen und Rucksäcke, die mitten im Raum standen. Sollte ich mich umziehen. Ich wusste es nicht. Beim Anblick der Koffer musste ich wieder an meine Eltern denken. Schnell ging ich ins Bad und versuchte die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Ich schlug die Tür hinter mir zu und ließ mich erschöpft auf den Klodeckel sinken. Unter der Tür fiel ein Lichtstrahl aus dem anderen Zimmer durch. Keuchend atmete ich ein und aus und versuchte die Tränen aufzuhalten. Trotzdem wurde mein Blick verschwommen und ich hoffte, dass Demetri und Felix nicht herkommen würden um nach mir zu sehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich vergessen hatte das Licht anzuschalten. Ich stand auf und tastete mich zur Tür vor. Als das Licht anging, wurde ich geblendet und blinzelte um meine Augen an die Helligkeit zu gewöhnen. Nach kurzer Zeit blendete das Licht nicht mehr und ich nahm das Bad in Augenschein. Links neben der Tür stand ein kleiner Schrank, daneben das Waschbecken mit einem Spiegel. Die Wand gegenüber der Tür bestand aus einem großen Spiegel und an der rechten Wand waren die Dusche und die Toilette. Alles, die Schränke neben dem Waschbecken und die Wände eingeschlossen, war in Weiß und ziemlich neu. Die Fließen an den Wänden und auf dem Fußboden waren wie ein Mosaik angeordnet und nicht dunkler als hellgrau. Ich ging zum Waschbecken und spritzte mir Wasser ins Gesicht. Dann trank ich ein paar Schlucke und atmete tief durch. „Vergiss deine Eltern. Sie dürfen nicht erfahren wie sehr du leidest. Reiß dich zusammen.“, sagte ich mir. Ich ging zur Tür atmete noch einmal tief ein und ging zurück ins Schlafzimmer. Alles stand noch unberührt da und keiner der beiden war da. Zum Glück. Ich kniete mich vor die Koffer und öffnete den ersten. Oben im Koffer lagen Oberteile meiner Eltern. Ein-atmen und ausatmen. Julia, du schaffst das. Ich schloss die Augen, atmete aus und öffnete ihn wieder. Dann legte ich die Oberteile beiseite und wühlte mich durch den Koffer. Nichts. Meine Kulturtasche musste im anderen Koffer sein. Ich machte den anderen auf. Gleich obendrauf lagen unsere Kulturtaschen. Ich nahm mir meine und versuchte nicht zu sehr auf die Sachen meiner Eltern zu achten. Schnell ging ich wieder ins Bad und öffnete die Tasche. Ich holte Zahnbürste und Zahnpasta heraus.    -Hoffentlich habe ich noch genug Zeit. Jederzeit können Demetri und Felix wieder reinkommen.- Ich drückte Zahnpaste auf die Bürste, hielt sie kurz unter den Wasserhahn auf fing an mir die Zähne zu putzen. Möglichst schnell und gründlich. Danach spritzte ich mir noch Wasser ins Gesicht. Zu guter Letzt entschloss ich mich noch einen Blick in den Spiegel zu werfen. Entgegen blickten mir blau-graue Augen in einem blassen Gesicht. Das Mädchen gegenüber hatte verweinte Augen. Ihre Kleidung war der einzige bunte Fleck im hellen Bad. Die Haare waren zerzaust und mehrere Strähnen hatten sich aus dem Zopf gelöst. Kein Wunder das die mir nicht trauen, dachte ich erschrocken. Ich ging wie-der ins Schlafzimmer, suchte mir ein paar Chucks aus der Tasche und rannte wieder ins Bad. Beim Versuch mir die Haare zu bürsten, stöhnte ich genervt auf. –Alles verknotet. Ich hätte mir sie doch abschneiden lassen sollen. Na egal.- Auf den Zopf verzichtete ich und ließ meine Haare offen. Lang, in mehreren Blondtönen und leicht gelockt, fielen sie mir über den Rücken. Einen Teil legte ich über die Schulter um mein Gesicht zu verdecken. Schnell schlüpfte ich aus den Sandalen und zog die Chucks an. Für Socken war wahrscheinlich keine Zeit mehr. Zwar hatte ich eine Gänsehaut an Armen und Beinen aber mich umziehen, wollte ich nicht. Das würde wohl so gehen. Der Blick in den Spiegel zeigte mir, dass ich zwar immer noch schlecht aussah, aber auf jeden Fall besser als vorher. Um Felix und Demetri nicht noch länger warten zu lassen, ging ich ins andere Zimmer und öffnete die Tür.

„Ich bin fertig“, sagte ich und schloss die Tür hinter mir.

„Gut“, meinte Felix und ging los.

Habe ich zu lange gebraucht? Schweigend gingen wir weiter. Diesmal versuchte ich mir den Weg genau einzuprägen. Als wir schließlich auf die Tür des großen Saals zugingen, war ich mir ziemlich sicher, dass ich mit ein paar Überlegungen allein zu meinem Zimmer zurückfinden könnte. Felix öffnete die Tür.

