Cover

Vorwort

Hey,

 

für alle die es nicht wissen: Das hier ist das Sequel zu Things about Therapists.

Dieses solltet ihr also tatsächlich zuerst lesen.

Ansonsten viel Spaß,

 

LG Tikky~

Prologue

Castiel Voltaire

 

„Hey, Cas! Wie geht’s dir so?“

Wie von der Tarantel gestochen, schrecke ich hoch und sehe mich um. „Quincy…ähm, ganz gut und dir?“, frage ich und überspiele mein seltsames Verhalten von eben, während ich mich mit der einen Hand am Hinterkopf kratze und mit der anderen etwas hinter meinem Rücken verstecke.

Allerdings ist der Kerl vor mir kein Amateur und außerdem vom FBI.

Unwahrscheinlich, dass er das nicht gemerkt haben soll.

Er sieht mich mehr als skeptisch an, lässt mir jedoch meinen Frieden und tut einfach so, als hätte er nichts gemerkt. „Oh…kay…“, meint er langegezogen, schüttelt dann aber schnell den Kopf. „Aber sag mal, was ich dich fragen wollte – hast du heute Abend mal wieder Zeit?“, fragt er stattdessen.

Daraufhin kann ich ihn nur anstarren.

„Was denn? Ich dachte, wir könnten mal wieder ein Bier trinken, oder so. Wir waren mal sowas wie beste Kumpel und haben ständig zusammengehangen – mittlerweile sehen wir uns nur noch auf der Arbeit. Und du meinst, du hättest keine Freundin.“, stichelt er.

Ich strecke ihm nur die Zunge heraus, wie ein freches Kind und drehe mich dann um, während er einen Laut macht, der ganz klar aussagt, dass er sich jetzt sicher ist, dass ich eine Freundin habe.

Aber ich sage ja die Wahrheit – es ist keine Freundin.

Vor etwa einem Monat, hat mir Nathaniel endlich seine Liebe gestanden.

Ich dachte, damit finge alles richtig an. Aber im Moment habe ich ehrlich gesagt etwas entdecken müssen…

Jedes Mal, wenn ich Nate zu nahe komme – oder er sogar Mal auf mich zugeht – dann muss ich irgendeine Ausrede erfinden, um ihn nicht zu kränken.

Ich weiß nicht, aber ich habe einfach Angst, ihn falsch anzupacken.

Aber ich habe nicht vor, mich unterkriegen zu lassen.

Denn ich liebe ihn.

 

Und ich habe ohnehin noch sehr viel höhere Ziele…

Chapter 1: New Beginning

Castiel Voltaire

 

Okay, zugegebenermaßen war es vielleicht nicht so intelligent, sich vor Quincy wie ein Kleinkind aufzuführen, aber es war ein Reflex.

Früher habe ich wirklich ständig mit diesem Kerl zusammengehangen, aber jetzt…seit ich das erste Mal bei Nate war, habe ich ihm nicht mehr viel Beachtung geschenkt, weil ich ständig mit meinen Gedanken wo anders war.

So wie jetzt auch.

Als ich endlich draußen bin und nach meinem wohlverdienten Feierabend in meinem Auto sitze, öffne ich meine Tasche.

Jetzt kann ich endlich in Ruhe die Karte betrachten – ich hab sie heute Morgen entdeckt. Da er am Tag zuvor bei mir war, haben wir logischerweise zusammen geschlafen…und ich meine wirklich nur geschlafen. Buchstäblich also.

Und es stört mich langsam wirklich.

Ich sollte das endlich klären und heute Abend können wir es endlich.

Heute konnte ich später aufstehen, aber da Nate nicht so viel Glück hatte, ist er vor mir gegangen und wollte mich nicht wecken, also hat er eine Karte hinterlassen.

Das ist so süß. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur fixiert.

Dennoch finde ich es süß und eigentlich ist es mir egal – für mich ist er das niedlichste Wesen auf der Erde.

Okay, ich sollte mal zum Punkt kommen, oder so… Jedenfalls hat er gesagt, da wir morgen Sonntag haben und ich dann einen kurzen Urlaub antrete, können heute Abend zusammen essen gehen.

Also habe ich einen Tisch reserviert. In dem Restaurant, in dem wir schon zusammen waren – ihm hat es da sehr gut gefallen.

Daher waren wir dort schon öfter.

Und darum ist es ein Ort, an dem wir unbefangen reden können. Ich werde ihn damit überraschen – da wir normalerweise immer an einen anderen Ort gehen.

Geplant ist, dass ich ihn später vor seinem Büro abhole, obwohl die Zeit eigentlich später wäre, da ich ihm in der Mittagspause einen Brief habe zukommen lassen. So wie immer.

Und ich dem Brief stand, dass alles so wie immer sein würde.

Und ich hoffe einfach mal, dass er noch nicht Lunte gerochen hat.

Ich drehe mich zum Rücksitz.

Die Schöne rote Rose, die ich auf dem Rückweg von der Mittagspause gekauft habe und dann vor Quincy beschützen musste, liegt ganz ruhig auf der Rückbank und bringt mich nun zum Lächeln.

Ich weiß, er liebt Rosen.

Ich sehe ordentlich aus.

Ich habe den Überraschungsmoment auf meiner Seite.

Und das Restaurant ist dasselbe, in dem wir bei unserem ersten richtigen Date waren.

Kann das gut gehen? Es muss einfach.

Wenn nicht, dann weiß ich auch nicht weiter.

Ich schnappe mir noch die Anzugjacke vom Rücksitz, um meine Lederjacke dagegen zu eintauschen.

Na dann mal los.

 

Nur wenige Minuten Später, steht mein Auto auch schon vor der Praxis meines hübschen Doktors.

So cool wie ich es zustande bringen kann, stelle ich mich neben mein Auto und lehne mich an dessen Tür, mit der Rose in der Hand und warte – jedoch nicht lange.

Denn nu ein bisschen später, öffnet sich auch schon die Tür.

Jetzt wird es ernst. Ich gebe es nicht gern zu, aber so etwas habe ich noch nie gesagt – und schon gar nicht bei einer Person, die mir so wichtig war.

Ich bin nervös – aber es gibt keinen Weg zurück.

Nein, ich muss das jetzt durchziehen. Jetzt, oder nie.

Und ich entscheide mich für jetzt.

Als er aus der Tür tritt und sein Blick auf mich fällt, macht mein Herz einen Satz. War das wirklich eine gute Idee?

Zuerst wirkt er ein wenig verwirrt. Dann jedoch scheint er zu verstehen was los ist und lächelt mich liebevoll an, was mich ein wenig beruhigt.

„Hey.“, begrüße ich ihn direkt und mache einige Schritte auf ihn zu, um ihm die Rose zu überreichen, welche er sofort beginnt zu mustern. Wie gesagt, er liebt Rosen.

„Hey…was ist los?“, antwortet er mit einer gewissen Skepsis in seiner Stimme und auch die Augen können dies nicht verbergen. Was denn? Glaubt er etwas, ich führe etwas im Schilde? Ich doch nicht…

Ich führe ihn jedoch nur zur Tür des Beifahrersitzes meines Wagens. „Warum denn immer gleich so misstrauisch…vertrau mir einfach.“, meine ich und öffne die Autotür, um ihn auf den Sitz zu schieben.

Daraufhin steige ich selbst ein und starte den Wagen, um los zu fahren.

Die Fahrt wird nicht lange dauern, aber mit jedem Meter, werde ich nervöser. Immerhin bin ich schließlich hier, damit wir uns endlich aussprechen können.

Nicht gerade mein Spezialgebiet.

Als ich einsteige, sieht er immer noch leicht verwirrt aus – diesmal richtet sich dieser Umstand jedoch gegen mein Auto. „Was ist?“, frage ich.

„Was ist das für ein Auto?“

Wie welches…Mist! Ich könnte mich glatt schlagen, dass ich das nicht bedacht habe.

Er hat das Auto schließlich noch nie gesehen und es liegt schon ein Unterschied zwischen einem dunkelblauen VW und einem schwarzen GMC Sierra. „Der VW war nur ein Leihwagen, aus einem nahegelegenen Autohaus. Der hier ist eigentlich meiner – er war nur bisher noch in Amerika.“

„Oh…“, antwortet er nur und wirkt überrascht. „Wieso denn das? Dauert das denn so lange?“

„Das…erkläre ich dir gleich.“, sage ich direkt, als ich auch schon das Logo unseres Zielortes erblicke.

Als auch er es erkennt, hellt sich sein Blick auf. „Hier gehen wir hin? Hier waren wir doch auch-“

„Bei unserem ersten Date. Ich weiß – stell dir vor, ich war dabei.“, meine ich scherzhaft, was ihn ein wenig zum Lachen bringt.

Aber innerlich bin ich nicht so locker. Jetzt wird es wirklich ernst.

Bedingungs- und kommentarlos, lässt sich meine Begleitung einfach in das Restaurant und bis zu einem Platz führen. Alles läuft ruhig.

Ich habe sogar dafür gesorgt, dass wir denselben Platz wie damals bekommen.

Lang lebe der Gott der Planung! Nicht, dass ich tatsächlich irgendwie gläubig wäre, aber hin und wieder muss sowas mal gesagt werden.

Als wir endlich sitzen und auch bestellt haben, scheint er es nicht mehr auszuhalten – ich persönlich, könnte es ja gut und gerne ein wenig hinauszögern. „Also? Was ist los?“, fragt er neugierig.

„Was soll denn los sein?“, tue ich unschuldig.

Aber er schnaubt nur rollt mit den Augen – das tut er sonst nie. „Ach komm schon. Wir waren heute Abend ganz normal im Diner verabredet. Das wäre ein ganz normaler, gemütlicher Abend geworden. Stattdessen holst du mich ab und bringst mich hier her – wenn du dazu keinen Grund hättest, müsste ich dich leider für krank halten. Du tust alles aus einem bestimmten Grund – zumindest dann, wenn das was du tust, auch irgendwie durchdacht wirkt. Und wenn das alles hier…“ Er macht eine ausschweifende Bewegung mit den Händen, die offenbar alles um uns herum umfassen soll. „…eines ist, dann ist es durchdacht.“, meint er und lehnt sich dann nach vorn, um mich zu mustern.

„Also gut…wir sind hier aus einem bestimmten Grund. Wir müssen reden.“

Jetzt wirkt er leicht zurückgestoßen. Wahrscheinlich, weil für gewöhnlich nie etwas positives nachgelegt wird, wenn jemand ‚Wir müssen reden‘ sagt.

Ich lache kurz auf und lehne mich dann ein wenig entspannt in den Stuhl zurück. „Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes – zumindest nicht aus meiner Sicht.“

Er nickt. „Und worum geht es?“

Leicht beunruhigt wirkt er aber immer noch. Ich lehne mich wieder nach vorn um seine Hand zu ergreifen. „Eigentlich ist es nur…eine Kleinigkeit.“

„Aha.“

„Ja. Es geht um unsere Beziehung. Weißt du…es ist einfach so, das wir…nun ja, wir leben ein bisschen, als wären wir Freunde. Ich meine, ich weiß, wir sind nicht nur Freunde – aber wir führen auch keine richtige Beziehung. Wie du vorhin so treffend formuliert hast, waren wir heute Abend zu einem gemütlichen Treffen in einem Diner verabredet – das ist kein schöner Abend, den man mit seinem festen Freund verbringt. Wir lieben uns – sagen es zumindest – teilen aber kaum Zärtlichkeiten und ich weiß, ich bin größten Teils schuld daran. Oder naja…eigentlich bin ich komplett schuld daran, weil ich Angst habe, dich zu verschrecken, wenn ich dich anfasse…“, gebe ich zu.

Er wirkt ein wenig hin und hergerissen, was er davon nun halten soll.

Also spreche ich einfach weiter. „Jedenfalls…als ich damals Weg war, war ich eigentlich erst nach einer Woche in Amerika. Davor war ich noch hier. Unter anderem war ich meinen alten besten Freund wieder besuchen und habe ihn um Rat gebeten. Aber nun ist es einen Monat her, seit ich in Amerika war und mir dort dann – auch durch Lysanders Rat – endgültig eines klar geworden ist: Ich liebe dich. Und ich will dich. Das wusste ich natürlich auch vorher schon, aber richtig sicher war ich mir erst dann, als ich wieder von dir getrennt war. Du musst wissen, dass ich zwar geplant hatte hier zu bleiben, aber eigentlich war es gar nicht sicher. Es ist erst seit kurzem wirklich sicher, weil ich einen Antrag gestellt hatte, der vor kurzem dann endgültig bewilligt wurde.“, erkläre ich ihm.

Er sieht mich mit großen Augen an. „War das dann auch der Grund, weshalb dein Wagen noch dort war…?“

„Allerdings.“, stimme ich zu. Ich streichle sanft seine Hand, die ich immer noch halte. „Aber eigentlich war es die ganze Zeit kein Thema, dass sie mich abziehen würden. Es hing nur von mir ab. Und ich wusste nicht, ob ich es ertragen könnte, wenn du mich abgewiesen hättest, daher hatte ich vorher nichts bestätigt. In Amerika ist mir jedoch klar geworden, dass ich nicht mehr ohne dich leben kann, auch wenn du meine Liebe nicht erwiderst – wovon ich damals noch ausgegangen bin.“

Wieder hört er nur zu und ich weiß nicht, was er denkt. Er sieht mich einfach nur an.

Oh man…

„Also…hättest du eigentlich jeder Zeit verschwinden können?“, fragt er tonlos.

