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Entscheidung in den Highlands

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

von

 

 

 

Karin Kaiser

Kapitel eins

Nachdenklich sah Mia aus dem Fenster des schottischen Cottages, das sie und Markus für zehn Tage gemietet hatten. Ihr Blick schweifte über die sattgrünen Wiesen. In der Weite sah sie das Meer, wie es sich stürmisch gegen die Felsen warf. Dunkelgraue Wellen, fast so dunkel wie der wolkenverhangene Himmel darüber, türmten sich immer wieder auf, um die Felswände weiter zu attackieren. Mia war ähnlich aufgewühlt wie das Gewässer, auf das sie blickte. Sie war wütend, traurig und enttäuscht. Vor einer Stunde hatte sie mit Markus einen bösen Streit gehabt. Wie so oft in diesem Jahr. Immer wieder war es dabei um dasselbe Thema gegangen. Sie hatte einfach genug von der undankbaren Rolle der heimlichen Mätresse. So oft hatte sie schon gehofft, Markus würde endlich seine Frau verlassen, mit der er angeblich so unglücklich war, dass er sich eine Geliebte halten musste.

Vor drei Jahren hatten sie sich heftig ineinander verliebt, als Mia auf der Karriereleiter ihrer Firma einen großen Sprung machte und zur Stellvertreterin des Leiters der Verkaufsabteilung geworden war. Es hatte viel zu tun gegeben, es gab viele Überstunden, die sie zusammen verbrachten. Mia hatte sich immer mehr zu dem attraktiven dunkelhaarigen Mann mit dem entschlossenen Blick in seinen braun-grünen Augen hingezogen gefühlt. Er war gute zehn Jahre älter als Mia. Obwohl sie wusste, dass er verheiratet war und zwei Kinder hatte, hatte sie ihm nicht widerstehen können. Auch er konnte sich ihr nicht entziehen; bei einer gemeinsamen Geschäftsreise waren sie dann leidenschaftlich übereinander hergefallen. Markus hatte sich bei Mia stets beklagt, wie schlecht es mit seiner Frau im Bett und im restlichen Leben lief, doch er war nie bereit gewesen, sich für Mia von seiner Gattin zu trennen. Wegen der Kinder. Mittlerweile hielt Mia dies für eine faule Ausrede. Vermutlich war er einfach zu feige, sich von seiner Frau zu trennen. Oder, was wohl eher der Fall war, er pickte sich bei jeder Frau die Rosinen des Lebens heraus. Leidenschaft mit Mia aber familiäre Sicherheit bei Frau und Kindern. Dass Mia sich aber genauso nach Geborgenheit und Familie sehnte, kam ihm nicht in den Sinn. Oh, sie hatte die Nase so voll von diesen verdammten Heimlichkeiten! Niemand durfte etwas von ihrer Liebe wissen, nicht einmal ihre eigenen Eltern hatte sie einweihen dürfen. Ständig musste sie auf Abruf stehen, sexy-elegant gekleidet, rassig und auf Knopfdruck bereit für Sex. Eigentlich hätte Mia schon längst mit Markus Schluss machen müssen, aber dafür hatte sie ihn einfach zu sehr geliebt. Heute hatte sie ihn vor die Wahl gestellt: sie oder seine Frau. Daraufhin war er rasant an die Decke gegangen. Das hatte ihm aber noch nicht gereicht; er hatte auch noch versucht, sie zu unter Druck zu setzen. Er könne schnell dafür sorgen, dass sie ihren guten Posten in der Firma verlieren würde, wenn nicht alles so bliebe wie in den letzten drei Jahren. So hatte er dafür gesorgt, dass auch der letzte Rest Liebe sich aus Mias Herz verabschiedete. Das hatte sie Markus ins Gesicht gesagt. Niemals würde sie sich von irgendjemandem unter Druck setzen lassen.

Daraufhin hatte er ihr wutentbrannt ins Gesicht geschrien, sie sei eine Erpresserin, wenn sie ihn vor eine solche Entscheidung stelle. Das hatte Mia entsetzlich geschmerzt und es war ihr klar geworden, dass er sie gar nicht wirklich liebte. Dieser elende Egoist. Sollte doch ein anderes Dummerchen ihren Platz einnehmen, sie hatte die Nase voll davon, sein Kunst- und Sex-Objekt zu sein. Er war wütend aus dem Raum gestürmt und kurze Zeit später mit Sack und Pack abgefahren.

 

Es tobte immer noch so viel Wut durch die junge Frau, dass sie beschloss, trotz des Regens hinauszugehen. Sie musste ihrem Ärger Luft machen. Mia verließ ihren Platz am Fenster und ging hinauf ins Schlafzimmer. Sie entschied sich bewusst für ihre alte Lieblingsjeans und ein lockeres graues Sweatshirt. Im Bad betrachtete sie sich kritisch im Spiegel. Die sorgfältig aufgelegte Wimperntusche war verlaufen und zog sich als schwarze Tränenspur über Mias Wange, ihr glattes schwarzes Haar war hinten hochgesteckt. Entschlossen drehte sie den Wasserhahn auf, um dann sorgfältig ihr Gesicht zu reinigen, bis auch der letzte Rest Make-up verschwunden war und ihre Haut rosig schimmerte. Sie löste die Hochsteckfrisur auf und ihre Haare legten sich glatt um ihre Schultern. Ärgerlich verengten sich ihre hellbraunen Augen. Sogar die Länge ihrer Haare hatte Markus ihr vorgeschrieben. Auch musste sie ständig geschminkt und sexy-elegant herüberkommen. Aber damit würde jetzt endgültig Schluss sein; sie war einfach nicht dieser Typ Frau, sie hatte keine Lust, ständig Make-up und teure, sexy Klamotten zu tragen. Ab sofort war eine Typänderung angesagt.