7. Kapitel

 

Als ich in den Saal trat, sahen mich alle sofort an. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Einen Großteil der Volturi kannte mich zum Glück schon aus dem Trainingssaal. Felix war inzwischen neben mich getreten und Demetri schloss die Tür. Er bedeutete mir weiter zu gehen. Zögernd ging ich auf das Podest zu. Aro, Marcus und Caius beobachteten alles von ihren Thronen aus. Sofort teilte sich die Menge und Aro lächelte mir zu. Ich ging weiter. Meine Befürchtung, dass viele der Volturi sich hinkauern und mich anknurren würden, erfüllte sich nicht. Eher sahen mich alle interessiert an, als versuchten sie in meinen Kopf zu gucken. „Bestimmt wollen sie wissen, warum ich bisher noch nicht schreiend davon gelaufen bin.“ Als ich weiter ging stellte ich  mir vor, wie das ganze wohl von oben aussieht und was ein Zuschauer wohl denken würde. Eine Menschenmenge in schwarzen Umhängen. Getrennt durch einen Gang, durch den ein Mädchen geht. „Julia hör auf dir solch einen Schwachsinn auszudenken.“, sagte ich mir, „du bist doch nicht verrückt“ Erst jetzt bemerkte ich das rechts in der vordersten Reihe Jane und Alec standen. Ohne, dass ich es bemerkt hatte, war ich zögernd stehengeblieben. Jane lächelte mir aufmunternd zu und ich ging weiter. Ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken wie die Vampire auf Aros Ansprache aufnehmen würden, denn schon war ich am unteren Teil des Podests angekommen und Aro bedeutete mir hinaufzukommen. Falls das die Wachen verwirrte ließen sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Vielleicht guckten sie entsetzt, aber das konnte ich nicht sehen. Oben angekommen, stand Aro von seinem Thron auf und blickte nach unten zu den Wachen. Zögernd drehte ich mich auch um. Ihre Gesichter zeigten keine Gefühlsregung und auch Marcus und Caius zeigten sich nicht sehr interessiert. Die beiden wussten aber bestimmt schon was Aro gleich sagen würde. Der für mich gebildete Gang zwischen den Wachen hatte sich inzwischen geschlossen und als Aro anfing zu reden, fiel mir auf, dass er die gesamte Aufmerksamkeit seiner Leute hatte, auch wenn alle vollkommen gleichgültig guckten.

„Ihr wisst bestimmt schon alle warum ich euch zu einer Versammlung zusammen rief und wer dieses reizende Mädchen neben mir ist.“ Er deutete auf mich. Am liebsten wäre ich schon wieder im Erdboden versunken. Aber außer ein paar Blicken bekam ich zum Glück nicht viel Beachtung. „Heute hat sich ein Zwischenfall ereignet, der nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Falls es tatsächlich noch irgendwen unter euch gibt, der nicht weiß was ich meine, möchte ich ihn bitten Fragen auf später zu verschieben.“ Anscheinend wollte er nicht wenn ich in der Nähe war über den Tod meiner Eltern sprechen. Ich riss mich zusammen um keine allzu große Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und hörte ihm weiter zu. „Aus diesem Grund möchte ich euch bitten Julia nett zu behandeln und ihr zu helfen, wenn sie euch darum bittet. Wenn ihr auch nur wenig wehgetan wird – egal ob körperlich oder seelisch – werde dich denjenigen sofort töten. Auch wenn ich mitkriege das nur daran gedacht wird ihr irgendwie zu schaden oder der Versuch unternommen wird, stirbt der- oder diejenige sofort. Ihr werdet euch von Julia verhalten soweit es möglich ist. Sollte sich auch nur einer von euch nicht an das eben von mir gesagte halten, bin ich auch bereit ihn oder sie vorher von Jane Schmerzen zuzufügen zu lassen. Diese Regeln gelten Julias gesamten Aufenthalt bei uns bis sie eine von uns ist.“ Töten nur wenn sie mir zu nahe kommen? Oder falls sie mir weh tun? Wahrscheinlich selbst wenn das Ganze ein Unfall ist. Ich hatte nichts gegen Aros Sicherheitsvorkehrungen aber einen Aufenthalt bei ihnen würde ich wohl nicht ohne Probleme haben. Keiner beschwerte sich über diese Ansage, aber sie fürchteten den Tod wohl zu sehr auch wenn sie noch so gute Talente hatten, zweifelten sich nicht daran das Aro seine Drohung wahr machen würde. Also würde ich wohl etwas gegen diese Vorkehrungen sagen müssen.

„Ich finde ohne irgendwelche Probleme werde ich hier wohl nicht leben können und falls ich mich -tatsächlich verletzen sollte und irgendwer auf mich los stürmt, ist das wohl eher meine als seine oder ihre Schuld. Man sollte ihn nicht einfach deswegen töten. Das wäre nicht richtig.“ Alle starrten mich an als ich geendet hatte.

„Julia es geht hier einzig und allein um deine Sicherheit. Ich möchte nicht, dass dir irgendetwas passiert. Diese Vorkehrungen sind nur zu deinem Schutz.“ Mir war klar, dass er dagegen angehen würde, aber ich wollte nicht vollkommen abgeschottet hier leben.

„Trotzdem können Unfälle passieren. Du willst doch bestimmt, dass mich die anderen Vampire akzeptieren. Wie willst du das erreichen, wenn du mich von ihnen abschottest und so tust als wenn ich ihn einem gläsernen Käfig leben soll damit mir ja nichts passiert. Das macht die Sache auch nicht einfacher.“

„Julia, du hast innerhalb der letzten Stunden sehr viel durchgemacht. Ich möchte nicht, dass du noch mehr leiden musst. Akzeptiere diese Vorkehrungen.“ Langsam wurde Aro sauer, aber das war mir egal. Ich würde nicht zulassen vollkommen abgeschirmt meinen Aufenthalt hier zu verbringen.