Ich atme tief ein und wähle meine nächsten Worte mit Bedacht. Irgendwie habe ich Angst, noch irgendwas kaputt zu machen – so richtig, meine ich. „Ja. Aber ich bin es nicht. Und ich würde es auch nicht tun. Ich wusste nur nicht, wie es für mich sein würde, wenn du mich abgelehnt hättest. Ob ich dann noch problemlos hier leben und arbeiten hätte können.“

Ich sehe ihn nicken und fahre weiter fort. „Ich wollte nur ehrlich sein, daher habe ich es dir gesagt. Ich hätte die Verzögerung des Wagens auch auf eine Reparatur schieben können, aber das wollte ich nicht. Ich wollte ehrlich sein – jetzt und hier. Denn ich möchte gerne einen neuen Anfang starten. Wir sollten aus dieser Misch-Beziehung auf Freundschaft und Liebe eine echte Beziehung erschaffen. Wir kennen uns schon so lange – haben schon eine Menge zusammen durchgemacht. Wir müssen nicht warten…“

Ich fühle mich, als würde ich schon Stunden reden, aber es kann kaum lange gedauert haben, da wir noch nicht einmal unser Essen bekommen haben und das dauert nun auch nicht so lange.

Und all die Zeit, hat er praktisch nur zugehört und hin und wieder eine Frage, oder ein Wort eingeworfen.

Jetzt scheint er jedoch zu reagieren. Er drückt meine Hand, die seine noch immer hält und sieht kurz nach unten, nur um dann wieder hochzusehen. „Und wie sollen wir diesen Neuanfang bewerkstelligen? Ich meine, was müssen wir tun?“, fragt er.

Ich lächle ihn jedoch nur an. „Wir könnten ganz einfach damit anfangen, dass wir zusammen ziehen. Der Rest kommt mit der Zeit. Bist du einverstanden?“

Wieder wirkt er ein wenig vor den Kopf gestoßen und scheint kurz zu überlegen.

Doch der Schein trügt, denn er wendet sich sofort wieder an mich – mit einem Lächeln auf seinen schönen Lippen.

 

„Okay…lass es uns tun. Zusammenziehen, meine ich.“

Chapter 2: New Home

Castiel Voltaire

 

Eine Kiste. Zwei Kisten. Drei Kisten.

„Die vierte Kiste…“, murmle ich in meinen nicht vorhandenen Bart, während ich Kiste Nummer vier auf die Ladefläche meines Jeeps verfrachte und sie dort fixiere. „Fehlen nur noch zwei… Hey, Nate, bist du fertig?“

Angesprochener kommt gerade vom Gebäude auf mich zu, ebenfalls mit einer Kiste auf den Armen. „Ja, alles erledigt. Die letzte Kiste steht oben im Gang und der Schlüssel ist wieder beim Vermieter. Die letzte Miete ist beglichen und mein Auto ist schon längst an seinem neuen Platz im Parkhaus.“, antwortet er, während ich ihm die Kiste aus den Händen nehme, um sie ebenfalls zu verstauen.

Ich lehne mich zu ihm herüber und gebe ihm einen liebevollen Kuss auf die Stirn, während ich einen Arm um seine Taille lege. „Ich bin froh, dass du endlich zu mir kommst, Schatz…“

Ja, er kommt endlich zu mir. Nach einer kleinen Diskussion, habe ich gewonnen, daher ziehen wir zusammen in meine Wohnung.

Alles in Allem ist die Wohnung ein wenig geräumiger, von der Perspektive her schöner und vor allem ist sie eines: Sicher.

Ich will, dass mein Baby sicher ist, wenn ich nicht zu Hause bin – ist das denn verwerflich?

Wenn ich schon in einem Gebäude mit einem der besten Sicherheitssystemen lebe, warum sollte ich ihn dann in seiner ungeschützten Wohnung wohnen lassen? An sich sind unsere Wohnungen sich ähnlich – zumindest vom Komfort und der Größe her gesehen.

Aber seine hat eben keine besonderen Sicherheiten.

Ich will nicht, dass er ungeschützt ist, wenn ich weg bin.

Das kann hin und wieder mal für länger sein und nach der Sache in der Gasse vor ein paar Wochen…naja, sagen wir einfach, ich will nicht dass ein Mörder einfach so an die Tür klopfen kann – denn er würde ihn wahrscheinlich rein lassen.

Streich ‚wahrscheinlich‘…Hundert pro.

Aber egal, jedenfalls meinte er, er habe nicht besonders viele positive Erinnerungen an seine eigene Wohnung, also macht es ihm nichts aus. Es ist eben ein Neuanfang.

Das einzig seltsame ist, dass er die Möbel in meiner Wohnung immer so seltsam begutachtet…als er wäre er eifersüchtig auf sie.

Aber das wäre unlogisch.

Völlig irrational.

Was für einen Grund sollte das denn bitte haben?

Wahrscheinlich ist es nur meine Einbildung.

Ich lasse von meinem Liebsten ab und laufe schnell noch einmal in das Gebäude, um die letzte Kiste zu holen.

Er hat wirklich nicht viel. Nur ein paar Klamotten.

Ein Paar Bücher.

Und ein paar Sachen im Bad – die sich an zwei Händen abzählen lassen.

Ich meine, ich habe auch nicht die Welt an Kram, aber viel mehr als er und es sieht auch wohnlicher aus – und das bei einem Kerl, der die meiste Zeit nicht zu Hause ist, weil er arbeiten muss.

Ich meine, er muss wohl kaum Aufträge erfüllen und dabei dann aus der Stadt, oder?

Das heißt für mich, er ist die ganze Zeit in seinem Büro. Wahrscheinlich allein, da ich immer nur EJs Berichte bekommen habe, über die Zeit in der sie auch selbst im Büro war – wäre sonst auch eher seltsam gewesen.

Sie kann in einer solchen Praxis wohl kaum Kameras aufstellen und ihn Beschatten geht auch nicht klar.

Nein, alles was sie tun sollte, war ihn auf normaler Basis beobachten und Berichten, wie es ihm geht und was er so treibt.

EJ ist nun mal meine beste Freundin, abgesehen von Lysander, den ich natürlich schon ein bisschen länger und näher kenne. Und apropos Lysander…der kommt ja auch demnächst zu Besuch.

Das sollte ich Nate vielleicht noch sagen…

Als ich wieder zurück bin und die Kiste auf der Ladefläche meines Pick-Ups.

Nathi sitzt bereits auf dem Beifahrersitz und wartet, während ich um den Wagen herumgehe um einzusteigen.

„Hey, alles klar?“, frage ich und streiche ihm mit dem Handrücken über die Wange.

Er zuckt zusammen, als hätte ich neben ihm eine Bombe explodieren lassen. Als er mich ansieht, beginnt er jedoch zu lächeln. „Warum so abwesend?“, will ich lächelnd wissen.

„Nichts. Tut mir leid, ich habe nur…nachgedacht.“, antwortet er schnell, was mich dann doch stutzig macht.

„Du kannst es mir ruhig sagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist.“

„Also, nein, es ist schon alles gut, nur…ich weiß auch nicht. Es ist einfach alles so – neu? Ja, ich denke, das ist das richtige Wort. Ich hatte einfach nie wirklich jemanden, der sich groß um mich gekümmert hat, außer vielleicht Melody. Aber bei ihr habe ich nie wirklich gespürt, dass sie mich tatsächlich lieben würde, sie hat mich immer nur irgendwie…angehimmelt. Ich weiß auch nicht...“, kommt die Erklärung nur sehr zögerlich über seine Lippen.

„Hey, hey! Keine falsche Scheu – sag mir sowas beim nächsten Mal sofort. Es ist doch nicht schlimm und wenn du deinen hübschen Mund nicht aufmachst, dann kann ich dir nicht helfen, also rede mit mir. Und ich glaube übrigens, es gab immer Leute, die dich geliebt haben, du wolltest es vielleicht nur nicht wahr haben – und im Falle aller Fälle gab es immer mich.“, stelle ich fest. „Denn ich liebe dich immerhin schon sehr lange.“ Ein Satz, der ihn scheinbar zum Lachen bringt.

Naja, immerhin ist er jetzt nicht mehr so bedrückt.

Dann starte ich auch endlich den Wagen und fahre los.

Auf in einen neuen Anfang…

 

Angefangen bei einem neuen Zuhause.

Chapter 3: New Experiences

Castiel Voltaire

 

Müde drehe ich mich in meinem Bett um, in dem ich immer noch liege und sehe zur Seite – oder würde es zumindest, wenn meine Augen geöffnet wären.

Wohl Zeit zum Aufstehen…

Aber ehrlich gesagt, würde ich den Tag am liebsten im Bett verbringen.

Im Halbschlaf drehe ich mich herum, nicht wirklich wissend, was mich überhaupt geweckt hat. Bis es mir klar wird.

Die Sonne fällt durch das große Panoramafenster und von dort, direkt auf mein Gesicht. Ich hasse Licht, wenn ich schlafen will…und generell.

Wie kommt es eigentlich, dass in aller Herrgottsfrühe der Vorhang zur Seite gezogen wurde?

Etwas Lethargisch und unbeholfen, versuche ich mich umzudrehen und die Augen zu öffnen, ohne dass es wehtut – das ist gar nicht mal so einfach.

Als es mir dann endlich gelingt, bin ich gar nicht so überrascht, als ich den Raum leer vorfinde. Nur ich – neben mir nur die kalten Laken und das verwaiste Bettzeug.

„Nate…“, rufe ich lasch. Wo ist er nur hin verschwunden?

Wie zur Antwort auf meine Gedanken, betritt er auch schon den Raum, mit einem sehr glücklichen Lächeln auf dem Gesicht. Und so wie das Licht gerade hinter mir durch das große Fenster, direkt auf ihn scheint, sieht er aus als würde er strahlen.

„…wie ein Engel…“

„Was?“, holt mich seine Stimme wieder zurück in die Realität.

„Hä?“ Ich brauche einen Moment, ehe ich verstehe worauf er eigentlich hinaus will. „Äh, nichts…hab nur laut gedacht…sag, was machst du eigentlich? Warum bist du nicht hier?“

Er sieht mich lediglich verwirrt an und legt den Kopf ein wenig schief. „Was meinst du? Ich bin doch hier…“

„Ja. Aber nicht bei mir. Komm wieder her.“

Nun scheint er begriffen zu haben, doch er schüttelt nur lächelnd den Kopf, während er den Blick gesenkt hat, als er auf das Bett und damit auch auf mich zukommt. „Ich bin hier…“, wiederholt er und lässt sich dann neben mir nieder.

Ich weiß nicht wieso, aber die Art, wie er sich nun neben mich setzt und die Hände auf meinen Arm legt, wirken auf mich irgendwie provozierend. Und ich bin immer noch Hunde-müde.

Also lasse ich mich einfach aus der Sitzenden Position, in die ich mich vorher extra gekämpft hatte, einfach zur Seite in seinen Schoß fallen. Soll er doch sehen, wie er da wieder raus kommt.

„Hey…“, stößt er erschrocken aus, da er mein fixes Manöver wohl nicht hat kommen sehen. „Was soll das?“ Die Frage klang ehrlich ein wenig verwirrt und leicht verzweifelt. „Ich muss doch wieder aufstehen…du kannst da nicht einfach liegen bleiben…“ Jammert er.

Das ist irgendwie lustig.

Einfach aus Protest – und möglicherweise aus Schadenfreude – bleibe ich zwar nicht ‚einfach liegen‘, bewege mich jedoch nur dürftig; rutsche ein wenig auf seinem Schoß herum, bis ich eine bequeme Position finde, bei der ich zufälligerweise am Ende auf seinem halben Körper liege.

Versuch jetzt nochmal aufzustehen – will ich sehen.

Er wiederum, wirkt nervös; zappelt ein wenig unbeholfen unter mir herum.

Stumm grinse ich in den Stoff seines Hemdes, bis er erneut seine Sprache wiederfindet.

„Nun komm schon…“, fleht er schon fast – warum will er nur unbedingt aufstehen?

„Warum?“, grummle ich und hieve mich letztendlich doch von meinem neuen Kissen nach oben, um ihm in die Augen zu sehen. „Wir sollten darüber nachdenken, so zu schlafen. Das geht echt gut…“

„Geht es nicht. Nicht für mich zumindest…du kannst da unten nicht schlafen…das geht gar nicht…“, stammelt er vor sich hin, während sein Gesicht immer dunkler wird.

Immer noch leicht verschlafen, lehne ich mich zu ihm nach vorn, um unsere Lippen miteinander zu vereinen. Nur kurz, sonst verwirre ich meinen eigenen Körper. Ganz schlechte Zeit für sowas…

„Guten Morgen, Schatz.“; murmle ich an seine Lippen. Man sollte meinen, ich sei etwas erprobter darin, schnell wach zu werden, aber Fakt ist: Ich kann das auch, jedoch nur dann, wenn ich Arbeit habe. Unter normalen Umständen bin ich da eher…

„Guten Morgen…ich muss wieder hoch, sonst haben wir ein Problem.“, sagt er und lächelt mich entschuldigend an, während er mich mit beiden Händen sanft zurück schiebt. „Bleib liegen, du Morgenmuffel…ich geh in die Küche und hol uns Frühstück.“

„Frühstück?“, frage ich, plötzlich interessiert.

„Jup.“, macht er gut gelaunt und ich kann nicht anders, als es total niedlich zu finden.

Es klingt so kindlich. Ich liebe es, wenn er das tut.