Draußen erwartete Mia ein heftiger Wind, der die Regentropfen in ihr Gesicht peitschten, sie fühlten sich auf ihrer Haut an wie kleine Nadeln. Aber das war der jungen Frau gleich. Sie liebte dieses stürmische Wetter. Der Regen war zwar lästig, jedoch kein Grund, wieder hineinzugehen. Markus wäre bei so einem Wetter natürlich zu Hause geblieben. Er war ja von Anfang an nicht von den Highlands begeistert gewesen, aber Mia konnte einem Luxus-Urlaub in der Karibik jedoch partout nichts abgewinnen. Sie hatte sich sofort in dieses kleine Cottage verliebt, als sie die Anzeige im Internet gelesen hatte. Es hatte ihr gefallen, wie trotzig sich dieses kleine Haus an die Hochebene klammerte und scheinbar jeder Witterung standhielt. Mia nahm einfach irgendeinen Wanderweg, der in Richtung Berge führte. Die frische Luft tat gut, aber die junge Frau konnte dennoch den üblen Streit vorhin nicht vergessen. Immer noch sah sie Markus wutverzerrtes Gesicht vor sich, hörte seine gehässige Stimme. Es tat so irrsinnig weh zu merken, dass sie so viel Zeit mit einem solchen Mann verschwendet hatte. Sie hatte ihn wirklich geliebt und immer wieder gehofft, er würde für sie seine Frau verlassen, aber dem war wohl nicht so. Zudem hatte sie das Gefühl, dass sie in diese Beziehung viel zu viel Gefühl investiert hatte. Jetzt stand sie als die Böse da, weil sie ihm ein Ultimatum gesetzt hatte. Gegen ihren Willen kamen ihr wieder die Tränen, aber sie unterdrückte sie nicht mehr, sondern setzte sich auf einen Felsen und ließ ihnen freien Lauf. Mia wusste nicht, wie lange sie dort vor sich hin geweint hatte, als eine tiefe männliche Stimme sie aufschreckte.

„Ist alles in Ordnung?“

Mia blickte auf. Vor ihr stand Ian McDubh, der Vermieter ihres Cottages. Er sandte ihr einen besorgten Blick aus tiefblauen Augen zu, seine kupferroten Locken wurden vom Wind in sein Gesicht geweht und verliehen ihm ein jungenhaftes Aussehen. Sein Gesicht wirkte entschlossen, hatte aber auch empfindsame Züge. Sein Blick sagte ihr deutlich, dass Lügen keinen Zweck hatte. Sie schüttelte den Kopf.

„Nichts ist in Ordnung“, antwortete sie mit zittriger Stimme.

„Ich gehe mal davon aus, dass es nichts mit dem Ferienhaus zu tun hat“, sagte er und setzte sich ungefragt auf den Felsen neben Mia.

Sie sandte ihm ein zaghaftes Lächeln zu.

„Nein, das Haus ist toll und die Gegend gefällt mir auch.“

„Dann liegt es wohl an ihrem Freund. Der muss verdammt sauer gewesen sein, so blind, wie er auf der Straße herumgefahren ist. Wenn ich nicht auf die Seite gesprungen wäre, hätte er mich über den Haufen gefahren.“

„Oh ja, der war sauer. Im Übrigen ist er jetzt mein Ex-Freund.“

Ian McDubh runzelte erstaunt die Stirn.

„Haben Sie ihm den Laufpass gegeben?“

„Nein, er mir.“

„Warum zum Teufel macht er mit einer solchen Frau Schluss?“

„War das ein Kompliment?“

Seine Augen blitzten tiefblau und humorvoll auf. Ein zweideutiges Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

„Kann man so sehen.“

„Ach, Mr. McDubh, ich will Sie gar nicht mit meinem verkorksten Privatleben belästigen.“

„Sieht aber aus, als könnten sie einen guten Zuhörer vertragen. Nun?“

„Na gut. Aber Sie sind schuld, wenn ich Sie langweile. Mein Freund hat Schluss mit mir gemacht, weil ich endlich eine Entscheidung von ihm wollte. Seine Frau oder ich. Ich hatte genug von diesen verdammten Heimlichkeiten, ich wollte endlich Klarheit haben.“

„Er hat sich wohl toll gefühlt dabei, dass zwei Frauen um ihn gebuhlt haben.“

„Sie hat, glaube ich, noch keine Ahnung, dass er sie betrogen hat. Aber ich bin ja die böse Geliebte, das Ungeheuer, das einen Familienvater verführt hat.“

„Es gehören immer zwei dazu. Was werden Sie jetzt tun? Wollen Sie wieder nach Hause fahren?“

Mia zuckte die Schultern.

„Ich weiß es nicht. Ich würde ja gerne noch bleiben, aber alleine wird mir da oben wohl schnell die Decke auf den Kopf fallen.“

„Das kann ich verstehen. Ist ziemlich einsam

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Bei den Autoren
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 31.10.2016
ISBN: 978-3-7396-8124-5

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