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Kapitel 1

Ich mochte meinen Job, ich mochte meine Freunde, ich liebte meinen Freund und mit seinen Freunden kam ich auch gut zu Recht. Doch dieser verregnete Nachmittag im Sommermonat Juli, sollte mich die letzten zwei, vermeintlich glücklichen Jahre in Frage stellen lassen. Ich stand im strömenden Regen vor der Schaufensterscheibe des kleines Cafés an der Straßenecke. Eine Arbeitskollegin hatte mich angerufen, mir gesagt: „Emily, komm schnell zu diesem Café in der Baker Street. Ecke Blake. Da sitzt der Typ, der als Bild auf deinem Schreibtisch steht, Arm in Arm mit einer Brünetten.“ Hailey log mich nie an, also machte ich, dass ich vom Sofa hoch kam und rannte, so wie ich war, nur in Flip Flop, ausgeleiertem Top und einer alten Sport Shorts los. Es begann zu regnen, als ich gerade die zweite Straße überquert hatte. Hailey stand unter einem schwarzen Schirm mit weißen Punkten. Ihre platinblonden Haare waren zu einem Dutt gerafft und ihr graues Top hing über einer Schulter hinunter. Sie machte einen Schritt auf mich zu, als ich vollkommen außer Atem bei ihr ankam und die Hände schnaufend in die Seite stemmte. „Wo?“ Meine Frage war eher ein Keuchen. Fühlen tat ich im Moment gar nicht. Ich stand schlichtweg unter Schock. Stumm zeigte meine Kollegin auf das Schaufenster. „Hinten im Gang, in Richtung Toilette. Es tut mir so Leid, Emily.“ Ich trat unter ihrem Schirm hinaus, näher an die Fensterscheibe. Liam saß da, den Arm um eine braun gebrannte Brünette gelegt. Ihre perfekten hellbraunen Strähnchen und ihr akkurat geschnittener Bob wogten hin und her, während sie mit vorgehaltener Hand über einen Witz lachte, den mein Freund machte. Ihr gegenüber saßen zwei seiner Freunde. Will und Mike. Auch sie lachten und Mike klatsche vor lauter Freude in die Hände. Ich wollte glauben, dass es nur eine Freundin war, eine Arbeitskollegin, vielleicht eine Cheerleaderin. Doch dann beugte sich Liam lachend zu ihr und küsste sie zärtlich auf den Mund. Ich konnte förmlich sehen, wie er ihr die Zunge in den Mund schob. Mir war plötzlich eiskalt und heiß zusammen. Ich spürte, dass ich zitterte. „Emily?“ Hailey legte mir behutsam eine Hand auf die Schulter und ich flüsterte: „Schon gut, danke, dass du mich angerufen hast. Ich komm jetzt klar.“ Sie zögerte doch dann sagte sie: „Wenn du irgendetwas brauchst, du kannst mich anrufen.“ Ich hörte ihre hohen Schuhe immer leiser werdend hinter mir. Ich atmete schwer und hauchte immer wieder auf die Scheibe. Er hatte gesagt, dass er bei Mike sei, einen trinken gehen würde und ich nicht warten solle, es würde spät werden. Mit diesen Worten war er im Bad verschwunden, hatte sich seit über einem Jahr die Haare mal wieder gestylt und in einer Wolke aus After-Shave in seinem neusten Hemd die Wohnung verlassen. Ich hatte mir dabei nichts gedacht, wenn ich mit meinen Kollegen oder Freunden unterwegs war, lief ich schließlich auch nicht so herum, wie heute. Aber nun, nun bereute ich, dass ich ihn in letzter Zeit immer wieder alleine um die Häuser ziehen ließ. Das war die letzten neun Wochen so gewesen. Kollegen, Freunde, ihre Schwester, alle hatten sie gefragt, ob sie das für eine gute Idee hielt. Ihn alleine und unbehelligt, bis tief in die Nacht alleine feiern zu lassen. Sie hatte darauf geantwortet, sie würde ihm vertrauen, er liebte sie. Wieso sollte er sie betrügen, wenn sie alles für ihn tat? Nun den Grund wusste sie nicht, aber die Bestätigung, dass sie alle Recht behielten. Sie konnte nicht weinen und sie wollte es auch nicht. In ihr schlug ihr eingefrorenes Herz nur, um Blut durch ihre Adern zu pumpen und sie am Leben zu halten. Die Brünette in dem Café erhob sich und ich konnte ihre hohen Schuhe sehen, erkennen, dass sie dürr war, komplett in ein schwarzes Pailletten-Kleid und eine schwarze Strumpfhose gehüllt war. Ihre Arme waren so braun, wie der Rest ihres Körper. Ich konnte beinah Liam's abfällige Stimme hören, wie sie sagte: „Deine Kollegin Lisa sollte sich die Sonnenbank auch mal besser verkneifen. Das sieht ja super künstlich aus. Und nun, hatte er beschlossen, seine natürliche und nette Freundin, mit einer Sonnenbank gebräunten und mit Kunstnägeln bestückten Tussi zu betrügen. Vielleicht war sie ja nett, schoss es mir durch den Kopf. Ich war einfach zu gut. Langsam ließ ich mich auf die Knie sinken. Meine Kleidung war vollkommen durchnässt und klebte an mir, als wäre sie meine zweite Haut. Meine Haare hingen wie ein Mantel um mein Gesicht. Als sie von der Toilette zurück kam, half Liam ihr in die Jacke und griff den Schirm, den sie ihm hinhielt. Sie kamen heraus, doch es war mir gleich. Sie hakte sich bei ihm ein, er öffnete keine zwei Meter von mir entfernt ihren Schirm. Ein pinkes kitschiges Teil, doch es schien ihm vollkommen egal. Mike und Will zogen sich ihre Kapuzen tief ins Gesicht und meckerten über das Sauwetter. Sie schien von nahem älter als Liam. Liam war gerade 23 geworden und ich war 21 Jahre jung. Er war seit drei Jahren meine große Liebe. Ich war mit ihm durch dick und dünn gegangen. Hatte ihn gepflegt, wenn er krank war, ihm alles ermöglicht, ihm als er knapp bei Kasse war die Playstation geschenkt, die er sich so sehr wünschte und all das ließ er einfach fallen, für eine Frau, die locker an die 30 heranreichte oder zumindest so aussah. Sie wandten ich in meine Richtung und gingen an mir vorbei. Ich hörte sogar, wie sie sagte: „Wow, die hätte besser auch mal 'nen Schirm gehabt!“ Und endlich setzte die Trauer ein und das Unverständnis wuchs ins Unermessliche, als er über ihren Kommentar lachte.

 

Es fröstelte mich und die Leute starrten mich wie gebannt an. Mit meinen Armen versuchte ich mich warm zu Rubbeln. Ich hatte nichts mit. Kein Geld, kein Handy, keinen Schlüssel. Ich fühlte mich leer, alleine und zutiefst betrübt. Meine salzigen Tränen vermischten sich mit dem unerbittlichen Regen, der weiter auf mein Gesicht prasselte. Irgendwann stand ich vor der Wohngemeinschaft meiner Freundin Ava. Es war Samstag und reichlich unwahrscheinlich, dass sie zu Hause war. Sie war meine beste Freundin, aber da ich die Eigenart entwickelt hatte, mich lieber mit einem Buch zu Hause zu verkriechen und sie als Single feiern wollte, kamen wir momentan nicht gut zusammen. Es war Catherine, ihre Mitbewohnerin, die mir auf mein Klingeln hin die Türe öffnete. Sie brüllte über die Schulter: „Ist bestimmt die Pizza.“ Dann stutzte sie, als sie mich klatschnass auf der Fußmatte stehen sah. „Ach du liebes Bisschen!“ Dann zog sie mich am Arm aus dem Regen in die trockene Wohnung. „AVA,“ rief sie dann und eilte von mir weg ins Bad. Ava kam mit Lockenwicklern im Haar aus ihrem Zimmer. „Ja, wo bist du denn? War es die?“ Ihre Augen weiteten sich, als sie mich im Flur erblickte. Schnell kam Catherine zurück und wickelte mich in große Handtücher. „Was ist passiert?“ Ich sank im Flur an der Wand zu Boden und begann zu schluchzen. Ein lautes, trockenes und sehr undamenhaftes Schluchzen. Aiden, Ava's Bruder, der ebenfalls in dieser WG wohnte kam, um nachzusehen, was hier vor sich ging. „Herrgott, holt sie doch von dem nassen, kalten Boden weg.“ Er half mir auf und brachte mich in die Küche. „Ich hole ihr trockene Kleidung,“ murmelte Catherine und Ava rubbelte mit dem Handtuch über meine Haut. „Süße, hol mal Luft. Und dann erzähl mir, was los ist. Du siehst grauenhaft aus. Deine Lippen sind ganz blau.“ Sie drehte ihr den Rücken zu und setzte den Wasserkocher auf den Herd. Aiden bot mir eine Zigarette an, doch statt sich selbst eine anzuzünden, steckte er sie sich hinter sein Ohr. Seine Glatze spiegelte das Licht der Deckenleuchte. Ich lehnte die Zigarette mit einem vehementen Kopfschütteln ab. „Komm wir holen dich erst mal aus den nassen Klamotten,“ meinte Ava, als Catherine ihr einen Stapel Kleidung reichte. Sie half mir vom Stuhl auf und brachte mich ins Bad. Während sie mich aus meiner nassen Kleidung schälte, versuchte ich mich zu beruhigen. „Einen BH, der dir passt haben wir leider nicht, Süße, ich hoffe das geht trotzdem so. Ich nickte und biss mir auf die Lippen, um den nächsten Schluchzer zu unterdrücken. So kam es, dass ich nach ein paar Minuten mit Ava zurück in die Küche ging. Der Wasserkocher pfiff und zeigte, dass das Wasser heiß genug zum servieren war. Sie goss das Wasser über einen Teebeutel und stellte mir die dampfende Tasse unter die Nase. Mein Blick fiel unwillkürlich auf die Uhr. Als Hailey angerufen hatte war es 19:00 Uhr gewesen. Nun war es bereits kurz vor elf. Ich hatte also gute vier Stunden im Regen verbracht, ohne es zu merken. „Nein, wir kommen heute nicht mehr. Haben einen Notfall mit Ava's bester Freundin. Ja, vielleicht nächste Woche. Bye.“ Aiden tauchte neben Catherine auf. Die drei standen mir nun gegenüber und sahen mich fragend an. Ich probierte einen tiefen Atemzug, der zwar zittrig war, aber nicht mehr schluchzend. Ich räusperte mich und begann kleinlaut mit meiner Schilderung des heutigen Horror-Nachmittags.


„Dieser Mistkerl,“ warf Catherine ein und ihr feines und dünnes Gesicht nahm eine fleckige, rote Farbe an. Aiden und Ava hingegen tauschten einen kurzen Blick. „Was sollte der Blick?“ Meine Frage klang schärfer, als ich es beabsichtigt hatte. Aiden rieb sich über die Glatze und sagte dann: „Ich habe die beiden vor zwei Wochen im Club gesehen. Sie haben getanzt. Hab mir nichts dabei gedacht, weil Liam doch Football spielt und ich dachte sie sei nur eine Cheerleaderin.“ Ich starrte Aiden entgeistert an. Dann funkelte ich zu Ava. Ihr stand das schlechte Gewissen auf der Stirn geschrieben. „Ich habe mit Will telefoniert, letzten Freitag. Du weißt schon, wo du mir erzählt hast, dass Liam bei Will ist, um ihm beim renovieren zu helfen.“ Ava schluckte und sah auf ihre perfekt manikürten Finger hinab. „Nun ja, als ich Will fragte, wie sie mit den heutigen Renovierungsarbeiten zu Recht kämen, hat er mich gefragt, wen ich meinen würde. Er wäre ganz alleine hier und würde Tapete abreißen. Ich habe nicht weiter nach gefragt und ich wollte dich beschützen, indem ich dich nicht beunruhige.“ „Ich fasse es einfach nicht,“ murmelte ich und rieb mir über das Gesicht. „Ihr alle habt gesagt, dass er mich betrügen würde, wenn ich ihn ständig alleine weg gehen lasse, du, Hailey und auch meine Schwester Ella. Aber niemand, niemand hält es für nötig mir zu sagen, wenn er es tut, außer Hailey?“ Nun war ich auch noch enttäuscht und wütend auf meine beste Freundin und ihren Bruder. „Wir wussten ja nicht, dass er dich betrügt, nur dass er lügt, indem, was er dir erzählt, wo er hin geht.“ Aiden hob abwehrend die Hände. „Ach und das ist viel besser, oder wie?“ Meine Stimme war eine Oktave höher geworden, so dass ich nahe zu kreischte. „Komm mal wieder runter, wir wollten dich nur beschützen und dir nicht weh tun.“ „Ja, das ist jetzt zu spät.“ Wir hüllten uns in Schweigen. Tief in mir wusste ich, dass es unfair war, aber ich sagte es trotzdem: „Ich dachte, ihr wärt als meine Freunde immer für mich da, stattdessen schafft das eine Arbeitskollegin, mit der ich maximal auf Weihnachtsfeiern ein paar private Worte gewechselt habe.“ Ich bettete mein Gesicht in den Händen, doch es wollten oder konnten keine Tränen mehr fließen. „Jetzt wirst du aber ein bisschen unfair,“ meinte Catherine. Und Ava fügte schnaubend hinzu: „Ein bisschen? Ly, ich wollte immer, dass du mit uns kommst, raus kommst, was von der Welt siehst. Dich von ihm los bekommen. Ich meine, er passte nie zu dir. Und du hast es vorgezogen, dich einzumauern und alleine zu Hause zu versauern. Du hast dich für ihn zum Hausmütterchen gemacht und ihm hinterher gewischt, so kenne ich dich nicht. Du hast dich total verändert, aber ich kenne deine Reaktion, wenn ich dir das vorgeworfen hätte und genau deshalb, weil du so blind warst, habe ich dir nichts gesagt. Du hättest mir eh nicht geglaubt und ich dich verloren.“ Hatte sie Recht? Wahrscheinlich, aber in dem Moment war es mir egal. Ich fühlte mich, als sei die gesamte Welt gegen mich, als stand ich auf, knallte die Tasse Tee auf den Tisch und fauchte: „Na, wenn das so ist, dass vergrab ich mich wieder zu Hause. Gib mir bitte meinen Haustürschlüssel. Ich bin so überhastet aufgebrochen, dass ich ihn vergessen habe, weil, ach ja, weil mein Freund mich seit Wochen betrügt und meine Freunde Bescheid wissen, genauso, wie seine.“ Ich keuche auf Grund meines Ausbruchs und nun zeichnen sich auf Ava's sonst so ruhigem und gütigem Gesicht hektische Flecken ab. Sie stapft in den Flur und knallt mir meinen Haustürschlüssel auf den Tisch. Ein Foto von uns beiden ist als Anhänger daran befestigt. Sie atmet einmal tief durch und sieht mich mitleidig an. „Willst du nicht lieber hier bleiben? Was machst du, wenn er heute Nacht zurück kommt? Wie reagierst du? Kommst du damit zu Recht?“ „Lass das mal meine Sorge sein.“ Mit diesen Worten grapsche ich nach dem Schlüssel erhebe mich vom Stuhl und knalle die Haustüre hinter mir zu. Es regnet immer noch, also beschließe ich mich zu beeilen und renne mit Wut im Bauch los. Catherine hat mir immerhin ein Kapuzenshirt gegeben, so dass ich mir die Kapuze tief ins Gesicht ziehen konnte. Es war nicht weit, bis zu Liam's und meiner Wohnung. Vor etwa fünf Monaten waren wir zusammen gezogen. Zum einen wollte Liam näher an die Stadt, da er in einem Foot Locker Store arbeitete und kein Auto besaß und mir war es gleich, da ich mit meinem kleinen, alten Auto sehr mobil war. Er hatte mich nicht direkt gefragt, ob ich mit ihm zusammen ziehen wollte, aber er hatte oft genug beteuert, dass er es nie bereut hatte. Nun war mir klar, warum nicht. Denn da war ein Funken Wahrheit an Ava's Ausschweifungen. In meiner alten kleinen 1 ½ Zimmer Wohnung, hatte nie Ordnung geherrscht. Es war zwar nie schmutzig oder übermäßig chaotisch, aber nicht so sauber und ordentlich, wie hier. Ich schloss die Türe auf, glitt durch den Hausflur und hinauf in die zweite Etage. Hinter unserer Wohnungstür, die ich achtlos ins Schloss warf, ließ ich mich an der Wand hinab zu Boden gleiten. Meine Lungen und Beine brannten. Ich würde eine heftige Erkältung bekommen, da war ich mir sicher. Zitternd, den Kopf auf die Beine gepresst saß ich da. „Wieso nur, wieso?“ Mein Kaninchen schabte an seinem Käfig. Es wollte raus. „Lass mich, Buster.“ Ächzend erhob ich mich. In der Küche nahm ich mir ein Glas Wasser und mein Blick fiel auf seine Footballschule, die im Flur standen. Sie waren nass, weil ich direkt neben ihnen gesessen hatte. Mein Entschluss stand in weniger als einer Sekunde fest. Ich würde hier Ordnung schaffen und zwar so richtig.


Nach etwas mehr als einer Stunde blickte ich voller Stolz auf ein Sammelsurium von Kleidung und Elektronik-Artikeln sowie Beauty-Artikel. Alles lag in der Badewanne, vollkommen mit Wasser vollgesogen. Seine geliebte Playstation, die eigentlich meine war, thronte zu oberst und aus ihr tropfte stetig Wasser. Mit verschränkten Armen begutachtete ich den Schaden. Dann begann ich in der Wohnung alle Bilder von der Wand zu reißen, die ihn oder uns gemeinsam zeigten. Glas klirrte und Holz sprang. Ich schrie wild auf, als ich die Pappfigur seines Lieblingsspielers zertrat. Als der komplette Boden vor Glas glitzerte, alles voller Federn war, weil ich sein Bettzeug zerrissen hatte, ließ ich mich auf den Boden in die Glasscherben sinken und wartete. Wartete darauf, dass der Betrüger zurück nach Hause kam. Ich würde wach sein. Gegen fünf Uhr morgens hörte ich seine Schritte vor der Türe. Eilig erhob ich mich, trat mit dem nackten Fuß in eine große Glasscherbe und verkrümelte mich auf das große braune Sofa. Er war keineswegs leise, als er aufschloss, seine Schuhe von den Füßen pfefferte und den Weg ins Bad suchte. „Was zur Hölle,“ begann er zu fluchen und eilte auch schon ins Wohnzimmer auf mich zu. Ich hatte das Licht gelöscht, also trat er, wie beabsichtigt erst einmal in einen der Glashaufen. „Verdammt, aua, Em?“ Seine Stimme war knurrig. Dann fand seine tastende Hand den Lichtschalter und gleißend helles Licht traf auf das Szenario, dass ich eigens für ihn arrangiert hatte. Sein Blick glitt über den Boden. In der linken Hand hatte er die triefnasse Playstation, die andere öffnete und schloss sich, je mehr sein Blick durch das Chaos im Wohnzimmer wanderte. „Emily, was ist hier passiert? Gab es einen Einbruch?“ Er sah auf die Schränke und Kommoden. Keine Schubladen heraus gezogen, nein, das ist es nicht Liam, denk mal scharf nach. Sein Blick glitt wieder zu mir. „Was ist passiert? Du bist ja ganz nass. Und von wem sind die Klamotten, autsch.“ Er hatte einen Schritt auf mich zu machen wollen und war abermals in Glas getreten. Ich roch seine Fahne und sah den Knutschfleck an seinem Kragenansatz. Es war, als spürte er meinen Blick. Er ließ die Playstation sinken. „Du weißt es?“ Diese schlichte Frage, trieb mich vollends zur Weißglut. Ich sprang vom Sofa, mit beiden Füßen in die Scherben und rannte auf ihn zu. Vor Schreck ließ er die Playstation fallen, die mit einem Krachen zu Boden ging und das Plastik aufplatzte. Mit den Fäusten hieb ich auf seine Brust ein, kratzte über seine Arme, beschimpfte ihn auf's übelste und endete mit der Frage: „Und alles was du zu sagen hast ist, du weißt es? Willst du mich verscheißern? Drei Jahre, Liam, drei verdammte Jahre. Ich habe alles für dich getan, alles. Ich war immer für dich da. Wenn du verletzt warst, hab ich mich gekümmert, meinen Job riskiert, indem ich mich krank melde, um dich zum CT zu fahren oder sonst etwas in der Art und so dankst du es mir? Indem du mich mit einer klapperdürren Brünette betrügst, seit Wochen, ach wer weiß, ob sie die erste war und alles was du zu sagen hast ist, du weißt es?“ Ich kreischte und kreischt, schlug immer wieder auf ihn ein, bzw. versuchte ich es, aber er hielt meine Hände eisern fest und sagte einfach gar nicht. Nichts zu seiner Verteidigung, keine Entschuldigung, einfaches Schweigen, mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck. Irgendwann klingelte es und er ließ mich los, nicht ohne sich zu ducken, weil ich sofort zu einer Ohrfeige ausholte, obwohl mir mittlerweile die Arme schmerzten. Jemand aus dem Haus hatte die Polizei gerufen. Zwei Officer standen vor der Türe. Einer hatte eine Hand an seine Waffe gelegt und der andere zog seine Mütze aus und fragte, was denn los sei. „Wir haben einen kleinen Streit, nichts wildes,“ erklärte mein Ex-Freund. „Einen kleinen Streit,“ kreischte ich und rannte auf ihn zu. Die Schmerzen in meinen Füßen nahm ich kaum wahr. Ich packte Liam am Kragen und trat ihm gegen die Knie, weil ich mir anders nicht zu helfen wusste. „Wem gehört die Wohnung?“ fragte einer der Männer, während der andere mich auf Distanz zu Liam hielt. Sein schwarzes Haar war lockig zerzaust und er war bleich, aber nicht so, wie ich es mir wünschte. Seine Kleidung war teils zerrissen, überall hatte er Striemen und Schrammen. Meine Arme zierten Blutergüsse, von seinen Händen. Der Officer hatte alle Hände voll mit mir zu tun, obwohl er mich vom Boden hob, weil er nahezu zwei Meter groß war und ich gerade mal 1,65m. „Lassen sie mich los, er hat mich betrogen, wer weiß, wie oft und hat nicht mal den Anstand es zu sagen, es zuzugeben oder sich zu entschuldigen. Nehmen sie ihn fest, wegen Ehebruchs oder so etwas.“ Eine Nachbarin von gegenüber zog ihren Morgenmantel enger um sich und lauerte durch einen Türspalt. „Ja, sie haben richtig gehört,“ keifte ich. „Er betrügt mich, seit Wochen. Mit einem Klappergestell.“ „Ihr gehört die Wohnung,“ entgegnete Liam zähneknirschend. „Gut, wir werden sie mitnehmen, sie zu einem Arzt bringen, bis sie sich beruhigt hat und dann bringen wir sie morgen Nachmittag gegen vier Uhr wieder her. Bis dahin sollten Sie ihre Habe gepackt haben und verschwunden sein.“ „Was? Wieso nehmen sie mich mit?“ „Ma'am, das ist nur zu Ihrem Besten.“ Der Officer brachte mich unter Keuchen und Stöhnen nach draußen und als der zweite mit einer Handtasche und meinem Schlüssel folgte, knallte die Haustüre ins Schloss. Ich fluchte und warf mich gegen das Netz im hinteren Bereich des Polizeiwagens. Doch es war zwecklos. Auf dem Weg zur Wache wurde ich nur noch von Weinkrämpfen geschüttelt und die Polizisten warfen sich mitleidige Blicke zu.


Auf der Wache musste ich eine Aussage machen und wurde währenddessen von einem Sanitäter verarztet. „Ihre Füße und Arme werden morgen ganz schön weh tun. Schlafen Sie sich heute in Ruhe aus und lassen Sie sich morgen abholen. Von Ihrer Mutter oder Ihrem Vater.“ Der rundliche Mann lächelte. Doch ich konnte das Lächeln nicht erwidern. Wer weiß, ob ich jemals wieder lächeln konnte.

Kapitel 2

Blinzelnd, mit furchtbaren Kopf- und Gliederschmerzen erwachte ich. Erst ein paar Minuten später registrierte ich, dass ich in einer Zelle bei der Polizei war. Dann prasselten die Erinnerungen auf mich nieder. Die Brünette, Ava und Aiden, die davon wussten, mein Rachefeldzug, Liam's Gesicht und seine Frage, die alles noch viel schlimmer machte. Keine Entschuldigung, kein Leugnen, kein Ich liebe dich. Ich zog die Beine an die Brust und starrte auf einen Schmutzfleck an der gegenüberliegenden Wand. Meine Arme und Beine schmerzten, aber nichts kam dem nahe, was in meinem Inneren tobte. Was hatte ich erwartet? Alle haben mich gewarnt. Ich habe die Zeichen nicht richtig gedeutet. Spätestens da hätte ich eingreifen müssen, um, um, ja um was, Emily? Um schlimmeres zu verhindern? Um ihm Verbote auszusprechen? Sich an ihn zu hängen, wie ein Baby? Ich atmete tief und zitternd durch. Mein Hals kratzte und meine Lunge gab ein seltsamen Röcheln von sich. Liam war nie der richtige für dich, das hatte Ava gesagt. Aber es fühlte sich so richtig an. Zwei Jahre lang kam es ihr wie ein Traum vor, gut sie hatten ein paar Streits, aber nie etwas weltbewegendes und schlimmes. Aber es hat mit einem lauten Knall geendet, so leise, wie es begann. Ich war mit Ava und Catherine bei einem Footballspiel gewesen, weil Aiden ins Team aufgenommen war. Wir saßen nah am Spielfeld, mit Schrifttafeln bewaffnet, die den Bruder meiner besten Freundin anfeuern sollten. Ich verstand wahrlich nichts von Football, so war es nicht weiter verwunderlich, dass ich mich schnell langweilte. Nach dem Spiel sollten wir den Sieg des Schulteams feiern. Einer der älteren Jungs, der eigentlich nicht mehr auf unserem College war, aber noch beim Team spielte, weil er so gut war, lud alle ins Haus seiner Eltern ein. Das war Liam. Die Party war feuchtfröhlich. Ich war damals gerade siebzehn und Ava achtzehn. Wir betranken uns zum ersten Mal und Liam hat mir geholfen, als ich mich übergab, aber damals kamen wir noch nicht zusammen. Ich fand ihn blöde, ungehobelt und besonders, als er vor allen, am nächsten Tag erwähnte, dass ich die Rosen seiner Mutter gedüngt hatte, hasste ich ihn. Aber irgendwann einmal, traf ich ihn in der Bibliothek. Er gab mir eine Cola aus und tröstete mich, weil Maxwell, mein damaliger Schwarm nichts von mir wissen wollte. Ja und als er mich abends mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, da küsst er mich. Liam war mein erster Freund. Es hatte ein Jahr gedauert, bis wir zusammen kamen. Und wie gesagt, zwei Jahre fühlte ich mich himmlisch. Ich war der Star auf jeder Party, wurde meine Zahnspange los, meine Pickel und eine Brille brauchte ich auch nicht mehr. Es ging mir großartig. Nach der Schule bekam ich einen tollen Job, bei dem ich gleich gut verdiente und dabei zusätzlich studieren konnte und kaufte mir ein Auto. Meine eigene Wohnung hatte ich mit 17 bereits, da meine Mutter tot ist und mein Vater in New York wohnt. Beruflich. Er schickt mir viel Geld, ich kann mich nicht beschweren, aber seit ich 15 Jahre alt bin, bekomme ich meine Geschenke per Post geschickt. Meine Schwester kümmert sich größtenteils um mich, doch sie hat ihre eigenen Probleme. Sie verliert immer wieder ihre Jobs und ihre Männer und ist am Ende immer wieder um eine neue Erfahrung reicher und das mit mittlerweile 27 Jahren. Mein Bruder ist Soldat und so gut wie nie zu Hause. Erik ist ein toller Typ. Aber leider hat er sich mit seiner Berufswahl keinen Gefallen getan. Tja so kam es, dass meine Freundinnen und Liam sowie meine Arbeitskollegen meine einzige Welt waren. Und ein Großteil wurde mir nun genommen. Bin ich Schuld? Hatte ich mich zum Nachteil verändert, konnte er mich nicht mehr lieben? Ich seufzte und hörte ein Klopfen an der massiven Alu-Türe. „Guten Morgen Miss Pierce, gut geschlafen?“ „Morgen,“ sagte ich und schüttelte dann den Kopf, weil meine Stimme furchtbar klang. „Haben sie jemanden angerufen, der sie abholt?“ Ich schüttelte abermals den Kopf, daraufhin schloss der Polizist die Türe auf und bat mich nach vorne. „Kaffee?“ Ich nickte und krächzte: „Mit Milch und Zucker, bitte.“ „Gerne.“ Er war Mitte 30 und hoch gewachsen, nicht so groß, wie sein junger Kollege von der Nacht, aber auch nicht so klein, wie Liam. Er deutete auf einen Stuhl und danach auf eine Telefon. Ich fragte nach meinem Handy, weil ich die Nummer meiner Schwester nicht auswendig wusste. Als ich sie nun im Telefonbuch fand rief ich sie kurzerhand direkt über Handy an. Nach dem vierten Klingeln hob sie ab. „Na endlich rufst du an, Ava war schon ganz aufgeregt, dass sie dich nicht erreichen konnte und Liam macht nicht die Türe auf. Er sagt immer du wärst nicht da und er hätte besseres zu tun.“ „Ja, seine Sachen packen, zum Beispiel.“ Ihre Schwester holte tief Luft. „Dann ist es also wahr?“ Ich nickte und merkte direkt, wie blöd das eigentlich war. „Ja, Liam hat mich betrogen und zwar nicht erst seit gestern.“ Ich seufzte nahm dankbar den warmen Kaffee vom Polizisten an und sagte: „Kannst du mich abholen, Ella, bitte?“ „Wo bist du denn, wenn du nicht zu Hause bist?“ Ich konnte die Panik in ihrer Stimme hören, das Unbehagen. „Bei der Polizei,“ murmelte ich. „Oh Gott, Em! Wieso?“ „Nun ja, sagen wir, wegen Ruhestörung und vielleicht, weil ich Liam angeschrien hab und mit den Fäusten auf seine Brust getrommelt habe. Ich hasse ihn und das hab ich ihn und die Wohnung spüren lassen.“ Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Die Trauer und die Wut kehrten mit einem Mal zurück. „Emi,“ hauchte Ella ins Telefon. „Das tut mir so Leid. Sicher komme ich dich holen. Sag mir nur wann und wo.“ Ich nannte ihr die Adresse und dass ich bis vier Uhr am Nachmittag meine Wohnung noch nicht betreten durfte. Wir legten auf. Gedankenverloren starrte ich auf das blinkende rote Licht am Telefon vor mir, ohne es wirklich zu sehen. Wie in Trance trank ich an meinem Kaffee. Die Stimme des Polizisten holte mich aus meinen Gedanken. „Miss? Haben Sie jemanden erreicht?“ Ich nickte und erhob mich. „Danke für den Kaffee.“ Mit schlurfenden Schritten ging ich zurück in die Zelle. „Möchten Sie noch einen Donut?“ Ich schüttelte mit dem Kopf. Mir war nicht nach Essen zu Mute. Schweigend ließ ich mich an der Mauer hinab auf die durch gelegene Matratze gleiten und seufzte. Wie konnte etwas, das keine Waffe war, nur so sehr schmerzen?


Um halb fünf standen meine Schwester und ich vor meinem Haus. „Ich komme mit hoch und koche dir etwas, du siehst furchtbar aus.“ „Ich brauche keine Hilfe, Ella.“ Ich liebte mein Schwester, aber ihre Bemutterung nervte mich schnell, besonders gerade, wo ich niemanden sehen und hören wollte. Ich schloss die Haustüre auf und stapfte durch das Treppenhaus nach oben. Ella folgte mir. Seufzend schloss ich, mit zittrigen Händen die Wohnungstüre auf und blieb darin stehen. „Meine Möbel?“ Ich war schlichtweg geschockt. Er hatte nahezu alles mitgenommen. Der Boden war schmutzig, die Glasscherben unachtsam zur Seite gefegt, überall lag Dreck, den viele Schuhe von draußen herein getragen hatten. „Ach du Scheiße,“ fluchte meine Schwester und schlug sich die Hand vor den Mund. Mein Vitrinenschrank stand einsam im Wohnzimmer sowie meine kleine Musikanlage. Kein Sofa, kein Tisch, kein Fernseher. Bilder von mir und meinen Freunden zierten die kahlen Wände. Mein Esstisch war verschwunden. „Aber das kann er doch nicht einfach so machen, das waren doch deine Möbel, die hast du alle gekauft, weil er immer knapp bei Kasse war.“ Im Schlafzimmer fehlte lediglich eine Kommode und seine Hälfte des Schranks stand offen und gähnte vor Leere. In der Küche hatte er alle Kleinelektronik außer meine Backutensilien mitgenommen. Sogar meinen heißgeliebten Smoothie-Maker. „Du musst das der Polizei melden. Das geht doch so nicht.“ Meine Schwester hatte Tränen in den Augen und folgte meinem Weg durch die Wohnung. „Ist schon gut,“ sagte ich und vergrub die Hände in meinen Hosentaschen. „Was soll ich tun? Ich habe keine Rechnungen mehr, die belegen, dass ich die Kaufpreise bezahlt habe,“ fügte ich mit zittriger Stimme hinzu und warf die Hände hoch, als Ella mich ansah, als hätte ich nun vollends den Verstand verloren. „Dann ruf ich die Polizei an und meinen Anwalt.“ Zielstrebig ging sie in den Flur, wo sonst mein Telefon gestanden hatte, nur um mit leeren Händen zurück zu kehren. „Das hat er auch mitgenommen.“ Entschlossen und nun noch wütender kramte sie nach ihrem Handy. „Ich würde dir ja gerne einen Kaffee anbieten,“ flüsterte ich und fuhr abwesend mit dem Finger über die schmutzige Küchenzeile. „Aber mein Vollautomat hat Beine bekommen.“


Meine Schwester telefonierte den ganzen Sonntag für mich herum. Ihren Anwalt störte sie beim Golf. Er riet, ich solle eine Liste erstellen, mit Gegenständen, die er mitgenommen hatte und den ungefähren Anschaffungspreisen. Gab es keine Belege musste alles Hälfte Hälfte aufgeteilt werden, wenn man keine gütliche Einigung treffen konnte. Die Polizei nahm den Fall noch drastischer. Sie nahm die Aussage meiner Schwester als Anlass meinen Ex-Freund wegen Diebstahl anzuzeigen. „Du bist die Wohnungseigentümerin und daher gehört alles in dieser Wohnung, was er nicht belegen kann dir.“ Ich saß mit hängenden Schultern an dem kleinen Küchentisch und beobachtete sie flüchtig, wie sie auf und ab lief. Als letztes Gespräch hatte sie eine Pizza bestellt, sie ließ es sich nicht nehmen diese auch zu zahlen. Mein Handy vibrierte immer wieder, weil Ava oder Hailey oder Aiden anriefen, aber ich wollte nicht mit ihnen sprechen, eigentlich mit niemandem. Aber ich wollte auch nicht unhöflich sein und meine Schwester hinaus komplimentieren. Gegen zehn Uhr, nachdem sie mich genötigt hatte mindestens zwei Stücke Pizza zu essen, gähnte ich gespielt herzhaft und sagte ihr, dass ich müde sei. „Gut, dann schlafe. Ich halte dich morgen auf dem Laufenden wegen der Möbel.“ Sie raffte die Listen der Möbel pro Zimmer zusammen, die sich mit mir erstellt hatte, obwohl ich es nicht wollte. Dann erhob sie sich, küsste mich auf die Stirn und ging. Ich seufzte auf, als ich die Türe ins Schloss fallen hörte. Ich eilte zu ihr und schloss sie von innen ab. Dann übermannte mich die Stille. Ich war alleine. Völlig alleine. Nie wieder, würde Liam lärmend von der Arbeit nach Hause kommen, seine Tasche im Flur geräuschvoll gegen die Wand werfen. Nie wieder würde ich nachts geweckt werden, weil er wieder vergessen hatte sein Handy auf Vibration umzustellen. Herr Gott, mir würden sogar seine Zahnpastaflecken im Badezimmer fehlen. Als mir die Tränen abermals an diesem Wochenende in die Augen traten, ließ ich mich an der Wohnungstüre hinabgleiten und ließ den bitteren Tränen ihren freien Lauf.

 

 


Drei Tage später lag ich in meinem Bett. Die Haare fettig am Kopf klebend, hob ich eben diesen vom Kissen, nur um festzustellen, dass meine Ration an Getränken, die ich neben dem Bett platziert hatte zur Neige ging. Ich war nur aufgestanden um Buster zu füttern oder die Toilette aufzusuchen. Ich verspürte Hunger, aber ich aß nicht. Wenn ich Durst hatte, trank ich das restliche Wasser, das im Haus war und zu guter Letzt Liam's Rum mit Cola, den er vergessen hatte. An der Türe klingelte es immer wieder und auch mein Handy vibrierte, bis der Akku schließlich den Geist aufgab und das Summen des kleinen Gerätes erstarb. Ich hatte mich weder bei meiner Schwester gemeldet, noch auf der Arbeit. Ächzend erhob ich mich. Mein Kreislauf dankte mir, indem er mir kalten Schweiß auf den Körper jagte und mich Sternchen sehen ließ. Wacklig schaffte ich es bis ins Bad. Mich traf der Schlag, als ich mich im Spiegel betrachtete. Fettig war gar kein Ausdruck für meine Haare. Nahezu matschig klebten sie an meinem Kopf. Die Längen waren verknotet und trocken. Ich hatte Ränder unter den Augen, die eher Kratern oder dem Gran Canyon glichen. Meine sonst glänzenden hellblauen Augen waren trüb und rot sowie leicht verquollen. Der rosa Ton meiner Lippen, um den mich Hailey immer beneidete, war verschwunden und einer trockenen und brüchigen verschwommen weiß-brauen Landschaft gewichen. Die sonst recht gute Haut war picklig und fettig. An der Stirn schuppte sie. Kurzum: Ich sah einfach ganz furchtbar aus. Ich beschloss, dass es an der Zeit war zu duschen und das Chaos zu beseitigen. Nach geschlagenen zwei Stunden Schadensbegrenzung wirkte ich wenigstens wieder menschlich und nicht wie einer der Zombies von The walking Dead. Meine Jeans saß locker auf den Hüften, so dass ich mir einen Gürtel umlegen musste, um sie nicht zu verlieren. Ich zog mir den flauschigsten Kapuzenpullover an, obwohl es draußen nicht sehr kalt aussah. Dann schnappte ich mir Schlüssel und Handtasche. Mein Weg führte mich samt Glasflaschen zum Auto. Beim Herausfahren aus der Tiefgarage warf ich die Flaschen in den dafür vorgesehenen Behälter und lenkte meinen Wagen in Richtung Walmarkt. Ich kaufte Getränke, Fertigwaren und Brötchen, dazu Aufschnitt. Dann fuhr ich zurück. Vor der Türe erkannte ich, dass mein Briefkasten überquoll, also zog ich den Stapel Post hinaus und ließ ihn in den Einkaufskorb gleiten. Kurz vor einem Kreislaufzusammenbruch, kam ich an der Wohnungstüre an, mit meinen Einkäufen. Ich fühlte mich immer noch elend und wollte eigentlich mit niemandem sprechen und niemanden sehen und doch lud ich mein Handy in der Küche auf und schaltete es wieder ein. Meine Mailbox war voll. Also hörte ich sie ab, während ich meine Einkäufe einsortiert. „Fröllein,“ dröhnte die laute Stimme meiner Schwester an mein Ohr. „Das ist der gefühlte 400. Anruf, den ich tätige. Ich stand mehrmals vor deiner Türe. Du machst mich wütend und total fertig, nur damit du es weißt. Ich hoffe beinah, dass dir etwas zugestoßen ist, denn ansonsten bin ich beleidigt für die nächsten 100 Jahre. Meld dich endlich bei mir.“ Nach dem Piep folgten ähnliche Nachrichten meiner Schwester, mal besorgt, mal wütend. Ich konnte sie ja verstehen. Ich hatte rot gesehen und mich meinem Selbstmitleid hingegeben. War förmlich darin ertrunken. Ava und Aiden hatten mir zig Nachrichten geschrieben, hinterlassen oder lediglich angerufen. Dann wurde ich bleich. „Miss Pierce,“ klang die zornige Stimme meines Chef's an mein Ohr. „Ich bitte Sie inständig hier auf zu tauchen. Wir müssen reden und ich sage Ihnen jetzt schon mal, dass es mir Leid tut. Ich hoffe ich kann morgen mit Ihnen rechnen.“ Ich schloss die Augen. Das war's nun würde ich gefeuert werden. Na ja, wenigstens hatte ich mein Studium und meine Ausbildung abgeschlossen. Und das mit sehr gutem Ergebnis. Ich war so dumm, dass ich das alles über Bord warf, aber in dem Moment, war es mir egal. Ich fühlte nichts, außer der Wut und dem Schmerz. Und der Enttäuschung über den Verrat meiner Freunde und meines Ex-Freundes. Meiner ersten Liebe. Ich zog geräuschvoll die Nase hoch. „Du kleines Miststück hast mich angezeigt? Mir die Polizei auf den Hals hetzen, das hätte ich nie von dir gedacht. Du kleines verlogenes Biest.“ Seine nächsten Worte trafen mich absolut hart und unvorbereitet. „Ich bin froh, dass ich dich los bin und das letzte Jahr war einfach nur grausam, weil ich dich nicht mehr geliebt habe und nur noch aus Bequemlichkeit bei dir geblieben bin. Du bist so langweilig, dass es schon fast zum Schreien ist. Deine Möbel sind in einem Lagerraum, weil man dich ja nicht erreicht. Adresse und Schlüssel im Briefkasten. Ich hoffe ich muss dich nie wieder sehen und du bist endlich zufrieden und hast mich genug gequält.“ Ich hatte in meiner Bewegung inne gehalten und gelauscht. Nun schlug mir mein Herz bis zu Hals. Er hatte mich nicht mehr geliebt? Das ganze letzte Jahr. Und wieder hatten alle meine Freunde Recht. Aber ich konnte nicht auf sie hören, wieso, wieso war ich so blind gewesen? Ich schlug mir leicht mit der Glasflasche Milch vor die Stirn. Um nicht wieder in den Fluten der Trauer zu versinken, sortierte ich die Post und begann im Anschluss die Wohnung aufzuräumen. Als es langsam dunkel wurde, beschloss ich, dass ich mir etwas zu Essen machen sollte.


Nach dem Essen war mir etwas wohler. Ich ließ Buster hinaus, der begeistert durch die nahezu leere Wohnung hüpfte. Dann nahm ich mein Handy in die Hand und rief als aller erstes meine Schwester an. „Dass du anrufst, bedeutet, dass du nicht tot bist?“ Es gab einen fragenden Unterton in ihrer vor Wut bebenden Stimme. „Ella,“ krächzte ich. „Es tut mir Leid. Ich hab mich gehen lassen, bin vor Selbstmitleid zerflossen, aber ich habe halt niemanden mehr. Meinen Freunden kann ich nicht trauen und mein Ex-Freund,“ unterbrach ich mich schluchzend. „Hat mich das ganze letzte Jahr nicht mehr geliebt und ist aus Bequemlichkeit bei mir geblieben.“ „Oh ja, damit du ihm hinterher räumst, wir haben es dir alle gesagt, Emi, aber ich weiß. Wenn man die rosarote Brille auf hat, dann kann man nicht hören. Es geht einfach nicht.“ Ich seufzte. „Es tut mir trotzdem Leid. Er war ein Arsch.“ „Das hab ich dir von vorneherein gesagt. Sportler sind immer Arschlöcher.“ „Er hat die Möbel in einem Lagerraum abgestellt und mir den Schlüssel mit der Adresse geschickt.“ „Gut. Sag mal, warst du arbeiten?“ Ich nehme den bedrohlichen Unterton wahr, den sie eindeutig von unserem Vater übernommen hat. „Nein, mein Chef hat auch angerufen. Er will morgen mit mir reden. Und,“ ich stocke, weil ich den Kloß in meinem Hals herunter schlucken muss. „er hat sich im Vorhinein entschuldigt.“ „Oh Emi, das war es dann mit deinem Traumjob.“ Ich nickte und wischte mir über die Augen. „Es war dumm. So saudumm.“ „Ja, aber aus Fehlern lernt man. Und nun ruf deine Freundinnen an. Sie machen sich Sorgen und mich verrückt. Hab dich lieb. Ich komme morgen Nachmittag vorbei. Dann können wir überlegen, wie wir deine Sachen zurück holen. Wehe du machst die Türe nicht auf.“ „Doch, versprochen. Elli?“ „Ja?“ „Ich hab dich lieb, große Schwester.“ „Ich dich auch, kleines Monster.“ Damit legten wir auf und ich rief als aller erstes Hailey an, die mir meine Vermutung weinend bestätigte. Ich würde morgen gekündigt werden. Man hatte Ausfälle wegen mir gehabt, die Geld gekostet haben. Ich hätte Kundentermine gehabt, die alle von jemand anderes übernommen werden mussten und falls dies nicht ging, so musste man absagen und hat einige von diesen Kunden verloren. „Es tut mir so Leid, Emily. Ich hätte dir das nicht sagen sollen.“ Zähneknirschend sagte Hailey das immer wieder. Ich schnaubte. „Doch, das war genau richtig. Ich habe das gebraucht. Einen Schuss vor den Bug. Zwar einen mächtigen, aber es war nötig.“ Seufzend verabschiedeten wir uns und ich rief widerwillig die anderen an. Ava und Aiden waren erfreut zu hören, dass mir nichts weiter passiert waren. Auch Ava wollte am nächsten Tag vorbei kommen. Das Ticken der Uhr machte mich wahnsinnig, als ich nun aufgelegt hatte. Also fing ich mein Widder-Kaninchen ein und brachte es zurück in seinen Käfig. Ich machte mich bettfertig und legte mich in eben jenes, um noch etwas Musik zu hören und zu lesen. Doch ich dämmerte sobald ich lag in einen unruhigen mit Albträumen behafteten Schlaf.

Kapitel 3

Schweißgebadet erwachte ich am nächsten Morgen vom schrillen Klang meines Weckers. Ich keuchte unter dem Husten, der mich anscheinend über Nacht ereilt hatte. Behutsam schwang ich die Beine aus dem Bett, suchte meine Kleidung für die Arbeit zusammen und begab mich mit einem flauen Gefühl im Bauch ins Badezimmer. Eine gute halbe Stunde später hatte ich meine Haare zu einem feinen Dutt gedreht, eine weiße Bluse an und dazu eine passende Rock, Blazer Kombination. Wie der Himmel das so wollte, regnete es in Strömen. Mein Schirm war in dem Schränkchen im Flur, das mein Ex-Freund mitgenommen hatte, natürlich ohne es auszuräumen. Doch ich kam trockenen Fußes in der Firma an. Ich atmete tief durch und trat den Weg in Richtung meines Schreibtisches an. Zu meiner Verblüffung saß dort eine blonde, noch jüngere Frau und telefonierte, während sie kleine Herzen auf ihren Notizblock malte. Hailey nahm mich beim Arm zur Seite. „Es tut mir so unendlich Leid.“ Schlagartig wurde mir klar, dass ich meine Nachfolgerin bereits vor mir sah. In der Liebe ersetzt und in Job auch. Großartig. „Miss Pierce,“ klang es harsch zu meiner rechten. Hailey sah mich mitleidig an und folgte mir mit ihrem Blick während ich in das Büro meines zukünftigen Ex-Chefs ging. Er schlug die Beine hinter seinem Schreibtisch übereinander und bat mich, mich zu setzen. Bedächtig setzte ich mich hin und öffnete meine Jacke, ganz so, wie es sich gehörte. Er seufzte und nahm seine Brille von seiner Nase. Seine warmen, braunen Augen musterten mich und er rieb sich über das Gesicht. „Es tut mir Leid. Miss Wayne hat mir erzählt, was man Ihnen angetan hat und was alles passiert ist, aber es geht nicht, dass Sie unentschuldigt der Arbeit fern bleiben und das auch noch drei Tage lang, ohne Lebenszeichen. Wir hätten sicher, wenn Sie Montag in der Früh angerufen hätten, eine Lösung gefunden. So brach innerhalb kürzester Zeit Chaos aus.“ Er seufzte, setzte seine Brille auf, öffnete die Mappe auf seinem Tisch und nahm einen Stift zur Hand. „Wir sehen uns gezwungen das Arbeitsverhältnis mit Ihnen fristlos zu beenden.“ Kritzelig unterschrieb er auf einer Linie auf dem Zettel, drehte dann das Blatt so herum, dass ich es lesen konnte und sagte: „Das ist die Höhe ihrer Abfindung. Sie erheben keine weiteren Ansprüche, erhalten selbstverständlich alle Unterlagen und Zeugnisse sowie ihre Bestenurkunde des Studiums. Sie müssen bitte hier unterschreiben.“ Er zeigte auf eine Linie mit einem Kreuz. „Ich habe gerne mit Ihnen gearbeitet, daher erhalten Sie von mir noch eine persönliche, wohlwollende Beurteilung, damit Sie schnell wieder Fuß fassen in der Arbeitswelt.“ Mein Chef versuchte zu Lächeln, was ihm kläglich misslang. Mit zitternden Fingern nahm ich den Stift und setzte meine kleine, geschwungene Unterschrift auf die Kündigung. „Vielen Dank für Ihre tolle Mitarbeit. Wir verlieren mit Ihnen eine fleißige und talentierte Mitarbeiterin.“ Es war ihm sichtlich unangenehm, mir die Standard-Verabschiedung ins Gesicht zu sagen. Aber es half nichts. „Sie können Ihren Schreibtisch in Ruhe leer räumen und auch ehemalige Mitarbeiter sind bei unseren Firmenfeiern gerne willkommen.“ Er schüttelte meine Hand, als ich mich erhob. „Danke,“ murmelte ich und nahm die Mappe entgegen, in der alle meine Unterlagen waren. „Die Abfindung überweisen wir Ihnen, mit der letzten Gehaltszahlung.“ Damit verließ ich sein Büro und wandte mich meinem Schreibtisch zu. Die Blondine schien sich gerade einen Kaffee holen zu sein, also begann ich meinen Schreibtisch zu räumen. Hailey fragte, ob sie mir helfen könne, doch ich schüttelte nur stumm den Kopf. Das Bild von Liam schmeiße ich samt Rahmen ungerührt in den Müll. Wahllos ziehe ich die Schubladen auf und was ich als meines erkenne, nehme ich mit. In unter zwei Minuten habe ich mein Hab und Gut zusammen. Mitleidig lächelt Hailey mich an und auch alle anderen alten Kollegen, mit denen ich mich gut verstand haben sich um mich versammelt. Allen voran Jack, der gute, schwule Jacky. Er umarmt mich und seine schwarzen von Haarspray schweren Locken verfangen sich in meinem Dutt. „Entschuldige, Liebes. Hoffentlich sehen wir uns nochmal.“ „Ich melde mich bei dir, wenn das okay ist,“ fügt Hailey hinzu und ich nicke nur geistesabwesend. Wenn ich spreche, fange ich an zu weinen, das weiß ich ganz genau. Also drehe ich mich herum und verlasse mit klappernden Absätzen die Firma. Vor der Türe atme ich die von Auto's verpestete Luft ein, mache meinen Abstecher zum Pförtner, gebe ich meine Parkkarte und sage ich, dass ich gleich mit meinem roten VW vorbei fahren werde. Das tue ich dann auch und beobachte bedröppelt, wie mein Traumjob hinter mir in weite Ferne rückt.


Zu Hause schäle ich mich aus meiner Arbeitskleidung und schreibe meiner Schwester eine SMS, dass ich zu Hause sei. Es ist kurz vor zehn. Ich mache mir einen löslichen, scheußlich schmeckenden Kaffee und schnappe mir mein Laptop. Während er hoch fährt, schaue ich auf mein Handy. Von einem Wutanfall gepackt, lösche ich Liam's Nummer und alle derer, die zu ihm gehören. Dann lösche ich alle Bilder. Als das Notebook mir mitteilt, dass es gestartet ist, grinst mir Liam entgegen, der mir in unserem gemeinsamen Sommerurlaub vor zwei Jahren einen Sushi Kurs geschenkt hat und auf diesem Bild ein verunglücktes Maki hinhält. Ich ändere es auf ein Bild von Buster und lösche alle anderen Bilder auf denen Liam ist. Ich weiß es war impulsiv, aber ich fühlte mich besser und das war die Hauptsache. Lustlos blätterte ich die Stellenanzeigen durch, die ich online fand. Eine weckte mein Interesse, also fertigte ich eine Online-Bewerbung an, leider ohne Foto und deshalb mit wenig Hoffnung. Aber einen Versuch war es wert. Mein Handy klingelte, als ich gerade ein Brötchen aufschnitt, welches ich mir aufgebacken hatte. „Ja?“ Meine Stimme klang atemlos, als ich das Handy in die Hand nahm und den Anruf beantwortete. „Wir haben einen Umzugswagen besorgt und stehen vor deiner Türe, komm runter!“ Es war Ava. Ich schlüpfte in eine Jeans und ein Shirt und rannte mit Schlüssel, Handy und Tasche nach unten. Catherine, Ava und Aiden sahen mich an, als ich aus dem Haus hetzte. „Danke,“ sagte ich und war gerührt. Aber ich wusste instinktiv, dass ich den beiden Geschwistern nicht mehr voll vertrauen konnte. Catherine erzählte mir, dass in einem Konzern neben ihnen eine Stelle frei geworden war und fragte, ob sie meine Bewerbung abgeben sollte. Ich nickte, dankbar, dass sie niemals schwieg. „Lust auf McDonalds?“ Aiden leckte sich über die Lippen, als er das Schild sah. „Ja, ich habe noch nichts gegessen heute.“ Ava sah mich tadelnd an. „Em, du bist schon total dürr geworden.“ „Ja, deswegen hätte ich auch gerne einen BicMac.“ Wir aßen im Restaurant und Catherine erzählte von ihrer neusten Eroberung. Ich gebe zu, es lenkte mich ab, aber mein Herz war nicht ganz bei der Sache und verkrampfte immer wieder etwas, wenn sie erzählte, wie gut ihr neuer Freund küssen konnte. „Em, wie sieht es aus? Ziehst du am Wochenende mit um die Häuser?“ Eigentlich hatte ich keine Lust, aber ich wusste, dass ich eigentlich keine Wahl hatte. „Joa, okay.“ Sie freuten sich und meinten es sichtlich ehrlich.

 


Ich war vollkommen erschlagen, nachdem wir alle Möbel wieder eingeräumt hatten. Liam musste mit seinem kompletten Fußball-Team hier gewesen sein. „Ich lad euch auf ne Pizza ein,“ sagte ich atemlos, als wir den letzten Gang von unten nach oben hinter uns hatten und uns gemeinschaftlich auf das Sofa fielen ließen. „Das musst du nicht.“ „Ach, tut nicht so, als wäre ich arm. Ich bekomme immer noch reichlich Geld von meinem Vater.“ Somit war es beschlossen. Wir sahen fern, quatschten noch etwas, als Aiden aufstand und sich verabschiedete. „Ich fahr euch dann auch gleich nach Hause, wenn wir wollt,“ bot ich meinen Freundinnen an. „Ach was, die paar Meter.“ Sie blieben bis Mitternacht und ich hatte den Eindruck, als fürchteten sie, dass ich zerbrach, wenn sie gingen. „Kommt schon,“ drängte ich daher. „Ihr müsst morgen arbeiten und ich habe meinen Blu-Ray-Player wieder und den Fernseher, ich bin also bestens unterhalten.“ Widerwillig ließen die beiden mich alleine. Okay, ich fühlte mich wirklich einsam und während ich auf dem Sofa lag, überkamen mich schon einige Erinnerungen. Unter anderem daran, wie wir unsere erste gemeinsame Wohnung mit Sex gefeiert haben. Hier auf diesem Sofa, auf dem Bett. Eine winzige Auflistung, ich weiß. Mehr kann ich auch nicht hinzufügen. Vielleicht war ich wirklich langweilig und auch ein wenig verklemmt, aber immerhin war er mein erster. Woher sollte dann die Erfahrung kommen. Irgendwann war ich wohl eingeschlafen und wurde durch trommelndes Hämmern an meiner Türe geweckt. Verschlafen rieb ich mir über die Augen und tapste auf nackten Füßen durch die düstere Wohnung. Gott sei Dank sah ich durch den Spion, denn Liam stand vor meiner Türe. Mit hochrotem Kopf und schwankend. Er hämmerte feste gegen die Türe und rief. „Mach auf, du Schlampe. Du musst diese Anzeige zurück ziehen. Ich habe dir deine Möbel wieder gegeben. Du wertloses Stück Dreck.“ So gingen seine Hasstiraden weiter, wurden immer beleidigender, er schlug immer brutaler gegen die Türe, so dass ich fürchtete der Rahmen würde splittern. Eilig griff ich weinend zu meinem Handy. Ich hatte ihn noch nie so erlebt, noch nie gehört, dass er solche Sachen sagte. Ich hatte Angst, panische Angst. „Du Schlampe, ich weiß, dass du da bist. Mach sofort auf.“ Anscheinend hatte er sich gegen die Türe geworfen, gegen die ich gelehnt da saß und meine Füße gegen die gegenüberliegende Wand stemmte. „Ja, hallo,“ sagte ich, als sich jemand beim Notruf meldete. „Mein Ex-Freund versucht meine Türe einzuschlagen. Ich habe Angst, bitte, Sie müssen her kommen.“ Ich nannte meine Adresse und die Frau versicherte mir, dass innerhalb von 5-10 Minuten jemand bei mir wäre. „Du Miststück bist das doch alles selber Schuld, wie das hier gelaufen ist. Verklemmte Göre. Faules Stück. Keinerlei Interesse etwas neues auszuprobieren und dann zwingst du mich noch mit dir zusammen zu ziehen. Ich hasse dich, du blödes Miststück. Hast dich schon immer für etwas besseres gehalten, weil dein Papi Geld hat.“ Ich weinte mittlerweile so laut, dass ich teilweise nicht mal mehr verstand, was er rief. Ich hatte panische Angst und alles, was er sagte, trieb mir ein Messer ins Herz. Irgendwann erstarben die Angriffe auf die Türe und ich wischte mir über das Gesicht, bevor ich aufstand und durch den Spion sah. Zwei Polizisten hatten ihn mit dem Gesicht gegen die Wand gedrückt und der eine legte ihm gerade Handschellen an. Er schimpfte immer noch über mich, als ich leise und vorsichtig die Türe öffnete. „Miss, ist alles in Ordnung?“ Es war der Polizist, der mit den Kaffee angeboten hatte. Seine Augen weiteten sich kurz, als er mich erkannte. „Ja, danke, dass sie so schnell kommen konnten. Ich habe nur furchtbare Angst.“ Er inspizierte die Türe. „Verständlich. Die Türe ist beschädigt, der Rahmen leicht gesplittert.“ Ich sah Blut an Liam's Händen hinunter tropfen und roch den Alkohol, den er konsumiert hatte. „Du Miststück. Du verwöhnte kleine...“ „Ruhe,“ unterbrach der Polizist, der ihn fest hielt. „Ich bring ihn schon mal nach unten, damit wir ihn mitnehmen können.“ Der Officer, der mir gegenüberstand, nickte. „Das wird er bezahlen müssen. Haben Sie wenigstens Ihre Möbel wieder?“ Ich nickte, dankbar, dass er so verständnisvoll war. Er verabschiedete sich, wünschte mir noch eine schöne Restnacht und verschwand. An Schlaf war für mich nun nicht mehr zu denken. Ich schrieb Ava eine SMS, in der ich ihr mitteilte, was Liam hier gerade abgezogen hatte. Sie antwortete gegen sechs Uhr morgens, als ich, immer noch wach, mit einem großen Kaffee auf dem Sofa unter der Wolldecke saß und in den Fernseher starrte. 'Was für ein Idiot! Mein Bruder meint, du brauchst einen Wachhund, dann bist du auch nicht alleine!' Vielleicht, war das gar keine schlechte Idee. Gegen neun Uhr war ich mit dem Fahrrad unterwegs ins städtische Tierheim. Ich lief zwischen den Zwingern hin und her. Ich wollte nichts kleines haben. Ich wollte einen schönen, süßen, großen Hund. Keinen Kampfhund. Ein Akita Inu weckte mein Interesse, indem er einen Ball über den Zaun pfefferte und mit wedelnder Rute davor stehen blieb. Ein Auge war blau, das andere war braun. Sein dichtes Fell war schwarz weiß und für einen Akita ziemlich lang. „Er ist gerade einen Monat hier. Er kann schlecht alleine bleiben und hat einen hohen Schutztrieb. Fremden gegenüber ist er misstrauisch,“ erzählte mir die Betreuerin. „Wollen Sie ihn auf Probe mitnehmen?“ Ich nickte und sie sagte mir, dass er Joker hieß. Der Name gefiel mir. Der Joker war nun mal einer der fiesesten Bösewichte aus dem Marvell-Universum. Sie legte ihm ein Geschirr an und ich sah ihr dabei zu. Misstrauisch beäugte der Akita die Frau, ließ sich aber dann von ihr aus dem Zwinger führen. Sie reichte mir seine Leine und betonte, dass man mich in den nächsten Tagen mal unangekündigt besuchen käme. Joker und ich hatte zu Beginn unseres Rückweges, ich auf dem Fahrrad, er ohne ständig hin und her zu laufen, so unsere Probleme, aber er war schlau und verstand bald, dass er nicht einfach die Richtung wechseln konnte. So kamen wir heil zu Hause an. Mhm, dachte ich, als ich die Wohnungstüre aufschloss. Ich habe kein Körbchen für dich, kein Essen. Vielleicht war es doch etwas unüberlegt. Also ging ich gemeinsam mit meinem Rüden wieder die Stufen hinunter und zum Auto. Nach der Fahrt wusste ich das erste, was Joker nicht konnte. Auto fahren. Er hatte sich prompt auf die Rückbank übergeben und saß jetzt zitternd, wie ein Häufchen Elend möglichst weit davon weg. „Kein Problem, mein Großer. Nicht so schlimm.“ Im Tiergeschäft fragte ich nach etwas Küchenpapier und machte das Geschehen weg. Zu Hause würde ich mal mit Reiniger ran müssen, dachte ich. Er ließ sich prima durch das Geschäft führen. Ich wollte gerade an der Kasse das große braune Körbchen bezahlen und den Sack Futter, als mein Handy klingelte. „Hey, Emi, ich hab doch deine Unterlagen abgegeben?“ Ich brauchte etwas, bis ich wusste, worauf sie hinaus wollte. „Ja,“ sagte ich und haute mir vor die Stirn. „Ja und sie wollen dich kennen lernen. Morgen um elf?“ „Ähm, ich sag jetzt mal ja.“ „Gut, dann rein in den Business-Fummel und hin. Du musst dich bei einem Jared Petersen melden. Er führt dich rum und zeigt dir deinen eventuellen Arbeitsplatz. Toi, toi, toi, Süße.“ Mit diesen Worten legte Catherine auf. Ihre gute Laune war manches Mal sehr anstrengend oder aber sehr ansteckend. Ich lachte und verließ den Laden. „Was mache ich dann mit dir?“ Joker legte den Kopf schief, als ich ihn das, zu Hause angekommen, fragte. „Üben wir jetzt mal das alleine bleiben.“ Bewaffnet mit einem Tuch und einem Polsterreiniger, machte ich mich auf den Weg nach draußen.  

Kapitel 4

 Als ich wieder hinauf kam, hörte ich nichts. Also schloss ich die Türe auf und fand Joker, wie er auf einem Kauknochen kaute, den ich ihm nicht gegeben hatte. „Wo hast du den denn her?!“ In der Küche sah ich die Misere dann. Er hatte den Schrank geöffnet und die Tüte mit dem Futter und den Leckereien umgekippt. „Na ja, immerhin kein Jaulen oder Protest-Pinkeln.“ Ich ging früh ins Bett, nicht ohne Fotos von Joker herum zu schicken und ihn ständig zu knuddeln. Die Handwerker, die sich die Türe ansahen, ignorierte er geflissentlich. Was mich zu der Annahme brachte, dass sein Schutz- bzw. Wachtrieb doch vielleicht nicht so ausgebildet war. Schnell schlief ich ein, denn mein großer, warmer Beschützer lag fest an meinem Rücken. So gut hatte ich seit langem nicht mehr geschlafen. Unsanft riss mein Wecker mich aus einem traumlosen Schlaf. „Heute habe ich ein Vorstellungsgespräch. Wenn das nicht so gut läuft werde ich danach Fotos machen gehen,“ sagte ich zu Joker, der nur ein Auge öffnete und dieses dann wieder schloss. „Oookay, du bist also ein Morgenmuffel.“ Ich grinste und stand auf. Eilig machte ich mir Frühstück, richtete mich für den Tag her und schlüpfte in mein schickestes Kostüm, dass mir O-Schreck, zu weit war. „Na, egal. Muss gehen,“ murmelte ich. Ich pfiff nach Joker, um ihn schnell nochmal raus zu lassen, bevor ich los musste. Gähnend trottete er in den Flur. „Nun komm schon, ich habe es ein wenig eilig.“ Noch mit Turnschuhen, die nicht zu meinem Outfit passten, lief ich die Treppe hinunter und raus aus dem Haus. Einmal rechts um die Ecke war ein größerer Park. Ich ließ Joker Leine, während ich den Himmel beobachtete, der sich über mir verdächtig düster verfärbte. Joker schnüffelte einige Zeit aufgeregt, bevor er sich reckte, sein Geschäft verrichtete und ich ihn wieder in Richtung Haus zog. Nun war ich schon etwas spät dran. Nicht zu spät kommen, predigte ich mir selbst. Ich eilte in der Wohnung hin und her, legte Joker einen Knochen hin, nahm meine Handtasche und meinen Schirm und verschwand aus der Wohnung. Vorsichtshalber klingelte ich bei meiner Nachbarin, um ihr zu sagen, dass ich nun einen Hund hatte, seit gestern und gab ihr den Schlüssel, falls Joker jammern sollte, sollte sie sich in meine Wohnung setzten. Meine Nachbarin, von rechts neben mir war nur unwesentlich älter als ich. Sie war 23 Jahre und Berufsinvalidin. Sie wollte Tänzerin werden und hatte sich von einer schweren Wirbelverletzung nie wieder erholt. Kia lächelte mich an und sagte: „Klar, mach ich gerne. Hoffe dir geht es wieder besser.“ Beschämt sah ich zu Boden. „Ja, ein wenig. Es geht alles drunter und drüber. Entschuldige nochmal wegen des Krachs.“ Sie winkte ab und scheuchte mich die Treppe hinunter. So schnell ich konnte fuhr ich in das Industrie-Gebiet, in dem die Firma war, in der Catherine arbeitete. Das gegenüberliegende Gebäude war noch viel, viel riesiger und zum Teil vollständig aus Glas. Ich schluckte, sah auf meine Armbanduhr und schlüpfte aus den Turnschuhen in meine hohen cremefarbenen Pumps. Ich atmete tief durch und stöckelte in Richtung Eingang. Der Weg zog sich und die schwüle Hitze erinnerte mich daran, dass so ein Kostüm furchtbar warm war. Gott sei Dank, dachte ich, als sich die riesige Glasschiebetüre hinter mir schloss, Klimaanlage. Ich ging auf den Empfangstresen zu, an dem eine rothaarige, verkniffen aussehende Frau saß. Sie war gut Mitte 30 sah aber nahezu perfekt aus. Ich räusperte mich. Sie sah kurz auf, nur um dann ihrer Sortierung weiter ihre Aufmerksamkeit zu widmen. „Entschuldigung,“ begann ich. Sie schürzte die Lippen, sah aber auf. „Bitte?“ „Ich soll mich heute hier bei einem Jared Petersen melden. Ich habe einen Gesprächstermin mit ihm.“ Ihre Augen musterten mich abschätzend, dann drückte sie auf einen grünen Knopf und sprach in das Headset an ihrem Ohr: „Mr. Petersen, hier ist eine,“ Sie sah mich fragend an. „Emily Mia Pierce,“ nannte ich ihr hektisch meinen Namen. „eine Miss Pierce. Sie sagt, sie hätte...“ Die Frau ließ den Knopf los und ihr Gesicht brannte vor Zorn. Anscheinend hatte Mr. Petersen sie eiskalt weg gedrückt. „Setzen Sie sich, er wird jeden Moment da sein.“ Ihr Lächeln war gespielt und eiskalt. Oh je, dachte ich. Hier soll ich arbeiten? Ich nahm Platz und kreuzte züchtig meine Beine übereinander. Während ich wartete sah ich mich in der großen Empfangshalle um. Alles war in grau und weiß gehalten. Graue Marmorfliesen, mit weißen Sprenkeln, hellgraue Wände und der Schriftzug „J and D Enterprise Inc.“ in weißen glänzenden Buchstaben. Siedend heiß viel mir ein, dass ich mich nicht vorbereitet hatte. Mir wurde warm und ich spürte, dass meine Hände leicht schwitzig wurden. Ich war absolut unvorbereitet und wusste nichts über diese Firma, absolut gar nichts. Ein Mann in einem dunkel grauen Anzug, er war vielleicht Anfang 30, Ende 20, kam auf mich zu. Seine dunkelgrüne Krawatte war akkurat gebunden und passte perfekt zu seinen großen, freundlichen Augen. Seine Lachfältchen um die Augen waren kaum zu übersehen und sorgten dafür, dass er mir gleich sympathisch war. Als absolut klar war, dass er Jared Petersen war, erhob ich mich und ergriff seine Hand, die er mir entgegen streckte, nicht ohne sie mir vorher an meinem Rock abzuwischen. „Miss Pierce, freut mich. Eine ihrer Freundinnen aus dem Konzern neben an hat ihre Bewerbung als Initiativbewerbung abgegeben, richtig?“ Ich nickte und sagte: „Hallo Mr, Peterson, freut mich ebenfalls. Ja, eine sehr gute Freundin.“ „Kommen Sie, sprechen wir in meinem Büro weiter, hier haben die Wände Ohren.“ Er warf der Empfangsdame einen abschätzigen Blick zu und bedeutete mir neben ihm her durch eine gläserne Türe zu gehen. Dahinter befand sich ein langer Gang und ein Aufzug, vor dem wir nun stehen blieben. „Ich habe gesehen, dass sie quasi erst vorgestern gekündigt wurden?“ Er sah mich fragend an, versuchte sich ein Bild von mir zu machen. Prüfend und fast musternd lag sein Blick auf mir. „Ja, ein Zwischenfall, der mich etwas aus der Bahn geworfen hat war Schuld, dass ich es versäumt habe, meinem Chef mitzuteilen, dass ich leider nicht zur Arbeit erscheinen kann. Es war einfach vollkommen unprofessionell und somit hatte ich nichts anderes verdient.“ Ich blinzelte und sah auf die Aufzugstüre. „Verstehe. Private Vorfälle sind immer eine schwere Sache. Deshalb pflege ich immer zu sagen, dass man berufliches und privates strickt getrennt hält und die Arbeit auf der Arbeit lässt und das private in den eigenen vier Wänden.“ Er lächelte mich aufmunternd an und legte mir eine Hand auf den Rücken, um mich in den Aufzug zu schieben. Er war kaum größer, als ich. Also recht klein für einen Mann. Sein glatt rasiertes Gesicht schien stets freundlich. Er fragte mich, ob ich etwas trinken wollte, als wir in einem großen Flur, mit eben den selben Böden und der selben Wandfarbe ankamen. Ich dankte ihm und fragte, ob es Kaffee gäbe. „Aber natürlich. Mit Milch und Süßstoff?“ „Ja, gerne. Vielen Dank.“ Er winkte ab und teilte es einer brünetten Frau mit, die hinter einem kleineres Tresen saß. Diese eilte sofort in die Küche hinter ihr. „Kommen Sie herein. Der Kaffee kommt gleich.“ Er öffnete mir eine massive undurchsichtige Türe. Dahinter trat ich in einen Raum, der atemberaubender nicht hätte sein können. Leise lief die Klimaanlage im Hintergrund. Jared nahm hinter einem Glasschreibtisch platz und bedeutete mir ich solle mich auf einen der beiden Ledersessel, die davor standen, nur getrennt von einem kleinen Beistelltisch, setzen. Also tat ich dies und betrachtete die Glasfront, die hinter ihm lag. Man hatte einen Blick über das gesamte Industriegebiet und ein wenig von den Häusern dahinter. „Wahnsinnig toller Ausblick, oder? Aber nur, wenn man die Stadt mag.“ Er lächelte, drückte auf einen Knopf auf seinem Schreibtisch und die Wände wurden milchig. „Wow,“ entfuhr es mir. Jared grinste. Wir unterhielten uns über meine Bewerbung, meinen vorherigen Job, mein Studium, wo ich wohnte und dann erzählte er etwas über die Firma, in der wir uns befanden. „Jackson and Dawson Enterprise, ist eine erfolgreiche Firma im Bereich der EDV Entwicklung, dem Vertrieb von Software, dem Verlegen von Büchern und wir haben neulich noch den Verkauf von kleinen Versicherungspaketen ins Angebot aufgenommen.“ Er erzählte mir alles, über die Philosophie der Firma, Geschäftsführer, Prämienprogramme, unerwartete Ereignisse, Stand an der Börse, bis er schließlich schwieg, um kurz zu überlegen, ob er etwas vergessen hatte. „So,“ begann er. „Kommen wir nun zu der Stelle, an der ich sie gerne integrieren würde.“ Er stand auf und ließ eine Präsentationswand herunter fahren. „Hier sind sie gerade mit mir,“ sagte er lächelnd. Er zeigte auf einen Kreis, in dem groß Personal stand, daneben sein Name Jared Petersen. „Es hat sich ergeben, dass die alten Herren der Geschäftsleitung langsam ihre Söhne aus ihren eigenen Jobs ziehen wollen und diese nun hier mit arbeiten sollen, als Junior-Chef's sozusagen. Ich hoffe sie halten es nicht für blöde, aber, ich hätte gerne, dass sie eine der Assistentinnen-Stellen der beiden übernehmen.“ Wieder zeigte er auf zwei Kreise, einer enthielt den Namen Dawson jr. und der andere Jackson jr. Wozu hatte ich dann studiert? Um Vorzimmerdame zu werden? Nun ja, das war eigentlich nicht der Plan. „Ich weiß, ich weiß,“ unterbrach er meine Gedankengänge. „Sie sind eindeutig überqualifiziert, für die reine Sekretariatstätigkeit, aber sie würden auch vorzugsweise die Geschäfte abwickeln, die ihr zukünftiger Chef gerade tätigen will. Seine Termine koordinieren, Pläne schreiben, sich um all seine anderen Aufgaben kümmern, ihn zu Tagungen begleiten, auf Reisen. Kein allzu uninteressanter Job. Es hat nur voraussichtlich rein gar nichts mehr damit zu tun, dass sie selbst Kunden betreuten. Sie werden dabei sein, vielleicht auch mal etwas einwerfen dürfen, aber die reine Betreuung würde ihr Boss übernehmen.“ Er setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches, den Promoter locker in der Hand und sah mich an. Als ich nichts darauf sagte, weil ich ehrlich gesagt nicht wusste, was ich davon halten sollte, seufzte er und fragte: „Was haben Sie verdient, in Ihrer alten Position?“ Ich nannte ihm die Summe und er nahm sich postwendend einen Zettel und einen Stift. Ich sah die Summe, die er glatt verdoppelt hatte und schluckte. „Das ist ihr Einstiegsgehalt. Sie werden auch Bücher überlesen, korrigieren und bewerten müssen. Schriftlich in Heimarbeit. Pro Buch erhalten sie ebenfalls ein Honorar, dass sich je nach Kosten und Erträgen des Buches, welches dann verlegt wird richtet.“ Er wartete nochmal einen Moment. „Wissen Sie was? Ich stelle Ihnen einfach mal Mr. Jackson vor. Also Junior.“ Ich erhob mich und folgte ihm durch eine andere Türe. Wir gingen ein ganzes Stück, was meine Füße mir schmerzlich bestätigten. Am Ende eines langes Flurs, mit vielen Türen, kam wir wieder in einen Vorraum, der aber mit einer Türe zu dem Flur verschlossen wurde. „Sie hätten, egal bei wem sie sitzen hier sozusagen ihr eigenes Büro. Hinter diesen Tischen gibt es immer eine Art Lagerraum und Küche. Dort eine Toilette. Der Aufzug dort, kann nur mit einem Schlüssel für diesen Bereich geöffnet werden. Alle anderen kommen also hier, an dieser Türe an, von der wir kommen.“ Er erzählte mir noch etwas, als er von einem rüden Keifen unterbrochen wurde.  