„So strikt wie die Vorkehrungen sind, kann ich das nicht akzeptieren. Falls du irgendwen von ihnen umbringst, nur weil ich mich geschnitten habe und einer von ihnen auf mich zuspringt, werde ich mich die ganze Zeit für seinen Tod verantwortlich fühlen. Dann werde ich erst recht leiden.“ Ich meinte zu hören wie mehrere der Wachen die Luft einsogen. Anscheinend hatte es noch niemand gewagt so mit ihm zu reden. Bis dahin hatte ich fast vergessen, dass ich ihn hier vor seinen Leuten mich über ihn aufregte. Leichte Panik wallte in mir auf, ob er mich jetzt dafür bestrafen würde.

„Du hast ja recht Julia. Aber ein paar Sicherheitsvorkehrungen müssen sein. Auf jeden Fall wird dich Alec, Jane, Felix oder Demetri immer begleiten.“ Entsetzt riss ich die Augen auf. Bodyguards, das wurde ja immer besser. Wenn Jane bei mir war, würde sich bestimmt keiner mehr in meine Nähe wagen. Aro versuchte mich zu beschwichtigen, als er den entsetzten Ausdruck in meinem Gesicht sah: „Das ist nur für deine Sicherheit. Ich verspreche dir auch niemanden umzubringen. Aber falls du bei einem Unfall wie du es nennst umkommst, weiß ich nicht ob ich dieses Versprechen halten kann. Aber wenn ja, werde ich niemanden aufhalten der versucht dich zu rächen.“ Er sah mich an und warf einen kurzen Blick auf Alec. Er würde doch nicht jemanden wegen mir umbringen. Oder doch? Ich sah ihn an und sein Gesicht sprach Bände. Er würde es tun. Aber warum? Ich würde ihn später fragen.

„Ich will aber keine Leute, die auf mich aufpassen die ganze Zeit. Ich würde mir beobachtet vorkommen.“, unternahm ich einen neuen Versuch.

Aro stöhnte auf.

„Wir könnten es doch erst mal ohne Aufpasser ausprobieren.“, schlug Caius vor. Hatte er etwa keine Angst, dass ich starb oder war ihm das egal. Ich verstand ihn nicht. Aro sah ihn böse an und sah dann zu mir. Stumm bat ich ihn.

„Nur drei Tage und bei auch nur einer Kleinigkeit war`s das und du bekommst Aufpasser.“, gab Aro sich geschlagen.

„Danke“, antwortete ich und bemerkte ein funkeln in seinen Augen das mich nachdenklich stimmte. Würde er sein Versprechen halten? Ich bemerkte wie entsetzt und verärgert Jane, Felix, Demetri und Alec guckten. Also meinte er es ernst. Hoffentlich kamen aber die vier nicht auf die Idee selbst Aufpasser zu spielen. Besonders bei Alec würde es mich nicht wundern.

Die anderen Vampire nahmen das Ende der Versammlung mit Gleichgültigkeit hin. Anscheinend war ihnen meine Sicherheit egal.

„Julia komm bitte einmal her.“, sprach Aro mich an. Was will er? Er und Marcus sehen mich so komisch an. Viele der Vampire hatten den Saal bereits verlassen, doch die noch anwesenden drehten sich fragend zum Podest um.

„Was ist denn Aro?“, fragte ich ihn.

„Könntest du mir bitte deine Hand reichen?“ Ich reichte sie ihm und erst da fiel mir ein, dass er nun alles was ich je gedacht habe, sehen würde. „Jetzt wird er wollen, dass ich sofort abreise, wenn er alles sieht“

Gebannt schaute ich ihm zu, wie er meine Hand mit seinen umfasste und sich konzentrierte. Auch Caius kam nun zu uns herüber. Aro hob den Blick und sah mich an. Sein Blick durchbohrte mich

förmlich und ich sah weg. Dann ließ er meine Hand los.

„Was ist los?“, fragte ich ihn. Er sah mich die ganze Zeit komisch an.

„Deine Gedanken, ich kann sie nicht lesen und Marcus kann keine deiner Beziehungen fühlen. Aber Edward konnte deine Gedanken lesen.“, antwortete er

Edward kann meine Gedanken lesen und ihre Fähigkeiten wirken bei mir nicht? Wie kann das angehen.

„Wieso ist das so? Stimmt irgendwas mit mir nicht?“

„Nein, nein. Das glaube ich nicht das muss deine Gabe sein. Wenn du dich uns jetzt schon wiedersetzt, wie wird dein Schutzschild erst sein, wenn du ein Vampir bist?“ Ich merkte wie er überlegte, wie ich ihm von Nutzen sein könnte.

„Das wird sich ja dann zeigen. Vielleicht ist ihr Schild gar nicht so stark.“, mischte Alec sich ein. Ihm gefiel der Gedanke wohl nicht, mich als Aros Wache zu sehen.