Doch er spricht lediglich normal weiter. „Es ist mir bisher nicht aufgefallen…aber wir sind noch nie in diesem Schlafzimmer zusammen aufgewacht.“, sagt er und macht dann eine kleine Pause; denkt offenbar kurz nach, ehe er noch etwas anhängt. „Außer natürlich in der ersten Nacht…du weißt schon, nachdem ich…naja, jedenfalls war das das einzige Mal. Sonst waren wir immer bei mir, oder mussten früh zur Arbeit. Und bei mir war es nicht so gemütlich und wohnlich, daher…“

Über das meiste seiner Erläuterungen, kann ich nur eine Augenbraue nach oben ziehen und ihn fragend ansehen.

Zum Anderen hat er jedoch Recht – wir sind hier wirklich das erste Mal zusammen aufgewacht, abgesehen von dem Morgen nach der Horror-Nacht.

Doch ehe ich etwas erwidern kann, ist er schon aus dem Raum.

In den nächsten Minuten, höre ich nur Rumpeln und leises Scheppern, direkt bevor sich die unverkennbaren, sachten Schritte meines Freundes wieder in Richtung Schlafzimmer bewegen und die Tür, die er zuvor mit sich zugezogen hat, wieder aufgestoßen wird.

Beinahe hätte ich gelacht. Da kommt er herein, ähnlich wie ich an diesem ersten gemeinsamen Morgen hier, nur dass er so hoffnungslos überladen aussieht, mit seinen dünnen Ärmchen, die auch noch in einem weiten, langen Schlafhemd verschwinden. Es sieht einfach urkomisch aus, sodass ich mir ein Lachen verkneifen muss.

Er schafft es jedoch, das Tablett zu tragen – er sieht eben noch schwächer aus, als er ist. Vor allem in diesem Aufzug. Aber ich würde es auch nicht anders wollen – es sieht süß aus. Und so sehe ich ihn auch. Süß. Anders will ich ihn auch gar nicht sehen – man kann mich als verbohrt bezeichnen, aber so habe ich ihn in Erinnerung und er hat mich auch nie damit enttäuscht.

Naja. Letztendlich greife ich ihm dann doch ein wenig unter die Arme, damit er nicht auf den letzten Meter noch bei seinem Vorhaben scheitert, auch wenn es ungemein unterhaltsam war.

„Und jetzt?“, sage ich, nachdem ich schnell aus dem Bett gehüpft und mich hinter ihn gestellt habe, damit ich ihn stützen kann.

„Wie…jetzt?“, fragt er Unschuldig und dreht sich zu mir um, als wir gerade das Tablett auf der Matratze abstellen, wohl bedacht darauf, dass nichts umfällt.

Da er immer noch mit dem Rücken zu mir steht und er nur den Kopf umdrehen kann, lege ich meine Arme um seine Taille. „Na, was tun wir jetzt.“, stelle ich klar.

„Frühstücken?“, schlägt er vor.

„Und danach?“, frage ich mehrdeutig, während ich ihm eine verirrte Strähne aus dem Gesicht hinter sein Ohr streiche.

Er senkt erneut den Blick und lächelt verlegen. „Weiß nicht…wir werden sehen…“

Sogar ohne sein Gesicht zu sehen, weiß ich, dass er mal wieder tiefrot ist. Seine Ohren werden wirklich immer mit rot…

Also gut…dann werden wir eben sehen, was passiert. Nur dass ich es bereits weiß.

Ich umschlinge ihn ein wenig fester mit meinen Armen und drücke ihm einen Kuss in den Nacken, den ich direkt vor meinem Gesicht habe, ehe wir uns tatsächlich setzen, um zu frühstücken.

Ja, was danach passieren wird…

 

Und diesmal werde ich nicht zurückweichen.

Chapter 4: New Friends

 

 Castiel Voltaire

 

Als wir so dasaßen und frühstückten, fiel das Licht unaufhaltsam durch das Panoramafenster neben uns und mein Blick irgendwann, ganz plötzlich zu meinem Wecker.

Shit…!

„Nate?“

Er sieht mich fragend an und nickt, mit einem Schluck Kaffee im Mund, dem großen Becher in der Hand und einem Klecks Marmelade auf der Nase.

Auf der Nase. So süß.

Aber nicht ablenken lassen, Castiel! Nicht ablenken lassen!

„Also…später kommt noch jemand vorbei – EJ. Sie ist eben meine so ziemlich beste Freundin – von weiblichen Freunden gesehen, meine ich. Das hätte ich fast vergessen.“

Ein langsames Nicken zeigt, dass er wohl verstanden hat, bis er endlich schluckt. „Okay. Wer ist das?“, fragt er.

„Was denn? Hast du diesen Namen denn noch nie gehört?“, kommt es erstaunt von mir.

Jedoch sieht er mich nur verwirrt an. „Nein…sollte ich?“

„Nun ja, sagen wir einfach: Du hast sie schon gesehen. Aber das wirst du dann sehen, wenn sie erst mal hier ist.“, meine ich. Dann beuge ich mich zu ihm vor und gebe ihm einen Kuss auf die Nase, genau da, wo der kleine Marmeladenfleck bis eben war, ehe ich ihm wieder in die Augen sehe und lächle. „Aber wir haben noch ein bisschen Zeit, also keine Sorge.“

 

Der Rest des Frühstücks bestand eigentlich nur aus Albereien und Blödsinn. Direkt als wir fertig waren, habe ich mich an das Abräumen und Geschirrspülen gemacht – immerhin hat er das Frühstück gemacht, dann kann ich auch aufräumen.

Aber ich sollte mir trotzdem unbedingt einen Geschirrspüler zulegen – normalerweise lasse ich es ja einfach stehen und warte bis Garcia zum Putzen kommt.

Ja…sie ist so eine nette Dame…

Gerade als ich das letzte Glas wieder zurück in den Schrank stelle, höre ich jedoch ein seltsames Geräusch aus dem Badezimmer.

Nate ist gerade drin um zu duschen, soweit ich weiß. „Hey, was war das?“, rufe ich aus der Küche.

Keine Antwort.

Etwas beunruhigt trockne ich meine Hände ab, während ich schon auf dem Weg zum Badezimmer bin, ehe ich das Geschirrtuch achtlos auf die Anrichte werfe und gegen das weiß lackierte Holz der Tür hämmere. „Hey!“, rufe ich erneut, diesmal aber lauter. „Alles klar? Nate?“

Wieder nichts.

Gerade als ich noch überlege, was ich nun tun soll – da ich nicht einfach rein gehen und ihn möglicherweise verärgern will – höre ich plötzlich doch etwas. Doch nichts, das mich beruhigen würde.

Alles was ich höre, ist ein seltsames, ersticktes Grummeln. Nicht gut.

Nur einen Moment später, platze ich schon herein und stehe mitten im Raum und was ich sehe…ist ebenfalls nicht gut.

Er liegt zusammengekrümmt auf dem Bauch, in der Duschwanne, mit den Arm und dem Kopf aus der geöffneten Kabine. Sofort eile ich zu ihm, gehe vor ihm in die Hocke und ziehe ihn an den Schultern nach oben.

„Schatz, alles in Ordnung?“, frage ich besorgt. Ich stehe kurz vor einem Herzinfarkt, glaube ich.

Doch positiver Weise, scheint er nicht ohnmächtig zu sein. Ein gutes Zeichen…fürs Erste.

„Ist schon gut…ich bin nur weggerutscht... Und ich hab den Haltegriff nicht mehr erwischt.“, antwortet er ein wenig verwirrt – zumindest scheint er so.

„Aber warum hast du dann nicht geantwortet?“ Ich streiche ihm sanft eine verirrte, feuchte Strähne aus dem Haar, während ich ihm weiterhin besorgt in die Augen sehe.

„Es ist wirklich alles gut. Ich bin nur ausgerutscht und erschrocken. Dann taten mir, zugegebenermaßen, die Knie weh und ich war einen Moment zu irritiert um zu antworten.“, erklärt er sich langsam.

Doch ich kann nichts weiter tun, als ihn noch weiter zu mir zu ziehen, sodass sein Kopf auf meiner Brust liegt und ihm sanft über das Haar zu streichen. „Du hast mich erschreckt…“, murmle ich, als ich ihm einen Kuss auf den Scheitel drücke.

„Tut mir leid…“, nuschelt er an meine Brust. „Aber ich bin übrigens nass…und du jetzt auch.“

„Ist mir egal.“, sage ich knapp.

Meine schlichte Antwort scheint ihn irgendwie zu interessieren, denn er drückt sich ein kleines Stück von mir weg, um mir in die Augen zu sehen.

„Cas…ich bin auch nackt. Ist dir das auch egal?“, meint er und seine Stimme ist dabei irgendwie…anders als sonst. Irgendwie rauer; leicht heiser.

Dann wird mir erst klar, in welcher Situation wir uns hier eigentlich befinden.

Oh…

„Ähm…das, äh…kommt irgendwie drauf an…“, kann ich dazu nur sagen.

Na toll, sehr intelligente Entgegnung…

 

 

Nathaniel Paine

 

Ich sehe ihn von unten an und stütze mich ein wenig mit den Armen auf seine Knie, die rechts und links von meinem Oberkörper platziert sind, um mich hoch zu drücken und ein wenig mehr Stabilität zu erlangen.

Er hat mich vorhin aus der Hocke nach oben gezogen. So bin ich auf verquere Weise, im wahrsten Sinne des Wortes, zwischen seinen Beinen gelandet.

Ich lege meine Hände in seinen Nacken um ihn zu mir zu ziehen, was er kommentarlos mit sich machen lässt. Meine Lippen legen sich auf seine, für einen sanften Kuss.

Allerdings bleibt der Kuss nicht lange so süß, sondern wird schnell forscher.

Es entbrennt ein leidenschaftlicher Kuss und aus meiner Position heraus kann ich sagen, dass es ihn nicht kalt lässt.

Nur wenige Augenblicke später, packt er mich mit einer Hand unter den Kniekehlen und legt einen Arm fest um meine Schultern, als er mich mit einem Ruck nach oben zieht und davon trägt.

Unsere kleine Reise führt ins Schlafzimmer, wo es zum Glück bereits aufgeräumt ist, als er mich einfach auf das Bett fallen lässt und sich dann das Shirt über den Kopf zieht, ehe er sich über mich beugt.

Wahrscheinlich bin ich schon wieder so rot wie eine Tomate und eigentlich wäre mir die Situation zutiefst peinlich, aber im Moment könnte mir das alles nicht egaler sein.

Ich lege mich zurück, bis ich auf dem Kissen hinter mir liege und Cas folgt mir, um mich erneut zu küssen, sobald er meine Lippen erreicht. Wie immer, jagt jede der sanften Bewegungen seiner Lippen auf meinen, einen wohligen Schauer über meinen Rücken.

Leichte küsse verteilend, wandert er von meinen Lippen weiter, über mein Kinn und den Wangenknochen, bis zu meinem Hals. Er verharrt dort für eine Weile, küsst und knabbert an derselben Stelle immer und immer wieder, was mich zum Keuchen bringt.

Das wird definitiv eine Spur hinterlassen…

Unterdessen fährt eine seiner Hände über meine Seite. Hoch und wieder runter, was eine Gänsehaut auslöst, die meine ganze Wirbelsäule hinaufkriecht.

Berührungen wie diese, bin ich nicht gewohnt. Als er mit der Hand wieder nach untern fährt und meinen Hüftknochen streichelt, entfährt mir erneut ein Laut, der mir einfach nur peinlich ist.

Aber ich kann nichts dagegen tun. Und er macht einfach weiter, jedoch könnte ich schwören, aber er nach unten rutscht und an meinem Schlüsselbein knabbert, ein Grinsen zu spüren. Vielleicht ist das aber auch nur Einbildung, denn meine Konzentration ist ohnehin sehr mitgenommen.

Mein ganzer Körper kribbelt.

Es ist erregend und- „Heiß…“, höre ich eine irgendwie bekannte, anerkennende Stimme von der Seite…und fange beinahe an zu schreien.

Da steht eine Frau. Und nicht irgendeine Frau. Da steht meine Empfangsdame!

Was zum Teufel?! Ich habe nicht mal die Tür gehört!

„Hey, du Gestörte!“, schreit Cas sie fast an, während er eilig die Decke über uns breitet – vor allem über mich… „Ich hab dir schon mal gesagt, dass du gefälligst anklopfen sollst, wie jeder normale Mensch auch!“

„Jaja…aber wenn ich das machen würde, würde ich doch alles Spannende verpassen – von der Szene hier gleich mal angefangen.“, meint sie, beim letzten Satz kurz kichernd, und zwinkert mir zu.

Ich kann das Ganze allerdings nur geschockt mit ansehen. Das ist so verdammt peinlich!

„Ich hab die Tür gar nicht gehört…“, jammere ich beinahe mit dünner Stimme, eher zu mir selbst.

Doch diese Frau sieht mich nur irgendwie fies an. „Kein Wunder – ich bin ja auch ein Ninja.“, meint sie und grinst so verschlagen und frech, wie ich es sonst nur von Castiel persönlich kenne.

Und was macht sie überhaupt hier?!

Als würde er meine Gedanken lesen, sieht Cas mich an und seufzt. „Also Nate – ich sagte ja, du kennst sie. Das ist Emily Joe Hastings.“, sagt mein Freund zu mir, zeigt auf Emily und macht eine kleine Pause, ehe er mich ansieht und eine seltsame Grimasse zieht, als er weiter spricht. „Oder eben einfach EJ.“

Dann wendet er sich an sie und klingt beinahe gelangweilt. „Du bist übrigens ein bisschen zu früh…“

Moment…das ist seine beste Freundin?!