Kapitel 5

„So eine Unfähigkeit ist mir selten unter die Augen getreten, selbst bei Studium der Parapsychologie gibt es Menschen die fähiger sind, als Sie. Raus. Einfach raus.“ „Lucas, bitte, beherrsche dich.“ „Du kannst direkt mitgehen. So etwas ist eine absolute Unverschämtheit und du nimmst sie auch noch in Schutz.“ „Sohn, beruhige dich.“ Eine Frau mit langen, blonden Haaren in einer mintgrünen Bluse und einer schwarzen Hose kam aus dem Raum gerannt, Tränen in den Augen und ein Laptop unter den Arm geklemmt. „Vater, das hätte eine sechsjährige besser schreiben können. Und die Präsentation? Ich bitte dich, das war doch ein Witz.“ Ein großer, junger Mann, zwischen 26 und 30 kam hinter der Frau, die mittlerweile durch den Flur verschwunden war, durch den wir gekommen waren. Er war schlank, groß, schätzungsweise 1,90 und trug einen schwarzen Anzug mit einem weißen Hemd, ohne Krawatte. Seine braunen Augen durchmaßen nun den Raum, erblickten Jared und nun mich. Er verschränkte die Arme. Seine Gesichtszüge waren aristokratisch, seine schwarzen Haare, lagen in leichten Wellen auf seinem Kopf. Er funkelte mich regelrecht an und schwieg. „Junge, wo ist sie denn jetzt hin?“ Der ältere Mann, der mit seinem leicht grau-melierten Haar und den ebenso dunklen braunen Augen, nun aus der Türe stürzte wirkte um einiges sympathischer. Er blieb nun neben seinem Sohn stehen. Man sah auf Anhieb, dass die beiden verwandt waren. Der Mann hatte ebensolche abwehrende, leicht arrogante Gesichtszüge, war aber nicht so groß, wie sein Sohn. Sein Anzug passte ihm tadellos. Er trug eine rote Krawatte, wohingegen sein Anzug ins bläuliche neigte. „Wer ist das?“ Die Stimme des Sohn's war harsch und absolut feindselig. „Lucas, bitte,“ begann sein Vater. „Mein Name ist Joseph Thomas William Jackson und ich bin einer der Geschäftsführer von J and D Enterprise.“ Ich runzelte nur die Stirn und war immer noch, wie vom Donner gerührt über die Arroganz des jungen Mr. Jackson, dass ich nicht antworten konnte. „Das ist Emily Mia Pierce,“ antwortete Jared an meiner statt. „Und sie ist hier weil?“ Mr. Jackson sparte es sich diesmal seinen Sohn zu maßregeln und nun sah auch er genervt aus. „Ähm,“ begann ich. „Wow, sie ist der englischen Sprache aber schon mächtig oder?“ Wut kochte in mir hoch. Ich straffte die Schultern und sagte: „Mein Name ist Emily Pierce. Ich habe mich hier beworben und Mr. Peterson führte mich gerade herum, um mich dann anschließend Ihnen vorzustellen, weil ich unter Umständen Ihre Assistentin hätte werden können. Aber nun, da sie mich so freundlich empfangen haben, möchte ich Ihnen Mr. Peterson, danken, dass Sie ihre kostbare Zeit für mich geopfert haben und Ihnen,“ fügte ich mit einem Blick auf Mr. Jackson Junior hinzu. „mein herzlichen Beileid wünschen, dass Sie einen solch missratenen Sohn haben. Und nein, Mr. Peterson ich möchte diesen Job nicht bekleiden, auch nicht für diesen Lohn. Da müsste der andere Junior Chef schon ein Engel sein. Danke, ich finde alleine hinaus, noch einen schönen Tag.“ Mit diesen Worten machte ich kehrt und ging mit energisch Großen Schritten in Richtung Flur. Auf dem Flur schlich vor mir weinend die Blondine. „Mach dir nichts daraus,“ sagte ich zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Es gibt noch andere Verleger und wenn es nichts wird, dann lass dein Buch überlesen, aber nicht von Freunden und Familie, die sind zu nett und unkritisch. Kopf hoch.“ Ich zwinkerte ihr zu und ging an ihr vorbei. Ich fuhr mit dem Aufzug hinunter. Scheiße, dachte ich. Hoffentlich fällt das nicht irgendwie auf Catherine zurück. Mit hoch erhobenem Haupt stapfte ich nun am Empfang vorbei, möglichst ohne zu der rothaarigen Ziege zu sehen. „Miss Pierce,“ rief sie meinen Namen, doch ich ignorierte sie gekonnt. Ich hörte sie schnellen Schrittes auf mich zu eilen, doch ich wollte mich nicht zu ihr herum drehen. Ich trat aus der Schiebetüre nach draußen und blieb mit meinem Absatz in einer Kante hängen. „Huch,“ entfuhr es mir, als ich auch schon vornüber viel. Schützend streckte ich die Hände nach vorne, um nicht auf dem Gesicht zu landen, als mich jemand auffing. Eine tiefe Stimme sagte: „Hoppla, das wird noch zur Gewohnheit, dass mir die Frauen zu Füßen liegen.“ Macho, dachte ich und stieß mich von demjenigen fort. Wütend riss ich mit meinem Fuß an der Kante, doch der Schuh bewegte sich nicht. „Moment,“ sagte die Stimme wieder. Zwei gepflegte, große Hände, mit langen Fingern legten sich um meine nackte Wade. Ich spürte, dass ich errötete und sah hinaus auf den Parkplatz. Nach einem kurzen Ruck, löste sich mein Absatz aus der Spalte und ich war frei. Ich roch den Duft eine Parfums, sah aber weder auf, noch bedankte ich mich. „Gern geschehen,“ rief mir die Stimme hinterher und ich hastete zu meinem Auto. Erst als ich in meinem VW saß und die Klimaanlage lief, wagte ich einen Blick zurück zu der gläsernen Front der Firma. Ich konnte es nicht beschwören, da ich trotz meiner Kontaktlinsen immer noch kurzsichtig war, aber ich hatte den Eindruck, als stünden sowohl die Rothaarige, Jared Peterson, Vater und Sohn und noch eine weitere Person hinter der Türe, in der Kühle der Klimaanlage. Seufzend startete ich den Motor. Ich überprüfte das Display meines Handys. Drei Anrufe in Abwesenheit und zwei Nachrichten. Die Nachrichten waren von Catherine, ich solle ihr berichten, wie es gelaufen ist und dass sie mir die Daumen drückte. Ein Anruf war von meiner Schwester, der andere, O-Wunder, von meinem Bruder und der letzte von Ava. Ich rief erst meine Schwester zurück. Die Freisprecheinrichtung knarzte und dann tutete es. An der nächsten Ampel schälte ich mich auf meinem Blazer. Dann werde ich noch Fotos machen müssen, dachte ich gerade, als meine Schwester abhob. „Schwesterherz! Rate mal wer wieder hier ist.“ „Erik,“ erwiderte ich. „Och Menno, woher weißt du das schon wieder?“ „Weil er versucht hat mich zu erreichen, aber ich hatte ein Vorstellungsgespräch. Erik ruft nie an, wenn er nicht in der Stadt ist.“ „Wie lief es?“ ich stöhnte und fuhr mir über das Gesicht. „Frag nicht.“ „Doch, warte ich gebe dir mal Erik.“ Es kratzte in der Leitung und dann lauschte ich der sonoren Stimme meines Bruders. „Hallo Ly,“ hauchte er. „Wie geht’s dir? Hab schon alles gehört, was dir widerfahren ist.“ „Ach es geht mir schon besser, besonders jetzt, wo mein Lieblingsbruder zurück ist.“ Ich lächelte und beobachtete eine Taube, die auf der Ampel, die noch rot zeigte, balancierte. „Sehr lieb, danke. Heute Abend eine Willkommen-zurück-liebster-Bruder-Party in meinem Haus? Kannst deine Freundinnen mitbringen.“ „Okay, super, ich freu mich. Du ich muss Schluss machen, bin gerade beim Fotografen angekommen.“ „Alles klar, Süße, bis heute Abend.“ Party's bei meinem Bruder waren immer gut. Besonders jetzt, um mich abzulenken. Mein Bruder kannte eine menge Leute. Seufzend stieg ich aus meinem Auto und betrat das Fotostudio.


Müde schloss ich die Türe auf. Ich hatte nicht viel gemacht, aber die Hitze, das wenige Essen und Trinken und der Verlauf des Vorstellungsgespräches setzten mir zu. Ich hörte den Fernseher im Wohnzimmer. „Hallo,“ rief ich. Und ganz langsam kam meine Nachbarin auf mich zu. „Hat er sehr geweint?“ „Nein, gar nicht, aber er hat mal kräftig gekläfft, als jemand an der Türe war und nachdem derjenige gegangen ist, bin ich rüber, um das Jaulen zu vermeiden. Aber er war ganz brav. Bin auch erst eine halbe Stunde hier.“ „Wer war denn an der Türe?“ Meine Stimme wurde unbeabsichtigt zittrig. „Ein Polizist. Wollte nach dir sehen und dir sagen, dass Liam wieder frei gelassen wurde.“ „Oh das ist nett.“ Ich sah auf die Uhr und mein Magen knurrte. „Willst du mit mir was essen?“ Sie schüttelte den Kopf und sagte, dass sie bei ihrer Mutter eingeladen sei und ging hinüber in ihre Wohnung. Eilig machte ich mich daran aus dem Kostüm zu kommen und mir einen Kaffee und etwas zu essen zu machen. Joker lag vor dem Fernseher auf einer Decke und sah zu ebendiesem. In einer kurzen, pinken Shorts und ebenso pinken Shirt warf ich mich auf das Sofa und wartete darauf, dass das Wasser in der Küche kochte. Während ich wartete beobachtete ich Joker, der den Fernseher keine Sekunde lang aus den Augen ließ und rief Ava an. „Du hattest angerufen?“ „Ja,“ rief sie. „Ich, also wir wollten wissen, wie es gelaufen ist.“ Ich seufzte und drehte eine Strähne meines Haar's zwischen den Fingern. „Einfach katastrophal. Sag Catherine, dass es mir Leid tut.“ „Sag es selbst, du bist auf Lautsprecher.“ „Cat, es tut mir so Leid, aber der eine Junior-Chef ging überhaupt nicht. Der hat ein Mädchen schreiend zum Weinen gebracht. Die Arme tat mir so Leid, dass ich mal abrupt und direkt gesagt habe, was ich denke und von ihm halte.“ „Oh,“ machte Catherine. „Ist nicht schlimm. Welcher von beiden war es? Der dunkelhaarige oder der blonde?“ „Der dunkelhaarige. So viel geballte Arroganz hab ich noch nie gesehen.“ Ich seufzte und schüttelte nochmal den Kopf. „Mein Bruder ist da und macht heute eine seiner berühmte Party's, kommt ihr?“ Sie bejahten und wir verabredeten uns, uns bei Ava zum fertig machen. Es war erst später Nachmittag, also beschloss ich mich mal wieder sportlich zu betätigen, jetzt, wo ich einen Trainingspartner hatte. „Joker?“ rief ich und rüttelte mit der Leine, nachdem ich mich in ein knappes Sportdress gequetscht hatte. Langsam trabte er zu mir, stellte seine Ohren auf und sprang dann, als er die Leine erblickt freudig um mich herum. „Na los, mein Großer, wir gehen laufen.“


Wir waren in etwa 20 Minuten unterwegs, als es sturzbachartig zu regnen begann. In Sekundenbruchteilen, waren meine Klamotten vollständig durchnässt. Als wir an der Haustüre ankamen, sah Joker mich vorwurfsvoll an. „Ich kann nichts dafür. Außerdem bin ich genauso nass, wie du.“ Demonstrativ schüttelte er sich. „Okay, du bist nasser, ich habe es verstanden.“ Er grummelte leise, während ich die Türe lächelnd aufschloss. In meiner Wohnung fiel mein Blick auf die Uhr. „Herrje,“ entfuhr es mir. Wir waren verdammt lange unterwegs. „Okay, du badest zuerst.“ Eilig führte ich Joker ins Bad und versuchte ihn zu überreden, in die Badewanne zuspringen. Nach einigem Zicken, tat er, was ich von ihm wollte. Ich wusch ihm sein schmutziges, nasses Fell, mit einem Glanzshampoo für Hunde, trocknete ihn sorgfältig ab und ließ ihn dann ohne Halsband oder Geschirr durch die Wohnung hetzen. Grob wischte ich die Badewanne sauber und sprang dann selbst unter die Dusche. Als ich mit zwei Handtüchern umschlungen vor meinem Kleiderschrank zum stehen kam, wurde mir wieder bewusst, dass ich kaum mehr Kleidung besaß, um weg zu gehen. Mein Kleiderschrank enthielt hauptsächlich Arbeitskleidung oder praktisches. Seufzend rief ich Ava an. „Ava,“ jammerte ich. „Ich habe nichts zum Anziehen.“ „Beweg deinen Hintern hier herüber, wir finden schon was. Zwei Schränke und nahezu die gleiche Größe.“ Also stopfte ich nur verschiedene BH Farben in eine Tasche und schlüpfte in eine Jeans. Schuhe steckte ich mir noch fünf Paar ein und dann sauste ich mit nassem Haar zur Türe hinaus. Vor der Türe fiel mir siedend heiß ein, dass ich nun einen Hund hatte. Also steckte ich Joker in sein Geschirr, nahm die Leine in die Hand, etwas zu Knabbern für ihn und rannte abermals nach draußen. Schnell eilte ich zum Auto und schob den störrischen Hund, der lieber schlafen würde, als nochmal mit mir durch das Sauwetter zu eilen, in meinen VW. Prompt beschlagen die Scheiben von innen, aber ich kenne den Weg blind und hoffe zeitgleich, dass mir niemand vor's Auto läuft.


Nach guten zwei Stunden standen wir vier fertig da. Fünf, wenn man Joker mit einrechnet. „Wir müssen los, wir müssen los,“ rief Ava und scheuchte uns nach draußen. Gemeinsam quetschten wir uns in mein Auto. „Fahr schneller, Oma,“ scheuchte mich Aiden, der noch am bequemsten neben mir im Fond Platz genommen hatte. „Bitte,“ hörte ich Catherine leise. Nach kurzer Fahrt erreichten wir das pompöse Haus meines Bruders. Er hatte sich das kleine Eigenheim sofort zugelegt, als klar war, dass er ins Ausland musste. Ich hatte einen Schlüssel, war, genau wie Ella, immer willkommen, auch wenn er nicht da war. Langsam gingen wir über den nassen Weg. Der Regen war versiegt und die Luft wurde drückend. Unsere Absätze klapperten über den Boden und Joker lief freudig neben uns her. Aus dem Haus, das hell erleuchtet war, wummerte Musik. Da die Türe angelehnt war, gingen wir einfach nach drinnen. Hätte ich gewusst, wie dieser Abend werden würde und was er für mich bereit halten würde, hätte ich a) die Türe fest geschlossen und b) wäre ich nach Hause gefahren und hätte meinen Kopf unter der Bettdecke vergraben.  

Kapitel 6

Suchend wanderte ich durch das Haus. Ich sah alte Bekannte, die aber eher Freunde meines Bruder, als von mir waren. Joker neben mir wirkte etwas nervös, aber nicht panisch, was ich freudig mit einem Klaps auf seinen Kopf bemerkte. Da war er! Groß, blond, durchtrainiert und mit endlich wieder längerem Haar. Er war von einer Gruppe Mädchen umgeben, die förmlich an seinen Lippen klebten. Mein Bruder Erik. „Hey, mein Hübscher. Darf ich fragen, was das soll?“ Ich stemmte die Hände in die Hüften und bedachte ihn mit einem bösen Blick. Rundherum erstarb das Lächeln auf den Gesichtern der Mädchen und eine nach dem anderen verschwand, während Erik mich amüsiert an grinste. Eines der Mädchen, eine kleine Blondine mit einer schmalen, schwarzen Brille, flüsterte mir sogar eine Entschuldigung ins Ohr. „Die letzte war niedlich,“ bemerkte ich und ließ meine Arme sinken. Catherine's Kleid spannte etwas an meiner Brust und die langen Locken, die über meinen nackten Rücken fielen kitzelten mich. Ich fühlte mich nicht sexy, nein, ich fühlte mich unsicher und verklemmt. „Du siehst toll aus, kleinste Schwester.“ Er riss mich an seine breite Brust und ich atmete den Duft seines After-Shaves ein. „Du auch, besonders da deine Haare wieder länger sind.“ Er lachte und sagte: „Als Second Lieutenant darf man seine Haare wieder tragen, wie man will.“ „Es sei denn ich verbiete es.“ Ein ebenso junger und blonder Mann, nur noch einen Ticken heller, mit grünen, statt blauen Augen stand hinter ihm. Mein Bruder verdrehte die Augen. „Ja, das würdest du aber niemals tun. Das ist Chris,“ fügte er an mich gewandt hinzu. „Er ist mein Captain.“ Chris nickte mir zur Begrüßung zu und musterte mich abschätzig. „Chris, das ist meine kleinste Schwester Emily.“ Erik reckte sich. „Und die dunkelblonde dahinten, in der grünen Bluse, das ist meine kleinere Schwester Gabriella!“ Wieder nickte Chris nur. Er starrte mich an, was mir leicht unangenehm war. „Was hast du denn da?“ Erik sah hinunter zu Joker, der an seiner Hand schnüffelte. „Das ist erwähnter Wachhund. Hast du nen etwas ruhigeren Bereich, wo ich ihn hinbringen kann?“ Er nickte und sagte mir, dass sein Schlafzimmer und Wohnzimmer oben nicht zur Party genutzt wurden. Ich sollte ihn also dort hinbringen. In Gedanken schwankte ich die Treppe hinauf. „Zehn Zentimeter sind ein Muss,“ grummelte ich Ava's Worte nach. Mir taten jetzt schon die Füße weh, es war mir schleierhaft, wie ich darauf tanzen sollte. In Eriks Wohnzimmer nahm ich Joker das Geschirr ab und legte ihm seinen Knochen auf einen flauschigen Teppich. Dann wandte ich mich ab und ließ ihn allein. Man durfte sich schließlich nicht verabschieden, auch wenn er noch so süß schaute. Während ich die Treppe wieder hinunterstieg fiel mein Blick auf die tanzenden und schwatzenden Menschen. Wow, dachte ich. Hier herrscht heute glatter Männerüberschuss. Und als hätte Ava meine Gedanken gelesen winkte sie mich auch schon zu sich. „Wahnsinn, wie viele Jungs kennt dein Bruder?“ Ich zuckte die Achseln und beobachtete, wie sich das Licht in Aidens Glatze spiegelte, der sich bereits deutlich anders verhielt. Aiden war ein Phänomen. Er konnte der liebste Kerl aller Zeiten sein, doch wenn es darum ging zu feiern, Frauen zu imponieren oder sich einfach nur andern Männern gegenüber zu behaupten, dann verfiel er in eine arrogante Coolness, die so gar nicht zu ihm passte. Aufgeblasen, nannte Catherine das immer. Aiden reichte mir kommentarlos ein Glas mit Sekt und zwinkerte mir zu. Erik unterhielt sich wieder mit der kleinen Blonden, mit der schmalen Brille, die ihn ungläubig ansah. In der Küche auf einem Hocker saß Chris, der sich sein nach vorne fallendes, hellblondes Haar aus den grünen Augen und der Stirn strich. Er hatte eine Gitarre auf dem Schoß und zupfte an den Seiten herum. Ich musterte ihn. Er gefiel mir. Dunkelblaue Jeans, zerschlissene Converse, graues, eng anliegendes Shirt und ein glänzender schwarzer Ohrring. „Wen starrst du denn da an?“ Ava hatte die Augen zu Schlitzen verengt. Eigentlich brauchte sie, ähnlich wie ich, eine Brille. Doch sie war zu stolz sich das einzugestehen. „Den Typen mit der Gitarre,“ sagte Catherine, die die Lage bereits ab gecheckt hatte. Ich warf ihr einen genervten Blick zu. Wenn Ava sah, dass mir jemand gefiel, dann hatte sie die Angewohnheit mich direkt mit ihm in ein Gespräch zu verwickeln. Schon als ich noch mit Liam zusammen war. Das hieß, dass mir nun wahrscheinlich eine ihrer Verkupplungsaktionen bevorstand. Doch sie sagte lediglich: „Sieht doch nett aus.“ Und drehte sich wieder herum. „Kennst du ihn?“ Catherine sprang von der Theke herunter, auf der sie gesessen hatte, um ihrer Mitbewohnerin und Freundin fest in die Augen zu sehen. Ava versuchte wirklich ihr auszuweichen, doch Cat war in puncto Penetranz ähnlich affin, wie Ava. „Ja, ich hatte mal auf einer anderen Party von deinem Bruder was mit ihm. Aber wir haben nur geknutscht. Er wollte mich dann plötzlich nicht mehr.“ Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. „Dann wollen wir ihn alle nicht.“ Wir kicherten und stießen an. „Ich muss hier weg,“ vernahm man von Aiden und sah, wie dieser in der Menge verschwand.

 


Nach etwa zwei Stunden Sekt und Tanzen brannten meine Füße und ich suchte das Laptop meines Bruders, um mich mal um die Musik zu kümmern. Ava tanzte mit einem spanisch wirkenden, jungen Mann, mit Haut in der Farbe von Latte Macchiato. Als ich im Wohnzimmer Eriks Laptop fand, war ich halbwegs alleine. Auch wenn ich es mit nicht eingestehen wollte, ich vermisste Liam. In solchen Situationen hätten wir, nun ja, ein wenig geknutscht. Unwillkürlich leckte ich mir über die Lippen. Wobei diese glücklichen Zeiten sich eher auf den Anfang beschränkten, denn später, musste ich mir jedes Mal anhören: „Nicht in der Öffentlichkeit, Em.“ Kein Händchen halten, kein Küsschen, nicht mal eine Umarmung. Ich bewegte die Maus des Laptop's. Passwortgeschützt. Also tippte ich das Passwort ein, welches mein Bruder schon früher hatte und siehe da, der Bildschirm zeigte sich. Sehr sicher, mein lieber Bruder, dachte ich und lächelte. Mit dem Kopf auf die Hand gestützt durchforstete ich seine Musiksammlung. Hier müsste mal jemand aufräumen und kategorisieren, dachte ich. Das Hintergrundbild wechselte und zeigte ein Bild von Weihnachten. Es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Es war vor zwei Jahren aufgenommen worden. Wir mussten alle nach New York zu meinem Vater. Also standen wir vor dem berühmten Weihnachtsbaum am Rockefeller Center. Mit wir meinte ich Erik, Dad, Ella mit ihrem damaligen Freund Jake und Liam und ich. Liam trug eine rot-weiße Mütze, die ich ihm gestrickt hatte, ich dazu den passenden Schal. Er lächelte auf mich hinunter und hauchte gleichzeitig einen Kuss auf mein Haar. Ich machte einen Rechtsklick auf den Bildschirm und drückte auf nächstes Bild anzeigen. Es zeigte Erik und Chris in einer verrauchten Bar auf einer Bühne. Schon besser. Gelangweilt scrollte ich weiter durch die Masse an Musik. Bis bis jemand an den Haare hart herum riss. Er zog mich hoch, so dass ich den Boden unter den Füßen verlor und presste mich mit Wucht gegen die Wand, an der die Vorhänge hingen, die meine Großmutter meinem Bruder vererbt hatte. Ich bekam keine Luft, da er mittlerweile den Griff aus meinen Haaren gelöst und um meinen Hals gelegt hatte. „Du dummes Stück, zieh sofort die Anzeigen zurück, du ruinierst mein Leben. Ich habe meinen Job verloren und in der Mannschaft hab ich auch nur Ärger.“ „Vielleicht, weil du ein Arsch bist,“ krächzte ich und versuchte seine Hände von meinem Hals zu lösen. Kleine Blitze erschienen vor meinen Augen. Er schlug mich fest mit dem Hinterkopf gegen die Wand und aus den Blitzen wurde ein Wechsel von hell zu dunkel und wieder zurück. Er wiederholte dieses Spiel unter lautem Geschrei und wilden Beschimpfungen mehrmals. Plötzlich sackte ich zu Boden und hustete. Luft strömte in meine brennenden Lungen und endlich bekam ich wieder Luft. Es schmerzte zwar, als wäre mein Hals entzündet. Ich hörte etwas Klirren und jemanden Fluchen. Dann zog mich jemand an den Armen hoch und lehnte mich gegen etwas hartes. Ich konnte nur Licht und Schatten ausmachen, alles andere war finster. Ich blinzelte öfter. „Was ist denn hier los?“ Das war mein Bruder, schoss es mir durch den Kopf. Ich wollte seinen Namen sagen, doch nichts kam aus meiner Kehle. „Der Typ hier hat die Kleine da gewürgt und mit dem Kopf ständig gegen die Wand geschlagen.“ „Zum Teufel, Liam. Wie bist du hier rein gekommen? Verpiss dich, bevor ich mich vergesse. Wenn du meine Schwester noch einmal anpackst, dann reiße ich dir den Arsch auf. Egal, ob ich dafür aus dem Dienst fliege oder nicht. Zieh Leine.“ „Die Türe ist in die Richtung, Arschloch!“ Jemand berührte meine Stirn. „Emily,“ flüsterte mein Bruder, mit zittriger Stimme. „Oh mein Gott,“ hörte ich Ava kreischen. Jemand hob mich hoch und ich verlor das Bewusstsein.

 


„Sagen Sie mir bitte nochmal genau, was der Kerl mit ihr gemacht hat?“ „Er heißt Liam, hab ich mitbekommen und ist ihr Exfreund. Als ich in den Raum kam, schleuderte er gerade ihren Kopf gegen die Wand und bis ich realisierte, was da vor sich ging, hatte er ihn bestimmt noch drei mal gegen die Wand gehauen und sie dabei gewürgt.“ „Danke, also hier vor Ort kann ich nichts feststellen, ihre Atmung ist ein wenig beschleunigt, was ganz normal ist, wenn man zuvor keine Luft bekam und ihr Puls ist ebenfalls etwas zu schnell. Das Bewusstsein hat sie verloren, weil ihr Körper das Hirn schützen wollte. Wir sollten abwarten, bis sie eine Nacht geschlafen hat, beobachten Sie sie gut und bringen Sie sie morgen ins Krankenhaus zum CT. Und noch heute Nacht, sollte sie eine Amnesie haben oder sich erbrechen.“ „Danke, Doc.“ „Ja und ich nehme die Anzeige auf. Wie die anderen beiden, die der junge Mann hat. Er scheint nicht zu verstehen, dass er es nur noch schlimmer macht. Beim nächsten Mal droht ihm nicht nur die Ausnüchterungszelle. Schönen Abend noch.“ Ich versuchte mich zu bewegen, die Augen zu öffnen, aber es fiel mir alles furchtbar schwer. Also ließ ich es bleiben und driftete wieder in eine Traumwelt ab.
Etwas feuchtes berührte mein Gesicht. Blinzelnd öffnete ich die Augen. Der Schmerz in meinem Kopf war schier unerträglich. Jemand winselte. „Joker?“ Ich streckte den Arm aus und bekam ein flauschiges Bündel Haare zu fassen. Behutsam zog ich daran, um mich aufzusetzen. Er winselte wieder. Mein Schädel dröhnte und Joker's Winseln hallte darin wieder, wie in einer leeren Wohnung. Was war passiert? Ich hatte die Musik herausgesucht und dann? Jemand hatte mich an den Haare auf die Füße gezogen. Schmerz durchzuckte meinen Kopf, gemeinsam mit der Erleuchtung und Erkenntnis, wer es gewesen war. Liam! Stöhnend legte ich meine Stirn in meine Hände. „Du bist ja wach, Gott sei Dank.“ Ich kannte das Zimmer nicht, in dem ich lag, fiel mir auf. Ava saß auf einem Sessel. „Wo bin ich?“ Meine Stimme war krächzend und nahezu ein Flüstern. „Schht, du sollst nicht sprechen, Süße. Es wird alles wieder gut. Du bist bei deinem Bruder. In dem Zimmer, dass er immer für dich eingerichtet gehalten hat. Gruselig, ich weiß,“ fügte sie auf meinen Blick an und erschauderte. „aber er kümmert sich rührend um dich. Noch ein paar Stunden länger ohne Bewusstsein und wir wären mit dir in die Klinik gefahren. Dieser Mistkerl.“ Ihr Blick wurde finster. „Es tut mir so Leid, ich hätte die alles sagen sollen, einfach alles.“ Sie kniete sich vor mich und legte ihnen Kopf auf meine Knie. Unbeholfen tätschelte ich ihren Kopf. „Geht schon,“ krächzte ich. „Nein, dann hättest du vielleicht früher die Augen aufgemacht und klar gesehen. Ich wusste, was für ein aggressiver Bastard er ist.“ Mit Tränen in den Augen sah sie zu mir auf und als ich den Mund öffnete, um ihr zu antworten, schüttelte die vehement den Kopf. Also zuckte ihr nur die Achseln. Ganz ehrlich? Hätte es nicht. Jeder, der mir schlechtes über Liam erzählt hat, hatte für mich unrecht. So einfach war das. Dir passt nicht was Liam tut und du erzählst mir schlechtes? Leck mich. Ganz einfach, so war ich nun mal. Unbelehrbar. „Wenn Josh nicht gewesen wäre, dann hätte sonst was passieren können.“ Wer zum Teufel war Josh? Ich würde es schon noch erfahren. Ich wollte nur noch nach Hause, stellte ich fest. Ich tippte Ava auf die Schulter, dann als sie aufsah auf mich und auf die Türe. „Du willst gehen? Das wird Erik gar nicht gefallen.“ Ava stand auf und verließ schnellen Schrittes das Zimmer. Schwankend erhob ich mich, wandte mich zu der Türe zu meiner rechten und hoffte darauf, dass es das Bad war. Der Sekt des Abends drängte mich zur Eile. Während ich mir die Hände wusch, dachte ich darüber nach. Sollte ich es mir einfach machen und die Anzeigen an Liam zurück ziehen? Wobei eigentlich war nur eine einzige von mir. Die anderen waren von meinen Freunden und seit heute vermutlich eine von meinem Bruder. Da konnte ich nichts machen. Außerdem, was hatte ich mit ihm und seiner Mannschaft zu schaffen. Das waren doch alles seine Kumpels, damit hatte ich ja wohl nichts zu tun. Mein Blick fiel auf den Spiegel. „Was zum Teufel?“ Meine Haare standen ab. Meine Schminke war vollends verwischt oder verlaufen. Mein Hals sah aus, als wäre jemand mit einem Fahrrad mehrmals darüber gefahren. Dunkle, fast schwarze Striemen zierten ihn auf der linken und rechten Seite und einer zog sich jeweils von links und recht vorne über den Kehlkopf. Vorsichtig berührte ich meinen Hals. Herr Gott, tat das weh. Tränen schimmerten in meinen Augen und ich befühlte meinen Hinterkopf. Er war heiß, glühend heiß, um genau zu sein. „Emily?“ Eriks Stimme war panisch. Fast so wie damals, als meine Mutter starb. Aber da war Erik noch klein. Es war die Stimme meines Vaters, die so endlos panisch klang, als sie meinen Namen rief. Es war ein Feuer gewesen. Ausgebrochen im Nähzimmer meiner Mutter. Mein Vater war mit meiner Schwester und meinem Bruder einkaufen gefahren. Mum hatte genäht, ihr liebstes Hobby. Mein Zimmer, ich war damals dreieinhalb, befand sich direkt daneben. Natürlich erinnere ich mich nicht mehr an meine Mutter oder jene Nacht. Aber mein Vater hatte mir mal erzählt, dass das gut sei. Das Feuer war ausgebrochen, weil eine Bügelstation, die neben der Eingangstüre ihres Zimmers stand, einen Kurzschluss hatte. Neben der Türe war also sofort Feuer ausgebrochen und meine Mutter hatte es anscheinend zu spät bemerkt und war im Zimmer eingeschlossen gewesen. Jedenfalls kam sie nicht mehr hinaus und war bei lebendigem Leibe verbrannt. Sie muss die ganze Nachbarschaft zusammengeschrien haben. Das Feuer hatte wohl mein Zimmer erreicht, als mein Vater und meine Geschwister nach Hause kamen. Die Feuerwehr war bereits alarmiert und meine Mutter tot. Seltsamerweise erinnere ich mich genau an den panischen Ruf meines Vaters, als dieser sah, dass zwei Bündel von der Feuerwehr aus dem Haus getragen wurden. Zum einen ich und zum anderen meine Mutter. Nur, dass ich lebte und meine Mutter nicht. Meine Geschwister waren damals immerhin schon neuneinhalb und knapp elf Jahre alt. Erik erinnert sich an jede Minute dieser Nacht und ich weiß, dass er versucht es zu verdrängen, seit er klein ist. Immer wieder wenn es hieß, kocht deine Mutter nicht, wenn ein Freund zu Besuch war, hat mein Bruder Reiß-Aus genommen. Einfach so, völlig kommentarlos. „Hier steckst du,“ reißt mich die Stimme meines Bruders aus den Erinnerungen. „Hey, nicht weinen.“ Er hält mich fest, während ich mich an seinem Hemd festkralle und hemmungslos hinein schniefe.

Kapitel 7

Nach zwei Tagen, die meine Schwester auf Geheiß meines Bruder hin bei mir gewohnt hatte, hatte ich endlich wieder Ruhe. Es hatte Absagen gehagelt, auf all meine Bewerbungen. Niedergeschlagen saß ich um halb zwei am Montag auf dem Sofa und löfflete Eis mit Schokostückchen. Ich genoss meine Einsamkeit, mit dem warmen, großen Hund auf meinen Füßen. Mein Kopf hatte sich weitestgehend erholt. Heute Abend kamen meine Mädels zum Kochen vorbei. Bis dahin musste ich die Wohnung auf Vordermann gebracht haben. Seufzend erhob ich mich. Ich brachte den Eisbecher zurück ins Gefrierfach und begann in der Küche Ordnung zu machen, dann ging ich zurück ins Bad. Ich duschte mich, raffte meine Haare aber zu einem hohen Dutt zusammen, weil ich sie gleich einfach nur flechten wollte. In meinem Bademantel ging ich ins Schlafzimmer und suchte mir etwas zum anziehen. Ich entschied mich für ein leichtes rotes Sommerkleid. Meine Haare flicht ich fest am Kopf entlang und ließ sie dann in einem Fischgrätenzopf nach vorne über meine Schulter fallen. In der Kiste am Ende meines Bettes suchte ich ein passendes Tuch für meinen Hals und schminkte mich dezent, als es auch schon klingelte. Das musste Hailey sein. Sie wollte mit kochen und war zu früh, wie meistens. Ich fragte nicht nach, sondern drückte gleich die Türe auf. „Hallo?“ Eine Männerstimme, dachte ich und erstarrte. Joker rannte zur Türe, das Fell erhoben, aber er bellte weder, noch knurrte er. Eilig ging ich hinter ihm her zur Türe. Auf der Türschwelle stand Will. Einer von Liam's Freunden. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah zu, wie Joker ihn knurrend beschnüffelte und Will sich versteifte. Er hielt eine Reisetasche und einen Karton in den Händen. „Ich sollte dir nur die Sachen vorbei bringen, die dir gehören. Liam hat gesagt, dass es besser wäre, wenn ich sie dir bringe, bevor er sich vergisst.“ „Joker, aus!“ Joker kam zu mir zurück und presste sich an mein langes rotes Kleid. „Komm rein und stell die Sachen in der Küche ab.“ Wieso hatte Liam noch Sachen von mir? „Ich konnte schlimmeres verhindern. Ein paar Sachen wollte er vor Wut verbrennen.“ Ich nickte ihm zu. „Danke,“ presste ich hervor. Mit den Händen tief in den Hosentaschen versunken stand er da und starrte auf den Boden, wie ein Schuljunge, der sich für etwas schämte. „Es tut mir echt Leid, wie das alles gelaufen ist. Mike und ich haben auch oft überlegt, ob wir es dir sagen, aber uns war dann doch die jahrelange Freundschaft zu Liam wichtiger. Ich hoffe, du verstehst das.“ Ich nickte nur. „Na ja, du warst echt toll. War klasse dich kennen gelernt zu haben.“ Er ging zur Türe drehte sich aber nochmals um, als er schon im Flur stand. „Pass bitte auf dich auf, Em, ja?“ „Ja, Will. Danke.“ Er zog die Türe hinter sich zu und verschwand. Mein Handy riss mich aus einen verworrenen Gedanken, während ich die Hände über die Mütze gleiten ließ, die ich ihm gestrickt hatte. „Ja?“ „Hi Emily, alles gut? Du ist das okay, wenn ich Lisa mitbringe? Wir waren spontan zusammen unterwegs und haben noch was geshoppt. Wir können auch, wenn du zu wenig da hast noch etwas auf dem Weg zu dir mitbringen.“ „Nein, danke,“ antwortete ich gedankenverloren. „Das reicht für uns alle, natürlich kann sie mitkommen.“ Hailey verabschiedete sich wieder und ich ließ langsam das Handy sinken. Joker stieß winselnd meine Hand an, als würde er spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. „Ist schon gut.“ Ich wühlte weiter durch den Karton. Zum Vorschein kam ein Bild, was wir gemeinsam für den Football-Kalender, zu Gunsten der Opfer von Katharina, aufgenommen hatten. Er stand nackt vor mir, nur mit einem Football-Helm in der Hand und ich hatte eine knappe Cheeleader-Montur an. Er hatte das Bild früher in seinem Zimmer hängen gehabt. Ich seufzte schwer. In dem Karton befanden sich noch Tücher von mir Stofftiere und einige Bilder. In der Sporttasche jedoch war meine Nähmaschine und ein Football-Trikot mit der Unterschrift seines Lieblingsspielers, das ich ihm besorgt hatte. Meine Nähmaschine schleppte ich ins Wohnzimmer und platzierte sie auf dem Boden neben dem Vitrinenschrank. Wieso hatte er meine Nähmaschine? Na ja egal. Vielleicht war sie noch im Keller seiner Eltern gewesen, wo ich zuletzt Vorhänge umgenäht hatte. Es klingelte gerade, als ich alles weg geräumt hatte und begonnen hatte vor Langeweile die Küche nochmals zu kehren. Diesmal fragte ich vorher, wer an der Türe stand. Alle vier Mädels kamen zusammen. Eigentlich hatte meine Schwester auch kommen wollen, sich aber dann dagegen entschieden, weil sie ein Date hatte. Ich drückte ihr ganz fest die Daumen, dass es diesmal der Richtige war. Alles was sie sich wünschte war ein Kind. „Hi,“ riefen alle vier Mädels im Chor. „Das ich das mal erleben darf, dass ihr alle zusammen hier eintrudelt.“ „Wir haben die beiden in der Stadt an der Bushaltestelle auf gegabelt.“ Joker verließ fluchtartig den Flur und verschwand im Schlafzimmer. „Er mag uns nicht,“ schmollte Catherine, die scheinbar bereits den ein oder anderen Sekt getrunken hatte. „Doch, aber er ist ein Mann und von so vielen Frauen überfordert.“ Hailey kicherte über Ava's Witz und Lisa schaute belustigt drein. Ihre Hautfarbe war wieder etwas dezenter geworden. „Alle vermissen dich auf der Arbeit. Sogar dein Chef.“ Ich zuckte die Achseln und nahm den Wein und die Sektflaschen entgegen. „Hast du schon was neues?“ Catherine! „Nein, wieso?“ „Nun, nachdem Josh dich gerettet hat, da dachte ich, dass du vielleicht doch nochmal bei ihm vorstellig wirst.“ Klirrend ließ ich eine Sektflasche fallen. „Emi,“ tadelte mich Ava. „Josh? Wie Joshua Dawson?“ Catherine kam zurück in die Küche. „Ja, wusstest du nicht, dass er es war, der Liam vermöbelt hat und ihm die Nase und das Jochbein gebrochen hat?“ „Liam hat die Nase und das Jochbein gebrochen?“ Ava nahm mir die Flaschen ab, bevor ich noch eine zu Boden beförderte. „Davon hat Will gar nichts gesagt.“ „Will?“ Ava's Stimme war ein Kreischen und ich fuhr zu ihr herum. „Wann hast du denn mit dem gesprochen?“ „Er war etwa eine Stunde bevor ihr kamt hier und hat mir meine Sachen gebracht, die ich Liam mal geschenkt habe oder die noch mir gehörten,“ gab ich achselzuckend zu. Ich berichtete den Vieren kurz, was Will gesagt hatte und was er mitgebracht hatte, bevor wir nach dem ersten Wein zu kochen begannen. Es gab Rigatoni Quoattro Formaggio und einen gemischten Salat mit Honig Balsamico Dressing. Wir quatschten weiter, aber eines ging mir nicht aus dem Kopf. Bis schließlich Catherine's Handy klingelte. „Pssst,“ machte sie. „Catherine Summer?“ Catherine's Augen wurden groß. „Ja, genau die bin ich.“ Sie schwieg und ihr Mund formte ein kleines O. „Nein, das ist okay, wir haben Samstag nichts vor.“ Wir? Fragte ich mich und sah zu Ava, die die Schultern zuckte und sich dann wieder den Möhren zuwandte. „Ja, wir freuen uns drauf. Danke für die Einladung.“ Sie schwieg und nannte dann dem Anrufer ihre Adresse. Nachdem sie aufgelegt hatte, starrte sie das Handy an. „Cat?“ Ava fuchtelte mit dem Messer vor ihrer Nase herum. Lisa zuckte die Achseln und Hailey naschte vom Käse. „Wir sind auf eine Party eingeladen. Mit ganz offizieller Einladung, die uns heute in den Briefkasten geworfen wird. Wir alle.“ Sie deutete mit ihrem Handy durch den Raum, jedoch ohne uns eines Blickes zu würdigen. „Wahnsinn,“ flüsterte sie. „Diese sexy Stimme.“ „Party? Sexy Stimme? Jetzt machst du mich neugierig,“ erwiderte Hailey und stand von dem Barhocker auf. „Nun sag schon,“ drängte nun Lisa, „Wer hat angerufen?“ Catherine schüttelte den Kopf, wie um sich aus einem Tagtraum zu holen. Sie seufzte und sagte: „Wir sind zu einer Party eingeladen von Lucas Jackson!“

 


„Nein,“ rief ich aus. „da gehe ich ganz sicher nicht hin.“ „Aber er hat extra gefragt ob ihr mit kommt. Und deinen Namen wusste er auch noch. Nun kommt schon.“ „Wenn Emy sagt, dass er so ein Arsch ist, wieso sollten wir dann auf eine Party von ihm gehen?“ Lisa hieb auf den Kopfsalat ein und ich schluckte kurz, weil ich mir vorstellte, dass dies Lucas Kopf sei. „Aber ich finde ihn nett. Und sehr attraktiv.“ „Cat, du willst dir doch nicht wieder einen Macho angeln, oder?“ „Aber, Emy, Joshua wird bestimmt auch da sein.“ Ich schnaubte. „Na und? Ich werde ihm einen Dankes-Mail schreiben und damit ist meine Schuldigkeit getan. Ich mach mich doch nicht zur Lachnummer und tauche bei einer Party auf, die der Typ schmeißt, den ich vor seinem Personalleiter, seinem Vater und einer blonden Schriftstellerin beleidigt habe. Und was Dawson angeht, so glaube ich, dass ich da auch nicht gerade mit Benehmen geglänzt habe. Vielleicht war er es, der mir aus der misslichen Lage mit meinem Schuh half.“ „Wow,“ hauchte Ava. „ein wahrer Held. Den darfst du dir nicht entgehen lassen, Emily.“ Ich warf frustriert aufstöhnend die Hände in die Luft. „Hört ihr beiden mir überhaupt zu?“ Artig schüttelten beide den Kopf. Ich schnaubte und rührte durch die Nudeln, als sich Ava's Hände um mich legten. „Süße, was wenn es nur zum Spaß ist? Du sollst nicht da arbeiten und du musst die beiden ja nicht lieben. Aber es ist eine Party, wo nur reiche Typen sind.“ „Ja und hirnlose Tussen,“ brummte Lisa. „Musst du grad sagen, Sonnenbank-Mäuschen,“ erwiderte Hailey lachend. „Ich weiß ja von wem es kommt, Atombusen.“ „Hey, jetzt kommt mal wieder runter,“ sagte ich, denn ich spürte die drohende „Wir werfen uns Böswilligkeiten an den Kopf, hauptsächlich aus Neid-Phase“ aufkommen. „Wir essen erst einmal, schauen einen Film, trinken und dann reden wir nochmal darüber, okay?“ „Ja, aber wie müssen besprechen, was wir anziehen werden. Nicht, dass wir alle das gleiche tragen,“ gab Catherine zu Bedenken. „Ich werde garantiert nicht so freizügig herum laufen, wie du,“ presste Hailey hervor. „Wieso? Solltest du vielleicht mal, jeder Mann würde auf deinen Busen fliegen.“ „Vielleicht ist es genau das, was ich nicht will,“ konterte Hailey. „Ich will, dass ein Mann mich um meinetwillen mag und nicht wegen meines Anbaus.“ Lisa lachte. „Spätestens wenn er dich in Unterwäsche sieht, ist ihm dein Charakter egal.“ Ich rollte mit den Augen und goss das Nudelwasser ab. Mir fiel auf, dass Ava heute sehr still war. „Sag mal,“ begann ich ein Gespräch mit ihr. „Stimmt etwas nicht?“ Sie erschrak, weil ich sie direkt ansprach. „Ähm, nein, es ist alles in Ordnung.“ Nur, dass sie gar nicht danach aussah. Sie hatte Ränder unter den Augen, fiel mir auf. Tiefe Schatten, die sie versucht hatte, mit einer Schicht Make-Up zu überdecken. Ich ignorierte das Gezeter der anderen, die Teller und Salatschüsseln zum Esstisch brachten. „Du siehst furchtbar aus, also lüg mich nicht an,“ flüsterte ich. Sie sah auf. Ihre grünen Augen glitzerten verdächtig. „Mein Ex-Freund, Cameron. Er ist gestorben.“ „Oh, nein!“ Ich erinnerte mich an Cameron. Er war Ava's erste große Liebe gewesen und war nach Kalifornien gezogen, um Delfine zu erforschen. „Wie denn?“ Über ihr Gesicht kullerten Tränen. Sie hatte ihn immer geliebt, das wusste ich und es war ihr so schwer gefallen ihn los zu lassen. Cameron war sportlich gewesen, durchtrainiert, hatte feines, blondes Haar, einen kleinen Kinnbart und einen Ohrring gehabt. Er war ein richtiger Surfer Boy. „Er,“ begann sie schluchzend. „ war Tauchen und ein Speedboot hat ihn übersehen, als er nah unter de Oberfläche schwamm. Er hat ein Riff skizziert. Das Boot hat ihn erfasst, mit der Schraube und hat ihn...“ Sie schluckte und barg ihr Gesicht in ihren Händen. Ich zog sie an mich. „Schhtt, schon gut, Süße.“ Lärmend kamen die anderen drei zurück und erstarrten schweigend, als sie begriffen, dass die sonst so starke Ava weinte. „Was ist los?“ In Cat's Augen glitzerten bereits die Tränen, weil sie sah, dass ihre beste Freundin und Mitbewohnerin weinte. „Cameron ist tot,“ sagte ich, mit zittriger Stimme. „Oh Gott.“ Catherine eilte zu und und legte ihre Arme ebenfalls um Ava, genau, wie Hailey und Lisa. Nun waren wir ein warmes Knäuel Frauen, die sich leise weinend in den Armen lagen.


Nach dem Essen hatte Ava sich einigermaßen im Griff. Sie hatte berichtet, dass sein bester Freund sie angerufen hatte, mit einem viel zu detaillierten Bericht. Wir sahen sie alle mitleidig an, doch sie winkte ab. „Hört auch mich so anzusehen. Ich bin schon seit Jahren nicht mehr mit ihm liiert. Es stimmt mich nur ein wenig traurig.“ Sie schniefte und zuckte die Achseln. Wir wussten alle, dass sie log. Ohne Frage, aber niemand sagte etwas. Theatralisch klatsche sie in die Hände. „So, besprechen wir nun, was wir auf dieser Party von diesem geheimnisvollen reichen Schnösel anziehen.“ 

Kapitel 8

Ich hatte mich breit schlagen lassen. Und da Hailey und auch Lisa unglaublich neugierig waren, standen wir Samstag gegen 22 Uhr vor einer pompösen weißen Villa, in einer absoluten Nobelgegend. Wir selbst waren alle fünf schick angezogen. Ich trug ein fließendes schwarzes Kleid und hohe schwarze Pumps mit Pfennigabsätzen. In der Hand hielt ich eine silber-schwarze Clutch. Catherine trug ein schreiend kurzes blaues Kleid, was bei mir eher als Top verwendet worden wäre, mit einem Rückenausschnitt, der ihr kleines Namenstattoo am Ende ihrer Wirbelsäule zeigte. Ihre Fingernägel waren lang und in der gleichen Kobaltblauen Farbe, wie ihr Kleid. Ava trug einen weißen Faltenrock und ein knall-pinkes Top, welches vorne nur durch ein Stück goldene Kette zusammen gehalten wurde. Hailey trug ein schwarzes weit ausgeschnittenes Top und einen engen blauen Bleistiftrock. Ihre langen Extensions hatte sie zu einen kompliziert aussehenden Zopf nach vorne über die Brust gelegt. Lisa, trug eine hellblaue Hot Pants und ein dunkelblaues Blusentop. Sie sah sommerlich schön aus und fiel auf, dadurch, dass sie eher locker wirkte, statt gezwungen aufgehübscht, aber so war sie einfach, durch und durch natürlich. Na gut, bis auf die bereits verblassende Sonnenbankbräune. Catherine zeigte zur Türe. „Dahinter wartet das Geld.“ Sie lachte. Sie schien nervös und drückte nochmal ihren Klebe-BH zu recht. Hailey schüttelte daraufhin mit dem Kopf. „Es kann nicht jeder von Natur so große, schöne Brüste haben, wie du,“ zischte Cat. Sie drückte den Rücken durch, warf ihre Haare zurück und verpasste so das Augenrollen von Hailey. Gerade, als Catherine klopfen wollte, wurde die Türe von innen aufgerissen. Ein älterer Mann in einem hellen Anzug stand vor uns und musterte uns aufmerksam. „Guten Abend, die Damen. Ihre Einladungen, bitte.“ Jackson hatte Recht behalten. Die Mädels hatten mich noch am gleichen Abends seines Anrufes genötigt zum Briefkasten zu gehen. Und siehe da, es lag eine silbrig, wie eine Perle schimmernde Einladung im Briefkasten. Beinah zeitgleich zogen wir die Einladungen aus unseren Taschen und Clutches. „Willkommen,“ sagte er nickend und ließ uns ein. Plötzlich hatte ich das Gefühl ich würde Hogwarts die Zauberschule betreten. Eine große steinerne Eingangshalle erwartete uns. Auf der rechten und linken Seite führten Treppen nach oben, jeweils am Treppenaufgang thronte ein grimmig aussehender Löwe. Teppiche hingen an den Wänden und ein großer Lüster hing an der Decke und beleuchtete die Halle. „Darf ich ihre Jacken nehmen?“ Ich zuckte zusammen, als der, ich nenne ihn mal Butler, mich abermals ansprach. Wir reichten ihm unsere Jacken, die wir auf Grund des milden Abends alle noch über unseren Armen trugen. Eine Kellnerin ein einem knappen Hausmädchenoutfit kam vorbei. In der Hand trug sie ein Tablett mit einer roten Flüssigkeit, in der eine Erdbeere schwamm. „Erdbeerchampagner?“ Herr Gott, sie senkte sogar demütig den Kopf. „Schönen guten Abend,“ schnarrte eine kalte Stimme von der linken Seite. Ich schloss die Augen. Diese Stimme würde ich unter tausenden wieder erkennen, obwohl ich sie erst einmal gehört hatte. Ich wandte mich ihm zu und sah gerade noch, wie er alle meine Freundinnen sofort um den Finger wickelte. Gerade beugte er sich mit geschürzten Lippen hinunter zu Catherine's Hand, die sogar durch ihr kräftiges Carmouflgae Make-Up errötete. „Hallo Catherine,“ hauchte er, nachdem er ihr einen Kuss auf den Handrücken gepresst hatte. Ava fächerte sich theatralisch Luft zu. Mich ließ er einfach vollkommen kalt und ich hasste seine arrogante Art. Er erkundigte sich bei den anderen nach ihren Namen, zog die gleiche kitschige Begrüßungsnummer ab und wandte sich nun mir zu. Er ragte bedrohlich über mir auf, obwohl ich Stillettos trug. Beinah wirkte er noch größer, als bei unserem ersten Treffen. Finster blickte er mich mit seinen Rehbraunen Augen an, streckte seine Hand aus, um meine in seine zu nehmen, doch ich machte einen Schritt zurück, strich über den Saum meines Kleides und sagte: „Guten Abend, Mr. Jackson Jr.“ Er hob belustigt eine Augenbraue und meine Mädchen starrten mich entgeistert mit offenen Mündern an. „Immer noch so zickig, bockiges kleines Zicklein?“ Seine Stimme klingt in meinen Ohren rau, wie eine Türe die nicht richtig geölt ist. In mir brodelt es langsam hoch. „Zu Recht,“ presse ich hervor. Catherine stellte sich zwischen Lucas und mich und begann nervös zu lachen. „Hach, sie meint es nicht so. Ihr hattet lediglich einen schlechten Start.“ Verdutzt starrte ich ihren Hinterkopf an. Bitte was, dachte ich. „Vielleicht,“ flüsterte Lucas und musterte mich eindringlich. „Wie dem auch sei,“ sagte er in die Hände klatschend. „Willkommen. Fühlt euch ganz wie zu Hause. Alle Zimmer dürfen benutzt werden.“ Grinsend legte er Cat eine Hand auf den Unterarm und sagte: „Auch die Schlafzimmer.“ Catherine kicherte. Ich runzelte die Stirn, als Lucas sich abwandte und ihm alle folgten, alle bis auf mich. Seufzend machte ich mich alleine in die andere Richtung auf den Weg, immer mit dem Ziel vor Augen, eine Bar zu finden. In einem Zimmer, das aussah wie ein Museum, hing der an der Decke eine Discokugel, die bunte Lichter auf eine zuckende und nicht minder bunte Gruppe Tanzender warf. Von der Wand, die mir gegenüber lag, blickte mich ein riesiges finster drein schauendes Portrait von Lucas an. Neben ihm stand eine hübsche dunkelhaarige Frau, mit stechend grünen Augen. Vermutlich seine Schwester. „Ganz allein hier?“ Eilig fuhr ich herum. „Chris,“ rief ich erleichtert und erstaunt zugleich. Suchend sah ich mich um, doch Chris schüttelte den Kopf. „Dein Bruder ist nicht hier. Hatte ein Date. Kommt aber vielleicht nach. Wenn,“ „Wenn das Date nicht lohnenswert war. Ich weiß,“ beendete ich seinen Satz. Chris grinste. „Du siehst aus, als könntest du Alkohol vertragen.“ Ich nickte hektisch. „Oh ja, sieht man das so deutlich?“ Er zuckte die Achseln und schob mich durch die tanzende Menge hindurch zu einem breiten Durchgang, der in einem noch größeren antikeren Raum endete, an dessen linker Wand eine Bar aufgebaut war. „Ein Butterbier für dich,“ scherzte Chis. „Du kennst Harry Potter und findest auch, dass es hier aussieht, wie in Hogwarts?“ Ich hob erstaunt eine Augenbraue hoch. Er nickte nur und reichte mir eine Barcadi Cola. „Und Jackson Junior ist Professor Snape.“ Ich prustete in meinen Longdrink. „Pass bloß auf, dass er dich nicht auch verhext, so wie die anderen.“ Seine Stimme klang bitter und ich folgte seinem Blick, während er den Barcadi in einem Zug leerte. Lucas stand uns gegenüber, umringt von einer Traube Mädchen, darunter auch meine Freundinnen. Eine schöner, als die andere. „Nein,“ erwiderte ich trocken. „Der verzaubert mich nicht. Ich habe eine Schutzzauber um mich errichtet. Aber ich hätte den Mädels auch einen auferlegen sollen.“ Er grunzte zur Bestätigung und bestellte sich ein neues Glas.

 


Stunden und einiges Tanzen mit Chris später, bin ich ordentlich beschwipst. Mein Bruder ist nicht aufgetaucht und auch mein angeblicher Retter Joshua hat sich nicht blicken lassen. Chris dreht mich unnachgiebig, aber seine Miene ist eisern. „Du siehst nicht aus, als hättest du Spaß,“ bemerke ich eindeutig zu laut, als er mich wieder zu sich eindreht und ich ihm eine Hand auf die Brust lege, um ihn zu stoppen. „Ich bin sauer auf deinen Bruder, wenn du es genau wissen willst. Er hat versprochen noch her zu kommen.“ „Vielleicht hat er dir ja geschrieben?“ Nun wo wir still stehen, beginnen meine Füße zu kribbeln und leicht zu schmerzen. „Puh, können wir mal eine Pause einlegen?“ Chris grinst kurz und geht dann voran zurück zur Theke. „Ihr Frauen immer mit euren Hacken.“ Er zieht sein Handy aus der Tasche und wird bleich. „Oh Scheiße,“ murmelt er. „Was ist los?“ Ich sehe nicht auf, während ich meine Füße in den Schuhen hin und her schiebe, nur um fest zu stellen, dass sie sehr angeschwollen sind. „Dein Bruder ist im Krankenhaus.“ „WAS?“ Meine Stimme ist ein Kreischen und meine Füße vergessen. „Worauf warten wir noch?“ Ohne nach den Mädels zu sehen, packe ich Chris' Hand und zerre ihn nach draußen. „Wir werden kein Taxi bekommen, das kannst du vergessen!“ Ich fröstele, als wir draußen stehen. „Hey,“ höre ich eine Stimme hinter uns. Chris und ich fahren herum. „Wohin soll es denn gehen?“ Schwarze Converse, eine eng anliegende dunkelblaue Stone-Washed Jeans, die in einem offenen grauen Hemd, mit einem schwarzen T-Shirt darunter endet. Eine Lederkette, mit einem silbrigem Anhänger glitzert am Hals des Mannes, mit den aufrichtigen hellen blauen Augen und den verwuschelt gestylten blonden Haaren. Seine Stimme war dunkel, beinahe düster. Sie passte nicht ganz zu seiner Erscheinung. Mein Blick fiel auf seine Hände und mir wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Das war der Typ, der meinen Schuh aus dem Gitter gezogen hatte. Der mich bei J+D Enterprises aufgefangen hatte. Er, bei dem ich mich nicht bedankt hatte. „Danke,“ murmelte ich. „Was redest du da?“ Chris war gereizt und tippte auf seinem Handy herum, während ich den Blick senkte und versuchte den Fremden nicht noch mehr anzustarren. „Wir müssen ins Krankenhaus Major Hospital. Ihr Bruder wurde gerade eben eingeliefert.“ Er schüttelte sein Handy. „So ein Mist. Bei jeder Taxizentrale ist besetzt und ich kann nicht mehr fahren.“ „Aber ich.“ Der Blonde stellte sein Glas auf der Treppe ab und zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Wie passt der nur noch da rein, dachte ich in meinem Alkoholrausch. Seine Hose umschmiegt doch quasi seine Haut. „Danke Mann, das wäre echt super.“ „Klar, sag mal hatte deine Freundin keine Jacke? Ihr Outfit ist vielleicht etwas zu frisch.“ „Sie ist nicht meine Freundin. Nur die kleine Schwester meines besten Kumpels. Nichts besonderes.“ „Na danke auch, Chris,“ fand ich endlich meine Sprache wieder. Mutig wandte ich meinen Blick an den Fremden. „Ja, ich hatte eine Jacke, ich bin übrigens Emily.“ Der Blonde lächelte ein kleines Lächeln und sagte lediglich: „Ich weiß.“ Daraufhin machte er kehrt und kam mit meiner Jacke über dem Arm zurück. „Wieso kannst du noch fahren?“ „Weil ich grade erst gekommen bin. Ich hatte noch einen Termin.“ Patzig sagte ich: „Normalerweise sagt man einem auch seinen Namen, wenn das Gegenüber sich vorstellt.“ „Ignorier sie einfach. Sie hat zu viel getrunken,“ sagte Chris. Wir gehen auf einen schwarzen Range Rover zu. Ein Evouque. Er piepst und blinkt, als der smarte Blonde auf den Knopf am Schlüssel drückt. Da Chris auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, steige ich hinten ein. Meine Beine frösteln und ich habe Angst um Erik und bin sauer auf Chris, weil er mich wie ein Kleinkind behandelt. „Deinen Freundinnen fällt nicht mal auf, dass du weg bist, so sehr schmachten sie.“ „Lass meine Mädels aus dem Spiel. Ava hat sich ein bisschen Spaß verdient. Ihr Ex-Freund ist vorgestern gestorben.“ „Ja und, ist doch ihr Ex.“ „So etwas sagt man nicht, Chris. Du hast Recht,“ fügt unser Fahrer mit einem Blick in Spiegel auf mich an. „Dann ist es ihr gutes Recht Spaß zu haben.“ Er richtet seinen Blick wieder auf die Straße. „Wen himmeln sie denn an?“ Chris grummelt: „Den Ausrichter der Party. Deinen tollen Partner.“ Zuerst verstehe ich Chris' Worte nicht, doch dann dringen sie mit solcher Heftigkeit zu mir vor, dass mir beinahe schlecht wird. „Bitte?“ „Danke,“ äfft Chris meine zittrige Frage nach. „Was ist nur los mit dir? So schlecht steht es um deinen Bruder nicht. Er hat nur auf die Nase bekommen,“ fügt er kopfschüttelnd hinzu. „Du bist Joshua Dawson?“ Chris gibt ein Glucksen von sich. „Man könnte meinen du seist auf den Kopf gefallen.“ „Woher soll sie mich denn kennen.“ Blaue Augen, die mich belustigt mustern tauchen im Rückspiegel auf. „Ich meine,“ fügt er, mit einiger Belustigung hinzu. „Wir sind uns zwar schon mal begegnet, aber da hat sie mich nicht gesehen.“ Ich starre ihn einfach nur an. Doch ich bin wie vom Donner gerührt und absolut sprachlos. Die beiden Geschäftsführer könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Teufel und ein Engel. Schwarz und weiß. Gut und böse. Ich seufzte und schließe die Augen. Das ist einfach zu viel für mich heute Abend.


Keuchend stürzte ich zur Nachtschwester und fragte nach dem Zimmer meines Bruder. Erik liegt mit einigen Pflastern und Schienen im Gesicht auf dem Bett. „Herr Gott, Erik, was hast du gemacht?“ „Ich hatte ein Date,“ gibt er mit heiserer Stimme zurück. „Nur hat sie unerwähnt gelassen, dass ihr Ex um die nächste Straßenecke wartet und MMA Kämpfer ist.“ Joshua lacht glucksend. Ein schönes kleines Lachen, nahezu heiser. „Mann, du bist bei der Army. Du hättest ihn fertig machen müssen.“ Ich ignoriere Chris, schubse ihn beiseite und setze mich auf Erik's Bett. „Sorry, ich war beschäftigt.“ Ein leichtes rot überzieht seine Wangen. „So genau wollen wir das gar nicht wissen,“ wehre ich ab. „Herzchen,“ beginnt Chris. „Du bist so verklemmt. Trotz der Massen von Alkohol, die wir beide zusammen in uns gegossen haben.“ Erik schüttelt den Kopf. „Man riecht es. Sagte ich nicht du sollst auf sie aufpassen?“ Er zuckt die Achseln. „Hab sie erfolgreich von Jackson fern gehalten und ihr Ex ist auch nicht aufgetaucht.“ „Ja, aber dafür ist sie absolut volltrunken, geschminkt wie eine Transexuelle und,“ Er blickte finster an mir hinunter. „angezogen wie eine Edel-Prostituierte.“ Wütend stand ich auf. Vom Alkohol beflügelt schlug ich Erik mit der flachen Hand vor die Stirn, auf das große Pflaster. Zischend sog er die Luft ein. „Ich sag die mal was, großer Bruder. Leck mich!“ Mit diesen Worten verließ ich sein Krankenzimmer und ließ ihn stöhnend vor Kopfschmerz auf dem Bett zurück. Mir war übel und ich spürte, dass heiße Tränen in meine Augen stiegen. Warum ging im Moment einfach alles so furchtbar schief? Ich rannte auf eine Türe mit der Aufschrift Außenbereich zu und trat hinaus in die beißend kalte Luft. Ich befand mich auf einem Stück Flachdach des Krankenhauses. Es war windig und kühl hier oben. Fröstelnd zog ich die Jacke enger um mich und legte meine Arme zusätzlich darum, damit mir wärmer wurde. Weit entfernt konnte ich einen Krankenwagen heran nahen sehen. Leise drang seine jaulende Sirene zu mir herauf. Schluchzend rannen mir erste Tränen über die Wangen. Ich fühlte mich elend. „Du willst aber jetzt nicht springen, oder?“ Leise und tief wehte Joshua's Stimme zu mir herüber. Ohne ihm mein Gesicht zu zu wenden, schüttelte ich den Kopf. „Dein Bruder ist ein Idiot,“ sagte er nach einer Weile, was ich mit einem Nicken bestätigte. Er trat neben mich an das Geländer. „Du bist völlig durchgefroren, lass uns wieder rein gehen und ich fahre dich nach Hause, oder zurück zur Party, wenn du magst. Seine langen Finger waren um das Geländer geschlungen und ich versuchte mich unwillkürlich daran zu erinnern, wie sie sich auf meiner Haut angefühlt hatten. Doch in meinem Kopf war zu viel Chaos. „Ich sollte nicht zurück auf die Party. Ich habe wirklich genug getrunken.“ Man hörte meiner Stimme genau an, dass ich weinte. „Hey, nimm dir das doch nicht so zu Herzen.“ „Muss ich doch, er ist mein Bruder.“ Völlig überrumpelt stellte ich fest, dass Joshua seine Arme um mich gelegt hatte. „Ich finde nicht, dass du geschminkt bist, wie eine Transsexuelle.“ „Bin ich auch nicht mehr,“ jammerte ich. „Ist alles verlaufen.“ Er hielt mich auf Armeslänge von sich gestreckt und sah in mein Gesicht. Als ich versuchte seinem Blick aus zu weichen, hob er mein Kinn mit dem Daumen an. „So schlimm ist es nicht, aber dir steht dezent geschminkt wirklich besser.“ „War nicht meine Idee,“ flüsterte ich und zupfte an meinem hochgesteckten Haar, so dass es mir vom Kopf fiel. Ich hatte Kopfschmerzen, jetzt schon. Es würde ein schlimmer Morgen werden. „Immerhin findet er, dass ich wie eine Edel-Prostituierte angezogen bin.“ Joshua lachte wieder dieses heisere Lachen. „Ja immerhin Edel.“ Er musterte mich ernst. „Ich finde, dass du hübsch aussiehst, aber vielleicht ist das Kleid ein bisschen zu knapp. Nicht, dass du das nicht Tragen könntest. Aber wärst du meine, ach egal.“ Mir war plötzlich nicht mehr kalt. Wieso war er so nett zu mir? Und warum zu Teufel sah er mich so eindringlich an? „Also,“ räusperte er sich. „Willst du nach Hause?“ „Wenn es keine Umstände macht,“ murmelte ich leise. „Ach, du weißt ja, ich bin gerne der Retter in der Not. Nur mit einem Pferd kann ich nicht dienen.“ Er lächelte. Ich sah ihn nur verständnislos an, was zum Teufel redete er da? „Ritter in glänzender Rüstung, rettet Jungfrau in Nöten?“ Als ich immer noch nicht verstand sagte er: „Ach, vergiss es.“ Nebeneinander verließen wir die Plattform und das Krankenhaus. Auf dem Weg zu Auto tippte er eine Nachricht in sein großes Handy und ich konnte wetten, dass er meinem Bruder schrieb. Ich musste eingeschlafen sein, denn ich wurde von einem sanften Rütteln und einer Stimme, die meinen Namen sagte geweckt. „Wir sind da,“ sagte Joshua. Verschlafen rieb ich mir über die Augen und entdeckte die schwarzen Spuren an meinen Händen, Scheiße. Ich musste aussehen, wie ein Zombie. „Willst du noch mit rein kommen?“ Eigentlich wollte ich nur die unangenehme Stille zwischen uns durchbrechen. „Nein, ein anderes Mal. Aber ich sollte schauen, dass Lucas sich nicht ganz um den Verstand säuft, weil wir morgen noch einen wichtigen Termin haben, ziemlich früh.“ Ich nickte wissend und sagte dann: „Warum bist du so nett zu mir?“ 

Kapitel 9

Ich hätte mich ohrfeigen können! Was sollte diese Frage? Ich hätte einfach sagen sollen: „Danke Joshua, dass du mich schon zwei mal gerettet hast, ich schulde dir was. Eine Kiste Bier oder so!“ Dann hätte ich locker lässig aussteigen sollen und das einfach vergessen. Stattdessen wurde ich tiefgründig. „Vergiss es,“ fügte ich nun gepresst hinzu und wollte aussteigen, doch Joshua verschloss die Türe per Knopfdruck von innen. Mit großen Augen wandte ich mich wieder zu ihm um. „Joshua?“ „Warum sollte ich diese Frage vergessen? Ist doch dein gutes Recht. Und wenn ich bedenke, dass du Lucas vor mir auf der Arbeit kennen gelernt hast, dann kann ich verstehen, wieso du glaubtest, dass ich genauso sein müsste wie er. Und dass ich dir helfe, wenn etwas schief läuft oder es dir schlecht geht oder du gerade von deinem Ex verprügelt wirst, ist ja wohl selbstverständlich.“ Seine Miene war finster geworden. „Vielleicht sollte ich doch noch mit hoch kommen und überprüfen, dass alles in Ordnung ist. Du scheinst das Pech oder besser deinen rachsüchtigen Ex-Freund ja geradezu anzuziehen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin eine Idiotin, liegt wohl in der Familie.“ Ich lächelte ihn halbherzig an. „Aber ich will dich nicht unnötig aufhalten. Danke dir, für alles. Du hast was gut bei mir. Lass mich wissen, was ich für dich tun kann.“ Zögernd, wie ich mich verabschieden sollte, hob ich die Hand und sagte: „Bis Bald.“ Er schloss die Türen wieder auf. „Wie du meinst. Glaub mir, ich melde mich. Bis dann.“ Sein Blick war durchdringend, seine Miene undurchdringlich. Ich winkte ihm noch, als ich draußen auf dem Gehsteig stand und ging dann hinein.