„Ja… ja. Natürlich du hast recht. Das ist erst mal vollkommen unwichtig.“, Aro merkte das er gerade etwas in meiner Gegenwart gesagt hatte, dass ich nicht mitbekommen sollte. „Julia du bist bestimmt schon müde. Alec bring sie doch bitte auf ihr Zimmer. Morgen früh wird dann dich jemand abholen“ Aro wollte mich anscheinend loswerden um über mein Schutzschild nachdenken zu können und die letzte Satz lautete wohl so viel wie „Komm ja auf die Idee alleine dich hier bei Nacht rumzurennen“. Sollte ich morgen etwa doch Aufpasser vor meinen Tür vorfinden? Ich ging vom Podest runter und fast alle wünschten mir eine gute Nacht. Aro war so in Gedanken versunken, das er es vergas und Caius und Marcus waren bereits verschwunden. Schweigend ging ich neben Alec zu meinem Zimmer. Den Weg hätte ich auch allein gefunden. Aber so musste ich nicht so sehr aufpassen wo wir abbogen und konnte über mein angebliches Schutzschild nachdenken. Edward konnte meine Gedanken lesen und auch Jasper wusste, was ich fühle als sie bei mir im Zimmer waren. Das hatte Aro vergessen. Aros und Marcus Fähigkeiten wirkten bei mir nicht. Alle ihre Fähigkeiten wirkten im Kopf. Also müssten alle funktionieren. Ich überlegte hin und her, kam aber nur zu dem Schluss, dass irgendwas mit mir nicht stimmte. Erst als wir bei meinem Zimmer angekommen waren, bemerkte ich das Alec kein Wort gesagt hatte. Ob er auch darüber nachdachte. Ich wünschte ihm eine gute Nacht. Er sah mich an und erwiderte den Gruß, dann wandte er sich um und ging. Jetzt hatte ich vergessen ihn nach seiner Reaktion von vorhin zu fragen. „Man der hat aber auch Gefühlsschwankungen.“, dachte ich. Ich ging in mein Zimmer und schloss die Tür. Endlich hatten sie mich alleine gelassen. Die fast ganze Zeit war sonst jemand bei mir gewesen. Am nächsten Morgen würde jemand kommen um mich abzuholen, hatte Aro gesagt. Woher sie wissen wollen wann ich wach bin, war mir nicht klar. Vielleicht würde immer in bestimmten Abständen jemand kommen. Zum Glück würde ich keine Aufpasser bekommen. Wer würde sich von ihnen nur wegen eines einzelnen Menschen, wie mir töten lassen. Außer sie dachten Aro würde das nicht durchsetzen. Aber dann würde Jane sie auf jeden Fall foltern oder Alec würde ihnen alle Sinne nehmen, da war ich mir sicher. Ich beschloss morgen weiter darüber nachzudenken. Heute war ich zu müde dazu. Ich suchte meinen Schlafanzug aus dem Koffer und legte meinen Teddybären auf das Bett. Das gab mir ein bisschen Normalität. Ein Stück Zuhause hier zu haben. Meine Kulturtasche stand noch im Badezimmer. Ich kämmte noch einmal meine Haare durch, diesmal mit Erfolg, und spülte mir schnell den Mund aus. Dann zog ich mich um und legte mich ins Bett. Ich ließ den ganzen Tag noch einmal ablaufen. Innerhalb eines Tages hatte mein Leben sich total verändert. Ich dachte an den Moment las ich ihre Schreie hörte und Felix mich zurückhielt. Dann als ich ihre toten, kalten Körper sah. Mir fiel mein Versprechen wieder ein. Vor den anderen würde ich tapfer sein, aber hier in diesem Zimmer konnte ich an sie denken ohne mir Gedanken über die Reaktion der anderen machen zu müssen. Ich rief mir die schönsten Erinnerungen mit ihnen auf. Der Abschlussball vom Tanzkurs, jede Erinnerung an jeden Urlaub, alle Foto von irgendwo, auf denen wir zusammen drauf waren und jedes Mal wenn wir zusammen waren. Weihnachten, Geburtstage, die Fahrt hierher in den Urlaub und jeden Tag im Urlaub. Einfach alles. Ich drückte meinen Teddy an mich. Es war schrecklich. Wieso sie? Wieso gerade jetzt? Warum? War das die einzige Möglichkeit? Nein sie konnten es nicht wissen. Aber so wurde mir die Entscheidung abgenommen. Eigentlich müsste ich jetzt längst auf dem Weg nach Hause sein. Diese Monster hatten meine Eltern getötet, doch trotzdem blieb ich. Ich wusste nicht wieso. Tränen rannen mir über die Wangen und in das Fell des Teddys. Ich konnte sie nicht aufhalten. Die Volturi würden weitertöten. Wieso wollte ich ihnen dann helfen? Sie würden nicht damit aufhören. Ich konnte nichts dagegen tun. Aber ich wollte es trotzdem helfen. Hatte einer von ihnen Fähigkeiten, die genau das bei mir auslösten? Oder band Chelsea mich schon an sie? Konnte das weil meine Eltern jetzt tot waren? Aber liebte ich den Rest meiner Familie etwa nicht? Oder meine Freunde? War ich so schrecklich? Alles Fragen auf die ich keine Antwort wusste oder hatte. Ich schluchzte laut. Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ich setzte im Bett auf und hörte jemanden flüstern dann war es wieder vollkommen still. Hatte ich mir die Stimme nur eingebildet?“ Plötzlich war sie wieder da. Ich verstand kein Wort.

„Ist da jemand?“, fragte ich.

Die Stimme verstummte sofort. Es war mucksmäuschen still. Eindeutig war jemand vor meiner Tür gewesen und vielleicht immer noch da. Ich traute mich nicht nachzusehen war es war. Man würde mir eh nicht sagen warum es ging. Langsam ließ ich mich zurück auf das Kissen sinken. Meine Tränen waren vorerst getrocknet. Ich dachte wieder an meine Eltern und drückte tröstend den Bären an meine Brust. 