 

Oh mein Gott…bitte lass das nicht wahr sein.

Chapter 5: Old Friends

 

 Castiel Voltaire

 

Das kann einfach nicht wahr sein!

„Weißt du eigentlich, das du erst in-“ Ich sehe auf meine Armbanduhr. „einer viertel Stunde hättest hier sein sollen?“, meckere ich EJ leise an, nachdem ich sie mit mir aus dem Schlafzimmer gezerrt und die Tür hinter uns verschlossen habe.

Diese lacht jedoch nur kurz auf und sieht mich wissend an. „Klar. Weil ich in einer Viertelstunde auch sicherlich in ein Kaffeekränzchen geplatzt wäre – im Gegenteil, ich wünschte ich wäre erst in einer Viertelstunde hier gewesen. Da hätte ich sicher mehr gesehen…“, meint sie klagend, verdreht die Augen und sieht dann seltsam an mir herab. „…wenn wir schon dabei sind, könntest du nicht auch die Hose ausziehen? Das wäre echt cool. Du weißt schon, geteiltes Leid ist halbes Leid und so - ihn hab ich ja auch gesehen…“

…echt jetzt? „Nein. Und ich dachte, wir hätten das geklärt.“, mache ich ihr, leicht entsetzt, klar.

Aber sie verdreht lediglich ein weiteres Mal die Augen. „Ja, ja – wir sind nur Freunde und bla bla bla. Ich will ja nicht mit dir vögeln, oder so – nur mal gucken. Ist doch wohl kein Verbrechen…“

„EJ!“, rufe ich aus, noch eine Stufe entsetzter, ehe ich meine Augen kurz schließe und mich irgendwie versuche zu sammeln. „Also gut, Themenwechsel. Was willst du eigentlich hier?“

„Oh, stimmt ja. Es hatte ja einen Grund das ich her kam – hätte ich bei der ganzen Show vorhin beinahe vergessen…“

Die braucht dringend ‘nen Freund. Ganz dringend. Das wird nämlich langsam traurig – und gruselig.

Aber hauptsächlich traurig.

Während ich noch über ihr Leben in den letzten Wochen nachdenke, zieht sie etwas aus einer ihrer Manteltaschen und wedelt dann vor meiner Nase damit herum. „Ich hab hier was für dich.“, trällert sie gut gelaunt und grinsend.

Sie legt mir das kleine Etwas in die Hand die ich ihr entgegenstrecke. Ich öffne es und sehe es ungläubig an. „Ist das das, was ich denke das es ist?“

Allerdings. Und wie es das ist.“, bestätigt sie freudig. „Sieht ganz genauso aus, wie du es mir beschrieben hast. Und die Inschrift stimmt ebenfalls – hab ich direkt machen lassen, schließlich hattest du mir das Geld dafür gegeben, damit ich meine Kontakte spielen lasse und mich ein bisschen umsehe und tada! Ich kenne dich. Ich wusste, du willst es.“, meint sie und zwinkert mir zu.

Sprachlos betrachte ich den Gegenstand in meiner Hand und sehe mir alles noch ein bisschen genauer an. „Wow…aber ich weiß doch gar nicht, ob ich das echt durchziehen kann. Das wäre so…falsch. Viel zu früh, zu überstürzt, zu…verrückt. Er würde nie zustimmen…“

„Und das sagt dir was? Als ich hier ankam, wirkte es nicht gerade so als sei er irgendwie abgeneigt.“

„Vom Sex vielleicht nicht. Wir lieben uns…aber so weit zu gehen?“

„Genau deshalb wirst du es tun – weil es verrückt ist. Du wirst ihm einfach keine Chance geben, abzulehnen. Ich meine, wie lange kennt ihr euch schon?“

„Seit dem Kindergarten. 21 Jahre, ungefähr.“, antworte ich wahrheitsgemäß.

„Und seit wann liebst du ihn?“, fragt sie mich erneut.

Doch diesmal kann ich nicht so schnell antworten – sicher, ich kenne die Antwort. Aber das wäre mir etwas peinlich. „Keine Ahnung…“, entgegne ich daher nur ausweichend.

„Nein, so kommst du mir nicht davon. Ich kenne dich schon viel zu gut, um eine falsche Antwort zu erkennen. Du lügst – nur wieso lügst du. Also Castiel, wieso lügst du mich wegen einer solch einfachen Frage an? Wie lange liebst du ihn? Acht Jahre? Zehn vielleicht?“

„Zwanzig!“, falle ich ihr genervt und laut ins Wort, weswegen ich sofort in Richtung Schlafzimmertür sehe, um zu prüfen ob sie auch wirklich noch verschlossen ist.

Ja, ich habe ihr erzählt, dass ich ihn schon lange liebe. Aber wie lange, habe ich bisher für mich behalten.

Aus gutem Grund, wie jetzt offensichtlich sein sollte…

Sie starrt mich mit großen Augen an und sagt…nichts. Genau. Die große Emily Joe Hastings ist still. Sprachlos, offensichtlich.

Ich bin am Arsch. Sowas von.

„Zwanzig…?“, fragt sie ungläubig. „Da warst du etwa fünf Jahre alt.“

„Ich war fast sechs…“, korrigiere ich sie kleinlaut und sehe nach unten.

„Egal, du warst ein kleines Kind. Ich dachte, du hättest mal eine Freundin gehabt und warst dann total sauer auf ihn, weil du dachtest er hätte Augen für sie…“, will sie verwirrt wissen und zieht die Augenbrauen zusammen.

„Klar hatte ich eine Freundin. Aber ich habe sie nie wirklich geliebt. Allerdings habe ich ihr vertraut. Ich dachte, sie wäre nett. Vielleicht könnte sie mich irgendwann von ihm ablenken, aber daraus wurde nichts. Bis dato hatte er immer sämtliche Mädchen abgelehnt. Jedes –wirklich. Sogar diese Melody, die so vernarrt in ihn war…“

Melody? Unsere Melody?“

Ich nicke ihr zu, um ihren Verdacht wortlos zu bestätigen.

Sie verzieht daraufhin kurz den Mund, ehe sie ein „Glaub mir, ihr Zustand hat sich nicht verändert.“ einwirft.

Mit einem kurzen Lachen, schüttle ich dazu nur den Kopf und fahre fort. „Jedenfalls hat er die Mädchen nie eines Blickes gewürdigt, was mir dann und wann schon ein bisschen Hoffnung gemacht hat, aber ich wollte damals nichts riskieren. Bis zu diesem Augenblick, waren wir tatsächlich Freunde.“, mache ich ihr klar und trete einen kleinen Schritt zurück. „Jedenfalls geschah dann dieses Debakel mit meiner damaligen Freundin – Debrah…ich dachte wirklich, er hätte etwas von ihr gewollt, weil er oft zu uns gesehen hat und ich schwören könnte, in seinem Blick ein Fünkchen Eifersucht erkannt zu haben, die ihm wahrscheinlich selbst nicht ganz bewusst war. Dann habe ich einfach nur Eins und Eins zusammengezählt. In meinem Wahn dachte ich, er will etwas von ihr und das hat mich einfach…wütend gemacht. Wütend, traurig und vor allem hat es mich verletzt. Ich wusste, ich hätte keine Chance mehr. Also habe ich den kleinen Streit als Chance genutzt, mich von ihm zu distanzieren, ohne dass er zurückblicken, oder mich fragen würde, wieso ich das getan habe. Damit ich endlich von ihm weg komme. Ich habe sogar später das Land verlassen, aber selbst das Meer zwischen uns, hat meine Gefühle für ihn nicht schwinden lassen. Es ist echt zum Kotzen gewesen…“, bricht es aus mir hervor. Das habe ich noch nie jemandem erzählt, glaube ich – zumindest nicht aus diesem Blickwinkel. Die Beweggründe für mein Handeln, meine Gefühle – alles.

Während meines ganzen kleinen, oder auch großen, mehr oder weniger dramatischen Ausfalls, hat meine sonst so freche und schlagfertige Freundin, mich jedoch nur angesehen.

Dann holt sie kurz Luft und sieht mir ernst in die Augen – eine Seltenheit. „Weißt du, Cas…das war mit Sicherheit eine der süßesten Liebeserklärungen die ich je gehört habe – ein Jammer, dass sie nicht für meine Ohren bestimmt war. Du solltest es ihm sagen, nicht mir. Dem, der im Schlafzimmer noch immer auf dich wartet.“, sagt sie mit ruhiger Stimme, ehe ihre Lippen sich erneut zu einem Lächeln verziehen. „Und es ist echt knuffig mit fünf Jahren verliebt zu sein – vor allem dann, wenn es sich so entwickelt. Ich will mir gar nicht ausmalen was mit dir gewesen wäre, wäre er nicht in dich verliebt gewesen…“

Bei ihrem letzten Satz, sehe ich sie geschockt an. Das war bisher immer ein Thema, das ich gerne übergangen habe.

Etwas, über dass ich nie nachdenken wollte.

Sie scheint es wohl zu verstehen und lenkt sofort ein. „Aber gut, dass es nie soweit gekommen ist, dass wir uns darüber Gedanken machen müssten, nicht wahr?“, meint sie in einem aufmunternden Tonfall.

Oh man…

Und genau dann, wenn ich mir denke, dass es nicht seltsamer werden kann, klingelt es plötzlich an der Tür. Oh doch, es kann.

Wer kommt denn jetzt noch?

Überrascht von der Türglocke, schrecke ich auf und vernehme dann auch ein Geräusch aus dem Schlafzimmer, ehe sich dort die Tür öffnet und Nathaniel den Kopf durch den neugewonnenen Spalt schiebt. „Erwartest du etwa noch mehr besuch?“, fragt er, doch als sein Blick auf den weiblichen, bereits anwesenden Gast fällt, wird sein Gesicht sofort feuerrot.

Dieser Schock wird ihm wohl noch eine Weile erhalten bleiben.

Kopfschüttelnd wende ich mich dann doch noch der Tür zu, um sie zu öffnen. Wenn jemand bis hier her kommt, dann kann er nur ungefährlich sein – und muss auch schon einmal zu Besuch gewesen sein.

„Hallo…“, sage ich bereits, als ich noch die Tür aufziehe, ohne zu sehen, wer da steht – bis die Sicht auf jemanden frei wird, den ich heute nun wirklich nicht erwartet hätte. „Lys? Was machst du hier?“, frage ich unseren neuen Besucher irgendwie verwirrt.

Wollte er nicht im Laufe, oder eher gegen Ende der Woche kommen? Er meinte doch, sie hätten keinen Urlaub, also hat er keine Zeit, oder nicht?

„Ich sagte doch, ich komme zu Besuch – das Gebäude steht komplett unter Wasser, weil es einen Rohrbruch an der denkbar schlechtesten Stelle gab und es keiner bemerkt hat.“, erzählt er relativ gediegen und sieht mich dann fragend an. „Hab ich dich nicht angerufen?“

„Nein. Nein, das hast du nicht…“, kläre ich ihn irgendwie entgeistert auf.

Ich weiß, ich sollte es eigentlich mehr als nur gewohnt sein. Aber manchmal überrascht mich seine besondere Version der Vergesslichkeit noch immer.

Zumal er einen sehr seltsamen Beruf hat, wenn man diesen Faktor in die Jobauswahl mit einberechnet…

„Lysander?“, reißt mich nun eine fragende Stimme aus dem Hintergrund aus meinen Gedanken.

Unser aller Augenmerk wandert nun auf den Menschen, der im Türrahmen zu meinem Schlafzimmer steht und uns verwundert ansieht.

„Hallo. Lange nicht gesehen.“, meint mein bester Freund jedoch nur – zeigt ihm jedoch sein seltenes Lächeln.

Lys hatte schon nichts gegen Nathaniel, als er noch dachte ich würde ihn hassen. Er hatte nie Grund dazu – Debrah hatte er nie gemocht und er hat ihr auch nicht vertraut. Also war er immer auf ihrer Seite gewesen.

Irgendwann habe ich ihm dann jedoch von meiner Liebe zu Nate berichtet – von der Angelegenheit mit Debrah natürlich abgesehen.

Er meinte damals nur, er habe es irgendwie vermutet, wollte sich aber nicht einmischen da es ihn ja nichts anginge – er meinte, er wollte warten bis ich selbst zu ihm komme und ihn aufkläre.

Was im Endeffekt ja auch der Fall war.

„Wow, dann sind wir ja jetzt alle versammelt. Castiel, wolltest du Nathaniel nicht etwas fragen?“, mischt sich EJ plötzlich ein und zeigt auf das Kästchen das seit einer Weile in meiner Hand ruht und das zum Glück nicht erkennen lässt, was sich darin befindet.

Ich starre sie geschockt an und wenn ich jetzt irgendetwas im Mund gehabt hätte, hätte ich jetzt wahrscheinlich schon fast gekotzt vor Husten, denn verschluckt hätte ich mich sicher.

Diese miese, fiese, kleine

 

Warum ist sie nochmal meine beste Freundin?

Chapter 6: Old Enemys

Nathaniel Paine

 

Ich sehe meinen Freund fragend an.

Wow, es ist sogar irgendwie spannend, das Wort nur zu denken. Ich bin eigentlich erwachsen…es sollte nicht so sein.

Aber immer wenn ich daran denke, dass wir zusammen sind, kann ich das wohlige Kribbeln in meinem Bauch spüren – das Kribbeln das mir sagt, dass das hier richtig ist.

Alles.