Als ich meine Wohnungstüre aufschloss, sprang mir Joker direkt entgegen. „Hallo mein Großer,“ er schnüffelte an mir und verzog sich direkt wieder. „Ja, ich weiß. Ich stinke nach Alkohol.“ Der Blick in die Küche zeigte mir, dass es kurz nach zwei Uhr war. Noch gar nicht so spät, aber ich war ziemlich betrunken. Wobei, wenn ich es recht bedacht, dann ging es mir wieder etwas besser. Joshua schien eine gute Medizin zu sein. Mein Blick fiel auf den Kalender. Wir hatten bereits Ende August. Deshalb war es heute Nacht so kalt. Der Herbst näherte sich mit großen Schritten. Ich seufzte. Ich liebte Spaziergänge im Herbst. Die kühle Luft, das raschelnde Laub. Aber ohne einen Mann, der mich liebte, wirkte auch diese Aussicht eher trostlos. Aber ich war nicht allein, erinnerte ich mich. Ich hatte Freundinnen, die dich heute im Stich gelassen haben wegen Lucas Jackson, sinnierte der kleine Teufel auf meiner Schulter, während ich mich aus meiner Jacke schälte. Ich hatte meine Geschwister, von denen dein Bruder dich für eine transsexuelle Edel-Prostituierte hält. Und ich hatte Joker. Zusammengerollt lag mein felliger warmer Freund auf dem Sofa und beobachtete jeden Schritt, den ich machte. Seufzend machte ich mich bettfertig und legte mich dann noch etwas auf das Sofa und schaltete über die Programme. „Glaub mir, ich melde mich,“ hallte mir Joshua's Stimme durch den Kopf, als ich irgendwann in den Schlaf driftete.

 


Durch heftiges Hämmern an meiner Türe und das wilde Kläffen von Joker wurde ich aus einem Schlaf gerissen, der auf Grund seines Traumes, verboten gehörte. „Ja doch,“ grummelte ich. „Joker, aus,“ sagte ich bestimmt, als ich zur Türe ging und tippte ihm in die Seite. Durch den Türspion konnte ich meine Freundinnen erkennen. Da ich es nicht eilig hatte, öffnete ich langsam die Riegel und schloss auf, bevor ich die Türe aufzog. „Sag mal spinnst du?“ Ich schloss ein Auge vor Kopfschmerz, weil Ava so laut kreischte. „Wir haben uns totale Sorgen gemacht, als du auf einmal weg warst, mit Chris. Und dann irgendwann kam Joshua und sagte, dass dein Bruder im Krankenhaus wäre und er hätte dich nach Hause gebracht. Stunden später. Wieso sagst du uns nicht, wenn du weg gehst? Dir hätte sonst was passieren können.“ Lisa hielt sich die Ohren zu und auch Hailey verzog das Gesicht. Ich stutzte. „Wo ist Cat?“ „Lenk nicht von dir ab, junge Dame.“ „Oh doch, sagt mir nicht, dass sie bei diesem arroganten Idioten geblieben ist?“ Ich war plötzlich hellwach. Verdutzt starrten die drei mich an. „Geht das noch etwas lauter?“ Kia stand verschlafen in der Türe. „Kia, es tut mir Leid. Kommt rein und wehe ihr bestätigt meinen Verdacht. Willst du auch? Ich kann Kaffee kochen.“ Doch Kia lehnte schulterzuckend ab und sagte, dass sie noch etwas Schlaf nach holen wollte. „Vielleicht solltest du mal erklären, wieso du nicht an dein Handy gehen kannst oder zurück schreiben.“ „Hä? Ihr habt mich doch gar nicht,“ Ich hielt inne. Suchend sah ich mich nach meiner Clutch um, die ich nirgendwo entdecken konnte. „Fuck,“ entfuhr es mir. „Tschüß Niveau, wir seh'n und morgen,“ kommentierte Hailey meinen Ausbruch und ging in die Küche. Erst jetzt viel mir auf, dass alle noch ihre Kleider von gestern trugen und eine Mischung auf Alkohol und Qualm aussandten. „Ihr stinkt,“ knurrte ich und hielt mir die Nase zu. „Wisst ihr ich würde euch gerne zum Frühstück einladen, aber scheinbar ist meine Tasche verschwunden.“ Kraftlos ließ ich mich auf einen Stuhl am Küchentisch nieder. Hailey, die schnell für uns alle Kaffee gemacht hatte sagte: „Kopf hoch, die taucht wieder auf.“ „Ich hab mich nicht von euch verabschiedet, weil ihr alle so an dem tollen Lucas geklebt habt.“ „Joa, den sich jetzt scheinbar Cat geangelt hat.“ Ich stöhnte und rieb mir übers Gesicht. „Wie kann sie so blöd und naiv sein?“ Lisa zuckte die Achseln und trank an ihrem Kaffee. „Er schien sie zu mögen.“ Ich runzelte die Stirn. „Lucas Jackson mag nur eine Person und das ist er selbst. Joshua ist da ganz anders,“ entfuhr es mir. Trotz ihres nächtlichen Alkohol-Exzesses hatten sie genau mitbekommen, was ich gerade gesagt hatte. „Oh, so ist das also. Der liebe Joshua, mhm,“ meinte Ava und zuckte mit den Augenbrauen. „Nein, so ist das nicht. Er ist nur nett. Keine Schmetterlinge.“ Ich schüttelte den Kopf, um die Bilder meines Traumes von mir und Joshua los zu werden, in dem er gerade dabei war mir näher zu kommen, mit geschlossenen herrlich blauen Augen. „Die Frage ist doch eher,“ sagte ich Kaffee schlürfend. „Wo meine Tasche ist.“ „Ich rufe mal Cat an.“ Ava zog ihr knall-pinkes Handy hervor. „Wir stinken wirklich,“ sagte nun Hailey, die an sich gerochen hatte. „Tja, daher war ich heute Nacht noch duschen.“ Nachdem Cat nicht abgehoben hatte, erzählte ich meinen Freundinnen kurz, was mein Bruder abgezogen hatte, während eine nach der anderen duschen ging und in geliehener Kleidung von mir zurück kam. „Du hast aber auch ganz schön große Brüste, meine Liebe,“ stellte Ava fest, der mein schwarzes Top oben herum deutlich zu weit war. Hailey hingegen trug ein blaues Poloshirt von mir, was sie fast sprengte. „Dein Bruder ist ein Arsch,“ sagte Lisa und nahm ihre Tasche. „So, fügte sie an. „Ich lade zum Frühstück. Auf geht’s!“


Gemeinsam mit Joker gingen wir durch den Park auf ein kleines Café zu. Mir gefiel, dass wir vier und miteinander eingehakt hatten. Sogar Lisa mit Ava. Joker rannte über die Wiese, hin und her, wie ein Flummi. Bis plötzlich aus dem Nichts ein schwarzer großer Dobermann auftauchte. Mit gefletschten Zähnen und aufgestelltem Nackenfell raste das Ungetüm auf Joker zu. Dieser blieb zuerst verdutzt stehen, um dann ebenfalls seine Lefzen zu heben und zu knurren. „Nein, Joker, aus. Komm her!“ Ich reiße mich von den Mädchen los und laufe über die Wiese auf Joker zu. Der Dobermann ist fast bei ihm, als ich über eine Wurzel stolpere und hinfalle. Mein Aufschrei, lenkt Joker von dem Dobermann ab. Doch dieser stürzt sich rücksichtslos auf ihn. „Nein,“ kreische ich. Ein Knäuel auf knurrenden und fiependen Hunden befindet sich vor mir. Weit und breit ist kein Herrchen des aggressiven, schlanken, aber kraftvollen Hund zu sehen, der sich immer wieder neu im Fell meines Schlittenhundes verbeißt. Schlussendlich erreiche ich humpelnd die beiden Hunde und greife absolut unüberlegt nach dem Halsband des Dobermannes. Er fährt prompt herum und beißt mir in den Arm. Heißer Schmerz fährt mir durch den Arm. Ich spüre, wie sich mein Blut mit dem heißen Geifer des Hundes vermischt, wie die Zähne meine Haut immer mehr einreißen. Ich schreie auf. Passanten bleiben stehen. Schauen geschockt zu uns herüber. Tränen treten in meine Augen, vor Schock und vor Schmerz. Vor lauter Angst und Wut, schlage ich mit dem Arm, den der Hund umklammert hält nach ihm. Er lässt endlich los und ich sacke in mich zusammen. Ein Mann in Anzug und grauem Haar steht vor mir. „Was fällt Ihnen ein meinen Hund zu schlagen! Sind sie gestört?“ „Hallo, Ihr Hund hat unsere Freundin gebissen.“ Ich bekomme all das nur am Rande mit. Höre Joker winseln. „Was ist hier los?“ Eine kalte Stimme durchschneidet das Gezeter meiner Freundinnen und die wütenden Ausbrüche des Mannes. „Oh Gott, Emy.“ Ist das Cat, frage ich mich. Meine Sicht ist verschwommen und ich spüre, wie meine Sinne schwinden. Das letzte was ich sehe ist, wie Lucas Jackson dem Mann mit dem Dobermann einen Kinnhaken verpasst.


Ich fühle mich elend. Hundeelend. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. „Habe ich dir nicht gestern gesagt, dass du das Unglück magisch anziehst?“ Blinzelnd öffne ich die Augen. „Joshua,“ krächzte ich. Ich sehe mich um und stelle erleichtert fest, dass ich nicht in einem Krankenhaus bin. Aber wo zum Teufel bin ich dann? Oh, wieder bei meinem Bruder, na großartig. „Ich will hier weg,“ stoße ich hervor und setzte mich ruckartig auf. Ein dumpfer Schmerz pocht in meinem linken Unterarm und meiner linken Hand. „Hier, nimm die. Das ist Antibiotika. Damit du keine Blutvergiftung bekommst.“ Er trägt ein Business-Hemd, in einer schwarzen Anzughose. Eine Krawatte hängt hinter ihm über dem Stuhl. „Du siehst gut aus,“ murmle ich. „Das ist nie Nachwirkung von dem Narkosemittel,“ sagt er mit einem verkniffenen Ausdruck um den Mund. Ich schüttele den Kopf, doch er hält mir nur weiterhin eine Tablette und ein Glas Wasser entgegen. Ich nehme die Tablette entgegen, stopfe sie in den Mund und trinke einen großen Schluck Wasser. „Ich will trotzdem hier weg.“ „Wenn du das unbedingt möchtest, dann bringe ich dich nach Hause. Kein Problem.“ Auf seinem Knie liegt etwas schwarzes, was mich aus braunen Augen beobachtete. „Joker,“ hauche ich. „Ist mit ihm alles in Ordnung?“ Joshua zuckt mit den Achseln und tätschelt Joker den Kopf. „Er hat ein kleines Loch im Ohr, aber das gröbste hat sein Fell verhindert. Dadurch, dass es so dick ist, kam der Dobermann kaum bis zu seiner Haut. Im Gegensatz zu dir.“ Er sieht auf meine Hand hinab und ich tue es ihm gleich. Ein großer und dicker Verband ziert Handrücken und Unterarm. „Oh,“ mache ich. „Ja, Oh. Sie haben gesagt, wenn er noch tiefer zugebissen hätte, dann wären deine Nerven in Mitleidenschaft gezogen worden.“ „Wieso bist du hier?“ Er seufzte und die Sorge in seinen blauen Augen wächst. „Ich musste Lucas Kaution bezahlen. Er hat den Mann vermöbelt, dem der Hund gehörte. Nicht, dass er es nicht verdient hatte, aber, leider geht das nicht so einfach. Besonders nicht mit einem Anwalt. Aber keine Sorge, die Klage gegen ihn wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung läuft schon und unsere Anwälte sind besser, als er.“ „Danke,“ murmle ich. „Jetzt steh ich noch mehr in deiner Schuld.“ Er lächelt leicht. „Ich hab was für dich.“ Er dreht mir den Rücken zu und hebt etwas vom Boden auf. „Meine Tasche,“ rufe ich erfreut aus. „Sie lag in meinem Auto auf der Rückbank. Und als ich erfuhr, dass ich dich heute zwangsläufig sehe, dachte ich, dass ich sie dir mitbringe.“ „Danke, das ist echt lieb von dir.“ Seine hellen blauen Augen blicken mich aufrichtig an. Mein Blick bleibt an seinen Lippen hängen. Sie haben einen hellen schönen Farbton und sind recht voll, für die Lippen eines Mannes. Wie es sich wohl anfühlen würde sie zu küssen? Ich schüttle den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Nachdenklich mustert Joshua mich. „Joshua, würdest du mich dann bitte nach Hause fahren?“ „Hör auf mich immer Joshua zu nennen, dann glaub ich immer ich habe etwas ausgefressen und meine Mutter schimpft mit mir.“ „'Tschuldige.“ „Ich bin Josh, okay?“ Ich nickte. Er seufzt und steht auf. „Dann helfe ich dir mal hoch.“ Als er seinen Arm um mich schlingt und mir auf dem Bett hilft, ist mir plötzlich ganz warm. Und da ist sie, denke ich. Die erste kleine Raupenarmee in meinem Bauch, noch keine Schmetterlinge, aber Raupen. Ächzend halte ich meine Tasche fest. „Komm, Junge,“ ruft Josh Joker zu, der ihm auf dem Fuße folgt. Meine Kleidung ist blutig und ich fühle mich schäbig und schlecht so nah an Josh's reinweißem Hemd zu sein. „Ich kann bestimmt alleine laufen. Du bist gleich noch ganz schmutzig.“ „Schmutzig,“ sagt er und meine eine Pause, bevor er schelmisch grinst. „bin ich so oder so.“ Ich lächle ihn schüchtern an. So ein blöder Spruch, denke ich, wieso grinst du so blöd. Er lässt mich auf Grund meines Seufzens Stirnrunzelnd los. „Ich geh schon mal zum Auto und lade Joker ein, lass dir Zeit.“ Langsam wanke ich die Treppe hinunter und halte mich mit der rechten Hand umständlich am Geländer fest. Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich unten an. Mein Bruder ist nirgendwo zu sehen, was mir jedoch herzlich egal ist. Josh kommt gerade wieder herein. „Ich komme, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.“ „Ich glaube, dass der Notarzt das Narkosemittel für Menschen mit dem für Nashörner vertauscht hat. Du stehst ja völlig neben dir.“ „Nein, das ist einfach mein Scheiß-Leben, dass mir immer wieder auf den Kopf schlägt.“ Wie erstarrt bleibt er stehen. „Hey, so schlimm ist es nicht.“ Ich spüre, wie meine Unterlippe zu zucken beginnt. Ein todsicheres Zeichen dafür, dass sich eine Panikattacke samt Heulkrämpfen ankündigte. „Doch,“ hauche ich. Langsam lasse ich mich auf die letzte Treppenstufe sinken. Mein Magen knurrt, doch ich überhöre ihn. „Meine Mutter ist tot, mein Vater ist einfach nur geld- und karrieregeil, mein Bruder ist nie da und wenn ist er ein Arschloch, meine Schwester hat nur Pech in ihrem Leben und bekommt immer die schlechten Typen ab und ich? Ich wurde verarscht, ein Jahr lang, mir passiert ständig Blödsinn, ich habe meinen Job verloren, weil ich zu blöd war zur Arbeit zu gehen, vor lauter Liebeskummer. Dann raubt er meine Bude aus, zerstört meine Türe, verprügelt mich, bringt mich dazu eine Nacht in der Ausnüchterungszelle zu verbringen, betrügt mich, mit einer Frau, die nur halb so klug ist wie ich. Und einen neuen Job bekomme ich auch nicht, stattdessen schlittere ich von einer Verletzung in die nächste. Und der Typ, der super hübsch und attraktiv ist, ist nur nett zu mir, weil ich so ein Pechmagnet bin und absolut mitleiderregend.“ Plötzlich fällt mir auf, was ich als letztes gesagt habe und schlage mir schluchzend die Hände vor das Gesicht und murmle nun weinend in meine Hände. „Und nun sagte ich ihm auch noch genau das was ich denke, toll Emily, super, jetzt hält er dich sicher für noch mitleiderregender und bekloppt.“ Weinend und mich vor und zurück schaukelnd sitze ich auf der Treppenstufe. „Emily, was ist denn los?“ Die Stimme meines Bruders kommt auf mich zu, aber ich strecke nur die Hand aus, um ihm zu bedeuten, dass er weg bleiben soll. „Geh einfach, Erik. Ich kümmere mich um sie.“ „Du weißt doch gar nicht, was sie braucht!“ „Sicher keinen Bruder, der sie beleidigt. Oder nicht für sie da ist.“ „Raus!“ Die Stimme meines Bruders wird laut und brutal. „Sofort, raus, alle beide.“ Ich spüre, dass mir jemand auf die Beine hilft, bestimmt, aber auch behutsam. Dann sitze ich in einem Auto und werde angeschnallt. „Nimm sie doch. Sie ist schon immer irre gewesen und alles was passiert ist, ist alleine ihre Schuld.“ Sein Rufen dringt zu mir durch und ich spüre förmlich, wie mein Herz bricht. „Oh Gott, ich kann nicht mehr.“ Ich schließe die Augen und gebe mich völlig meiner Panik hin.

 


Um mich schlagend und schreiend erwache ich. Ich meine das Feuer zu riechen, dass meine Mutter tötete. Ich meinte sie schreien zu hören und zu spüren, wie es um mich immer wärmer wird. Keuchend versuche ich mich zu beruhigen. Ich schmecke Blut, weil ich mir auf die Zunge oder die Lippe gebissen habe. Meine Handflächen brennen und mein Unterarm pocht im schnellen Takt meines Herzens. Tief ein- und tief ausatmen, sage ich mir. Ich öffne die Augen und stelle fest, dass ich an einem Ort bin, den ich nicht kenne. Das Zimmer ist mit dunkelblauen Vorhängen verdunkelt. Ein riesiger massiver nussbrauner Holzschrank steht auf der Seite des King Size Bettes auf dem ich liege. Ich schwitze, weil die Luft stickig ist und ich einen dicken, mir viel zu großen Kapuzenpullover trage. Zwei Kommoden stehen an der Wand gegenüber. Ein bodentiefer Spiegel an der Fensterfront. Ich atme tief durch und stelle die Füße auf dem kalten Fliesenboden ab, nur um sie gleich wieder unter die warme Bettdecke zu ziehen. „Was interessiert es, wo ich überhaupt bin? Hoffentlich ist es die Hölle.“ „In der Hölle wäre es warm,“ höre ich Josh's Stimme durch die Türe, die danach aufgestoßen wird. „Ich dachte mir, du hast vielleicht Hunger.“ Er bringt ein Tablett mit Brötchen und Kaffee herein. Er trägt eine blaue Trainingshose und ein schwarzes weites Shirt. Und es steht ihm einfach hervorragend. „Ich hab dich mit zu mir genommen. Und nein, nicht aus Mitleid. Ich wollte einfach, dass du mal Urlaub von all deinem Scheiß hast.“ Er beißt herzhaft in ein Brötchen mit Marmelade. „Iss,“ sagt er kauend. Ich beginne die Ärmel des Pullovers hoch zu rollen, weil sie mir über den Händen hängen und mache mir ein Brötchen. Über der Kommode fährt ein Fernseher aus einer versteckten Luke hervor. Flirrend schaltet er sich sein. Es laufen Nachrichten, die Josh gespannt verfolgt. Es ist, als würde er spüren, dass ich ihn ansehe. Denn er schaut zu mir. „Willst du ein Foto haben?“ Perplex sehe ich ihn mit offenem Mund an. „Das macht es nicht besser Emily.“ Ich besinne mich und esse langsam mein Brötchen Joker kommt herein und will gerade zum Sprung ansetzen, als Josh sagt: „Ah ah ah, das gibt es hier nicht.“ Joker gehorcht sofort und rollt sich auf dem Boden zusammen. „Ab Montag, benötige ich eine Kopie von deinem Reisepass und nochmal eine Mappe mit deinem Lebenslauf. Wobei, nein, nur die Reisepasskopie. Die erste Woche werden wir nur hier im Büro sein, die zweite aber wirst du mit mir nach Manchester fliegen und von da aus nach Paris,“ sagt er nahezu beiläufig. „Bitte,“ frage ich mit vollem Mund. Tadelnd sieht er mich an. „An deinen Tischmanieren müssen wir noch arbeiten. Unsere Kunden und Partner sehen das sicherlich nicht gerne, wenn meine Assistentin mit vollem Mund spricht.“ Meine Augen werden groß. „Du stellst mich ein?“ Er nickte und trinkt einen Schluck Kaffee. „Ich trinke meinen Kaffee schwarz und nur bis maximal ein Uhr. Ab da möchte ich Wasser. Mittwochs bekomme ich um 15 Uhr einen Eiweißshake, wen wir hier im Büro sind, weil ich danach trainieren gehe. Wenn ich kränkle brauche ich Tee aus einer frischen Ingwer-Wurzel. Ich entschuldige mich jetzt schon dafür, dass ich dann unleidlich sein werde.“ Er denkt kurz nach während er weiter an dem großen Bissen Brötchen kaut. „Den Rest sende ich dir per Mail oder auf deinen Blackberry, der da vorne in dem Kästchen liegt. Er ist lila. Ich hoffe lila ist okay.“ Fassungslos starre ich ihn an. Er sieht zu mir. „Kannst du dir das alles so merken?“ Ich nickte. „Kaffee nur bis eins, schwarz, Mittwoch 15 Uhr Eiweißshake, Ingwer-Wurzel Tee wenn du kränkelst. Wasser ansonsten. Mit Kohlenrsäure oder ohne?“ Er lächelt. „Gutes Mädchen. Mit. Alles andere ist eh nur Leitungswasser. Freitags ist Casual Friday. Ansonsten gehen wir Montag noch einkaufen. Die Firma bezahlt deine Arbeitskleidung.“ Er zwinkert mir zu, ehe er sein Schlafzimmer verlässt. Wie soll das gehen? Ich sehe an mir hinunter. Ich trage das Sweatshirt meines zukünftigen Chefs und bin gerade eben oder gestern, noch hysterisch vor ihm zusammen gebrochen. Oh Gott, ich habe ihm gesagt, dass ich ihn hübsch finde. Ich lasse mich nach hinten umfallen. „Hopp Hopp, raus aus dem Bett, Assistentin. Ein Verbandswechsel steht an.“ Seufzend lasse ich die Füße aus dem Bett hängen. Vergeblich suche ich nach meinen Socken. „Der Boden ist kalt,“ informiere ich ihn schlicht. „Rechts von dir oberste Schublade. Bedien dich.“ Ich ziehe die Schublade auf. Socken, in allen Farben und dicken. Ich entscheide mich für die flauschigsten, die ich finde. „Fernseher an?“ „Jap, geht von allein aus.“ Langsam verlasse ich das Zimmer. Gegen die Sonne blinzeln stehe ich nun einem Raum, der der Flur sein muss. An der rechten Wand sehe ich eine massive Türe, mit einem schweren Balken daneben, den man vor der Türe schieben kann. Wohl die Haustüre. Gegenüber gehen mehrere Türen ab, manche geschlossen, manche geöffnet. Dazwischen stehen zwei Garderoben, eine mit Jacken, eine mit Schuhen. „Wow,“ entfährt es mir. „Du hast viele Schuhe.“ „Muss ich haben. Nun komm.“ Ich folge seiner Stimme in eines der hinteren Zimmer. Gerade aus ist die Küche. Sie ist groß, mit weißen Schrankfronten und einer grauen Arbeitsplatte, passend zum Boden. In der Mitte des großen quadratischen Raumes steht eine Kochinsel. Ein Traum. Ich trete hinein, wohlwissend, dass Josh sich im Zimmer nebenan befindet. Kleine Lampen sind in der hohen Decke eingelassen. Ofen und Mikrowelle auf Hüfthöhe angebracht. Ich rieche Kaffee und sehe den großen Vollautomaten, der mit vielen Knöpfen scheinbar vieles herstellen kann. Der zweitürige Kühlschrank hat auf einer Seite eine Ablage, vermutlich für Eis. „Wo bleibst du?“ Seine Stimme ertönt dicht hinter mir. „Huh,“ entfährt es mir. Verlegen sehe ich auch meine Füße. „Du hast eine Traumküche.“ Er zuckt die Achseln, als ich aufsehe. „Vielleicht kochst du mal was für mich.“ Ich sehe ihm in die blinzenden blauen Augen. Ich kann unmöglich mit ihm oder besser für ihn arbeiten. Ich folge ihm in den Raum, aus dem er kam. Sein Esszimmer, mit angrenzendem Wohnbereich. Ein riesiger Fernseher und sämtliche Spielekonsolen, die ich kenne lagern an einer Wand. Davor drei Sofas aus schwarzem Leder. Ein weißer Teppich liegt unter einem pompösen Glastisch. „Du hast eine Putzfrau nehme ich an?“ Mein Blick ruht skeptisch auf dem glänzenden, streifenfreien Glastisch. Er nickt neben mir und bugsiert mich auf einen der bequemen Lederstühle, die am Esstisch stehen. Es ist Platz für acht Leute, eine richtige Tafel. Der Blick nach draußen ist atemberaubend. Er sieht auf eine kleine Lichtung an einem Waldrand, der sich bis ins unendliche zu erstrecken scheint. „Wahnsinn.“ „Schön, dass es dir gefällt. Es ist ein Trotzkauf. Mein Vater wollte, dass ich mitten in die Innenstadt ziehe. Aber ich liebe die Natur. Den Geruch von Harz, Herbst und das Weiß des Winters.“ Oh Gott, schießt es mir durch den Kopf. Er liebt den Herbst und die Natur. Nein, ich kann auf keinen Fall mit ihm arbeiten. Er greift nach meiner Hand. Bemüht schaue ich weg, weil ich nicht sehen will, was der Hund mit meinem Arm angestellt hat. Es ziept, als er den letzten Rest löst. Ich verkrampfe mich automatisch. „Sieht gar nicht so schlimm aus.“ Ich schaue hin. Es sieht aus, wie die Naht an meiner Jeans. Dicker schwarzer Faden hält die Haut zusammen. „Es sieht hässlich aus,“ lasse ich leise anmerken. „Nur so lange die Fäden drin sind.“ Geschäftig schmiert er eine orange Paste auf meinen Arm. Dann legt er ein Dreickstuch darauf und verbindet es wieder. „Nicht zu fest?“ Ich schüttle den Kopf. Ich habe ihn die ganze Zeit dabei beobachtet, wie seine wachen blauen Augen über meine Haut fahren, seine langgliedrigen Finger ebenfalls. Ich kann nicht umhin zu bemerken, dass kleine Raupen den Weg durch meinen Bauch ziehen. „Josh, ich kann nicht für dich arbeiten, das wäre nicht fair und sehr unsinnig und unpassend. Ich hab mich total daneben benommen.“ „Ach was! Nur bei Jackson. Und er verträgt so etwas. Sein Vater sagte, du habest ihm imponiert, weil du so wenig Angst bzw. Respekt vor ihm hattest und das wir so jemanden brauchen könnten. Statt der stillen Mauerblümchen oder der polarisierenden geldgeilen Tussen, wie der rothaarigen Empfangsdame.“ Er zwinkert mir zu, als ich Luft holen will, um mein weiteres Gegenargument vor zu bringen. „Und unsinnig, wieso? Du brauchst einen Job? Ich habe einen zu bieten und deine Referenzen und Kompetenz ist mehr als ausreichend. Fairness,“ grummelt er. „Was ist heutzutage fair. Der Arbeitsmarkt ist ein endloser Konkurrenzkampf im Haifischbecken. Und ich fresse dich. Ganz einfach. Außerdem,“ fügt er hinzu als er aufsteht. „Schuldest du mir etwas. Und hiermit fordere ich, dass du für mich arbeitest. Das ist der Gefallen, den ich dafür will. Ende der Diskussion.“ Er verlässt den Raum. Lässt mich alleine vollkommen perplex sitzen. Joker legt mir seine Schnauze auf die Knie und ich starre einfach nur auf dem Fenster, ohne etwas wahr zu nehmen. 

Kapitel 10

Es ist Montag, es regnet und ich stehe in einem meiner noch engeren Kostüme, die ich zur Auswahl habe an der Bushaltestelle. Ich darf kein Auto fahren. Wegen meiner Hand. Zu gefährlich. Die Nerven könnten reißen, Sehnen ebenfalls. Keine Überanstrengung. Leichte Büroarbeiten sind möglich. Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich habe bei Josh im Bett gelegen. Wer weiß, wo er geschlafen hat. Ich hab mich nicht getraut zu fragen. Auch nicht, was er über meinen hysterischen Anfall denkt. Ich habe Angst vor dem Moment, wenn ich das Firmengebäude von J and D Enterprise Inc. Betrete. Mein Reisepass liegt schwer in meiner Tasche. Anfang nächster Woche bin ich mit ihm in Manchester und dann in Paris. Paris - die Stadt der Liebe. „Herr Gott, reiß dich zusammen, er ist jetzt dein Boss.“ Eine ältere Frau rückt beunruhigt von mir ab, weil ich mit mir selber rede. Verständlich. Meine Mädels wollten jedes Detail hören und waren mehr als enttäuscht, dass es bei einem Mittagessen bei mir zu Hause aus Pizzakartons geendet hat. Er hatte mich nachmittags nach Hause gefahren, auf dem Weg nahmen wir Pizza mit. Ich habe den Blick gesehen, mit dem er meine Wohnung bedacht hat. Bevor wir allerdings bei ihm losgefahren sind, hat er mir Kleidung von sich gegeben und wir sind ein kleines Stück in dem Wald hinter seiner Wohnung spazieren gegangen. Traumhaft. Ruhig und wow, einfach schön. Wir haben nicht geredet. Nur die Stille genossen. Joker liebt ihn, weil er mit ihm Bällchen spielt. Verräter. Eigentlich wollte er mit ihm wieder nach Hause fahren. Aber ich kann es verstehen. Ich wäre auch gerne mit ihm gefahren. Viel zu gerne. Ich sehe auf meine rosegoldene Uhr. Der Bus hat bereits zehn Minuten Verspätung. Ich nehme meinen neuen Blackberry aus der Tasche und er zeigt eine Nachricht an. „Warte auf mich. Ich komm dich abholen. Wehe du fährst Bus.“ Josh! Seufzend wechsele ich die Straßenseite und gehe wieder zurück zur Wohnung. In der Türe bleibe ich mit dem geöffneten Schirm stehen. Eine graue kleine Limousine von BMW hält vor mir an. „Alles einsteigen, bitte,“ ruft Josh, nachdem er das Fenster ein Stück herunter gelassen hat. Ich gehe auf das Auto zu, mit eindeutig zu schnell klopfendem Herzen. Betont langsam schließe ich den Schirm und steige ein. „Du wolltest Bus fahren, oder?“ Seine Augen sind schmal. Ich nickte nur. Er grinst. „Wie ist die Laune?“ Er fädelt sich in den Verkehr ein. Die Ledersitze knarzen, als ich mich anschalle und versuche mich bequem, aber businesslike hin zu setzen. „Es geht. Ich würde es einordnen zwischen Panik und dem Wunsch schreien davon zu laufen.“ Er gluckst. „Du hast noch etwas Zeit. Wir fahren erst Arbeitskleidung kaufen.“ Er sieht zu mir herüber. „Das ist dir zu weit. So geht das nicht.“ Er rümpft die Nase und ich bin ein klein wenig beleidigt. „Hast du ein Auto?“ Ich nicke, bis mir auffällt, dass er es ja nicht bemerkt, weil er die Straße beobachtet. „Ja, einen kleinen VW.“ „Stimmt, da war was. Ich kann meinem Vater sicher einen Firmenwagen aus den Rippen leiern. Diesen hier vielleicht. Dann bist du auch noch Chauffeurin.“ „Nein, ich brauche keinen Firmenwagen.“ Er runzelt die Stirn. Der Wagen in dem wir sitzen riecht nagelneu. So, als käme er gerade vom Fabrikband. „Überleg's dir. Du kannst haben was du willst. Solange es nicht teurer ist, als dieses Gefährt.“ Herrje, ich hatte zwar keine Ahnung von Auto's, aber dieses Ding war sicher teuer gewesen. Wir bogen in die Straße zur Mall ein. Aber statt ins Parkhaus zu fahren, so wie ich sonst immer, fuhren wir bis zu einer Scheibe einer Edelboutique vor und er parkte rückwärts ein. Mit einer Kamera natürlich. „Komm schon.“ Er steigt aus, ich tue es ihm gleich. Wir stehen am äußeren Ende der Mall. Hier gibt es Gucci, Karl Lagerfeld, Versace, Yves Saint-Lorent und andere teure, glänzende Geschäfte. Diese Läden sehe ich sonst nur von weitem. Er geht auf den Eingang von Gucci zu. Als er merkt, dass ich ihm nicht folge, kommt er zurück und hakt sich bei mir unter. Er muss mich förmlich ziehen. „Josh,“ flüstere ich. „Das ist viel zu teuer und in diese Modepüppchen-Outfits passe ich eh nicht.“ „Ach ja?“ Er runzelt die Stirn, legt eine Hand auf meine Hand und beginnt ein Gespräch mit der Verkäuferin. Geschäftig sieht sie mich an, doch wenn sich ihr Blick zu Josh richtet, der einen Hugo Boss Anzug, mit passendem Hemd trägt, strahlen ihre Augen förmlich und sie hängt an jedem Wort, dass er sagt. Seufzend lasse ich mich von einer wasserstoffblonden mit Pixie-Schnitt in eine pompöse Umkleide schubsen. Sie vermisst mich stirnrunzelnd und sagt dann. „Jacke aus und Bluse auch.“ Ich stocke. „Bitte?“ „Ich muss auch ihren Busen vermessen. Wir wollen doch, dass alles passt.“ Sie schürzt die Lippen. Knallroter Lippenstift. Bah! Seufzend ziehe ich meinen Blazer aus und lasse die weite, weiße Bluse folgen. Ihre Augen weiten sich, als sie mich nun sieht. Verlegen kreuze ich die Arme vor der Brust. „Mein Gott, ich bin neidisch auf Ihre Figur, wieso verstecken Sie sich so?“ Sie schiebt meine Arme rabiat weg und vermisst mich. „Bin gleich wieder zurück.“ Etwa fünf Minuten später kehrt sie mit einem Kleiderwagen voller Kleider, Kostüme, Blusen und Hosen und sogar Unterwäsche zurück. „Erst mal raus aus dem BH. Der sitzt nicht. Dann probieren Sie zu dem weißen erst mal die weißen Blusen und hellen Blazer und Kleider aus. Auf geht’s.“ Sie klatscht in die Hände und verlässt die Umkleide. Beschämt schäle ich mich aus meinem alten Büstenhalter. Der Stoff des BH's von Gucci ist unfassbar sanft. Ich meine fast keinen BH zu tragen. Beeindruckt und langsam von der Laune der Verkäuferin angesteckt, schlüpfe ich aus meinem Rock. Eine seidene weiße Bluse, mit goldenen Knöpfen und einen Bleistiftrock in Creme wähle ich als Erstes. Dazu gibt es einen passenden Longblazer. Der oberste Knopf der Bluse will sich nicht schließen lassen. Und doch gefällt mir das, was ich in dem dreiteilig Spiegel sehe verdammt gut. „Kommen Sie mal raus, wenn Sie etwas an haben.“ Ich erschrecke, weil ich mich fasziniert im Spiegel betrachte. Langsam trete ich hinaus. „Sehr schön,“ sagt die Verkäuferin. Josh wendet sich zu mir um. Ich meine kurz zu sehen, wie sich seine Augen weiten. Doch er schüttelt den Kopf und sagt: „Zu hell, lieber dunklere und gedeckte Farben. Passt besser zu unserer Firma und wirkt seriöser. Grau, schwarz, bordeaux, dunkelblau, violett. So was. Sie braucht noch ein bis zwei passende Taschen und,“ Sein Blick fällt auf meine ausgelatschten Pumps. „mehrere Paar Schuhe.“ Er lächelt. „Ansonsten siehst du umwerfend aus, aber mir gefällt die Farbe nicht. Besonders nicht in Kombination mit deinen Haaren.“ Er blättert ungerührt weiter in der Zeitschrift. Gefühlte drei Millionen Outfits, Kleider, Schuhe und Taschen später, kaufen wir drei Kostüme, in hellgrau, schwarz und lila, jeweils mit einem Bleistiftrock und einer Hose. Zehn Blusen, in verschiedenen Farben, acht Kleidern, zwei aus Wolle und die anderen aus großartig anschmiegsamen Stoffen, zehn verschiedene Strumpfhosen in verschiedensten Farben, drei BH's, ein Paar halterlose Strümpfe bekomme ich geschenkt zu einem kurzen Rock, der laut Josh nicht für's Business geeignet ist, drei Taschen und sechs Paar Schuhen. Ich bekomme noch, weil wir so umsatzstark waren einen Schminkkoffer geschenkt. „Wenn Sie mal Hilfe brauchen, hier ist meine Karte, kommen Sie einfach vorbei. Aber bitte vorher anrufen. Ich kann Ihnen Make-Up und Haare machen.“ Die Verkäufern Anita ist wirklich nett. Auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so wirkt. Ich habe direkt eine schwarze Bluse und die hellgraue Kostüm Kombi anbehalten. Der Bleistiftrock ist weich und umschmeichelt meine Oberschenkel. Die schwarze Bluse betont mein Dekolleté. Ein Mann in einem Anzug kommt und nimmt Josh den Autoschlüssel ab, um die Taschen in den Wagen zu laden. „Fahren wir denn nicht los?“ Er schüttelt den Kopf, während er ihm einen 5 Dollar-Schein als Trinkgeld gibt. „Wir müssen noch ein paar Kleinigkeiten besorgen.“ So kommt es, dass wir einige Minuten später in einem Schmuckgeschäft stehen. Josh lässt sich Ketten, Ohrringe und passende Uhren zeigen. Eine Uhr gefällt mir unwahrscheinlich gut. Aber ich sage nichts, denn ich habe das Preisschild gesehen. Es ist eine Uhr, die gemeinsam mit kleinen Perlen und Schleifen an einem Bettelarmband hängt. Es glitzert herrlich. Er entscheidet sich für zwei Sets, die ich stumm abnicke. „So, komm her,“ sagt er zu mir, bevor wir den Laden verlassen können. Josh ist kein Riese, so wie Lucas, aber ebenfalls keineswegs klein. Er ist um die 1,85 m. Und ich erreiche trotz der hohen Gucci Schuhe nicht mal sein Kinn. Er legt mir die Kette um und reicht mir die Ohrringe. „Und die Uhr tauschen.“ Geschäftig tausche ich die Uhr. „Fühlst du dich unwohl?“ Ich schüttle mit dem Blick zu Boden gerichtet den Kopf. „Gefiel dir noch etwas anderes?“ Wieder mein Kopfschütteln, doch mein Blick geht unwillkürlich zurück zu der Vitrine, in der die Uhr liegt. Er schweigt und mustert mich nachdenklich. „Geh schon mal ins Auto. Ich komme gleich nach.“ Verdutzt sehe ich ihn an, als er mich stehen lässt und in die entgegengesetzte Richtung marschiert. Achselzuckend gehe ich zum Auto. Seufzend lasse ich mich auf den Beifahrersitz sinken. Es ist bereits zehn Uhr und der Himmel klart langsam wieder auf. Ich nehme mein eigenes Handy aus meiner mir nun schäbig erscheinenden Ledertasche von Forever 21. Erik hat angerufen. Ist mir egal. Ava hat geschrieben, wie mein Tag mit meinem heißen Chef läuft. Ich verdrehe die Augen, antworte aber, dass wir immer noch einkaufen wären. Hailey und Lisa schreiben mir, dass heute alles gut laufen wird und ich unbedingt heute Abend ins Diner kommen sollte. Der Kofferraum geht auf und wieder zu kurz darauf steigt Josh ein. „Wir können. Bereit?“ „Nein,“ sagte ich, mit fester Stimme. „Gut.“ Er grinst und startet Motor.

 


Josh führt mich persönlich durch die Firma und ich spüre den bohrenden Blick der rothaarigen Empfangsdame. Ich habe das Gefühl zu schmelzen. Doch ich straffe die Schultern und gehe neben Josh her. Wir gehen genau in den entgegengesetzten Korridor, den ich vor einiger Zeit mit Jared gegangen bin. Sprich weg von dem Jackson Korridor hinein in den Dawsons Korridor. „So,“ sagt Josh und hält vor einer 1 zu 1 Kopie des Vorraumes an, den ich bereits besichtigt habe. „Das ist dein Platz. Aber da du meine persönliche Assistentin bist, wirst du viel in meiner Nähe sein. Leider auch um meine Gespräche mit zu schreiben oder aber aufzunehmen und dann abzuschreiben. Das bleibt dir überlassen.“ Er lächelt mich an. Ich räuspere mich und grüße eine Dame in einem grünen Kleid, die mich neugierig mustert. Josh hingegen sagt nichts. „Ähm,“ beginne ich. Ich muss ihn das fragen, aber wie nur. „Ja?“ Eine seiner geschwungenen Augenbrauen rutscht höher, während die andere an Ort und Stelle verharrt. „Muss ich dich siezen?“ Er grinst. „Natürlich, ich bin dein Boss.“ Mir wird heiß und ich fühle mich fehl am Platze. „So ein Blödsinn, ich mach nur Spaß. Du kannst mich duzen, so wie ich es mit dir auch tue. Lediglich vor Kunden sollten wir vielleicht nicht so locker miteinander umgehen und beim Sie bleiben. Macht einen professionelleren Eindruck.“ Ich nicke. „Nimm Platz. Na los, das ist dein Reich, nicht so schüchtern.“ Schnaufend und umständlich schiebe ich den massiven Lederstuhl zurück. Er ist bequem und riecht nach echtem, teurem Leder. Meinen Blackberry lege ich auf den Schreibtisch. „Meine Termine sind in dunkelgrau hinterlegt. An denen musst du nicht teilnehmen, es sei denn ich bitte dich. Die roten Termine sind äußerst wichtig. Da müssen wir beiden dran teilnehmen um jeden Preis. So einen darf ich nicht vergessen. Die hellblauen hier, das sind die wo du mit mir hin musst. Sie sind hier auf dem Pc eingespeichert und auf deinem Blackberry. Wenn ich neue Termine lege, bekommst du eine Pop-Up Nachricht. Die kannst du immer kommentieren. Also wenn du Gegenvorschläge hast, dann scheue dich nicht zu schreiben. Du bekommst alle meine Telefonanrufe zuerst her gestellt. Dann entscheidest du, wie wichtig diese sind. Außer jemand wie mein Vater oder wichtige andere Personen haben eine Direktwahlnummer. Das ist dein Headset, dein Diktiergerät. Ja, noch was? Ach ja, hier,“ sagt er und klickt auf ein Symbol auf den Bildschirm. „findest du deine Aufgaben zur Erledigung. Bitte wenn du fertig bist auch so markieren. Ich bin ein Kontrollmensch und Perfektionist. So etwas hätte ich bei Lucas nicht gegeben. Er sieht alles etwas lockerer als ich.“ Er lächelt und mir wird durch und durch warm. Ich schäle mich aus meinem Blazer und stelle belustigt fest, wie Josh's Blick über meine Bluse wandert. Als er bemerkt, dass ich ihn erwischt habe, lächelt er. „Gut,“ fährt er fort. „Manchmal musst du Termine für mich machen. Hier sind die Hotels oder Restaurants, die ich zu buchen pflege. In unseren Archiv findest du Preisvereinbarungen und Ansprechpartner. Das war's soweit.“ Seine Brust verschwindet aus dem Nahbereich meines Rückens. „Fragen?“ Er wirkt strenger, seit er diesen Anzug an hat. Sein Ton ist noch eine Spur tiefer und befehlender. Ich schüttle den Kopf. „Nein, Sir.“ Er lächelt mich an. „Gutes Mädchen.“ Bedeutsam sieht er auf die Uhr. „Miss Pierce, wann habe ich meinen nächsten Termin?“ Ich sehe meinerseits auf die Uhr. „In etwa einer Stunde, Mister Dawson. Ein Mister Maxwell. Ein Verleger oder Autor?“ „Sehr neugierig!“ Er zwinkert. Ich stehe auf. „Darf ich Ihnen eine Kaffee bringen?“ Er lacht. „So gefällst du mir richtig gut.“ Seine Augen funkeln. Schelmisch und einfach wundervoll. „Mach zwei Kaffee und komm dann in mein Büro. Ich hab ja noch etwas Leerlauf.“ Eilig gehe ich in den kleinen Küchenbereich hinter meinem Schreibtisch. Ich spüre seine Anwesenheit hinter mir. Er ist sehr, sehr nah. „Du weißt, wie alles hier funktioniert?“ Seine Stimme ist ein Hauch an meinem Ohr. Je leiser er spricht, desto rauer scheint seine Stimme zu werden. „J-ja,“ stammle ich. „Hier, für dich.“ Er hält mir eine Tasse hin. Sie ist lila, eine Krone ist darauf, mit Strassteinen. „Princess of the Office!“ „Das bin ich für dich?“ „Mhm,“ macht er. Was soll das heißen? „Vielleicht ja auch irgendwann die Königin?“ Er lacht und ich höre, wie er davon geht. Die Tasse in der Hand haltend stehe ich da, wie vom Donner gerührt, mit offenem Mund und starre die Kaffeemaschine an.


Nachdem ich mich wieder gefangen habe, balanciere ich ein Tablett mit zwei Tassen Kaffee, seinen schwarz ohne alles und meinen mit viel Milch und Süßstoff ins Büro. „Ach, warum sagst du denn nichts?“ Er springt auf und nimmt mir das Tablett ab. „Sorry, hab das voll vergessen. Mach die Türe zu und setz...“ Das Telefon unterbricht ihn. Er rollt mit den Augen. Ich stelle seinen Kaffee auf einen Untersetzer auf seinen Glasschreibtisch, während er ran geht. „Dawson jr,“ bellt er. Mir läuft ein Schauder über den Rücken. Er hat gerade eben heftig mit mir geflirtet. Mir nahezu eindeutig zu verstehen gegeben, dass er mich mag, oder? Er deutet auf den Sessel gegenüber seines Tisches. „Dad, du weißt, dass ich am Montag früh nach Manchester fliege. Da hab ich Sonntag sicher kein Interesse an einem Cocktail-Empfang.“ Er wackelt mit dem Kopf. „Nein.“ Pause. „Oh Gott, nein.“ Ein Seufzen. „Wenn es unbedingt sein muss.“ Ein Grunzen. „Na klar, du hör mal. Ich bringe Sonntag jemanden mit. Du wirst sie vorher ja nicht mehr kennen lernen. Bis dann. Ich hab zu tun.“ Damit legt er auf. Er hat eine Freundin, durchfährt es mich eiskalt. Die nimmt er mit zu einer Party bei seinem Vater. Er tippt in seinem Pc herum. „So,“ beginnt er, trinkt an seinem Kaffee und sagt dann: „Perfekt.“ Ich sehe auf die Uhr. Wir haben halb zwölf. „Hast du deinen Reisepass dabei?“ Ich nicke. „Dann kopier' ihn bitte gleich draußen und bring ihn mir rein. Oder noch besser, ich komm raus und wir buchen die Reisen zusammen. Dann hast du das auch schon mal gemacht. Du brauchst ja meine Meilen-Karte.“ Wir plaudern noch ein wenig, bis ich auf die Uhr sehe und sage: „Dein Termin müsste jeden Moment kommen. Ich nehme mal meinen Platz an.“ Seine Augen mustern mich, ernst, keine Spur von Belustigung, die zuvor noch in seinem Blick lag. „Wo auch immer er sein wird.“ Langsam stehe ich auf. „Noch einen Kaffee, Boss?“ Er nickte und greift zu einem Stapel Papieren und einen Tablet PC. Ich eile mit beiden Tassen heraus, zurück in die Küche. Schnell mache ich ihm einen neuen Kaffee und atme tief durch. Was hat er damit schon wieder gemeint? Langsam gehe ich zurück, schüttle mein Haar über meinen Rücken und straffe die Schultern, bevor ich klopfe. Statt zu antworten, reißt er die Türe auf. „Wir haben noch ein Date, weißt du noch? Stell ihn auf deinen Tisch. Er zieht einen Stuhl aus dem Wartebereich hinter meinen Schreibtisch. Schnell kopiere ich meinen Reisepass und kehre zurück. Der Duft seines After Shaves steigt mir deutlicher in die Nase, als den ganzen Tag heute. Es riecht herrlich, herb und süß zugleich. Wir buchen die Flüge zusammen und Hotels, sowohl für Manchester, als auch für Paris. Sein Arm liegt über den Lehne von meinem Stuhl und ich bemühe mich, gerade zu sitzen, ohne mich an die Lehne zu lehnen. „Sag mal,“ beginnt er und tippt mir an die Hand. „Kann Joker gut so lange alleine bleiben?“ Ich denke kurz nach. „Es geht. Meine Nachbarin hat einen Schlüssel. Wenn er weint geht sie rüber. Aber es ist mal schlechter mal besser. Im Moment eher schlechter.“ Er reibt sich über die Wange, was ein kratzendes Geräusch erzeugt. Sein Bartschatten ist nur schwach zu sehen, aber es steht ihm. Noch mehr würde ihm sicher noch besser stehen. „Wieso probieren wir nicht aus, wie er sich hier schlägt? Als Bürohund?“ Ich strahle ihn an. „Wenn das geht. Der Kleine tut mir immer furchtbar Leid, wenn ich ihn alleine lassen muss.“ „Gut, dann nehmen wir ihn morgen mit, wenn ich dich abholen komme.“ Mein Telefon klingelt laut und schrill. Ich lächle ihn schüchtern an und er erwidert es, nur absolut nicht schüchtern. „J and D Enterprise Inc, Büro Mister Dawson Jr., Miss Pierce am Apparat, was kann ich für Sie tun?“ Er formt ein Wow, mit dem Mund und erhebt sich. Kraftvoll hebt er den massiven Sessel hoch und stellt ihn zurück. Er holt seinen Kaffee zwinkert und lässt mich alleine zurück. Es ist eine Werbeagentur. „Nein, Mister Dawson hat einen Termin. Ja, richte ich ihm aus,“ antworte ich, notiere die Nachricht und verabschiede mich. Als ich nun die Maus bewegen will, greife ich an ein samtenes Kästchen, mit einer großen roten Schleife darum. Stirnrunzelnd sehe ich auf den Zettel. „Für die kleine Pech-Prinzessin, die immer so traurig ist. Josh“ Seine Handschrift ist krickelig, aber nicht unleserlich. Ich beschließe es erst gleich freudestrahlend zu öffnen. Erst schreibe ich ihm die telefonische Notiz und sehe einen neuen Termin aufleuchten. Sonntag, 17:30 Uhr. Cocktail-Empfang bei Dawson Senior. Abendgarderobe. Mir stockt der Atem, als ich realisiere, welche Farbe der Termin hat. Er ist hellblau. Ich bin die Frau, die er mit nimmt. Ich fühle mich einer Ohnmacht nahe, als mein Telefon klingelt und Josh's Termin angekündigt wird. 

Kapitel 11

Der Tag verlief ohne Vorkommnisse, nahezu wunderbar. Leider habe ich keine Zeit mehr gefunden das Kästchen zu öffnen, bis Josh gegen halb drei zu einen Essen mit einem Verlagsvorsitzenden aufbricht. „Bis gleich. Ich fahr dich nach Hause. Verstanden?“ Ich nicke. „Bis gleich, Boss.“ Ich sehe aus dem Fenster und stürzte ihm nach. „Hast du einen Schirm, Josh?“ Eine schlanke, kleine Brünette sieht mich verwundert an. Josh dreht sich während dem Gehen herum und sagt: „Danke, dass du an mich denkst. Ja, ich habe einem im Auto. Bis spätestens um fünf.“ Er winkt und dreht sich galant wieder herum. Während die Brünette mich weiterhin mit offenem Mund geistesabwesend anstarrt. Mein Magen knurrt und mir fällt auf, dass ich nichts zu Essen eingepackt habe. Wahrscheinlich, weil in deinem Kühlschrank gähnende Leere herrscht. Da ich eh in den anderen Gebäudetrakt muss, nehme ich mir die Mappen und schaue auf den Plan der Mitarbeiter und Büro's, wo ich hin muss. An Jared's Bürotüre halte ich inne, hole tief Luft und klopfe. „Herein?“ Ich trete ein und Jared verschluckt sich beinah. „Miss Pierce,“ fragt er ungläubig. „Hallo Mister Peterson.“ „Oh, wir waren doch bei Jared, oder? Und du hießt?“ Er überlegt kurz, steht auf und eilt mir entgegen. „Emily, richtig?“ Ich nickte und drücke ihm die Akten in die Hand, die ich für Josh anlegen und in die Personalabteilung bringen sollte. Unter anderem meine eigene. „Du arbeitest hier? Für Jackson Jr.?“ Ich schüttle den Kopf. „Habe das Ufer gewechselt. Ich bin Mister Dawsons Assistentin.“ „Von Josh Dawson?“ Diesmal nicke ich. „Puh, dann mach mal keine Fehler. Er ist Perfektionist. Und ein Kontrollfreak. Lass dich nicht beim Privat telefonieren erwischen oder so etwas. Da kann er sehr wütend werden.“ „Okay? So erscheint er gar nicht.“ „Ja, er ist eigentlich der nettere von den beiden, aber wenn ihm etwas nicht passt, kann er ganz schön fies werden. Er hat mal die Rote unten am Empfang zum Weinen gebracht, weil er sie erwischt hat, wie sie während der Arbeitszeit mit dem Firmentelefon mit ihrer Freundin telefonierte und eine Party plante. Gut, sie hat es auch übertrieben und Kunden warten lassen, weil sie gerade eine Disco gegoogelt hat. Aber Dawson wird erst ruhig, wenn er sauer ist. Er hat ganz ruhig die Kunden in den Wartebereich begleitet, dann ist er zurück, hat den Arm über die Theke gestreckt, aufgelegt und sie dann angeschrien, dass es doch wohl nicht zu viel verlangt wäre ihren Job zu machen, den selbst ein gehirnamputierter Schimpanse machen könnte zu machen. Und all so etwas. Auf der nächsten Mitarbeiterversammlung hat er verlangt, dass wir sie abmahnen. Er kann echt sauer werden. Und das ist nicht schön. Selbst Jackson wagt dann nichts mehr zu sagen.“ Ich schlucke. Gruselige Geschichte. „Gut, dann will ich dich nur noch fragen, wo ich etwas zu Essen her bekomme?“ Er beschreibt mit den Weg zu einem Snack-Automaten oder zur Kantine. Ich entscheide mich für den Snack-Automaten. Ich ziehe mir ein Snickers und mache mich auf den Weg zurück zu meinen Schreibtisch. Josh war immer so ruhig. Ich drehe das Snickers in den Händen hin und her, während ich mit dem Aufzug nach oben fahre. Ich komme nicht bis zu meinem Stock, weil er eine Etage darunter anhält. Die Türe gleitet auf und ich kann förmlich spüren, wie die Luft kälter wird, als er in den Aufzug steigt. „Emily? Hab schon gehört, dass Josh dich als Assistentin angestellt hat.“ „Mister Jackson,“ sage ich und nicke. Die Türen gleiten zu. „Ach hör auf. Ich bin Lucas. Immer noch. Sag nicht er lässt dich, ihn siezen?“ Kopfschüttelnd sehe ich ihn an. „Danke,“ sage ich. Er sieht mich Stirnrunzelnd an. „Dafür, dass du dich für mich eingesetzt hast.“ Ich zeige auf meinen Verband. „Ach das. Kein Problem. Das hattest selbst du nicht verdient.“ Er zuckt die Achseln und zieht sein Jackett aus. „Josh auf Außentermin?“ Ich nicke. „Steht dir übrigens gut,“ fügt er hinzu und versucht ein Lächeln, was ihn noch gruseliger aussehen lässt. „Danke,“ presse ich steif hervor, bevor ich hinzufüge, als der Aufzug hält: „hier muss ich raus. Bis dann.“ Ich verlasse eilig den Aufzug und seufzte, als die Türen zu gehen. Wie hielt Cat es alleine mit ihm aus? Seufzend lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen. Mhm, dachte ich, wenn Josh nur nach außen hin nett und freundlich war, vielleicht war es dann bei Lucas anders herum. Und privat war er ein vollkommen netter Mensch. „Nee,“ sagte ich leise zu mir selbst. Ich öffne das Snickers Papier und schiebe es mir in den Mund. Lecker. Während ich kaue und überlege, was ich als nächstes von meinen Aufgaben erledigen will, fällt mein Blick auf das Päckchen. Ich habe es immer noch nicht geöffnet. Langsam fahre ich mit den Fingern über den samtenen Einband der Schatulle. Letztendlich siegt meine Neugier. Ich öffne es behutsam. Meine Finger gleiten über eine Kette an der eine schwarze, große, glänzende Perle hängt. Der Aufhänger der Kette ist mit kleinen glitzernden Steinchen übersäht. Eilig stehe ich auf, laufe in den WC-Bereich und halte mir die Kette probeweise an den Hals. Sie schmiegt sich perfekt in meine Halsbeuge. Passt, wie ich merke perfekt zu allen Kostümen, die wir gekauft haben. „Wow,“ entfährt es mir. Ich schließe die Kette in meinem Nacken. Sie ist schwer und kühl. Definitiv kein Modeschmuck. Wieder an meinem Schreibtisch, völlig überrumpelt, sehe ich auf die Uhr. Es ist halb fünf. Nur zu gerne würde ich im Gebäude gegenüber anrufen, um Cat von der Kette zu erzählen, aber Jared's Worte waren eine Warnung für mich. Schnell schieße ich ein Foto mit meinem Handy und schicke es in unsere Mädelsgruppe. Ein Smiley mit großen Augen dazu. Als ich Stimmen höre, lasse ich es eilig in meiner Tasche verschwinden und schiele zum Eingangsbereich. Eine dunkelhaarige Schönheit kommt hinein. Ihr Haar ist unten in leichten Rottönen gefärbt. Ihre Augen sind stechend grün und passen perfekt in ihr katzengleiches Gesicht. Auch ihr Körper ist nahezu perfekt. Genau an den richtigen Stellen gerundet, grazil und gertenschlank. Sie will schnurstracks in Josh's Büro stöckeln, doch ich bringe leise hervor: „Entschuldigung? Kann ich Ihnen helfen?“ Abrupt bleibt sie stehen und richtet ihre Augen, die nun wie Scheinwerfer wirken auf mich. Unbehaglich schlage ich die Beine unter dem Tisch übereinander. Ich fühle mich sofort klein, minderwertig und absolut fehl am Platze. „Und Sie sind?“ Ihre Stimme ist eisig. Und sofort wird mir klar, wer eben solche schwarzen Haare hat. Ich bemühe mich nun ebenfalls um einen sachlichen, arrogant-kühlen Ton. „Mein Name ist Emily Pierce und ich bin die persönliche Assistentin von Mr. Dawson. Und Sie sind wohl Miss Jackson?“ „Gut kombiniert, Büromäuschen. Ich will zu Josh.“ Damit stiefelt sie weiter. Ich erhebe mich und sage: „Tut mir Leid, aber Mr. Dawson ist nicht im Haus.“ Sie seufzt, rümpft die Nase, bleibt aber stehen. „Schätzchen, ich hatte einen harten Tag, also strapaziere meine Geduld nicht. Natürlich ist er da. Wir sind verabredet.“ Sie wirft ihr Haar schwungvoll nach hinten und greift an ihre Oberweite. Oh, wird mir mit einem Schlag klar, wozu sie verabredet sind. Wut köchelt in mir und Enttäuschung, also beschließe ich hart zu bleiben. „Sie können gerne hier auf ihn warten, aber er ist bis fünf Uhr auf einem Außentermin.“ Ich zeige auf einen der Sessel und sie sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Tee, Wasser, einen anderen Softdrink?“ Sie nimmt ihre Gucci Tasche von ihrer Schulter und lässt sich auf einen der Sessel fallen, automatisch schlagen sich ihre Beine lasziv übereinander. „Einen Kaffee. Schwarz.“ Ich ignoriere den bissigen Unterton in ihrer Stimme und entgegne: „Gerne, Miss Jackson.“ In der Küche fühle ich mich einigermaßen sicher, so dass ich es mir erlaube, dass meine versteinerte Miene wieder Emotionen zeigt. Langsam greife ich zu dem schweren Anhänger an der Kette. So einer bist du also, hab ich es doch gewusst, denke ich. Ich öffne den Verschluss der Kette, und stopfe sie in die Tasche an meinem Blazer. Als der Kaffee dampfend vor mir steht, stelle ich ihn auf ein Tablett und dazu eine kleine Schale Kekse, obwohl ich weiß, dass sie diese nicht anrühren wird. Aber ich bin höflich. Langsam gehe ich zurück und stelle die Tasse und die Kekse neben ihr auf dem Tisch ab. Sie sieht von ihrem Handy auf, als ich mich von ihr abwende. „Wie lang arbeiten Sie schon hier?“ Ich kann hören, dass es eine gehässige Frage ist. Ich antworte erst, als ich an meinem Schreibtisch sitze. „Seit heute.“ „Wow und dann machen Sie sich direkt unbeliebt. Na das ist ja ein Problem.“ Sie lächelt und insgeheim stelle ich mir vor, dass Feuer aus ihren Nasenlöchern heraus kommt. Nun sieht sie nicht mehr wie eine Katze aus, sondern eher, wie ein fauchender Drache. Ich lege die Kette in die Samtschatulle zurück, schreibe auf einen Post-It: „Danke, das kann ich nicht annehmen.“ Und erhebe mich. „Entschuldigen Sie mich einen Moment.“ Ich spüre, wie sie mich mit Blicken verfolgt, wie ich in Josh's Büro gehe und das Schmuckkästchen auf seinen Schreibtisch lege. Der Geruch seines Parfüms hängt hier deutlich in der Luft. Ich atme tief durch. Du hättest es wissen müssen, Em, sage ich mir selbst. Zurück an meinem Arbeitsplatz, fällt mir das Denken schwer, wenn El Draco mich beobachtet. Sie schlürft genüsslich ihren Kaffee und lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Es ist fünf. Wo bleibt er bloß? Er soll sich einfach mit ihr vergnügen und mir sagen, dass ich Feierabend habe. Vielleicht kann Catherine mich mitnehmen. Und ab morgen werde ich selbst fahren. Ich bin wirklich geknickt und das missfällt mir ganz schön. 

Kapitel 12

 „So meine Liebe, wir können los. Ab nach Hause,“ höre ich Josh's tiefe Stimme überschwänglich an der Türe, als er auch schon in mein Blickfeld tritt. Dunkler Anzug, schicke Krawatte, glänzende, schwarze Manschetten-Knöpfe, die er scheinbar gerade öffnen will, denn darauf ist sein Blick gerichtet. „Mr. Dawson,“ beginne ich und kann nicht verhindern, dass meine Stimme leicht kratzig ist. Er lacht. „Ach sei nicht albern, ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht siezen musst.“ „Sie haben Besuch,“ erwidere ich schließlich, schnell. Er sieht zu mir auf. Seine hellen Augen sehen in meine. Ich meine kurz zu sehen, wie sie sich weiten, als er meine Miene realisiert. Dann dreht er sich herum. „Wir waren verabredet!“ Ihre Stimme ist so kalt, wie die Gletscher in der Arktis. „Ach, ja?“ Seine Stimme ist düster, bedrohlich. „Ja, um fünf, also vor einer halben Stunde. Ich hatte einen anstrengenden Tag, Josh und deine „Assistentin“ war so freundlich mich hier und nicht in deinem Büro warten zu lassen. Vielleicht solltest du deine Vorzimmerdame besser schulen, wer hier Sonderrechte besitzt.“ Sie steht auf und legt einen Finger auf seine Brust. Mit ihren hohen Schuhen ist sie nahezu genau so groß, wie er. „Sie hat genau richtig gehandelt. Niemand, außer ihr, meinem Vater und meinem Geschäftspartner dürfen mein Büro in meiner Abwesenheit betreten.“ „Ach bitte, ich hab so eine tolle Überraschung für dich. Ich durfte die Outfits vom Shoot heute behalten.“ Sie öffnet ihre Bluse. Jetzt wird mir alles zu viel. Eilig, so dass ich mir das Knie stoße, springe ich auf, greife meine Tasche und presse hervor: „Ich mache Feierabend. Schönen Abend noch.“ Dann galoppiere ich an den beiden vorbei. „Emily!“ Ich höre Josh's Stimme nach mir rufen, sehe seinen entsetzten Blick, als ich an ihm vorbei rase. Heftig atmend haue ich immer wieder auf den Rufknopf des Aufzuges. „Hey Emily. Du hast nichts falsch gemacht,“ höre ich Josh hinter mir. „Oh ja,“ erwidere ich. „Großartig.“ Der Aufzug kommt, ich steige ein und drehe mich zu ihm um, seine Stirn ist gerunzelt. „Viel Spaß, ich fahre morgen alleine.“ „Aber Emily, warte,“ beginnt er, will den Arm ausstrecken, um den Aufzug aufzuhalten, doch es ist zu spät. Die Türen gleiten zu.


Ich habe meine Jacke oben gelassen, wegen meines überstürzten Aufbruchs. Deshalb friere ich nun. Es ist fast September. Also kein guter Zeitpunkt um in einem Kostüm durch die Straßen zu laufen. Die rothaarige Empfangsdame hat mich freundlich verabschiedet und bis morgen gesagt, ich habe stattdessen nur ein Nicken zustande gebracht. Fluchend pfeffere ich mein Handy zurück in meine Gucci Tasche, weil ich Cat nicht erreichen kann. Stöckeln gehe ich weiter. Es wird langsam dunkel. Ich werde direkt zum Diner gehen. Ava und Hailey werden schon da sein. Ich hatte bei der Schmuckschatulle mit der Uhr gerechnet, die ich gesehen hatte. Vielleicht war die Kette ja auch für den Drachen und nicht für mich. Das Diner lag eine gute halbe Stunde zu Fuß entfernt. Eins musste man den teuren Schuhen lassen oder der Kälte, aber meine Füße taten nicht weh und Blasen lief ich mir auch nicht. Ich pustete in meine Hände und rieb sie dann an meinen Armen auf und ab. „Was war mir nur in den Sinn gekommen?“ Ich stellte mir laut diese Frage. „Wieso sollte Josh Dawson auf mich stehen? Er hatte wirklich nur Mitleid. Das ist es. Du hast es ja von vorneherein gewusst.“ Ein Mann mit einer Mütze sah mich durchdringend an. „Was gibt’s denn da zu gucken?“ Meine Stimme war bissig und meine Laune besserte sich erst ein wenig, als ich das Leuchtschild des Diners vor mir sah. Drinnen herrschte reges und lautes Treiben. Ich stellte mich auf Zehenspitzen, um meine Freundinnen zu erspähen. Da saßen sie, in der hintersten Ecke. Ich drängte mich zwischen den Tischen hindurch und mein Magen vermeldete, dass er riesigen Hunger hatte. Ihre Blicke erhoben sich, als ich vor ihnen stehen blieb. Cat spuckte ihr Getränk aus. „Wer bist du und was hast du mit Emily gemacht?“ Ava erhob sich. „Alles in Ordnung?“ Ich schüttelte nur den Kopf. „Mensch, du bist ja eiskalt. Ist die Heizung in deinem Auto kaputt?“ Wieder nur ein Kopfschütteln. Lisa sagte nun: „Bist du zu Fuß?“ Diesmal nickte ich. „Herrgott,“ begann Hailey. „Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“ Seufzend sank ich auf den Stuhl, den Ava mir bereit stellte. Ich wollte gerade meine Erzählung beginnen, als der Kellner kam und fragte, ob wir etwas trinken wollen. „Kakao,“ sagte ich. „Mit Rum. Ganz viel Rum. Und Sahne.“ Stirnrunzelnd sah er mich an, notierte aber. „Zu Essen?“ „Doppel-Cheeseburger mit Kartoffel-Ecken. Mayo und Curry Sauce.“ Die anderen bestellten auch. „Dein Tag muss furchtbar gewesen sein,“ stellte Ava fest und legte mir eine Hand auf's Knie. Ich erzählte ihnen alles, trank dabei mindestens drei Kakao mit wirklich großen Mengen Rum darin und aß mein Essen. „Vielleicht hast du überreagiert? Klingt für mich nicht so, als wäre er super begeistert von ihr gewesen?“, äußert Ava Bedenken. „Wisst ihr was? Ich frag einfach Lucas.“ „Untersteh' dich,“ stoße ich hervor. „Ich finde das so schon alles peinlich genug.“ „Aber warum sollte er dir massiv teuren Schmuck schenken, wenn er eigentlich die Schwester seines Geschäftspartners will?“ Ich zucke die Achseln. „Vielleicht weil er meint, dass er mit Geschenken jede Frau rum bekommt und er gehofft hat, dass die verschiedenen Parteien sich nie begegnen,“ schlägt Lisa vor und beißt in die Ananasscheibe an ihrem Cocktail. Ich seufzte und stütze den Kopf in die Hände. „Einen Tag bin ich nun da, einen! Und nächste Woche soll ich mit ihm nach Manchester und am Sonntag zum Cocktail-Empfang bei seinem Vater.“ „Du sollst was?“ Alle drei Mädels glotzen mich an. „Hatte ich das ausgelassen?“ Sie nicken gleichzeitig. „Ja, er hat einen Termin in den Kalender eingetragen, in hellblau. Das bedeutet gemeinsamer Termin. Cocktail-Empfang bei meine Vater, lautet der Titel. Abendgarderobe! Ich habe so etwas doch gar nicht.“ „Das wird kein Problem sein, er kauft es dir. Samt Unterwäsche für drunter. Sei vorsichtig, lass dich nicht unterkriegen, aber steck jetzt auf keinen Fall den Kopf in den Sand. Das ist ein toller Job, mit allerlei Vorzügen. Nutze ihn an. Lass dir den Firmenwagen geben, lass dich gut bezahlen. Aber versuch dich einfach nicht auf ihn einzulassen oder sieh ihn dir genauer an. Wenn du länger oder öfter mit ihm unterwegs bist, werden dir vielleicht noch mehr Indizien auffallen. Außer, dass er dich vor deinem Bruder schützt, dir nen Job besorgt und dir teure Geschenke macht.“ „Wow, du hast sie echt treffend beschrieben.“ Ava hält ihr Handy hoch und wir beugen und alle näher heran. Sie hat die Facebook-Seite von Lucas Schwester aufgerufen. „Cheyenne Mary Jackson, Model und Tänzerin,“ liest Lisa vor. „Hobbies: Party, Männer, Laufsteg, Mode, Schminke, Haare. Die perfekte Tussi.“ „Himmel, sieh dir diese Schuhe an.“ „Ihr sollt sie nicht lieben,“ grummel ich. Hailey lacht. „Das tun wir auch nicht. Aber sie ist schon ziemlich umwerfend. Aber nichts kann dir das Wasser reichen, finde ich. Außerdem ist das Geschmackssache und Geschmäcker sind...“ Sie starrt zur Türe und öffnet schnell ihren Mund. „Achtung,“ flüstert Lisa. „Dein Bruder auf zwölf Uhr und im Schlepptau hat er deinen Chef. Gott, sieht der im Anzug heiß aus.“ Ich trinke an meinem Kakao, ohne mich umzudrehen. „Dachte ich es mir doch, dass ihr Unken wieder hier seid.“ Erik setzt sich ungefragt fast auf Ava's Schoß und bedeutet ihr zur rücken. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Em. Ich hab's nicht so gemeint. Ich bin ein Idiot. Verzeih mir bitte.“ Ich nicke nur geistesabwesend, ohne zu ihm herüber zu sehen. Er seufzt. „Schau mal, wen ich vor deiner Türe gefunden habe? Saß in seinem Auto und versuchte dich telefonisch zu erreichen.“ Jetzt kann ich nicht anders und muss zu ihm auf sehen. Er steht hinter mit. Die Hände in den Taschen seiner Anzughose vergraben. Das Haar nass und leicht zerzaust. Die hellen blauen Augen mustern mich aufmerksam. Dann räuspert er sich. „Hallo, die Damen. Ich bin Joshua Dawson. Emily's Chef. Ihr könnt aber ruhig Josh zu mir sagen.“ „Joshy nicht so förmlich. Zieh das Jackett aus und setz sich.“ Erik haut ihm auf den unteren Rücken. Ich laufe rot an. Wieso ist mein Bruder nur so peinlich? Josh zieht fast alle Blicke auf sich, als er sich nun einen Stuhl besorgt und sich neben mich fallen lässt. Er öffnet seine Manschettenknöpfe und zieht sein Jackett aus. Seine Krawatte trägt er bereits nicht mehr. Sicher weil die beim Liebesspiel gestört hat. „Du gehst aber auch echt nur ans Handy, wenn du es willst, oder? Wir sind durch die halbe Stadt gefahren. Erst waren wir bei Ava, da hat uns ein halbnackter Aiden aufgemacht und gesagt, dass Ava gar nicht erst von der Arbeit gekommen war. Dann waren wir bei Cat auf der Arbeit, weil ich dachte, dass sie dich vielleicht mitgenommen hätte und dann waren wir bei deiner alten Arbeit. Du warst wie vom Erdboden verschluckt, aber als deine Truppe auch nicht auf zu finden war und Kia, deine Nachbarin meinte, dass du seit heute morgen nicht mehr hier warst, da wusste ich, die kleinen Mädels sind im Diner.“ Erik schnüffelte. Dann weiteten sich seine Augen. „Sag mal, hattest du schon immer so teure Kleidung im Schrank? Und hast du Rum getrunken?“ „Erik, lass deine Schwester in Ruhe. Schon vergessen? Sie ist alt genug.“ „Ach du hast sie eingekleidet, wegen des Jobs. Cool. Hätte dich so gar nicht erkannt. Sag mal...“ „Kann ich kurz mit dir reden, Emily?“, unterbricht Josh Erik. Meine Unterlippe zittert und ich spüre, dass Hailey mir gegen das Schienenbein tritt, was mir bedeuten soll, dass ich mit ihm gehen soll. Also nicke ich träge und erhebe mich. „Stimmt was nicht mit ihr? So still ist sie doch sonst nicht,“ höre ich Erik fragen, während wir vom Tisch weg gehen, in Richtung Bar. „Willst du was trinken?“ Ich schüttle den Kopf, bemüht ihn nicht anzusehen. Er bestellt sich etwas und seufzt dann. „Scheiß Start,“ flucht er und fährt sich mit der Hand durch sein blondes Haar. „Ich war nicht mit ihr verabredet, ich,“ beginnt er und scheint nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich wollte dich doch nach Hause fahren. Hab doch noch all deine Sachen im Auto. Sie ist nicht meine Freundin.“ „So sah das auch nicht aus,“ erwidere ich. „Hör zu, du musst dich nicht vor mir rechtfertigen. Du kannst tun und lassen, was du willst. Ich bin nur deine Assistentin. Ich habe keinerlei Recht dir was zu verbieten oder mir ein Urteil zu erlauben. Das ist ganz und gar deine Sache. Aber dann schenk mir bitte nicht so etwas. Ist schon okay. Ich hatte ja die Vermutung, dass das alles aus Mitleid ist.“ Ich spiele mit einem Bierdeckel auf der Theke, bis er plötzlich seine Hand auf meine legt.