8. Kapitel

 

In dieser Nacht wurde ich in meinen Traum von Vampiren verfolgt. Angeführt von den Volturi trieben sie mich durch die Gassen einer mir unbekannten Stadt. Ich wusste, dass es kein Entkommen gab. Trotzdem rannte ich weiter durch die dunklen Straßen. Die Stadt war vollkommen verlassen und jede Tür, die ich versuchte zu öffnen, wurde zu einer normalen Wand. Bei jedem weiteren Versuch eine Tür zu öffnen kamen die Vampire immer näher. Als ich mich umsah konnte ich ihre Gesichter nicht erkennen. Sie waren zu hässlichen Fratzen verzerrt, die mich hämisch auslachten. Ich wusste, sie würden mich quälen und foltern bevor sie mich endgültig töten würden. Trotzdem blieb ich nicht stehen. Ich wusste ich zögerte das Ganze nur heraus, aber meine Beine wollten einfach nicht aufhören zu rennen. Sie gehorchten mir nicht mehr und rannten immer weiter die Straße hinunter. Plötzlich hörte ich Stimmen. Da war jemand. Ich hatte eine Chance. Doch dann erkannte ich die Stimmen. Es waren die Stimmen meiner Eltern. Ich sah sie. Wie Geister schwebten sie nehmen mir her und riefen verzweifelt:

„Was hast du getan?“

„Wie konntest du uns das antun?“

Sie waren entsetzt über meine Entscheidung. Ich hatte die Kontrolle über meine Beine wieder wurde langsamer. Es hatte alles keinen Sinn mehr. Ich hatte sie enttäuscht. Meine Entscheidung war für sie unvorstellbar.

„Wieso wirst du langsamer? Renn weiter sie kommen immer näher! Du darfst nicht aufgeben!“, rief mein Vater.

„Aber wieso? Es hat sowieso alles keinen Sinn mehr. Ich wollte mich mit meiner Entscheidung bei euch entschuldigen. Aber ihr findet sie schrecklich. Warum soll ich noch für sie kämpfen?“, erwiderte ich. Alles lief wie in Zeitlupe ab. Die Vampire wurden langsamer, als wenn sie mir Zeit geben wollten um mit meinen Eltern zu reden.

„Du musst dich für nichts bei uns entschuldigen, du kannst nichts für unseren Tod. Und wenn du deine Entscheidung richtig findest, dann musst du für sie kämpfen. Du findest sie doch richtig oder?“, sagte meine Mutter.

„Ja. Aber ihr…“

„Es ist egal was wir denken Schatz. Du musst tuen was du für richtig hältst. Du musst jetzt deine eigenen Entscheidungen treffen und auch wenn wir dagegen wären, werden wir zu dir halten. Wir sind deine Eltern und wir lieben dich. Wir werden immer für dich da sein. In deinem Herzen.“, rief meine Mutter und umarmte mich.

„Ich liebe euch auch!“, rief ich, als sie beide langsam verschwanden.

„Wir passen auf dich auf. Hör auf dein Herz.“, hörte ich meinen Vater flüstern und er gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dann war auch er verschwunden. Sofort lief alles wieder in normaler Geschwindigkeit ab und die Volturi hatten mich fast erreicht. Ich drehte mich um und rannte weiter. Da hörte ich eine Stimme meinen Namen aus einer Seitenstraße rufen. War doch noch jemand außer mir hier. Sofort bog ich in die Straße ein. Keine zwanzig Meter vor mir tat sich jedoch eine Wand auf. Ich war in eine Sackgasse gelaufen. Vor dieser Wand stand Alec und lächelte mich an. Ich war in eine Falle getappt. Ich warf einen Blick zurück auf die große Straße, doch auch da war der Weg versperrt. Auf beiden Seiten standen die Vampire und kamen näher.

„Vertrau mir. Ich werde dir nichts tun. Ich will dich vor ihnen beschützten. Ich bin anders als sie.“, redete Alec auf mich ein. Ich wandte mich zu ihm um.

„Ich liebe dich.“, flüsterte er. In seinen Augen sah ich, dass er die Wahrheit sagte. Ich machte zögernd einen Schritt auf ihn zu. Er streckte die Hände nach mir aus. Im meinen Rücken hörte ich die Vampire zischen und ich wusste gleich würden sie sich auf mich stürzen. Ich rannte auf Alec zu. Da Zischen wurde immer lauter. Alec rannte mir entgegen, nahm mich in die Arme dann sprang er ab.

Schwer atmend wachte ich auf. Ein Blick auf die Armbanduhr auf dem Nachtisch sagte mir, dass es halb sieben war. Ich wusste ich würde nicht mehr einschlafen können. Seufzend stand ich auf und schaltete das große Licht an. Alec hat gesagt er liebt mich. Meine Fantasie muss im Traum mit mir durchgegangen sein. Aber vielleicht erklärt das ja sein merkwürdiges Verhalten. Nein, Quatsch, das kann nicht sein. Ich dachte über den Rest des Traumes nach. Meine Eltern würden meine Entscheidung verstehen und zu mir halten, da war ich mir sicher. Hatte ich vorher echt nicht daran geglaubt? Jetzt tat ich es auf jeden Fall und ich wusste sie würden immer in meinem Herzen sein und auf mich aufpassen.

„Ich liebe euch.“, flüsterte ich. Sie würden mich hören, da war ich mir sicher.