Auch wenn es mir manchmal nicht so vorkommt. Als ob das nicht sein sollte.

Ein wenig in Gedanken, lächle ich und schüttle den Kopf…ehe mir klar wird, dass ich ja gar nicht allein im Raum bin und ich wieder nach oben sehe.

Castiel scheint immer noch nach Worten zu suchen und was auch immer in der Box sein mag, die er in der Hand hält, vermag ich nicht zu sagen.

Aber da er beim FBI ist, wird es wohl kaum etwas Illegales sein.

…denke ich zumindest.

Dann sieht er irgendwie irritiert zu Emily – oder eher EJ.

Okay? Was geht hier eigentlich vor sich?

„Ähm…“, beginnt er legt das Kästchen in eine Schublade der Kommode neben sich.

Die Kommode, von der ich mich fernhalten soll. Sein Arbeitsmaterial liegt darin – auch seine Ersatzwaffe und die Munition. Der Grund, warum einige der verschließbaren Schubladen auch verschlossen sind.

Hat der Inhalt also mit seiner Arbeit zu tun? Ich sollte mich lieber heraushalten…

„Also?“, frage ich nach, als es mir dann doch zu lange dauernd, aber er wirkt einfach nur verwirrt – ein wenig rastlos.

„Also…naja, ich habe mir gerade gedacht…jetzt, wo wir alle hier sind – wir könnten doch heute Abend zusammen weggehen. Was trinken gehen. Ein bisschen reden – außer EJ, kennen wir uns ja alle schon aus der Schulzeit. Und eigentlich kennen wir auch EJ alle, also…was sagt ihr?“

Ich sehe ihn einen Moment an. Lysander steht weiter im Türrahmen – scheint auch gar nicht vorzuhaben, sich an einen anderen Ort zu begeben.

Vielleicht hat er aber auch einfach vergessen, dass er praktisch auf dem Gang steht.

„Nun ja…also ich würde mich freuen…“, antworte ich eher zaghaft.

EJ scheint mehr als genervt – warum auch immer. Hatte sie vielleicht etwas anderes erwartet? Sie sieht Cas jedenfalls ziemlich erzürnt an.

Verwirrend.

Ansonsten sehe ich nur noch, wie Lysander im Hintergrund stumm nickt.

„Also gut, dann wäre das geklärt. Allerdings habe ich kaum noch Benzin im Tank.“, kommt es, irgendwie erleichtert, von Cas. „Nehmen wir deinen Wagen?“

Die Frage ist an mich gerichtet.

Nun, EJ hat zurzeit keinen Wagen, also wird sie wohl mit der Bahn gekommen sein. Was mit Lysander ist, weiß ich nicht, aber wenn Cas ihn gar nicht fragt, hat er wahrscheinlich keinen.

Diese Frage, hat sich mit dem letzten Satz dann jedoch erledigt, als er noch etwas anhängt. „Lysanders Wagen können wir nicht nehmen. Er hat vor einer Woche seine Schlüssel verlegt – seitdem fährt er mit dem Bus zur Schule…neben seinen eigenen Schülern.“, meint er ein wenig spöttisch.

Ich kann mir das kaum vorstellen.

Doch Cas hat einmal erwähnt, das Lysander nun tatsächlich Lehrer ist – an unserer Highschool.

Unser Lysander…ob er wohl seine eigens aufgegebenen Hausarbeiten vergisst?

Eben jener erwidert jedoch nur „Ich war mir sicher, sie lägen Keller…aber ich konnte sie nicht finden…“.

…was suchen seine Autoschlüssel denn im Keller? Ich sollte lieber nicht so viel darüber nachdenken…

Mit einem Lächeln wende ich mich an die drei und gehe auf meine Jacke zu. „Kein Problem. Mein Wagen steht ja unten in der Parkgarage…“, sage ich, während ich meine Hand in eine der Jackentaschen wandern lasse, um nach den Schlüsseln zu fischen.

Doch alles was ich finde, ist ein leeres Bonbonpapier.

Da geht mir plötzlich ein Licht auf. „Verdammt!“, fluche ich leise, als ich auch in die anderen Taschen sehe – was meinen Verdacht jedoch nur bestätigt.

„Was ist?“, höre ich praktisch alle drei gleichzeitig fragen.

Etwas beschämt drehe ich mich zu ihnen um. „Ich habe…meine Schlüssel im Büro vergessen.“, gestehe ich etwas bedrückt.

Ohje…

Aber daraufhin ernte ich nur ein sanftes Lachen von meinem Freund. „Ich kann auch schnell mit dem Auto hinfahren – so weit reicht es noch. Benzin muss ich dann auf dem Weg irgendwo holen. Ich fahre einfach hin, hole die Schlüssel und fahre mit der Bahn zurück, wenn der Sprit nicht so weit reicht.“ Er will bereits nach seiner eigenen Jacke greifen. „Wirklich dumm, dass die Tankstelle in der Nähe kürzlich in die Luft geflogen ist. Sonst könnte ich auch einfach tanken fahren…“

„Warte!“, schalte ich mich ein. „Ich geh selbst. Ich würde die Schlüssel eher finden als du – und es wäre nicht gut, wenn du vom Nachtwächter des Gebäudes gesehen wirst. Das käme alles ziemlich zwielichtig rüber – findest du nicht?“

Das scheint ihn tatsächlich zum Nachdenken zu bringen. „Aber der Mann kennt mich doch? Ich gehe nur rein, hole die Schlüssel und bin schon wieder draußen.“

Einen Arm an deinen Oberarm legend, stelle ich mich vor ihn und drücke ihm einen Kuss auf die Wange – wobei ich mich schon auf die Zehenspitzen stellen muss, um das zu bewerkstelligen. „Geht schon. Du solltest dich mit deinen Freunden unterhalten. Was würde ich allein hier wollen?“, sage ich lächelnd, mopse ihm die Schlüssel aus einer seiner Taschen und bin an Lysander vorbei, ehe er richtig reagieren kann.

Es kommt nicht oft vor, dass ich ihn mal überrumpeln kann – zu schade, dass ich keine Zeit hatte, mich noch einmal richtig umzusehen.

Sein Blick wäre bestimmt witzig mitanzusehen gewesen…

 

Die Fahrt zu meinem Büro hat nicht lange gedauert – es ist nicht weit entfernt und diesem Umstand bin ich auch sehr dankbar, denn der Tank könnte es noch so lang aushalten.

So lange, dass ich noch zurückkomme, ohne irgendwo liegen zu bleiben.

Auf dem Weg hat dreimal mein Handy geklingelt – und das trotz der kurzem Strecke. Ich scheine ihn wirklich irgendwie irritiert zu haben.

Aber egal.

Kaum bin ich in meinem Arbeitsbereich angekommen, sehe ich mich kurz um – und da liegen sie auch schon. Direkt auf der Schreibtischplatte.

So klein und unschuldig…und doch so problematisch.

Schon habe ich die kleinen Schlingel und will eigentlich verschwinden…doch als ich mich zur Tür drehe, bekomme ich einen kleinen Schock.

Nicht ganz so groß wie beim letzten Mal, als so etwas passiert ist…aber definitiv nicht unerheblich.

„Was willst du denn jetzt hier?“, frage ich. Meine Stimme könnte nicht bitterer sein.

Ich weiß nicht einmal, ob ich gerade richtig sehe.

„Was ich hier will? Ich bin hier, wegen dem was du ihm erzählt hast.“, antwortet sie. Ihre Stimme klingt ebenfalls bitter, aber es wird übertönt von ihrem ätzenden, eingebildeten Tonfall, den ich als Jugendlicher einfach ausblenden wollte. „Ich habe gehört, du seist verlobt?“

Ihr kaltes Lachen hallt durch den Raum und ich weiß nicht, was ich nun tun soll – ebenfalls lachen, oder lieber erbrechen?

Und wieso hasse ich es so, diese Worte aus ihrem Mund zu hören?

„Und wenn schon – ginge dich das etwas an? Ich habe dich seit Jahren nicht gesehen. Tauche nicht einfach hier auf und gehe mir auf die Nerven.“, fahre ich sie leicht an, beruhige mich aber schnell wieder, indem ich kurz die Augen schließe und einmal tief durchatme. „Es wäre schön, wenn du jetzt gehst.“

„Das sehe ich nicht ein. Ich will eine Antwort von dir – Daddy hat mir alles erzählt. Ich musste ihn eine Weile überreden, aber dann hat er mir alles erzählt – auch dass er ihn erkannt hat. Castiel.“, faucht sie mir entgegen. „Was hast du mit ihm gemacht? Wie hast du ihn dazu gebracht, für dich zu lügen, hä?“

Tja, meine Schwester, wie sie leibt und lebt.

Ich hasse es.

„Er hat nicht gelogen.“, sage ich knapp, wobei ich im Geiste noch ein ‚zumindest nicht vollständig‘ anhänge.

„Tze…also ob mein Castiel schwul wäre…und dann auch noch mit dir…“, murmelt sie vor sich hin und ich muss ehrlich sagen, dass ich ihr Verhalten gerade nicht deuten kann.

„Du scheinst gar nicht so verwundert darüber, wie du sein solltest…“, meine ich, beinahe nebensächlich und mustere sie etwas genauer.

Dann sieht sie plötzlich nach oben – hat sie Tränen in den Augen? Unmöglich…

Denn dann wären sie einmal nicht gespielt.

„Tja…wenn du wüsstest. Ich war überrascht – vor Jahren. Aber ich dachte, das gibt sich wieder. Ich habe die Blicke gesehen – meinst du etwa, ich bin genauso blind wie du?! Castiel war mein Leben!“

„Was? Erstens hat er nie Interesse an dir gezeigt – weshalb warst du überhaupt so vernarrt in ihn? Er war doch kein einziges Mal nett zu dir, abgesehen vom Kindergarten! Und zweitens: Was denn für Blicke, hä?!“

Ihr bitteres Lachen, jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken. „Klar…du hast es ja nie kapiert. Selbst als er mit dieser Schlampe zusammen war, hatte er mehr Augen für dich, als für seine kleine Zicke. Und auch danach…“, beginnt sie.

Es fällt mir erst jetzt auf…hat sie etwas getrunken? „Amber…es war nur eine Schwärmerei. Wieso bist du bloß so wütend deswegen? Es ist Jahre her!“, gebe ich ihr zu verstehen.

Aber sie will es nicht hören. „Schwärmerei? Vielleicht – aber was ist dann das hier, hä?! Merkst du nicht, wie falsch das alles ist? Merkst du nicht, dass es nicht so sein sollte?“

„Was meinst du überhaupt?“, schreie ich sie diesmal unverhohlen an.

Sie starrt mich an.

Und sagt nichts.

Gar nichts.

Dann sieht sie kurz zu Boden, ehe sie den Blick wieder hebt und mich mit Augen ansieht, die mindestens so kalt sind, wie Eis. „Weißt du was…mach was du willst…“

Und dann ist sie auch schon verschwunden…

Einfach so.

Und ich kann wirklich nicht glauben…

 

Wie ein Gespräch, so viele alte Ängste wiedererwecken kann.

Chapter 7: Old Promises

 Nathaniel Paine

 

Völlig verwirrt und irgendwie fertig, packe ich nur noch mein Zeug und verlasse das Büro.

Was war hier eben los? Was hat sie gemeint?

Was wollte sie von mir?

…tze.

Als ob ich das nicht wüsste.

Natürlich kann ich all diese Fragen selbst beantworten.

Aber ich traue mich nicht.

Dennoch ist klar, was sie gemeint hat. Es sollte nicht sein. Ich und Castiel. Wir passen wahrscheinlich gar nicht zusammen.

Wieso sollte ich auch glücklich sein?

Es hat ja doch keinen Sinn.

Als ich gerade auf der Straße bin, direkt zu unserem Apartment führt, höre ich erneut mein Telefon klingeln.

Mit einem Seufzen stecke ich es schnell in die dafür vorgesehene Halterung und schalte den Lautsprecher ein. „Ja, Cas?“

„Hey Baby, ich hab schon die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen.“ „Ich weiß, ich hab‘s gemerkt…“, gebe ich leise zu.

„Wirklich? Warum bist du nicht ran gegangen?“

„Ich…war beschäftigt. Ist egal. Was gibt es denn so Wichtiges?“, lenke ich schnell ein, damit er nicht anfängt mich professionell auszufragen.

„Ähm, okay? Ich denke, du hast deine Schlüssel. Reicht der Sprit noch?“

„Ja, gerade so. Wolltest du mich nur das fragen?“

Er lacht kurz auf. Selbst über das Telefon macht mein Herz dabei einen Satz. „Nein, nicht wirklich. Ich wollte dir mitteilen, das Lysander und EJ meinten, wir sollten noch schnell etwas erledigen. Wir kommen dann getrennt zum Restaurant – du weißt schon, unser Lieblingsrestaurant. Mach dich einfach in Ruhe fertig und komm heute Abend da hin. Wir werden dort auf dich warten.“

Etwas mehr als verdutzt, lausche ich seinen Worten, brauche aber einen langen Moment, ehe ich sie wirklich verstehe. „Natürlich…“, antworte ich nur, etwas tonlos. „Wir sehen uns dort. Bis heute Abend.“

Ich weiß, er wollte noch etwas sagen, doch ich lege auf.

Meine Gefühle fahren Achterbahn.

Und jetzt komme ich nach Hause und bin allein. Nicht gerade gute Aussichten.

Aber ich kann es schon verstehen, dass Leute wie sie nicht mit einem Langweiler wie mir herumhocken möchten. Dennoch…

„Doofer Castiel…“, murmle ich zu mir selbst und bereue es im selben Moment.