Kapitel 13

 „Hör auf damit, du machst mich ja ganz kirre.“ Seine Hand ist warm, weich und groß. Er hat schöne, gepflegte Hände fällt mir auf. Etwas das Liam nie hatte. „Emily, ich weiß, dass ich mich nicht rechtfertigen muss, aber ich will es. Und ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich dich nicht aus Mitleid angestellt habe oder mit zu mir geholt habe. Ich habe dich eingestellt, weil ich dir für klug, witzig und charmant halte und ich mag dich. Ganz einfach. Und du kannst dir jederzeit ein Urteil über mich erlauben, weil ich deine Meinung wichtig finde. Und weil der Assistentininnen Job meines Erachtens noch zu wenig dir entspricht, würde ich dir halt gerne noch andere Dinge ermöglichen. Wie den Hund mit zu Arbeit nehmen, Firmenwagen und so weiter. Ich, ich,“ beginnt er zu stottern, was mich aufsehen lässt. Er rauft sich die Haare. „Ich will nur, dass du glücklich bist. Und du bist mit direkt ans Herz gewachsen.“ Er seufzt und reibt sich nun über das Gesicht statt über die Haare. „Gott, war das peinlich. Cheyenne und ich, wir haben eine Zeit lang Spaß miteinander gehabt. Ohne Verpflichtungen und Gefühle. Aber das habe ich vor einem halben Jahr beendet, als klar war, dass Lucas und ich bald in die Firma einsteigen. Damit es kein böses Blut oder Gerede gibt.Nur, dass sie das scheinbar ignoriert hat.“ Er wirkt plötzlich furchtbar jung, wie er da neben mir an der Theke steht und mir diese Dinge gesteht. Seine Haare sind nun nicht mehr akkurat in sein Gesicht gekämmt, nein, sie sind strubbelig und stehen nach oben hin vom Kopf ab. Er sieht völlig normal aus, wie der Mann von nebenan. Nun sieht er mich ebenfalls wieder an. Er grinst schief. „Tut mir echt Leid. Ich hab sie stehen lassen und bin dir sofort hinterher. Du musst dir draußen den Tod geholt haben.“ Ich schüttle den Kopf. „Geht schon, hab Kakao getrunken.“ „Mit Rum?“ Er grinst breit. Ich lächle ihn schüchtern an. „Ja, mit Rum.“

 


Wir bleiben noch ein wenig, während mein Bruder peinliche Geschichten von mir als Kind erzählt, wie tollpatschig ich bin und er mir trotzdem nie lang böse sein könne, wegen meines Unschuldsblickes. Josh trinkt Bier. Er sieht locker aus, wie er da sitzt, nur in weißem Hemd und Anzughose. Die ersten Knöpfe seines Hemdes hat er geöffnet. Irgendwann sieht er auf seine teure Uhr. „Es ist schon spät,“ sagt er und trinkt den Rest Bier in einem Zug aus. Dann sieht er mich an. „Du musst morgen früh raus. Wir sollten fahren.“ Ich ziehe die Augenbrauen nach oben und meine Freundinnen erstarren. Ich will wirklich aus dem Kostüm hinaus und mit einem hatte er definitiv Recht. Er hatte all meine neuen Klamotten noch im Auto. „Also gut,“ erwidere ich und nehme wahr, wie Lisa verstohlen den Kopf schüttelt und die Augen verdreht. „Aber morgen kümmern wir uns um meinen eigenen Wagen, Boss.“ Nun ist es an Josh die Augenbrauen hoch zu ziehen. „Aber klar, Miss Pierce. Erik? Du kommst alleine nach Hause?“ Erik nickt und mustert uns verdrossen. „Hat mich gefreut,“ sagt Josh und wartet, bis ich meine Freundinnen alle gedrückt habe. Sie machen alle drei ein Zeichen, dass wir gleich definitiv noch schreiben. Ich nicke verstohlen. Josh schiebt mich förmlich aus dem Diner. Seine Hand liegt besitzergreifend auf meinem rechten Ellenbogen. „Ich hab nicht weit weg geparkt.“ Die Fahrt zu mir nach Hause verläuft schweigend. Ein Radiosprecher verkündet das morgige Wetter, dass mit Regen und Sturm ein herkommen soll. Ich suche meinen Schlüssel aus meiner Handtasche und öffne die Türe, als er einen Parkplatz direkt vor der Türe bekommt. Während wir uns die Kleidung und den Make-Up Koffer aufladen, sagt keiner von uns etwas. Oh Gott, denke ich. Nun wird er zum ersten Mal meine Wohnung betreten. Habe ich aufgeräumt? Liegt irgendwo Unterwäsche herum? Ich weiß es nicht. Oben höre ich den Fernseher aus der Wohnung und spüre, dass sich Josh neben mir versteift. „Keine Sorge, das ist nur Kia, meine Nachbarin, die auch Joker aufpasst. Sie schaut immer Fern bei mir.“ Ich schließe auf und Joker hüpft uns entgegen. Kia liegt im Wohnzimmer auf dem Sofa und schläft. „Schlafzimmer?“ Ich nicke in die Richtung meines kleinen Schlafzimmers und Josh verschwindet darin. Er ist in meinem Schlafzimmer, jauchzt mein kleiner Engel auf der Schulter. Ja, super, um Klamotten in den Schrank zu hängen, vermiest der kleine Teufel unsere Laune. „Kia,“ stupse ich sie an. „Oh,“ macht sie. „Bin ich eingeschlafen? Das tut mir Leid.“ „Nein, mir tut es Leid, dass ich dich so lang behelligt habe. Danke dir. Ab morgen kann ich Joker mit auf die Arbeit nehmen.“ „Oh, das ist schön, aber irgendwie auch schade. Hatte mich gerade an ihn gewöhnt.“ Sie gähnt herzhaft und hält inne, als sie wahrnimmt, dass noch jemand in der Wohnung ist. „Das ist mein Chef. Joshua Dawson.“ Kia erhebt sich langsam und umständlich. „Freut mich, Miss?“ „Morgan, von nebenan. Dann gute Nacht Ly.“ „Nacht Kia.“ Die Türe fällt hinter Kia ins Schloss. „Schöne kleine Wohnung.“ Ich zucke die Achseln. „Musst du noch mit Joker raus?“ Josh krault ihm den Kopf zwischen den Ohren. „Nun ja, eigentlich schon. Ich muss mich aber erst umziehen.“ „Gut, ich warte.“ Wie selbstverständlich lässt Josh sich auf das Sofa fallen und greift nach der Fernbedienung. Oh mein Gott! Joshua Dawson sitzt auf meinem Sofa. Ich verschwinde im Schlafzimmer und ziehe die Türe zu. Eilig schlüpfe ich aus meinem zerknitterten Kostüm, hinein in eine Blujeans und ein enges blaues Longsleeve. Ich kämme schnell über meine Haare, kneife mir in die Wangen, obwohl sie schon kirschrot sind und gehe wieder hinaus. „Deine Freundinnen und du, ihr seid unzertrennlich, oder?“ Ich zucke die Achseln, überrascht von seiner Frage. „Es gab da vor kurzem ein Ereignis, das hat mich verletzt und trotzdem weiß ich, dass sie das alles nur für mich getan haben und zu meinem Schutz.“ „Sie haben dir das mit deinem Ex verschwiegen, oder?“ Ich nicke und drehe eine Haarsträhne zwischen den Fingern. Josh erhebt sich und schaltet den Fernseher aus. „Dann lass uns mal eine Runde gehen.“ „Ich kann auch,“ „Bababa, bestimmt nicht. Es ist dunkel und ich lass dich sicher nicht alleine draußen herum laufen.“ Ich folge ihm ergeben in meinen Flur. Josh greift nach der Leine und dem Geschirr für Joker. Dieser sitzt brav vor ihm, statt, wie bei mir herum zu hüpfen und mir auszuweichen. „Wie hast du das hinbekommen?“ „Das nennt man Autorität und Ausstrahlung. Ich bin das Alpha-Männchen.“ Er lächelt. Es war eindeutig zweideutig gemeint. Ich schließe hinter uns ab, nicht ohne mir meinen Parka vom Haken zu nehmen. Wir drehen nur eine kurze schweigende Runde, die Joker dringend nötig hatte. Dann auf dem Rückweg verabschiedet er sich kurz und sagt eindringlich: „Geh rein. Ich fahre nicht eher weg, bis ich sehe, wie du da oben in dem Fenster die Türe aufschließt.“ „Okay, okay, bis morgen früh!“ Ich drehe mich herum und gehe ins Haus, laufe nach oben und schließe die Türe auf, winke aus dem Fenster und gehe in meine Wohnung. Ich schließe ab, lege den Riegel vor und seufze. Ob das alles eine so gute Idee ist?

 


Ich mache mich fertig für's Bett, habe aber mein Headset auf und führe eine Telefonkonferenz mit meinen Mädels. „Er ist großartig, wundervoll und hübsch,“ schwärmt Cat gerade. Und Ava fügt hinzu: „So viel hübscher als Liam und er sagt du bist ihm wichtig.“ Hailey macht ein nachdenkliches Geräusch, während Lisa das zu sagen scheint, was Hailey denkt: „Seid ihr denn alle geblendet? Ja er mag schön sein und reich, aber er kann jede Frau haben. Und das weiß er. Vielleicht macht er das mit allein Frauen so, ihnen einreden, dass er sie mag. Vielleicht ist das seine Masche.“ „Ach Lisa, du bist viel zu pessimistisch.“ „Nein,“ erwidert Hailey. „Ich finde auch, dass Em vorsichtig sein sollte. Schlaf bitte nicht direkt mit ihm in England.“ Wir prusten alle. „Bitte? So weit sind die beiden doch noch nicht,“ beginnt Ava, bevor sie hinzufügt: „Oder?“ „Mädels, keine Sorge. Er mag mich. Vielleicht, wie eine Schwester oder so. Mehr nicht.“ „Na du bist ihm wichtig. Weiterer Einwand gegen Lisa,“ setzt Cat an. „Wenn er jede haben kann, wieso hat er dann mit Lucas Schwester gevögelt?“ „Boah, Cat, musst du das so brutal ausdrücken.“ „Du bist furchtbar.“ Ich lache nur. „Wie hat er sich verabschiedet?“, will Hailey auf einmal wissen. Ich berichte. „Mhm, er ist sehr besitzergreifend und ein Beschützer.“ „Was in Emilys jetziger Situation nicht das schlechteste ist.“ „Hallo, ich höre mit! Aber ihr könnt gerne weiter diskutieren.“ Ich gähne herzhaft, bevor ich mich in Bett verabschiede. Wie jeden Abend schalte ich den Fernseher ein, bevor ich mich auf das Bett werfe. „Aua,“ stoße ich hervor, weil ich auf etwas gelandet bin. Unter meinem Rücken, tauchen zwei Kästchen auf, das samtene aus Josh's Büro und ein weiteres aus Leder. An dem samtenen hängt ein neuer Post-It. „Ich kann machen, was ich will. Und du kannst nichts dagegen tun. Je mehr du dich wehrst, desto teurer wird es. Schlaf gut.“ Ein Smiley das zwinkert ist daneben gekritzelt. Okay, die samtene Kiste enthält die Kette, aber was ist in der anderen. Neugierig öffne ich die Leder-Box. Zum Vorschein kommt die Uhr, die ich im Kaufhaus gesehen hatte. Sie glänzt und sieht wundervoll aus. „Wow,“ entfährt es mir. Ich mache ein Foto und stelle es in die Gruppe. Mein Handy klingelt sofort. Seufzend setze ich das Headset auf. „Ja?“ „WAHNSINN,“ kreischen mir alle vier Mädels ins Ohr. „Er ist definitiv herrisch. Und duldet keine Widerworte.“ „Na wenn man für Widerworte Geschenke bekommt, dann ist ja alles gut.“ Ava lacht. „Ich seh das alles nicht so locker, wie ihr,“ murrt Lisa. „Ach, papperlapapp. Der einzige Mist auf dem nichts wächst, ist der Pessimist und der bist in diesem Falle du, Lisa.“ „Ach, wisst ihr was, ihr müsst alle selbst lernen. Nacht.“ Damit hatte sie sich ausgeklinkt. „Jetzt hast du sie beleidigt, Cat,“ sagte Hailey. „War nicht mit Absicht, aber Em hatte erst einen wirklichen festen Freund. Sie sollte auch mal ruhige Spaß haben. Und wenn es mit einem reichen, gutaussehenden Typen sein kann, wieso nicht?“ „Oh je, ich leg mich hin.“ „Viel Spaß mit Uhr und Kette. Und leiher ihm nen richtig guten Wagen aus den Rippen.“

Kapitel 14

Ich entscheide mich am nächsten Morgen für stärkeres Make-Up. Dunkle Augen, helles rot auf den Lippen. Eine weiße Bluse und das dunkelblaue Kostüm mit Hose statt Rock komplettieren den Look. Dazu die Chanel Handtasche und die schreien hohen Pumps mit roter Sohle. Alles sitzt perfekt. Meine Haare flechte ich gekonnte und kompliziert vom Kopf an herab. Ich bin gerade fertig und will Joker fertig machen, als es klingelt. „Er ist viel zu früh.“ Ich drücke einfach auf, entferne die Riegel und schließe auf. „Joker,“ rufe ich und er trabt aus dem Schlafzimmer langsam heran. „Guten Morgen Sonnenschein,“ ruft Josh von der Türe her. „Ich dachte ich bin so frech und komm etwas früher, um dich zum Frühstück einzuladen.“ Josh mustert mich, als ich mich wieder aufrichte, nachdem Joker sein Geschirr trägt. Die Kette, mit der großen schwarzen Perle liegt in der Kuhle an meinem Hals. Die Uhr an dem Armband glitzert an meinem Handgelenk. Er grinst schief. „Steht dir,“ erwidert er. „Danke, aber dir stand der Struwwelpeter-Look auch ganz gut.“ Er zuckt die Achseln. „Meist nicht Business-Like.“ Er schnappt sich die Leine und macht Joker fest. „Können wir denn?“ „Sicher.“ Heute ist er wieder mit seinem Range Rover. „Extra für Joker, dann kann er es sich bequem machen.“ In einem kleinen, französischen Café frühstücken wir. Natürlich bezahlt er. Wir können nicht viel sprechen, denn er wird ständig von seinem Telefon unterbrochen, in das er manchmal freundlich und manchmal bellend antwortet. Wir ziehen alle Blicke auf uns, wie wir in vollständigen, teuren Business-Outfits an dem kleinen Tisch sitzen und nun mit dem Teddyartigen Hund in Richtung riesigem teuren Auto gehen. „Und?“, fragt er, als wir wieder im Auto sind. „Was sagt der Mädchenrat?“ Ich verenge die Augen. „Spionierst du mir nach?“ Er schüttelt belustigt den Kopf. „Das nicht, aber ich bin nicht blöd und habe eure Zeichensprache gestern durchschaut.“ Ich erröte leicht. „Joa, wir haben noch etwas gequatscht.“ Unwillkürlich fasse ich den Anhänger der Kette an. „Das ist eine Onyxperle. Die ist sehr selten und ist absolut natürlich. Eine Muschel muss ein Nahrungsmittel zu sich nehmen, dass mit Onyx behaftet ist. So färbt sich die Perle statt natürlich weiß in schwarz.“ „Sie ist wunderschön.“ „Freut mich, dass sie dir gefällt.“ „Niemand hat gesagt, dass du blöd seist,“ füge ich kleinlaut hinzu. „Das weiß ich doch.“ Wir sind angekommen und steigen gemeinsam aus. Die Rothaarige grüßt wieder zu freundlich und nickt mir bewundernd zu. Joker trabt aufgeregt neben mir her, scheut sich aber dann ein wenig vor dem Aufzug. „Nun komm schon, einfach einsteigen.“ Nach gutem Zureden steigt er doch ein und wir fahren nach oben. Wir sind nicht alleine im Aufzug. Josh unterhält sich mit dem untersetzten kleinen Mann, der hinter seiner Brille kleine Schweinsäuglein hat. „Wir sehen uns nachher beim Meeting Mr. Walker,“ sagte Josh, als wir an unserem Stockwerk sind und lässt mich vor sich aussteigen. Ich nehme Platz und ein absolut stressiger Tag beginnt.


Jeder will einen Termin mit Josh. Kaum habe ich aufgelegt, ruft jemand neues an. Viele wimmle ich nach Anweisung von Josh ab, andere stelle ich durch. Wieder anderen darf ich direkt Termine geben. Der Kalender wird bunter und bunter. Gegen zwei Uhr kommt Josh aus seinem Büro. „Komm mit. Ich brauche dich leider als Tippse beim Meeting.“ Als wir nach vier Stunden endlosen sich im Kreis drehenden Diskussionen wieder im oberen Stockwerk ankommen, bin ich müde und ausgelaugt. Joker wedelt fröhlich im liegen mit dem Schwanz. Ich habe Rückenschmerzen und meine Hände schmerzen vom mit tippen der Fakten. „So, das war es eigentlich für heute.“ Josh klatscht in die Hände und löst dann seine Krawatte. Sein Jackett und seine Krawatte wirft er achtlos in seinem Büro auf den Kleiderständer. „Komm bitte rein, wir müssen noch deinen Firmenwagen konfigurieren und ordern.“ Langsam gehe ich in sein Büro. Die Glasfenster sind alle verdunkelt. Nur schwach erkennt man die Lichter von draußen. Regen prasselt gegen die Scheiben. Josh sitzt hinter dem Schreibtisch, eine kleine Lampe beleuchtet halb sein Gesicht. Die Schatten auf seinem Gesicht lassen ihn müde und abgespannt wirken. Fast so, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Er sieht nicht auf, als ich mich ihm gegenüber auf den Stuhl fallen lasse. „Du musst schon hier herüber kommen.“ Ich mühe mich ab, den schweren Stuhl auf die andere Seite des Schreibtisches zu bewegen. Er wirkt abwesend. Meine Hand mit dem Verband pocht, seit ich mir im Meeting die Hände wund getippt habe. Er sieht von seinen Unterlagen auf, als ich neben ihm Platz nehme. „Oh, sorry,“ sagt er und haut sich leicht vor die Stirn. „Ich hätte dir helfen müssen. War in Gedanken.“ Er rüttelt an der Maus und sein Bildschirm erwacht zum Leben. Er hat mehrere Tabulatoren im Chrome Browser auf. Unter anderem BMW, Audi und Volkswagen. „So hast du dir überlegt, was du haben möchtest?“ „Ich fand den BMW sehr schön. Aber wenn ich Joker mitbringen soll, sollte er vielleicht etwas größer sein.“ „Okay, dann fällt die 1ser Limousine weg. Und ich denke, dass auch der normale 1ser BMW zu klein sein wird. Dann eher der X1 oder ein Q3 von Audi. VW scheidet ganz aus.“ Er klickt mehrmals durch die Tabulatoren. „Du siehst fertig aus,“ entkommt es mir. Er lacht heiser. „Bin ich auch. Vielleicht werde ich krank. Keine Ahnung. Das Meeting hat mich echt geschlaucht. Besonders weil es zu keinem Ergebnis kam. Und sich die alten Herren ja erfolgreich gedrückt haben.“ Nachdem er einige Zeit geklickt und gescrollt hat, fragt er mich nach Farben, Leder oder nicht Leder, welche Innenausstattung und so weiter. Nach Ps fragt er mich nicht. Am Ende zeigt er mir zwei Fahrzeuge. Keine Preise. „Mhm,“ mache ich. „Welcher gefällt dir besser? Soll ich noch was ändern?“ „Nein, nichts mehr ändern. Aber mir gefällt ehrlich gesagt der Audi besser.“ „Wunderbar.“ Josh greift zum Hörer und tippt eine Zahlenkombination ein. Hastig spricht er in die Muschel, dass er einen RS Q3 bestellen will. Oh je, denke ich. Das klingt nach viel Power. Langsam erhebe ich mich und räume seine Kaffeetasse weg und ein Glas, welches einen kleinen Wasserrand auf seinem Glasschreibtisch hinterlassen hat. Während er seinem Gesprächspartner lauscht, sieht er mir aufmerksam zu. Seine blauen Augen sind wirklich viel zu blau. „Prima,“ höre ich ihn ausrufen, während ich sein Büro verlasse. „Dann kommen wir morgen nach Feierabend vorbei und holen ihn. Danke, Buck.“ Ich höre, wie er den Hörer aufknallt und ihn näher kommen. „Morgen Abend hast du dein Auto. Er hat genau so einen bei sich stehen, mit noch ein paar Spielereien.“ Ich nicke. „Du bist auch ziemlich fertig, oder?“ Ich spüre, dass er näher kommt, aber er hält einen gewissen Abstand zu mir. Wieder nicke ich nur und beuge mich hinab, um die Tassen und Gläser des Tages in die Spülmaschine zu räumen. „Hey, das ist nicht dein Aufgabengebiet.“ Als ich mein Tun nicht unterbreche, sagt er seufzend: „Komm, ich fahr euch heim.“ Ich fahre meinen Computer herunter, nehme meinen Blackberry und meinen Laptop mit und stehe bereits mit Jacke und Leine in der Hand bei ihm in der Bürotüre. Er telefoniert leise mit seinem Handy. Ich kann mich nicht dagegen wehren, aber ein kleiner Schmerz zuckt in meiner Brust. Ich wende mich ab und nehme auf einem der Wartesessel in meinem Büro Platz. Das läuft alles ganz und gar nicht gut. Okay, ich verstehe Lisa's Meinung und mein Kopf denkt genau so. Leider habe ich das Gefühl, dass mich mein Herz ziemlich schnell an ihn binden will. Es taumelt viel zu sehr, wenn er lächelt oder er eines seiner heiseren Lachen ausstößt. Und sei es nur gespielt. Mein Bauch ist in manchen Situationen ganz auf der Seite meines Herzens, dann kann man Kopf schreien und mit den Fäusten trommeln, aber manchmal, so wie grade, verkrampft er sich einfach nur zu einem festen Klumpen und pflichtet Lisa und meinem Kopf bei. Ich darf mich nicht verlieben! Nur habe ich die Befürchtung, dass die Stufe verknallt schon erreicht ist. Seufzend sehe ich in Jokers Augen, die mich treu mustern. Ich muss einfach einen klaren Kopf bewahren. Er steht nicht auf mich, sieh ihn dir an, denke ich, als er nun auf mich zu kommt und mir bedeutet, dass wir gehen. Er kann jede haben. Wirklich jede. Mir fällt Cat's Einwand ein, wieso er dann Lucas Schwester nimmt. Vielleicht weil sie leichte Beute war, ach wer weiß es schon. Ich beobachte ihn, während wir stillschweigend im Aufzug stehen. „Habe ich Kugelschreiber im Gesicht?“ Ich zucke bei seiner Frage ertappt zusammen. Natürlich, er sieht mich in den Alu-Türen des Aufzuges, die und widerspiegeln. „Nein,“ sage ich kleinlaut. „Wieso starrst du mich dann so an?“ Scheiße, was soll ich denn darauf antworten? „Ähm,“ beginne ich. „Du bist immer noch sauer, wegen Cheyenne, oder?“ „Wieso sollte ich sauer sein? Du kannst verkehren, mit wem du willst!“ Oh je, jetzt ist es raus. Das ist vermutlich meiner Müdigkeit und Erschöpfung zu verschulden. „Verkehren,“ sagt er. „So, so. Ich verkehre nicht mehr mit ihr. Aber es scheint dir ja schon etwas auszumachen, wenn du es schon so betonst.“ Wir steigen in seinen Range Rover. „Komm ich koche dir bei mir etwas. Du hast bestimmt nichts zu Essen zu Hause.“ „Wie kommst du darauf?“ Er lacht heiser. „1. Du hast dir wieder etwas am Snack-Automaten geholt, 2. hast du dich, wie ausgehungert auf die Kekse beim Meeting gestürzt.“ „Na gut,“ grummele ich. „Erwischt. Aber ich koche für dich. Du lädst mich ja quasi schon wieder ein.“ „Wir kochen zusammen, Deal?“ Ich verziehe den Mund, aber ich kann seinen ehrlichen, blauen Augen einfach nichts abschlagen. „Deal,“ brumme ich. 

Kapitel 15

 Es ist halb sieben, als wir bei ihm vor der Türe aussteigen. Herrje, so viel Zeit hab ich in den letzten Jahren nicht mal mit Liam verbracht. Wir arbeiten zusammen, essen zusammen, fahren zusammen. Großer Gott, so kann mein Kopf nicht die Überhand gewinnen. „Welcome to my sweet home, again.“ Er zwinkert mir zu. „Soll ich dir eine Jogginghose von mir geben, damit du es dir etwas bequemer machen kannst und dein Kostüm nicht nach Essen riecht?“ „Wenn dich der Anblick nicht stört.“ Ich höre sein heiseres Lachen erklingen. „Dein Anblick stört mich nie.“ Mein Herz hüpft und ich greife zu meinem Handy, um meine zittrigen Hände zu beschäftigen. Ava hat in die Gruppe geschrieben, ob Josh mich schon ver- ähm, entführt hätte. Sie erntet Lach-Smiley's von meinen Freundinnen. Und keine Reaktion von Lisa. Ich beschließe Lisa zu schreiben. „Hey Lisa, ich bin bei Josh, um mit ihm gemeinsam zu kochen und zu essen. Schreib mir was, was meinen Kopf stärker sein lässt, als Bauch und Herz.“ Sie schreibt postwendend zurück. „Herrje, du machst es dir auch selbst schwer. Bleib auf Abstand, wäre mein Rat gewesen. Aber so... Versuch auf Abstand zu bleiben und ihm keinen Grund zu geben über dich herzufallen. Willst du gelten, mach dich selten.“ „Danke, Süße. Ich melde mich später.“ „Good Luck, Honey.“ „Hier,“ höre ich Josh's Stimme hinter mir. Er hält mir eine blaue, dicke Jogginghose und ein Shirt einer Band hin. „Linkin Park? Das hätte ich nicht erwartet.“ „Hey, sie sind cool, oder? Wenn du sie nicht cool findest, kannst du direkt wieder gehen.“ Ich lache, während er mir seine Klamotten in die Hand drückt. Seine Hand berührt meine. Wie ein elektrischer Schlag, fährt diese Berührung in meinen Bauch und mein Herz. „Danke,“ sage ich kleinlaut, bevor ich im Bad verschwinde, um mich umzuziehen. Abstand halten? Leichter gesagt, als getan. Sein Waschmittel riecht leicht nach Vanille, bemerke ich, als ich sein Shirt über den Kopf ziehe. Ich schaue in den Spiegel. Ohne Frage, bin ich nicht die hässlichste Person auf dieser Welt, aber meine Straßenköterblonden Haare könnten besser gepflegt sein, gefärbt oder gesträhnt. Meine blau-grauen Augen könnten schöner oder strahlender sein, meine Haut reiner, meine Zähne weißer. Ich könnte ewig zu weiter machen. Lediglich meine runden Lippen und mein einst kurvenreicher, sportlicher Körper waren immer etwas, was ich mochte. Langsam fand ich nun nach meinem strengen Liebeskummer-Fasten wieder zu alter, ich nenne es mal Fülle, zurück. Ich seufze und verlasse das Bad. Joker hockt vor der Türe und sieht mich wedelnd an. Aus der Küche höre ich das leise Plätschern von Wasser und leise Musik. „Hast du etwa schon ohne mich angefangen?“ Er nickt. Wow, ich hatte wieder verdrängt, wie umwerfend er aussieht, wenn er keinen Anzug trägt. Seine Haare sind verstrubbelt, sein schwarzes Puma Shirt ist relativ eng und seine langen Beine stecken in einer schwarzen Addidas-Hose. Geschäftig wäscht er Fleisch unter dem Wasserhahn ab. „Ich wollte doch kochen.“ „Du darfst helfen. Schneid da bitte zwei Zwiebeln, eine Zucchini und zwei Möhren.“ Ein Topf mit Wasser steht bereits auf dem Herd inmitten der Kochinsel. Eine große tiefe Pfanne daneben. Schweigend verrichtet nun jeder seine Aufgaben. Weil ich mit meinen Gedanken woanders bin, ach vergesst das! Weil ich ein Tollpatsch bin, schneide ich mir bei der letzten Zwiebel in den Finger. Vor Schreck lasse ich das Messer fallen, gebe aber keinen Ton von mir. Es blutet stark. Eilig halte ich die andere Hand um den Finger und stürzte zur Küchenrolle. „Hey, keine Hektik in meiner Küche,“ sagt er lachend, bevor er sich umdreht. Er wird bleich. „Herr Gott, wieso sagst du denn nicht, dass du dich geschnitten hast?“ „Ich kann das,“ erwidere ich. „Ist schließlich nicht das erste Mal.“ Er lässt alles liegen, wickelt ein Küchentuch um meinen Finger und schleppt mich um die Kücheninsel herum auf einen Hocker. „Bei dir braucht man einen großen Vorrat Pflaster und Verbandsmaterial.“ Beschämt sehe ich auf das Baumwolltuch, was sich binnen Minuten rot färbt. „Das scheint sehr tief zu sein. Erinnere mich daran dir beim nächsten mal kein teures, scharfes Makashi Messer zu geben. Sondern ein altes stumpfes.“ Tränen treten mir in die Augen, doch nicht vor Schmerz, sondern weil ich dumm und absolut peinlich und hoffnungslos tollpatschig bin. „Tut's so weh?“ Er sieht auf das Tuch. „Mhm, ich glaube das lassen wir besser nähen. Das Handtuch ist schon durch.“ Ich schüttle den Kopf. „Es tut nicht weh. Und bitte kein Krankenhaus.“ Er sieht mich an. Seine blauen Augen mustern mich eingehend. „Na gut,“ seufzt er. Er wickelt behutsam das Handtuch von meiner Hand und beeilt sich dann etwas Desinfektionsmittel auf meinen Finger laufen zu lassen. Ich halte zischend vor Schmerz die Luft an. Eilig drückt er eine gerollte Mullbinde auf den Schnitt, den er dann zügig mit einer weiteren Mullbinde verbindet. „So und schön hoch halten. Und wenn es zu arg pocht, dann fahren wir ins Krankenhaus. Der Schnitt war nicht ohne.“ Ich will mich gemeinsam mit ihm erheben. Doch er drückt mich wieder auf den Hocker. „Was glaubst du, nun zu tun?“ Seine Augenbrauen sind eng über seinen Augen zu einem Strich zusammen gezogen. „Dir helfen? Wie verabredet?“ Er schnaubt, sagt aber nichts, bis er das Verbandsmaterial wieder verstaut hat. „Das war bevor du beschlossen hast die beinah den Finger abzuschneiden. Du bleibst schön hier sitzen, bis ich fertig gekocht habe. Dann darfst du essen.“ Er geht in die Küche, nimmt das blutige Messer hoch und wirft es geschickt in die Spüle. „Und wehe,“ fügt er hinzu. „Du wartest nicht bis es abgekühlt ist und verbrennst dir dein hübsches Mündlein.“ Bumms! Er flirtet mit mir, trifft mich die Erkenntnis knallhart ins Gesicht. So hart, wie nur ein Backstein es könnte. Ich sage nichts dazu, halte brav meine linke Hand nach oben und warte, dass er fertig gekocht hat. Es riecht schon mal hervorragend, als er beginnt Fleisch und Gemüse gemeinsam anzubraten. Er ist hoch konzentriert und ich beobachte ihn verstohlen. „Wenn du mich so anstarrst, verbrenn ich mich nachher noch. Mach dir ruhig den Fernseher an und es dir auf dem Sofa bequem.“ Ich lasse mich vom Hocker herunter gleiten und gehe zum Sofa. Sein riesiger Fernseher schüchtert mich ein, ebenso, wie die vier Fernbedienungen, die nun vor mir liegen. Ich höre sein heiseres Lachen. Er hat ein kariertes Handtuch in der Hand, an denen er sich die Handflächen sauber wischt, ehe er mir zwei Bedienungen in die Hände drückt. „Fernseher, Receiver,“sagt er. „Viel Spaß.“ Behutsam drückt er mich an den Schultern hinunter auf's Sofa. Mein Hirn scheint verlernt zu haben, wie er meinem hübschen Mündlein Befehle zum Widersprechen oder generell zur Sprache erteilt. Stumm, wie ein Fisch, mit wahrscheinlich ähnlichem, dümmlichen Gesichtsausdruck, tippe ich auf der Fernbedienung herum und wechsle die Programme.


Wir essen gemeinsam, wobei Josh mir mein Fleisch schneidet. Es schmeckt herrlich. Nach zweieinhalb Portionen bin ich pappsatt und glücklich. Ich spüre, dass meine Wangen gerötet sind, sowohl von der Wärme in seiner Wohnung, als auch vom Wein, den er zum Essen geöffnet hat. Müde räkele ich mich auf seinem Sofa. Nachdem er lärmend die Küche aufgeräumt hat, setzt er sich neben mich auf das Sofa, obwohl er vorher mir gegenüber auf dem Sessel gesessen hatte. Ich erstarre, als seine Hand sich auf meine legt, doch er nimmt mir lediglich die Fernbedienung ab. „Ich muss erst etwas entspannen, bevor ich dich nach Hause fahre. Ich hab mich völlig überfressen.“ Er drückt ein paar Knöpfe. „Guckst du TV-Serien? Regelmäßig?“ Ganz falsches Thema, denke ich. „Also nein, eher nicht. Ich habe früher immer Grey's Anatomie geschaut und Dr. House. Aber mein Ex-Freund fand das Scheiße, also habe ich es dran gegeben.“ Josh hebt die Augenbrauen. „So etwas gibt man nicht dran. Auch nicht für den Partner. Wenn man eine Serie mit Passion guckt, dann muss man sie verfolgen, bis sie endet, oder die Passion abstirbt.“ Er schüttelt den Kopf. „Wie sieht's mit Filmen aus?“ „Puh, ich hasse Action á la Fast and the Furious. Alles Idioten mit protzigen Karren. Auch so etwas wie, ich schieße gegen eine Kugelsichere Scheibe, die Kugel prallt ab und trifft den Gangster, furchtbar. Ich mag gute Komödien, aber sie müssen mich wirklich zum Lachen bringen. Horror, na ja danach hab ich den Horror zu Hause. Einfach zu viel Phantasie. Ich mag Liebesschnulzen, wenn sie gut sind, am liebsten in Verbindung mit Comedy. Fantasy, so wie Herr der Ringe oder Harry Potter sind einfach Kult und kann man immer wieder gucken. Ich mag Superhelden Filme und gute, spannende Krimis. Ich liebe Krimis.“ „Das war eine sehr detaillierte Beschreibung.“ Grinsend deutet er zum Fernseher. „Ich liebe Horror. Tut mir Leid. Aber anspruchsvollen. Nicht so wie Saw. Das ist mir zu viel Metzelei. Und ich hasse so Fantasy-Liebesschnulzen. Krimis, find ich super, Superhelden, wo ist da die Frage, jeder liebt Superhelden. Aber bei Komödien, gebe ich dir Recht. Es ist das beste zum Lachen gebracht zu werden. Und ich muss sagen, wieder tut es mir Leid,“ sagt er und legt mir eine Hand auf mein Knie. „Ich liebe protzige Autos. Wobei. Nein, eigentlich nur groß und düster. Nicht so Fast and the Furious bunt.“ Er lacht. „Aber meine wahre Passion sind Serien. Horror, Action, Krimi, Fantasy. Da ist für jeden was dabei. Ich halte zwar nicht viel von diesen Arzt-Serien, aber nur, weil ich mich nicht dafür interessiere. Aber wenn du das tust, wieso nicht? Besser als keine Hobbies zu haben.“ „Ich lese viel lieber. Da bin ich nicht von schlechter schauspielerischer Leistung enttäuscht oder bei Buchverfilmungen von der Auswahl des Schauspielers. So kann ich träumen, wie die Leute aussehen, sich geben und wie sie sind. Ohne Kompromisse.“ Er nickt nachdenklich. „Du hast Recht. Manches mal wäre ein Buch besser. Aber ich muss dir eine absolut unschlagbar geile Serie zeigen. Sie wird als Horror kategorisiert, aber eigentlich enthält sie von allem ein bisschen.“ Er drückt auf der Fernbedienung herum und ich kann das Strahlen in seinen Augen sehen. Plötzlich wirkt er wieder um ein vielfaches jünger. „Tadaaa, The walking Dead.“ Ich starre auf das Zombiegesicht auf dem Fernseher. „Zombies?“ „Jaaa, unfassbar gute Zombies. Ich würde mich opfern mit dir die erste Folge der ersten Staffel zu sehen. Und wenn du es scheiße findest, dann schau ich mit dir eine Folge Arzt-Serie. Okay?“ Was tun wir hier?, dachte ich. Wir verabreden uns zum Serien gucken. Serien guckten Pärchen zusammen. Oder Freundinnen. Aber Männer und Frauen konnten nicht befreundet sein. „Emily?“ Ich nicke. „Okay,“ hauche ich. Das kann nur mein rettungsloser Untergang sein.

Kapitel 16

Der Abend verläuft ohne weitere Vorkommnisse. Ich gebe natürlich nicht zu, dass mir bereits die erste Folge Lust auf mehr gemacht hat, damit wir mindestens noch einmal so gemeinsam beisammen sitzen können. Er saß keine handbreit von mir entfernt, hat mich aber nicht angefasst oder berührt, denke ich blättere in meiner Mittagspause am Freitag, der bei uns ja Casual gehalten ist, durch meine Women's Health. Ich lecke meinen Joghurtlöffel ab. Den gesamten Mittwoch war ich alleine, außer mit Joker und hatte einiges zu tun. Am Abend haben wir mein Auto abgeholt. Wow, Wow und nochmals Wow. So ein tolles, riesiges und schnelles Auto. Man riecht beim Einsteigen, wie teuer es ist. Damit nicht genug. Ich habe meinen eigenen, festen Parkplatz bei J and D Enterprise bekommen. Direkt neben Josh's damit jeder weiß, dass ich seine Assistentin bin. Josh hat mir Mittwoch noch schnell erklärt, wie mein Auto funktioniert und mir das dicke Heft, dass die Bedienungsanleitung darstellt breit grinsend in die Hand gedrückt. Dann versetzte er allerdings meiner Laune einen Dämpfer, in dem er sagte, dass er erst Freitag wieder kommen würde. Er müsste kurzfristig nach Boston, um seinen Vater zu unterstützen. Aber Freitag würden wir uns sehen. Mein Blick fällt auf die Uhr. Es ist halb vier, kurz vor Feierabend. Seufzend stelle ich fest, dass Josh noch nicht wieder da ist. Den gestrigen Abend habe ich mit meinen Freundinnen verbracht. Wir haben Kleider gegooglet für einen Cocktail-Empfang. Ich kann es sagen, wahnsinn. So viele schöne Kleider. Aber leider auch so teuer. Ich musste alle Termine der letzten zwei Tage am Donnerstag Morgen für Josh absagen, habe seine Akten geordnet, Rechnungen geschrieben, Pläne für Manchester und Paris in Empfang genommen und kopiert und zu guter Letzt meine Überstunden dieser Woche an Jared geschickt. Mein Schreibtisch ist nun ziemlich leer. Ein oder zwei Fälle warten ruhig auf ihren Chef. Allerdings, so weiß ich, habe ich noch zwei Bücher bekommen, um sie zu lesen. Ich öffne mein E-Mail Postfach, mit meinem Löffel im Mund und öffne die erste Mail, mit dem Betreff, Killed by me. Titel liest sich vielversprechend. Also werde ich es lesen und öffne parallel dazu mein Laptop, mit der Liste zur Bewertung.


Das Buch ist spannend, von der ersten Seit bis zu eben jener Seite 320. Plötzlich reißt mich eine Stimme aus dem Buch. „Was machst du denn noch hier?“ Ich schrecke auf, stoße meinen Stuhl um und kippe Kaffee über meine leere Schreibtisch-Ablage. „Herrje,“ gebe ich von mir und stürme in die Küche, um Küchenpapier zu holen. Eilig wische ich den Kaffee auf, bevor er mein Laptop erreicht. „Josh,“ stoße ich hervor, als ich den Schatten vor den düsteren Fenstern ausmache. Er lacht heiser und knipst das Licht an. Hell brennt es in meinen Augen. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass du eine solch fleißige Assistentin bist, die freitags gegen halb acht immer noch im Büro ist und somit länger, als unter der Woche. Hast du etwa auf mich gewartet?“ Er grinst anzüglich und ich erröte, während mein Bauch Samba tanzt. „Nein, ich habe kurz vor Feierabend begonnen ein Buch Korrektur zu lesen und zu bewerten und es ist einfach super spannend. Der Typ, der das geschrieben hat, der hat es echt drauf.“ „Schade und ich dachte du hättest mich erwartet.“ Er sieht an mir herab. Ich trage eine braune Wollstrumpfhose, einen schwarzen Jeansrock und ein braunes Top mit einer schwarzen Bluse darüber, deren Arme ich umgekrempelt habe. Er selbst trägt ein kariertes Hemd und eine Jeans. „Ich wollte mir einige Unterlagen holen, für's Wochenende.“ Er deutet mit dem Finger auf sein Büro. „Ich wette,“ fügt er breit grinsend hinzu. „Dass du noch nichts gegessen hast.“ Mein Bauch prickelt bei der Erinnerung an Dienstag Abend. „Nein, das stimmt. Aber,“ „Es gibt kein aber,“ widerspricht er und verschwindet in seinem Büro. Doch, das gab es, denn eigentlich war ich mit meinen Freundinnen verabredet und das bereits vor einer Stunde. Verstohlen linse ich in meine Tasche und sehe, dass mein Handy rot blinkt. „Ich bin zu spät,“ stoße ich hervor. „Wofür?“ Sein athletischer Körper kommt zurück aus der Dunkelheit seines Büros und trägt zwei braune Mappen unter dem Arm. „Für das Treffen mit meinen Freundinnen. Wir wollten Steak essen und dann,“ Ich halte inne. „Ja?“ „Wollten wir ein Kleid für mich kaufen, für Sonntag.“ Und noch ganz andere Sachen laut Ava. Laut Lisa einen Keuschheitsgürtel für Manchester und Paris. „Du hast kein Cocktail-Kleid oder Abendkleid?“ Ich nicke. „Doch,“ füge ich hinzu. „Mein Prom-Kleid. Aber...Ich habe es mit viel Wasser und den Elektrogeräten meines Ex-Freundes in der Badewanne ruiniert.“ Auf das was nun folgt, war ich nicht vorbereitet. Er bricht in schallendes Gelächter aus. Was durch seine heisere, tiefe Stimme, absolut anziehend wirkt. „Du bist einmalig, weißt du das? Ich meine, er hat es nicht besser verdient, wenn er dich betrügt.“ Okay, das habe ich ihm eindeutig nicht selbst erzählt. Entweder meine Freundinnen, Cat, die es Jackson gesagt hat oder mein einzigartiger Bruder. „Wo wolltet ihr euch treffen?“ „Gute Steak's“ sagt er anerkennend. „Wäre es unhöflich, wenn ich mich selbst mit einlade?“ „Wenn ich zahlen darf nicht.“ Er verdreht die Augen und macht ein finsteres Gesicht. „Na gut.“ „Dann komm,“ sage ich und greife zu meiner Jacke, Tasche und der Leine von Joker, der immer noch ganz perplex auf seiner Decke sitzt. „Du fährst. Dann kann ich auch mal was trinken.“ „Und dein Auto?“ Er zuckt die Achseln. „Das hole ich einfach morgen ab.“ Ich widerspreche ihm nicht. Ich hoffe, dass meine Freundinnen noch im Restaurant sind, wage es aber nicht sie anzurufen und zu beichten, dass ich nicht alleine komme.


Ich finde einen Parkplatz direkt vor dem Restaurant und freue mich, als ich Hailey's Mini Cooper an der Straße stehen sehe, genau wie Aiden's Ford, den Ava sich sicher ausgeliehen hat. Zu meiner Überraschung sitzt Aiden mit am Tisch. „Da kommt der Drückeberger,“ ruft er auch schon, als er mich erblickt. Erst blicken meine Mädels finster drein, dann aber bröckeln ihre Mienen und weichen lächelnder Freude, als sie den großen, blonden Josh hinter mir erblicken. „Josh,“ begrüßen sie ihn alle zuerst. „Na vielen Dank auch,“ murmle ich, was Josh auflachen lässt. „Ja, Emily, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ich bin Josh,“ sagt er und gibt Aiden die Hand. „Aiden, Ava's Bruder. Ich bin der Fahrer dieser Schnapsdrosseln.“ Ich sitze neben Josh und spüre, wie meine Mädels uns immer wieder als Pärchen zusammen fügen und wieder auseinander nehmen. „So und ihr wolltet also gleich noch ein Cocktail-Kleid für diese junge Dame hier kaufen?“ Er legt einen Arm auf meine Stuhllehne, während ich mich abmühe an den letzten Pommes nicht zu ersticken. Er trinkt Barcadi Cola. Und ich kann einen leichten Bartschatten auf seinem Gesicht erkennen, der sonst nicht zu sehen ist. Ava ist diejenige, die ihre Sprache als Erste wieder findet. „Ja, am besten eins mit passendem Erste Hilfe Koffer. „Haha,“ mache ich. „Keine Sorge beim Empfang meines Vaters sind Spitzen-Chirurgen vor Ort,“ erwidert Josh grinsend. „Josh,“ meint Aiden plötzlich. „steht das für Joshua?“ Josh nickt. „Wie lautet dein voller Name, wenn ich fragen darf?“ Josh's Blick wird finster, er nimmt den Arm von der Lehne und stützt beide Arme vorne auf den Tisch gebeugt auf. „Joshua Elijah Dawson. Warum Aiden?“ Ich sehe zwischen den beiden hin und her. „Daher kenne ich dich also.“ Auch Aiden's Blick verdüstert sich. Sie mustern sich abschätzig und mir wird warm. Ich weiß nicht was hier los ist. „Was ist los?“ Hailey stellt diese Frage an meiner statt. „Euer feiner Saubermann hier, ihm gehört eine Bar. Eine Bar, in der meine Band und ich aufgetreten sind. Und aus dieser Bar wurden wir heraus geworfen, weil wir nicht die Lieder spielen wollten, die der feine Besitzer hatte spielen wollen. Ihm,“ spuckt er förmlich aus und zeigt auf Josh. „verdanke ich das hier!“ Aiden zieht den Ärmel seines Longsleeves hoch und zeigt die Wunde, die von einem komplizierten Bruch herrührt. Mit großen Augen und absoluter Panik sehe ich Josh an, der vollkommen gelassen da sitzt und nun zu seinem Glas greift. „1.,“ beginnt er. „war das nicht alleine meine Bar. Mir gefiel eure Band. 2. bist du ungünstig gefallen, da kann keiner was für. 3. bist du auch kein Unschuldslamm, Aiden O'Melly. Frauen zu schlagen gehört sich einfach nicht.“ Nun hat er eine Bombe platzen lassen. „Stimmt das, was er sagt, Aiden?“ Aiden sieht auf den Boden. „Warum bin ich hier jetzt der Schuldige?“ „Weil er Recht hat, man schlägt keine Frauen.“ „Die Bar gehörte der Ex-Freundin von meinem Vater. Sie war jung, brauchte Geld und Unterstützung. Sie fand sie in mir. Habe selbst dort einige Zeit gearbeitet. Bis mein Vater herausfand, was ich tat. Dann musste ich aussteigen. Und er fand es heraus wegen eurer Anzeige.“ „Du hast mich nicht angezeigt und die Bardame auch nicht.“ „Kannst du mal sehen, wie ordentlich wir sind.“ „Du hast ernsthaft eine Frau geschlagen?“ Ava sprang auf und gab ihrem Bruder eine schallende Ohrfeige. „Es war nicht mit Absicht. Es war im Eifer des Gefechts und nur einmal.“ „Ja, ein Faustschlag, der ihr beinah die Nase gebrochen hat.“ „Wie hast du ihn verletzt?“ Josh's Blick richtet sich auf Lisa, die ihn berechnend an sieht. „Mit einem Tritt gegen das Bein. Ich habe mal Kickboxen trainiert. Er ist gefallen, in eine Menge Europaletten, die hinter der Bar lagerten und hat sich dabei den Arm gebrochen. Mehrfach, kompliziert. Nicht meine Schuld. Nicht mein Fehler.“ „Woher weißt du das?“ Aiden ist bleich. „Ich sagte doch gerade eben, dass mein Vater viele Chirurgen kennt. Du hast im Krankenhaus den Besten bekommen. Weil ich es so wollte. Aus Schuldbewusstsein und weil Eve mich dahin gedrängt hat.“ Er seufzt. „Tja und das alles, weil Eve nicht wollte, dass ihr eine Rockversion von You are not allone spielt von Michael Jackson.“ „Tut mir Leid,“ murmelt Aiden und reibt sich seine rote Wange. Josh ist arrogant und kühl, nahezu wie Lucas. Ich erkenne ihn kaum wieder. „Schon gut. Ich hatte keine Schramme. Du und Eve wart die Leid tragenden. Ich hab nur keine Bar mehr gehabt und keinen Job. Aber das liegt eher an meinem Vater.“ Er stürzt das Glas in einem Rutsch hinunter und winkt dem Kellner für noch eins. „Also,“ sagt er und klatscht in die Hände, so dass alle zusammenzucken. „Gehen wir gleich ein Kleid kaufen?“


In vielen Läden werden wir nicht annähernd fündig. Von Geschäft zu Geschäft hebt sich die Stimmung allerdings wieder. Josh ist wie voher und Aiden taut ihm gegenüber auch langsam auf. Ava ist noch etwas schockiert, aber auch sie erliegt schlichtweg Josh's Charme. Lisa hat sich abgesetzt und kauft dies und das. Ich will mir gar nicht vorstellen, was sie alles kauft. Im vorletzten Geschäft schlüpfe ich in ein dunkelblaues Kleid mit langem Rückenausschnitt. Dazu reicht mir die geschäftige Verkäuferin hohe Pumps in dem gleichen blau. Ich fühle mich gleich, wie eine Prinzessin. Eilig flechte ich meine Haare zu einem Zopf, damit ich ihn vorne über meinen Busen werfen kann, damit der Rücken frei ist. Lisa kommt gerade wieder, mit mehreren Tüten in der Hand. „Wow,“ entfährt es ihr und Josh dreht sich herum. Seine Augen weiten sich. Er starrt mich förmlich an, während ich mich einmal um die eigene Achse drehe. „Das ist es,“ hauche ich. „Was sagt ihr?“ „Du sagst es,“ sagt Josh. „Das ist es.“ „Ohhh, du siehst wundervoll aus,“ ruft Hailey und greift nach dem Preisschild. „Es ist im Sale.“ „Mit den Schuhen mache ich es noch günstiger,“ sagt die Verkäuferin. Somit ist es entschieden.  

Kapitel 17

 Ich fahre Josh nach Hause, der seltsam schweigsam ist. Lisa hat es sich nicht nehmen lassen mit mir zu fahren, weil sie angeblich den Geruch von neuen Autos liebt. Sicher. Vor Josh's Haus halte ich an. „Danke für's Fahren.“ „Gerne. Ist doch selbstverständlich, Boss.“ Er lächelt mich an. Es ist ein kleines Lächeln, dass ich so nicht kenne. Er bleibt sitzen. Ich halte förmlich die Luft an. Dann beugt Josh sich vor und drückt mir unverhofft einen Kuss auf die Wange. Sanft, wie das Gefühl einer Daune auf der Haut. Seine Lippen fühlen sich warm und weich an, aber die Berührung ist zu kurz, als dass ich mehr dazu sagen könnte. „Bis Sonntag, ich komm dich holen, 17:00 Uhr.“ Mit diesen Worten verlässt er das Auto und schlägt die Türe hinter sich zu. Ich starre ihm gebannt hinterher. „Ich glaub es ist schon zu spät für Abstand,“ murmelt Lisa hinten im Wagen. „Was?“ Verwirrt schüttle ich den Kopf. „Ich wusste nicht,“ keucht sie, während sie sich im Wageninneren nach Vorne quetscht. „dass ihr schon so weit voran geschritten seid.“ „Ich auch nicht.“ Lisa starrt mich entgeistert an. „Das war das erste mal?“ Ich nickte, wie betäubt. „Oookay,“ antwortet Lisa. Sie sieht sich um. „Schicke Gegend. Wollen wir hier übernachten?“ „Sei nicht albern,“ sage ich und knuffe sie in die Seite. Immer noch vollkommen perplex drehe ich den Wagen und fahre vom Hof.
Ich fahre Lisa nach Hause und wir verabschieden uns. Zu Hause angekommen, nehme ich den rötlichen Schimmer immer noch auf meinen Wangen wahr. Das Kleid, welches ich Sonntag tragen werde, lege ich behutsam auf dem Sofa ab. Wie in Trance beende ich den heutigen Tag und verschwinde mit dem Kopf unter der Bettdecke.
Verschlafen nehme ich wahr, wie es an der Türe Sturm klingelt. Joker bellt heftig und laut. Ich habe Rücken- und Kopfschmerzen. „Ja, doch,“ murre ich, während ich versuche, mich aus meiner Deckenherrberge zu graben. „Joker Ruhe,“ sage ich bestimmt, während ich verschlafen zur Wohnungstüre schwanke. „Ja?“, frage ich in den Hörer der Gegensprechanlage. „Wir sind verabredet? Zum Inlinern und Essen?“ Ich runzle die Stirn. „Es ist doch noch viel zu früh.“ „Äh, nein,“ höre ich Cat. „Oh Mann, sie ist vollkommen daneben,“ murrt Lisa unten an der Türe. „Kannst du mal auf machen,“ jammert Ava. Stöhnend drücke ich auf den Türöffner, schlurfe ins Bad und dann in die Küche. Die Kaffeemaschine protestiert. Lärmend kommen die Mädels nach oben. „Hallo du,“ begrüßt mich Hailey fröhlich. „Lisa hat schon berichtet.“ „Ja, toll. Ich bin müde.“ „Also wenn du direkt ins Bett bist, wonach es aussieht, da du nicht mehr geantwortet oder das gelesen hast, was wir geschrieben haben, dann hast du bis grade nahezu zehn Stunden geschlafen. Du kannst also gar nicht müde sein.“ „Ich stehe hier,“ schnaube ich. „als lebender Beweis vor euch, dass ich sehr wohl müde bin.“ Mein Blick fällt auf die Uhr und ich stöhne. „Wow, echt schon halb zwei?“ „Ja, los, gib Gas. Wir wollen noch fahren.“ Ich beeile mich, so gut es geht. Gähnend trinke ich meinen Kaffee, während ich mir im Schlafzimmer Kleidung raus suche. Im Bad schminke ich mich hauchdünn, mit Puder und Concealer sowie etwas Mascara. Ich trage nun eine schwarze Thermo-Leggings, eine Jeansbluse, die mir fast bis zu den Knien reicht und ziehe nun eine weiße Fellweste darüber. Zwei Paar Socken und meine Inliner in der Hand kehre ich zurück ins Wohnzimmer. „Wir haben dir deinen Eastpack gepackt, beide Handy's zu trinken für Joker und einen Knochen.“ Ich nicke. „Danke,“ füge ich hinzu, weil Ava mich miesepetrig ansieht. „Das war eine ganz schöne Überraschung mit Aiden und Josh, was?“ Cat nickt. „Oh ja, das war heftig. Ich habe kurz gedacht, dass die beiden sich prügeln würden.“ Hailey lächelt. „Wie läuft es bei dir und dem anderen Geschäftsführer?“ Catherine schaut zu Boden. „Er ist momentan in Australien. Auf Surf-Reise. Meldet sich kaum.“ Oh, denke ich. „Davon hat Josh nichts erzählt.“ „Muss er das?“ „Na, wenn die beiden sich schon mit Küssen verabschieden.“ „Hört auf,“ kreische ich. „Ihr seid ja furchtbar.“ Kichernd und mit Joker im Schlepptau verlassen wir meine Wohnung. Ich bin die einzige, die sich Handschoner anzieht. Denn ich kenne mich ja und mein Tollpatsch-Gen. Der Schnitt an meinem Finger ist schon fast verheilt, meine Hand zieren noch kleine Narben, wo der Dobermann zugebissen hat. Unten ziehen wir uns alle unsere Skates an. Wackelig erhebe ich mich. „Das haben wir verdammt lange nicht mehr gemacht.“ „Oh ja,“ stimmt Ava mir zu. Die Sonne scheint, doch der Wind ist eisig, so dass mir schon nach einigen Metern Fahrt, die Röte ins Gesicht steigt. Es ist mal wieder ein richtig toller Mädels-Nachmittag. „Ich muss heute noch packen,“ seufze ich, als wir in einem großen Park in einem Café Platz nehmen. Joker schlurft die erste Schüssel Wasser in einem Zug leer. Hechelnd legt er sich unter den Tisch. „Bist du aufgeregt?“ Ich nicke. „Erinnere mich daran, dass ich noch die Tüten in deinem Auto habe, wenn wir nachher wieder bei dir sind.“ Ich stöhne und reibe mir über das Gesicht. „Was hast du alles gekauft, damit er von mir weg bleibt?“ Lisa grinst breit, während sie in die Karte schaut. Ihre braunen Haare waren leicht verschwitzt. Ihre Nase zeigte noch einige verblassende Sommersprossen. Nun richtete sie ihre Caramelfarbenen Augen auf mich. „Keine Sorge, du wirst überrascht sein, ehrlich.“
Ich bin völlig fertig, als wir am frühen Abend bei mir ankommen. In der Garage holen wir wie versprochen noch Lisa's Tüten und gehen dann hoch in meine Wohnung. Meine Beine schmerzen, aber ich bin sehr stolz auf mich, dass ich nicht hingefallen bin und das trotz Hund an der Leine. Wir beschließen, dass wir heute zu Hause bleiben und einen DVD Abend machen. Nacheinander gehen wir duschen. Ich bin die letzte und das Bad ist voller Dampf. Mein Blackberry klingelt, als ich gerade ins Bad gehen will. „Oh, oh, Chef is calling.“ Ich strecke Cat die Zunge heraus. „Pierce?“ „Mein Gott, kannst du förmlich sein,“ höre ich Josh's atemlose Stimme. Sofort schießen mir Bilder in den Kopf. „Ähm, was tust du?“ „Laufen. Bin grade dabei die 20 km zu schaffen und ich dachte, da rufe ich dich mal an und frage, was du heute Abend so vor hast.“ „Wow, sportlich, sportlich.“ Ich lehnte mich lächelnd an die Küchentheke. Augenrollend stand Lisa vor mir und machte Kaffee für die Mädels, die nun alle im Türrahmen standen und mich beobachteten. Ich lächelte dümmlich, das spürte sogar ich. „Nun, eigentlich bin ich grade auf dem Weg unter die Dusche. Und dann wollen wir fünf einen DVD Abend mit Pizza machen. Und du?“ Er seufzte. „Wie ihr das schafft so viel Kram zu essen und dünn zu bleiben.“ Ich hörte ihn aufstöhnen, dann ein Rascheln. „Du gehst duschen?“ Ich errötete. „Ja, wir waren Inliner fahren.“ „Ach? Und nun seid ihr so ausgepowert, dass ihr Pizza braucht?“ Ich nicke, wie eine Vollidiotin. „Ähm, ja so ähnlich.“ „Mhm,“ macht er. „Ich gehe auch jetzt duschen.“ Ich riss die Augen auf. Was sollte mir das sagen? War das der Beginn von Dirty Talk? Ich hatte keine Ahnung. „Nun ja, eigentlich rufe ich im Auftrag von meinem liebsten Firmenpartner an. Sein Handy wurde in Australien gestohlen, also ist Catherine's Nummer weg. Und da er sich schlecht fühlt, oh Wunder, weil er sich nicht bei ihr melden konnte, will er heute Abend eine kleine Party geben und deine Freundin natürlich dabei haben. Seiner Aussage nach rein platonisch, weil sie das Bild verschönern würde. Absoluter Quatsch, wenn du mich fragst.“ Er seufzte und ich lauschte weiterhin gespannt, mein Mund jedoch formte ein kleines O. „Jedenfalls habe ich darauf bestanden, dass wenn dann alle Freundinnen von Catherine auch wieder kommen dürfen. Er hat sich darauf eingelassen.“ „Okay, wann soll es denn losgehen?“ „So gegen acht. Ihr habt noch genug Zeit. Es wäre gut, wenn ihr kommen würdet.“ Er hielt inne, seufzte wieder. „Oder eben nur Catherine. Weil ich glaube, dass er sie echt vermisst hat.“ Stille. Ich kann darauf nichts erwidern und starre Cat einfach nur an, die mich ungläubig ansieht. „Ich kläre das ab,“ hauche ich. Wieder Stille. Ich kann hören, dass er die Treppe in seine Wohnung hinauf steigt, die Türe öffnet und sie hinter sich schließt. Wieder ein Rascheln. „So, okay, Emily. Ich gehe duschen. Muss noch mit ihm einkaufen und Essen vorbereiten. Aber,“ Er hält inne und ich glaube fast, dass die Verbindung unterbrochen ist. Bis er schließlich sagt: „Ich würde mich auch freuen dich zu sehen. Na ja, sag Bescheid, Ciao.“ Damit, ohne mir die Chance einer Antwort zu geben, legt er auf. 