Dann ging ich ins Bad und machte mich fertig. Was zog man an, wenn man den ganzen Tag unter der Erde zwischen einem Haufen Vampiren verbringen würde? Ich entschied mich für eine Jeans und einen Kapuzenpulli. Gestern hatte ich schon bemerkt, dass es hier unten nicht besonders warm war. Mein Handy ließ ich auf dem Nachttisch liegen, brauchen würde ich es eh nicht. Dann machte ich noch mein Bett und zog mir meine Schuhe an. Den Teddybären packte ich in meinen Rucksack und zog den Reisverschluss zu. Sie brauchten nicht wissen, dass ich ein Kuscheltier dabei hatte. Felix und Demetri hatten ihn ja eingepackt. Mist. Dann konnte ich ihn ja gleich wieder auspacken. Ich holte ihn wieder raus und legte ihn auf mein Kopfkissen. Ich sah mich noch einmal im Zimmer um. Doch es gab nichts mehr zu tun. Meine Sachen waren alle im Schrank verstaut und die Koffer und Taschen standen neben den Schuhen an der einen Wand. Seufzend ging ich zur Tür. Dann ließ sich der Gang zu den Volturi wohl nicht weiter aufschieben. Julia, du schaffst das. Schlimmer als gestern kann es nicht werden. Ich atmete noch einmal ein und öffnete dann die Tür.

„Aaaahhh!!! Was soll das! Was macht ihr hier?“, schrie ich los, als ich Demetri und Felix rechts und links neben der Tür stehen sah. Sobald ich rausgekommen war, hatten sie sie sich zu mir umgedreht.

„Julia. A…“, begann Demetri.

„Mir ist es vollkommen was Aro oder irgendwer sonst gesagt hat. Wir hatten abgemacht, dass ich keine Bodyguards brauche. Verschwindet! Ich brauche keine Bodyguards!“

„Aro hat uns verboten dich allein zu lassen.“, warf Felix ein.

„Mir ist es egal was Aro gesagt hat.“ Der kann was erleben. Sich nicht an Abmachungen zu halten.

„Aro! Komm verdammt nochmal hier her!“, schrie ich so laut ich konnte. Ich wusste er würde mich hören. Der soll selber herkommen. Ich werde da jetzt ganz bestimmt nicht angedackelt kommen und mich im großen Saal auslassen. Felix und Demetri neben mir waren wie erstarrt. Sie wussten, dass Aro herkommen würde. Ich beschloss mir meine Wut für ihn aufzuheben. Doch bevor Aro ankam, waren alle Wachen im Gang versammelt. Alec und Jane wollten Abstand, den die anderen zu mir, überwinden und zu mir kommen, doch ich bohrte meinen Blick in sie hinein und sie blieben stehen. Jetzt musst du ruhig bleiben Julia. Krieg bloß keine Panik, weil hier jetzt die gesamte Wache versammelt ist. Dann wichen an der einen Seite die Vampire an die Wand zurück und machten Platz für Aro, Caius und Marcus. Aros Gesicht zeigte keine Gefühlsregung, aber ich war sicher die Gefühle in  ihm wirbelten nur so durcheinander. Caius Mund umspielte ein winziges Lächeln, entweder weil endlich was Interessantes passieren würde oder weil er wusste, dass ich jetzt gewaltige Probleme bekommen würde. Ich war sicher, dass er mich nicht mochte, deshalb tippte ich auf letzteres. In Marcus Gesicht konnte ich Neugier und Interesse lesen. Sollte ich diesen 3000 Jahre alten Vampir aus seiner Starre der Gleichgültigkeit gerissen haben? Nun hielt das Trio vor mir an. Felix und Demetri stellten sich auf Marcus und Jane und Alec neben Caius. Wobei Alec darauf achtete mir näher zu sein.

„Was soll das Aro?“, fragte ich wütend und deutete auf Felix und Demetri.

„Es ist nur zu deinem …“, begann Aro.

„Zu meinem Schutz Aro? Wir hatten abgemacht, dass ich keine Aufpasser bekomme. Ich will keine Bodyguards.“

„Das weiß ich Julia aber es wäre vernünftiger.“

„Vernünftiger, besser, sicherer. Du tötest wahllos Menschen, obwohl du weißt, dass es eine andere Möglichkeit gibt. Du hältst deine Versprechen nicht und entschuldigst dich nicht einmal dafür und jetzt kommst du wieder mit deinen Argumenten, dass es viel besser mit ein paar Bodyguards wäre.“, bei den letzten Worten warf ich Felix und Demetri einen bösen Blick zu.

„Julia lass es mich erklären…“, versuchte Aro meinen Redefluss zu stoppen.

„Nein Aro. Hör mir nur einmal zu. Es ist meine Entscheidung. Du hast versprochen dich daran zu halten, aber ich habe geahnt, dass ich darauf nicht vertrauen darf. Du lügst in dem Moment, wenn du den Mund aufmachst.“, ich hatte mich in Rage geredet.

„Julia…“, versuchte Alec mich zu unterbrechen. Wahrscheinlich wollte er mich vor Aros Zorn bewahren. Doch das war mir egal.

„Ich bin noch nicht fertig Alec“, mein Blick wanderte wieder zu Aro „Du lügst, mordest ohne mit der Wimper zu zucken und tust, als wenn es dir unendlich leid tut, dass meine Eltern tot sind. Aber das ist dir egal. Das einzige was dich interessiert ist, dass dein glorreicher Plan aufgeht. Da passt der Tod meiner Eltern nicht rein, aber egal. Dann sind die schon mal aus dem Weg. Eine weitere Verbindung zu meiner normalen Welt ist damit auch getrennt. Aber das kannst du natürlich nicht zugeben Aro. Also machst du auf mitleidsvollen Vampir.“, ich lachte. Alle außer Aro sahen mich geschockt an. Er sah mich nur völlig gleichgültig an. Das brachte meine Wut zum Überkochen.