Wie kindisch…

 

 

Castiel Voltaire

 

Etwas verwirrt sehe ich hinter meinem Nathi her, wie er einfach durch die Tür verschwindet und ich kann nur verdutzt dastehen.

Hat er mit gerade meine Schlüssel geklaut? Ich prüfe.

Ja, er hat mir die Schlüssel geklaut.

„Alles klar…“, stelle ich langsam fest, als ich versuche, das eben erlebte ein wenig zu ordnen.

Dieser Tag ist einfach nur…verrückt.

Von einem unsanften Gefühl an meinem Arm, werde ich jedoch rasch aus meinen Gedanken gerissen. „Hey…aua…HEY“ Keine Chance. „Aua- Jetzt hör doch mal auf, du Behinder-AUA-verdammt, ich bin auf irgendwas getreten, jetzt gib doch mal Ruhe neben mir! Autsch!“, schreie ich fast, zugegebenermaßen unkontrolliert, während meine angeblich beste Freundin munter auf mich eindrischt.

„Cas, du bist so ein Schisser! Wieso hast du es nicht jetzt getan?! Es hätte doch alles gestimmt!“

„Nein! Das hätte es eben nicht – hier? Jetzt? Neben euch? Nach heute Morgen, kann er dich ja nicht einmal richtig ansehen, ohne dabei rot zu werden wie eine Tomate!“

Mit einem genervten Seufzen, verdreht sie nur die Augen und wendet sich in Richtung Eingangstür. „Lys, jetzt sag doch-“, fängt sie quengelnd an, unterbricht sich jedoch selbst und sieht dann verwirrt und mit zusammengezogenen Augenbrauen in Lysanders Richtung – Pardon: Die Richtung, in der er sich eben noch befunden hat. „Wo ist er hin?“, hängt sie irritiert an.

„Er war doch eben noch da…“

„Ja… Lysander?“, ruft sie der offenen Tür entgegen.

Und tatsächlich – nur ein paar Sekunden später, steht er auch schon wieder im Rahmen.

„Wo warst du?“, frage ich matt.

„Ich hatte keine Lust in euren Streit mit hinein gezogen zu werden – also bin ich ihm aus dem Weg gegangen…“, erklärt er sachlich und seufzt am Ende.

„Du…wie kannst du Streitereien aus dem Weg gehen wollen?! Du bist Lehrer, verdammt!“ Meine schockierte Reaktion scheint ihn jedoch zu verwirren.

„Wieso? Ich bin kein Klassenlehrer – ich unterrichte nur Philosophie, Englisch und Musik, das weißt du aber…“

„Ja, aber…“, beginne ich – werde aber wiedermal unterbrochen.

Und wieder von meiner lieben Freundin EJ. „Jetzt lenk nicht ab, er ist ja wieder aufgetaucht. Du wirst das erledigen und zwar noch heute – sonst schwöre ich bei Gott, ich werde dir was antackern und du willst gar nicht wissen wie! Verstanden?“, droht sie mir mit zusammengekniffenen Augen und in einem Ton, den ich wirklich nicht oft von ihr höre.

O…kay… Schlecht. Sehr, sehr schlecht.

Ich nicke einfach mal und sehe sie an, während sie sich wieder in ihre normale Haltung zurückbegibt.

Dann fängt sie plötzlich an zu grinsen. „Gut…sehr gut. Und ich habe auch schon einen Plan.“

Das ist jetzt allerdings auch nicht so gut.

„Du wirst jetzt Nathaniel anrufen – er wird ja wohl ein Handy besitzen.“, trägt sie mir auf und duldet offenbar keinen Widerspruch.

Warum habe ich nur so ein mieses Gefühl bei der Sache…?

 

 

Nathaniel Paine

 

Wie verabredet – in einer SMS, die ich danach noch bekommen habe – fahre ich einige Stunden nach dem ich wieder zu Hause war, in Richtung Restaurant.

Mir geht es jetzt besser – ein gutes Buch und ein Tee haben dazu nicht wenig beigetragen. Ich bin weniger verwirrt und meine Gedanken halbwegs geordnet.

Ich habe auch nicht mehr das kindische Bedürfnis zu schmollen, weil Castiel mich einfach allein gelassen hat, um mit seinen Freunden weg zu gehen.

Ich meine, wer weiß, was sie noch zu tun hatten? Vielleicht hatte es ja mit dem Kästchen in der Kommode zu tun, das wahrscheinlich mit seiner Arbeit zu tun hatte?

Das war nämlich weg.

Nun ja, ich muss gestehen, das kindische Verhalten hielt noch einen Moment vor, als ich zu Hause ankam, also sah ich in das Fach in das er die Schachtel vor meinen Augen gelegt hat.

Vielleicht liegt die Box jetzt aber auch einfach nur an einem anderen Ort – vielleicht sogar einfach in einer der verschlossenen Schubläden.

Aber das soll mir egal sein. Es hat nichts mit mir zu tun.

Dann kommt auch schon das Schild in Sicht, das mir sagt ich solle rechts einlenken, damit ich zu unserem Restaurant komme.

Ich frage mich, worüber wir uns wohl unterhalten wollen?

Ich habe nun wirklich nicht viel mit Lysander und Emily zu tun – abgesehen davon, das eine so etwas wie meine Sekretärin ist und ich daher eigentlich fast täglich irgendetwas mit ihr zu tun hatte, als ich mich noch fast nur auf meinen Job fixiert habe.

Ich fahre bei dem Restaurant vor und ein komischer Kerl im Anzug kommt auf mich zu. Der Parkservice.

Das hier ist ja kein Billigladen. Genau genommen, wundert es mich unheimlich, dass sie so unglaublich kurzfristig noch einen Tisch ergattern konnten – das ist manchmal schon über eine Woche vorher unmöglich.

Man muss einfach ewig warten.

Aber ich habe das seltsame Gefühl, Emily hat ihre Finger da im Spiel. Irgendwie schafft sie es, immer alles zu bekommen, was sie will. Es ist manchmal wirklich unheimlich – ich will gar nicht wissen, wie sie es schafft.

Auch wenn ich ein wenig neugierig bin – das Unbehagen siegt in dieser Hinsicht.

Mit einem etwas mulmigen Gefühl in der Magengrube, von dem ich nicht weiß, wo es herkommt, betrete ich dass schlichte, aber doch recht edle Gebäude.

Langsam gehe ich den Gang entlang, bis ich an einem Mann hinter einem kleinen Podium ankomme. „Eine Reservierung für vier Personen, auf den Namen Voltaire.“, sage ich deutlich.

Doch der Mann sieht mich nur verwirrt an. „Tut mir leid, Sir, so eine Reservierung haben wir hier heute nicht.“, antwortet er freundlich, lässt mich damit jedoch nur komplett verwirrt zurück.

„Moment, das kann nicht sein. Da muss ein Irrtum vorliegen. Der Name ist Voltaire – wie der Philosoph.“ Doch er sieht mich nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an, woraufhin ich seufze. „V-O-L-T-A-“, beginne ich damit, den Namen zu buchstabieren, werde von meinem Gegenüber jedoch mit einer Handbewegung unterbrochen.

„Ich weiß, wie man das schreibt, Sir. Es ist auch nicht so, dass es keine Reservierung auf diesen Namen gibt. Es gibt eine – ein Castiel Voltaire steht hier. Sie müssen demnach Paine, Nathaniel sein, oder?“

Jetzt ist es an mir, die Augenbrauen zusammenzuziehen. Was wird hier gespielt? Hat er nicht eben gesagt, dass er keine Reservierung vorliegen hat? „Aber sie sagten doch, es gäbe keine…“

„Ich sagte lediglich, es gäbe heute Abend keine Reservierung wie sie sie beschrieben haben.“, stellt er fest.

Langsam fühle ich mich wirklich ein wenig…auf den Arm genommen. „Entschuldigung, aber ich verstehe nicht…“

„Sie sagten, eine ‚Reservierung für vier Personen‘, richtig?“, hakt er nach.

„Richtig. Was auch sonst?“

„Weil wir hier nur eine Reservierung unter diesem Namen haben - diese ist aber nur für zwei Personen. Soll Sie nun jemand zu diesem Tisch bringen, Sir?“

Ich mache den Mund auf, doch da nichts herauskommt, schließe ich ihn wieder. Und wieso lächelt dieser Mann so seltsam? Als wüsste er viel mehr als ich.

Und Himmel, wahrscheinlich tut er das sogar – denn ich selbst bin gerade nicht in der Lage, hier auch nur ein Wort an das Nächste zu Reihen und einen Sinn dahinter zu erkennen.

Ich meine, eigentlich ist es doch ganz einfach? Es gibt nur noch zwei Personen…

nein, das macht überhaupt keinen Sinn! Wir sollten zu viert sein, oder nicht?

Hat er nicht vorhin noch gesagt, es wurde reserviert? Warum nur für zwei?

Vorhin hieß es doch sie würden hier auf mich warten.

Etwas mit meinem Latein am Ende, nicht ich einfach, obwohl mir eher nach Kopfschütteln zumute ist, da der etwas kleine Mann vor mir, schließlich noch immer auf eine Antwort wartet.

Wahrscheinlich ist den anderen beiden klar geworden, das man mit mir nicht reden kann, also haben sie den Tag mit Cas verbracht und sind nach Hause gegangen. Wer würde es ihnen denn schon verübeln können?

Seufzend folge ich also einer Dame, die nun zu mir geschickt wird, um mich zum richtigen Tisch zu begleiten. „Hier, Sir.“, sagt sie, das Klemmbrett an ihre Brust drückend und mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht.

„Entschuldigung, wo ist meine Begleitung?“, frage ich die Rothaarige neben mir, als ich den leeren Tisch vor mir betrachte.

Weiter lächelnd, sieht sie mich an. „Der nette, gutaussehende Herr?“ Sie lacht kurz hell auf. „Der ist kurz auf die Terrasse gegangen. Sah aus, als würde er über etwas Wichtiges nachdenken müssen.“, klärt sie mich auf, sieht mich dann jedoch fragend an. „Wenn Sie wollen, kann ich ihm bescheid geben, dass Sie nun eingetroffen sind.“

„Das…wäre sehr nett, vielen Dank.“, gebe ich mit einem sanften Lächeln zurück.

Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie erinnert sie mich an jemanden.

Und liegt es an mir, oder war sie gerade irgendwie nervös? Oder aufgeregt?

Keine Ahnung, aber irgendetwas an ihrem Verhalten, stört mich ein wenig…

Doch diese Gedanken sind schnell vergessen, als ich sehe, wie mein Geliebter durch die Terrassentür in den Saal kommt und sich langsam zu mir setzt. Der Blick ist gesenkt.

Auch er wirkt nervös.

Werde ich paranoid, oder werden die Menschen um mich herum immer seltsamer?!

Er sieht mich jetzt das erste Mal an. In seiner Hand erkenne ich das Kästchen von heute Vormittag.

Irgendwie habe ich ein beißendes Gefühl in der Magengegend.

Will er Schluss machen? Oder etwas ähnlich Schlimmes?

…nein, Letzteres wohl eher nicht, denn ich glaube, es gäbe nichts Schlimmeres für mich.

„Was geht hier eigentlich vor sich?“, rutscht es mir bereits heraus, ehe ich etwas dagegen tun kann.

Mein Partner jedoch, lässt nur seinen Blick durch den Raum streifen. „Also…ich weiß einfach nicht, wie man das macht…“, sagt er und klingt dabei leicht verzweifelt. „EJ sagte, ich solle bis nach dem Essen warten. Aber…dann habe ich wahrscheinlich keinen Mut mehr dazu…“

Verwirrt blinzle ich ihn an. „Was? Was denn, Cas?“, fordere ich zu erfahren. „Du machst mir ehrlich ein wenig Angst. Das hier war sicher geplant, nicht wahr? Immerhin hättest du sonst nicht nur für Zwei reserviert. Und wenn du das tust, hast du immer etwas Wichtiges zu sagen. Was ist los?“, sprudelt meine ganze Nervosität aus mir heraus und ich hoffe einfach nur, es haben nicht zu viele Leute mitbekommen.

Er sieht mich verdutzt an. Sagt jedoch nichts.

Sondern steht einfach nur auf, nimmt mich an der Hand und zieht mich mit sich auf die Terrasse, die bereits im Schatten liegt, da die Sonne untergegangen ist.

Am äußeren Rand, etwas abgelegen und wo wir eher allein sind, kommen wir dann letztendlich zum stehen und er dreht sich zu mir um, um nach meinen Händen zu greifen…und mich einfach nur anzusehen.

Die Box hat er noch in der Hand. Allerdings ist sie viel kleiner als zuvor. Erst jetzt wird mir klar, dass es eine andere ist – das Design ist lediglich dasselbe.

Diese Situation ist einfach schräg. „Was ist?“, will ich erneut wissen.

Doch ehe ich irgendetwas Weiteres sagen, oder auch nur denken kann, tritt er einen Schritt zurück. Er tritt zurück, aber nur, um sich dann auf ein Knie fallen zu lassen und an der Box in seiner Hand herumzufummeln, ehe er sie endlich aufbekommt.

Ich sehe mich um. Niemand zu sehen. Was soll das hier? Ist das eine Halluzination? Bin ich vielleicht über meinem Buch eingeschlafen und träume? Es wäre nicht das erste Mal, das mir das passiert ist…doch so etwas habe ich noch nie geträumt.

