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Lieber Freund,

 

lange habe ich nichts von dir gelesen, dachte ich du hast keine Zeit oder mich nun doch vergessen. Wie sehr habe ich mich gefreut als da heute wieder eine Nachricht von dir war. Es stimmt, du bist zu spät für meinen Geburtstag. Der ist wirklich schon ein paar Tage her, aber niemals könnte ich dir böse sein. Wichtig ist nicht nur das Timing zu gratulieren, sondern auch wie und wer. Ich lese deine Worte, die wie immer wunderbar klingen, abgestimmt sind und mir Freude bereiten.

 

Weißt du, es ist schon komisch, denn selten mache ich mir so tief gehende Gedanken über die Menschen, die eigentlich nur meinen Weg einer Tangente gleich berühren. So wie einst du. Per Zufall sind wir uns auf der Datenautobahn begegnet. Diesem mächtig pulsierenden Strang der sich über den gesamten Erdball zieht. Unglaublich mit welchen Mitteln wir es heute schaffen uns durch die Welt zu bewegen, ohne uns zu bewegen. Schreiben einen Brief und schicken ihn per Mail. Oftmals sind die Daten in Sekundenschnelle dort, wohin sie geschickt wurden. Plötzlich ist der Erdball nicht mehr groß, zählen Kilometer nur noch sehr wenig, denn wir sausen mit Lichtgeschwindigkeit durch den virtuellen Orbit. Als ich ein Kind war, war das ein unrealistischer Traum und heute telefonieren wir sogar mit Bild durch die ganze Welt!

 

Meine Anfänge auf der Bahn waren schwer, gekennzeichnet von Missverständnissen und Täuschungen. Ich war schnell auf der Datenautobahn, viel zu schnell und die Leistungsstärke dessen, was ich brauchte, hatte ich nicht. Ich bin doch eher der langsame Typ, mit der Wertvorstellung, nicht der Raser mit der Leistung. Wie irre bin ich durch den Orbit gerast, völlig benebelt und fasziniert von den Möglichkeiten. Ich habe was Neues gesucht und Rat! So landete ich auf dieser Plattform unter Gleichgesinnten. Menschen hinter einem Pseudonym versteckt, die mit den gleichen Freuden und Problemen kämpften wie ich. Geschützt hinter dem Nickname kann jeder ehrlich sein, so dachte ich, aber welch Fehler. Es gab viele Gleichgesinnte, aber dann plötzlich sind verbale Attacken da, Jemand anderer Meinung als du und greift dich mit seinen Worten an. Es tat weh, genauso als würde es real passieren, von Angesicht zu Angesicht.

 

Schön war es, als es dich auf dieselbe Raststätte gespült hat.

 

Wir haben das Gleiche gesucht und auch gefunden. Wie scheu und doch manchmal kühn waren die ersten Kontakte. Anfänglich lasen wir uns im Forumsblog. Wir formulierten unsere Texte auf unsere Weise, ergänzten was der Andere übersah und bereicherten unseren Horizont. Es gab Gutes und weniger Gutes zu berichten und es fing an das du mir mit deinen anderen Sichtweisen zur „Krücke“ wurdest, weil ich lernte umzudenken. Deine Worte waren sensibel und durchdacht, aber manchmal auch ein Weckruf und Donnerhall. Alles zu seiner Zeit am rechten Ort!

 

Später trafen wir uns abends im Chat, gemeinsam mit Anderen. Dort regierte sehr oft Gevatter Humor und es wurden reichlich Späße gemacht. Ein Treffen unter Freunden ohne sich zu sehen! Wir haben miteinander gelacht, geweint, geredet, ohne unsere Anwesenheit, aber auch ohne uns in Frage zu stellen.

 

Anfänglich sieht man in solchen Foren nur einen neuen Nickname. Wenn man ihm öfter begegnet, fängt man an seine Texte zu lesen und spätestens da entscheidet die Chemie. Wenn es einem gefällt was dort geschrieben steht, dann stellt man sich seinen Gegenüber vor. Es ist wie ein angeln im trüben Wasser. Erst füttert man den Gegenüber an, streut hier und da Bemerkungen und Fragen. Ich mache das so und so.....Wie würdest du das beschreiben.....Welche Hobbys hast du....und nachher...Wie siehst du aus? Dann geht es los und man beschreibt vielleicht sich selbst, meist sehr subjektiv und die Fehler betonend. So kann Niemand enttäuscht sein, wenn ein Treffen im normalen Leben bevorstehen könnte. Wir Beide sind selbst unsere größten Kritiker, denkst du nicht auch? Doch irgendwann ist es egal wer der Andere ist, was er hat, er tut oder wie er aussieht. Man spürt mehr und mehr den Menschen und das er gefällt.