„Weißt du was Aro? Du hattest Recht. Ihr seid alle Monster.“ Ich warf einen Blick in die Runde „Ihr tötet alle ohne daran zu denken, dass es auch anders geht. Ihr versucht es nicht mal. Es wäre ja viel zu anstrengend und wieso sollte man auch von seinen Gewohnheiten abweichen? Die paar Menschen, denkt ihr. Nein, es geht nicht darum wie viele es sind. Es geht darum das sie Familien und Freunde hatten. Sie lebten mit ihnen zusammen. Wie ihr. Und ihr wart mal dasselbe wie sie. Ihr seid alle Monster. Ihr habt kein Gewissen. Euch ist es egal, was ihr mit eurer Ernährungsweise anrichtet. Und Aro du bist das größte Monster von allen. Du bist ihr Anführer und lügst mehr als alle anderen zusammen. Du widerst mich an. Ihr alle widert mich an.“, die letzten Worte schrie ich. Dann drehte ich mich um und schlug die Zimmertür zu. Alec war während meiner Rede immer weiter zusammengesunken, trauriger geworden und bei meinen letzten Worten war er zusammengezuckt. So muss jemand aussehen der nicht weinen kann. Doch das war mir egal. Er war nicht besser als sie. Ich schloss die Tür ab. Falls doch jemand auf die Idee kam reinzukommen. Ich lauschte, ich hörte nur ein paar murmelnde Stimmen. Waren noch alle da und wenn nicht, wer war schon weg? Aro, um seinen Zorn hinauszuschreien? Alec? Er sah so verletzt aus. Mein Magen zog sich zusammen. Ich wollte ihm nicht wehtun. Julia reiß dich zusammen, er ist nicht besser. Ich konzentrierte mich, aber ich konnte kein Wort verstehen. Dann drehte ich mich um und suchte meine Kopfhörer und meinen MP3-Player. Seufzend stellte ich irgendetwas an und drehte die Lautstärke nach ganz oben. Das lenkte mich vom Nachdenken ab. Doch irgendwann wurde die Stimme in meinem Kopf immer lauter und ich stellte die Musik aus. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich Hunger hatte. Es war schon Mittag und ich hatte noch nichts gegessen. Ich überlegte rauszugehen und drehte schon den Schlüssel herum, als ich innehielt. Wer war vor meiner Tür postiert? Was erwartete mich da draußen. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür. Heute Morgen hatte ich überreagiert. Ich dachte über meine Worte nach. Ich hatte Aro und  allen anderen Dinge an den Kopf geworfen, die ich bereute. Sie hatten sich schon immer zu ernährt, daran konnte ich einfach nichts ändern. Es war halt so. Nein Julia, sie sind Monster, sie töten ohne nachzudenken, was sie damit anrichten, erwiderte eine Stimme in meinem Inneren. Aber wollte ich nicht genau wie sie werden? Du würdest keine Menschen töten, schrie die Stimme. Ja das stimmt. Aber wenn sie aufhören was  bringt das? Ich dachte weiter. Es gäbe noch genug andere Vampire die Menschen töten. Nur weil die Volturi aufhören, werden nicht alle aufhören. Ich kann sie nicht ändern. Ich musste es akzeptieren. Die Stimme verstummte. Meine Worte taten mir leid. Ich wollte mich bei ihnen entschuldigen. In Gedanken sah ich ihre Gesichter. Jane, Felix, Aro, alle und immer wieder Alec. Wie traurig und verzweifelt er auf meine Worte reagiert hatte. Ich musste ihn finden und mich bei ihm entschuldigen. Wo könnte er sein? Sofort öffnete ich die Tür. Da stand er. Genau vor mir.

„Julia…“

„Nein Alec ich muss mich bei dir entschuldigen. Es tut mir leid was ich gesagt habe. Das  ich gesagt habe…das ihr alle kein Gewissen habt…und…das ihr alle Mons…“

„Stopp Julia. Du hast recht. Wir denken alle nur an uns selbst und sehen all das hier als selbstverständlich an. Viele von uns kannten jahrelang keinen anderen Weg, doch selbst als sie einen kannten, haben sie…wir uns nicht geändert.“

„Aber ich wusste das und habe trotzdem so rumgeschrien. Ich war gemein und ungerecht und...“, Tränen rannen mir die Wangen hinunter. Was hatte ich nur getan.

„Hey du kannst nichts dafür. Es ist alles einfach zu viel für dich.“ Alec nahm mich in den Arm. Das war nicht richtig ich sollte ihn trösten, ich war die Böse.

„Alec. Es tut mir…“

„Hör auf dich zu entschuldigen. Niemand ist böse auf dich.“

„Aber Aro…Ich habe ihn angeschrien.“

„Weißt du was du uns für einen Schreck damit eingejagt hast? Niemand von uns würde seine Entscheidungen anzweifeln oder ihm das so ins Gesicht sagen. Du warst mutiger als wir alle zusammen es jemals waren.“ Ich löste mich aus seiner Umarmung und Alec hielt mir ein Taschentuch hin.