Er hält mir die geöffnete Box entgegen, während mein Magen und mein Herz Purzelbäume schlagen und ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehe, als ich sehe, was sich in der Box befindet.

Ich fühle mich, als sei ich im falschen Film, als er auch noch anfängt zu reden. „Also…ich weiß, es ist etwas früh…aber wir kennen uns schon so lange – ich liebe dich schon so lange…also…“ Er lacht kurz auf. „Und ich dachte, ich halte mal das Versprechen gegenüber deinem Vater…“, dann stockt er und holt einmal tief Luft, ehe er mir direkt in die Augen sieht. „Nathaniel Richard Paine – willst du mich heiraten?“

Oh mein Gott…

 

Ich glaube, ich muss mich übergeben…

Chapter 8: Old Love

Castiel Voltaire

 

Als er mich so ansieht – komplett entgeistert – habe ich bereits kein solch gutes Gefühl mehr. Mal ganz abgesehen davon, dass ich von Anfang an eigentlich keines hatte…

Plötzlich fängt er dann, den Kopf zu schütteln und macht eine Geste, die mich zum Aufstehen bewegt.

Heißt es nein?

Ist jetzt alles aus?

Plötzlich greift er nach meinen Armen – er öffnet den Mund, als wolle er etwas sagen. Doch es kommt kein wirklicher Ton heraus.

„Kannst du es nicht?“, frage ich und kann die Enttäuschung in meiner Stimme nicht unterdrücken, dabei will ich ihn doch nicht unter Druck setzen. „Hör zu…es…“

Doch bevor ich noch etwas sagen kann, schüttelt er noch einmal den Kopf, nur heftiger. „Ich…ich muss nachdenken…“, sagt er und klingt mehr als verwirrt. Verständlich, irgendwie. „Ich kann das alles nicht…“

Und dann ist er auch schon weg – ohne Witz. So schnell wie der plötzlich davon gerannt ist, konnte ich ihm kaum hinterhersehen.

Komplett verdutzt, sehe ich ihm nach. War das nun ein klares Nein, oder denkt er noch darüber nach?

So oder so…ich bleibe ziemlich geknickt, allein auf der Terrasse zurück.

Bis Claire, die rothaarige Bedienung von unserem Tisch, plötzlich neben mir auftaucht und mich besorgt mustert. „Ist er gerade davongerannt?“

„Ich würde es eher als Sprinten bezeichnen…aber ja, er ist davongerannt.“, antworte ich tonlos.

Das hätte wirklich sehr viel besser laufen können…

 

 

Nathaniel Paine

 

Ich muss hier weg…einfach nur weg. Mir ist schlecht…

Ich meine, versteht mich nicht falsch, ich liebe ihn…aber ich komme mit sowas einfach nicht zurecht.

Hätte er mich nicht warnen können?

Ein kleiner Hinweis wäre schon mal nicht schlecht gewesen!

Ich laufe einfach weiter – keine Ahnung, wo ich hier gerade genau bin.

Hier sind noch weitere Läden wie der, in dem wir gerade waren. Und alle gut besucht.

Einige reich aussehende Leute stehen hier herum nur wünschte ich, ich wäre allein.

Ich blicke mich recht orientierungslos um und suche – nirgends ein stilles Plätzchen; kein ruhiger Ort.

Mit ein bisschen zu viel Schwung, drehe ich mich wieder in eine andere Richtung und stürme beinahe los…bis ich in etwas hineinrenne.

Mit einem minderlauten Knall, lande ich fast auf dem Boden die andere Person, in die ich hinein gelaufen bin, ebenfalls.

Glücklicherweise kam es doch nicht so und wir blieben soweit auf den Füßen. „Es tut mir wirklich…wirklich sehr leid, das wollte ich nicht…“, stammele ich schnell, als ich die junge Frau vor mir sehe, die etwas verwirrt aussieht.

Und als ich sie so ansehe, ändert sich der Ausdruck auf ihrem Gesicht plötzlich von verwirrt, über überrascht…bis hin zu freudig erregt, würde ich es wohl nennen.

O…kay…alles klar. Jetzt einfach schnell verabschieden und das Weite suchen.

Doch falsch gedacht, denn zu allem Überfluss, packt sie mich da bereits an einem Arm und strahlt mich offen an. „Nathaniel?“, ruft sie schon fast aus. „Nathaniel Paine? Das bist du doch, oder nicht?“

Doch ich kann sie nur weiterhin anstarren. Woher kennt sie meinen Namen?

Sie scheint meine Verwirrung ebenfalls zu bemerken und schüttelt dann den Kopf, während sie sich mit einer Hand gegen die Stirn schlägt, was eigentlich eher weniger damenhaft wäre, aber an ihr irgendwie elegant aussieht.

Ja, sie sieht wirklich ziemlich…schick aus. Keine Ahnung. Eben wie jemand, der eher in den oberen Kreisen verkehrt, aber nicht eingebildet. Es steht ihr irgendwie.

Dann reißt sie mich aus meinen Gedanken, als sie weiterspricht. „Ich bin auch wirklich dumm…natürlich erinnerst du dich nicht an mich. Mein Name ist Haley. Haley Wright.“, stellt sie sich munter vor und reicht mir ihre Hand.

Der Name kommt mir tatsächlich bekannt vor. „Moment…Wright, sagst du?“, hake ich etwas entgeistert nach. „Wie William Wright? Der Geschäftspartner meines Vaters?“

Das bringt sie noch ein bisschen mehr zum Strahlen. „Ja, das ist mein Vater! Erinnerst du dich jetzt vielleicht an mich?“

Oh mein Gott…das tue ich tatsächlich. Aber das Kind an das ich mich in diesem Kontext erinnere, war ein kleines, eingeschüchtertes Mädchen mit einer Puppe auf dem Arm, das sich kaum hinter ihrem Vater herausgetraut hat.

Sie war sehr tollpatschig und als sie einmal eine Vase hat fallenlassen, habe ich die Schuld auf mich genommen, obwohl ihr Vater ihr wohl kaum so böse gewesen wäre, wie es meiner war – er war ja mir nicht einmal böse. Ihr Vater schien immer sehr ruhig und freundlich.

Also das Gegenteil von Meinem.

Meine Mine muss sichtlich grimmig wirken, da sie sich direkt ein wenig besorgt erkundigt. „Oh nein…bist du immer noch sauer auf mich…wegen damals? Der Vase? Es tut mir wirkli-“

„Nein…nein, keine Sorge. Das ist es nicht. Ich habe nur nachgedacht. Es ist schön, dich mal wieder zu sehen.“, unterbreche ich sie und treibe direkt das Gespräch voran. Vielleicht lenkt mich das ja wirklich von meinen Problemen ab.

„Wirklich?“, kommt es von ihr wie aus der Pistole geschossen und sie zieht mich zur Seite, um sich mit mir auf eine kleine Bank zu setzen, wo wir ein bisschen ungestörter reden können, als mitten auf dem Weg. „Und hat dein Vater es dir ausgerichtet? Mein Angebot?“

Aber mehr als sie verwirrt ansehen und die Augenbrauen zusammenziehen, kann ich daraufhin nicht. Was denn für ein Angebot?

„Na, das Angebot mit…naja, du weißt schon…was ich dich fragen wollte, aber ich habe mich nicht getraut…“, stammelt sie und wird rot.

Und dann geht mir auch schon ein Licht auf – oder eher ein ganzer Kronleuchter. „Du warst das, nicht wahr?“, platzt es schier aus mir heraus. „Die Tochter des Geschäftspartners, von der mein Vater gesprochen hat!“

„Ja…also, scheinbar hat er keinen Namen genannt, aber ich hoffe einfach, ich war die Einzige…aber ich habe nie eine Antwort bekommen…“ Ihr Gesichtsausdruck bleibt verwirrt. „Ich hatte irgendwie angenommen, du hättest noch nichts davon erfahren…“

„Doch! Also…ja, habe ich, aber…“ Meine Stimme wird etwas leiser und ich kratze mich ein wenig verlegen am Hinterkopf.

Sie scheint es zu verstehen. „Oh…daher also die fehlende Rückmeldung…aber…ist schon okay. Ich meine, ich verstehe das ja…“, meint sie und kichert ein wenig gespielt.

„Nein, nein!“, lenke ich schnell ein. „Es liegt nicht an dir – wirklich nicht…ich bin nur bereits vergeben, weißt du?“

„Ja, genau…“, sagt sie. Aber ich glaube, sie glaubt es nicht so recht.

Wenn ich schnell beleidigt wäre, dann würde mich das nun irgendwie verletzen, glaube ich. „Wirklich… Genau genommen, habe ich sogar gerade einen Heiratsantrag bekommen…“, stelle ich klar.

Das bringt dieses Leuchten wieder ein wenig mehr in ihre Augen. „Wirklich? Wow…“ Doch dann scheint sie wieder ein wenig irritiert. „Moment…du bist doch der Mann, oder nicht? Die Frau muss wirklich wissen was sie will, oder?“, witzelt sie.

Doch ich kann nicht darüber lachen. „…er…“, murmle ich.

Zu meinem Leidwesen, scheint sie es sofort verstanden haben. Denn nun wird das Leuchten wirklich wieder hell. Sie ergreift meine Hände und strahlt mich erneut mit all ihrer Macht an. „Was denn – du bist schwul? Echt?“ Dann atmet sie sichtlich erleichtert aus. „Ich weiß nicht, aber es beruhigt mich irgendwie. Ich meine…so weiß ich irgendwie, dass ich einfach von vornherein keine Chance hatte. Wegen der weiblichen Erbanlagen. Das beruhigt einfach ungemein, wenn du weißt was ich meine….“, meint sie und lacht auf.

Ihr herzliches Lachen steckt irgendwie an. „Ja, da magst du Recht haben…“, antworte ich ihr. „Doch das ändert leider nichts daran, dass ich nicht weiß wie ich antworten soll…“

Und wieder ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt angekommen.

Sie sieht mich fragend an. „Worauf? Den Heiratsantrag, etwa?“

„Ja…“, antworte ich etwas zögerlich. Ich sollte sie damit nicht nerven.

Doch sie scheint da eine andere Ansicht zu haben, denn sie schlägt mir gegen die Schulter und baut sich dann vor mir auf, um mich mit einem recht lächerlich wirkenden, ernsten Gesichtsausdruck anzusehen. „Ich weiß zwar nicht, wer der andere Kerl ist, aber wenn er dir einen Antrag gemacht hat, muss es ihm ernst sein. Du kannst doch nicht einfach nein sagen – hast du denn überhaupt einen Grund dafür?“

Gute Frage. Muss ich zugeben.

Habe ich einen Grund, ihn abzulehnen?

In meinem Kopf drehen sich die Gedanken langsam nur noch im Kreis.

Die Gedanken an Castiel. An dessen Freunde; sein Leben.

Wie er ist; wie er sich verhält – wie ich mich verhalte.

Mein Leben zuvor – das Leben das ich jetzt führe…zusammen mit ihm.

Die Sache mit meinem Vater. Amber.

Einen kurzen Moment lang blitzt sogar die schreckliche Szene mit EJ heute Morgen vor meinem inneren Auge auf…furchtbar.

„Weißt du…vielleicht hast du Recht…“, sage ich und klinge wahrscheinlich wirr wie Alice im Wunderland. Aber egal…

„Wirklich?“ Sie klingt ernsthaft überrascht. „...mit was denn genau?“

Doch ich gebe ihr keine wirkliche Antwort mehr. Ich ziehe nur einen Stift aus einer Sakkotasche und schreibe ihr eine Nummer auf den Arm. „…ruf einfach an, wenn du weiter sprechen willst….ich muss…ich hab noch was richtig zu stellen.“ , ist alles was ich noch sage, ehe ich sie verdutzt an der Bank zurücklasse und zurückrenne.

Zurück. Dorthin, wo ich hergekommen bin…

 

 

Castiel Voltaire

 

Ich sitze hier auf einem niedrigeren Mauerteil…allein. Und fühle mich hundeelend.

Ich kann ihm dennoch nicht verdenken, wie er reagiert hat. Es muss ein ziemlicher Schock für ihn gewesen sein – ein Mann bekommt schließlich nicht alle Tage einen Antrag. Und schon gar nicht von einem anderen Mann.

Und vor allem nicht ein Mann wie Nathaniel von einem wie mir.

Das konnte gar nicht gut gehen. Auch wenn Claire mir etwas anderes einzureden versucht, während sie eine Hand auf meiner Schulter liegen hat – sie meint es ja nur gut.

Ich hätte mich allerdings nie überreden lassen sollen. Das war doch der reinste Unsinn!

Ein total schwachsinniger Plan, der ohnehin nur nach hinten hat losgehen können…wie dumm von mir…

Plötzlich sehe ich auf – ich weiß nicht einmal, wieso. Es war einfach so ein Gefühl.

Und das steht er. Einfach so.

Als wäre er nie weggewesen.

Er steht nur da, sieht mich schüchtern an und knetet etwas nervös seine Hände.

Ich bin Polizist. Und selbst wenn ich es nicht wäre, könnte ich sagen, dass er mir wohl etwas beichten will.

Das könnte ein Blinder mit ‘nem Krückstock.

Ich atme angespannt ein und aus – während ich darauf warte, das Claire ganz von Dannen gezogen ist, sodass er den Mut fassen kann, zu sprechen.

Was auch immer er sagen will…

„Also…Castiel…es tut mir Leid – wegen vorhin, meine ich… Es tut mir wirklich Leid, dass ich einfach abgehauen bin und dich so habe stehen lassen…“, beginnt er eher vorsichtig.