Kapitel 18

 

„Josh, lass es gut sein. Ich hab dir schon mal gesagt, dass du dich nicht rechtfertigen musst.“ Wieder nehme ich einen tiefen Zug aus meinem Glas. Er seufzt, sieht unverschämt gut aus, so wie er da steht, in seinem kurzärmeligen grauen Hemd mit dem weißen Shirt drunter. Seine großen Füße, die in Air Max stecken kommen unaufhaltsam näher, bis er schließlich neben mir sitzt. „Glaub mir, ich will nichts von Cheyenne. Sie versteht es einfach nicht.“ Ich schüttle den Kopf und zucke die Achseln. „Was willst du mit Chris?“ „Nichts, feiern. Er ist der beste Freund meines Bruders. Mich interessiert nicht, was du mit wem machst.“ „Doch tut es, das sehe ich doch.“ „Dann siehst du das falsch.“ Er kniet sich vor über meine ausgestreckten Beine, so dass ich ihm ins Gesicht sehen muss. Seine Augen sehen mich besorgt an. „Ich denke, ich sehe genau richtig und absolut klar.“ Ich senke den Blick, doch er schiebt meinen Kopf mit einem Finger unter meinem Kinn wieder nach oben. „Du bist hochgradig eifersüchtig. Und warst absolut enttäuscht, als du mich mit Cheyenne gesehen hast. Und nach diesem Kuss, den Cheyenne mir gegeben hat, könnte ich schwören, dass du mit den Tränen gekämpft hast.“ Ich sehe ihn an und beschließe, dass Trotz eine gute Reaktion ist. „Du nimmst dich ziemlich wichtig, Joshua Dawson.“ Er grinst schief, weil er spürt, dass es lediglich ein kläglicher Versuch ist, ihm zu entgehen. „Siehst du, zu Recht.“ Nun muss ich ebenfalls lächeln. Er nimmt mir mein Glas ab und stellt es auf den Boden. „Du hast genug für heute.“ „Du bist mein Boss, nicht mein Bruder oder Babysitter. Also darf ich das alleine entscheiden.“ Er hilft mir auf und ich schwanke nach vorne. Genau in seine Arme. Mein Gesicht ruht an seiner warmen Brust, die sich unter dem Shirt hart anfühlt. Ich schließe zitternd die Augen, atme tief seinen Geruch ein und halte die Luft an, aus Angst er könne dann weg sein. Seine Arme umschließen mich. „Kleine Emily,“ murmelt er und seine heisere Stimme klingt dumpf durch seinen Brustkorb. Er ist warm und hart. Draußen wummert Musik von Ariana Grande, One last time. „Es ist schon spät. Oder besser früh, vielleicht sollte ich dich nach Hause bringen?“ Ich lasse mich etwas von ihm weg schieben. Plötzlich überkommt mich die Müdigkeit mit einem Schlag. „Ja, ich muss auch noch packen. Vielleicht ist das eine gute Idee.“ Er lässt seine warme rechte Hand an meinem linken Arm herabwandern und findet meine Hand. Behutsam drückt er sie und zieht mich hinter sich her. Vollkommen benebelt und beseelt laufe ich hinter ihm her. Er macht einen Zwischenstop bei Lucas und ich winke meinen Mädels zum Abschied, die mich neugierig und geschockt ansehen, während Josh mich weiter vorwärts zieht. „Trinkst du nie?“, frage ich, als wir auf dem Weg zu seinem Auto sind. „Doch eigentlich schon, aber ich hatte gehofft, dass du mich anrufst, dass ich dich abholen soll.“ Mir wird warm, obwohl ich zuerst gefröstelt habe, in meinem grobmaschigen Pullover. Er fährt mich wie immer sicher nach Hause. Zögerlich bleibe ich im Auto sitzen, als wir vor meiner Türe ankommen. Dass er den Motor laufen lässt sagt mir, dass er nicht mehr mit nach oben kommt. „Nun gut,“ beginne ich. „Danke für's heim fahren. Bis morgen Abend dann.“ „Falsch, bis heute Abend. Schlaf dich aus.“ Ich nicke und legte die Hand auf den Griff im Innern des Wagens, als er mich zu sich zieht, und mir wieder einen Kuss auf die Wange haucht, noch kürzer, als der gestrige. „Schlaf schön, kleine Emily.“ Ich erwidere seinen Blick, den ich auf Grund der Dunkelheit nicht zu deuten wage. „Gute Nacht.“


Mir ist brütend warm, als ich erwache. Ich liege in Mitten meiner Kleidung, neben meinem Koffer. Oh Mist. Ich habe noch versucht meinen Koffer zu packen. Es ist halb drei Nachmittags. Auch das noch, denke ich. Um fünf kommt Josh mich holen. Ich krame nach meinem Handy und wähle Cat's Nummer. Sie geht nicht dran, dann Ava. Keine Reaktion. Mist, Mist, Mist! Lisa? Auch nichts. Als ich nun Hailey anrufe, hebt sie ab. „Gott sei Dank. Einer von euch lebt wenigstens noch. Hast du was von den anderen gehört?“ „Nein, aber ich brauche deine Hilfe und zwar ganz, ganz schnell.“ „Ich höre, was kann ich tun.“ „Ich brauche jemanden der mir die Haare macht und mich schminkt und das schnell, gut und Cocktail-Empfang-like.“ „Herrje, ich google und dann komme ich. Geh schon mal duschen, bin in zwanzig Minuten bei dir.“ „Danke Hailey du bist meine Rettung.“ „Warte mit dem Dank, bis ich mit dir fertig bin.“ In Rekordzeit dusche ich, wickle mir einen Turban um den Kopf und schlinge einen Toast herunter und einen Kaffee. Joker ist bereits bei Kia einquartiert. Ava hat mir versprochen nach den beiden zu sehen und zwei oder dreimal mit Joker laufen zu gehen. Pünktlich nach zwanzig Minuten klingelt es an meiner Türe. Ich drücke eilig auf und ziehe meinen rosa Bademantel enger um mich. „Herrje, ist das eine Hetze.“ „Was war den gestern alles noch, dass du Vermisstenanzeigen auf gibst?“ „Tja deine Mädchen haben es gestern noch krachen lassen. Ich war mit dem Auto. Cat ist bei Lucas geblieben. Ava und auch Lisa hatten einen Verehrer, als ich gefahren bin.“ „Und Chris?“ Sie sieht mich scharf an. „Konzentriere dich auf eine Sache.“ „Er hat mich gestern so gut wie gewarnt vor Josh.“ Ich berichte ihr kurz von Chris' Worten. Sie seufzt und baut währenddessen ihre Friseur- und Lackierutensilien auf. „Das wirst du selbst herausfinden müssen, das kann auch gekränkter Stolz sein. Dass er dich vor ihm warnt, weil du auf ihn mehr anspringst, als auf Chris selbst. Turban ab,“ befiehlt sie in harschem Ton. „Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll. Ich muss noch den Koffer zu Ende packen. Und,“ „Ach,“ unterbricht mich Hailey. „Lass mich mal machen.“

 

Um kurz vor fünf stehe ich in der Diele vor dem bodenlangen Spiegel und betrachte mich. Hailey ist eine wahre Künstlerin. „Wieso arbeitest du nochmal bei der Agentur und nicht in einem Beauty-Salon?“ „Weil die nichts verdienen und ich bin gierig.“ Meine Haare bilden auf einer Seite einen welligen Wasserfall und fallen über meine linke Schulter. Die rechte Seite meiner Haare ist eng am Kopf geflochten und verliert sich dann auf der linken Seite. Meine Nägel sind in dem gleichen blau lackiert, wie mein Kleid ist, zusätzlich dazu auf den Spitzen jeweils eine kleine weiße Blume. Mein Haar ist aufgehellt, weil Hailey es mit Kamillentee gespült hat. Mit Kamillentee, wer hätte das gedacht? Meine Augen hat sie im Smokey-Eyes Stil geschminkt aber mit mehr blau Anteil. Meine Wimpern mit kleinen Klebewimpern verdichtet, so dass meine Augen größer denn je wirken. Die Fülle meiner Lippen wird nur durch nudefarbenen Lippenstift betont. Keine einzige Hautpore ist in meinem Gesicht zu sehen. „Du bist wunderschön,“ sagt Hailey. Ich zupfe an meiner hautfarbenen Strumpfhose und drehe mich einmal. Mein Koffer liegt gepackt auf dem Bett. Lediglich mein Beautycase muss noch dazu. „Hier, dein Mantel.“ Hailey hilft mir in den grauen Mantel. „Du bist wundervoll, weißt du das? Eine wahre Freundin und absolut talentiert.“ „Ich bin da, wenn du mich brauchst. Wenn du abgeholt werden willst, du weißt wie du mich erreichst. Lass dich nicht unterkriegen. Ich hab dich lieb.“ Tränen treten in meine Augen. „Nicht weinen, bitte.“ Ich lache. „Ich hab dich auch lieb.“ Ohne hohe Schuhe ist Hailey genau so groß wie ich mit. Wir umarmen uns. Ich schnappe mir meine kleine blaue Ledertasche, kontrolliere, ob ich mein Handy, die Utensilien zum Nachschminken und mein Pfefferspray dabei habe und nehme den Haustürschlüssel von der Türe. Unten warten wir auf Josh. Es ist Punkt 17:00 Uhr, als ich die Leuchten der BMW-Limousine um die Ecke biegen sehe. „Viel Spaß. Genieße den Abend. Und bleib sauber, Süße.“ Ich lächele Hailey dankbar an und drücke sie nochmals.“

Kapitel 19

Josh steigt aus. Sein dunkelblauer Anzug passt perfekt zu meinem Kleid. Unter dem Anzug trägt er ein schwarzes Hemd und eine dunkelblaue Krawatte mit weißen Streifen. Seine Haare sind strubbeliger als auf der Arbeit. Er hat einen leichten Bartschatten und seine hellen, blauen Augen strahlen, als er mich sieht. „Schöne Frau,“ sagt er und haucht mir einen Kuss auf den Handrücken. Er hält meine Hand fest und führt mich auf die Beifahrerseite des Wagens. Ganz ein Gentleman öffnet er mir die Türe. Ich lasse mich möglichst Ladylike auf den Beifahrersitz fallen und schnalle mich an. Er fragt mich kurz, wie es mir geht, ob ich es geschafft habe, für morgen früh zu packen. „Ich bin nervös, wegen alldem,“ antworte ich ehrlich. „Wieso?“ „Ich war noch nie auf einem Cocktail-Empfang und ich werde deinen Vater kennen lernen, morgen fliegen wir nach Manchester und dann nach Paris, ich war noch nie in Paris. Und das alles so schnell und zeitnah.“ „Das wird schon,“ sagt er und tätschelt meine linke Hand, die meine Tasche fest umklammert. Die Fahrt dauert nur wenige Minuten. Die Türen des Wagens werden geöffnet, sofort, als wir anhalten. Josh lässt den Schlüssel stecken und den Motor laufen. Ein Mann reicht mir seine Hand und hilft mir aus dem Auto. „Danke,“ sage ich höflich und er schaut etwas verwundert drein. „Bedankt man sich in deinen Kreisen nicht?“ Er lacht heiser. „Du darfst dich so viel bedanken, wie du willst, aber allzu häufig wird er das von den schweren Damen nicht zu hören bekommen.“ Er hakt mich bei sich unter und führt mich eine breite, hell beleuchtete Treppe hinauf, zu einem Haus, dass drei mal so groß erscheint, wie das meines Vaters. Oder das von Lucas. Überall hört man Leute sprechen, aus dem Haus dringt klassische Musik. „Josh,“ ruft eine Frauenstimme. Ich versteife mich ein wenig. Eine blonde Frau, etwa in meinem Alter kommt auf uns zu, hinter ihr zwei Jungs, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen und in etwa 18 Jahre alt sind. Josh lässt meinen Arm los, lächelt mich kurz an und schlingt dann seine Arme um das hellblonde Mädchen. Eine hochgewachsene Frau, mit blondiertem Haar erscheint hinter den Jungen. „Wo ist mein Prachtjunge?“ Und sofort komme ich mir dumm vor und schäme mich, fühle mich fehl am Platze. Josh klatscht die beiden Jungs ab und umarmt die blonde Frau. „Mutter,“ sagt er und seine Stimme ist plötzlich ganz weich, zärtlich. Er tritt zu mir zurück. „Das ist Emily Mia Pierce, meine Assistentin und eine gute Freundin.“ „Sie ist hübsch,“ sagt das Mädchen, die ich nun doch für jünger halte, als mich. „Danke,“ erwidere ich leise errötend. „Das ist meine Mutter Madeleine Skarsgard und meine Halbgeschwister, Luke und sein Zwilling Lex und die kleine freche Spinne hier ist, Larissa.“ „Freut mich euch kennen zu lernen,“ sage ich. „Pierce?“, fragt seine Mutter. „Wie der New Yorker Unternehmer?“ Ich erröte. „Ja, er ist mein Vater. Aber wir haben nicht viel mit ihm zu tun, als seine Kinder. Ganz besonders ich nicht.“ Josh und auch seine restliche Familie sehen mich ratlos an. „Okay, gut. Freut uns auch Sie kennen zu lernen, Miss Pierce. Lasst uns rein gehen und euren Stiefvater suchen.“ Wir warten, bis Josh's Halbgeschwister und seine Mutter das hell erleuchtete Haus betreten. „Du hast mir nie erzählt, dass du noch Geschwister hast.“ „Und du mir nicht, dass dein Vater der berühmte Unternehmer Edward Pierce ist.“ Schweigend folgen wir der Masse ins Haus. Ein Butler nimmt mir meinen grauen Mantel ab. Josh dreht sich lächelnd zu mir herum und erstarrt. Verunsichert sehe ich an mir hinab, drehe mich zur Sicherheit nochmals herum und schaue hinter mich. Ich strecke fragend die Hände aus und hebe die Brauen in die Höhe. „Du siehst fantastisch aus,“ haucht er heiser. Er lässt seinen Blick über mich wandern und schüttelt dann den Kopf. „Wahnsinn.“ „Das war Hailey,“ sage ich, als er wieder meinen Arm nimmt. „Sie ist gut. Deine Haare,“ sagt er und zupft an einer Haarsträhne. „sind heller. Das ist mir gar nicht aufgefallen im Auto.“ Ich lächele und bin mir sicher, dass ich unter dem Make-Up rot glühe. Vor Scham. Josh zieht mich mit, stellt mich allerlei Leuten vor. Jedoch nur noch als Freundin, nicht als Assistentin, was mich wundert. Ich kann mir nicht einen Namen merken. Das Haus oder besser, das Anwesen ist hell erleuchtet, brechend voll und absolut edel. Wir verlassen den Vorraum in einen riesigen Saal in dem überall verteilt runde Tafeln stehen, die pompös geschmückt sind. An einer Tafel entdecke ich einen schwarzen Kopf, der mir nicht gefällt und ich sehe schnell zu Josh, ob er sie auch gesehen hat. Doch nein, er schaut zu mir und lächelt mich schief an. „Groß und vollkommen unpassend, oder?“ „Ich habe das Gefühl in einem Märchenschloss zu sein, aber dafür trage ich das falsche Kleid.“ Er lacht heiser. „Du bist die schönste Frau des Abends, neben meiner Halbschwester und meiner Mutter, keine Sorge.“ Eine Band baut ihre Instrumente auf der Bühne auf. „Das da hinten, das ist unser Tisch, dort, wo meine Mutter steht,“ haucht er nah an meinem Ohr. Seine Mutter trägt ein graues, langes Kleid. Ein dunkelblonder Mann steht in einem schwarzen Anzug neben ihr, mit einer rothaarigen Frau im Arm. Josh's Züge werden hart. „Was ist?“ Er nickt hinüber zu dem Mann und der Rothaarigen. „Das ist die neue Freundin meines Vaters und ich wette heute gibt er die Verlobung bekannt, daher die Party.“ „Das ist dein Vater?“ Er nickt ernst. „Wieso sehen deine Eltern so jung aus?“ Er grinst. „Keine Op's falls du das im Kopf hast. Aber nein, mein Vater ist fast 60. Es liegt nicht in unser Familie grau zu werden oder kahl zu werden. Gott sei Dank. Das ist Anja Nastrovja.“ „Die Tochter des Gasriesen?“ Mein Erstaunen wird immer größer. „Genau und, jetzt kommt das witzige, sie ist grade mal drei Jahre älter als ich. Faszinierend, oder?“ Ich kann es immer noch nicht fassen, als ich ein Gesicht entdecke, dass über beide Ohren strahlt und mir äußerst bekannt vorkommt. „Catherine,“ sage ich zu ihm und deute auf den Tisch an dem wir gleich sitzen werden. Josh lächelt und schüttelt den Kopf. „Ich wusste, dass er sie mitbringt.“ Da taucht auch schon Lucas auf, herzt Josh's Mutter und Geschwister, nickt Mr. Dawson Senior knapp zu und strahlt dann Catherine an, ehe er auf sie zu geht. „Erst etwas trinken, bevor du dem gefährlichen Silberrücken begegnest?“ Er zwinkert. „Wenn du damit deinen Vater meinst, damit komme ich hoffentlich schon zu Recht.“ „Hoffentlich,“ sagt er belustigt. „Dann auf, auf in den Spaß.“ Sein Vater wirkt recht kühl, als Josh und ich zu ihm treten und ich ihn höflich begrüße, doch dann haucht auch er mir einen Kuss auf den Handrücken. „Sie sind also die bezaubernde, jüngste Tochter von Edward? Ich habe ab und an mit ihm zu tun, wenn ich Hotels in New York und Umgebung suche. Er spricht sehr gut von Ihnen.“ Meine Laune wird finsterer. „Das ist mir neu. Eigentlich sind seine Lieblingskinder meine Schwester Gabriella und mein Bruder Erik. Der Nachzügler, der ich nun einmal bin war ihm eigentlich immer ein Dorn im Auge. Das Wort Unfall ist in meiner Kindheit ziemlich oft gefallen.“ Er sieht mich nachdenklich an und seufzt dann. „Ich sehe, da habe ich einen wunden Punkt getroffen. Kann Ihnen aber versichern, dass er mir gegenüber nur gut über Sie und Ihre Geschwister gesprochen hat. Stolz war er auf Ihren guten Schulabschluss, der ja nun meiner Firma zu Gute kommt, also freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit.“ Josh ist von meiner Seite verschwunden, also befinde ich mich genau im Blickfeld von Adam Scott Dawson, der mich mit zu Schlitzen verengten Augen mustert und seine Begleitung es ihm abschätzend gleich tut. „Ist das ein Gautier-Kleid?“ Meine Augen huschen zu ihr. „Nein,“ sage ich lediglich. „Armani?“ Ich schüttele den Kopf. „Nein, von Hilfinger.“ „Oh, so günstig.“ Ich atme tief durch, sehe in der Anstecknadel von Dawson's Krawatte, wie meine Nasenlöcher sich blähen. Ein Zeichen, dass ich sehr wütend bin. „Lass das Mädchen in Ruhe, Anja.“ Madeleine kommt zu mir und legt mir ihre kalte Hand auf den Rücken. „Es ist manchmal egal, was etwas gekostet hat. Es steht ihr hervorragend und sie sieht toll aus, nicht wahr, Adam?“ Sie sieht ihren Ex-Mann scharf an, der nickt, wie ein Schaf. „Ja, das sagte ich ja bereits.“ Nun schnaubt Anja vor Wut und sie säuselt ihrem Freund ins Ohr, ob sie sich nicht etwas zu trinken holen wollen. Adam entschuldigt sich und geht. Ich atme tief durch. „Sie nehmen kein Geld an von ihrem Vater, oder?“ Ich schüttle den Kopf. „Nein, auf Grund meinen Erfahrungen mit ihm, wohne ich nicht in seinem Haus und nehme auch kein Geld von ihm an. Ich kenne ihn mir gegenüber nur hasserfüllt.“ „Das ist auch gar nicht schlimm, Kind. Anja ist ein Haifisch. Unter all ihrem Make-Up sieht sie auch so aus.“ Sie kichert undamenhaft und ich liebe sie jetzt schon. „Sie sind Schwedin, oder?“ „Ja, das stimmt.“ Sie lächelt mich mütterlich an, während ich nach Josh Ausschau halte. „Er ist etwas zu trinken holen und hat mich gebeten auf Sie aufzupassen.“ „Danke sehr,“ bedanke ich mich höflich bei ihr. „Dein Kleid ist wunderschön,“ sagt nun Larissa zu mir. Ihre beiden, dicken, hellblonden Zöpfe reichen ihr bis zur Hüfte. Sie trägt ein rosafarbenes Bandeau-Kleid. „Deins ist auch sehr hübsch.“ „Du bist sehr klein,“ sagt sie nun und stellt sich in ihren Ballerina's auf ihre Zehenspitzen. „Larissa, so etwas sagt man nicht.“ „Ist schon okay. Meine Mum war auch nicht groß.“ „War?“ Ein Stich fährt in meine Brust. „Ja, sie ist früh gestorben. Ich kann mich kaum an sie erinnern.“ „Das tut mir Leid, Miss Pierce.“ Madeleine reibt mir über den Rücken. „Da bin ich wieder,“ meldet sich Josh's raue Stimme. Er schaut in die Runde. „Was ist so traurig?“ Er reicht mir einen großen, blutroten Cocktail. „Emily hat gerade erzählt, dass ihre Mutti tot ist.“ Josh's Augen huschen zu mir. Die Augen seiner Mutter, hell, wie die eines Husky's. „Schon sehr lange,“ füge ich mit trockener Kehle hinzu. Josh's warme, große Hand nimmt den Platz, auf meinem Rücken ein. Seine Mutter entschuldigt sich und sagte, sie wolle sich mit den Kindern setzen. „Willst du auch sitzen?“ „Ich brauch eine Minute,“ bringe ich schwach heraus. Eilig stürzte ich den Cocktail herunter. „Nicht sehr fein, junge Dame,“ tadelt mich Josh, mit hochgezogenen Brauen. Ein langsamer Song wird von der Band gespielt. The Scientist von Coldplay. Mit großen Schritten stellt Josh sein Glas auf dem Tisch ab und mein leeres daneben. Behände zieht er mich in die Mitte des Raumes, wo einige Paare sich rhythmisch hin und her wiegen. „Josh, bitte, ich kann kein Standardtanz.“ „Brauchst du auch nicht.“ Er legt eine Hand auf meine Hüfte und nimmt eine meiner Hände in seine und legt die andere auf seine Schulter. Langsam wiegen wir uns durch den Raum. Ich sehe auf meine Füße, aus Angst ihm auf die Füße zu treten. „Achte nicht auf deine Füße,“ sagt er, als er mein Kinn hoch hebt. Meine Augen finden seine. Trotz der kalten Farbe wirken sie warm, freundlich, offen, herzlich, liebevoll.Ich sehe auf seine Lippen, die nicht schmal sind, aber auch nicht voll. Sie sind genau richtig, passend zu diesem leicht kantigen Gesicht, mit den weichen Zügen. Das Lied wechselt in Tears in Heaven. Er hebt meine Arme um seinen Nacken und ich komme ihm nah. Hätte ich keine hohen Schuhe an, wäre es sehr schwierig geworden in dieser Postion mit ihm zu tanzen. Ich höre, wie er den Song leise mit singt, als ich meinen Kopf näher an seine Schulter lege. Und ich fühle mich wie im Himmel. Ich atme den Duft seines Parfüms ein, tief und endgültig, weiß, dass ich bis morgen früh weiß, wie er roch und sich angefühlt hat. Ich trete ihm nicht einmal auf die Füße, fühle mich endlos geborgen und sicher. Seine warmen Hände, teils auf meinem Rücken, teils auf meinen Hüften rauben mir schier den Verstand. Ich kann mich nicht mehr wehren. Ich glaube, dass ich mich verliebt habe. Keine Schwärmerei, bloße Verliebtheit. Und ich hoffe, dass es nicht einseitig ist und ich enttäuscht werde.  

Kapitel 20

 „Siehst du, du kannst wohl tanzen,“ haucht er in mein Ohr, kurz bevor er mich los lässt. „Aber nur weil du so ein guter Tänzer bist.“ „Danke,“ sagt er und hakt mich unter. „Setzen wir uns?“ Ich nicke. „Oh mein Gott, Emily,“ ruft Catherine schrill aus und Lucas presst die Augen aufeinander, als hätte er Schmerzen. „Cat, mein Trommelfell.“ „Hallo Lucas,“ sage ich und klopfe ihm auf die Schulter. Cat springt auf und umarmt mich. Sie trägt ein langes, hautenges schwarzes Kleid mit kleinen Kristall-Verzierungen darauf. Josh schiebt mir den Stuhl zurecht, der neben Catherine steht. „Bitte,“ sagt er. „Danke, Mr. Dawson.“ Er grinst. „Kleine Hexe,“ sagt er. „Was trinken?“ Ich nicke und er geht los. Lucas erhebt sich ebenfalls und folgt ihm. Ich unterhalte mich gerade mit Cat, als sich Josh's Vater und seine Freundin an den Tisch setzen. Geflissentlich ignoriere ich ihre Blicke. Plötzlich bricht die Musik ab und auf der Bühne klopft jemand gegen das Mikrophon. Josh! „Guten Abend! Mein Vater hat mich, wie immer, dazu genötigt die Eröffnungsrede zu halten. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, welchen Anlass dieser Cocktail-Empfang hat, aber ich hoffe, dass Sie trotzdem alle etwas auf der Getränke- und Speisekarte finden, was Ihnen schmeckt.“ Einige Leute lachen. Die Miene von Adam wirkt eisern. „Wie sicherlich schon einige erfahren haben, haben sich sowohl Joseph Thomas Wiliam Jackson, als auch mein Vater Adam Scott Dawson dazu entschieden, dass es für ihre Söhne Zeit ist, in ihre gut frequentierte Firma einzusteigen und ihnen diese zu übertragen. Also nehme ich das hier als Anlass, um uns, Mr. Lucas Joseph Jackson und mich, Joshua Elijah Dawson als die neuen Inhaber und Geschäftsführer der Firma Jackson and Dawson Enterprise vorzustellen.“ Tosender Applaus. Lucas kommt neben ihm auf die Bühne, ein Ipad in der Hand. Das Kabel, dass aus dem Tablet kommt, scheint mit einem Beamer verbunden zu sein, denn hinter Josh und Lucas erhellt sich die Wand. „Lucas hat eine kleine Präsentation vorbereitet, die unseren gemeinsamen und einzelnen Werdegang zeigt. Ich hoffe, dass Sie so viel Spaß haben werden, wie wir. Vielen Dank und harren Sie der Dinge, die da kommen.“ Wieder brandet Applaus auf. Doch Josh's Vater wird sichtlich nervös. Madeleine dreht ihr Glas lächelnd hin und her. „Was passiert hier?“ „Dein Sohn rebelliert, wie immer!“ Lucas Stimme hallt kühl aus den Lautsprechern. Zuerst ist alles noch sehr süß, man sieht Kinderfotos der beiden. Mal einzeln, mal zusammen. Dann schallt plötzlich Geschrei aus den Lautsprechern, gefolgt von einem Rumsen und Weinen. Ein verwackelter kleiner Film zeigt Lucas und Josh etwa im Alter von 7 Jahren. Sie sitzen in einem Schrank und filmen aus einem Spalt hinaus. Man sieht undeutlich, wie Josh's Vater über Madeleine aufragt. „Was fällt ihm ein?“ Josh's Vater ballt die Fäuste, nicht nur in dem Video sondern in echt. Die nächsten Bilder scheinen frischer zu sein. Josh mit einem blauen Auge und einem Australien Shephard. Lucas mit einer Waffe. Cat wird bleich. Dann ein Video, dass eine Blondine gemacht hat. Auf der Bühne stehen zwei langhaarige Jungs, im Alter von etwa 18 oder 19, der eine ist eindeutig Lucas. Mit Piercings in den Ohren und in der Lippe. Der langhaarige blonde ist Josh, wieder mit deutlichen Blessuren im Gesicht und an den Armen. Sie singen A beautiful Lie, aber es ist eine schlechte Qualität und man kann etwas verstehen. Das Bild wechselt auf einen Josh, der dem heutigen ähnlicher ist. Eine blonde Frau im Hintergrund, die Anweisungen gibt ein Schild aufzuhängen. „Mach das aus,“ ruft Adam Dawson, plötzlich. Josh sieht ihn ungerührt an. Eve, steht auf dem kleinen Schild am T-Shirt der Frau. Cat und ich tauschen Blicke. Auf dem nächsten Bild hat Eve ein blaues Auge und eine geplatzte Lippe. Dann folgt ein eindeutiges Video, das heimlich gemacht wurde. Lucas hält sein etwas jüngeres Gesicht in die Kamera, bevor er sie dreht und auf eine Szenerie zwischen Josh und seinem Vater sowie Eve hält. „Damals war ich zu klein um mich oder Ma zu beschützen, aber jetzt nicht mehr. Wenn ich nochmal mitbekomme, wie du Eve schlägst, dann wirst du das bereuen.“ „Nun folgt das Ende der Geschichte.“ Josh's Vater steht eilig auf. Ein Krankenhausbericht. Von einer Eve Rockfort, 25 Jahre, die mit Joch- und Nasenbeinbruch behandelt wurde und dann ein Polizei und Krankenhausbericht. Sohn handelt in Notwehr, bricht Vater den Arm, die Nase, zwei Rippen und verpasst ihm eine Gehirnerschütterung. Dann ist plötzlich alles dunkel. „Komm,“ raunt Josh mir ins Ohr und ich spüre, dass er auch Cat und seine Mutter auffordert zu gehen.


Draußen fordert er den Butler auf die Wagen zu holen. „Josh, das war keine gute Idee.“ Madeleine hat hektische Flecken im Gesicht. „Was wollen die beiden tun?“ Lucas grinst kalt. „Die Firma gehört uns. Komplett. Sie können uns nichts anhaben.“ „Mum, jeder soll die Wahrheit erfahren, was für ein Mann mein Vater ist. Ob er damit klar kommt, oder nicht.“ Lucas und Cat steigen mit in Josh's Auto und Madeleine verabschiedet sich von Josh. „Wir telefonieren, Liebling. Du bist der Beste.“ Niemand sagt etwas, als Josh mit quietschenden Reifen davon fährt. „Dafür habe ich mich jetzt so schön gemacht,“ haucht Cat. „Ja, ihr beide wart einfach wunderbar. Schade, dass mein Vater das nicht sehen konnte.“ „Dein Vater ist doch gut weg gekommen.“ Lucas nickt. Josh's Hände umklammern fest das Lenkrad. Er fährt weder zu sich nach Hause, noch zu Lucas. Wir fahren in ein Waldstück und ich werde nervös. Wir sitzen mit zwei Schlägern im Auto. Auch Cat sieht im Rückspiegel nervös aus. Ich greife in meine Tasche und halte mein Pfefferspray fest in der Hand. „Emily, du kannst das Pfefferspray loslassen.“ Ich erstarre. Lucas kann unmöglich sehen, was ich tue. „Wie?“, fragt Cat. „Schau dir an, wie angespannt sie ist. Entweder hat sie eine Pistole, das glaube ich nicht, oder Pfefferspray.“ Wir fahren auf ein kleines Haus zu, dass an einem See steht. „Das ist seit Jahren unser Rückzugsort, den keiner unserer Väter kennt. Mum hat ihn gekauft.“ Josh steigt aus, genau wie Lucas. Cat und ich tauschen einen Blick. Trotzdem steigen wir aus, was sollen wir auch tun. Cat nimmt meine Hand ganz fest. Die beiden betreten das Haus, schalten die Lichter im Innern an. Lucas schaltet den Fernseher ein. „Er wird bestimmt ein Presse-Statement abgeben, dass wir drogensüchtig sind.“ Josh schnaubt. Unschlüssig bleiben wir neben der Türe stehen. Ich bin total verwirrt. Josh macht ein paar Schritte auf uns zu, Cat versteckt sich hinter mir. Er bleibt stehen und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. Auch Lucas bemerkt, dass das nicht spurlos an uns vorüber gegangen ist. „Wir sind nicht gewalttätig zu Frauen, das hat man doch wohl gesehen, oder?“ Cat zittert. Ich sehe die beiden nur fest an. „Lucas, lass. Sie haben Angst.“ „Aber, Cat.“ „Ich weiß nicht, ob das nicht alles ein Fehler war.“ Lucas Gesichtsausdruck entgleist. Da wird mir erst wirklich bewusst, dass die beiden keine Schuld trifft. „Nein Cat,“ beginne ich und drehe mich zu ihr herum. „Die beiden haben ihre Eltern beschützt, ihre Familien. Sich selbst. Keine Frau wurde WEGEN ihnen verletzt. Sie wurden verletzt.“ Ich sehe zu Josh, der ein leeres Glas in den Händen dreht. Dann gehe ich auf ihn zu. „Ich glaube nicht, dass diese Hände,“ sage ich und nehme Josh das Glas ab. „eine Frau körperlich verletzen können. Das hast du doch an dem Gespräch mit Aiden bemerkt.“ Cat sieht mich an, als sei ich verrückt, bis ihr langsam die Erkenntnis ins Gesicht steigt. Lucas wirkt verletzt und starrt wie gebannt auf die beweglichen Bilder im Fernsehen. Josh hat das Glas mittlerweile abgestellt und seine andere Hand auf meine gelegt. „Lucas,“ haucht Cat, woraufhin er sich erhebt und sie ansieht. „Es tut mir Leid. Aber euer Auftritt war nicht grade normal.“ Lucas lacht. „Wir sind auch nicht normal.“ Adam dementiert das komplette Video und stellt es so dar, als sei es ein technischer Defekt gewesen. Wir verbringen die nächsten vier Stunden in dem Haus, essen Pizza und sehen DVD's. Lucas und Cat halten Händchen und kuscheln auf dem Sofa. Ich habe mich in einen der Sessel gekuschelt unter eine Decke, die Josh mir gegeben hat. Josh sitzt auf dem anderen Sessel und schreibt ständig Nachrichten, was mir ehrlich gesagt gar nicht gefällt. Lucas erzählt in der Kurzfassung, was in seiner Familie ablief, was bei langem nicht so schlimm scheint, wie in Josh's Familie. Irgendwann, es ist kurz nach 1 Uhr steht Josh auf und sagt: „Wir sollten nach Hause fahren.“ Schweigend setzen wir Cat und Lucas bei Lucas zu Hause ab. Sorgenvoll blickt Cat mich an. „Du siehst wunderschön aus. Gute Reise. Du kannst jederzeit anrufen. Ich liebe dich. Und vertrau auch mal, das hast du mir gerade eben gesagt.“ Sie lehnt ihre Stirn an meine und küsst mich keusch auf den Mund. Ich lächele sie kurz an, dann schlägt sie die Türe zu. Irgendwann sagt Josh: „Es tut mir Leid. Ich hätte dich nicht mit da rein ziehen sollen.“ Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll, also schweige ich. Wir kommen viel zu schnell vor meiner Türe an. Die Stille lastet bleiern zwischen uns. Ich mahle mit den Zähnen, als Josh den Motor laufen lässt. „Ich hole dich morgen früh um halb 7 ab. Ich hoffe du kannst etwas schlafen. Verzeih mir bitte,“ fügt er leise hinzu. Ich seufze. „Natürlich, wie könnte ich dir nicht verzeihen. Es ist deine Sache, wie du mit deinen Familienproblemen umgehst. Ich kann dir meine Meinung dazu kund tun, aber was du damit machst,“ Ich zucke die Achseln. Er greift nach meiner Hand. „War es trotzdem okay?“ Nachdenklich nicke ich. „Ich finde deine Mutter toll. Sie ist eine starke Frau, mit wunderbaren Kindern.“ Er lächelt leicht. Sanft küsst er meine Stirn. „Schlaf gut. Bis morgen. Ich verspreche mich zu benehmen.“ „Josh?“ „Ja?“ „Sei vorsichtig.“ Er starrt mich an, als ich ihm meinerseits einen Kuss auf die Wange hauche und das Auto verlasse. Morgen ist ein neuer Tag. Morgen in England.

Kapitel 21

 Ich bin vollkommen fertig. Natürlich habe ich keine Minute geschlafen. Immer wenn ich die Augen schloss, habe ich den kleinen Josh, den Teenager Josh gesehen, welche Wunden er hat, sein ernstes Gesicht. Seinen Vater, der kalt über Madeleine aufragt. Ich schlürfe bereits den zweiten Kaffee, als es um zehn vor sieben klingelt. Ich drücke auf, kämme mir nochmals über meine Haare und warte an der Türe. Josh steht vor mir. Tränen steigen mir in die Augen. Seine Wange ist dick, beinah schwarz, so wie sein linkes Auge. In der Augenbraue hat er einen blutigen Schnitt. Seine Lippe ist aufgeplatzt. „Oh mein Gott,“ entfährt es mir. „Josh,“ hauche ich dann und Tränen laufen über meine Wangen, als ich ihn in die Wohnung ziehe. „Sie haben auf mich gewartet. Bodyguards von meinem Vater. Sie waren zu viert. Ich hätte zurück zum Haus am See fahren sollen.“ Ich schüttle den Kopf und Tränen tropfen auf den Boden. „Nein, du hättest hier bleiben sollen.“ „Komm, alles ist okay. Das sind nur ein paar Blessuren. Es geht schon. Sonst verpassen wir den Flieger.“ Als ich mich nicht rühre sagt er: „Hey, das war es mir wert. Ich wusste, dass das passieren konnte. Es ist wirklich nichts Ernstes. Du wirst sehen, morgen ist es schon wieder weg.“ Er versucht sich an einem aufmunterndem Lächeln, doch es misslingt ihm, weil er unter Schmerz zusammen zuckt. Ich schüttle den Kopf und seufze. „Hast du es versorgt?“ Er nickt und fährt sich durch sein zerzaustes Haar. „Wir frühstücken im Flieger, wenn du nichts dagegen hast, aber wir müssen los.“ Ich nickte und strecke die Hand nach meinem Koffer aus, doch er nimmt ihn mir ab und weist mich an die Türe abzuschließen. Die Fahrt zum Flughafen verläuft schweigend. Ich versuche mich so gut es geht her zu richten, froh darüber, dass ich nur leichtes Make-Up und wasserfesten Mascara aufgetragen habe, weil der Flug ja nun doch etwas länger ist. Immer wieder streckt Josh seine Hände auf dem Lenkrad aus und erst jetzt sehe ich, dass auch sie Blessuren haben. „Wie ich sehe hast du dich gewehrt?“ Er sieht mich kurz fragend an. Ich nicke in Richtung seiner Hände. „Ja, habe ich. Lasse mich ungern wehrlos verprügeln, besonders wenn ich dann nichts davon habe.“ Da wir First Class fliegen, müssen wir am Flughafen nicht eine Sekunde warten, oder wie ein normaler Tourist zwei Stunden vorher da sein. Meine Handtasche umklammernd setzen wir uns in die bequemen Ledersitze. Die Stewardess, die Josh schockiert ansieht, prüft, ob wir angeschnallt sind, bringt eine Flasche Wasser, die sie zwischen unsere Sitze stellt und greift dann zum Telefon. „Boarding completed.“ Ich atme tief und zitternd durch. „Hast du Flugangst?“ Ich zucke die Achseln. „Wenn du willst, kannst du meine Hand nehmen.“ Er legt sie mit der Fläche nach oben zwischen uns, doch ich halte mich eisern an meiner Tasche fest. Will ich mir doch nicht die Blöße geben. In ebenjener Tasche wühle ich nach Kaugummis und Josh legt seine Hand wieder in seinen Schoß. Als die Stimme des Piloten ertönt, dass wir unsere Flughöhe erreicht haben und er uns einen angenehmen Flug wünscht, fährt er den Sitz mit der Lehne zurück. Er hat Ränder unter den Augen, beziehungsweise nur um eines, denn das andere wird von einem Feilschen überdeckt. Seufzend schließt er seine Augen. Ich habe Mitleid mit ihm. Seine Sorge um ihn lenkt mich von meiner Flugangst ab. Die Stewardess kommt etwas später und fragt, ob wir etwas frühstücken möchten. Ich sage ja, bestelle mir einen Kaffee und ein Rührei. Vorsichtig schiele ich zu Josh. Ich will ihn nicht wecken, also bestelle ich ein großes Rührei, mit zwei Tellern und ein Brötchenkorb mit vielerlei Aufschnitt und 4 Brötchen. Und einen großen schwarzen Kaffee. Ich bitte sie mich etwa fünf Minuten bevor sie das Essen bringt zu warnen, damit ich ihn wecken könne. Langsam drifte auch ich ab. Diese Stühle sind gemütlich, kein Vergleich zu den engen Economy-Sitzen, wo man dicht an dicht, wie eine Sardine in der Dose gedrängt, sitzt. Die Stewardess winkt mir zu. Ich lockere meinen Gurt etwas und drehe mich zu dem leise atmenden Josh um. „Josh?“ Ich berühre ihn leicht am Unterarm, doch er reagiert nicht. Da viele in der First Class schlafen, will ich nicht lauter werden, also rücke ich näher an sein Ohr. „Josh, ich habe Frühstück bestellt. Wach auf,“ sage ich und rüttele ihn dabei etwas. Er schreckt auf und wir knallen mit Stirn und Schläfe aneinander. „Aua,“ meine ich und reibe meine Stirn. „Sorry, du hast mich erschrocken.“ Er gähnt hinter vorgehaltener Hand und reckt sich. Trotz seiner Wunden sieht er schon etwas besser aus. Erholter. „Ich habe Frühstück bestellt.“ „Für mich auch?“ Die Verwunderung in seiner Stimme kränkt mich ein wenig. Erscheine ich so egoistisch? Also nicke ich nur und dann kommt schon die Stewardess, mit einer Kanne dampfendem Kaffee, köstlich duftendem Rührei und einem Tablett, der einen Korb Brötchen trägt und Aufschnitte. „Wow, das war eine tolle Idee,“ lobt er mich. Wir essen schweigend, ich für meinen Teil mit großem Appetit. „Danke, dass du an mich gedacht hast.“ „Gerne, ist doch selbstverständlich.“ Er lächelt eine kleines Lächeln, schnallt sich ab und steht auf. Ich kuschle mich möglichst gemütlich in den Sitz, denn wir haben noch einen langen Flug vor uns. Josh kommt zurück und drückt mir ein Paar Kopfhörer in die Hand. „Dann können wir gemeinsam einen Film gucken oder etwas anderes.“ Ich lächle ihn an. „Denke ich werde direkt einschlafen.“ „Das macht nichts,“ sagt er heiser. Es scheint so einzutreten, wie ich es vermutet habe. Sobald Josh einen Film ausgewählt hat und ich mich zusammenrolle, schlafe ich ein.


„Hey, Emily, kleine Emily.“ Blinzelnd öffne ich die Augen. „Tut mir Leid, dass ich dich wecken muss, wir landen.“ „Oh je,“ hauche ich. Mein Kopf dröhnt, meine Schultern sind verspannt und ich muss auf die Toilette. Josh hilft mir meinen Sitz aufrecht zu stellen und schnallt sich dann selbst an. Die Landung ist holprig. Immer wieder Luftlöcher und Absinken des Flugzeuges. Diesmal schäme ich mich nicht nach Josh's Hand zu greifen und sie zu drücken. Zeitgleich presse ich die Augen fest aufeinander und seufze auf, als ich das vertraute Gefühl des aufsetzenden Flugzeuges verspüre. „Wir sind gelandet,“ haucht Josh an meinem Ohr und ich öffne die Augen. „Tut mir leid,“hauche ich und will seine Hand los lassen, als ich merke, wie fest ich sie drücke. „Schon gut. Lass nur.“ Er hält meine Hand fest und dreht sie in eine bequeme Position. Mir ist heiß. Seine Berührung lodert von meiner Hand bis zu meinem Herzen, dass wie ein kleiner Kolibri wild flattert. „Willkommen in Manchester. Wie immer in England regnet es, bei kühlen 7 Grad. Wir hoffen Ihnen hat der Flug gefallen, bitte bleiben Sie noch angeschnallt, bis die Anschnallzeichen erlöschen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Ihr Air America Team.“ Wie üblich erklingt Applaus aus dem hinteren Teil des Flugzeuges. Plötzlich bin ich aufgeregt. Meine Kehle wird trocken und ich versuche aus dem Fenster zu sehen, das mir am nächsten ist. Ich war noch nie in England. Nie in Paris. Nie raus aus Amerika. Ich bin aufgeregt wo wir wohnen, was wir machen, wie Josh und ich auskommen. Dass er immer noch meine Hand hält, ist schon mal ein sehr gutes Zeichen, dass wir gut oder besser miteinander auskommen. Ich erröte bei dem Gedanken daran, was alles passieren könnte.

Kapitel 22

Es herrscht hektisches Treiben, weil es regnet und alle Leute irgendwo hin müssen. Wie es scheint am besten gestern. Josh hat einen Schirm dabei, den er aufspannt, als wir aus dem Flughafen schlendern und dabei immer wieder von vorbei eilenden Passanten angerempelt werden. Ein Mann in einem Anzug hält ein Schild mit der Aufschrift „Dawson“ in der Hand. Er drückt Josh einen Schlüssel in die Hand macht mir dann die Türe auf. Als wir nun alleine in dem Auto sitzen, seufzte ich und schüttle mich vor Kälte, während der Butler die Koffer einräumt. Der Kofferraum schließt sich und Josh fährt los. Durch die Sitzheizung wird mir schnell warm und ich starre fasziniert nach draußen. Trotz des düsteren Wetters und des Regenvorhangs sieht es hier einfach schön aus. Kleine Fachwerkhäuser stehen in einer Reihe nebeneinander. Alle mit gepflegten Vorgärten, kleinen Kirschbäumen und süßen Vogelhäuschen. „Gefällt es dir?“ „Ja, sehr.“ „Wo warst du denn schon überall?“, fragt er, als er in eine noblere Gegend einbiegt. Ich wende mich ihm zu. „In New York und Los Angeles.“ „Oh,“ macht er. „Ja, traurig, wenn man so einen reichen Vater hat, nicht?“ Er zuckte die Achseln. „Wenn man überall war ist die Welt auch langweilig.“ „Du warst schon überall?“ Lächelnd schüttelt er den Kopf und sagt: „Nein, aber ich war schon früh in Paris, London, Berlin, Dubai, Norwegen und Schweden natürlich und in Brasilien. Also du sieht, zwei Kontinente fehlen mir noch. Aber hier,“ Er zeigt durch die Windschutzscheibe. „war ich schon gefühlte Millionen Mal.“ Unwillkürlich denke ich an die vielen Frauen, die er auf seinen Millionen Reisen schon dabei gehabt haben könnte. Wir biegen auf den Parkplatz eines Hotels ein, das aussieht, wie ein Schloss. Castle Rose, steht auf einen Holzschild, dass von Rosen umrankt ist. „Passender Name,“ kommentiere ich. „Wart's ab. Die haben auch einen Folterkeller.“ Entsetzt sehe ich zu ihm, stelle dann aber fest, dass er breit grinst. „War ein Scherz.“ „Tzz,“ mache ich und sehe aus dem Fenster. Es hat aufgehört zu regnen und langsam klart der graue Himmel auf. Ich sehe auf die Uhr. Es ist 09:00 Uhr morgens. Zeitverschiebung und langer Flug. Langsam lenkt Josh den Wagen über den knirschenden Kies und parkt ihn hinter dem kleinen Schloss. Wir steigen aus. Die Luft ist kühl, aber da es noch früh ist, ist es ja kein Wunder. Zwei Pagen in roten Uniformen stürmen auf uns zu, nehmen Josh die Schlüssel ab und versichern ihm, dass sie sich um die Koffer kümmern. „Musst du nicht einchecken?“ Er schüttelt den Kopf. „Man kennt mich hier. Wenn ich in Manchester bin, bin ich immer hier.“ „Aber ich muss doch einchecken.“ „Ich bitte dich,“ antwortet er, sichtlich amüsiert. „Du übernachtest bei mir.“

 


Ich gebe zu. Ich war geschockt und zeitgleich war ich vollkommen aufgeregt und nervös. Kopf, Herz und Bauchgefühl waren wieder einmal im Klinsch. Ich vermeide es ihn anzusehen, während wir in dem kleinen altmodischen Aufzug nach oben fahren. Bis ganz nach oben, um genau zu sein. „Hast du das Turmzimmer gebucht, Rapunzel?“ Mit diesem Scherz versuche ich meine Unsicherheit zu vertuschen. Was mir schlichtweg misslang. „Ist das nicht in Ordnung für dich?“ Seine Miene ist finster, als wir nun den Flur betreten, der besonders prunkvolle Vasen, Bilder und Gestecke enthält. Ich denke nach. Was soll ich ihm nur antworten? Was war denn die Wahrheit? Und ob es für mich okay ist, jubiliert mein Herz, mein Bauch stimmt ihm nickend zu. Aber mein Kopf beharrt auf der Meinung, dass das sowas von kein Abstand sei, wo er Recht hat. Wir biegen nach rechts ab. Dort befindet sich eine Türe. Suite, steht darauf. Josh zieht die Karte durch den vorgesehenen Schlitz, dann stößt er die Türe auf. Ein riesiges Wohnzimmer liegt vor mir. Mit Kamin, Fernseher, Bar und einer kleinen Küche. Mehrere Türen gehen von dem großen Raum ab. Geradeaus ist die Fensterfront, die von Außen durch die Türmchen-Dächer nicht zu sehen ist. Der Blick auf den Garten und den angrenzenden von Nebel verhangenen Wald ist atemberaubend. „Es gibt zwei Schlafzimmer und Badezimmer, von daher dachte ich es sei in Ordnung, wenn wir uns das „Zimmer“ teilen.“ Josh steht hinter mir, als ich mich nun zu ihm herum drehe. Zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, wirkt er für mich deutlich jünger, als 27 Jahre. Er hat die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, seine wüsten Haare fallen ihm in die Stirn und er hat den Blick gesenkt. Beinah, wie ein Schuljunge, der sich schämt. Seine Wunden lassen ihn zwar verhärmt und verwegen aussehen. Aber seine Haltung ist die eines Teenagers. „Ach was, Josh. Alles in Ordnung. Ich war nur,“ beginne ich, weiß aber nicht mehr, was ich dann sagen soll und lasse meine Hände wieder sinken, die ich zum gestikulieren erhoben hatte. „Du wolltest nur nicht mit mir in einem Bett schlafen, das war mir schon klar.“ Seine Miene ist hart geworden, oder? Höre ich da Wut oder Enttäuschung in seiner Stimme? Jedenfalls begibt er sich zur Bar und gießt sich eine bräunliche Flüssigkeit ein. Zunichte ist der Augenblick des Teenagers Josh. „Du kannst die rechten Räume benutzen. Das Bad ist größer und luxuriöser. Wenn dann will ich dir ja was bieten, wenn du schon mit mir reisen musst.“ Das letzte Wort speit er förmlich hervor. Ich seufze, gehe aber wortlos in die angedeuteten Räume. Was sollte ich darauf auch antworten? Meine Laune sinkt schlagartig, beinah so, als wären mein Herz und mein Bauch eingeschnappt. Ich werfe mich auf das Wasserbett. Komisches Gefühl. Ob ich darin schlafen kann? Eilig erkunde ich das restliche Zimmer. Eigener Fernseher, DVD-Player, eigene kleine, gut gefüllte Minibar, ein großer Schrank, Bademantel und Schuhe, ja sogar ein kleiner Luftbefeuchter steht in der Ecke. Das Bad ist nicht groß. Es ist riesig! Mitten im Raum ist ein Wanne eingelassen, die eindeutig Sprudeldüsen enthält. Links von mir ist eine Regendusche, die so groß ist, dass sie die Hälfe meines Schlafzimmers in Beschlag nehmen würde. Zwei Waschbecken unter einem riesigen Spiegel finde ich zu meiner rechten und eine Toilette. „Wow,“ entfährt es mir und meine Stimme hallt von den Fliesen an den Wänden wider. Eilig putze ich mir die Zähne, springe unter die Dusche, weil ich vor Neugierde einfach nicht anders kann, dann hülle ich mich in den Bademantel, schlüpfe in die weichen Frottee-Schuhe und schminke mich. Meine Haare föhne ich mit dem stylischen Ionen-Haartrockner und kämme sie durch. So seidig waren sie noch nie. Ich verlasse das Bad durch die Türe und erstarre. Josh sitzt an dem Tisch im Wohnbereich. „Mist,“ hauche ich. Falsche Türe. Er sieht von der Zeitung auf, einen Kaffee in der Hand. Er war duschen. Das rieche ich. Denn es riecht nach seinem After Shave und seine Haare sind noch feucht, was ein weiteres Indiz ist. Er prostet mir mit dem Kaffee zu, bevor er sagt: „Duschen ist nach so einem langen Flug was tolles, oder?“ Sein Blick gleitet über mich und wieder zurück in mein Gesicht. „Ich habe vor mit dir ein zweites Frühstück zu machen. In einem kleinen Restaurant in der Innenstadt. Danach zeige ich dir etwas von Manchester, wenn du magst. Den Ankunftstag hab ich immer terminfrei.“ „Wegen des Jetlags?“ Er nickt. „Du wirst sehen, er schlägt unvermittelt zu. Bist du einverstanden?“ „Natürlich. Ich ziehe mich schnell an.“

Kapitel 23

Irgendwie ist die Stimmung zwischen uns etwas unterkühlt, als wir uns nach dem Frühstück durch den englischen Verkehr schlängeln. Josh parkt die große Limousine sicher ein und steigt aus. Er hat beim Frühstück Zeitung gelesen, mich also völlig ignoriert. Ich habe währenddessen den Mädels geschrieben, dass ich gut angekommen sei, es aber irgendwie aus der Bahn läuft. „Mhm,“ macht Josh gerade, „wo willst du anfangen?“ Er hat eine Hand in seinem Haar versenkt, die andere in der Tasche seiner grauen Jacke. Einem Impuls folgend mache ich ein Foto mit meinem Smartphone von ihm. Es klickt und er sieht mich verwundert an. „Hast du gerade ein Foto von mit gemacht?“ Ich nicke eifrig. „Damit du genötigt wirst mal zu lächeln. Du hast furchtbare Laune.“ Ich weiß, dass ich mich auf dünnes Eis wage, das jeden Moment zusammenbrechen kann. Aber ich spreche weiter. „Du weißt doch hoffentlich, dass ich dich mag? Nicht nur, weil du mein Boss bist, sondern auch so.“ Ich erröte, Herr Gott, warum jetzt? Nun lächelt er. „Ist das so? Wie sehr magst du mich denn?“ Er kommt näher und ich umklammere mein Handy. „Ähm,“ stottere ich. „Sehr. Du bist,“ beginne ich mit leiser Stimme. „umwerfend, nett, höflich, zuvorkommend...“ „Reich, habe eine Wohnung, mehrere Autos, eine Firma. Du sollst mir nicht aufzählen, was ich weiß. Mich nicht bauchpinseln. Wie sehr, Emily? Sehr ist ziemlich vage.“ Ich schlucke. Was soll ich tun? Einfach frei raus. „Ich weiß es nicht. Du bist mir sehr, sehr wichtig. Du bist der einzige Mensch, der mir innerhalb kürzester Zeit ans Herz gewachsen ist. Ich habe bisher nur einen Mann geliebt. Ich bin jung, unerfahren. Aber ich spüre, dass du mich um den Verstand bringen kannst. Mein Herz pocht, wie wild, mein Bauch jubiliert. Mein Kopf aber warnt mich, dass du mein Chef bist, ich dich gar nicht kenne, du im Grunde ein Serienkiller sein könntest, mit dem ich mutterseelenallein in Manchester bin. Aber die Vorstellung ein Zimmer mit dir zu teilen, oder gar ein Bett...Mein Verstand hat völlig ausgesetzt. Also Josh, ich habe keine Ahnung, aber ich mag dich sehr. Ich vertraue dir blind. Und ich glaube,“ beginne ich, sehe ihn aber nicht dabei an, sondern starre auf ein Kaugummi, dass auf dem Gehweg vor mir klebt. „dass ich mein Herz schon ein Stück weit an dich verloren habe. Aber, ich habe Angst. Angst vor so vielem.“ Ich wage es nicht ihn anzusehen. War das wirklich klug? Es war die Wahrheit. Ich wusste nicht, wie viel Gefühl ich für ihn hegte. Aber er war mir wichtig. Wichtiger, als manch ein anderer Mensch. „Wow,“ haucht er heiser. „Mit so viel Aufrichtigkeit habe ich nicht gerechnet.“ Er nimmt meine Hand und zieht mich vorwärts. Was er wohl denkt? Er lenkt mich durch die immer voller werdenden Straßen, weiter weg von den zahlreichen Boutiquen, hin zu einem Brunnen, in einem Park. Dabei erklärt er mir, wie der perfekte Fremdenführer, was zu sehen ist. So geht es weiter, ohne, dass er noch weiter auf das Thema eingeht. Meine Füße schmerzen und es hat wieder zu regnen begonnen. Außerdem knurrt mein Magen so laut, dass ich es nicht fassen kann, dass er es nicht hört. „Puh,“ macht er und reibt sich über die Stirn. „Lust was zu Essen?“ „Ja, ich sterbe vor Hunger.“ „Wieso sagst du denn nichts,“ stößt er tadelnd hervor. Ich zucke die Achseln. Wie selbstverständlich greift er wieder nach meiner Hand. „Weißt du,“ beginnt er, als wir langsam wieder in Richtung Menschenmassen schlendern. Es ist Nachmittag, viele Leute tummeln sich nun hier. „Ich habe mir so etwas gedacht, dass du doch mehr für mich hegst, als du so eifersüchtig erschienst und schockiert warst von meiner Liaison mit Cheyenne. Und nun, ja ich mag dich auch sehr gerne. Bin aber immer vorsichtig im Leben, wem ich vertraue und mit wem ich mich abgebe. Aus vorliegenden Gründen. Nur bei dir hatte ich ein gutes Gefühl, als würde es sich lohnen dir zu vertrauen. Und ich setze mein Vertrauen in dich. Du bist meine Assistentin. Du warst bei mir zu Hause, auf der Party meines Vaters. Ich hatte einfach von Anfang an ein gutes Gefühl bei dir. Aber manchmal, manchmal weiß ich nicht woran ich bei dir bin. Ich bin nicht einfach und ich kann mich nicht gut auf jemanden einlassen. Du bist mir wirklich viel wert, aber ich kann so aus dem Stehgreif nicht sagen, ob ich, nun ja, verliebt bin. Ich brauche da etwas für, um es zu verstehen. Aber so viel sei dir gesagt, du bist mir sehr sehr wichtig. Wichtiger, als ich mir selbst bin.“ Okay, dachte ich. Aber er war nicht verknallt, so wie ich. Doch trotzdem war ich nicht enttäuscht. Ich schätzte ihn nicht sehr gefühlsduselig ein. Eher als Kopfmensch. Und, dass er mir dann sein Vertrauen schenkte und ich ihm wichtiger war, als er selbst, das machte mich glücklich und bedeutete mir unendlich viel. „Das bedeutet mir sehr, sehr viel,“ sagte ich leise.


Im Restaurant fragte er mich über meine Hobbies aus. Er lachte sich halb schlapp, als ich ihm von meinem Hobby-Versuch des Nähens erzählte. Und doch letztendlich über das Monster Nähmaschine mit blutigen Fingern gesiegt hatte. Er erzählte mir, dass er bei jeder Geburt seiner Halbgeschwister vor dem Kreißsaal dabei war, weil seine Mutter der wichtigste Mensch für ihn war. „Man sieht dir übrigens an, dass du schwedische Wurzeln hast,“ sagte ich nachdem ich ein Paar der köstlichen Pommes aus diesem absolut genialen Burger Restaurant hinuntergeschluckt hatte. „Achja?“ Er zog seine Augenbrauen nach oben. Das düstere Licht im Restaurant ließ seine Wunden wieder düsterer und schmerzhafter erscheinen. „Ja, wegen deiner hellen blonden Haare und diesen wahnsinnigen, hellen Augen. Und ich meine du sprichst nicht wie ein typischer Amerikaner.“ „Wahnsinnig, so so,“ haucht Josh und lacht heiser. Das Essen war köstlich und Josh hatte Recht. Der Jetlag schlägt schnell zu. Gähnend schlendern wir durch einige Boutiquen. Hier und da bleibe ich stehen, kaufe aber nichts. „Willst du irgendwas haben?“ Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich bin zu müde, um etwas anzuprobieren.“ Er lacht. „Ja, morgen werden wir auch noch ein freies Fenster finden. Außerdem ist die Mode in Paris schöner.“ Er nimmt wieder meine Hand. „Lass uns zurück gehen.“ Es ist später Nachmittag und wird langsam dunkel. Im Hotel nehmen wir noch ein leichtes Abendessen zu uns, mit einem Glas Wein, bevor wir auf unser Zimmer verschwinden. Die Müdigkeit, die ich nach dem Burger verspürt habe, ist nach dem Betreten des Zimmers wie weggeblasen. „Morgen musst du einige Meetings überstehen und ich mache einen Besuch alleine, währenddessen kannst du dich etwas alleine auf Erkundungstour machen. Aber Abends sind wir zu einem Musical eingeladen. Eine Premiere. Ein Geschäftspartner, der es sich nicht nehmen lässt, auf die Kacke zu hauen. Schicke Garderobe ist ein Muss.“ „Aber ich habe kein Kleid dabei!“ Er lächelt. „Was hast du getan, Josh?“ Er führt mich in mein Zimmer. Drei weiße Kleidersäcke hängen im Schrank. „Such dir eins aus. Von mir aus auch zwei. Die anderen geben wir zurück.“ Ich starre ihn entgeistert an. „Mach sie schon auf.“ „Manchmal kommst du mir so vor, als würdest du alles planen. Meine Reaktionen, meine Gefühle, meine Entscheidungen.“ „Wer weiß,“ sagt er und lächelt. Die Kleider sind atemberaubend. Ich probiere sie an und führe sie Josh vor. Ich behalte ein bodenlanges, kobaltblaues und ein knielanges rotes. „Ich wusste du würdest die beiden nehmen.“ Er sieht mich durchdringend an, seine Augen funkeln. „Gut, dann lass ich dich in Ruhe. Schlaf gut.“ „Ich will noch gar nicht schlafen,“ murmle ich. „Aber ich dachte du wärst müde?“ „War ich auch. Aber nach dem Wein nicht mehr.“ Und seid wir wieder hier im Zimmer sind, füge ich in Gedanken hinzu. „Mhm,“ macht er. „Ich habe gesehen, dass man hier das Internet nutzen kann und du kannst doch über Internet deine Serien gucken. Sollen wir nicht noch eine Folge deiner Serie schauen?“ „The Walking Dead?“ Er lächelt mich an und ich weiß, dass ich gewonnen habe. „Ja, gerne. Hast du dein Laptop hier?“ Und so kommt es, dass wir etwa eine halbe Stunde später auf meinem Wasserbett liegen und noch eine Folge der Zombieserie schauen. Zuerst liegen wir in einigem Abstand nebeneinander. Dann, zugegeben, als ich mich erschrecke, schiebt Josh seine Hand auf meine und streichelt diese sanft. Ich nehme all meinen Mut zusammen und rutsche näher zu ihm, so dass noch die Fernbedienung des Fernsehers zwischen uns passt und beginne behutsam mit meiner anderen Hand über seinen Arm zu streichen, der bedauerlicherweise von einem Longsleeve bedeckt ist. Er zieht seinen Arm nicht weg, und schiebt meine Hand nicht weg, also ein kleiner Triumph. „Emily,“ reißt mich seine Stimme aus meinen Gedanken. „Ich weiß nicht, ob ich gut genug für dich sein könnte. Ich habe Angst dich zu enttäuschen.“ „Mein Ex-Freund hat mich auch enttäuscht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du es tun wirst.“ Und doch habe ich ein kleines ungutes Gefühl in meinem Innern, was von einem Meer von Schmetterlingen überlagert wird, als Josh mich näher an sich zieht und seinen Arm um mich legt. 

Kapitel 24

Irgendwo klingelt ein Handy. Mir ist warm und übel, von dem wackeligen Wasserbett. Blinzelnd öffne ich die Augen und realisiere, dass mein Kissen atmet und ein Longsleeve trägt. Tastend suche ich mein Handy. „Ja?“, flüstere ich, ohne auf das Display zu sehen. „Bist du schon mit ihm im Bett gelandet?“ Jede Wette, dass Hailey nicht alleine am Telefon war. „Ja, bin ich,in der Tat,“ murmle ich. „WAAAAAAAS?“, schreit es vierstimmig aus meinem Telefon, so laut, dass Josh sich rührt. „Leise, bitte seid leise.“ Eilig stehe ich auf, schaue den schlafenden Josh an und eile ins Bad. „Nicht das, was ihr gleich wieder denkt. Wir sind nur zusammen in einem Bett eingeschlafen, beim fernsehen.“ Mein Gesicht glüht, vor Glück. Josh und ich haben die ganze Nacht gemeinsam in einem Bett gelegen, dicht an dicht. Auch wenn ich nun Nackenschmerzen habe und total zerknittert aussehe, da meine Schminke mir über das ganze Gesicht gelaufen ist, fühle ich mich toll. „Uh lala. Und ist was gelaufen?“ „Cat,“ zischt Ava. „Was denn? Wenn ihr Einzelheiten zu meinem Sexleben mit Lucas wollt, dann bekommt ihr die.“ „Bah,“ macht Lisa. „Nein, also, wir haben nur eng nebeneinander gelegen und er hat meine Hand gestreichelt.“ „Hand nennt man das heutzutage, so so.“ „Mensch, Cat. Wir reden hier von Em, sie ist anständig, nicht so ein Flittchen, wie du.“ Und schon beginnen die typischen, zickigen Diskussionen. „Leute, ich muss euch abwürgen,“ sage ich schnell beim Blick auf die Uhr. „Wir müssen gleich bei einem Meeting sein.“ „Aber,“ beginnen die Mädels zu protestieren, doch ich lege auf. Eilig wasche ich mich, frisiere meine Haare, langer geflochtener Bauernzopf und schminke mich neu. Schnell stürme ich aus dem Bad. Josh schläft noch immer. Sein Brustkorb hebt und senkt sich regelmäßig. Vorsichtig setze ich mich neben ihn und untersuche leicht sein Feilschen und seine Wunden. Sieht alles ganz gut aus. Sein Longsleeve ist ein kleines Stück hoch gerutscht. Er hat keinen so durchtrainierten Bauch, wie Liam, aber er ist nicht dick. Mir persönlich gefällt der Gedanke eines normal geformten Körpers, denn das bedeutet, dass er nicht alles für den Sport tat, sondern im Idealfall für mich. Wieder nehme ich all meinen Mut zusammen, rücke noch näher und atme tief seinen Duft ein, hauche dann einen Kuss auf seine Wange und murmle: „Aufstehen, Chef, wir müssen gleich los.“ Er rührt sich langsam und seine Hand findet meinen Hinterkopf. „Böses Mädchen,“ haucht er. „Mich einfach so anzustarren, während ich schlafe.“ „Du Fiesling,“ fauche ich. Er ist hellwach und hat nur so getan, als schliefe er. „Ich bin wach, seit du dich das erste Mal bewegt hat, um dein Handy zu suchen.“ Ich schlage ihn mit dem Kissen. „Hey, ich bin unschuldig. Das war es doch wert, oder?“ Fauchend stütze ich mich auf ihn, doch ich soll seine Kraft kennen lernen, die unbemerkt in ihm schlummert. Er wirft mich in null-Komma-nichts auf den Rücken und begräbt mich unter sich. „Vorsicht, kleine Wildkatze.“ Meine Wangen färben sich sofort rot, woraufhin sich seine Augen weiten. „Sorry, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“ Sofort lässt er mich los. Keuchend bleibe ich einen Moment liegen und setze mich dann auf. „Du hast nichts falsch gemacht. Es ist nur so, ich kenne das nicht. Herumalbern.“ Er lächelt und streicht mir eine Strähne hinters Ohr. „Zieh dich um,“ haucht er, drückt einen Kuss auf mein Haar und verschwindet aus meinem Zimmer. Verwirrung ist kein Ausdruck für das, was gerade in mir vorgeht. Wahnsinn, alles fühlt sich wahnsinnig an. Eilig schlüpfe ich in einen schwarzen, hautengen Bleistiftrock, eine hellblaue Bluse und einen schwarzen Blazer. Ich bemerke, dass meine Kontaktlinsen nicht begeistert davon waren, dass ich sie zum schlafen drin gelassen habe, also nehme ich sie kurzerhand genervt hinaus, reinige sie peinlichst genau und setze mir meine große, schwarze, absolut nerdige RayBan auf. Beim Blick in den Spiegel stelle ich fest, dass die Bluse sehr eng am Ausschnitt sitzt und ziehe sie noch etwas aus dem Rock hinaus. Ansonsten sehe ich aus, wie eine waschechte Sekretärin, entweder in echt oder aus einem Porno. Ich schnappe mir mein Laptop, dessen Akku in der Nacht den Geist aufgegeben hat und meine Handtasche, mit all meinen Sachen und verlasse mein Schlafzimmer. Josh kommt gerade aus seinem Zimmer und schließt das weiße Hemd, dass er trägt. Er schaut auf und bleibt abrupt stehen. „Du trägst Brille?“ Ich nicke, bevor ich mich auf das Sofa setze, um meine schwarzen Pumps anzuziehen. „Eigentlich Kontaktlinsen, aber die habe ich bis heute Abend mal in ihre Lösung verbannt, da sie nicht davon begeistert waren auf meinem Auge zu bleiben, während ich schlafe.“ Ich erhebe mich und streiche mein Kostüm glatt. „Wieso? Sieht es so schlimm aus?“ Er sieht mich an, sein Jackett in der Hand. Er lässt es sinken, kommt auf mich zu und bleibt vor mir stehen. „Nein, du siehst sexy aus. Wie eine waschechte Sekretärin.“ Schnell haucht er einen Kuss auf meine Wange, bevor er zu einer Aktentasche und den Autoschlüsseln greift. „Sexy?“ Er lacht. „Ja, das habe ich gesagt.“ Er hält mir die Türe auf. Ich beeile mich mit ihm Schritt zu halten. „Ich verspreche dir ein riesiges Mittagessen, denn frühstücken schaffen wir ganz sicher nicht mehr.“ „Ist mir egal,“ sage ich und denke im stillen für mich: „So viele Schmetterlinge, wie in meinem Bauch gerade fliegen, kann ich wahrscheinlich eh nichts essen.“


Ich tippe während des Meetings die ganze Zeit so viel mit, wie ich kann und habe zusätzlich noch mein Diktiergerät laufen. Die Diskussionen sind hitzig und der englische Akzent der Redner, die auf Josh einreden, nerven mich bereits nach zwanzig Minuten. Beginn des Meetings war um halb zehn. Wir haben nun halb drei. Mein Magen hängt mir in den Kniekehlen. Mit Wasser versuche ich ihn vom Knurren abzubringen. Zwei Kekse konnte ich ergattern, dann waren alle weg und es wurden keine nachgelegt. Es geht um ein EDV-System, welches unsere Firma dieser Firma programmiert hat und angeblich nicht funktioniert. Josh ist ruhig und souverän, aber auch er wird von Stunde zu Stunde blasser und redet immer weniger. Gegen halb vier hat der Kunde endlich genug gesehen und ist weitestgehend zufriedengestellt. Wir verlassen die Firma, wobei mir bewusst ist, wie sehr ich zittere und wie mich die Angestellten des Kunden anstarren. Sie tuscheln, grinsen anzüglich, einer zwinkert mir im Vorbeigehen zu. Als wir durch das Foyer gehen, hält uns ein älter Mann auf. „Joshua, wo ist denn dein Vater?“ „Maxwell, hallo, ich hab Sie schon vermisst bei dem Meeting. Mein Vater zieht sich aus der Firma zurück.“ „Geht es Adam nicht gut? Habe schon lange nichts mehr von ihm gehört.“ Für diesen Mann bin ich Luft, eine Alternative, für die ich dankbar bin. Ich spüre die Blicke der Feierabend machenden Männer, die über meinen Körper wandern, wie heiße Dolche auf meiner Haut. „Nein,“ höre ich Josh sagen. „Krank ist er nicht. Außer sie meinen einen gewissen Hang zum Verlieben in jüngere Frauen, dem scheint er sich nämlich nun voll und ganz widmen zu wollen.“ Der Mann lacht schallend. „Deinen Humor habe ich schon immer gemocht. Bist du heute Abend bei der Premiere?“ Josh nickt. „Wunderbar, vielleicht können wir uns ja ein Abteil teilen. Ansonsten hätte ich dich jetzt noch auf ein Gespräch gebeten, aber du siehst aus, als könntest du etwas zu Essen vertragen. Wie lang haben meine Lakaien dich gefoltert?“ Ich kann Josh's Stimme nicht mehr hören. Mir wird schwummrig und ich spüre, dass ich mich unwillkürlich bewege, hinaus aus dem Foyer, hin zu unserem Mietwagen. Ich taste nach dem Türgriff und betätige ihn. Wie von Zauberhand geht sie auf. Dann erinnere ich mich nur noch an Josh's Stimme. „Herr Gott, Emily!“ Er ist wütend. Was habe ich getan? Ich frage ihn das sogleich und merke selbst, wie dünn meine Stimme ist. Dann wird mir schlagartig klar, dass ich mit dem Kopf auf dem Armaturenbrett liege. Mein ganzer Körper kribbelt und in meinem Kopf lichtet sich langsam ein finsterer Nebel. „Du bist einfach aus dem Foyer gewankt und auf den Wagen zu gegangen. Ich hab dir die Türe geöffnet. Ich dachte du wolltest weg von den Blicken, dieser Würmer, aber stattdessen hast du die Türe geschlossen und das Bewusstsein verloren. Ich bin so schnell nachgekommen, wie ich konnte, da lagst du schon mit starrem Blick mit dem Kopf auf dem Armaturenbrett. Tut dir irgendwas weh? Wieso sagst du nichts?“ „Es, es tut mir Leid. Ich hätte nicht gedacht, dass das passiert. Ich habe nur Hunger, das ist alles. Meine Stirn tut ein bisschen weh und ich habe Bauch- und Kopfschmerzen. Josh, es tut mir Leid. Aber wenn ich was gegessen habe, dann geht’s mir gut.“ „Diese Widerlinge. Am liebsten würde ich mich in ihren Server hacken und einen Virus aufspielen, aber dann würde ich Maxwell schaden und der kann nun wirklich nichts dafür.“ Josh fährt rasant los. „Worauf hast du Hunger?“ Seine Stimme ist leise, nahe an einem Bellen. „Keine Ahnung, irgendwas.“ „Drifte mir nicht wieder weg, hörst du? Ich hatte fast einen Herzinfarkt.“ „Tut mir Leid.“ Ich schäme mich. Der Wagen wird von ihm schnell durch die Straßen gelenkt, hin zu einem großen Restaurant, über dem eine Lasagne abgebildet ist. „Sind Nudeln oder Pizza okay? Das ist das einzige Restaurant, was ich hier in der Nähe kenne und McDonalds will ich dir nicht zumuten.“ „Pizza ist perfekt.“ Als ich aussteigen will, nachdem er eingeparkt hat, faucht er: „Bleib bloß sitzen.“ Er ist blass, was sein langsam verheilendes Feilschen wieder düsterer erscheinen lässt. Ich öffne die Türe und schwinge meine Beine aus dem Auto. Bei mir dreht sich immer noch alles. Josh kommt und zieht mich an beiden Händen auf die Füße. „Du siehst schrecklich aus.“ „Danke, sehr charmant, Boss. Aber das kann ich nur zurück geben.“ Ich freue mich ehrlich über das kleine Lächeln, dass über sein Gesicht huscht. Er schlägt die Türe hinter mir zu und packt mich fest mit dem Arm um meine Mitte. So nah war ich ihm noch nie und würde er mich nicht halten, wäre ich, glaube ich, wieder zu Boden gegangen. 

Kapitel 25

Die Pizza ist gut, aber nicht so lecker wie die in Amerika. Aber sie ist riesig. Vorab gab es noch Brötchen mit einer Kräuterbutter und das war schon herrlich. Völlig gesättigt sitze ich Josh gegenüber, der immer noch die Reste meiner Pizza nach seinem Nudelauflauf isst. „Okay, du hattest deutlich mehr Hunger, als ich.“ „Quatsch, du bist ja auch zierlicher als ich. Ich würde mir Sorgen um deine Figur machen, wenn du das gleiche verdrücken würdest, wie ich.“ Ich muss lachen. „So gefällst du mir viel besser,“ sagt Josh mit rauer Stimme. „Aber leider,“ seufzt er. „muss ich dich jetzt zurück ins Hotel fahren. Weil ich, wie du weißt noch zwei Termine habe. Mach dich in Ruhe fertig. Ich schaffe es pünktlich zurück.“ Ich weiß, es steht mir nicht zu, aber ich bin geknickt, dass ich ihn bis heute Abend nicht mehr sehen werde. Er setzt mich ab und ich winke ihm zum Abschied. Ich beschließe mich einfach ins Bett zu legen, ein wenig zu lesen und Fern zu sehen, statt durch die Stadt zu laufen, das ist mir einfach zu riskant. Nicht, dass ich nochmal umkippe und diesmal ist Josh nicht in der Nähe, um mich zu retten. Im Zimmer schalte ich mein Smartphone wieder ein. Seufzend scrolle ich Nachrichten und Anruflisten durch. Mein Bruder hat 10 Mal versucht mich anzurufen. Aber, netterweise, hat er mir auch geschrieben. Er will wissen, wieso zum Teufel er von meinen Freundinnen erfährt, dass ich mit Joshua Dawson in Manchester bin und dann in Paris. Mit einem Typen, ganz alleine, den ich kaum kenne. Ich ignoriere ihn geflissentlich und wähle Lisa's Nummer. „Hallo Schönheit,“ sagt Lisa und ich kann die anderen im Hintergrund hören. „Seit ihr im Diner?“ „Jawohl. Dein Bruder hält den anderen gerade eine Standpauke, wie sie das zulassen konnten.“ Ich seufze. „Oh je, was ist los, Süße?“ Ich höre kratzende Geräusche in der Leitung und die anderen sind dazu geschaltet. „Mein Bruder weg?“ „Ja, zieht mit Lucas um die Häuser. Er hat versprochen auf ihn aufzupassen,“ fügt Catherine hinzu, als sie mein Protest-Atmen hört. Ich erzählte ihnen alles in Kurzfassung, was in der Nacht passiert war und wie Josh aussah. „Das ist ja nicht zu fassen, das schreibe ich Lucas auf jeden Fall noch.“ „Hailey,“ sage ich. „Ja?“ „Ich stelle gleich zwei Fotos in die Gruppe. Sag mir, wie ich was, zu welchem Kleid trage, Haare, Make-Up, Schuhe.“ „Zu der Musical-Premiere?“ „Ja, genau.“ „Aber ich muss sehen, wie du sie trägst.“ „Ich weiß. Melde mich gleich.“ Gesagt, getan. Ich schlüpfe also wieder in die Kleider mache jeweils ein Foto und stelle es in die Gruppe und rufe wieder an. „Wow, nimm das blaue. Du weißt, wir alle lieben rot, aber du sieht in dem blauen so schon aus, wie eine Prinzessin.“ „Da gebe ich Cat Recht,“ fügt Hailey hinzu. „Große Locken, eine Seite weg geflochten, blaue Smokey-Eyes, aber dunkel und dann zieh deine hohen schwarzen Pumps an. Da kannst du gut drauf laufen und die sieht man unter dem Kleid eh nicht.“ „Schnapp ihn dir. Das würde so toll werden. Doppeldates.“ „Lass sie in Ruhe.“ „Genau, sie soll sich verlieben. Und er soll gut zu ihr sein. Sie verdienen. Nicht wie Liam. Sie soll nicht auf seinen Kontostand achten oder darauf wie schön er ist.“ „Ich pass schon auf. Ich hab euch lieb, Mädels.“ „Genieße den Abend, das ist die Hauptsache.“


Um Punkt halb sieben höre ich die Türe des Zimmers auf und wieder zu gehen. „Emily?“ „Ja, in meinem Bad,“ rufe ich und werfe gerade den letzten prüfenden Blick auf mein Make-Up und meine Haare. Josh kommt herein. Seine Augen weiten sich kurz. Verlegen schaue ich auf mein bodenlanges Kleid. „Du siehst atemberaubend aus. Ich zieh mich schnell um, dann können wir los.“ Er eilt hinaus. „Essen gibt es da,“ höre ich ihn laut rufen. Gut 15 Minuten später steht Josh vor mir. Das Haar leicht feucht und zerzaust. Er bindet sich gerade eine Krawatte um, in dem gleichen spiegelnden blau, das mein Kleid hat. Sein Hemd ist diesmal weiß. „Du siehst auch toll aus,“ hauche ich. „Ich hab hier noch was für dich,“ sagt er lächelnd. Ich nehme den Karton entgegen. Darin ist eine Kamera, mit verschiedenen Objektiven und einer Tasche. „Wofür ist die?“ „Ich erkläre dir jetzt nicht, was eine Spiegelreflex-Kamera ist, aber die ist für dich. Damit kannst du noch mehr schöne Fotos machen, für deinen Fotowand in der Wohnung. Besonders Paris lohnt sich da.“ Ich lächle und bin gerührt. „Ich nehme das Geschenk an, aber nur, wenn ich ein Foto von dir vor dem Eifelturm machen darf, auf dem du 1. keinen Anzug trägst, 2. deine Haare so wuschelig sind, wie jetzt und 3. du lächelst.“ „Wenn du vor mir stehst und mich anlächelst, sollte mein Lächeln kein Problem sein.“ Mir wird unvorstellbar warm. Er nimmt meine Hand und führt mich zur Türe hinaus.