 

Du warst die Ruhe selbst. Es schien so. Meist wähltest du deine Worte mit Bedacht, wägtest sie lange ab, um wirklich am Schluss die Botschaft zu senden, die du aussagen wolltest. Dann saß ich lange vor dem PC, schaute immer wieder nach, wurde ungeduldig, wenn nichts kam. Manchmal dauerte es Tage, bis ich dich las und meist lohnte es sich! Herrliche Vergleiche, sprachliche Ausflüge, sanfte Worte und schallender Humor, so habe ich dich beschrieben und es passt. Längst schon haben wir Forum und Blog verlassen, schreiben uns per Mail und Nachrichten, aber auch heute freue ich mich an deinen Worten, frage ich dich um Rat.

 

Dazu kommt ein Müllcontainer vor deiner Tür, den du mir ans Herz gelegt hast. Sondermüll der Marke Seelenschmerz kommt da hinein. Schmeiße einfach alles rein, hast du gesagt. Danach kannst du die Entsorgung wählen, mit oder ohne Kommentar. Und so wie du es geschrieben hast, war es gemeint. Anfänglich waren es Kleinteile die da flogen und nachher die dicken Brocken Sondermüll. Alles ist da hinein und es war gut so, machte leichter! Ab und zu bat ich dich die Entsorgung zu machen und das mit einem Kommentar. Es war interessant wie du die Dinge siehst, du es aufschreibst, beschreibst. Hinter deinen Worten entdeckte ich stets eins – deine empfindsame Seele, mit der du dich in die Situationen hinein dachtest.

 

Schön dachte ich immer, so ein unbekannter Freundeshalt im Nirgendwo auf der Datenautobahn. Im Irrsinn und Wettrennen des Alltags, kann ich dort parken und Luft holen. Als das mein Bewusstsein streifte war es völlig klar! Du bist mir ein echter Freund, egal ob unbekannt oder nicht! Ich kenne dich, auch ohne dich gesehen zu haben, denn deine Worte verraten alles was ich wissen muss. Mein Vertrauen in dich ist groß und nichts auf der Welt kann es nun noch erschüttern.

 

Ich war mir nicht sicher, ob ich das Internet mag, aber diese Zeit war wertvoll. Zusprache und Anerkennung. Die Seele gestreichelt bekommen in der Hetze des Tages. Ja, das Internet ist nicht nur gefährlich, es birgt auch seine eigenen Schätze und die sind kostbar und rar. Du warst einer der Juwelen die ich fand, die mich dazu brachten voran zu gehen. Ich habe tatsächlich noch andere Schätze und Juwelen gefunden und ich bin froh die Datenautobahn betreten zu haben.

 

Mein lieber Freund, deine Wünsche für mich sind wundervoll. Sie sprechen ihre eigene Sprache und ich nehme sie dankbar mit. Du bist für mich wie ein scheues Tier. Suchst, tauchst auf, streunst herum und dann bist du nicht mehr zu sehen. Scheinst verschreckt. Die Erinnerung und Neugier treibt dich irgednwann zurück und kurz sehen wir uns im Chaos des Netzes, bevor wir wieder entschwinden. Manchmal glaube ich Verletzungen zu sehen und spüre Nuancen der Trauer, aber dann sind sie auch schon wieder weg. Bist du weg. Bis zum nächsten Mal.

 

Es ist genau so geworden, wie du es am Anfang wolltest. Wir lesen uns mal hier mal da, aber nicht regelmäßig. Dennoch bin ich sicher, wir haben in dem anderen einen Menschen gefunden dem Werte wichtiger sind als Leistung. Ich danke dir für deine Augen und deren Sicht. Lehne mich zurück, lese deine Nachricht noch einmal und freue mich. Schön das du da warst Freund. Schön das du daran teil hast mich zu füllen. Wann immer du mich brauchst, rufe mich und ich rase dahin auf der Datenautobahn, werde mit Vollgas in deine Richtung fahren.

 

Mittlerweile weiß ich sogar wohin ich fahre und wir kennen unser Gesicht, doch nichts hat sich geändert, weder für dich noch für mich. Wir haben noch andere Menschen in unseren Kreis eingelassen und Ähnliches erlebt. Ein Austausch von Informationen, Freud und Leid des Alltages findet statt, ganz selbstverständlich mal mehr und mal weniger. Ganz nach dem Takt des auf und ab des Lebens.

 

 

 

Ein letztes Wort sei mir gestattet. Auch vor meinem Haus steht jetzt ein Container mit Sondermüll, aber wichtiger ist, in meinem Cyber - Garten steht eine Bank. Jederzeit können wir uns dort treffen und verweilen, still oder schreibend, dass entscheiden wir gemeinsam. Wir teilen Informationen, trinken eine Tasse Kaffee zusammen oder schenken uns reinen Wein ein. So verlängern wir die Blüten der Freundschaft und binden sie zu einem Strang! Ich für meinen Teil hoffe, dieser Strang möge noch lange halten.

 

Danke mein Freund, auch dieses Mal spülten deine Wort wie ein Welle in meinen Geist und hinterließen ein Lächeln im Gesicht.

 

 

 

 

Herzlichst deine Freundin

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.10.2014

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