„Aber?“

Er seufzt. Ich wusste es. Ich weiß, was jetzt kommen wird. Als er mich ansieht, kann ich nichts erkennen.

Vermag es nicht zu sagen, was er gerade denkt – aber vielleicht liegt das einfach daran, dass ich dafür zu sehr am Boden bin. Denn das bin ich mit Sicherheit.

Dann fährt er fort. „Aber…ich musste noch über ein paar Dinge nachdenken – mir über einiges im Klaren werden.“

„Okay. Und was wäre das, wenn ich fragen darf?“, kommt es nur etwas tonlos von mir.

Er scheint meinen Gemütszustand zu bemerken und kommt ein Stück auf mich zu. „Schatz…es hatte nichts mit dem Antrag zu tun.“, sagt er leise, erntet dafür aber nur einen Blick von mir, der ihm sagen soll, wie viel ich von dieser Aussage nun halte, woraufhin er mit seinen Augen rollt, ehe er mir wieder in meine sieht. „Also schön, natürlich gab es den Anstoß dafür. Aber eigentlich…eigentlich trage ich das schon sehr viel länger mit mir herum…“

Irgendwie gefällt mir immer weniger, was er da von sich gibt. Kann er mir das Herz nicht etwas schneller brechen?

Das ist Folter – schlimmer als der Song von Barney…

„Aber weißt du…ich habe gerade eine Entscheidung getroffen.“, sagt er.

„Ach wirklich…“, kommt es nur fade von mir.

Doch auf einmal nimmt er mein Gesicht zwischen seine Hände und zwingt mich, ihn anzusehen. Ich habe kaum gemerkt, wie mein Gesicht sich in Richtung Boden gewandt hat, während er sprach.

„Ja, und zwar die Entscheidung, dass ich vielleicht einen Fehler begehe. Vielleicht sogar einen Großen. Ja, vielleicht soll das zwischen uns wirklich nicht sein. Aber ich würde gern erfahren, wie es ist. Es einfach ausprobieren, und sehen was geschieht…“

Ungläubig starre ich ihn an und ja, ich starre ganz bestimmt. „Ist das ein Ja?“

„Vielleicht…“, sagt er mit einem schiefen Lächeln. „…ich denke schon…ja.“

Ich springe von der Mauer auf und ziehe ihn mit hoch. Ich weiß, er mag es nicht, wenn ich ihn anhebe, weil man dann so offensichtlich merkt, wie schmächtig er eigentlich ist.

Aber gerade jetzt ist es mir egal.

Ich lasse einen Schrei heraus, was ihm wahrscheinlich unendlich peinlich sein wird, aber ich muss einfach die Anspannung irgendwie loswerden, die sich in den letzten Minuten aufgebaut hat. Überhaupt waren die letzten Minuten die Hölle gewesen. Aber jetzt ist alles in Ordnung.

Nur durch diese paar Worte…

Offenbar sind wir so auffällig, dass sogar Claire wieder herauskommt. „Hey, was ist denn jetzt los?“, fragt sie mehr als erstaunt und sieht uns breit grinsend an.

Ja, sie ist definitiv EJs kleine Schwester – wie die eine, so die andere. Stecken ihre Nase immer in Dinge, die sie nichts angehen.

Aber naja, ohne sie und ihren Vater, hätte ich nie so schnell einen Tisch hier bekommen und bei den Vorbereitungen haben sie auch geholfen.

Ich bin nämlich tatsächlich nicht der einzige hier.

Ich wünschte, ich hätte weniger aufdringliche Freunde – aber das macht wohl ohnehin keinen Unterschied, schließlich ist Lysander auch da…

Aber das macht alles nichts. Denn das muss gerade so ziemlich der beste Moment in meinem Leben sein.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll…“, sage ich, ein bisschen lachend, während ich einfach nur versuche, das gerade alles zusammen zu kriegen.

„Wie wär’s…wenn du mich runter lässt…“, meint mein leichter Angebeteter und wird sofort rot, wie auf Knopfdruck.

Einfach weil ich gerade so nett bin, tue ich wie mir geheißen und stelle ihn sachte auf dem Boden ab, als EJ auch schon neben uns steht. „Habt ihr nicht was vergessen?“, merkt sie an.

„Ähm…was denn?“, kommt es verwirrt von Nathi, auf dessen Schulter einer ihrer Arme liegt.

„Na, die Ringe, ihr Spinner!“, stößt sie entsetzt aus. „Ich will den Ring an deinem Finger sehen, immerhin hab ich ihn auch beigeschafft!“

Oh, stimmt ja. Schnell fummle ich an meinen Taschen herum, bis ich die kleine Box auch schon bergen kann.

„Tut man das denn bei der Verlobung?“, fragt der Kleine mich, als ich den Ring nehme und ihn an seinen Finger stecke, auch wenn er sich erst ein wenig sträubt.

„Keine Ahnung – aber ich will es tun. Immerhin hat es eine Bedeutung.“, ist meine einzige Entgegnung.

„Ja – und erst mal die Inschrift.“

Diese unbedacht eingeworfenen Worte, meiner kleinen besten Freundin, machen Nathaniel nun wiederum stutzig. „‘Inschrift‘? Sowas wie eine Gravur?“

„Ja, eine Gravur.“, bestätigt sie ihm stolz. „Ich habe die Sache geregelt, also weiß ich auch, was drin steht – aber natürlich nicht sicher, was es genau bedeutet.“

„Was steht denn da?“ Mein Zukünftiger – seltsam, wenn man es so denkt – sieht mich fragend an.

„Da steht ‚Forever…‘ in dem einen Ring und ‚…in Silence‘, auf dem anderen. Auf deinem steht Forever.“

„Und was bedeutet das nun genau?“, fragt er wieder.

Plötzlich tritt EJ einige Schritte zurück – wow, jetzt will sie plötzlich diskret sein, was?

Ein bisschen spät, würde ich behaupten. Aber naja, besser als nichts…

Ich drehe mich zu ihm. „Für immer steht dafür, wie lange ich dich geliebt habe. Wie lange wir uns geliebt haben – denn ich glaube nicht, dass ich dir damals egal war.“, erläutere ich und sehe, wie er langsam nickt. „Und in Stille bedeutet, dass wir nie etwas gesagt haben. Und dass es immer so sein wird…“

Aber vielleicht ist der letzte Wunsch auch einfach naiv. Doch ich erhoffe es mir.

Dass es so bleibt. In stillem Einvernehmen…

 

Dass unsere Liebe ewig währt.

Epilogue

Castiel Voltaire

 

Als wir endlich alles hinter uns hatten, war es eigentlich perfekt.

Ich meine, wir sind verlobt. Wir werden heiraten.

Und wir lieben uns. Das muss doch reichen, oder nicht?

Doch habe ich irgendwie das Gefühl, etwas nagt noch immer an meinem Partner und das stört mich. Denn ich würde nicht wollen, dass er sich zu etwas zwingt, das er nicht möchte.

Auch wenn es ziemlich schlimm wäre, wenn es wirklich so wäre, dass er es nicht wollen würde.

Wir stehen gerade zusammen in seinem Büro und er sieht sich ein paar Akten an – eigentlich wollen wir gleich zusammen nach Hause.

Als plötzlich die Tür hinter uns aufgeht.

Ich habe kaum Schritte gehört – der Eindringling scheint also recht leicht zu sein. Kein Mann, soviel ist sicher.

Doch ehe ich das auch nur wirklich zu Ende sehen kann, erkenne ich auch schon die Person, die im Türrahmen steht.

Ja. Unverkennbar. Sie ist es.

„Amber?“, frage ich, mehr als ungläubig. Witziger Weise habe ich in der Zeit, in der ich und Nathaniel zusammen sind, nicht einmal darüber nachgedacht, dass er ja auch eine Schwester hatte.

Sie sieht allgemein schon ein wenig anders aus als damals – ein bisschen erwachsener. Aber sie ist dennoch einfach unverkennbar, glaube ich.

Als sie mich scheinbar ebenfalls erkennt, sieht sie mich erst schockiert an und sieht dann etwas betroffen zu Boden. Nanu?

So kenne ich sie ja gar nicht….aber auf der anderen Seite: Was weiß ich denn schon über sie?

Schon damals hatte ich eigentlich nichts mit ihr zu tun und jetzt, nach all der Zeit, kann ich wohl kaum glauben, sie irgendwie zu verstehen.

Sie hebt letztendlich ihren Blick und als sie zu Nate sieht, merke ich das erste Mal, wie angespannt er wirkt. Er wird wohl kaum Angst vor seiner Schwester haben, oder?

Warum scheint er so nervös?

„Was willst du hier?“, fragt er harsch. So kenne ich ihn nicht.

Und in diesem Fall werde ich mir wohl ein Urteil erlauben dürfen.

Ihr Gesichtsausdruck wirkt ein wenig gequält. „Ich muss etwas klarstellen…“, sagt sie vorsichtig, aber Nathaniel reagiert lediglich mit einem verächtlichen Schnauben.

„Als ob ich dir noch einmal zuhören würde!“, fährt er sie an.

Noch einmal? Hab ich was verpasst?

„Hör zu…“, beginnt sie wieder.

„Nein! Du hörst mir jetzt mal zu!“ Wow, langsam dreht er wirklich auf. „Ich will nicht länger irgendetwas mit dir, oder meinetwegen auch unserem Vater zu tun haben. Hast du das jetzt verstanden?“

„Warte doch mal! Ich will nicht mit dir streiten!“, jammert sie los.

Und das ist der Moment, in dem ein Erwachsener eingreifen sollte. „So…“, fange ich laut an und halte meine Hände in die Höhe. „Jetzt ist mal kurz ruhe. Ich bin der Meinung, wir sollten sie kurz ausreden lassen und wenn sie nichts Ordentliches zu sagen hat, kann man sie im Nachhinein immer noch rauswerfen. Alles klar?“

Amber nickt bereits energisch, Nate scheint jedoch zu zögern – bis ich ihm eine Hand auf die Schulter lege und ihn fordernd ansehe.

Er rollt mit den Augen. „Von mir aus…“

Dann sehe ich wieder zu ihr. „Also?“

„Nun…Nathaniel, erstmal…“, fängt sie leise an und sagt dann etwas, dass keiner von uns jemals von ihr erwartet hätte. „Es tut mir wirklich sehr, sehr leid! Die Szene damals hier im Büro…das ist mir so peinlich. Es tut mir leid...“

Ich kann nicht anders, als sie geschockt anzusehen – zumal ich wirklich nicht weiß, was während meiner Abwesenheit scheinbar vorgefallen ist.

„Achso…tut es das?“, fragt er skeptisch.

„Ja!“, beteuert sie lautstark und klingt ein wenig verzweifelt. Dann lässt sie ihren Blick erneut sinken. „Ich war damals wirklich…wirklich in Castiel verliebt, weißt du? Als ich dann von Vater gehört habe, was er ihm erzählt hat, als ihm plötzlich wieder einfiel, woher er ihn kannte – was an sich schon irgendwie ein Wunder war – da war ich einfach so…fertig. Ich habe zu viel getrunken. Ich habe mich geändert…wirklich…aber zu viel Alkohol bringt mein altes Ich zum Vorschein, egal wie tief ich es vergrabe…es tut mir wirklich leid, Nathaniel.“, rattert sie herunter und sieht aus, als wäre sie den Tränen nahe.

Wow, viel zu viele neue Eindrücke auf einmal. Was geht denn jetzt ab?!

Sie tritt ein paar Schritte zurück, wieder auf die Tür hinter sich zu. „Ich hoffe, du kannst mir mein Verhalten verzeihen – nicht nur das von vor ein paar Tagen, sondern auch das von damals. Ich wollte nie, dass du gehst…ich will das du das weißt.“, sagt sie und nickt, als würde sie sich selbst bestätigen wollen und dreht sich dann rasch um.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Nate sich bewegt und dann höre ich auch schon seine Stimme. „Warte!“, ruft er ihr hinterher. „…warte noch kurz…“

Sie dreht sich  um und sieht uns beide an. „Was denn…?“

„Also…wenn du willst, dann kannst du kommen. Zur Hochzeit, meine ich. Aber nur wenn du willst…es ist natürlich nicht so eine klassische Hochzeit, da es keine Braut gibt, aber ansonsten soll alles normal sein…es ist deine Entscheidung…“, sagt er und klingt ein wenig unschlüssig.

Das hätte ich nicht erwartet – aber ich sage auch nichts, da das alles hier ein wenig seltsam ist.

Am besten tue ich weiterhin so, als wäre ich gar nicht hier.

Ja, das wäre das Beste…

Sie lächelt ihn an, noch immer mit ein paar Tränen in den Augenwinkeln und nickt. „Okay…danke…“,  ehe sie sich endgültig umdreht und verschwindet.

Kennt sie überhaupt das Datum?

Oder den Ort?

…aber das ist scheinbar egal.

Ich beuge mich zu meinem Schatz herunter und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn. „Hast du fein gemacht.“

Woraufhin er mich mit einem Todesblick ansieht, der auch von einem dieser kleinen Kläffer stammen könnte, die einen immer anbellen und beißen wollen.

Irgendwie nicht ernst zu nehmen eben.

Daher lächle ich ihn nur an und nehme ihn in den Arm.

Ja, das wird sicher eine tolle Hochzeit, egal wie unkonventionell.

Und es wird ein tolles Leben, egal was andere dazu sagen.

Wir werden zusammen bleiben.

Wie sagt man so schön bei der Hochzeit?

 

Bis das der Tod uns scheidet.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.07.2014

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