Auf dem Manchester Broadway herrscht heiteres Treiben, doch Josh darf, wie immer, wie ein VIP direkt davor anhalten und mir wird die Türe geöffnet, so wie ihm der Schlüssel abgenommen. Ich hake mich bei ihm ein. „Locken stehen dir übrigens gut, lassen dich wilder erscheinen.“ Ich werde rot. „Du bist unmöglich.“ „Erzähl mir was neues. Da vorne ist Maxwell.“ „Joshua, war der Verkehr so schlimm oder haben dich andere Kunde noch länger aufgehalten?“ „Beides.“ „Ich habe es übernommen uns eine Loge zu reservieren mit Mr. Andrews und seinem Anhang, hoffe das ist dir Recht?“ „Ja, sicher. Wird das Essen serviert?“ „Natürlich. Joshua, du erinnerst dich sicher noch an Rita, meine Frau und Evelyn meine Tochter?“ „Tue ich. Guten Abend, die Damen.“ „Ach, du bist aber erwachsen geworden,“ haucht Rita und lächelt mit ihren roten Lippen breit. Evelyn macht mir mehr Sorgen. Sie verschlingt Josh förmlich und auch er sieht sie an. „Eve ist ja auch sehr groß geworden.“ Eve? Mein Herz setzt aus. Meinen Namen kürzt er nie. Eve ist groß, schlank, aber nicht dürr, so wie Lucas' Schwester. Sie hat Rundungen, an genau den richtigen Stellen. Ihre hellen grünen Augen leuchten fröhlich, als Josh sie nun mit ihrem Kosenamen anspricht. „Als ich dich das letzte mal gesehen habe,“ sagt sie mit lasziv-träger Stimme. „hattest du noch diese furchtbaren langen Haare. Aber jetzt siehst du ja echt zum Anbeißen aus.“ Ihr rotes Kleid harmoniert perfekt mit ihrem Wasserstoffblonden Haaren. Ihre Wimpern sind so lang, dass ich das Gefühl habe, wenn sie nochmals so heftig blinzelt, würde ich weg geweht werden. Ich fühle mich plötzlich wie ein dicker Pottwal, in meinem blauen Kleid. So als würde das Meer mich verschlingen und ich niemals satt werden von all den Sardinen und Krebstieren. „Wer ist denn deine reizende Begleitung,“ reißt mich die Frage von Rita aus meinen Gedanken. „Das,“ sagt Josh und stellt sich hinter mich, um mich vor sich zu schieben und seine Hände auf meine Schultern zu legen. „ist meine Freundin Emily Pierce. Sie ist zeitgleich auch meine Assistentin.“ Seine Freundin? War ich nicht vorgestern noch EINE Freundin? Ich will es nicht beschwören. „Ach ja, jetzt wo du es sagt. Sie war heute Nachmittag sehr bleich, als sie die Flucht vor uns ergriff.“ „Es tut mir Leid, ich wollte nicht unhöflich sein, aber es ging mir nicht sonderlich gut.“ „Ach was, Kind. Das hat man gesehen. Deine Hautfarbe ist nun viel gesunder.“ Eine laute Stimme hallt plötzlich durch den Raum und ich zucke zusammen. „Guten Abend, Ladies und Gentleman. Willkommen, willkommen. Schön, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid. Ich freue mich euch bei der Premiere von das Dschungelbuch, das Musical begrüßen zu dürfen. Bitte nehmt alle eure Logenplätze ein. Essen und Getränke werden nach Wunsch sofort serviert. Viel Spaß bei der Show.“ Tosender Applaus brandet durch den Saal. „Andrews weiß einfach, wie man einen Saal fesselt. Elender Angeber.“ „Maxwell,“ tadelt ihn Rita. „Folgt mir, wir haben eine Loge ganz vorne.“
Die sogenannte Loge ist beinah doppelt so groß, wie Josh's Büro. Darin wartet bereits der grau-melierte Mann, der die Rede gehalten hatte, eine Brünette und zwei junge Mädchen etwa um die sechzehn herum. Beide sind blond und haben dunkle Augen. „Maxwell,“ begrüßt Mr. Andrews den Mann vor uns. Und danach seine Familie. Dann richtet sich sein Blick auf Josh, der schräg lächelt. „Joshua Elijah Dawson,“ ruft der Mann und umarmt Josh so heftig, dass seine Hand aus meiner gerissen wird. Scheinbar mühelos hebt er ihn an und Josh lacht heiser, er solle ihn runter lassen, bevor er ihn zerquetscht. „Mädchen, Rose, erinnert ihr euch noch an den kleinen Joshy? Das ist er.“ „Joshy,“ kreischt eines der Mädchen, sie scheint älter zu sein, schließe ich anhand ihrer Kleidung, als die andere. „Du hast mir das Gitarre spielen beigebracht. Deshalb bin ich Mitglied bei einer Band.“ Sie umarmt ihn ebenfalls. „Das ist Gina, die Ältere, falls du dich erinnerst und das ist Laura, die jüngere.“ „Hallo Joshy, du bist damals mit mir mit dem Hund gegangen, oder?“ „Ja, genau, das war ich.“ Auch sie herzt ihn. Nun wendet sich Josh mir zu. „Marc, das ist Emily Pierce. Meine Freundin und weltbeste Assistentin.“ „Ach, wunderbar. Sieh nur, Rose, so ein hübsches Ding.“ Rose lächelt nur von ihrem Platz aus und winkt. „Komm, wir setzten uns.“ Erst jetzt, wo wir näher kommen sehe ich, dass Rose im Rollstuhl sitzt. Ich sitze neben Laura und Josh. Auf Josh's andere Seite sitzt, sehr zu meinem Missfallen, Eve. Ich trage die Unterwäsche, die Lisa mit gekauft hat und trotzdem, würde ich nun in Unterwäsche hier stehen, würde ich mich nicht annähernd so sexy fühlen, wie Eve es für mich wahr. An jedem Platz lag eine kleine Karte, von derer man Essen und Getränke bestellen sollte. Keine dieser Gerichte hatte ich jemals gegessen und es klang auch nicht so, als würde ich es mögen. Von Hummer, Garnelen, Lachstatar bis hin zu Beluga Kaviar gab es hier alles was den feinen Herrschaften schmeckte. Ich schloss die Augen und ließ die Karte sinken. „Stimmt was nicht, Emily?“ Ein Stich. Ich war Emily. Evelyn war Eve. So hänge ich abwesend meinen Gedanken nach, ohne mich an den Gesprächen zu beteiligen, geschweige denn etwas davon zu verstehen, was gesprochen wird. Josh hat mir einen Salat bestellt, mit Bruscetta, weil die Kinder das auch bekommen und seitdem fühle ich mich auch so. Wie ein Kind, dass man mitgenommen hat, weil es zur Familie gehört. Ich beobachte Laura, wie sie einen Kopfhörer unter ihrem Kleid hervorzieht und ihn unbemerkt von ihrem Vater in ihr Uhr unter ihren Haaren schiebt. Sie lächelt mich an. Ich versuche zurück zu lächeln, stattdessen sehe ich einfach weg. Josh trinkt gemeinsam mit den anderen Männern und Rita Scotch und ich frage mich, wie wir zum Hotel zurück kehren, als Rose mich plötzlich direkt anspricht. „Entschuldigung, was haben Sie gefragt?“ Josh mustert mich, mit seltsamen Blick. „Wie alt Sie sind, Miss Pierce?“ Ich sehe auf meine Hände. „Ich bin 21 Jahre alt.“ „Oh, wie süß,“ sagt Eve und ich beiße die Zähne aufeinander, sehe dann aber wieder auf mein Glas Wein, an dem ich mich seit etwa einer halben Stunde fest halte. „Dann dürfen Sie das in Amerika noch gar nicht trinken,“ sagt Marc Andrews lachend. „Ja,“ erwidere ich gepresst. „das ist richtig.“ „Dad, sie ist kaum älter als ich. Aber Sebastian durfte nicht mein Freund sein, obwohl er nur 25 war.“ „Sie ist wohl älter als du, Gina und auch reifer. Du bist erst 19. Aber Mathe war noch nie deine Stärke.“ Rita mustert mich lächelnd, genau wie ihre Tochter. „Entschuldigt mich,“ bringe ich hervor und schiebe meinen Stuhl zurück und stehe auf. Josh hält meine Hand fest. „Wo willst du hin,“ flüstert er. „Auf die Toilette.“ Er sieht mich ernst und nachdenklich an. „Nicht weglaufen, okay?“ Ich atme ruckartig. „Ich zeige dir, wo du hin musst,“ bietet sich da Laura an. Dankbar nehme ich ihre kleine Hand, die sie mir hinhält und folge ihr aus der Loge. „Lass dich nicht ärgern,“ sagt sie. Ich bin überrascht, wie reif sie scheint. „Eve ist eine Schlange. Ich hasse sie. Sie sollte früher immer mit uns spielen, so wie Josh. Aber sie hat immer nur ihr Ding gemacht und am Ende hat sie sich beschwert, dass wir unmöglich zu händeln seien. Dabei hat sie nur ihre Nägel lackiert.“ Ich lächle Laura dankbar an. „Danke, Laura.“ Sie lächelt. „Kein Problem. Mum sagt ich, kann gut beurteilen wie Menschen sich fühlen.“ „Das scheint mir auch so.“ Sie zeigt auf eine Toilettentüre und ich husche hinein. Eigentlich wollte ich nur mal durchatmen, also lege ich neuen Lippenstift auf und sehe in den Spiegel. Ich bin klein, von daher wirke ich immer jünger als andere. Dann habe ich keine Färbung in den Haare, so wie alle anderen. Wenn ich mich normalerweise schminke, dann dezent. Nicht so, wie heute. Ich seufze. Meine Taille ist schmal, genau wie meine Hüften. Dafür habe ich einen guten Vorbau, laut Cat und Ava, kein Vergleich zu Hailey, die sich meines Wissens mit E beglückt fühlt. Mein pralles C-Körbchen macht im Vergleich zum Rest meines Körpers einiges her. Manchmal ist es auch D. Aber was redete ich mir ein. Jeder sah, was er sehen wollte. Seufzend verließ ich die Toilette wieder. Laura stand noch genau da, wo ich sie verlassen hatte. Ihre Augen waren geweitet. „Was ist denn so schockierend?“ Ich folgte ihrem Blick und sah Eve, wie sie einem blonden Mann ihre Zunge in den Hals steckte und er es erwiderte. Mein Herz verkrampfte sich. Ich packte Laura's Hand, blinzelnd und in meine Gesicht pustend, um zu verhindern, dass Tränen über mein Gesicht liefen. Ich war völlig fertig, mein Herz zu einem kleinen Haufen Glas zersprungen. „Du tust mir weh, Emily.“ „Tschuldige,“ murmelte ich. Wir haben gerade in die Loge erreicht, als das Essen serviert wurde. Ich lasse Laura's Hand los. Schwer atmend sehe ich mich nach meinem Mantel um. Als ich ihn entdecke und darauf zuhalte, werde ich aufgehalten. „Hey, was ist los, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen? Fällst du wieder um?“ „Du warst es nicht,“haucht Laura. Josh's Hände halten meine Schultern fest. „Was war ich nicht?“ Er sieht verwirrt zwischen uns hin und her. „Wir haben Eve gesehen, wie sie innig war, mit einem jungen, blonden Mann. Und ich hätte schwören können, das warst du! Und Emily scheinbar auch.“ „Setz dich.“ Josh bugsiert mich zu seinem Stuhl und geht vor mir in die Knie. „Ruhig atmen. Es ist alles in Ordnung. Ich bin hier. Siehst du?“ Er streicht mit den Lippen über meinen Handrücken und hält sich dann meine Handfläche ans Gesicht. „Was ist los?“ Lauras Mutter wollte das wissen und auch ihr Vater wurde aufmerksam. „Bitte was macht meine Tochter?“ „Blende sie aus. Ich bin hier. Nur du und ich. Alles ist gut. Schließ die Augen.“ Ich tat, was er mir sagte und schloss die Augen. Ich war vollkommen fertig. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mir war schlecht. Speiübel, um genau zu sein. „Ich tue das nicht, Wildkätzchen. Alles ist okay.“ Er strich über meine nackten Arme und das hinterließ eine Gänsehaut darauf. „Gib ihr doch mal was starkes zu trinken, sie zittert ja, wie Espenlaub.“ „Nein, es geht gleich wieder,“ rief ich aus. „Ich habe mich erschrocken.“ „Ja, ich mich auch,“ sagte Laura und ich spüre, dass sie mir die Schulter tätschelt. Ich stehe auf, damit Josh wieder sitzen kann. „Vielleicht sollte ich etwas essen.“ Ich sinke nach vorne, wohl wissend, dass Josh vor mir steht. Mein Kopf lehnt an seiner Brust, seine Arme schließen sich fest um mich. Ich lausche auf seinen regelmäßigen Atem und seinen doch erhöhten Herzschlag. „Alles okay?“ Ich nicke. „Wir können gehen?“ „Nein, wir sind eingeladen. Jetzt ist alles in Ordnung.“ „Du hast dir doch nicht etwa Sorgen darüber gemacht, oder?“ Mein Nicht-Antworten ist ihm Antwort genug. „Du dummes Kätzchen.“ Er küsst meinen Scheitel und schiebt mich von sich. „Geht es denn wieder?“ Die Stimme von Laura's Mutter klingt besorgt. Maxwell und Rita dagegen sind verschwunden. „Sie hatte immer schon was für dich über, Kleiner,“ sagt Mr. Andrews, als wir uns setzen. Josh hält krampfhaft meine Hand fest, beinah so, als hätte er Angst, ich könne weg laufen. Beinah so, als wäre ich ihm das Wichtigste. 

Kapitel 26

 Nach dem Essen und einem beherzten Schluck Wein geht es mir in der Tat bereits etwas besser. Josh unterhält sich mit Mr. Andrews über das Geschäft und ich mich mit Laura und Gina. Bis Laura irgendwann fragt: „Magst du Pferde?“ „Nein, nicht wirklich.“ „Ich habe Pferde geliebt. Bis wir alle abgeben mussten, weil Mama ihren Unfall hatte.“ „Laura,“ mahnt Rose. „Du sollst das nicht jedem erzählen.“ „Entschuldige, Ma. Na ja,“ sagt sie nun an mich gewandt. „Seitdem darf ich nicht mehr reiten.“ So kam sie zu dem Rollstuhl. „Ja, ich bin ein Querschnitt. An guten Tagen kann ich meine rechte Hand noch ein bisschen bewegen. An schlechten nur den Zeigefinger. Selbst all unser Geld hilft uns dabei nicht.“ Bevor die Stimmung noch schlechter werden kann, beginnt das Musical.

„Puh, ich bin völlig fertig,“ hauche ich, als wir die Türe unseres Zimmers erreichen. Wir sind mit dem Taxi zurück zum Hotel gefahren, weil mit der Mietwagenfirma vereinbart war, dass der Mietwagen auf dem Broadway Platz stehen bleibt. Zum Flughafen werden wir auch mit dem Taxi gebracht. „Die Taxen hier sind witzig,“ sage ich, während Josh sich bemüht die Türe zu öffnen. Er hat einiges getrunken. Scotch und Wein. Er lässt das Schloss hinter uns einschnappen. „Bist du müde?“ Er sieht mich an, durchdringend, düster. Ich schüttle den Kopf und habe plötzlich das Gefühl nicht mehr betrunken zu sein. „The Walking Dead?“ „Wenn du magst.“ „Ich mag so vieles,“ flüstert er. Ich stütze mich an seiner Schulter ab, lehne mich nach vorne und ziehe meine Schuhe aus. Jetzt bin ich wieder viel kleiner als er. Ich drehe mich herum und will gehen, als er mich fest hält. „Halt, halt. Du gehst nicht mit dem Kleid ins Bett. Das wäre Verschwendung.“ Ich erstarre. Seine Stimme ist rau und heiser. Wie die Stimme eines Rocksängers. Leise höre ich das Surren des Reißverschlusses. „Bitte,“ haucht er, als er nahezu ohne Berührung am meinem unteren Rücken angekommen ist. Mein Herz schlägt wie wild. Das muss er doch hören, denke ich. „Ich komme gleich nach.“ Ich gehe zwei Schritte, bevor mein Blick verschwimmt und ich vor das Beistelltischchen des Sofa's trete. „Aua,“ rufe ich aus und falle zur Seite. „Alles okay?“ Ich kann die Sorge in seiner Stimme hören. „Ja, hilf mir mal,“ sage ich. Und ich weiß, was passiert, als er nach meinen Händen greift und mich auf die Beine zieht. Das offene Kleid rutscht hinunter, wo es sich raschelnd um meine Füße bauscht. Ich stehe vor Josh, in einem knappen schwarz-lila Spitzen-BH mit dazu passendem String und halterlosen Strümpfen. Seine Kette schmiegt sich wie immer, wie selbstverständlich in die Kuhle an meinem Hals. Er sieht an mir herab, die Lippen leicht geöffnet. Je länger er nichts sagt, nichts tut, sich nicht rührt, desto nervöser werde ich. Desto unbehaglicher wird mir, desto dümmer komme ich mir vor. Irgendwann beuge ich mich hinab und ziehe das Kleid wieder hoch und halte es fest. „Entschuldige,“ entkommt es mir eine Spur zu hart. Ich drehe mich von ihm weg, will aus dem Raum stürmen, Tränen in den Augen, doch er überholt mich und bleibt vor mir stehen. Behutsam drückt er meine Hände weg, so dass ich das Kleid auf Hüfthöhe halte. Dann sieht er mir fest in die Augen. „Ist das für mich?“ Ich schlucke. Und weil ich weiß, dass ich keinen Ton herausbekomme, weil mir das Herz bis zu Hals schlägt, nicke ich nur. Er fährt mit den Händen meine Arme entlang, hinauf zu meinen Schultern. Dann zieht er mich plötzlich an sich und drückt mir seine Lippen ungestüm auf den Mund. Es ist kein zarter Kuss, im Gegenteil. Er ist hart und dringlich. Er schiebt mich von sich und sieht mich an. Ich atme schwer. „Entschuldige,“ sagt er mit kratziger Stimme. „Habe ich dir weh getan?“ Wie benommen schüttle ich den Kopf. Ich kann nicht sprechen. Meine Herz scheint mir die Kehle zuzuschnüren. Ich zittere vor Aufregung. „Ist das,“ beginnt er und streicht mit einem Finger über mein Gesicht. „Okay?“ Statt wieder dümmlich zu nicken, nehme ich all meinen Mut zusammen, gehe wieder einen Schritt näher an ihn heran, stelle mich auf Zehenspitzen und küsse ihn sanft auf den Mund. Er ist erst wie erstarrt, schlingt aber dann seine Arme um mich und erwidert den Kuss, diesmal sanft. Ich lasse mich von ihm in Richtung meines Zimmers schieben. Oh Gott, denke ich, so schnell, als er mich auf mein Bett schubst. Doch er kniet sich vor mich und küsst mich noch einmal. „Zieh dich um. Wir machen gleich da weiter wo wir aufgehört haben beim The Walking Dead gucken.“ Er macht kehrt und verschwindet aus meinem Zimmer. Nun sitze ich hier. In Reizwäsche und halterlosen Strümpfen, rotwangig und verunsichert. Gerade hab ich noch gedacht es würde schnell gehen und nun bittet er mich, mir etwas anzuziehen? Ich greife zu meinem Handy, das aus der Tasche gefallen ist, die achtlos unter meinem Kleid, welches sich noch immer um meine Füße bauscht, hervorlugt. 'SOS', tippe ich in unsere Gruppe, stehe auf, raffe das Kleid hoch, hänge es auf den Bügel und verschwinde, so wie ich bin im Bad. Mein Handy vibriert augenblicklich. „Bitte nur leise und kurz,“ hauche ich atemlos. „Was ist denn los, Süße?“ „Ich, ich hab Lisa's Unterwäsche an, die sie mir gekauft hat.“ Keine Reaktion. „Nur die und Strümpfe.“ „Lieber Gott im Himmel, du hast gestrippt?“ „Ja,“ gebe ich kleinlaut zu. „Wie hat er reagiert?“ Ich berichte kurz und knapp über seine anfängliche Reaktion, dann den darauffolgenden harten Kuss. Und nun der jetzigen Reaktion. „Wow,“ höre ich Lisa. „Er scheint vernünftiger zu sein, als ich es ihm zugetraut hätte.“ „Was meinst du?“ „Süße, du bist in Unterwäsche sicher ein heißer Anblick. Aber er reißt sich zusammen. Vermutlich ist er gerade kalt duschen.“ „Vergiss es, mach dir nicht so viele Gedanken,lass es auf dich zu kommen, genieße es. Wenn es dir zu langsam geht, sag es ihm oder nimm dir was du willst. Aber ansonsten, Süße, du hattest erst einen richtigen Freund, mit dem etwas lief. Also, entspann dich. Er scheint dich einfach nicht bedrängen zu wollen.“ „Oder sie gar nicht zu wollen.“ „Quatsch, Ava. Dann würde er sie doch nicht küssen.“ „Mhm,“ macht Ava. „Seltsam ist das schon.“ „Ava, Männer sind Schweine, wenn sich denen einen Frau in Unterwäsche präsentiert, ist sie, egal, wie sie aussieht, schneller aus der Unterwäsche und auf ihrem Rücken, als du Abrakadabra sagen kannst.“ „Oder auf ihrem Bauch, wenn ihr Gesicht hässlich ist,“ fügt Cat hinzu. „Ich bin aber ganz Lisa's und Hailey's Meinung.“ „Emily?“ Josh's Stimme lässt mich erstarren. „Ich muss auflegen,“ zische ich. Das tue ich dann auch. Eilig ziehe ich so vorsichtig, wie ich kann die Strümpfe von meinen Beinen und schlüpfe in meine Boyfriend Jeans und ein Shirt, wo eine Schulter frei ist. Dann wasche ich mir die Hände und gehe in mein Zimmer. Josh kniet vor dem Laptop und tippt darauf herum. Er trägt eine dunkelblaue Jeans, die tief auf seinen Hüften sitzt und darunter eine karierte Boxershort. Seine Haare sind feucht, fällt mir auf, als ich meinen Blick über sein graues weites Shirt gleiten lasse. Er dreht sich zu mir herum. „Ich dachte schon du wärst geflüchtet.“ „Vielleicht wolltest du ja eigentlich flüchten und das war ein Ablenkungsmanöver,“ kontert er. Seine Augen glänzen im fahlen Licht, dass im Zimmer herrscht. Ich gehe zum Bett und lasse mich mit angezogenen Beinen darauf nieder. Er kommt neben mich und die unheilvolle Musik verrät mir, dass eine neue Folge seiner Lieblingsserie anfängt. Er zieht mich nahe zu sich. Meinen Kopf bette ich in seiner Halsbeuge. Er riecht fantastisch. Frisch und männlich. Ich rieche an seinem Shirt. Er lacht heiser. „Hast du grade an mir gerochen?“ Ich nicke und spüre, dass ich rot werde. „Und zufriedenstellend?“ „Ja, sehr. Josh?“ „Ja?“ „Darf ich dich nochmal küssen?“ „Nein,“ erwidert er und ich hebe meinen Blick, schockiert. „Weil ich dich küssen werde,“ erwidert er lächelnd. Er beugt sich vor und küsst mich, zärtlich, lang. Seine Zunge findet den Weg zu meiner. Ich habe das Gefühl zu schweben, zu fliegen, weit weg zu sein, in einem Traum. In meinem Traum! Und ich will nie, niemals wieder aufwachen.

Kapitel 27

Früh morgens klingelt das Zimmertelefon. Josh grummelt und bewegt sich langsam unter mir. Ich seufze einfach nur. Glücklich darüber, dass er immer noch bei mir ist. „Ja?“ „Danke.“ Er knallt den Hörer auf die Gabel und ich ziehe schnell die Decke über mein Gesicht. „Das wird dir nichts bringen, Kätzchen. Wir müssen aufstehen, das Taxi kommt in einer Stunde. Voyage à Paris.“ Ich protestiere und halte die Decke fest, als ich merke, dass er mich von sich schiebt, um sich zu erheben, halte ich ihn an seiner Jeans fest. Er lacht. „Komm schon, ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.“ Grummelnd lasse ich ihn die Decke von meinem Kopf ziehen. Meine Haare stehen in alle Richtungen wüst ab und mit absoluter Sicherheit klebt meine Schminke überall in meinem Gesicht, aber nicht, wo sie sein soll. Er hingegen sieht einfach atemberaubend aus. Die Sonne hinter den Vorhängen lässt sein Haar hell erstrahlen. Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn. „Aufstehen, Schlafmütze. Gleich kommen die Pagen das Gepäck holen.“ Seufzend erhebe ich mich und falle über die Decke aus dem Bett. „Autsch,“ murre ich. Lauthals lachend kommt er ums Bett herum und hilft mir auf. „Mein kleiner Tollpatsch.“ Er küsst mich und schubst mich ins Bad.

Pünktlich als die Rezeption anruft und uns mitteilt, dass das Taxi da sei, bin ich einigermaßen Ausgeh-Fertig. Mein Make-Up ist für den Tag perfekt und meine Haare lang, als Fischgräte geflochten. Eilig packe ich das Laptop plus Kabel in meine Tasche, lasse nochmal meinen Blick über das Zimmer gleiten, als Josh mich auch schon ruft. „Komme schon,“ trällere ich.

 

„Du bist aber gut gelaunt?“ Seine Blessuren sind vollkommen verschwunden, nur wenn man es weiß, sieht man den kleinen Riss in seiner Lippe und das blaue Auge. Nun sieht er mich belustigt an, eine Augenbraue erhoben. „Ja“ erwidere ich. „Offensichtlich.“ Ich sehe auf unsere Hände, die ineinander verschränkt zwischen uns liegen, dann sehe ich wieder aus dem Fenster. Am Flughafen herrscht wieder reges Treiben. Josh sieht ab und an auf sein Handy und ich versuche mich an das zu halten, was Lisa gesagt hat. Entspannen, auf mich zukommen lassen. Ruhe bewahren. Während wir darauf warten, dass wir das Flugzeug betreten dürfen, spiele ich mit meinem neusten Geschenk herum. Als Josh mit zwei Bechern Kaffee und je zwei braunen Tüten mit einer Kleinigkeit zu Essen auf mich zu kommt, knipse ich ihn. „Hey, hier ist nicht der Eifelturm,“ sagt er und zieht ein miesepetriges Gesicht. Ich zucke die Achseln. „Na und,“ erwidere ich fröhlich. Er nimmt neben mir Platz und meint kopfschüttelnd: „Kaum gibt man ihr den kleinen Finger, reißt sie die ganze Hand an sich.“ Ich knuffe ihn leicht. Er trägt einen grauen Strickpulli und die gleiche Jeans, wie am Abend. Ich trage meine Boyfriend Jeans, die an den Knien Löcher hat, ein braunes Top, mit passendem Wollschal und eine lange braune Strickjacke. Wir sehen aus, stelle ich fest, wie jedes andre Paar in unserem Alter. „Kaffee, für die Dame und einen Schokomuffin, du abgemagertes Ding.“ „Was soll das heißen?“ Ich sehe ihn mit schmalen Augen an. „Ich bin gut drauf, du musst meine Scherze ertragen.“ „Findest du mich zu dünn?“ Er seufzt. „Merk dir, Josh,“ sagt er und hält einen Finger hoch. „sag nie über etwas über die Figur einer Frau, du kannst es nur falsch machen.“ Er schüttelt lächelnd den Kopf. „Kätzchen, ich habe gestern viel von deinem Körper gesehen und nein, du bist nicht zu dünn und auf keinen Fall zu dick. Du bist genau richtig, nahe an Perfektion, wenn nicht sogar perfekt.“ Er küsst mich auf die Wange. Ich spüre, dass ich erröte und reibe mir über die Wange, wo er mich gerade geküsst hat. „Du kratzt,“ necke ich ihn. „Oh nein, rette sich wer kann, der 27-jährige Joshua hat Bartwuchs.“ Er grinst breit und ich kann zum ersten Mal sehen, dass ihm aus einem der Schneidezähne eine kleine Ecke fehlt. „Blödmann,“ sage ich lachend und trinke an meinem Kaffee. Der Schokomuffin ist köstlich, mit einem flüssigen Schokoladenkern. „Mhm, köstlich,“ sage ich. „Du hast da was,“ haucht er und küsst mich auf die Lippen. Als er sich nach einem Augenblick von mir löst, bin ich atemlos. „Auch köstlich,“ sage ich mit glühenden Wangen. 

 

Der Flug nach Paris vergeht wirklich, wie im Flug. Wir trinken jeweils noch etwas Kaffee und Josh liest die Tageszeitung. Ich habe eine Frauenzeitschrift am Flughafen gekauft, höre mit Kopfhörern Musik und blättere gelangweilt durch die Zeitung. Meistens sehe ich mir die Outfits an und die Make-Up-Schulen. Ansonsten langweilt mich der Klatsch über Promis ziemlich. Mein Handy vibriert. „Alles gut?“, habe ich eine Nachricht in der Gruppe bekommen. „Ja,“ tippe ich zurück. „wir sitzen gerade im Flieger nach Paris. Landen in etwa einer Stunde.“ „Meld dich mal wieder.“ Josh faltet neben mir die Zeitung zusammen und geht in Richtung Toilette. Weil ich mit meiner Zeitung fertig bin, nehme ich seine vom Boden auf und blättere sie durch. Ich lese mir den Bericht über die gestrige Premiere durch und stoße auf ein Bild von Josh und mir, neben Mr. Andrews und seiner Frau. Ich erkenne mich kaum wieder. Verträumt sehe ich zu Josh auf, der lächelnd meinen Arm hält. Die Bildunterschrift lautet: 'Mr. Andrews, hier ganz rechts, war der Sponsor des gestrigen Abends und lud Geschäftspartner, wie unter anderem einen der Junior-Geschäftsführer von Jackson & Dawson Enterprise, Mr. Joshua Elijah Dawson, mit bezauberndem Anhang, zu dieser phänomenalen Premiere, ein.' Josh kommt gerade zurück. „Wolltest du mir sagen, dass wir in der Zeitung sind?“ Er grinst. „Ja, ich wollte es dir unter die Nase halten und das Wort bezaubernd dick mit Textmarker markieren.“ Er reißt die Seite aus der Zeitung und faltet sie zusammen. „Schnall dich an, wir landen.“ Es ist ein Unterschied, wie Tag und Nacht. Der Flughafen sieht aus wie eine Höhlenkonstruktion, mit einzelnen eckigen Fenstern in den Decken, wohingegen der Flughafen in Manchester zum einen winzig wirkte und altbacken. Durch diese kleinen Aussparungen in der Decke fällt helles, warmes Sonnenlicht und ich aale mich wie eine Katze darin, während ich neben unseren Koffern stehend auf Josh warte, der die Schlüssel für den Wagen holt. „Mylady,“ höre ich seine Stimme vor mir. Lachend mache ich die Augen auf. Er nimmt unsere Koffer, doch statt zum Hauptausgang des Flughafens zu gehen, gehen wir zum Parkhaus. „Josh?“ „Ja?“ „Wo gehen wir hin?“ „Pour le garage, mon petit chat.“ „Mein Französisch-Unterricht ist lange her, aber das hab sogar ich verstanden.“ Ich seufzte. Ich beschließe abzuwarten. Im düsteren Parkhaus ist es kühl. Josh drückt auf den Knopf an der Fernbedienung. Es piept und weiter links von uns blinkt ein Auto. „Ernsthaft?“ Ungläubig starre ich auf das schwarze, sportliche Cabrio von Audi. „Wer bist du Christian Grey?“ „Wieso hat eigentlich jede Frau auf dieser Welt diese Schund-Romane gelesen?“ Er grinst, als er einsteigt. Ich bleibe misstrauisch draußen stehen. Heulend startet er den Motor, dieser blubbert und verfällt dann in ein sonores, lautes Brummen. „Wolltest du den Sound hören oder wieso stehst du noch draußen?“ Finster blicke ich ihn an, was ihn nochmals zum Lachen bringt. „Der gehört meine Mutter. Also bleib cool.“ Widerwillig steige ich ein. „Und wieso fahren wir das Auto deiner Mutter?“ „Weil wir auch in ihrer Ferienwohnung in Paris leben werden.“ Vorsichtig lenkt Josh den Wagen aus der engen Tiefgarage. Sobald er die Tiefgarage hinter sich gelassen hat, gibt er Vollgas und ich werde in den weichen Ledersitz gepresst.
Die Ferienwohnung liegt mitten in Paris und ist eigentlich keine Wohnung, sondern ein kleines zwei-stöckiges Haus im viktorianischen Stil. Ich erkenne Madeleine in diesem Haus sofort wieder, obwohl ich sie kaum kenne. Alles ist sehr klein, aber detailreich dekoriert und durch und durch wohnlich. „Meine Mutter liebt Frankreich. Mein Vater war so nett ihr beide Häuser zu lassen.“ „Beide?“ Er lächelt nur. „Du wirst schon sehen. Ich bin viersprachig aufgewachsen, weil meine Mutter wollte, dass ich ein sprachliches Genie werde und mich überall irgendwie verständigen kann. Somit spreche ich fließend Schwedisch, Deutsch, Englisch und Französisch.“ Ich bin beeindruckt und kann ihn nur mit offenem Mund anstarren. „Du bist definitiv eine Nummer zu groß für mich,“ murmele ich bedrückt. „Wer sagt das?“ Seine Augenbrauen bilden einen Strich. Ich zucke die Achseln und er kommt auf mich zu, packt mich an den Schultern und sagt: „Du bist der beste Mensch, den ich kenne. Wie solltest du also eine Nummer zu klein für mich sein? Nur weil ich Geld habe und viersprachig erzogen wurde und Instrumente spielen kann?“ „Instrumente auch noch?“ Er nickt. „Herrje, ich kann nicht mal Blockflöte spielen. Tanzen konntest du auch. Singen in einer Band. Verstehst du, du bist perfekt. Es gibt nichts, was du nicht kannst und ich? Ich kann mit viel würgen und brechen nähen und stricken. Das war es schon mit meinen Besonderheiten.“ „Du kannst Inliner fahren, das kann ich nicht. Somit auch kein Schlittschuh laufen. Ich kann nicht backen. Und,“ Er senkt den Kopf. „Ich bin gefühlsverkrüppelt. Ganz und gar nicht perfekt. Ich weiß, dass ich meine Mutter liebe, weil sie meine Mutter ist. Das gleiche mit meinen Geschwistern, aber ich glaube, ansonsten weiß ich nicht was Liebe ist.“ Er zittert. „Das ist der Grund, wieso ich Angst habe dir weh zu tun, dich zu enttäuschen. Was ist, wenn ich dich nicht so lieben kann, wie du mich?“ Ich lasse mich auf das Sofa hinter mir sinken. Josh sieht weiterhin auf seine Converse. „Ich hatte Frauen und auch Freundinnen. Eine Menge sogar. Bis ich es irgendwann sein gelassen habe. Sobald es dazu kam, dass sie fragten, liebst du mich oder mir das sagten, musste ich ausweichen. Oder habe gesagt nein, ich weiß es nicht. Das was du beschreibst, Schmetterlinge und Herzklopfen, das kenn ich so nicht.“ Nun zittere ich ebenfalls. Er seufzt und fährt sich mit der Hand durch die Haare. „Ja, so ist es besser. Besser ich erzähle dir jetzt alles, bevor es zu schlimm wird.“ Und er beginnt zu erzählen. 

Kapitel 28

Ich starre auf das Foto von Josh und seiner Familie auf dem Kaminsims. „Ich gebe meinem Vater insgeheim die Schuld daran. Mache ihn und seine Schläge dafür verantwortlich. Verantwortlich dafür, dass ich innerlich verkrüppelt bin. Ich war in Therapie, zwei mal. Keiner konnte helfen. Wobei ich bei der zweiten ja dachte es hätte funktioniert. Das war als ich Katie kennen gelernt habe.“ Katie, so hatte er erzählt war eine bei der eine Ahnung erhalten hatte, was Liebe ist, weil sie penetrant bei ihm geblieben war und ihn nicht aufgeben wollte, da war er etwa neunzehn gewesen. Nach drei Jahren hatte sie aufgeben. Sie waren heute noch befreundet. Aber Josh spürte keine Liebe für sie. Nun hatte er seine Erzählung scheinbar beendet. Er stand auf und holte sich einen Scotch aus der Bar. Er hatte sieben Freundinnen gehabt, alles, bis auf Katie keine Langzeitbeziehungen. Und Liebschaften, so wie er es formulierte, ohne eine konkrete Zahl zu nennen. Von der Bar aus beobachtet er mich, ich kann es spüren. „Aber was ist es dann, was du für mich hegst, empfindest, wie auch immer?“ Meine Stimme ist ein Hauch, zittrig. Ich bin den Tränen nahe, aus Mitleid und aus purem Entsetzen. „Warum musstest du mich haben?“ „Ist das nicht etwas drastisch formuliert?“ Es wird langsam dunkel draußen. Wir reden bestimmt seit drei oder vier Stunden. „Ich habe dir bereits gesagt, dass sich bei dir, deinem Anblick, etwas in mir geregt hat. Du bist mir wichtiger als ich. Jetzt schon. Ich würde mich jederzeit vor dich stellen, um dich zu schützen, egal, ob ich dabei draufgehe oder nicht.“ „Keine Schmetterlinge? Kribbeln oder so was?“ Sein Schweigen ist mir Antwort genug. Ich breche in Tränen aus. „Ich hab es gewusst,“ seufzt er.

Durch meinen Tränenschleier sehe ich, dass er noch ein Glas trinkt und dann in sich zusammen sinkt. „Josh?“ Besorgt stehe ich auf. Er sitzt auf dem Boden, die Beine angezogen. Sein Blick ist starrend und macht mir Angst. „Josh,“ jammere ich. Ich schüttle ihn sanft, doch er rührt sich nicht. In mir tobt eine Verwirrung, ein Strom von Gefühlen, die ich nicht beschreiben kann. Mir ist elend zu Mute, aber gerade überwiegt die Sorge um meinen Chef, meinen Freund, den Mann in den ich mich verliebt habe. Er presst das Glas fest in der rechten Hand und starrt weiter einfach gerade aus. Ich setzte mich so vor ihn, dass er mich eigentlich ansehen müsste, aber ich habe das Gefühl, als würde er durch mich durch schauen. Ich versuche immer wieder ihn zu rütteln, damit er aufwacht, doch er starrt weiter. Nach kurzer Zeit klirrt das Glas in seiner Hand und zerspringt. Die Scherben landen teils direkt in seiner Hand. „Oh Gott, Josh,“ kreische ich. Blut quillt aus den zahlreichen Wunden in seiner rechten Hand. Ich greife zur letzten Möglichkeit, die mir einfällt, die mein Vater häufig während den Depressionen meines Bruders nutzte und verpasse ihm eine Ohrfeige. Ein roter Abdruck meiner Hand entsteht auf seiner Wange, doch er blinzelt und sieht mich nun wirklich an. „Aua,“ gibt er von sich. „Wir müssen ins Krankenhaus,“ kreische ich weinend. „Wieso? Ist was passiert?“ Ich hebe seine Hand hoch. „Oh Mist.“ Er sieht in mein weinendes Gesicht. „Es tut mir so Leid, Emily. Du verdienst jemand besseres.“ „Komm auf die Beine, sonst verblutest du noch.“ Er schwankt, als ich ihm hoch helfe. Ich greife mir das nächstbeste Tuch, dass über dem Tresen hängt und wickele seine Hand fest hinein. Aus seiner Hosentasche fische ich den Schlüssel für das Auto und ziehe ihn nach draußen. Schniefend, wische ich mit mit dem Ärmel über Augen und Nase. Er wird blasser und blasser. „Wo muss ich hin?“ Er schluckt, mehrmals, winkt ab und tippt es ins Navi des Autos an. „Sprich mit mir, Josh, hörst du?“ Ich drücke das Gaspedal des Wagens durch und warte dann ungeduldig, dass das Tor zur Straße auf gleitet und rase los, sobald es weit genug geöffnet ist. Josh redet nicht mit mir, er entschuldigt sich nur ständig und fragt mich, was er nur tun soll, dass ich ihm doch so wichtig bin, bis er schließlich etwa zwei Kilometer, bevor ich das Krankenhaus erreiche, das Bewusstsein verliert. Alarmiert fahre ich noch schneller, breche alle Verkehrsregeln und rase schließlich auf den Platz zu auf dem service d'urgence steht zu. Dort bremse ich abrupt ab, renne hinein ins Gebäude und schreie: „Aider, rapide!“
Ich sitze vor dem OP-Saal, Kopfhörer in den Ohren, mein Handy in der Hand. Unschlüssig was ich tun soll. Sollte ich jemanden anrufen? Wen? Was sollte ich sagen? Was, wenn Josh das nicht wollte? Im Grunde, so hatte ich heute gelernt, kannte ich ihn überhaupt nicht. Sollte ich einfach gehen? Nein, das konnte ich nicht. Musik hilft mir zu denken, Entscheidungen zu treffen, gute oder schlechte. Ich fühle mich elend. Weiß, dass jeder mich anstarrt, weil meine komplette Schminke in meinem Gesicht verteilt ist und wahrscheinlich noch Blut. Aber ich kann mich nicht rühren, nicht mal, um in dem Waschraum mein Gesicht zu waschen. Ich greife in meine Handtasche und ziehe ein Taschentuch und einen kleinen Spiegel heraus. Damit wische ich so gut es geht über mein Gesicht. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Mein Kopf sagt, ich hatte von Anfang an Recht, dass das nur Ärger geben kann. Zitternd stoße ich die Luft aus, sehe auf meine Hände und nehme das Blut daran wahr. Aber es ist mir egal. Ich wähle Cat's Nummer. „Süße, hi.“ Sie stockt sofort. „Wieso rufst du nur mich an?“ „Ist Lucas bei dir?“ „Ja? Emily, was ist los?“ „Kannst du ihn mir bitte mal geben,“ sage ich mit zitternder Stimme. „Emily?“ Seine Stimme ist düster, kühl, holt mich aber auf den Boden der Tatsachen zurück. Kurz und knapp berichte ich ihm von der Situation und was Josh mir eröffnet hatte. „Oh Mist, du hast richtig gehandelt, Em. Lass ihm Zeit. Er hat noch nie so reagiert, wie bei dir. Bleib dran, bitte, versuch es. Katie war nichts gegen dich. Das wird schon wieder alles. Bitte, vertrau mir. Halt mich auf dem Laufenden, es war gut, dass du mich angerufen hast.“ Damit verabschieden wir uns. Lucas so freundlich mit mir reden zu hören hat mich schockiert. Aber seltsamerweise hat es mich auch etwas beruhigt. Und so warte ich weiter darauf, dass die OP von Josh abgeschlossen ist. Nach etwa zwei Stunden kommt ein Arzt in einem grünen OP-Dress aus der Türe vor mir. „Mademoiselle Pierce?“ Ich erhebe mich und beobachte, wie die Schwestern Josh den Gang entlang schieben. Die OP ist gut verlaufen, sagt er mir, soweit ich es verstehen kann. Er spricht schlecht Englisch und ich nur wenig Französisch. Er hatte sich eine Arterie verletzt und es war gut, dass ich ihn so schnell her gebracht habe. Man hat ihm Bluttransfusionen gegeben, die er zuerst nicht vertrug, dann aber doch. Wenn er heute noch gut aufwachen würde und es morgen keine Probleme gäbe, würde alles gut werden. Er ließ mich gehen und ich eilte direkt zu Josh's Zimmer. Mein Magen knurrte laut, während ich neben seinem Bett saß und den piepsenden Geräten lauschte. In seiner Hand steckte eine Infusionsnadel, die andere war dick verbunden. Er war blass und die totenstille machte mich nervös. Irgendwann regte er sich. Seine Lider flatterten. Dann öffnete er seine Augen, zitternd und langsam. Ich klingelte nach der Schwester, damit man ihm die Gerätschaften abnahm, so wie man es mir aufgetragen hatte. Er wollte den Mund öffnen, doch ich machte: „Schhhh, nicht sprechen.“ Wie selbstverständlich legte ich meine Hand auf seine Stirn, an seine Haare und er sah mich an. Seine hellen blauen Augen so verwirrt und verstört zu sehen, ließ mein Herz beinah stehen bleiben. Geschäftig machen die Schwestern ihre Arbeit, während ich seinen Blick festhalte. Bevor sie gehen, kontrollieren sie seine Vitalzeichen und sagen mir, dass ich in zwei Stunden wegen der Nachtruhe gehen muss. Nun sind sie weg und ich ziehe den Stuhl näher an sein Bett. „Was ist passiert?“ Wenn ich vorher gedacht habe seine Stimme sei rau, wurde ich nun eines Besseren belehrt. Sie ist nahezu ein Krächzen. Ich erzähle ihm, was passiert ist und kann nicht verhindern, dass mir Tränen über das Gesicht rinnen. Er hebt seine linke Hand an und versucht mich zu erreichen, doch vor Erschöpfung lässt er sie wieder sinken und ich kann sehen, wie sehr ihn das stört. Also trete ich kurzerhand meine Stiefel von den Füßen und klettere zu ihm ins Bett. Er seufzt leise und hält mich mit dem linken Arm fest. Meine Tränen rinnen in das weiße OP-Shirt. Seine Kleidung habe ich ordentlich auf einem Stuhl zusammengefaltet. Ich spüre, dass er schläft. Ich weiß es einfach. Langsam streichle ich seine Brust. Ich weiß immer noch nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Doch ich weiß, dass ich ihn brauche. Nach so kurzer Zeit hat er es geschafft Liam komplett aus meinem Herzen und meinem Kopf zu verdrängen, obwohl dieser meine erste, große Liebe war. Mein Handy vibriert. Eine Nachricht in der Gruppe. „Wir sind bei die Süße, immer.“ Und alle anderen außer Cat haben ihr Plus darunter gemacht. „Sag ihm gute Besserung.“ Eine unbekannte Nr. hat mir ebenfalls geschrieben. Auf dem Bild erkenne ich Lucas. „Sag ihm, dass ich ihm gute Besserung wünsche.“ Ich speichere seine Nummer ab und stelle mir den Wecker, damit ich pünktlich gehe.
Mein Wecker reißt mich aus einem Alptraum, in dem ich hochschwanger vor Josh stehe und er mir sagt, dass er mich nie geliebt hat und mich gar nicht lieben könnte. Ich wäre ein Nichts im Gegensatz zu ihm. Na vielen Dank auch, Unterbewusstsein. Ich befreie mich aus seiner Umarmung, lasse ihm aber meine Strickjacke da, klemme sie ihm zwischen die Schulter und den Kopf. Darauf platziere ich sein Handy. Eilig kriggele ich eine Nachricht auf einen Zettel. „Ich musste fahren, in Frankreich gibt es Nachtruhe. Wenn irgendwas ist, ruf mich an. Erhol dich, werd schnell gesund, dein kleines Kätzchen. Xoxo“ Ich hauche ihm einen Kuss auf den Mund, streiche ihm das Haar aus der Stirn und verschwinde.  

Kapitel 29

Es war der blanke Horror zum Haus zu finden! Hätte Josh's Mutter ihre Heimadresse nicht hinterlegt, wäre ich vollkommen aufgeschmissen gewesen. Ich krieche mit dem riesigen, teuren Cabrio förmlich durch den Verkehr. Fremdes Auto, fremdes Land und absolut nachtblind. Schließlich schaffe ich es zum Haus, öffne das Tor und fahre den Wagen vorwärts in die Einfahrt. Drinnen brennt Licht, weil wir es angelassen haben, hoffe ich. Klirrend suche ich den Schlüssel aus der Handtasche, den ich aus Josh's Hosentasche entwendet habe. Ich spüre erst jetzt, wie schwach ich bin. Der Muffin heute morgen am Flughafen, war das letzte was ich gegessen hatte. Ich öffne die Küchenschränke und finde eine Packung Kekse. Wie in Trance sitze ich auf dem Sofa und starre auf den Kaminsims. Hinein in Josh's Gesicht, dass auf dem Foto noch jünger ist.


Ich werde von lauten Geräuschen geweckt. Ein Hämmern, oder ein Klopfen? Mein Kopf dröhnt, weil ich im Sitzen geschlafen habe. Ich muss gegen das grelle Licht anblinzeln, das ins Wohnzimmer fällt. Langsam und schwankend erhebe ich mich. An der Eingangstüre gibt es keinen Spion, soll ich einfach öffnen? „Wer ist da?“ „Ich bin es.“ Josh! Ich reiße die Türe auf. Da steht er. Leicht zerknautscht, mit seiner Kleidung von gestern und dick verbundener Hand. „Ich bin entlassen worden.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Wirklich. Nur hatte ich versucht dich anzurufen, damit du mich abholst. Hast du Bargeld für den Taxifahrer? Ich habe keins mehr.“ „Ich mach das,“ sage ich und renne eilig auf Socken hinaus in den strahlenden Sonnenschein. Ich gebe ihm ein Trinkgeld und eile zurück. Josh steht schwer auf einen Barhocker gestützt vor mir. „Hi,“ sagt er. „Ich hatte mein Handy auf lautlos, das tut mir so Leid. Hat man dich wirklich entlassen?“ „Ja, wenn ich verspreche morgen wieder zu kommen.“ Ich schiebe ihn auf den Barhocker. „Wie geht es dir?“ Ich lege meine Hände um seinen Nacken. Er sieht mich ernst an. „Wieso tust du das?“ „Man beantwortet eine Frage nicht mit einer Gegenfrage, Mr. Dawson. Willst du Kaffee?“ „Ja, will ich. Es geht mir ganz gut. Bin sehr schlapp. Aber ich bekam auch nichts zu essen. Weil wenn man zu Frühstückszeiten noch schläft hat man Pech.“ „Wir können ja gleich frühstücken gehen.“ „Emily,“ unterbricht er mein Tun, mit scharfer Stimme. „Joshua,“ äffe ich ihn nach. Er zieht die Augenbrauen nach oben. Seufzend stelle ich die beiden Kaffeetassen ab und drehe mich zu ihm herum. „Wenn du das unbedingt jetzt klären willst. Bitte, was willst du wissen?“ „Wieso tust du das? Wieso bist du überhaupt noch hier? Ich habe dir gesagt, dass ich wahrscheinlich nicht zum lieben fähig bin.“ „Das sagst du!“ „Das sagen meine Ex-Freundinnen.“ „Ja und ich sag was anderes. Ich gebe dich nicht einfach so auf. Ich bin der Meinung, dass du besser bist als ich. Dass du es wert bist zu warten. Wir sollten es wenigstens versuchen.“ „Aber was, wenn es nicht funktioniert?“ „Dann ist das einzig und alleine mein Problem. Okay?“ Er zuckt die Achseln. „Hast du verstanden? Sollte das nicht funktionieren und der Moment kommen und ich beschließen, dass ich das so nicht kann, dann ist das mein Problem. Und du lässt es mein Problem sein, ohne dich um Kopf und Kragen zu bringen.“ Er nickt. „Du bist mir wichtiger als ich, das weißt du oder?“ „Du hast es immer wieder gesagt gestern, auf dem Weg ins Krankenhaus. Und jetzt zeig mir den Josh in den ich mich verliebt habe.“ Mein Herz klopft wie wild. Ob das die richtige Entscheidung ist, weiß ich nicht, aber ich werde es merken. Er lächelt ein kleines Lächeln, doch das reicht, um meine Entscheidung zu bestärken.


„Herr Gott, du fährst wie eine Ente,“ flucht Josh, als wir an einer Baguetterie ankommen, um zu frühstücken. „Und parkst nen Kilometer weit weg. Ich bin verletzt.“ „Ja, an der Hand, nicht an den Füßen.“ Ich rücke meine große Sonnenbrille zurecht und werfe meine Haare über meinen Rücken. Das enge Shirtkleid schmiegt sich an meine Rundungen und die braunen hohen Stiefel passen zu dem Poncho, den ich darüber trage. Ich habe Josh beim Umziehen geholfen. Meine Herren sah er oben ohne gut aus. Ich hätte am liebsten, ach lassen wir das. Er trägt nun ein weißes Shirt, mit Darth Vader und darüber eine dunkelblaue Strickjacke. Auf der Nase trägt er ebenfalls eine Sonnenbrille, aber seine ist von Hugo Boss. Er nimmt mit seiner gesunden Hand meine Hand in seine. „Entschuldige,“ haucht er und küsst mich auf die Schläfe. Das ist die erste zärtliche Berührung, die von ihm alleine aus kommt, seit gestern. Wir frühstücken, fahren Lebensmittel einkaufen und ich beschließe dann, ganz die Krankenschwester, dass wir den restlichen Tag zu Hause verbringen, damit er sich erholt. Er protestiert zwar kurz, weil er eigentlich anderes mit mir geplant hatte, aber ich sage: „Sight Seeing ist nur was für Leute, die nicht am Tage zuvor eine Bluttransfusion bekommen haben.“ Widerwillig nickt er. So kommt es, dass ich im Garten in Top und hochgekrempelter Hose in der Sonne liege und Josh neben mir ein Laptop auf dem Schoß hat. Er telefoniert ein bisschen mit Kunden, mit seiner Mutter, mit Lucas und schaltet dann das Laptop aus. „Im Louvre ist eine schöne Kunstausstellung, wollen wir nicht dahin?“ Ich habe seinen Blick auf die Uhr gesehen. „Kann es sein, dass du nicht gut nichts tun kannst?“ „Nicht mir dir, nein. Ich wollte dir die Welt zeigen, schon vergessen? Außerdem habe ich noch genug Sonnenstunden für dich eingeplant, kleines Kätzchen.“ „Okay, Louvre und Eifelturm. Dann geht’s nach Hause, ich muss kochen.“ Lächelnd streicht er mir eine Strähne aus dem Gesicht, steht auf und beugt sich zu mir hinab. Er küsst mich innig, zärtlich auf die Lippen und ich lechze nach mehr, als er sich schon löst. „Du bist großartig, weißt du das?“ Ich schüttele den Kopf und starre wie gebannt auf seine Lippen, mit denen er meine Gott sei Dank wieder umschließt. So vergehen bestimmt fünf Minuten, bis er sich aufrichtet, sich reckt und sagt, dass er bereit zur Abfahrt ist. Seufzend gehe ich in die erste Etage und schlüpfe wieder in mein Kleid, checke mein Make-Up und gehe wieder hinunter. Josh müht sich mit seinen Schuhen ab. „Mist,“ flucht er. Er trägt sein Hemd offen, weil er die Knöpfe nicht schließen kann, so dass ich abermals einen Blick auf seinen Oberkörper werfen kann.. „Das ist so unendlich peinlich, aber könntest du mir helfen?“ Ich trete auf ihn zu, beinah schwindelig vor Aufregung. Ich fahre mit einem Finger über seinen Brustkorb, bevor mich der Mut verlässt und ich sein Hemd langsam zuknöpfe. Dann schließe ich vorsichtig seine Jeanshose und knie mich hin, um seine Schuhe zu zu binden, doch er hält mich auf und zieht mich näher. Seine Lippen legen sich wieder auf meine, wild und herrisch, diesmal. Mir scheint es, als wolle er mich durch und durch kennen und erkunden. Atemlos lassen wir beide voneinander ab. Nun binde ich Josh's Schuhe und nehme seine Hand. „Hast du deine Sonnenbrille?“ Er nickt und lächelt.


Ein Kunstwerk ist schöner als das andere, wobei andere eher befremdlich wirken. Ich bin ehrlich, ich habe keinerlei Ahnung von Kunst. Meine Kunst besteht aus Fotos von meinen Freunden und von Tieren. Ein Raum gefällt mir besonders gut. Ein Künstler hat Tiere gemalt, besonders naturgetreu. Ich höre mir mit den Kopfhörern die Geschichte zu den Bildern an und mache Fotos. „Wow, die Tierbilder waren toll.“ „Welches hat dir besonders gut gefallen?“ „Ganz ehrlich? Der Gepard, der sah beinah aus. Wie echt! Dieser ernste Blick. Fast wie du immer.“ „Ich? Ich bin ein fröhlicher Typ, siehst du?“ Er schneidet eine Grimasse und ich fotografiere ihn. „Wehe du verkaufst das an eine Zeitung.“ Ich lache schallend. „Komm ab zu Eifelturm.“ Auf dem Weg zum Eifelturm essen wir jeder ein Croissant mit Schokokern. „Willst du auch rauf?“ Ich schüttle vehement den Kopf. „Ach komm schon.“ „Ich hab's nicht so mit der Höhe, Josh.“ Stirnrunzelnd sieht er mich an. „Kein Fliegen, keine Höhe, nie gereist. Woher bekommst du denn deinen Nervenkitzel?“ Plötzlich werde ich traurig. „Durch nichts. Ich bin vorsichtig. Das hat mich das Leben gelehrt. Mein Nervenkitzel in letzter Zeit hat mir voll und ganz ausgereicht.“ Ich nehme meine Finger zur Hilfe und zähle auf. „Musste herausfinden, dass meine erste große Liebe mich betrügt, mich ewig nicht mehr geliebt hat, mich dann verprügelt hat, habe meinen Job verloren, ein Arschloch namens Jackson getroffen, wurde von einem Hund angefallen, habe einen atemberaubenden Mann kennen gelernt, bei dem ich jetzt arbeite, er beschenkt mich, ich erfahre von seiner Vergangenheit, sehr ausdrücklich, bekomme Eifersuchtsanfälle, stehe in der Zeitung, fliege, lasse mir durch seine Küsse den Boden unter den Füßen wegreißen, erfahre, dass er nicht weiß, was Liebe ist, sehe ihn fast vor mir verbluten, rase mit einem Sportwagen durch Paris, mit einem Bewusstlosen. Ja und nun soll ich auf den Eifelturm.“ „Dir fehlen ein paar Finger.“ „Ja.“ Bedrückt sieht er zu Boden. „Gib dir bloß nicht an irgendwas davon die Schuld,“ fauche ich. „Doch klar,“ sagt er achselzuckend. „Du fliegst wegen mir, verlierst den Boden unter den Füßen wegen mir, bist geschockt, weil ich keine Gefühle habe und wegen mir bist du eifersüchtig.“ „Jap und wegen dir gehe ich jetzt auf den Eifelturm.“

Kapitel 30

Der Nachmittag war wunderschön. Ich hatte zwar absolute Panik auf dem Eifelturm, aber Josh hielt mich fest und wir begannen Selfies zu machen, wo nur der Himmel hinter uns zu sehen zu sein schien. Das gleiche machten wir unten nochmal und ich bekam mein versprochenes Foto von ihm. Er war einfach unverschämt süß. Es war einfach nicht zu glauben, dass dieser Mann nicht lieben konnte, wo er doch so viel mehr für mich tat, als Liam. Ich stand gerade in der kleinen Küche und schälte Kartoffeln und Möhren. Josh hatte ich strengstes Küchenverbot erteilt. Er schaute irgendeine Dokumentation über Haie, wobei ich glaubte, dass er eingeschlafen war, da er sich seit etwa einer halben Stunde nicht mehr rührte. Ich machte Möhrenstampf, das einzige, was mir immer gelang. Dazu gab es Frikadellen. Es roch bereits herrlich, als Josh's Handy klingelte. „Josh?“ „Ja?“ Seine Stimme klang heiser und verschlafen. „Dein Handy klingelt.“ Sich die Augen reibend und gefährlich schwankend kam er zum Tresen und nahm sein Handy ans Ohr. „Dawson,“ murmelte er gähnend. „Hey, Ma, mir geht’s schon wieder besser. Ich hab meine Retterin und Krankenschwester direkt und immer um mich herum.“ Er lauscht. „Ja, sie ist perfekt.“ Ich schließe die Augen und rühre durch das Essen. „Es riecht köstlich,“ erklingt Josh's Stimme plötzlich nah hinter mit. „Das habe ich seit ich klein war nicht mehr gegessen. Meine Oma machte das häufig.“ „Ich hoffe es schmeckt dir.“ Er zieht mich in seine Arme. „Hast du gut geschlafen,“ necke ich ihn. „Mhm, mit dir hätte ich sicher besser geschlafen!“ Diese raue Murmeln an meinem Ohr macht mich wahnsinnig. „Wie machen wir das mit deinen morgigen Terminen?“ „Du musst leider zu allen mitkommen. Ich kann ja auch kaum etwas tippen, geschweige denn eine Maus bewegen. Alles was unterschrieben werden soll, muss warten. Aber ich habe heute Mittag schon einige nicht so wichtige abgesagt, damit du nicht böse wirst.“ Ich nicke und sage: „Gut gemacht, Boss.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Schläfe. „Darf ich den Tisch decken?“ „Ausnahmsweise, aber sei vorsichtig.“ Wir setzen uns zum essen an den großen, massiven Holztisch. Irgendwann fragt Josh: „Was ist mit deiner Mutter? Ich weiß nur, dass du deinen Vater hasst. Ist ihr was passiert?“ Ich schlucke einen Bissen hinunter und sehe ihn an. „Ich war noch sehr klein. Gerade dreieinhalb Jahre, als sie starb. Meine Geschwister waren neuneinhalb und elf. Es war ein Feuer, ausgebrochen in ihrem Nähzimmer. Direkt neben dem Ausgang. Direkt im Zimmer neben meinem. Ich erinnere mich kaum an sie. Wie auch? Und mein Vater sagte damals, dass ich mich glücklich schätzen könnte, mich nicht an diese Nacht zu erinnern. Denn meine Mutter verbrannte! Bei lebendigem Leibe. Sie hat die ganze Nachbarschaft zusammengeschrien, die dann schlussendlich die Feuerwehr riefen. Mein Vater war mit meinen Geschwistern einkaufen.“ Ich seufzte. „Meine Mum ist gestorben, qualvoll. Ich hatte nur eine starke Rauchvergiftung. Es war anfangs nicht klar, ob mein Hirn durch die Unterversorgung Schaden genommen hat. Solange mein Vater keine Gewissheit über meine Gesundheit hatte, hat Erik mir mal erzählt, hat er sich noch gekümmert und Sorge gehabt. Aber als ein Arzt ihm sagte, dass ich Glück hatte und alles in Ordnung sei, ab da hat er mir die Schuld gegeben.“ „Daran, dass deine Mutter starb? Was solltest du als Baby dafür können?“ Ich lachte bitter. „Hätte ich nicht geschlafen, hätte meine Mutter in ihrem Nähzimmer nicht die Türe geschlossen, damit ich schlafen kann. Und somit wäre sie aus dem Flammeninferno vielleicht entkommen.“ Ich senke den Blick und stochere in meinem Essen. „Du weißt aber doch, dass es nicht so ist, oder?“ Ich nicke leicht. „Aber seither gibt mein Vater mir das Gefühl, es sei besser, ich wäre auch gestorben. Auch wenn er mich mit Geld versorgt hat, als ich klein war. Aber er hat mir nie Liebe gegeben. Immer nur Verachtung. Abscheu, Schuld. Jedes Weihnachten, wenn er mich ansah, jedes Jahr, seit meinem 4. Geburtstag, an den ich mich genau erinnere, sieht er mich an, wenn wir uns Kopf an Kopf gegenüber sitzen und wirft mir die Schuldzuweisung still vor die Füße. Jedes Jahr Weihnachten kann ich nicht den köstlichen Braten unserer Haushälterin in New York essen, weil mir schlecht ist, heiß und mich maßlose Trauer und Wut durchflutet.“ Wieder seufze ich. „Vor zwei Jahren, als das mit Liam und mir noch ganz frisch war, wollte er unbedingt die Einladung, die jedes Jahr als Postkarte kommt, annehmen, weil er mir nicht glaubte. Er verstand nicht, dass mein Vater mich hasste.“ „Wer kann es ihm verübeln, du bist wunderbar.“ Ich zuckte die Achseln. „Es lief ab, wie immer. Alle freuten sich mich zu sehen. Die Hausangestellten, die Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen. Nur einer nicht. Mein Vater. Diesmal war er noch grantiger, weil ich einen Jungen dabei hatte. Er nannte mich eine dem Tod geweihte Schlampe, so dass jeder es gehört hat. Ich bin noch in der Nacht nach Hause gefahren. Mit dem Zug. Ohne Liam, weil er meinen Aufstand nicht verstanden hat. Seitdem habe ich kein einziges Wort mehr mit ihm gewechselt.“ „Schickt er dir Geld?“ Ich nicke. „Ich bin nicht mehr zu Hause, seit ich 15 Jahre alt bin. Meine Schwester zog beruflich her und wegen eines Mannes und ich bin einfach mit gegangen. Seit ich 17 bin wohne ich allein, dann mit Liam zusammen. Ich komme zurecht, versuche sein Geld nicht zu nutzen, auf eigenen Beinen zu stehen. Es landet auf einem Sparkonto. Das ich bisher nicht anrühren musste.“ Bitter lache ich auf. „Wer weiß, wie viel Geld sich da angehäuft hat. Meine Weihnachtsgeschenke bekomme ich, wenn ich auf die Karte nicht zusage, per Post. Seit ich auszog.“ „Wie sehen deine Geschenke aus?“ Ich lache wieder, noch bitterer. „Bügeleisen, Putzeimer, nur eine Karte? Es kommt wahrscheinlich ganz auf den Moment an, an dem er es los schickt. Er weiß nicht mal, wann ich Geburtstag habe.“ „Oh Mann und ich dachte mein Vater wäre ein Idiot.“ „Das ist er Josh, das ist er. Aber meiner kann sich mit einreihen.“ „Jetzt verstehe ich wieso du Marc nicht geglaubt hast.“ Langsam esse ich weiter. Wir schweigen das restliche Essen lang, räumen dann die Küche auf. „Wir haben direkt um acht Uhr einen Termin,“ sagt Josh, der hinter mir an der Theke lehnt und ein Glas Wein trinkt. Ich wische gerade den Herd sauber. „Dann gehen wir wohl gleich ins Bett.“


Die Stimmung ist von meinen Erinnerungen betrübt, aber Josh gibt sich alle Mühe mich auf andere Gedanken zu bringen. Wir albern herum, kuscheln und knutschen, während wir seine Serie schauen. Irgendwann bin ich wohl auf seiner Brust eingeschlafen, denn als ich meine Augen öffne, scheint bereits ein kleiner Sonnenstrahl durch die Jalousien. Josh ist verschwunden. Gähnend recke ich mich und tapse mit nackten Füßen nach unten. Küche und Wohnzimmer sind leer. Draußen ist er auch nicht. Ich sehe auf die Uhr. Halb sieben. Das Auto steht unberührt vor der Türe. „Josh?“ Entweder hört er mein Rufen nicht, oder er ist nicht da. „Josh?“ Diesmal rufe ich lauter. Ich bekomme Panik. Ich renne die Treppe hinauf, stoße mit dem Zeh feste gegen das massive Holzbett, während ich panisch mein Handy suche. Eilig wähle ich seine Nummer. Es klingelt, doch ich höre den Klingelton nicht. „Kätzchen,“ klingt seine Stimme aus dem Telefon. „Wo bist du verdammt nochmal?“ Er scheint zu stutzen. „Ähm, ich konnte nicht mehr schlafen und dachte ich hole uns Frühstück. Bin schon auf dem Weg zurück.“ „Kannst du mir nicht ne Nachricht hinterlassen oder so? Ich hab schon gedacht, du wärst verschwunden.“ „Ich habe dir eine Nachricht hinterlassen, Emily,“ erwidert er trotzig. „Unten auf dem Küchentisch.“ Ich laufe nach unten. Mein Zeh pocht, doch ich ignoriere es. „Da ist nichts.“ „Ich schwöre es dir, wenn du willst. Auf der dunklen Anrichte liegt ein grüner Kugelschreiber und daneben meine Nachricht.“ Ich suche nach dem Schreiber, entdecke ihn, aber keine Nachricht. „Da ist keine Nachricht.“ „Sieh mal auf dem Boden nach, vielleicht ist sie hinunter gefallen.“ Ich kann den Kies in der Einfahrt knirschen hören, weshalb ich auflege und mich hinunter beuge. Neben dem Mülleimer, in der hintersten Ecke liegt ein Zettel, mit Josh's Handschrift. Ich knie noch auf dem Boden, als Josh zur Türe hineinkommt, eine Jogginghose und passende Kapuzenjacke an. Er sieht mich finster an, doch ich springe auf und werfe mich ihm an den Hals. „Ich hatte solche Panik,“ sage ich mit zittriger Stimme. „Ich gehe doch nicht einfach weg, Kätzchen.“ Ich reibe meine Wange an seiner und genieße seine Wärme. „Komm, wir frühstücken.“


Die Termine verlaufen ohne Zwischenfälle, ich verstehe kaum etwas, aber lasse brav das Diktiergerät mitlaufen. Ich koche heute Abend wieder etwas, weil Josh sich nicht im Restaurant von mir das Fleisch schneiden lassen will, dass ich ihn größtenteils anziehen muss, sei ihm schon peinlich genug. Es gibt Salzkartoffeln mit Lachs, wobei ich nur hoffen kann, dass mir der Lachs gelingt. Ich habe meine Haare mit einem Holzlöffel hochgesteckt und Josh kommt aus dem Kellerraum, in dem er ein bisschen trainiert hat. Sein Shirt ist nass und klebt an ihm. „Schöne Frisur.“ „Danke, Boss.“ „Ich gehe eben duschen, schaffe ich das?“ „Wenn du dich dran hältst.“ Er hat mir eröffnet, dass wir nur noch bis morgen Abend hier sein werden und über Nacht muss ich mit ihm woanders hin fahren, weil seine Mutter das Haus braucht. Aber am Wochenende haben wir keine Geschäftstermine mehr. Wenn ich alleine bin und Zeit zum Nachdenken habe, sehe ich immer wieder sein Gesicht vor mir, höre seine Stimme, wie er mir beichtet, dass er nichts fühlen kann, beziehungsweise keine Liebe. Nicht weiß, wie sich das anfühlt. Seufzend drehe ich den Salat durch sein Dressing und platziere ihn auf dem Tisch. Im Fernsehen läuft eine der ersten Folgen Grey's Anatomie. Ich sehe gespannt zu, wie Meredith sich in McDreamy verliebt. Eilig kehre ich zum Herd zurück. Der Lachs sieht gut aus, zart rosa. Ich hole ihn aus der Pfanne, schneide eine Zitrone in Scheiben und lege jeweils drei Scheiben zum Fisch dazu. Neben den Fisch gebe ich die Kartoffeln, darüber eine scharfe Zwiebelsoße, die ich von meinem Bruder gelernt habe. Ich mag sie nicht so gerne, aber bisher jeder Mann. Als ich die Teller zum Tisch bringe, kommt Josh von oben hinunter, nur in einem weißen Shirt und Boxershorts. „Habe keine Jogginghose mehr.“ Seine Gesicht ist genervt. „Und eine Jeans kannst du nicht alleine anziehen, ich weiß.“ Ich schaue gebannt auf den Fernseher. Die ersten Staffeln waren noch gut, denke ich. Der Freitag vergeht durch zahlreiche Termine sehr schnell und am Abend essen wir in einer Baguetterie und fahren dann zum Haus. 

Kapitel 31

Schnell sind die Koffer wieder gepackt, alles was gebraucht war in der Wäsche oder bereits sauber. Wir steigen in das Auto von Josh's Mutter. „Braucht sie ihren Wagen nicht?“ Er schüttelt den Kopf, tippt dabei im Navi rum und sagt dann: „Sie kommt mit den Jungs. Dann nimmt sie den größeren Wagen.“ Es ist stockdunkel, aber Josh hält mich wach, indem wir uns unterhalten. Er erzählt von Schweden, wie toll die Winter da sind, das seine Mutter, als er klein war im Urlaub immer ein eigenes Rudel Schlittenhunde hat, von ihrem Vater, Josh's Onkel. Und, dass er es Seit zwei Jahren nicht mehr zu seinen Großeltern geschafft hatte. „Ich hab mir vorgenommen, dieses Jahr Weihnachten fahre ich hin.“ Er sieht mich von der Seite an. „Vielleicht willst du mitkommen? Dann kann ich dich meinen Großeltern vorstellen.“ „Gerne,“ sage ich, denke jedoch, wenn du das für eine gute Idee hältst. Nach etwa drei Stunden Fahrt, werden die Straßen schmaler und unbefestigter, die Beleuchtung verschwindet gänzlich. „Wo lässt du mich hier hinfahren?“ „Vertraust du mir nicht?“ „Doch, aber hier sieht es so nach irgendwo im Nirgendwo aus.“ Er lacht heiser. „Abwarten.“ Irgendwann sehe ich ein kleines Schild auf dem steht: Omaha Beach. Ein Strand? Okay… „Hier musst du rechts und dann da vorne, wo das kleine Licht brennt vor der Garage parken.“ Zielsicher lenke ich den Wagen auf die Einfahrt und drehe den Schlüssel. Josh lächelt und steigt aus. Ich folge ihm misstrauisch. „Willkommen im Ferien-Strandhaus meiner Mutter.“ Er stößt die hölzerne, grüne Türe auf und ich blicke in ein wunderschönes, gemütliches Häuschen. Josh zieht die Vorhänge im Wohnzimmer mühselig zur Seite und öffnet eine der gläsernen Schiebetüren. Die Luft ist trotz des dreistündigen Zeitunterschiedes deutlich wärmer, als in Paris. „Josh, das Haus,“ „Pssst,“ macht er und legt mir einen Finger auf die Lippen. Er schiebt mich vor die offene Schiebetüre. Ich kann Meeresrauschen hören. „Du wirst wohl morgen einen Bikini kaufen müssen. So warm wie es gerade heute in der Nacht ist, will ich auf jeden Fall mit dir zum Strand.“ Ich drehe mich zu ihm herum. „Und du wärst auch mit mir hier her gefahren, wenn wir nicht, nun ja, du weißt schon.“ „Wenn wir kein Paar wären, meinst du?“ Ich nicke und erröte, als er mich enger an sich zieht. „Ich hätte dir die Wahl gelassen und dich gefragt.“ Ich hebe meine Arme und lege sie um seinen Nacken. Um ihn nun zu küssen, muss ich mich auf Zehenspitzen stellen, da ich lediglich flache Schuhe trage. Wir küssen uns lang und leidenschaftlich. Für September ist es hier in der Tat noch ziemlich warm. Er nimmt mich mit zurück zum Sofa, lässt sich rückwärts, lachend darauf fallen und ich bin wie von Sinnen, als ich ihm nun das Shirt über den Kopf ziehe. „Ist doch viel zu warm.“ Er macht große Augen, lächelt aber dann, mit geschlossenen Augen. Ich lasse meine Hände über seinen Oberkörper wandern, erkunde jeden Zentimeter. Jedes kleinste Detail. Ich erspüre nicht ein Haar auf seiner Brust. Liam hatte zumindest Stoppel, von daher wusste ich, dass er sie rasierte. Tat Josh das auch? Oder wieso hatte er keine Haare auf der Brust. Er raunte leise und zog mich rittlings auf ihn. Nun war ich baff. Wir waren uns zwar oft nah gekommen, nachts, doch nur zum kuscheln und knutschen, mehr bisher nicht. Dass ich jetzt auf ihm saß und er nur eine Jeans, Boxershorts, Socken und Schuhe trug, ließ mich sofort prüde und verklemmt werden. Josh spürte, dass meine Bewegungen nicht mehr so forschend waren, sondern eher automatisch und öffnete die Augen. „Hey, alles ist okay. Langsam, haben wir gesagt.“ Er setzt sich auf und platziert mich auf seinem Schoß, wie früher mein Onkel Harry, wenn er mit mir Hoppe, Hoppe Reiter gespielt hatte. Josh küsste meine Stirn, meine Wangen, meine Kiefer, meine Lippen und setzte seinen Weg fort über die Seiten meines Halses. Rechts runter und links wieder hinauf. Er knabberte leicht an meiner Halsschlagader und ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, was ihn nochmals zubeißen ließ. Ich zuckte zusammen, stöhnte aber wieder leise. Unser Spiel wurde jäh beendet, als Josh's Handy unter meinem Oberschenkel zu vibrieren und zu klingeln begann. „Entschuldige,“ grummelt er, deutlich schlecht gelaunt. „Ma, alles in Ordnung?“ Ich rutsche seitlich von seinem Schoß hinunter und erkunde die Küche und die Elektrogeräte. „Nein, wir sind gut angekommen, alles in Ordnung. Hier ist es einfach nur heiß und trocken.“ Er lacht. „Danke.“ Dann macht er ein ernstes Gesicht. „Ich hoffe es. Bye.“ Er legt sein Handy auf den Tisch. „Ma fragt, ob wir gut angekommen sind, weil es wohl in Paris sintflutartig regnet und stürmt.“ „Oh,“ mache ich. Josh kommt auf mich zu. Er ist so viel größer als ich und auch breiter. Insbesondere seine Brust. „Wo waren wir?“ „Du wolltest mir das Haus zeigen,“ necke ich ihn. „Ach ja, jetzt, wo du es sagst?“ Er jagt mich spielerisch die Treppe nach oben, zeigt mir dann ganz in Wohnungsmakler-Manier das Haus. „Du kannst ein eigenes Schlafzimmer haben, wenn du willst.“ Ich sehe ihn an, kritisch. „Willst du das?“ „Nein,“ sagt er sofort. „Dann will ich es auch nicht.“ Er grinst schelmisch, bevor er mich mit seinem linken Arm packt und mich mühelos über seine Schulter wirft, so als würde ich nichts wiegen oder besser nicht mehr als ein Sack Kartoffeln. Er trägt mich protestierend in ein Zimmer rechts von uns. Es hat ein Erkerfenster mit einer Sitzbank davor und ein großes massives Holzbett, mit weißer Lackierung. Er wirft mich darauf und es knarzt leise. Ohne seine rechte Hand zu belasten lehnt er sich über mich, streift seine Schuhe ab und umfängt meine Lippen mit seinen. Ich lege meine Hände in seinen Nacken, umfasse ihn, spüre, wie er sich rhythmisch zu seinen Lippen bewegt, die Muskelstränge, die unter der Haut arbeiten. Seine Haut ist warm, weich, einfach toll. Sein weiches Haar kitzelt mich. Er fährt mit dem Daumen der rechten Hand an meinem Oberkörper vorbei. Ich beginne zu kichern. „Oh,“ haucht er an meinem Ohr, so dass eine Gänsehaut auf meinem Körper entsteht und mein Kichern sich in ein leises Stöhnen verwandelt. „Da ist jemand kitzelig.“ Und damit hat er seine Abendbeschäftigung gefunden. Er kitzelt mich, bis ich ihn anflehe es sein zu lassen. Keuchend liege ich unter ihm. Er sitzt mittlerweile breit grinsend rittlings auf meinen Beinen. Meine Hände liegen neben meinem Kopf und mein Oberteil ist hoch gerutscht. Er senkt sich hinab und küsst meinen Bauch. Sein kratzender Bartschatten hinterlässt ein elektrisierendes Gefühl auf meiner Haut. Ich ziehe ihn zu mir nach oben, weil er mich wahnsinnig macht und wir verfallen in einen stürmischen Rhythmus aus Küssen und Liebkosen.