„Danke. Er war so ruhig. Ich dachte gleich reißt er mir den Kopf ab“

„Das hätte ich nicht zugelassen und viele der anderen auch nicht.“

„Wieso? Ich bin nur ein Mensch.“

„Nein Julia. Du bist mehr als das. Du hast gestern viele von uns verwirrt. Wie konntest du nach dem was wir dir angetan hatten, hierbleiben wollen?“

„Ich wusste nicht wo ich sonst hinsollte“ Das war nur teilweise gelogen.

„Zurück zu deiner Familie, nach Hause.“

„Das will ich nicht. Es hält mich nichts mehr dort. Es gibt niemanden der ohne mich nicht klarkommen würde. Aber wenn ich hier bleibe…ich kann die Welt verändern und Menschen helfen.“

Alec schaute mich traurig an.

„Du warst so glücklich als wir bei dir waren. Und jetzt nehmen wir dir dieses Glück. Das ist nicht richtig. Du solltest warten bis du dich entscheidest…bis du alles überwunden hast.“

„Aber das will ich nicht. Ich habe mich entschieden.“

„Du bleibst dabei oder? Monster hin oder her.“

„Ja. Monster hin oder her.“ Ich musste lächeln. Sie waren keine Monster. Oder jedenfalls nicht alle. Alec blickte zum Boden. „Was ist?“

„Ich will, dass es eine Vermittlerin gibt. Aber ich will nicht dass, du es bist. Du solltest einfach dein Leben normal weiterführen. Ohne alles Übernatürliche.“

„Ich will es Alec. Mehr als alles andere.“

„Aber du sollst glücklich sein.“

„Ich bin glücklich.“ Eine schlechte Lüge.

„Nein bist du nicht.“

„Wie soll ich auch glücklich sein…wenn gerade meine Eltern gestorben sind. Ich bin es nicht richtig. Aber wenn ich daran denke, was ich alles verändern kann, werde ich es. Ich weiß, dass ich es schaffen kann. Das gibt mir Mut.“

„Aber du wirst mit dem Übernatürlichen nicht mithalten können. Das ist unmöglich.“

„Ich weiß und deshalb brauch ich eure…deine Hilfe.“

„Wirklich? Du willst das ich dir helfe?“

„Ja. Du bist der einzige, der nicht immer…von gestern redet.“ Er sah jetzt etwas glücklicher aus. Alec war anders als der Rest. Er drängte mich nicht von meinen Eltern zu reden und er wirkte verletzlich, was ihn menschlicher erscheinen ließ.

„Ich wusste nicht ob du es wolltest.“

„Nein.“ Mein Magen knurrte.

„Du musst was essen. Komm mit.“

„Ich sollte erst zu Aro gehen.“

„Du musst dich nicht bei ihm entschuldigen. Ich glaube er versteht es.“

„Bist du sicher?“

„Ja. Oder siehst du hier irgendwo Bodyguards?“ Er lachte.

„Nein. Aber…“ Ich sah ihn an.

„Ich bin freiwillig hier. Ich mag dich.“ Alec schaute weg.

„Ich dich auch.“ Die Röte schoss mir ins Gesicht. Unsere Blicke trafen sich.

„Wir müssen jetzt links.“

Schweigend gingen wir weiter durch die endlosen, langen, dunklen Flure. Ich mag dich auch. Ich hatte sie doch nicht mehr alle. Wie kam ich darauf mit einem Vampir zu flirten? Aber ich mag ihn wirklich. Er ist anders als alle Jungs. Der ist mindestens 300 Jahre alt, schrie eine Stimme in meinem Kopf. Ich dachte über meine Gefühle nach. Ich mochte ihn. Aber…

„So da sind wir.“

Wir betraten einen langen Raum. Im ganzen Saal – denn das passte besser – waren Stühle und Tische verteilt. Alles hatte den Anschein einer Mensa nur ohne Essensausgabe. Doch auch hier war alles dunkeln gehalten. Decke und Wände waren grau-schwarz. Auf dem Boden gab es ein Mosaik aus grauen, schwarzen und wenigen weißen Steinen. Das Mosaik war ein Kreis mit verschiedenfarbigen Ringen und einem Bild in der Mitte des Saals. Alle Tische waren darum angeordnet. Keiner verdeckte das Bild. Im Saal waren nicht viele Vampire. Jane saß an einem Tisch und war aufgestanden, als wir reinkamen. An den anderen Tischen saßen einige Vampire. Ein paar spielten ein Spiel mit komisch aussehenden Karten und zwei waren am lesen. Alle hoben den Blick, als wir eintraten und sahen mich verwundert an. Doch plötzlich zischte Alec neben mir und alle sahen schnell weg. Aus dem Augenwinkel meinte ich zu sehen, wie sich kurz eine nebelartige Substanz von Alec aus sich nach vorn bewegte. Hatte er ihnen gedroht? Doch Alec ging schon weiter und setzte sich neben Jane, die mir eine Papiertüte reichte und mir einen Guten Morgen wünschte.

„Hallo“, antwortete ich. Dann setzte ich mich.

 

 

Fortsetzung folgt.

Impressum

Texte: Alle von mir erfunden Figuren gehören mir. Alle anderen Stephenie Meyer. Jegliche Gedanken, Handlungen und Entscheidungen der Figuren sind von mir erfunden und entstammen somit meinen eigenen Gedanken.
Tag der Veröffentlichung: 04.10.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet dir, Mama, für deine Unterstützung und deine Geduld. Danke, dass ich immer auf dich zählen kann. Ohne dich hätte es diese Geschichte nie gegeben.

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