Der nächste Morgen kommt und ich komme ins Schwitzen. „Wow, ist das heiß,“ keuche ich und küsse Josh auf die Lippen, der neben mir, verknotet mit meinen Beinen,, liegt. „Ja, das ist ja das schöne. Dann müssen wir dir wohl leichte Kleidung kaufen gehen,“ säuselt er. Lachend knuffe ich ihm gegen den Arm. „Du Spinner.“ Wir frühstücken Brot mit etwas Marmelade, weil es das Einzige ist, was wir haben, verschließen das Haus und fahren in die nächstgrößere Stadt. Ganz untypisch für mich, habe ich mir einen Dutt am Oberkopf gemacht. „Mir ist so heiß,“ stöhne ich. „Halt mal an.“ Ich fahre rechts ran. „Handbremse anziehen.“ Danach drückt er auf einige Knöpfe und das Dach fährt auf. „Tadaaa,“ ruft er, als es vollständig aufgefahren ist. Als wir nun am ShoppingCenter anhalten frage ich ihn, ob wir das Dach nicht wieder zu machen müssen. „Nein, geht schon.“
Es ist wirklich, wirklich heiß und wir haben einige Klamotten gekauft, die wir nun seufzend und keuchend zu dem Cabrio schleppen. „Jetzt noch einkaufen.“ Josh nickt grinsend. Als er mal kurz in einem Elektrogeschäft war, habe ich es mir nicht nehmen lassen im eine Figur zu kaufen aus The Walking Dead. Rick, der Sheriff. Ebenfalls habe ich einige knappe Outfits gekauft. Den Bikini haben wir zusammen ausgesucht.


„Mein Gott, endlich zu Hause,“ ruft Josh und lässt sich auf's Sofa fallen. Seine wuscheligen Haare hängen ihm feucht ins Gesicht. Ich lasse mich ebenfalls halb auf das Sofa, halb auf ihn fallen. „So, süßes Kätzchen,“ raunt er. „Jetzt machen wir uns einen Happen zu Essen und dann geht’s ab zum Strand.“ Ich lächle ihn verlegen an und er küsst mich erst langsam, dann drängender. Das Essen fällt klein aus, weil uns viel zu heiß ist und wir, also zumindest ich, anderes im Sinn haben. Nach dem Essen eile ich nach oben, reiße mir meine verschwitzten Klamotten vom Leib und schlüpfe in den Bikini und streife mir noch einen rosa Jumsuit über. Als ich nun nach unten komme, steht Josh bereits draußen auf der Veranda. Er müht sich ab mit der Frischhaltefolie um seinen Verband. „Komm ich helfe dir.“ Er nimmt meine Hand, nachdem ich ihm geholfen habe und führt mich ein Stück weit den Strand nach links herunter. Hin zu einer kleinen romantischen Bucht. Mich bedrückt der Gedanke, dass er schon mit seinen anderen Freundinnen hier war, ganz urplötzlich. Und bevor ich es verhindern kann, habe ich ihm dieser Frage gestellt. Nachdenklich nickt er. Hinter seiner großen, dunklen Sonnenbrille kann ich seine hellen Augen nicht ausmachen. „Mit Katie war ich zwei Mal hier. Ansonsten nur mit meiner Familie.“ Josh breitet eine Decke auf dem weichen, nahezu weißen Sand aus. Es ist wunderschön. Die Sonne brennt erbarmungslos von Himmel. „Jetzt lass mal was sehen,“ sagt er grinsend, während er sich auf die Decke nieder lässt. „Ich durfte ja mit aussuchen, aber nicht sehen. Also. Dann jetzt.“ „Ach, Mr. Dawson, das ziert sich aber nicht mit seiner Assistentin.“ „Na warte,“ raunt er, springt auf und läuft mir hinterher, als ich kreischend vor ihm davon laufe. Das Ende vom Lied ist, dass ich unter ihm begraben im Sand liege und er mich leidenschaftlich küsst. Jetzt ist mir nicht nur auf Grund des Wetters heiß. Mein Bauch schlägt Purzelbäume und mein Herz ist einer Ohnmacht oder einem Infarkt nahe. Ich kann mich nicht erinnern jemals so für Liam gefühlt zu haben. Wusste ich denn, was Liebe war? Er hilft mir auf, jedoch nur, um mit den Jumpsuit von den Schultern zu Streifen. Als er zwischen meinen Füßen im Sand liegt, macht er einen Schritt zurück. Er starrt mich an, seine Augen scannen mich förmlich und bleiben schließlich an den beiden Hauptargumenten für mich hängen, wie Liam sie immer bezeichnet hatte. Dann sieht er mir wieder ins Gesicht. „Du hast keine Ahnung, wie schön du bist, oder?“ Ich sehe zu Boden, absolut verklemmt. „Nein, nicht den Blick senken, nimm das Kompliment an. Du hast eine wundervolle Haut, einen tollen Körper.“ Er schiebt mich zurück auf die Picknick-Decke und wir tun das, was wir immer in den Nächten tun, bis wir einschlafen.  

Kapitel 32

Schwitzend kleben unsere Körper aneinander. Ich kann spüren, dass unser Tun bei ihm Wirkung zeigt und auch an mir geht das alles nicht spurlos vorbei. Mein ganzer Körper kribbelt. Ich kann nur noch an ihn denken. Kann mir nicht vorstellen, dass ich jemals wieder andere Hände auf mir spüren möchte. „Es ist so heiß,“ keuche ich. Aber mein Keuchen rührt nicht nur von der Hitze her und er weiß das und grinst wissend. Ächzend erhebt er sich und hält mir die Hände hin. Ich versuche nicht auf die Delle in seiner Schwimmhose zu achten und doch erröte ich, natürlich. Er zieht mich zum Wasser, hinein in das einigermaßen kühle Nass und wir können die Finger nicht voneinander lassen.


Als es langsam dunkel wird, packen wir unsere Sachen und gehen zum Haus zurück. Meine Lippen sind taub und kribbeln, da sie endlich wieder durchblutet werden. Ich werde rot, als ich an unsere verschlungenen Körper denke, wie sie da im Meer trieben. Es ist nichts außergewöhnliches passiert, außer, dass mir etwas klar wurde. Und zwar so klar, wie das blaue Meer, dessen Grund ich problemlos erspähen kann. Ich will Josh und zwar vollkommen. Nicht nur Knutschen und Kuscheln. Ich will alles, bis zum letzten Stück. Seufzend gehe ich hinter ihm her. „Schwächelst du?“ „Bitte?“ Er lacht. „Warst du geistig abwesend?“ „Kann schon sein,“ meine ich und schließe wieder zu ihm auf. Wir machen uns einen Salat zum Abendessen. Schauen einen Film im Fernsehen, okay, er läuft nebenher, bis wir schließlich das Licht löschen und nach oben gehen. „Wann fliegen wir zurück?“ „Morgen Nachmittag.“ Im Schlafzimmer ist es dunkel. Josh öffnet die Balkontüre, aber lässt das Licht aus, damit keine Insekten rein kommen. Perfekt, denke ich. „Willst du schlafen?“ „Mhm,“ mache ich und lasse mich im Bikini auf das Bett sinken. Josh schmeißt sich neben mich und macht eine kleine Nachttischlampe an. „Das war aber keine allzu ausführliche Antwort, Miss Pierce.“ „Ich hab ein Geschenk für dich,“ sage ich stattdessen. „Oh,“ gibt er von sich. „Und was?“ „Ich komme gleich wieder, Moment. Mach doch schon mal was im Fernsehen an.“ Ich verschwinde im Bad. Ein anderes Exemplar Dessous von Lisa dabei und die The Walking Dead Puppe in der Hand. Diese Dessous sind knapp uns äußerst sündig. Komplett aus Seide und Spitze. Sie umschmeicheln meine schmalen Hüften und betonen meinen üppigen Busen. Darüber ziehe ich ein ebenso durchsichtiges Nachthemd. „Lisa, du hast dich selbst übertroffen,“ sage ich zu meinem Spiegelbild, als ich nun meine Haare öffne und über meine Schultern fallen lasse. Ich übe vergeblich sexy auszusehen, so wie die Models auf den Fotos eine sexy Schnute ziehen und beschließe es bleiben zu lassen. Sinnlos. Ich hole tief Luft und gehe hinaus ins Schlafzimmer. Josh liegt mit dem Rücken am Kopfende des Bettes angelehnt da und schaut zum Fernseher. „Was hältst du von Spiderman, mit dem neuen Schauspieler?“ „Mir ist es Recht,“ sage ich leise. Gerade so leise, dass er sich zu mir umsieht und mich an den Türrahmen gelehnt da stehen sieht. Seine Augen weiten sich und er mustert mich wieder. „Bist du das Geschenk?“ Ich schüttle den Kopf und gehe auf das Bett zu, lasziv hoffe ich. „Nicht nur,“ hauche ich. Seine Augenbrauen zucken, als ich mich, am Bett angekommen, nach vorne lehne. „Hier, die hab ich heute entdeckt und wollte sie dir schenken. Ist nichts besonderes.“ Er nimmt den kleinen Sheriff in die Hand. „Wow, die ist handbemalt. Cool, danke. Rick ist echt der Beste, aber sag, Kätzchen, wenn das nicht alles ist, was ist der Rest?“ Ich steige zu ihm auf das Bett. Lege die Fernbedienung und die kleine Figur weg und setzte mich rittlings auf ihn. Das Kleid versuche ich einigermaßen sexy auszuziehen, obwohl ich keinerlei Ahnung habe, wie man so was macht. Nun sitze ich in Dessous auf seinen Oberschenkeln. Seine Hände liegen rechts und links neben meinen Unterschenkeln. „Ich schenke dir, mich!“


Er starrt mich an, Sekunden lang, dann eine Minute und scheinbar eine weitere. „Emily,“ haucht er. „Ich weiß nicht,“ „Schhh,“ mache ich und küsse ihn auf den Mund. Lehne mich gegen ihn. Zärtlich erkunde ich seinen Mund und streiche über seinen nackten Oberkörper, der immer noch so warm und weich ist, dass ich am liebsten nie wieder etwas anderes spüren würde. Josh rutsch mit mir auf sich hinunter, so dass ich nun vollständig auf ihm liegen könnte. Ich wandere haltlos mit meinem Lippen über seinen Hals, seine Brust. Immer weiter küsse ich mich hinunter, streiche mit meinen Händen über seine Arme, bis hin zu seinem Hosenbund. Ich nessele an dem Knopf herum, schaffe es schlussendlich ihn zu öffnen. Er hilft mir ihm die Hose auszuziehen, so dass er nur noch in ein paar dunkelblauen Boxershorts vor mir liegt. Ich erröte bei der Vorstellung, dass mich nur noch dieses Stück Stoff von seiner scheinbar beachtlichen Männlichkeit trennt. Unschlüssig, was ich nun tun soll, wage ich den Versuch mit den Händen über die Beule in seiner Unterwäsche zu streichen. Wahnsinn! Er ist warm und hart. Josh stöhnt und beißt sich auf die Lippen. Er bäumt sich auf und begräbt mich unter sich. Nun küsst und leckt er sich eine Spur über meinen Körper und ich spüre, wie mein Gesicht feuerrot anläuft und ich mich versteife, um nicht laut zu stöhnen oder zu winseln. Es fühlt sich einfach alles zu gut an. „Du fühlst dich so weich an,“ raunt Josh mit heiserer Stimme und bringt mich dazu lustvoll zu stöhnen. Seine Hände wandern ziellos und erfahren über meinen Körper. Er berührt meine Brüste, durch den dünnen Stoff des BH's sowie meine Mitte, bis ich fast durchdrehe und es in meinen Ohren nur noch rauscht. Ich zittere vor Verlangen, doch als ich nun sage: „Oh, Josh, bitte!“ und meine Hände zu seinen Shorts ausstrecke, hält er sie fest und erwidert atemlos: „Nein, ich weiß nicht. Das ist nicht richtig, das geht nicht. Nicht so.“ Dann setzt er sich auf den Rand des Bettes und stützt seinen Kopf in seine Hände. Erst verstehe ich nicht so Recht, was passiert ist und was er gesagt hat. Dann lässt das Dröhnen in meinen Ohren langsam nach, das Rauschen des Blutes verebbt. „Was?“ Meine Stimme ist atemlos. „Ich kann nicht, Emily, es tut mir Leid.“ Ich starre ihn entgeistert an, verdecke hektisch meinen Körper mit den Händen und ziehe dann die Decke höher. „Was heißt, du kannst nicht?“ „Dass es nicht richtig wäre. Ich weiß nicht, ob ich dich liebe und ich weiß ich würde dir weh tun. Es geht nicht.“ Langsam dringen die Worte zu mir durch. „Achso,“ erwidere ich atemlos, unfähig etwas anderes zu sagen. „Gut, dann schlafen wir.“ Ich bin wie betäubt. Von der Wärme, die vorhin meinen Körper durchflutet hat, ist nichts als eisige Kälte übrig geblieben. Und das Zittern, was nun von mir Besitz ergreift, hat nur was damit zu tun, dass sich eine mächtige Tränenflut meine Kehle hinauf bahnt. Ich drehe mich herum und lege mich hin, bis zur Nasenspitze zugedeckt. Ich bin enttäuscht, verletzt und einfach nur am Ende. Ich habe mich ihm hingegeben. Unerfahren, wie ich bin, habe ich allen meinen Mut zusammengenommen, weil ich ihn will, koste es was es wolle. Und er? Er hat nichts besseres zu tun, als mich von sich zu stoßen. Mich zurück zu weisen. Nicht zu können. „Emily?“ „Ja,“ hauche ich, weil ich zu mehr nicht fähig bin. „Du verstehst doch, oder? Ich will dich nicht verletzten. Es wäre nicht richtig, oder? Mit dir zu schlafen. Es wäre, als würde ich dich ausnutzen.“ Ich antworte nicht. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Nur mäßig kann ich ein Schniefen unterdrücken. Josh erhebt sich. „Ich,“ beginnt er stotternd. „Ich gehe unter die Dusche und schlafe wohl besser unten.“ Er beugt sich über mich und will mir einen Kuss auf die Stirn drücken, doch ich ziehe mir die Decke über den Kopf. Das würde ich nicht ertragen. „Emily,“ raunt er, als hätte er Schmerzen, doch ich nehme die Decke nicht mehr hinunter. Und als ich die Türe ins Schloss fallen höre und weiß, dass ich alleine bin, beginne ich hemmungslos zu schluchzen. Ich weiß, dass ich heute Nacht kein Auge zumachen werde. 

Kapitel 33

Ich bin wieder zu Hause! Kraftlos sinke ich an der Haustüre hinunter. Will niemanden sehen und niemanden hören. Jeder Schlag meines Herzens schmerzt. Das Blut, dass es durch meine Adern pumpt, fühlt sich an, wie Säure, die meinen Körper vertäzt. Ich habe einen säuerlichen Geschmack im Mund, seit heute früh nichts gegessen oder getrunken. Im Flugzeug habe ich so getan, als würde ich schlafen, weil ich Josh's mitleidigen Blick nicht ertragen konnte, mit dem er mich bedacht hat. Wieder laufen die Tränen einfach so, unaufhaltsam über mein Gesicht. Ich hatte gedacht, dass es schmerzhaft war, dass Liam mich betrog und wir uns getrennt haben. Aber das ist nichts, gegen das hier. Ich fühle mich durch und durch kaputt. Meine ganze Haut fühlt sich fahrig an und trocken. Meine Zähne schmerzen, das Zahnfleisch drückt. Ich fühle mich einfach nur krank. So krank, wie noch nie. Langsam schlurfe ich ins Bad. Das weiß in meinen Augen ist knallrot, beinah so, als hätte ich eine Bindehautentzündung. Sie wirken zudem glasig und so, als würden sie aus meinem Kopf hervorstehen. Die tiefen rot-braunen Ränder unter meinen Augen lassen mich wie tot erscheinen, da der Rest meiner Haut durchgehend weiß ist. Einzelne rote und blaue Äderchen sind zu sehen. Meine Nase ist angeschwollen und knallrot. Meine Lippen spröde, aufgeplatzt und ausgetrocknet. Morgen ist Montag und ich sollte wieder arbeiten gehen. Arbeiten für den Mann, der mich abgewiesen hat, für den Mann, der heute alles dafür getan hat, dass ich esse, trinke oder nur mit ihm rede, bis er es nach vier Stunden Flug schließlich aufgab. Auf dem ganzen Flug trank er Alkohol. Und sein Gesicht wirkte wie eine eiserne Maske, die keinerlei Emotionen zeigte. Ein Fahrer von J&D hat uns am Flughafen abgeholt und mich nach Hause gebracht. Bevor Josh sich hier unten vor der Türe meinen Koffer nehmen und ihn hoch tragen konnte, war ich bereits aus dem Wagen gesprungen und hatte ihn mir geschnappt. „Emily, bitte,“ hatte er geflüstert und ich hatte mit zusammengebissenen Zähnen geantwortet: „Danke, geht schon. Bis morgen, Boss.“ Dann war ich zum Haus geeilt, mit schmerzenden Armen und schmerzendem Herzen. Es klingelt an meiner Türe. Ich blicke durch den Spion. Es ist Kia, mit Joker. Er wedelt fröhlich. Ich schlucke und lege mir in meinem Kopf die Worte zurecht, die ich gleich hervorbringen will. Zitternd stoße ich die angehaltene Luft aus und öffne die Türe. „Hi,“ sage ich und Kia's Lächeln entgleist. „Was ist denn mit dir passiert?“ „Krank, Jetlag. Sieht toll aus, oder?“ Ich versuche gar nicht erst zu lächeln. Das würde mir eh misslingen. „Soll ich Joker noch was bei mir behalten?“ Ich kenne Kia nun lange genug, um zu wissen, dass sie misstrauisch ist. „Nein, nein, es geht schon. Frische Luft tut mir gleich bestimmt gut.“ „Er wollte unbedingt rüber, als er gehört hat, dass du in der Wohnung bist.“ „Ja, ein echter Freund.“ Joker schnüffelt an mit und drückt sich gegen mein Bein. Seine Wärme spendet zum einen sofort Trost, zum anderen erinnert sie mich an einen anderen warmen Körper und ich atme zitternd aus. „Na gut, dann geh ich mal wieder, bevor du mich ansteckst.“ Kia grinst, wünscht mir gute Besserung und betritt ihre Wohnung. Ich dagegen beschließe direkt mit Joker eine Runde zu gehen.


Die frische Luft verschafft mir in der Tat Besserung. Sie ist so beißend kalt, dass mein heißes Gesicht gekühlt wird und ich nicht mehr weinen kann, durch den schneidenden Wind. Mein Kopf wird ein wenig gelüftet. Du musst morgen arbeiten gehen. Zeig ihm, dass du stark bist. Verkrieche dich nicht schon wieder, hat dir das geholfen? Nein! Sei stark, vergiss ihn. So schwer es dir fällt und so perfekt er dir erscheint. Jemand der nicht lieben kann oder nicht weiß, ob er es kann und dich weg stößt, ist er der Richtige? Vielleicht, sagt mein Kopf. Herz und Bauch halten sich vollkommen raus. Sie sind verkrüppelt, vor den eigenen Kopf gestoßen. Eigentlich willst du nur, dass jemand alles für dich tut, für dich da ist, zu dir steht und dir das Gefühl gibt dich zu lieben und jemanden der treu ist. Vielleicht kann er all das tun? Es fühlte sich jedenfalls so an. Lass ihm Zeit, höre ich Lucas Stimme. Er liebt dich. „Da bin ich mir nicht so sicher,“ murmele ich, vergrabe die Hände tief in den Taschen und gehe weiter durch den dunklen Park. Zu Hause angekommen sehe ich, dass ich sowohl auf meinem Haustelefon Anrufe in Abwesenheit habe, als auch auf meinem Handy. Auf dem AB ist immer wieder die wütende Stimme meines Bruder, dann einmal ein versöhnlicher Ton von ihm. Meine Schwester, die sich nach mir erkundigt, weil sie ewig nichts mehr gehört hat. Auf meinem Handy sind Nachrichten von meiner Schwester und meinen Freundinnen. Aber ich bin nicht stark genug, für ein Gespräch, noch nicht. Ich schreibe in die Mädelsgruppe, dass ich zu Hause bin, aber der Jetlag mich absolut ausgelaugt hat und ich mich schlafen lege, dass wir uns morgen im Diner zum Abendessen treffen können. Meine Freundinnen, das wird mir sicher gut tun. Erzähle ich ihnen alles? Nein, das wäre zu hart für Josh. Unfair ihm gegenüber. Würde alles nur verkomplizieren. Kann mir nicht vorstellen, dass er es jemandem erzählt. Ich verabrede mich mit meiner Schwester zum Kochen für Dienstag und schreibe meinem Bruder, dass er ebenfalls kommen soll. Familie, auch eine gute Ablenkung. Ich blicke auf den Blackberry für die Arbeit. Drei Anrufe, einmal unbekannt, zweimal Josh und eine Sprachnachricht. Mit zitternden Fingern höre ich sie ab. „Hi Emily,“ höre ich seine raue Stimme, die von einem Zug geprägt ist, den ich nicht kenne. „wenn es dir wegen des Jetlags zu schlecht geht und du morgen früh zu müde bist, dann bleib ruhig zu Hause. Es wird helfen, wenn du etwas isst und Tee trinkst. Vielleicht nimmst du ein Bad.“ Ich denke fast die Nachricht ist zu Ende, als ich sein Seufzen höre. „Es tut mir so Leid. Ich habe dir nie weh tun wollen. Ich bin ein Idiot!“ Dann tutet es. „Einen Teufel werde ich tun.“ Ich bin zwar müde, aber nicht müde genug, also beschließe ich meinen Koffer auszupacken und schon mal die Wäsche zu sortieren, um sie morgen vor Arbeitsbeginn in die Maschine zu drücken. Dann überkommt mich mein Putzfimmel und im Handumdrehen ist die Wohnung blitzblank. Gegen halb elf lege ich mich auf mein Sofa. Joker springt zu mir hinauf und legt sich fest gegen meinen Kopf. Ich hebe ihn an und lege ihn auf seinen Bauch. Sein ruhiges Atmen, lässt mich wissen, dass ich nicht alleine bin und es spendet mir wirklich Trost. Mein Handy zeigt eine neue Nachricht und gleichzeitig Josh's Foto vor dem Eifelturm, dass ich als Sperrbild habe. Ich schlucke hart, greife danach und lese die Bestätigung für Dienstag von meinem Bruder. Seufzend gehe ich ins Menü des Smartphones und ändere das Bild von Josh ab, in eines von mir und meinen Freundinnen. Ich konzentriere mich, mit dem Handy fest an die Brust gepresst auf Jokers Atmung und schlafe irgendwann ein.
Schrill klingelt der Wecker in meinen Händen. Ich habe ihn sehr früh gestellt, weil ich noch einkaufen fahren muss, bevor ich zur Arbeit fahre. Ich sause ins Bad, putze mir eilig die Zähne, schlüpfe in bequeme Jeans und Fellboots, sowie einen dicken Pullover. Mein Blick fällt auf den Wäschekorb, der Blusen und Kostüme enthält. Ganz oben trohnt ein Hemd von Josh. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie es in meinen Koffer kommt, aber da ist es. Seufzend nehme ich den Korb, greife mir Körbe und Taschen zum Einkaufen sowie Jokers Geschirr und Leine. Ich pfeife nach ihm und er folgt mir die Treppe hinunter.


Völlig abgehetzt fahre ich auf den Parkplatz mit der Aufschrift, Assistenz Mr. J. Dawson. Mein Magen ist ein harter Ball und der säuerliche Geschmack in meinem Mund ist ebenfalls zurück. Ich habe Coffe to go getrunken, schwarz, um wach zu werden, habe mit viel Make-Up versucht alle Blessuren zu kaschieren. Nun stöckele ich mit Joker an der Leine und einer Papiertüte mit einem Bagel in der Hand in Richtung J and D. „Guten Morgen, Miss Pierce,“ ruft die rothaarige Empfangsdame. „Morgen,“ murmele ich und eile zum Aufzug. Die Türen schließen sich ratternd. Josh's Auto stand nicht auf seinem angestammten Platz, allerdings darf er wegen seiner Hand ja auch kein Auto fahren. Die Türen gleiten in meinem Bürobereich wieder auf. Ich löse Jokers Leine und gehe hinter ihm her. „Ja, ich verstehe sie, aber es ist mir leider nicht möglich,“ „Oh Gott, ein Hund,“ ruft ein Mann. „Oh, Mist.“ Ich eile um die Ecke. Josh steht an meinem Schreibtisch, mit einem Mann, der sich nun hinter meinem Schreibtisch versteckt. „Joker, komm her,“ rufe ich. Gemächlich trottet Joker zu Josh, reibt sich an seinem Knie vorbei, während dieser seinen Kopf tätschelt und komm zurück zu mir. „Entschuldigung.“ „Wieso ist der so groß?“ „Weil es ein Akita Inu ist. Die sind nun mal so groß,“ kontert Josh. Seine Stimme klingt nasal, beinah so, als wäre er verschnupft. „Ja, nun. Ich möchte bis morgen Nachmittag Ihre Meinung, ansonsten suche ich mir einen anderen Verlag.“ „Tun Sie, was Sie nicht lassen können, McBeal,“ sagt Josh arrogant, dreht sich dann zu mir herum und deutet zur Türe. „Sie wissen, wo Sie hinaus kommen?“ Das Gesicht des Mannes läuft rot an, während er hinter meinem Schreibtisch hervor kommt, immer noch Joker misstrauisch beäugend und verschwindet. „Tut mir Leid, nächstes Mal mache ich ihn erst hier los,“ sage ich und lege Joker auf seinem Sofa ab. „Nein, kein Problem,“ winkt Josh ab. „Ich hasse den Kerl.“ Josh seufzt. „Aber damit kommen wir zu deiner Tagesaufgabe. Erinnerst du dich an das Buch, dass du hier begonnen hast, Freitag?“ Ich nicke und bin stolz auf mich, dass ich es schaffe auf seinen Adamsapfel zu sehen und so zu tun, als würde ich ihn wirklich ansehen. „Killed by me.“ „Ja, genau.“ Er lehnt sich mit den Händen auf meinen Schreibtisch. „Würdest du das bitte bis heute Abend fertig überlesen und bewerten? Du hast ja gehört, er möchte meine Meinung.“ „Vielleicht solltest du es dann auch lesen, wenn er deine Meinung will,“ meine ich trotzig. Er zieht die Augenbrauen zusammen und erst jetzt sehe ich ihn wirklich an. Er wirkt müde. Sein Hemd ist zerknittert. Tiefe Schatten liegen unter seinen Auge und seine Haare sind im Gegensatz zu sonst auch auf der Arbeit durcheinander. „Deine Meinung ist mehr wert als meine. Du liest mehr als ich. Außerdem ist deine Meinung auch meine.“ Er sieht mich forschend an. „Geht's dir gut? Ich hatte dir für heute frei gegeben.“ „Vielleicht sollte ich dich das fragen, Boss?“ Sehr souverän, Em. „Ja, habe nicht gut geschlafen.“ Er seufzt und fährt sich durch's Haar, als auch schon Lucas um die Ecke stürmt. „Nachbesprechung eurer Reise? Jetzt?“ Er blickt mich an, dann Josh. „Ähm, Morgen Emily.“ „Morgen Lucas.“ Ich sehe auf den Terminkalender. „Du hast erst in zwei Stunden einen Termin.“ Josh nickt. „Danke, Emily.“ Er geht mit Lucas auf sein Büro zu und ich kann hören, dass Lucas zu ihm sagt: „Wie siehst du denn aus, was ist passiert?“ Dann dreht Josh sich zu mir herum. „Ich habe dir eine To-Do-Liste auf den Tisch gelegt. Aber erst das Buch, okay? Danke.“ Dann schließt er die Türe hinter den beiden und lässt den eisigen Hauch der Kränkung zurück. Zitternd atme ich aus und die Fassade droht zu bröckeln. Ich mache Kaffee, wie es sich für eine Assistentin gehört, stelle alles auf ein Tablett und klopfe förmlich an. „Ja,“ dringt Josh,s Stimme nach draußen. Ich öffne die Türe. „Dein Kaffee, Boss.“ Er lächelt mich gequält an. „Danke, Emily.“ „Und da ich nicht wusste, wie du deinen Kaffee trinkst, Lucas. Du findest alles hier auf dem Tablett.“ Ich stelle noch einige Kekse dazu. „Em?“ „Ja, Lucas.“ „Dank dir.“ Ich nicke und gehe. Sogar er schafft es die Kurzform meines Namens zu benutzen.

Kapitel 34

Es ist wahrlich angenehm für's Lesen bezahlt zu werden. Allerdings wird das Buch nach anfänglicher Spannung immer verrückter und abgedrehter. „Da hättest du so viel draus machen können, McBeal.“ Ich notiere eine ganze Liste von Sachen, die hanebüchen sind und absolut unpassend. Mitten in einem Krimi-Thriller plötzlich knapp zwanzig Seiten der ausgiebigen Selbstbefriedigung des Protagonisten zu widmen, ist völlig unpassend. Irgendwann geht Lucas. Josh legt mir noch einige Akten auf den Tisch und verabschiedet sich bis zum Vormittag. „Ich weiß, ich bin wahrscheinlich der Letzte mit dem du zu Mittag essen willst, aber, würdest du mit mir Mittagessen gehen?“ Er steht vor mir, wie ein kleiner Schuljunge, der seiner Mutter beichtet, dass er ihre guten Kaffeetassen zerbrochen hat. So, wie ich ihn lieben gelernt habe. „Natürlich, du kannst ja kein Autofahren. Soll ich einen Tisch reservieren?“ Seine Augen verdüstern sich. „Ja genau aus dem Grund,“ murmelt er. „Ja, such du ein Restaurant aus. Bis später.“ Damit zieht er sich seinen schwarzen Hugo Boss Mantel an und verschwindet. „Man könnte meinen er sei verletzt, Joker.“ Ich reserviere einen Tisch bei einem Griechen, den ich nur weiterempfehlen kann und lese weiter. Das Ende des Buches ist abrupt, ohne Sinn und absolut enttäuschend. So formuliere ich das auch in meinem Plädoyer, das ich kurze Zeit später bei Josh auf dem Schreibtisch ablege. Die Textdatei habe ich vorher bereits losgeschickt. Auf Josh's Bildschirm, der die einzige Lichtquelle in seinem Büro darstellt, läuft ein Bildschirmschoner. Seine Mutter wechselt sich ab, mit Lucas und ihm und seinen Geschwistern. Ich will gerade gehen, als ich ein mir allzu bekanntes Motiv erblicke. Mein Bewerbungsfoto huscht über den Bildschirm, gefolgt von mir und ihm in Paris. Es ist eines der Bilder, das auf dem Eifelturm entstanden ist. Er hält mich fest im Arm. Hinter uns ist nur der blaue Himmel und Paris zu sehen. Ich spüre, dass meine Unterlippe zu zittern beginnt, als noch ein Bild folgt. Josh der die Augen schmal zusammenkneift, neben mir, die eine Sonnenbrille trägt und einen leicht roten Hautton hat. Ein Bild von Omaha Beach. Die beiden Bilder hat er mit seinem Handy gemacht. Ich schlucke, schließe die Augen und beeile mich die beiden Tassen und das Tablett zu nehmen und zu verschwinden. An meinem Schreibtisch starre ich auf den bunten Terminplan. Das gerade gesehene, bringt meine absolut vorgespielte Entschlossenheit ins Wanken. „Sei professionell, sei stark,“ hauche ich. Das Klingeln des Telefons reißt mich aus meiner Trance. Ich setze eilig mein Headset auf und melde mich. „Montgomery Hospital, Dr. Misha, guten Morgen. Ich hätte gerne Mr. Dawson gesprochen.“ „Guten Morgen, Mr. Dawson hat einen Außentermin. Kann ich etwas ausrichten?“ „Nun, ich habe aus Frankreich letzte Woche Unterlagen bekommen, zu seiner Handverletzung und eigentlich hatte er heute morgen einen wichtigen Kontrolltermin, mit Röntgen und Bewegungstraining, um wirklich auszuschließen, dass keine Nerven verletzt wurden.“ Mir wird flau. „Oh, okay.“ „Nun ja, jedenfalls war es mir möglich den Termin auf heute um halb drei zu verschieben. Es ist wirklich sehr wichtig, dass er ihn wahrnimmt. Wenn etwas übersehen wurde, nun, wenn man so etwas rechtzeitig behandelt, dann kann man Bewegungseinschränkungen verhindern.“ „Ich werde ihn sofort über Handy informieren und mich zwecks Terminbestätigung wieder bei Ihnen melden.“ „Vielen Dank, Sie sind ein Engel.“ Ich dachte mit seiner Hand sei alles in Ordnung? Ich nehme meine Blackberry zur Hand und tippe auf die Kurzwahltaste 1. Es tutet. Dann meldet sich die Mailbox. Ich klicke auf den Termin in unserem Kalender, finde die Firma heraus, mit der er sich trifft und suche nach der Telefonnummer. Von der Dame an der Rezeption lasse ich mich mit Josh's Gesprächspartner verbinden. „Guten Tag, hier ist die Assistentin von Mr. Dawson, Miss Pierce. Ist er noch bei Ihnen?“ „Guten Tag, ja, er sitzt mir gegenüber.“ „Sehr gut, könnten Sie mich bitte weiterreichen? Entschuldigen Sie die Störung.“ „Ach was, von so einer netten Stimme werde ich gerne gestört.“ Der Mann lacht, dann höre ich, wie er sagt: „Für Sie.“ „Dawson?“ „Ich werde dir keine Szene machen, aber ich bin stinksauer, nur damit du es weißt.“ Er lauscht weiter. „Du hast deinen Termin verschlampt, deine Nerven im Krankenhaus kontrollieren zu lassen. Die Frau Dr. braucht eine Terminbestätigung für heute Nachmittag um halb drei. Da hast du keine Termine. Ich fahre dich hin. Ende der Diskussion. Verstanden?“ Er seufzt. „Ja, machen wir so, Emily. Entschuldige.“ „Hör auf dich ständig zu entschuldigen,“ fauche ich und lege auf. Ich atme tief durch. In mir herrscht ein Chaos aus Sorge und Wut. Eilig rufe ich die Ärztin zurück und bestätige den Termin. 
Ich kann mich kaum konzentrieren. Trotzdem bearbeite ich einige Akten, doch meine Sorgfalt lässt zu Wünschen übrig. Immer wieder muss ich korrigieren. Immer wieder bemerke ich, dass meine Gedanken abschweifen. Mein Handy vibriert beinah ununterbrochen, weil meine Freundinnen nicht mit meiner Funkstille über Manchester und insbesondere Paris zurecht kommen. Gegen halb eins taucht Josh auf. Sofort keimt meine Wut in mir hoch. „Hi, wollen wir los?“ „Wollen wir los? Sag mal, wann wolltest du mir sagen, dass das vielleicht doch alles nicht so harmlos ist, wie du mir das verkaufen wolltest? Und dann verpasst du noch einen wichtigen Kontrolltermin!“ Josh starrt mich gequält an. „Kann ich dir das während der Fahrt erzählen?“ Impulsiv packe ich meinen Mantel, nehme meine Tasche und meinen Schlüssel. Josh nimmt Jokers Leine. „Ich kann das selbst.“ „Nein, kannst du nicht.“ Bis wir am Auto sind reden wir kein Wort mehr miteinander. „So, dann erzähl mal,“ sage ich frostig, als ich die Türe zu schlage. „Okay, okay. Also ich hab es dir nicht erzählt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte. Die Ärzte in Frankreich haben nicht die Geräte der Ärzte hier. Ich wollte unbedingt noch diese Reise mit dir beenden. Eigentlich sollte ich direkt am nächsten Tag zurück nach Los Angeles.“ Ich schüttle den Kopf, bin völlig fassungslos. „Und dafür setzt du deine Gesundheit auf's Spiel? Die Beweglichkeit deiner Hand?“ „Ja, für dich. Damit du Paris siehst. Urlaub hast, deine Zeit genießt.“ Ich schnaube. „Toll, besonders vorgestern Nacht habe ich genossen. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt.“ Stille. Der Blinker klickt lauter denn je, als ich an einer Ampel an halte. „Es tut mir wirklich Leid, Emily und ich kann verstehen, dass du sauer bist.“ „Sauer?“, unterbreche ich ihn. „Ich bin nicht sauer. Ich bin enttäuscht, verwirrt und absolut verzweifelt. Ich bin genau das, was du nie wolltest. Ich bin verletzt. Du hast mich abgewiesen. Mich abgelehnt. Ganz ehrlich, das war so schlimmer, als wenn du es einfach getan hättest und dann irgendwann wäre dir aufgefallen, oh, das war falsch.“ Josh sieht in den Fußraum. Ich habe ziemlich laut geschrien und die Ampel ist mittlerweile grün. Jemand hinter mir hupt und ich fahre mit quietschenden Reifen an. Joker winselt leise. „Tut mir Leid, mein Dicker, ich wollte nicht laut werden,“ sage ich zu Joker. Dann linse ich zu Josh, der eine Hand in seinem dichten Haar versenkt hat. „Tut mir Leid, ich wollte nicht schreien.“ „Nein, du hast alles Recht dazu. Ich bin ein Idiot. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ „Das hast du. Aber, ach, ich weiß auch nicht. Du wolltest es doch versuchen.“ Meine Stimme ist nun leise und zittert. Ich biege auf den Parkplatz des Griechen ein. „Ich weiß,“ antwortet er kleinlaut. „Und das will ich auch immer noch.“ Ich seufze, als wir nun aussteigen und ziehe geräuschvoll die Nase hoch. Josh holt Joker aus dem Auto und steht urplötzlich vor mir. „Wirklich. Ich will es versuchen und ich wünschte ich könnte sagen, es ist alles okay. Es geht voran. Aber ich kann es nicht. Ich weiß nicht, was ich fühle. In mir herrscht ein Chaos.“ „Vielleicht wirke ich ja auch gar nicht auf dich.“ Er lacht bitter. „Du hast doch gesehen, was für eine Wirkung du auf mich hast.“ „Ich weiß aber nicht, ob ich nahtlos da weiter machen kann, wo wir aufgehört haben. Ich bin wirklich enttäuscht.“ Ich gehe hinein, als er mir die Türe aufhält. „Ahh,“ ruft der Besitzer des Restaurants aus. „Emily, dass du uns nochmal besuchen kommst.“ „Hallo Costa, ich hatte reserviert.“ „Ich dachte schon, dass du unser Essen nicht mehr magst.“ Der stämmige Grieche zieht ein trauriges Gesicht. Trotz der frühen Mittagszeit ist es brechend voll. „Für zwei?“ Ich nicke. Costa beäugt Josh und dann den Hund. „Okay, ihr bekommt einen Ecktisch.“ Er eilt vor uns durch den Laden. „Du scheinst öfter hier zu sein.“ Ich zucke die Achseln. „Weißt du, ich weiß auch nicht. Vielleicht bin ich dir nicht genug, vielleicht stellst du fest, dass ich dir nicht reiche.“ „Was meinst du damit?“ Costa stellt uns Ouzo und Brot mit Zaziki auf den Tisch. „Ich meine, dass du schon, na ja, ich,“ stottere ich. „Ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um mich dir so zu präsentieren, zwei Mal. Um dich so zu berühren. Ich hatte erst einen Jungen, mit dem ich zusammen war. Ich bin 21 Jahre alt. Vielleicht genüge ich dir nicht. Du hattest viel mehr,“ Ich seufze, auf der Suche nach dem richtigen Wort. „Erfahrungen.“ Er sieht mich ernst an. „Natürlich würdest du mir reichen. So ein Blödsinn. Außerdem kann man dich ja formen. Du bist ja nicht unbelehrbar.“ Wir schauen schweigend in die Karte, die ich meinerseits nach zwei Sekunden direkt wieder zu schlage. „Weißt du schon, was du nimmst?“ „Mhm,“ mache ich. „Ich habe gar keinen Hunger.“ Josh sieht mich tadelnd an. „Emily, iss. Deine Bageltüte lag schon unberührt da.“ „Ja, gut, dann weiß ich, was ich nehme.“ Ich weiß nicht, was ich sagen soll. „Lucas meinte, dass er dir geraten hat, dass du mir Zeit geben sollst?“ Ich nicke. „Ich hab ihm erzählt, was ich getan habe. Und er hat es ziemlich drastisch formuliert. Er sagte ich sei ein herzloser Vollidiot und wenn ich das mit dir versauen würde, dann wäre ich schön blöd.“ Wow, dachte ich. Er hatte es also doch Lucas erzählt. „Und ich muss ihm zustimmen. Dann wäre ich schön blöd. Ich war damals mit Katie bereits ein Idiot, aber du, du bist um Längen besser als sie. Du bist immer noch bei mir, obwohl ich die Karten auf den Tisch gelegt habe. Ich verdiene dich gar nicht.“ „Josh, nun musst du mir vielleicht Zeit geben und mir wirklich beweisen, dass ich dir wichtig bin und dir gefalle. Ich, in mir ist wirklich etwas kaputt gegangen. Es ging mir so schlecht. Es war schlimmer, als die Trennung von Liam. Diese Zurückweisung, vor allem weil ich dich wollte. Und dann auch noch, weil ich dir gesagt habe: Sollte das nicht funktionieren und der Moment kommen und ich beschließen, dass ich das so nicht kann, dann ist das mein Problem. Und du lässt es mein Problem sein, ohne dich um Kopf und Kragen zu bringen. Es ist mein Problem! Vielleicht, so wurde mir gestern Abend klar, vielleicht reicht es mir auch, wenn ich nur das Gefühl habe, geliebt zu sein, von jemandem, der mir treu ist und alles für mich tut, dem ich wichtig bin. Das ist wahrscheinlich mehr Liebe, als Liam mir je entgegen gebracht hat, obwohl er mir mal sagte, dass er mich liebt. Das sind nur Wort. Ich liebe dich kann man rein theoretisch zu jeder Straßenlaterne sagen.“ Josh's Augen sind geweitet. „Meinst du das Ernst?“ Ich zucke die Achseln. „Ich bin sehr durcheinander. Aber du hast schon mehr liebevolles für mich getan, als Liam je dazu in der Lage war. Was bringt mir dann ein: „Hey ich schaff's erst spät nach Hause. Oh, du hast das Essen fertig,? Ja, sorry. Aber ich liebe dich, Babe!“ Er grinst. „Babe?“ Wieder zucke ich die Achseln. „Er war Footballer und der Meinung er sei cool.“ Josh greift über dem Tisch vorsichtig nach meiner Hand und sein Gesicht ist nun wieder ernst. „Es tut mir wirklich alles so Leid. Ich wollte dich nicht verletzten, oder irgendwas kaputt machen. Ich gebe dir alle Zeit, die du brauchst und werde dir zeigen, wie wichtig du mir bist. Und das nach der kurzen Zeit. Ich wollte dich nicht abweisen. Mir ging es den ganzen Abend schlecht und ich war drauf und dran wieder nach oben zu kommen. Keine kalte Dusche der Welt hätte mir helfen können.“ Nun muss ich lachen und er lächelt es. „Ich will dass es klappt. Ich werde es so fest versuchen, dass es weh tut.“ „Okay und ich werde dir, wenn ich bereit bin, eine weitere Chance geben.“  

Kapitel 35

Wir sitzen in dem vollen Krankenhaus. Ich hasse Krankenhäuser. Ich war schon so oft im Krankenhaus. Sei es als Besucher, oder als Patientin. „Mr. Dawson, bitte.“ Josh erhebt sich und sieht mich erwartungsvoll an. „Soll ich mitkommen?“ Er nickt und streckt seine Hand aus. „Ich will keine Geheimnisse mehr vor dir.“ Lass dich nicht so schnell wieder in seinen Bann ziehen, mahnt mein Kopf. Ich folge ihm in den Raum, in dem Dr. Misha auf uns wartet. „Schön, dass Sie es noch einrichten konnten Mr. Dawson.“ „Ja, dank meiner liebreizenden Assistentin. Den Termin von heute morgen hatte sie nicht vorliegen und schon geht er mir dadurch.“ Josh sieht mich bei seinen Worten aufrichtig an. „Ja, so kann es gehen. Ich bin Dr. Misha,“ stellt sie sich mir vor. „Miss Pierce.“ „Ach die Assistentin. Müssen Sie Ihren Chef zwingen die Arbeit nieder zu legen?“ Sie lacht erfrischend laut. „Ja, so ungefähr.“ „Kommen Sie erst mal hier herein, zum röntgen. Alles was sie an Schmuck tragen können Sie hier herein legen. Ihre Assistentin und ich gehen solange raus, wie Sie ihr Hemd ausziehen. Ich komm dann nach ein paar Minuten rein, um das Foto zu machen.“ „Sie kann bleiben,“ sagt Josh gerade, als ich mich erhebe. „Auch gut.“ Die Röntgenaufnahmen sind schnell gemacht und ausgewertet. Es ist nichts am Knochen. Beim Bewegungstest werden kleine Akkupunkturnadeln in Josh's Hand gesteckt und er muss Bewegungen durchführen, die ein kleiner Monitor genaustens aufzeichnet. Immer wenn ich meinen Blick über den Monitor hebe, um Josh anzusehen, sehe ich, dass er Schmerzen hat, aber versucht tapfer zu sein. „So okay, das werten wir dann kurz aus. Ich hole eben neues Verbandsmaterial und eine Salbe gegen die Narben, die sie bitte zwei Mal am Tag auftragen.“ Er sieht mich nachdenklich an. Ohne eine Expertin zu sein, weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Manchmal schlug der Zeiger in den roten Bereich und manchmal in den grünen und der Ton, in dem die Ärztin mit ihm sprach, war der, den man benutzt, wenn einem Enkel gesagt wird, dass ihre Oma bald sterben müsse. Die Ärztin kommt zurück und verbindet Josh's Hand. Mir drückt sie die Creme in die Hand. „Sie haben eine Handtasche und sorgen wahrscheinlich besser dafür, dass er sie benutzt.“ Dann seufzt sie und schlägt die Akte auf. „Kommen wir nun zum Ernsten.“ Ich schließe die Augen. „Einige Bereiche ihrer Hand sind nicht voll einsatzfähig. Das kann zum einen durch die Schonhaltung kommen, da es sich aber besonders um Daumen und Mittelfinger handelt, also die Haupt-Greif-Finger, gehe ich eher davon aus, dass sie sich einen Nerv verletzt haben, der verhindert, dass Sie die Hand komplett fest schließen oder komplett öffnen können.“ Josh's Stirn runzelt sich. „Das bedeutet?“ „Er wird, wenn die Wunden komplett verheilt sind, nicht mal einen Stift halten können. Maximal ein Glas. Aber auch nur breite. Und am besten nicht schwer.“ Ich schlucke. „Aber sie sagten etwas von Therapien, wenn man das früh genug entdeckt?“ Sie nickt und schiebt sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Wir haben gute Erfahrungen mit Stromtherapie gemacht und allgemeiner Reha-Maßnahmen. Sei es das Massieren eines Anti-Stressballes oder mit einer Handhantel.“ „Wann könnte man mit der Stromtherapie beginnen?“ „Sobald die Hautwunden mit Wundschorf bedeckt sind. Dann werden wieder Akkupunkturnadeln eingesetzt und mit Strom werden die Nerven stimuliert. Dazu würde ich noch Massage aufschreiben. Aber bis dahin und auch während der Behandlungen dürfen Sie sich nicht überanstrengen. Versuchen Sie nicht krampfhaft einen Stift zu halten, das könnte Sie wieder zurück werfen.“ „Okay, ich mache mit Ihnen Termine aus, an denen Mr. Dawson kann, wenn der Schorf darauf ist. Natürlich nur, wenn er dazu bereit ist?“ Ich sehe Josh fragend an, der mich lächelnd ansieht. „Wie du es gesagt hast, so machen wir das.“ Ich lächele zurück. „Hätte ich meinen Chef so im Griff, dann wäre ich zufrieden. Also ich denke,“ beginnt sie lachend. „Dass ich Ende der Woche mit ihrem Anruf rechnen kann. Übungen mit Anti-Stressbällen oder leichte Massagen, wenn Sie die Narbencreme auftragen kann absolut nicht schaden. Aber nicht öfter als zwei Mal fünf Minuten pro Tag.“ Wir verabschieden uns. „Tja, schöne Scheiße,“ murmelt Josh und fischt sein Handy aus der Tasche, als wir vor dem Krankenhaus stehen. „Lucas?“ Er hört kurz zu. „Hör zu, ich kann dann erst mal auf unbestimmte Zeit nichts mehr unterschreiben. Oder ich muss anfangen mit links zu schreiben.“ „Ja, bis gleich.“ Seufzend hält Josh mich auf, als ich weiter gehen will. Ich sehe ihn mit großen Augen an und er zieht mich einfach wortlos an sich. Ich spüre das Beben seines Herzens, dass meins noch höher und schneller schlagen lässt. Ich erwidere seine Umarmung, wenn auch nicht so herzlich, wie sonst. „Danke,“ murmelt er an meinem Hals. Seine weichen Lippen an meinem Hals lassen meine Sicht verschwimmen. „dass du immer für mich da bist.“ Er schiebt mich von sich und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. Dann gehen wir zum Auto, indem Joker uns sehnsüchtig erwartet.


Nun habe ich Chef-Hol-und-Bring-Dienst. Es sei denn er muss früher anfangen oder länger machen. Ich habe ihn gerade bei sich zu Hause abgesetzt, wo er sich zu mir beugen wollte, um sich mit einem Kuss auf den Mund zu verabschieden. „Zu früh, Josh,“ habe ich da nur zu ihm gesagt. Er hat gequält gelächelt und ist ausgestiegen. Immer wieder kreisen nun auf der Rückfahrt meine Gedanken um ihn. Er sah aus, wie ein Häufchen Elend, stand den ganzen restlichen Tag neben sich. Lucas war zwei Mal bei ihm, bis sie ein Meeting mit ihren Vätern hatten. Ich habe den ganzen Nachmittag recherchiert, wie die Erfolgsaussichten bei solch Elektroimpulstherapien sind und bin einigermaßen zuversichtlich. Trotzdem, wie soll er sich alleine den Verband wechseln und die Creme, ach du Schreck, die Creme! Ich sehe auf meine Handtasche. Natürlich habe ich sie noch in meiner Tasche. Auch das noch. Na ja egal. Ich bin schon fast wieder zu spät, um mich mit meinen Freundinnen zu treffen. Fahre ich halt danach noch zu ihm. Ich habe für mich beschlossen, dass ich das private erst einmal etwas minimieren will, um zu sehen, ob ich wirklich so verliebt bin, wie es den Anschein macht. Auch ich brauche einen Moment, um in mich hinein zu horchen und zu sehen, ob ich Josh liebe oder was ich genau für ihn empfinde. Eilig stürme ich mit Joker die Treppen nach oben, löse mein Haar aus seinem Knoten und schüttle es über Kopf auf. Dann eile ich in Schlafzimmer und schlüpfe in eine rosa Jeans, graue, hohe Schnürboots und ein graues Fledermausshirt. Im Keller stelle ich fest, dass Kia meine Wäsche aufgehangen hat, die gute Seele. Ich muss ihr dringend mal wieder ein kleines Dankeschön mitbringen. Also renne ich mit meiner Handtasche, Handy, Autoschlüssel und Firmenhandy wieder nach oben, in Richtung Auto.


Zwanzig Minuten später, nach einer schier endlosen Parkplatzsuche, habe ich den Tisch der Mädchen endlich erreicht. Ich habe mein Laptop und die Kamera mit, um ihnen die Bilder zu zeigen. Doch die Stimmung am Tisch ist frostig, als ich mich außer Atem fallen lasse. „Tut mir Leid. Musste noch meinen Boss nach Hause fahren und er macht nicht so 100%ig Feierabend.“ „Wieso hast du uns nicht direkt angerufen?“ Cat sieht mich grimmig an. „Ähm,“ mache ich geistreich. „Dass Josh dich abgelehnt hat, wolltest du uns das überhaupt sagen?“ „Scheint dich ja nicht mitgenommen zu haben,“ kommentiert Cat. Nun mache ich große Augen. Die nächste halbe Stunde lasse ich weiter Beschimpfungen gegen mich und gegen Josh auf mich niederprasseln, bis Hailey sagt: „Hört auf, seht ihr nicht, dass sie mehr Make-Up als sonst trägt? Natürlich ist sie am Ende und ihr macht sie noch mehr fertig. Vielleicht wollte sie einfach mal alleine sein und etwas alleine entscheiden.“ „Danke, Hailey,“ sage ich kleinlaut. Sie hebt die Hände. „Ich heiße das überhaupt nicht gut, was er getan hat und hoffe, dass du dich nicht direkt wieder auf ihn einlässt.“ Ich berichte ihnen von den restlichen Gesprächen und meiner Entscheidung. „Lucas sagt, dass Josh ihn gestern Nacht noch total betrunken angerufen hat,“ fügt Cat irgendwann kleinlaut hinzu. „Er meint, dass Josh sonst nie über die Strenge schlägt, zumindest lange schon nicht mehr. Meint es sei ein gutes Zeichen.“ Wir quatschen noch und ich esse etwas. Dann fällt mir ein, dass Josh sich ja auch nichts kochen kann. Also bestelle ich einen Cheeseburger und Pommes zum mitnehmen. „Hast du noch Hunger?“ Lisa lacht. Und Hailey sieht mich kritisch an. „Das ist kein gutes Essen für einen Hund.“ „Das ist für Josh. Ich muss ihm noch seine Salbe bringen und hier diesen Anti-Stressball, den Liam bei mir vergessen hat.“ „Und schon rennt sie wieder zu ihm.“ Ich verdrehe die Augen. „Hört zu, ich hänge an ihm, aber ich weiß selbst nicht genau, wie viel er mir bedeutet. Ich kann euch nur sagen, dass das, was Josh mir angetan hat mehr weh getan hat, als die Trennung von Liam und sein Betrug.“ 

Kapitel 36

Langsam fahre ich den düsteren Kiesweg zu seinem Haus entlang. In einem der oberen Fenster brennt Licht. Als ich aussteige, ist es erst einmal düster und ich versuche meine Augen langsam an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ich klinge an der Türe, kurz darauf höre ich laute Schritte die Treppe herunter laufen. Dann wird die Türe aufgerissen. Josh steht verschwitzt vor mir, in einer grauen, kurzen Hose und mit nacktem Oberkörper. Um den Hals gelegt hat er ein Handtuch. Er sieht mich überrascht an. „Störe ich?“ „Du störst nie, komm rein.“ „Ich hab dir was mitgebracht,“ sage ich, als wir die Treppe nach oben gehen. „Ja? Was denn?“ „Deine Narbensalbe, einen Anti-Stressball und etwas zu Essen, weil ich ja weiß, dass du nicht kochen kannst, mit nur einer Hand.“ Seine Augen werden noch weiter. „Du hast an mich gedacht?“ Ich muss lachen, weil er so überrascht aussieht. „Ja, man stelle sich das mal vor.“ „Ich habe gerade Sport gemacht.“ „Das sehe ich,“ sage ich und muss schlucken, weil er halbnackt und verschwitzt vor mir steht. „Geh doch schon mal in die Küche, ich komme gleich.“ Ich leiste ihm Gesellschaft, während er das mitgebracht Essen förmlich hinunterschlingt. „Kann das sein, dass du Hunger hattest?“ Er nickt und trinkt einen Schluck Wasser, direkt aus der Flasche. Es läuft leise deutsche Musik im Hintergrund. „Puh, das war lecker! War das aus dem Diner?“ Ich nicke. Dann beschließe ich, dass ich Josh die Wahrheit sagen muss und erzähle ihm, dass Lucas so klug war Cat über Omaha Beach zu berichten. „Na toll, dann können deine Freundinnen mich noch mehr leiden.“ Sein Gesicht ist griesgrämig. „Ich hab sie beruhigt, so einigermaßen.“ „Indem du ihnen gesagt hast, dass du dich fern hältst?“ „Wäre ich dann hier? Wohl eher nicht, oder?“ Er nickt. „Ich habe beschlossen mich privat erst einmal etwas von dir fern zu halten. Denn auch ich brauche Zeit zu eruieren, was ich für dich fühle. Und wie viel.“ Wieder nickt er bloß und dreht die Flasche in den Händen. „Ist das okay für dich?“ Ich stehe auf und gehe zu ihm hinüber. „Wenn von mir fernhalten bedeutet, dass du mich jeden Abend so spät besuchst? Dann ja.“ Er lächelt mich an und fährt sich durch sein feuchtes Haar. „Also morgen Abend koche ich mit meiner Schwester für meinen Bruder. Mittwoch habe ich bisher noch nichts, Donnerstag gehe ich Abends ins Kino und Freitag,“ „Wollte ich eigentlich mit dir Essen gehen,“ unterbricht er mich. „Mhm,“ entgegne ich. „Eigentlich hab ich da schon was vor.“ „Na gut, wir gehen ja auch so oft es geht jeden Mittag essen, oder?“ „Ja und ich muss dir immer nach Feierabend oder davor den Verband wechseln.“ „Dann will ich Mittwoch was mit dir machen. Alles, was du willst.“ „Josh, das ist nicht privat von dir fern halten.“ Ich sehe auf seine Schuhe. Abgetragene Airmax. „Verstehe.“ Die Enttäuschung in seiner Stimme lässt mich aufsehen. „Was ist los, Josh?“ Seine aufrichtigen, blauen Augen sehen mich an. „Ich vermisse dich. Das ist los.“ „Du vermisst mich nur, weil du nicht mobil bist im Moment,“ winke ich ab. Er zuckt die Achseln und trinkt die Flasche komplett aus, während ich auf seinen Adamsapfel sehe, der sich bei jedem Schluck auf und ab bewegt. „Mit wem gehst du denn in Kino und welchen Film?“, fragt er erst wieder, als ich mich auf seinen Verband konzentriere. „Mit Hailey und Lisa in Pitch Perfect 2!“ „Okay,“ haucht er. Ich sehe auf. „Sei nicht so traurig, dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen.“ Er nickt, sieht mich aber weiter unverwandt an. „So, fertig,“ sage ich, als ich den Verband neu um seine Hand habe. „Danke,“ sagt er und sein Lächeln misslingt ihm. Er steht auf und räumt sein Besteck weg. Seine Schultern hängen und ich fühle mich plötzlich schlecht ihn nun einfach alleine zu lassen. „Hey, wie wäre es, wenn wir noch eine Folge The Walking Dead schauen, bevor ich fahre?“ Er sieht mich misstrauisch an. „Wirklich?“ Ich nicke und setzte mich auf das Sofa. „Hast du Schokolade da?“ „Ja, da in dem Schrank links von dir.“ Er kommt ebenfalls zum Sofa. „Was trinken?“ „Gerne,“ sage ich, als ich mir eine Tafel Schokolade aus dem Schrank genommen habe. „Was willst du? Cola, Wasser, Wein, Bier?“ „Hast du so ein Mixbier da?“ „Ja, mit Beeren.“ „Sehr gut.“ Ich nehme den ersten Schluck und sehe ihm zu, wie er mit der Fernbedienung hantiert und die aktuelle Folge heraussucht. „Weißt du, wenn du so Inkognito bist, Batman, dann mag ich dich am liebsten.“ „Ist dem so, Kätzchen?“ „Ja, dem ist so!“


Es ist nichts passiert, außer dass Josh mich häufiger angesehen hat und unsere Finger sich beinah berührten, aber nur beinah. Er umarmt mich zum Abschied und ich rieche den Geruch seiner Haut. Im Auto schließe ich die Augen und atme zitternd durch. Er hat Recht, ich vermisse ihn auch. Als ich die Augen wieder öffne, steht er immer noch in der offenen Türe. Ein dunkler Schatten vor hell erleuchtetem Hintergrund. Josh hat super viel zu tun die nächsten Tage und wir kommen kaum dazu uns zu unterhalten. Dienstag hat Lucas ihn nach Hause gefahren und versprochen seinen Verband noch zu wechseln, weil ich mich beeilen muss nach Hause zu kommen. Ella ist sehr traurig, dass sie meinen neuen Freund nicht kennen lernen darf, besonders als sie das neue Bild an meiner Fotowand entdeckt. „Wow, der ist ja wunderhübsch. Eine absolute Verbesserung. Und der ist auch dein Boss?“ Erik ist nur sauer und ich ahne, dass auch er Wind von der Aktion aus Omaha Beach bekommen hat, denn er lässt immer wieder anzügliche Kommentare fallen. Gegen halb zwölf verschwinden meine Geschwister und ich beschließe Josh zu schreiben. Eine kurze Zeit passiert nichts, dann schreibt er mir zurück. Es ging ihm soweit gut, außer, dass er vereinsamen würde. Ich denke an Freitag. Daran, dass Chris mich gefragt hat, ob ich mir ein Konzert von seiner Band ansehe. Ich will Josh das nicht sagen. Warum weiß ich nicht. Ich glaube, dass er sich aufregen würde. Mittwoch bekomme ich Josh nur auf der Hinfahrt zu Gesicht und danach nicht mehr. Abends sitze ich alleine zu Hause, war mit Joker laufen und lasse gerade eine Haarkur einwirken, nur im rosa Bademantel, als es klingelt. „Ja?“ „Ich bin es. Schick mich nicht weg. Ich habe etwas vom Griechen dabei und eine gute Flasche Wein. Empfehlung von deinem Freund. Bitte.“ Ich lächle und drücke die Türe auf. Eilig will ich ins Bad laufen, als Josh schon schnaufend vor der Türe steht. „Josh,“ tadele ich ihn. „Keine Sportarten, die den Puls hochtreiben.“ „Ich bin vollkommen außer Training, das,“ hält er nun mitten im Satz inne, als er erkennt,dass ich einen knappen rosa Bademantel trage. „Komm rein, es wird kühl.“ „Ich kann auch wieder gehen, wenn ich unpassend komme.“ „Wenn du schon extra mit den Taxi her kommst, dann schicke ich dich sicher nicht weg.“ Lächelnd kommt er hinein und schließt die Türe. Joker kommt ihn freudig mit hängender Zunge begrüßen. „Warst du laufen?“ „Jap,“ rufe ich ihm aus dem Bad zu. „Ich decke schon mal den Tisch.“ Als ich nun vollständig bekleidet, mit einem Rock, einer Strumpfhose und einem schwarzen, leicht durchsichtigen Shirt zurück kommen, schaut Josh sich gerade unser Foto an meiner Fotowand an. „Das ist hübsch geworden.“ „Fast so, wie das, was du als Bildschirmschoner hast,“ erwidere ich und lehne mich in den Türrahmen. Er dreht sich zu mir herum. „Du stellst mich verdammt auf die Probe,“ raunt er. Ich lächle schräg. „Komm Casanova, essen wir was.“ Wir essen, trinken Wein und schauen The Walking Dead. Er erzählt mir einige lustige Geschichten von Lucas und sich. Und was sich so Tratsch-Mäßig in der Firma tut. Bei einer Geschichte halte ich mir vor Lachen den Bauch und rutsche zu ihm. Mein Kopf landet auf seiner Brust. Ich sehe auf, als ich inne halte, in meinem Lachen. Josh scheint erstarrt zu sein. Mein Herz jubiliert und in meinem Bauch starten die Schmetterlinge ihren Höhenflug. Ich gebe dem Impuls nach und küsse ich auf den Mund. Er schließt sofort die Augen und zieht mich fester an sich. Der Kuss ist lang und zart. Und ich verliere mich völlig in ihm. 

Kapitel 37

Ein Winseln weckt mich. Blinzelnd öffne ich die Augen. Joker hockt vor mir auf dem Boden. „Oh Mist, ich bin auf dem Sofa eingeschlafen. Ich halte inne, ich bin nicht alleine. Langsam sehe ich an mir hinunter. Eine verbundene Hand liegt über meiner Hüfte. „So viel zum Thema privat fern halten, Emily Mia Pierce.“ „Redest du häufiger mit dir selbst?“ Seine Stimme ist rau und er gähnt herzhaft. „Wir kommen zu spät zur Arbeit,“ rufe ich, als ich auf die Uhr schaue. Es ist sieben. „Ich beeil mich.“ Er lacht laut. „Ich bin mein eigener Chef, ich kann arbeiten wann ich es will.“ Kopfschüttelnd gehe ich ins Bad und komme nicht umhin festzustellen, dass Josh's Laune besser wirkt. Schuldbewusst sehe ich in den Spiegel. Ich kann ihm das mit Freitag nicht sagen, er würde es nicht wollen, aber ich habe es Chris versprochen. In Windeseile habe ich mich einigermaßen fertig gemacht, angezogen und hetze Josh, dass er sich beeilen soll. Um kurz vor neun betreten wir die Firma und jeder sieht uns seltsam an. „Oh Gott, das ist ja wie ein Spießrutenlauf.“ Josh grinst breit. „Hör auf zu grinsen.“ „Wieso, erzählst du mir jetzt, dass du immer noch Abstand willst?“ Sein Grinsen schwindet, als ich nicht sofort antworte. „Ich denke es wäre besser, ja.“ „Okay,“ sagt er eisig und verschwindet schneller aus dem Aufzug, als dass die Türen vollständig auf gleiten können.


Im Kino ist es lustig, aber direkt nach dem Film fahren die beiden nach Hause. Also bin ich recht früh zu Hause. Beim Blick auf mein Handy stelle ich fest, dass Chris sich erkundigt, ob es dabei bleibt, dass ich alleine komme. Ich bejahe und sende es ab. Widerstrebend schreibe ich Josh, frage, ob er seinen Verband wechseln lassen hat und ob ich morgen seine Termine für die Elektroimpulstherapie machen soll und ihn morgen früh abholen soll. Erst zwei Stunden später schreibt er: „Ja, ja, nein. Danke.“ Oh, denke ich. Er ist sauer. In dieser Nacht habe ich Albträume davon, dass Josh im Sterben liegt und ich vorher zu ihm sagte, dass es wohl besser wäre, wenn wir uns privat weiter aus dem Weg gehen. Dementsprechend bin ich absolut fertig am Casual-Friday und erst recht, als ich erfahre, dass Josh sich für heute krank gemeldet hat. Und das erfahre ich auch noch von Emma, der rothaarigen Empfangsdame, die mich fies angrinst.
In einer schwarzen Röhrenjeans und einem langen lila Top, mit einem Gürtel drüber, fahre ich los zum Konzert. Der Hauptsänger der Band ist ziemlich süß. Sein Name ist Jamie, er ist strohblond, hat ein blaues und ein braunes Auge und einzelne Tattoos auf seinen drahtigen Armen. Ich trinke mit den Jungs noch etwas und fahre dann schließlich gegen halb drei nach Hause. Immer wieder sind meine Gedanken zu Josh geschweift, dem ich mitten während dem Konzert eine Nachricht geschrieben habe, warum ich über Miss Verkniffen erfahren muss, dass er krank sei. Ich beschließe, dass ich am Morgen ganz früh zu ihm fahre, als ich an meinem Haus um die Ecke biege und das Aufgebot an Polizei und Feuerwehr sehe, dass vor dem Haus steht. „Was ist passiert?“ „Eine Frau ist die Treppe hinunter gefallen. Sieht nicht gut aus. Wohnen Sie hier?“ „Ja,“ hauche ich. „Oh Gott, Kia. Du warst es nicht,“ rufe ich aus, als ich meine Freundin und Nachbarin erblicke. „Nein, aber deine Schwester.“


„Ella,“ rufe ich aus. „Was machst du denn für Sachen?“ „Ich wollte nach dir sehen, weil niemand etwas von die gehört hat. Und Lucas hat erzählt, dass auch niemand ein Lebenszeichen von Josh gehört hat. Wir haben gedacht, dass euch etwas passiert sei und dann habe ich mich beeilt die Treppe hoch zu kommen und hab irgendwie das Gleichgewicht verloren.“ „Sie hat sich ein Bein gebrochen. Bis das verheilt ist, wird sie bei mir wohnen. Vielleicht willst du auch einziehen?“ „Nein, du schaffst das schon, du hast ja Hausmädchen.“ „Sie hat noch eine Gehirnerschütterung, aber das scheint alles zu werden.“ „Oh Gott, Kind,“ höre ich eine vertraute Stimme, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. „Daddy,“ sagt Ella und Tränen treten in ihre Augen. „Ich komm dich morgen wieder besuchen,“ sage ich und hauche meiner Schwester einen Kuss auf die Stirn. „Warte Emily,“ sagt mein Vater, doch ich will mich an ihm vorbeischieben. Er hält mich fest. „Ich habe Jahre auf dich gewartet, Vater,“ spucke ich ihm die Worte vor die Füße und verlasse das Krankenzimmer. „Em, wo warst du?“ „Auf dem Konzert von Chris.“ „Wir können Josh nicht erreichen und zu Hause machte laut Lucas niemand auf. Weißt du was?“ Ich schüttle den Kopf und bin augenblicklich alarmiert. „Ich werde ihn suchen.“ Ich halte mich kaum an Verkehrsregeln und achte auch kaum auf ebendiesen. Zuerst fahre ich an seinem Haus vorbei, klingele, hämmere gegen die Türe. Nichts rührt sich. Immer wieder versuche ich ihn anzurufen, bis direkt die Mailbox ran geht. „Scheiße, Emily, was hast du getan?“ Es regnet mittlerweile in Strömen, als ich vor dem Haus am See aus dem Wagen springe. Auch hier ist alles dunkel. Aber ein Fahrrad, dass an einem Baum lehnt, lässt mich hoffen. Ich hämmere auch hier gegen die Türe, rufe immer wieder kreischend seinen Namen. Ich bin nass, bis auf die Haut. Plötzlich gibt die Türe nach und schwingt einen Spalt auf. Ich löse die Kette und öffne die Türe ganz. „Josh?“ Ich habe Angst, zittere vor Kälte und Aufregung. Ich mache das Licht an und blinzele gegen die plötzliche Helligkeit. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Es stinkt nach Alkohol, beißend, so wie der Reinigungsalkohol in einem Krankenhaus. Ich schlucke, bevor ich nochmal seinen Namen rufe. Leere Flaschen liegen auf der Küchentheke und eine halbvolle, die umgekippt ist, verteilt ihren Inhalt auf dem Boden. Ich stelle sie auf und sehe im gleichen Moment die alten Airmax hinter dem Sofa hervorlugen.

 


Ich eile zu ihm, werfe mich neben ihm auf die Knie. Er ist bleich und stinkt nach Schnaps. „Josh,“ rufe ich weinend und schüttle ihn. Sein Handy hält er in der linken Hand. Ich fühle seinen Puls. Gott sei Dank, er lebt. Panisch greife ich zu meinem eigenen Handy, weil ich absolut ratlos bin, was ich tun soll. Ich wähle Lucas Nummer. „Emily? Dir geht es gut, oder?“ Er klingt gehetzt und ich kann meine Mädels im Hintergrund hören. „Ja, ja, mir geht’s gut, aber Josh, Lucas,“ schniefe ich ins Telefon. „er ist im Haus am See, komm schnell. Hier ist überall Alkohol. Er ist nicht bei Bewusstsein. Bitte!“ Ich weine nun und kann nicht mehr sprechen. Zitternd presse ich das Smartphone an mein Ohr. „Ich komme, bleib da!“ Dann ist die Leitung tot. Unwissend, was ich tun soll, ziehe ich Josh's Kopf in meinen Schoß und streiche weinend durch sein dichtes Haar. Er ist so bleich und rührt sich keinen Millimeter. „Was hast du nur getan?“ Meine Stimme ist nur noch ein heiseres Jammern. Ich bin unfähig mich mehr zu bewegen, als sein Haar zu streicheln. Ich höre Lucas Auto von weitem, Kies fliegt in alle Richtungen, als er vor dem Haus bremst. Ich zittere vor Kälte und Panik. Ich fühle mich taub und doch voller Schmerz. „Emily?“ „Hier hinten,“ hauche ich mit krächzender Stimme. Lucas kommt um die Ecke gerannt. Sein Haar klebt ihm nass am Kopf, genau, wie seine Kleidung. „Wir haben schon den Notarzt her bestellt.“ „Oh Gott,“ höre ich Cat. „Wenn er das alles getrunken hat...“ Sie lässt den Satz unbeendet. Es rauscht in meinen Ohren. Ich bemerke nur, wie Hailey und Lisa mich von ihm wegziehen und mich stützen. Der Notarzt leuchtet mir in die Augen und fragt mich etwas, doch ich kann ihn nicht verstehen. Mein Blickfeld schrumpft, wird immer kleiner und kleiner, bis es schlussendlich finster um mich wird. 

Kapitel 38

 Jemand streicht mir mit etwas kaltem über die Stirn. Stöhnend und blinzelnd öffne ich die Augen. Ava sitzt über mir. Neben ihr im Halbkreis die anderen drei Mädchen. „Süße, wir wollen nicht mit Vorwürfen anfangen, aber wieso hast du uns nichts gesagt? Niemandem was gesagt, dass du zu diesem Konzert gehst?“ Ich zucke die Achseln und merke, dass eine Nadel in meinem Arm steckt, die unaufhörlich Flüssigkeit in meinen Adern laufen lässt. „Das ist NaCl und Vitamine. Nichts schlimmes. Du warst völlig unterkühlt und bist zusammengeklappt. Wann hast du das letzte Mal was gegessen?“ Ava sieht mich tadelnd an und auch die anderen Gesichter sind unglücklich. „Es tut mir Leid.“ Abrupt setze ich mich auf. „Wo ist Josh?“ Mein Schädel dröhnt und Hailey drückt mich zurück in mein Kissen. „Er liegt drei Zimmer weiter. Schläft seinen Rausch aus. Man hat ihm den Magen ausgepumpt. Er hatte ungefähr 4 - 5 Promille.“ „Aber sonst nichts, keine Drogen, kein Gift, keine Tabletten.“ Lisa nickt. „Nur kein Essen und Schnaps jeglicher Art. Es ist wohl ein Wunder, dass er es heil mit dem Fahrrad bis zum Haus geschafft hat.“ Cat sieht mich aufmunternd an. Lucas ist bei ihm und sagt sofort Bescheid, wenn er aufwacht.“ „Wieso hat er das getan?“ „Das kann ich dir vielleicht beantworten.“ Mein Bruder lehnt im Türrahmen. „Chris hat mich gerade eben angerufen und vom Auftritt erzählt und das du da warst, aber nicht Bescheid gesagt hättest, ob du zu Hause angekommen seist. Daraufhin habe ich ihm erzählt, dass ihr auf der Suche nach Dawson seid. Nun,“ führt Erik aus. „er hat ihn gestern Abend getroffen, im Studio, wo die beiden trainieren und beim anschließenden Saunagang kam die Sprache auf dich. Chris hat ihn wohl gefragt, wie du dich so anstellst, bei der Arbeit. Er hat dich nur gelobt und gesagt, dass er sich keine bessere für den Job vorstellen könne.“ „Komm zum Punkt, Pierce,“ keift Ava. Er funkelt sie wütend an. „Na ja, jedenfalls hat Chris dann erzählt, dass er sich total auf Freitag freuen würde, weil er sich mit dir trifft. Schätze das wird das Ego deines Bosses etwas zerbeult haben.“ „Er hat nicht gesagt, dass ich mir sein Konzert ansehe? Sondern mich mit ihm treffe? Alleine?“ Erik zuckt die Achseln. „Den genauen Wortlaut kann ich dir nicht wiedergeben, aber so wie ich Chris kenne hat er geprahlt, also ja. Ich hab ihm gleich erzählt, was mit Dawson passiert ist und glaub mir, er hat ein schlechtes Gewissen, denn er mag ihn mehr als ich.“ „Erik,“ höre ich schon Chris' weiche Stimme, leicht atemlos. Wie eine Furie springe ich aus dem Bett, reiße den Tropf aus meinem Arm und werfe mich auf Chris. „Wie konntest du nur? Wie konntest du ihm sagen, dass wir uns alleine treffen, das ist eine Lüge! Ist dir klar, was alles hätte passieren können?“ „Au, Em, ich hatte doch keine Ahnung. Autsch, hör auf mich zu kratzen. Ich wusste nicht, dass da was zwischen euch ist.“ Erik packt mich um die Taille und zieht mich von ihm weg, wütend schlage ich weiter um mich. Blut quillt aus meiner Armbeuge, ein Fingernagel ist eingerissen. Der Lärm lockt eine Schwester und einen Arzt an. „Also bitte, das ist ein Krankenhaus, was ist denn hier los?“ „Holen Sie mir 10mg!“ Weil ich mich immer noch nicht beruhige, als Erik und Chris mich mit aller Kraft auf das Bett drücken, wird mir eine Spritze in den Oberarm gedrückt. „Was alles passieren konnte,“ hauche ich noch, dann drifte ich weg.


Es ist düster in dem Zimmer, in dem ich liege. Diesmal bin ich alleine. Der Tropf ist wieder an Ort und Stelle und diesmal fest verklebt. Ich kann mich kaum rühren, weil meine Arme mit Lederriemen ans Bett geschnallt sind. Ich lache laut auf und muss zugeben, dass ich mich selbst erschrecke, wie irre ich klinge. Vom Flur aus strömt Licht durch ein kleines Fenster und schließlich wird sie geöffnet. „Em?“ Hailey steht in der geöffneten Türe, das kann ich an ihrem wüsten Haarschopf erkennen. „Wie geht es dir?“ „Schlecht, fühle mich wie im Irrenhaus.“ „Man hat dich auch zu deiner eigenen Sicherheit festgeschnallt.“ „Wie lange war ich weg?“ „In etwa drei Stunden.“ Hailey flutet den Raum mit Licht und ich blinzele. „Und Josh?“ „Noch nicht wach.“ Seufzend liege ich da und starre an die Decke. „Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ „Du hättest ihm die Wahrheit sagen sollen.“ Ich nicke. „Hinterher ist man aber immer schlauer, wie du weißt.“ Hailey setzt sich auf mein Bett. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie schlecht aussieht. Verweint. „Süße, was ist los?“ „Nichts, das kann warten. Da haben wir noch Zeit für.“ „Nein, du siehst furchtbar aus. Geht es dir nicht gut?“ Ich versuche mich etwas aufzusetzen, gebe den Versuch jedoch bald wieder auf. „Heute war kein guter Tag.“ Ich bedeute ihr weiter zu sprechen und sehe, dass ihre Augen sich mit Tränen füllen. Behutsam greife ich nach ihrer Hand. „Erinnerst du dich an die erste Party, die Lucas geschmissen hat?“ Ich nicke, natürlich, da habe ich erfahren wer Josh ist und er hat mich ins Krankenhaus zu Erik gefahren. „Naja,“ beginnt sie und ihre Stimme zittert, gefährlich nahe davor zu brechen. „Ich hab da einen Typen getroffen, den ich mal über das Internet kennen gelernt hatte. Pete. Und nun ja, er war echt süß und charmant und ich mache so etwas sonst nicht. Aber damals hab ich ihn mit zu mir genommen.“ Ich habe eine Befürchtung, wo dieses Gespräch hin führt und packe Hailey's Hand fester. „Das Kondom muss gerissen sein, ich weiß auch nicht. Weil ich keinen Freund habe nehme ich keine Pille, weil, du weißt schon, sie noch größer werden und nun, heute ist mir dann aufgefallen, dass ich überfällig bin. Bei all dem Stress in letzter Zeit hab ich das darauf geschoben. Aber heute bekam ich Panik.“ Sie seufzte und eine Träne rinnt über ihr Gesicht. „Ich hab nen Test gemacht und der war positiv. Ich bin schwanger,“ endet sie zitternd. Ich bin absolut sprachlos. Hailey ist 23 Jahre alt. Nicht zu jung, also. Aber das ihr, der Vernünftigen von uns, das passiert, das hätte ich nicht gedacht. Sie schluchzt nun hemmungslos. „Mach mich los, Süße. Ich muss dich trösten.“ Mit zitternden, nassen Fingern löst sie die Gurte. Sobald ich frei bin, setze ich mich auf und presse sie an mich. „Ich weiß nicht mehr weiter.“ „Wir finden eine Lösung, alle helfen mit. Hast du es dem Vater schon gesagt?“ Sie schüttelt den Kopf. „Er wird mich verfluchen. Mich für dumm halten.“ „Hast du dich mit ihm denn nochmal getroffen? Ich bekomme nichts mit.“ Nun weine ich auch, weil ich eine schlechte Freundin bin, die immer nimmt und nichts gibt. „Nicht weinen, Emi, du hattest genug um die Ohren. Ich mache dir keinen Vorwurf, also tu es auch nicht, hörst du?“ Ich nicke. Hailey atmet zitternd tief ein und aus, bevor sie sagt: „Ja, ich hab mich noch öfter mit ihm getroffen. Er ist wirklich süß, wir verstehen uns gut, schreiben jeden Tag miteinander, aber seit jenem Abend war nichts mehr gelaufen, daher hatte ich es eigentlich abgehakt.“ „Du musst es ihm sagen. Es ist schließlich auch sein Kind. Wissen es die anderen schon?“ Sie schüttelt vehement den Kopf. „Ich wollte es dir als erstes erzählen, weil du immer einen kühlen Kopf bewahrst und mir bisher immer die richtigen Ratschläge gegeben hast.“ Ich bin wirklich gerührt. „Wir schaffen das. Notfalls, Süße, nehme ich das Geld von meinem Vater und baue uns ein Haus und dann ziehen wir den kleinen Wonnepoppern auf.“ „Ich hab dich so lieb.“ Sie küsst mich auf die Wange. „Du schaffst das auch, meine Kleine,“ sagt Hailey zu mir.

Kapitel 39

Ohne Tropf und Fesseln sitze ich nun, die Beine an den Körper gezogen, auf dem Sessel in Josh's Zimmer. Die Ärzte sagen, dass er Fieber hat und in diesen Fieberträumen, habe er, laut Lucas, immer wieder meinen Namen gesagt. Ich lese ein Buch, mit dem Titel „Mein erstes Baby“. Überall sind kleine Bilder und liebevolle Zeichnungen, die mich daran erinnern, dass Hailey bestimmt ein hübsches Baby bekommen wird. Sie hat mir versprochen, dass sie gleich morgen zum Gynäkologen geht und sich endgültig Gewissheit verschafft und gleichzeitig prüft, ob alles in Ordnung ist. Es ist Sonntagnachmittag. Mit krachenden Gelenken erhebe ich mich aus meiner Starre. Ich wechsele das Tuch auf Josh's Stirn gegen ein neues, kühles aus und mache ein paar Dehnübungen. Sein leises Stöhnen lässt mich, wie so oft an diesem Tage zu ihm herum fahren. „Emily?“ Seine Stimme ist so leise, dass ich beinah an Einbildung glaube, doch als ich vorsichtig näher an ihn herantrete, hat er ein Augenlid leicht angehoben und sieht mich an. „Josh,“ hauche ich und eine kleine Erleichterung macht sich in mir breit. „Wie fühlst du dich?“ Er befeuchtet seine Lippen und ich folge dieser Bewegung mit meinen Augen. „Furchtbar, wie ausgekotzt.“ Er sieht sich um, diesmal mit beiden Augen. „Wo bin ich? Was ist passiert?“ „Im Krankenhaus.“ Tränen treten mir in die Augen. Er liegt so hilflos da, so schwach. „Es ist alles meine Schuld. Einfach alles.“ „Hey,“ flüstert er. „Nicht weinen. Muss ich sterben?“ Ich sehe zu ihm und erblicke das schräge Grinsen auf seinen Lippen. „Nein, nein. Das musst du Gott sei Dank nicht. Aber ich hätte es dir erzählen sollen. So hast du es falsch erfahren.“ „Oh,“ macht er und ich kann sehen, wie sein Hirn die Arbeit allmählich wieder aufnimmt. „Chris hat geprahlt. Ich war auf seinem Konzert. Von ihm und seiner Band und habe im Anschluss noch etwas mit ihm getrunken. Ich habe versucht dich anzurufen, dir geschrieben. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Ich habe niemandem davon erzählt, weil ich nicht wollte, dass du es erfährst, aus Angst, dass du wütend wirst oder es falsch verstehst.“ Ich schluchze und stütze den Kopf in die Hände. „Und nur wegen mir, wurde dir mehrfach der Magen ausgepumpt, du hast eine leichte Alkoholvergiftung und Ella hat sich das Bein gebrochen. Nur weil ich so dumm war.“ Ich spüre, dass sich die Matratze vor mir bewegt. „Kätzchen, nicht weinen. Komm, hör auf. Ich kann das nicht sehen.“ Er streicht mit seiner Hand über mein Gesicht. „Es tut mir so Leid,“ hauche ich. „Ich bin so dumm, einfach nur dumm.“ „Okay, du bist nicht dumm. Aber, dass du das niemandem gesagt hast, das war dumm. Sicher haben sich alle Sorgen gemacht, als man von mir nichts mehr hörte.“ Ich nicke. „Wo war ich? Wer hat mich gefunden?“ Ich erzähle ihm von meiner Suche nach ihm. Wie ich erfahren habe, dass niemand wusste, wo er war. Und alles was während seiner Bewusstlosigkeit passiert ist. „Ha,“ macht er. „Du hast dich auf Chris gestürzt und warst danach ans Bett gefesselt?“ Er grinst breit und sein blasses Gesicht wird erhellt vor Freude. „Das hätte ich gerne gesehen.“ „Hier,“ ich halte ihm die erweiterte Tropfwunde hin, wo ich ihn mir heraus gerissen habe und die Druckstellen von den Gurten. „Erik hat mir das geschickt, von gestern Abend.“ Ich zeige ihm das Foto von Chris, der blutige Arme hat und tiefe Kratzspuren im Gesicht. „Ein Riss musste sogar geklammert werden mit zwei Klammern.“ Ich schäme mich und sehe zu Boden. Doch Josh lacht schallend und heiser. Nach beinah zwei Minuten holt er tief Luft und sieht mich mit glänzenden Augen an. „Großartig, ich wusste, dass du eine Wildkatze bist.“ „Das ist nicht gut, Josh, so etwas macht man nicht.“ Ich muss grinsen. „Man trinkt sich auch nicht um den Verstand. Wie viel Promille sollte ich gehabt haben?“ „4 - 5 Promille.“ Er schüttelt den Kopf und fährt sich durch die Haare, wobei er das nasse Tuch herunterwirft. Es landet klatschend auf meinem Knie. „Ihhh,“ mache ich. Als er es wegnehmen will und ich auch, berühren sich unsere Hände. „Weißt du was, Josh? Ich habe mich immer und immer wieder gefragt, wieso du das getan hast. Bis mein Bruder mir den Grund nannte. Und von da an, war mir klar, dass du eifersüchtig warst, verletzt, gekränkt.“ „Und weiter?“ Sein Blick bohrt sich in meinen. „So etwas empfindet man in der Regel nur, wenn man jemanden liebt. So, wie ich mich in dich verliebt habe.“ Seine Augen weiten sich. „Ja, so.“ Ich sehe nach unten und klopfe freundschaftlich auf seine Hand. „Jetzt ist es raus.“ Da er nichts sagt, fühle ich mich allmählich unwohl. Bis er mein Gesicht in seine Hände nimmt und mich zärtlich auf den Mund küsst. „Ich würde dir gerne mehr geben, aber ich denke, dass ich mich erst mal duschen sollte. Denn ich kann mich selbst riechen.“ Ich lache und eine Träne rinnt mir über das Gesicht. „Ab jetzt ehrlich, okay?“ Ich nicke. „Ich bin ehrlich, wenn du ehrlich bist.“ Ich hauche ihm einen Kuss auf die Stirn, die sich langsam wieder wohltemperiert anfühlt.


Josh soll noch eine Nacht zur Beobachtung da bleiben und erst Montag Abend entlassen werden, weshalb mir die ehrenvoll Auge zu Teil wird, Mr. McBeal zu sagen, dass er sein Buch nochmal genausten überarbeiten muss und das Ende ein Witz ist. „Du kannst das sicher besser rüber bringen als ich,“ sagt Josh mir über Skype. Ich sehe ihn finster an. „Hey, immerhin hast du das Buch gelesen, im Gegensatz zu mir.“ Er sieht auf etwas, das außerhalb seines Laptops stattfindet. „So Kätzchen. Frau Doktor ist da für meine erste Stromtherapie. Wir sprechen uns später.“ Und der Bildschirm ist dunkel, ohne dass ich ein Widerwort oder eine Grußformel hervorbringen kann. Kopfschüttelnd sehe ich auf das Bewertungsformular vor mir auf dem Schreibtisch. Weitere Bücher, die ich lesen muss türmen sich in der grauen Kiste neben meinem Tisch. Joker jammert leise vor sich hin. Das Wetter ist diesig und düster. Typisch November. Sorgenvoll blicke ich auf mein Handy. Es ist stumm. Mensch, Hailey müsste sich doch endlich mal melden. Gestern Nacht lautete die allgemeine Frage, waren Josh und ich zusammen? Na, das wüsste ich wohl auch gerne. Ich errötete. Ich hatte ihm Kleidung ins Krankenhaus gebracht. Alleine in seiner schönen Wohnung fühlte ich mich erst mal ziemlich unwohl, aber als ich dann in seiner Sockenschublade wühlte, hatte ich das Gefühl in seine Privatsphäre einzudringen. Ich seufzte laut auf, als ich das Klingeln des Aufzuges vernahm. Eilig stand ich auf, strich mein Kostüm glatt und ging auf Mr. McBeal zu. „Mr. McBeal, Mr. Dawson lässt sich entschuldigen. Er liegt im Krankenhaus, hat mir aber seine Bewertungsdaten hier gelassen und mich instruiert, was ich Ihnen sagen soll. Nehmen Sie Platz. Möchten Sie etwas trinken?“ „Ja, gerne einen schwarzen Kaffee.“ Er nimmt Platz und schlägt die Beine übereinander. Ich kann spüren, dass er meinen Hintern fixiert, als ich nun in die Küche gehe. „Ekel,“ flüstere ich. Als ich zurück kehre, ihm seinen Kaffee bringe und meine Unterlagen geholt habe, bin ich sehr erfreut, dass ich mich heute Morgen für eine Hose entschieden habe, statt dem Bleistiftrock. „Mr. McBeal. Im Grunde ist ihr Buch sehr spannend und fantasievoll geschrieben.“ „Danke.“ Ich lasse mich nicht beirren und fahre fort. „Aber gegen Mitte verstricken Sie sich in Widersprüche und das Ende ist einfach nur enttäuschend und entschuldigen Sie bitte, dahin geklatscht. Deshalb bitten wir Sie, wenn wir Ihr Buch in den Verlag aufnehmen sollen, bearbeiten Sie es nochmals mit großer Sorgfalt.“ Er starrt mich an, die Kaffeetasse in der Hand. „Entschuldigung,“ beginnt er und grinst anzüglich. „Ihre Lippen sind so schön, dass ich kurz abgelenkt war.“ Ich klappe das Plädoyer zu und sage: „Mr. McBeal, nochmals kurz und knapp. Bitte überarbeiten Sie das Buch. Lassen Sie es überlesen und ändern Sie das Ende, der Spannung des restlichen Buches entsprechend ab, ansonsten müssen Sie sich einen anderen Verlag suchen.“ Nun starrt er mich mit offenem Mund an. „Ist das Ihre unfähige Meinung oder die Ihres Chef's?“ „Meines Chef's und offenkundig auch meine.“ Seine ohnehin kleinen Augen werden schmaler. „Gut, gut,“ haucht er. „Sie können mir das nochmal sagen, wenn Sie gleich mit mir essen gehen und nicht wie vorgekaut sprechen.“ Ich schnaube. „Mr. McBeal, ich werde einen Teufel tun und mit Ihnen Essen gehen. Entweder, Sie überarbeiten das Buch und verschwinden oder Sie lassen es bleiben und verschwinden.“ Ich stehe auf. „Sie haben einen Tag Bedenkzeit. Teilen Sie uns Ihre Entscheidung mit. Gerne übergeben wir Ihnen unsere Korrekturversion, in der wir Schreibfehler und Grammatik verbessern. Schönen Tag.“ Mit diesen Worten wende ich mich meinem Schreibtisch zu und setze mich hinter ebendiesen. Vollkommen perplex zieht er von Dannen.


Ich arbeite gerade einige Rechnungen und Personalsachen ab, die sonst Josh macht, als mein Handy vibriert. Es ist Josh. „Kätzchen, wie war es?“ Ich berichte ihm kurz, wie sich McBeal benommen hat und kann ihn förmlich vor meinem inneren Auge lachen sehen. „Wir werden sein Buch wahrscheinlich nicht verlegen, oder?“ Nun habe ich ein schlechtes Gewissen. „Doch, er braucht uns. Du hast alles vollkommen richtig gemacht.“ Nun vibriert mein privates Handy. „Josh, warte mal bitte. Bleib kurz dran.“ „Hailey?“ „Ja,“ haucht sie leise. „Und?“ „Ich bin schwanger. Hörst du das?“ Ein undeutliches Pochen ist zu hören. „Das ist der Herzschlag von meinem Baby. Ich habe ein ganzes Video von ihm. Ich würde es so gerne mir dir ansehen.“ „Ich weiß, Süße. Vielleicht ja morgen? Redest du heute mit Pete?“ Schweigen. „Hailey, du hast es versprochen, dass du mit ihm sprichst, wenn du Gewissheit hast.“ „Wir machen einen Deal. Du besprichst mit Josh, ob ihr offiziell zusammen seid und ich rede mit Pete?“ Ich seufze und sehe auf seinen Namen auf dem BlackBerry. „Okay, abgemacht.“ „Ich melde mich danach bei dir.“ „Mach's gut und sei stark.“ „Josh?“ „Ich mag es nicht, wenn man mich weg legt.“ Ich seufze. „Entschuldige, war sehr wichtig.“ „Was ist denn bei Hailey so wichtig, dass du während der Arbeit ihren Anruf entgegennimmst? Muss sie nicht selbst arbeiten?“ „Sie war beim Arzt. Echt wichtig, für ihr zukünftiges Leben.“ „Mit Pete?“ „Das hoffen wir mal besser für sie.“ „Okay, das sagt mir, dass nicht du schwanger bist, sondern sie.“ Ich höre sein Aufatmen. „Hä?“ „Du hast dein Buch bei mir vergessen. Mein erstes Baby.“ Ich lache herzhaft. „Du hast nicht ernsthaft gedacht...“ „Kurz,“ unterbricht er mich. „Das ist nicht witzig, Emily.“ „Ich komme dich gleich abholen, Nervensäge und dann koche ich bei dir etwas für uns. Ich vermisse dich.“ „Oh ja, ich dich auch.“ Damit legen wir auf. Das Lächeln auf meinem Gesicht verschwindet nicht, bis ich zum Feierabend aus der Firma trete, mit zwei Büchern in meiner Handtasche und bemerke, dass es immer noch in Strömen regnet.  

Kapitel 40

Josh hat gute Laune, als ich ihn in einem Kapuzenshirt und einer schlabbrigen Jeans in seinem Zimmer vorfinde. „Guten Abend, schöne Frau,“ sagt er. Er küsst mich kurz auf den Mund und widmet sich weiter dem Packen seiner Tasche. „Hey,“ rufe ich. „Der Verband ist ja ab.“ „Jawohl, kein Verband mehr für den Behinderten.“ Ich knuffe ihn in Seite und gehe mit ihm aus dem überfüllten Krankenhaus. „Ich musste weit weg parken, tut mir Leid. Hier ist es brechend voll.“ „Deine Schwester wieder zu Hause?“ „Ja, schon seit gestern Mittag. Sie wohnt jetzt erst einmal bei Erik.“ „Willst du sie nicht besuchen?“ Ich schnaube. „Okay, falsches Thema.“ Im Auto erzählt er mir von der Elektrotherapie und in meinen Händen kribbelt es. Ich schicke ihn unter die Dusche, als wir bei ihm ankommen und beginne zu kochen. Hähnchenbruststreifen in Frischkäse-Soße mit Nudeln. Mein Handy halte ich die ganze Zeit griffbereit, während ich nun warte, dass das Wasser kocht und das Hähnchen gar wird. Nebenher löse ich meinen Dutt und schüttle mein Haar auf, den Blazer hänge ich über einen Stuhl. Meine Schuhe habe ich neben der Türe fallen lassen. Ich bemerke Josh erst, als ich zum Fernseher gehen will. „Du passt hier gut herein, weißt du das?“ Ich sehe an mir hinunter. Cremefarbene Hosen und eine weiße Bluse mit goldenen Knöpfen. Die Küchenzeile hat eine ähnliche Farbgebung. „An den Herd?“ Ich hebe herausfordernd eine Augenbraue hoch. „Von mir aus auch auf die Küchentheke.“ Ich starre ihn an. „So offensiv heute?“ Er grinst breit und reibt sich über das Haar. Irgendetwas versteckt er hinter seinem Rücken. „Was hast du da?“ „Nur ein kleiner Vorgeschmack auf dein Geburtstagsgeschenk.“ „Ich habe erst nächsten Dienstag. Woher weißt du das schon wieder?“ „Ich habe deinen Lebenslauf gelesen, kleines Kätzchen.“ Er hält mir einen kleinen Koalabären hin. „Ein Koala?“ „Ja, ein Koala.“ „Danke, der ist süß, aber,“ beginne ich schwer von Begriff. „Nein? Australien?,“ kreische ich dann. Er nickt. „Am Sonntag geht es los. Zwar nur eine Woche, aber immerhin. Ansonsten habe ich vor Weihnachten immer viel im Büro zu tun.“ Ich falle ihm um den Hals. „Du bist der Beste, wirklich.“ Ich küsse sein komplettes Gesicht, von oben bis unten. „Dann musst du aber die Party absagen, die deine Freundinnen für dich mit Sicherheit organisieren.“ „Sofort, blind.“


Wir essen in Ruhe, jeder für sich. Ich bin mit meinen Gedanken bei der Frage, ob wir wirklich offiziell zusammen sind, wie fragt man so etwas? „Schmeckt lecker,“ sagt Josh nach zwei Bissen. „Freut mich.“ „Emily?“ Ich sehe auf. „Ja?“ „Bleibst du heute Nacht bei mir?“ Ich sehe ihn an, zum einen schockiert, zum anderen absolut glücklich. „Wenn du das möchtest, gerne.“ Wir räumen den Tisch ab und ich ärgere mich insgeheim, dass ich Josh nicht gefragt habe, wobei spricht die Reise und, dass ich bleiben soll nicht für sich? „Warte mal,“ sage ich zu ihm halte seine Hand fest, als er sich in Richtung Sofa begeben will. Er sieht mich misstrauisch an. „Ich habe Hailey versprochen dich etwas zu fragen, wenn sie dafür mit dem Vater ihres Kindes spricht und ihm reinen Wein einschenkt.“ Ich atme tief durch. „Für eine Hochzeit ist es ein wenig früh,“ scherzt Josh. „Witzig, Mr. Dawson.“ Ich sehe ihm fest in die Augen, die mich aufmerksam ansehen. „Ich weiß, es klingt bestimmt super kindisch und dumm in deinen Ohren, aber, ich muss es wissen, es hören. Sind wir wirklich zusammen?“ „Klar, wir stehen doch hier, zusammen.“ „Josh,“ meine ich genervt und will mich von ihm weg drehen, doch er zieht mich in seine Arme. „Wir sind ein Paar, du und ich. Auch wenn es auf Probe ist, sind wir Freund und Freundin. Und wenn du willst, sage ich auch das noch. Wir sind fest zusammen.“


Ich habe völlig die Zeit vergessen, während ich knutschend mit Josh auf dem Sofa liege. Doch immer wieder driften meine Gedanken zu jenem Abend in Omaha Beach. Ich traue mich kaum ihn anzufassen, geschweige denn ihm das Shirt auszuziehen. Seine Körperwärme dringt nur zu deutlich zu mir durch. Josh hingegen war nicht ganz so zimperlich. Meine Bluse hängt bereits über der Sofalehne, so dass ich in einem weißen Spitzen-BH und meiner cremefarbenen Hose unter ihm liege. Plötzlich schallt The Kill von 30 Seconds to Mars durch den Raum. Josh lässt kurz von mir ab, nur um eine Augenbraue hoch zu ziehen. „Ich muss da dran, Liebling,“ hauche ich, als er sich wieder meinem Hals zuwendet. „Es könnte Hailey sein.“ Seufzend lässt er von mir ab und mich aufstehen. „Hailey,“ hauche ich gehetzt ins Telefon. „Nein, dein Bruder.“ Ich verdrehe die Augen. „Hast du Sex?“ Ich laufe sofort rot an und kreische: „Nein und wenn doch ginge dich das sicher nichts an.“ Er kichert. „Ella will Josh kennen lernen. Also habt ihr Mittwoch etwas vor?“ „Josh?“ „Mhm,“ antwortet er mit geschlossenen Augen. „Haben wir Mittwoch Abend Lust und Zeit bei meinem Bruder Essen zu gehen, weil meine Schwester dich kennen lernen will?“ Er öffnet die Augen und setzt sich auf. „Kätzchen, du bist meine Assistentin, du kennst meine Termine besser, als ich.“ Er zwinkert mir zu, weil er genau weiß, dass ich keine Lust auf meinen Bruder habe. „Okay, wir können erst ab acht, vorher hat Josh Elektrotherapie. Wehe mein Vater ist da, dann verschwinde ich sofort wieder.“ „Nein, ist er nicht. Ist schon wieder abgereist seit gestern Abend. Dann bis Mittwoch, gibt Rindermedallions mit Salzkartoffeln und Rotkohl.“ Damit legt er wortlos auf. „Dir auch einen schönen Abend, Bruderherz,“ murre ich. „Langsam mache ich mir Sorgen um Hailey.“ Josh zieht mich auf seinen Schoß, während Ariana Grande's Stimme aus seinem Surround-System dröhnt. „Dann ruf du sie an,“ flüstert er an meinem Hals und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich wähle, während er meine Hose öffnet. „Josh,“ flüstere ich entsetzt. „Es ist schon spät und in der Hose kannst du nicht schlafen gehen.“ Er grinst breit. „Hi,“ sagt Hailey am anderen Ende. „Hey, du hast dich nicht gemeldet, daher dachte ich, ich rufe dich mal an. Alles okay?“ „Joa, mir geht’s gut.“ „Oh, kannst du nicht reden,“raune ich, während Josh mich sachte in den Hals beißt und mich damit fast um den Verstand bringt. „Genau, wir reden später, Mum.“ Dann legt Hailey auf. „Sie hat es ihm noch nicht gesagt, ist aber bei ihm.“ „Dann sei du bei mir,“ haucht Josh knurrend und hebt mich hoch, mit seinen Lippen auf meinen. Meine Hose rutscht von meinen Beinen, so dass ich in Unterwäsche an ihm klammere. Knutschend trägt er mich ins Schlafzimmer. Er verscheucht Joker, der auf dem Bett lag, bevor er mich auf dieses wirft. Er stützt sich über mir ab und küsst eine Spur über meine Haut. Bahnt sich leckend und beißend einen Weg über meinen Körper. „Du bist wunderschön,“ haucht er. „So wunderschön. Dein flacher Bauch,“ sagt er gefolgt von einem Kuss und so fährt er fort. Irgendwann kann ich nicht anders und mein Kopf verabschiedet sich. Ich reiße ihm sein Shirt förmlich vom Körper, kratze leicht mit meinen Nägeln über seine Brust, was ihn die Augen schließen lässt. Eilig streift er sich seine Hose selber ab. Wir wälzen uns über sein Bett, halbnackt, während unsere Zungen einen Kampf miteinander fechten. Ich komme auf ihm zu sitzen und überhäufe seinen Oberkörper mit Küssen, bis er mich hoch zieht und meinen Blick mit seinen Augen einfängt. Er kommt etwas zu mir hoch und bringt seine linke Hand hinter meinen Rücken. Der Druck meines BH's lässt nach und er landet neben dem Bett. „Oh,“ macht Josh und wiegt meine Brüste in den Händen. Das Blut rauscht in meinen Ohren, schneller und schneller, lauter und lauter, bis ich an nichts anderes denken kann, als ihn. Auf mir, neben mir, unter mir. Ich kann nur noch an ihn denken. An Joshua Elijah Dawson.

Kapitel 41

Mein Handy, das weit entfernt von mir klingelt, weckt mich. Ich streiche mir meine Haare aus dem Gesicht und taste durch das Bett. Es ist leer. „Dein Handy, Kätzchen,“ Josh trägt ein ausgeleiertes Shirt und eine Jogginghose. Ich presse mir die Decke gegen den Busen, als ich das Telefon entgegen nehme. Josh lächelt und lässt mich alleine. Haben wir oder haben wir nicht? Ich war so verzückt und verrückt nach ihm. Aber daran würde ich mich erinnern, oder? „Ja?“ „Emily, ich hab noch oft versucht dich anzurufen gestern, aber da du gerade nicht ans Telefon gegangen bist, sondern der Typ mit der heiseren Stimme,“ lacht Hailey. „Weiß ich, dass du ihn gefragt hast. Wie war es?“ „Ich weiß nicht. Ich denke nicht, dass wir haben.“ „Du denkst? Warst du betrunken?“ „Nein, aber vollkommen verrückt und kopflos.“ Rockmusik erklingt aus dem Wohnbereich. „Hui, aber er war gut gelaunt.“ „Das ist die Hauptsache.“ Ich sehe unter der Decke an mir hinab und stelle fest, dass ich noch meinen Slip trage. „Entwarnung.“ „Och, Schade.“ „Wie war es bei dir? Du klingst auch nicht schlecht gelaunt.“ „Pete will mit mir zusammen sein.“ „Weiß er von dem Baby?“ „Natürlich,“ stößt Hailey beleidigt hervor. „Anfang Februar soll ich zu ihm ziehen. Bis dahin ist sein Haus fertig. Er hat sich wirklich gefreut.“ „Na das sind ja großartige Neuigkeiten. Das feiern wir heute Abend bei mir.“ „Mit Josh?“ „Wenn er will.“ Hailey kreischt laut. „Mädels, sie sind zusammen, offiziell.“ „Ihr Glücklichen,“ höre ich Ava sagen. „Ich freu mich für euch,“ lässt Lisa von sich hören. „Wir sehen uns heute Abend, ihr Süßen.“ Damit stehe ich aus dem Bett auf und will gerade meinen BH vom Boden klauben, als sich zwei Hände um meinen Busen schließen. „Josh,“ hauche ich erschrocken. „Ich mag es, wenn du erschrocken bist.“ Er küsst meinen Hals und dreht meine linke Brustwarze leicht. „Ich mache Frühstück, du gehst duschen, wir müssen gleich arbeiten.“ „Ach wirklich,“ hauche ich atemlos, als er mich stehen lässt. Auf der Fahrt zur Arbeit eröffne ich ihm, dass er heute Abend zum Mädelsabend eingeladen ist und dann gerne bei mir bleiben darf. „Na, das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen, aber ich mache das Essen.“ „Okay,“ lasse ich mich breitschlagen. „Wann darfst du wieder selber fahren?“ Er zuckt mit den Achseln. „Wenn ich einigermaßen fähig bin ein Lenkrad zu halten.“ Jeder begrüßt ihn fröhlich in der Firma. Ich reiche bei Petersen meinen Urlaub ein, für die Woche Australien, wie es sich gehört und beginne dann mit der Arbeit. „Sag mal, hast du mir meine Rechnungen und Personalunterlagen weg genommen?“ Ich nicke. „Habe ich gestern alle bearbeitet, damit du dich nicht überanstrengen musst.“ „Toll und was mache ich jetzt?“ Sein schmollendes Gesicht bringt mich zum lachen. „Ich muss Kleidung bei dir deponieren, wenn du mich öfter überfällst, ich fühle mich irgendwie schmuddelig, das gleiche Kostüm nochmals zu tragen.“ Josh lacht. „Glaub mir, du bist nicht schmuddelig.“ Er küsst mich auf die Stirn. „Aber ungeschminkt.“ „Das stimmt,“ ruft er aus der kleinen Küche. „Aber du siehst trotzdem fantastisch aus.“


Der Arbeitstag geht schnell herum und wir fahren schnell etwas einkaufen. Josh hat sich einige Teile von zu Hause mitgebracht. So kommt es, dass ich an ihm klebe, während er in der Küche Zwiebeln schneidet für eine Lasagne á la Dawson. „Wieso klemmst du so an mir?“ Sagt er lachend, während er sich sichtlich abmüht die Zwiebel mit der rechten Hand zu halten und mit links zu schneiden. „Um auf dich aufzupassen und dich nicht mehr los zu lassen, mein Schöner.“ „Schön, so so!“ Er grinst. „Geht es denn?“ „Ja,“ stößt er knirschend hervor. Es klingelt. „Schneid dich nicht!“ „Ja, Mami,“ ruft er mir hinterher. „HI,“ kreische ich. Ich trage eine schwarze Jeans Hot Pants und darunter eine Strumpfhose. Ein asymmetrisches Shirt in Bordeaux komplettiert mein Outfit. Meine Haare fallen als langer geflochtener Zopf über eine Brust. Alle vier stehen zusammen vor der Türe und lächeln mich an. „Josh nicht da?“ Ava kommt aus dem Wohnzimmer zurück. „Oder ist er noch nackt im Schlafzimmer?“, ruft Cat laut. „Nicht nackt im Schlafzimmer, sondern in der Küche,“ ruft er zurück. Ich grinse breit, woraufhin alle mich geschockt anstarren und in die Küche eilen. „Och,“ macht Ava. „Er ist gar nicht nackt.“ „Glaubt ihr, dass ich euch dann zu ihm hätte laufen lassen?“ „Willst du meinen göttlichen Anblick etwa nicht teilen, Kätzchen?“ Ich blicke ihn finster an. „Nein,“ knurre ich. „Oh, dann rufe ich den Auftrag für den Nacktkalender zurück. Ich sollte Mr. Januar sein.“ Alle lachen, außer ich. „Dir traue ich alles zu, du Schönling.“ „Ha,“ macht Josh und zeigt mit dem Messer auf mich. „Und das ist auch gut so.“ Er lacht. „Setzt euch. Ich mache Essen.“ „Können wir das Ultraschall-Video ohne dich gucken?“ „Nur zu gerne.“ „Er sieht glücklich aus,“ haucht Ava. Ich nicke und starre ihn nochmal an, bevor ich die Küche verlasse. Es ist wirklich rührend, sich das Ultraschall-Video anzusehen, obwohl wir alle im Nachhinein zugeben nichts erkennen zu können. Gott sei Dank kann Hailey darüber lachen. Sie ist rotwangig und wirkt glücklich. Sehr gut! Sie war so herzensgut und hatte kein Leid verdient. Aus der Küche dringt Musik aus meinem Radio, Rock, was auch sonst. „Bin ich froh, dass er nicht so einen HipHop Schund hört, wie Liam, das war unerträglich.“ Lisa kichert. „Ich wollte nie etwas sagen,“ beginnt Cat. „aber ich fand ihn immer unerträglich.“ Wir lachen schallend, als Josh mit einer dampfenden Auflaufform herein kommt. „Geht's?“ Ich springe sofort auf, aus Angst, dass er die Form nicht richtig halten kann. „Du weißt doch, drei Finger funktionieren noch.“ Er hebt seine Hand hoch, zieht den Ofenhandschuh aus und krümmt die drei Finger an seiner Hand vollständig und die anderen, so weit es geht. „Du weißt schon, dass das ekelhaft aussieht?“ „Cat,“ zische ich. „Einen schönen Menschen entstellt nichts,“ sagt Josh grinsend. „Wenn ich den Tisch gedeckt habe, können wir essen.“ Ich beeile mich ihm hinterher zu laufen, doch er bleibt stehen, so dass ich in ihn herein laufe. „Sagte ich, du deckst den Tisch?“ „Aber ich kann dir doch helfen.“ „Nein, nein, ich kann hier keinen Tollpatsch gebrauchen.“ Grinsend kneift er mir in die Wange und ich schmolle. „Lass ihn doch.“ „Außerdem hat er ja nicht unrecht. Freu dich also und setz dich hin.“


Wir essen gemütlich gemeinsam. Josh unterhält sich angeregt mit Hailey über das Skifahren. „Wir wollten mal mit Em zusammen Ski fahren gehen, erinnert ihr euch?“ Ava lacht prustend und Cat verschluckt sich beinah an ihrem Rotwein. „Oh ja.“ „Was ist passiert?“ Josh grinst breit, als hätte er bereits eine eigene Vorstellung in seinem Kopf. Ich stochere genervt in meinem Essen. „Ha,“ sagt Hailey und hält sich den Bauch. „Wir sind mit ihr also in ein Fachgeschäft, für Skier, haben ihr welche ausgesucht, sie probiert sie an, rutscht auf dem Teppich aus und zerrt sich das rechte Bein.“ Alle lachen schallend los, sogar Josh. „Ha, ha, alles sehr witzig. Ich bin ja so lustig.“ „Und, das Beste,“ sagt Cat atemlos. „Nach drei Wochen, war die Zerrung weitestgehend verheilt, die Skier gekauft und wir sind mit ihr in eine Indoorhalle gefahren.“ Josh gluckst nun schon heiser. „Da ist sie auch bis in den Schnee gekommen und dann, fährt sie den Hang schreiend hinunter und reißt unten zwei ältere Damen um.“ Josh hält sich eine Hand vor den Mund, doch in seine Augenwinkel stehlen sich bereits zwei kleine Tränchen, die mir sagen, dass er sich am liebsten vor Lachen kringeln würde. „Und zack,“ ruft Ava nun und haut mit der linken Hand in ihre rechte Handfläche. „Fuß verstaucht. Wieder kein Skiurlaub.“ „Und sonst ist sie nie um Urlaub gewesen?“ Alle schütteln den Kopf. „Ich sitze hier? Wieso fragst du mich nicht?“ „Deine Antworten kenne ich, aber die Geschichten dazu nicht.“ Kauend sagt Cat: „Liam hatte keine Zeit für Urlaub, da er ständig im Training war, dieser blöde Prolet.“ „Wow, wenn ihr hinter meinem Rücken auch so über mich redet, dann ist es ja lustig bei euch.“ „Nein, du bist nur eingebildet und steinreich.“ „Cat,“ zische ich wieder. „Nein, nein, lass nur, ich mag ihren Humor. Kann verstehen, wieso Lucas sie mag. Sie haben den gleichen bescheuerten Humor.“ Nun lachen wir wirklich alle, auch Cat selbst. „Hast du denn deinen Freundinnen schon abgesagt für die Party?“ „Wie?“ Ich laufe rot an, stehe auf und hole den Koala vom Sofa. „Den hab ich als verfrühtes Geburtstagsgeschenk bekommen.“ Josh nickt und trinkt einen Schluck Wein, bevor er sagt: „Kleiner Tipp, es ist ein Hinweis.“ Die Mädels sehen sich fragend an, bis Ava plötzlich quietscht: „Nein, du fliegst mit ihr nach Australien?“ Alle öffnen Reihum den Mund,bis ich sage: „Ja, wir fliegen nach Australien.“ 

Kapitel 42

Der restliche Abend vergeht wie im Flug. Josh macht ein riesiges Geheimnis aus dem, was er alles für uns geplant hat und verrät nichts. Nach drei geleerte Flaschen Wein, löst sich unsere Versammlung langsam auf. Josh umfängt mich mit seinen Armen, sobald die Türe geschlossen ist. Ich drehe mich zu ihm herum und beginne ihn wild zu küssen. „Du bist wirklich der Beste, weißt du das?“ „Natürlich weiß ich das. Ich bin der Beste.“ „Du bist furchtbar. Absolut arrogant, da hat Cat Recht.“ „Ich zeig dir gleich, wieso ich so arrogant bin.“ Er hebt mich hoch, mühelos, so als würde ich nichts wiegen und trägt mich ins Schlafzimmer. Doch weiter, als bis zur Boxershort-Slip-Grenze gehen wir auch nicht in dieser Nacht.

 

Der Mittwoch geht auch schnell herum. Josh ist den ganzen Tag mit Lucas und deren Vätern unterwegs, auf Pressemessen, Verlagssitzungen und Buchausstellungen. Ich arbeite den Haufen interner Unterlagen stupide ab, nehme Telefonanrufe entgegen und sage Termine für die kommende Woche ab. Gegen Mittag, kurz vor meiner Mittagspause, ruft ein junges Mädchen an und erkundigt sich nach Josh. Da ich in meine Arbeit vertieft bin und den Satz: „Nein, entschuldigen Sie, Mr. Dawson ist heute nicht mehr im Haus!“ schon den ganzen Tag gesagt habe, spule ich ihn auch nun einfach ab. Stille am anderen Ende. Ich werde hellhörig. „Kann ich weiterhelfen?“ „Emily?“ „Ja?“ „Ich bin es Laura.“ „Ach, hi. Wie geht es dir? Entschuldige ich hab einen Haufen Arbeit auf dem Tisch.“ „Mir geht es gut. Ich wollte nur von Josh hören, ob ich ein Praktikum bei euch in der Firma machen kann. Das hatte ich ihn auf der Premiere gefragt.“ „Okay, davon weiß ich nichts. Aber ich werd es ihm ausrichten und er meldet sich bei dir, ganz sicher. Hat er deine Nummer?“ „Ja, danke Emily. Hoffe wir sehen uns bald nochmal.“ Ich lächele, als ich auflege. Ich habe noch eine Portion von der gestrigen Lasagne dabei und esse diese in meiner Pause, während ich weiter den Krimi lese, den ich überlesen soll. Er ist nichts besonderes, aber auch nicht schlecht. Gähnend sehe ich aus dem Fenster. „Oh je,“ hauche ich. Es ist der 2.12. und es schneit. Ein dichtes Schneetreiben weht vor den Fenstern. Gegen 16 Uhr sind die Scheiben dicht beschlagen und der Schnee färbt die Welt weiß. Mein BlackBerry klingelt laut. Auf dem Display leuchtet Josh's Name. „Hallo Boss,“ sage ich. „Hallo Kätzchen,“ sagt er. „Sag mal, würde es dir etwas ausmachen früher Schluss zu machen und mich abzuholen?“ „Ich dachte Lucas fährt dich,“ werde ich hellhörig und umfasse das lächerliche Geschenk, dass auf meinem Tisch liegt. „Ja, wollte er, aber er muss noch mit seinem Vater zu seiner Schwester und ich habe keine Lust bei ihr aufzuschlagen und die Alternative mit meinem Vater zu fahren steht gar nicht erst zur Debatte.“ „Wo bist du denn?“ Er nennt mir die Adresse und sagt, dass er in der Lobby wartet und ich ihn kurz anklingeln soll. „Fahr bloß vorsichtig, Kätzchen, hörst du?“ „Ja, ja,“ erwidere ich und lege auf. Ich schnappe mir meine Schlüssel, meine Tasche, fahre den PC herunter, lösche alle Lichter und schnappe mir Joker, der mich verschlafen ansieht. Im Foyer sage ich Emma, dass auch ich ab jetzt außer Haus sei, aber sie wichtige Anrufe ruhig auf meinen Blackberry umleiten könne, bis Feierabend. „Seien Sie vorsichtig. Es ist eiskalt und spiegelglatt. Bis morgen.“ „Ja, danke, bis morgen. Ach und nennen Sie mich Emily.“ Sie lächelt mich an. Keine Ahnung, ob es ein falsches und gespieltes Lächeln ist, aber ich habe gute Laune. Die schnell verfliegt, als ich sehe, dass der Schnee sehr hoch liegt. Ich sehe auf meine Pumps hinab. „Na super,“ murre ich und klemme mir das Geschenk unter den Arm.


Ich komme nur im Schneckentempo voran und auf Grund meiner nun mehr nackten und nassen Füße zittere ich wie Espenlaub. Trotz Sitzheizung und Heizung auf volle Pulle. Alle Fahrzeuge, die vor mir fahren, kriechen. Das Navigationssystem schlägt mir eine Alternativ-Route vor und ich wähle diese. Auch keine gute Idee, stelle ich fest. Die Straßen hier sind kaum geräumt, aber dank meines SUV's komme ich gut durch. Etwa zwanzig Minuten später stehe ich vor dem Hotel und wähle Josh's Nummer. Ich sehe ihn aus der Türe treten und lege auf, bevor er das Gespräch annehmen kann. „Hi,“ sagt er, als er einsteigt. Kleine Schneeflocken sammeln sich in seinem blondem Haar. „Puh, hier ist es aber warm drin.“ Sein Blick fällt auf meine Pumps. „Sag mir nicht, dass du mit nackten Füßen fährst?“ Seine Stimme ist grollend. „Doch, mit den Armen sähe komisch aus. Außerdem sind die eiskalt. Ich hätte so oder so kein Gefühl mehr.“ Er erwidert nichts, aber ich sehe, dass er mit den Zähnen knirscht. „Fahren wir erst zu dir, damit du dir Kleidung holen kannst. Ich wohne näher an deinem Bruder als du, also bleiben wir bei mir.“

 

Die Fahrt verläuft schweigsam, weshalb ich davon ausgehe, dass Josh schlechte Laune hat. Sei es wegen mir oder wegen des Tagesverlaufes. Ich wage es nicht ihn anzusprechen. Er sieht wirklich sehr übellaunig aus. Er will mit Joker im Auto warten, während ich Kleidung und Make-Up einpacke. Eilig sause ich die Treppe nach oben und packe ein leichtes, durchsichtiges Nachthemd, das Outfit, dass ich für das Essen anziehen will, dicke schwarze Wildlederstiefel, blickdichte halterlose Strümpfe und Unterwäsche ein sowie meinen Make-Up Beutel. Im letzten Moment greife ich noch nach Jokers Futter und eile wieder nach unten, nur diesmal Fellboots an den Füßen. „Die Schuhwahl ist besser, aber furchtbar,“ murrt Josh, als ich ins Auto steige. „Hat der Herr sonst noch etwas zu meckern?“ Er schweigt und sieht auf sein Handy. Ich seufze. „Hattest du einen Scheiß-Tag oder liegt es an mir?“ „Ersteres. Wenn ich mit meinem Vater auf engstem Raum bin, ist meine Laune immer schlecht.“ Sobald wir bei ihm sind, sagt er: „Geh du oben duschen, ich dusche unten im Fitnessraum.“ Mutig greife ich nach seinem Arm. „Wieso Wasser verschwenden?“ Er schließt die Augen. „Nimm mir das nicht übel, aber ich bin wirklich nicht in Stimmung.“ Ich sehe ihn traurig an. Er zieht mich an sich. „Wirklich, es tut mir Leid. Aber danke, dass du so süß fragst.“ „Ja, super,“ murmle ich. Ich kann nicht umhin, dass ich doch ein klein wenig verletzt bin. Er schlägt mir mit der flachen Hand auf den Po, um mich nach vorne zu treiben. Unter der Dusche seife ich meinen Körper ein, shampooniere mein Haar und trage eine Spülung auf. Die ganze Zeit über denke ich an ihn, wie verbissen er geschaut hat, obwohl er doch am Telefon noch nicht unzufrieden geklungen hat. Na ja, denke ich, ich werde ihn zu nichts zwingen. Als ich aus der Dusche trete kümmere ich mich erst mal um mein Haar, wickele es aus dem Handtuch aus und föhne es zu einer langen, halbwegs glatten Mähne. Dann creme ich mich schnell ein und warte, dass diese einzieht. Es klopft. „Ja?“ Josh kommt zur Türe herein. Ein Handtuch um die Hüften, seine Haare noch nass. „Es tut mir Leid, ich bin ein Idiot.“ Er zieht mich an sich. „Nein, es geht schon. Wenn du schlechte Laune hast, dann muss ich das verstehen.“ „Ja, nein, ach keine Ahnung, du hättest mich sicher auf andere Gedanken gebracht und ich stoße dir, mal wieder, vor den Kopf.“ Er küsst mich innig und ich klammere mich an ihm fest. Ich habe mir, als er klopfte nur schnell das Handtuch genommen und ich hielt es vorne zu. Nun, da ich mich an ihn klammere und nicht an das Handtuch sinkt es immer weiter zu Boden. Meine Brust berührt seinen Brustkorb. „Oh,“ sagt er und lächelt ein kleines Lächeln. „Dann geh ich schnell wieder, so viel Zeit haben wir nicht mehr!“ Er haucht noch einen Kuss auf mein Dekolleté und verschwindet eilig wieder. Seufzend beginne ich mich anzuziehen.

 

Kapitel 43

Hand in Hand, mit Joker an der Leine gehen wir auf das Haus meines Bruders zu. Es ist wie immer hell erleuchtet und pompös. „Kaum zu glauben, dass du hier wohnen solltest,“ sagt Josh. „Wieso?“ „Ach, dein Bruder ist ein Chaot, dich in seinem Haus zu wissen würde mich nur auf kurze Dauer glücklich machen.“ Er zeigt auf den Zaun. „Siehst du? Da ist er betrunken mit dem Auto hineingefahren. Eine Alarmanlage hat er nicht eingeschaltet, weil er den Code immer vergisst, der Pool ist seit Jahren leer. Und kochen? Ich wüsste nicht, dass ich jemals gehört habe, dass Erik Pierce gekocht hat.“ „Heute kocht Gudrun unser altes Kindermädchen und seine Haushälterin. Sie kümmert sich auch um Ella. Woher kennst du Erik eigentlich so gut, wo er doch eigentlich nie hier ist?“ „Du musst bedenken, dass wir zum einen ähnlich alt sind und auch auf der gleichen Schule waren.“ „Nein, wirklich?“ Ich starre ihn an. „Jap. Lucas auch.“ „Dann muss ich Erik dringend mal nach alten Schulfotos fragen.“ Ich grinse diabolisch. „Meistens war ich an den Fototagen nicht da, da ich mich mit einem blauen Auge herumschlug, dass niemand dokumentieren sollte.“ „Oh,“ mache ich. „Nicht schlimm, konntest du nicht wissen und ist auch lange her. Vergiss nicht, dass ich der Beste und Schönste bin, aber auch ziemlich alt.“ Er lacht, bevor er auf die Klingel drückt. „Wenn mich nicht alles täuscht,“ sagt Josh gerade. „Waren aber Lucas und dein Bruder mehr befreundet. Ich war ein ziemlicher Einzelgänger, der bis auf Lucas und Cheyenne keine Freunde hatte.“ „Hallo ihr zwei,“ sagt Erik, als er die Türe auf zieht. „Geht es euch gut?“ Ich nicke. Josh nimmt mir meinen Mantel ab und reicht ihn Gudrun, die zur Türe geeilt kommt. „Danke sehr,“ sagt er höflich und Gudrun lächelt ihn strahlend an. „Sie sind sehr höflich junger Mann, das waren Sie schon immer.“ Josh lächelt leicht und folgt mir in den Essbereich. „Warum kennst du dann Ella nicht?“ Meine Frage stelle ich flüsternd, so dass nur Josh sie hört. „Habe sie vielleicht mal gesehen, aber sie war für uns ziemlich uncool in dem Alter. Mädchen, ihhh und so.“ Ella stützt sich auf zwei Krücken, als wir hinein kommen. „Emi,“ ruft sie fröhlich, ihre Wangen sind rot. Sie trägt eine rotes Kleid und eine abgeschnittene Leggings. „Hübsch siehst du aus,“ sage ich zu ihr. Ich trete neben Josh, nachdem ich meine Schwester umarmt habe. „Das ist Joshua. Mein Freund.“ Ich laufe knallrot an. „Freut mich sehr, Gabriella.“ „Nur Ella, bitte, was soll die Förmlichkeit.“ Sie mustert ihn genaustens, sagt aber nichts. „Setzt euch,“ sagt Erik. Ich begutachte den gedeckten Tisch. Es ist für zwei weitere Personen eingedeckt. Ich halte Josh am Arm fest, als er mir den Stuhl zurecht schieben will. Meine Schwester nimmt am Kopf des Tisches in Richtung Küche Platz, Erik rechts von ihr. Ich soll mich links von ihr hinsetzen, Josh neben mir. Am anderen Kopf ist noch gedeckt und direkt neben Erik. „Erik,“ gebe ich knurrend von mir. „Wer kommt noch?“ „Meine Freundin. Alice Ida Montgomery.“ Josh sieht mich nachdenklich an. Seine Miene ist unbewegt, meine Hand an seinem Arm zittert. „Und sie braucht zwei Teller, weil?“ Ella und Josh sehen betreten nach unten. „Okay, das ist mir Antwort genug, Josh, wir gehen.“ „Warte doch mal,“ ruft Erik. Ich ziehe Josh hinter mir her. Gudrun hat Tränen in den Augen, als sie uns unsere Jacken reicht und als Josh nun Joker an die Leine nimmt, schaut er ihn verdutzt an. „Emily, er ist dein Vater. Er will dich sehen.“ „Er hat mich neulich im Krankenhaus gesehen, das hat mir gereicht.“ „Emily,“ knurrt Erik. „Du hast mich belogen,“ fauche ich ihn an. „Immer wieder vertraue ich dir und deinen fadenscheinigen Aussagen und was tust du? Mir einen Bären aufbinden. Nein, er kommt nicht, versprochen. Weißt du, was mir deine Versprechen wert sind? Einen Scheiß!“ „Emily, bitte beruhige dich und hör auf deinen Bruder anzuschreien. Dazu fehlt dir das Recht.“ Seine kühle Stimme lässt mich tief Luft holen und sie anhalten. Jeder, der uns sieht, unsere Familie, weiß, dass meine Mutter eine wunderschöne Frau gewesen sein muss. Mein Vater Edward Pierce sieht aus, wie ein Raubtier. Schmale Augen, die einen zuweilen zu durchbohren wissen, eine kaltschnäuzige Art, mit passender Stimme, einen hochgewachsenen, dürren Körper mit langen dünnen Fingern. Ich habe ihn früher immer mit den gruseligen Figuren von Tim Burton verglichen. Wir dagegen sind alle wohl geformt, die Mädchen nicht sehr groß. Unsere Augen sind alle groß und rundlich, ehrlich und aufrichtig. Mein Vater strahlt förmlich aus, dass er hartherzig, kalt und berechnend ist. Wie eine Schlange, die im Gras lauert. Sein Haar war einst pechschwarz, jetzt wird es nach und nach immer weißer. Seine Nase ist spitz, wie die einer Spitzmaus, wohingegen unsere Nasen klein und zierlich sind. Einzig Erik's und seine Körpergröße ähneln sich und die langen Finger haben wir von ihm. Ich zittere, so dass Josh sich leicht vor mich schiebt. Edward, wie ich ihn seit Jahren eigentlich nenne, gibt Gudrun seinen Mantel. „Sie können Mr. Dawson und meiner Tochter ihre Mäntel ebenfalls wieder abnehmen.“ Mit absoluter Selbstsicherheit sagt er diesen Satz und fixiert Josh, dessen Kiefermuskeln sich deutlich hervorheben. Joker hat das Fell gesträubt und die Ohren leicht angelegt. „Entschuldigen Sie, Mr. Pierce, aber wir wollten gerade wieder gehen.“ Ich zucke zusammen. Diese Stimme, die da aus Josh's Kehle kommt, ist kaum mehr als seine wieder zu erkennen. Sie ist kühl. „Ahhh,“ sagt Edward und streckt den Rücken durch, eine Hand dahinter verborgen. „Arroganz, genau der gleiche Zug, wie bei seinem Vater.“ „Dad,“ sagt Ella schockiert. „Lass das Dad, das macht es nicht besser.“ Nun ist auch Erik alarmiert. „Wenn man sich Arroganz leisten kann, Mr. Pierce, dann ist sie wohl eine Sache, die einem in die Karten spielt.“ Josh schiebt meine Hand beiseite und zieht seinen Mantel aus. „Was tust du da?“ „Ich werde mit deinem Vater essen, Emily.“ Ich starre ihn entgeistert an. „Gut, sehr freundlich Mr. Dawson.“ „Vertrau mir,“ haucht er an meinem Ohr. Also lege ich meinen Mantel ebenfalls auf Gudrun's Arm, die alarmiert wirkt. Josh hat Joker wieder los gelassen und folgt meiner Familie in das Esszimmer. Wenn ich dort hineingehe, stelle ich vor der Türe fest, dann werde ich einfach nur fertig gemacht. Ich werde unglücklich sein und mir wünschen, ich wäre nie geboren worden. Ich denke an das Bild meiner Mutter, das in meinem Portemonnaie ist und atme tief durch.
Als ich eintrete, wartet Josh noch neben meinem Stuhl und zieht ihn für mich unter dem Tisch hervor. „Mr. Dawson,“ beginnt mein Vater mit zischender Stimme. Ich sehe, dass Josh mit den Kiefern mahlt, aber sein Gesicht zeigt ein entspanntes Lächeln. Dieses Lächeln habe ich bereits einmal gesehen, als er es seinem Vater heimgezahlt hat. Mir ist schlecht und mir bricht der Schweiß aus. In Strömen rinnt er meinen Nacken hinunter. „Wie kommt es, dass Sie meine Tochter eingestellt haben? Sie hat keinerlei Qualität zu bieten.“ Ich glaube, in dem Moment hat mich der Schlag getroffen. „Inwiefern Qualitäten? Das müssen Sie mir näher erläutern, Edward.“ „Oh mein Gott,“ flüstert meine Schwester und hält sich leicht ihre Hand vor den Mund. Mein Vater lehnt sich nach vorne, wie eine Schlange, die zum Angriff bereit ist und alle halten die Luft an, außer Josh, er lächelt ihn betont freundlich an. 

Kapitel 44

„Nun, Mr. Dawson,“ betont mein Vater. „Ihr Schulabschluss mag ja in Ordnung sein, aber schon ihre Ausbildung war ein Witz. Und dann, von der Versicherung, die sie nur am Schreibtisch vertrieben hat, ohne selbst Kontakt zum Kunden aufzunehmen? Lächerlich. Dann stellen Sie sie ein, als Ihre persönliche Assistentin und Verlagsbewerterin. Ha!“ Josh lehnt sich zurück, legt den linken Knöchel auf sein rechtes Knie und sieht meinen Vater aufmerksam an. „Und seien wir mal ehrlich. Eine große, hübsche Sekretärin macht doch deutlich mehr her, als so ein kleines, unauffälliges Geschöpf. Meines Wissens ist sie nicht sehr freundlich. Und sich durchsetzen, so dass Sie sie mit Autorenbetreuung betrauen, kann sie sich auch nicht.“ „Mir scheint Sie hegen einen persönlichen Groll gegen meine Assistentin. Ich kann Ihnen versichern, dass ich kaum mehr selbst etwas in die Hand nehmen muss, weil die Qualitäten Ihrer Tochter überragend sind und viel zu ausgeprägt für den Sekretariatsbereich. Daher habe ich ihr die Aufgabe der Autorenbetreuung mitbetraut. Selbstverständlich ist sie noch nicht gänzlich in ihrer Hand, aber über kurz oder lang wird es wohl ihre Abteilung werden, da sind sich mein Partner und ich völlig einig. Sie ist uns eine große Hilfe und absolut fehlerfrei.“ „Kann sie nun endlich Kaffee kochen, ja?“ Josh lächelt. „Ach Edward, um nochmal auf das anfängliche Thema der Arroganz zurück zu kommen. Ich habe gelesen, dass Ihre Zahlen rückläufig sind. Können Sie sich ihren dekadenten Lebensstil denn noch leisten?“ Erik entlässt zischend die Luft und zum ersten Mal in meinem Leben, sehe ich, dass sich die Halsschlagader am Halse meines Vaters deutlich bewegt. „Oh, machen Sie sich darum keine Sorge, Mr. Dawson. Mein Geschäft ist immer noch eines der Besten in seinem Bereich.“ „Ja, eines, nicht das Beste.“ „Josh, das reicht,“ sagt Erik. „Oh nein, das tut es nicht,“ zische ich. „Emily, Kind, hast du etwas zu sagen?“ „Ich wünschte ich wäre nicht dein Kind, du Gift und Galle spuckendes Ekel.“ „Emi,“ haucht Ella. Doch mein Vater kichert nur. „Sehen Sie? Keinerlei Qualität und Benehmen. Und nicht nur, dass Sie sie erwählen ihre Assistentin zu sein, nein. Nun scharren Sie meine Tochter noch privat um sich und pflegen einen sexuellen Umgang mit ihr.“ Mir klappt der Mund auf und Erik schlägt sich die Hand vor die Augen, beinah so, als würde er erwarten, dass ein heller Lichtblitz unseren Vater trifft. Josh hingehen lächelt nur und zuckt mit keiner Wimper, als er sagt: „In diesem Bereich müssen Sie sich keinerlei Sorgen um die Qualität Ihrer Tochter machen.“ Ich starre ihn an. Dann meinen Vater. Sein Gesicht verfinstert sich. „Ich wusste schon immer, dass du dumm bist, aber so dumm, dich auf einen solch arroganten Möchtegern-Casanova einzulassen. Wahrscheinlich schwängert er dich und lässt dich dann sitzen. Dann komm bloß nicht an gekrochen und frag nach Geld.“ „Ich will dein Geld nicht. Nichts habe ich bisher damit gemacht. Es fließt auf ein Konto, unberührt.“ „Edward, Edward, Sie können zwar glauben, dass Ihre Tochter dumm sei, nicht, dass ich das gut heiße, aber ich wäre nie so blöd. Sehen Sie, dann müsste ich meine Firma weiter vererben und nun, ich habe Sie gerade erst weiter erfolgreich gemacht. Es ist ja beinah rührend, dass Sie sich doch so um Ihre Tochter sorgen, dass Sie sie trotz Ihres Hasses weiter mit Geld versorgen oder bei Geschäftspartnern gut über sie reden. Seltsam, vielleicht haben Sie ein Problem und sollten mal einen Psychologen um Rat befragen. Am besten den gleichen, wie mein Vater.“ Mein Vater sieht ihn an, dann beginnt er zu grinsen. „Sie gefallen mir Dawson. Er ist schlagfertig und seine Arroganz lässt ihn mir ganz humorvoll erscheinen. Besser als der letzte, der war ein Idiot. Footballer, wissen Sie.“ Er fasst sich an die Schläfe. „Hat zu oft den Kopf hingehalten, statt des Balles. Kennen Sie ihn?“ Josh nickt. „Habe ihm Jochbein und Nase gebrochen.“ Mein Vater lacht schallend. Und meine Geschwister und ich tauschen Blicke. Sollte Josh das Monster gezähmt haben? „Sie sind ein guter Mann, Dawson. Kümmern Sie sich gut um sie. Sie ist zwar unerträglich, aber wenn Sie Herausforderungen mögen, dann halte ich Sie nicht auf. Werden Sie glücklich damit an ihr zu scheitern.“ „Ich liebe Herausforderungen,“ flüstert Josh und ich spüre, dass er sich langsam entspannt. Er nippt an dem Rotwein, den Gudrun zur Vorspeise reicht und lehnt sich wieder zurück. Als es klingelt springt Erik wie von der Tarantel gestochen auf. „Ja,“ sagt meine Schwester leise. „Wie habt ihr euch denn kennen gelernt?“ „Das haben wir eigentlich auch ihrem leicht losen Mundwerk zu verdanken. Sie hat sich bei uns beworben, nach dem Drama mit ihrem Ex-Freund. Sollte dann eigentlich die Assistentin meines Partners werden, der muss ich zugeben, auch etwas impulsiv ist und wenig über das nachdenkt, was er sagt. Jedenfalls, als Emily ankam, beschwerte er sich gerade lautstark über eine unserer Jungautorinnen, die leider vor ihm stand. Emily hat sich für die junge Frau stark gemacht und gesagt, dass sie sich bei seinem Vater für so einen missratenen Sohn entschuldigen wollen würde und keinesfalls für so jemandem arbeiten, auch nicht zu diesem guten Lohn. Es sei denn,“ sagt er und hebt den linken Zeigefinger. „der andere Chef sei ein Engel. Sie ist hinunter gestürmt und beim raus gehen blieb ihr Absatz im Lüftungsgitter hängen und sie wäre gefallen, wäre ich nicht gerade von einem Geschäftstermin gekommen und hätte sie aufgefangen. Ich half ihr den Schuh aus dem Gitter zu bekommen und wurde ohne Dank stehen gelassen. Da war mir klar, dass könnte meine perfekte Assistentin sein, die es schafft, dass ich mal ordentlich arbeite.“ Ella lachte, als Erik mit seiner Eroberung in den Raum kam. „Das ist Alice, meine Freundin. Alice, das ist mein Vater, meine beiden Schwestern und der Freund meiner Schwester Josh.“ Wir begrüßen sie alle lächelnd. Wir essen schweigend, während nun Alice berichten muss, wie sie Erik kennen lernte. Mein Vater fixiert Josh und mich, als er plötzlich Alice unterbricht und fragt: „Mr. Dawson, Sie sind wie alt?“ „28 Jahre, Edward.“ „Aha, Sie wissen, dass meine Tochter,“ beginnt er, wird aber von Josh unterbrochen. „Dass sie erst 21 Jahre alt ist und am Dienstag 22 wird? Ja, natürlich. Wir haben keine Geheimnisse voreinander.“ „Das will ich hoffen, mein Junge.“ Seine Stimme ist ein bedrohliches Flüstern und Josh malt mit den Kiefern. Ich nehme seine Hand unter dem Tisch und drücke sie. „Ich glaube Ihre Mutter ist mir sehr bekannt,“ beginnt er erneut und Alice sieht verschüchtert drein. „Madeleine Skarsgard, oder?“ „Ja, das ist meine Mutter.“ „Und Sie haben Halbgeschwister, drei Stück, wenn ich mich nicht täusche.“ Josh nickt und legt die Serviette auf dem Tisch ab. Ich habe keinen Bissen hinunter bekommen, also nippe ich nur wieder an meinem Wein. „Ihr Vater ist letztlich wegen Ihnen ziemlich schlecht in der Presse gewesen. Absicht?“ Mein Vater spricht mit vollem Mund. Josh lächelt leicht. „Oh ja.“ „Er hatte es verdient, Dad. Er ist ein Dreckskerl.“ Erik sieht Josh unterstützend an. „Ich habe dich nicht gefragt, Erik. Aber er ist doch Ihr Vater?“ „Genetisch gesehen, ja und ich habe auch seinen Namen behalten, um meine Mutter zu schützen und mein Erbe anzutreten. Ansonsten wäre es mir lieb, dass ich meinen Erzeuger nicht mehr zu Gesicht bekommen müsste.“ Er sieht zu mir. „Da geht es mir ähnlich, wie Ihrer Tochter.“ Wieder halten alle die Luft an. Mein Vater reibt sich über sein spitzes Kinn. „Interessant, ich habe meine Tochter aber nie misshandelt, müssen Sie wissen. Keines meiner Kinder.“ „Mein Vater misshandelt auch lieber Frauen. Aber wenn sein dummer Sohn nun mal dazwischen geht.“ Die Stimmung ist gespannt, wie ein Faden kurz vor dem Reißen. „Lassen wir das Thema,“ winkt mein Vater ab. „Ich weiß, dass meine Tochter mich hasst. Und habe nicht vor es zu ändern. Nur damit Sie es wissen.“ Josh sieht zu Boden. „Trotzdem will ich ab und an wissen, wie es ihr geht und sie nun in so guten Händen zu wissen, wie den Ihren, das beruhigt mich nun doch.“ Er lächelt! Mein Vater lächelt und es sieht seit Jahren zum ersten Mal aufrichtig aus. Ich bekomme eine Gänsehaut. „Darauf will ich mit Ihnen anstoßen, Josh. Passen Sie gut auf sie auf.“ „Werde ich, Edward.“ Sie stoßen ihre Weingläser aneinander und trinken jeder einen kleinen Schluck. Wie erstarrt sitzen wir anderen da, als Gudrun den Hauptgang serviert. Ich bekomme keinen Bissen runter. Wenn mein Vater in der Nähe ist, esse ich nicht. Ich war nicht immer schlank. Früher habe ich aus Frust gegessen, während ich heute faste und das sah man auch. „Meine schwabbelige, fette, dumme Tochter will niemand sehen,“ hatte er oft gesagt, wenn Klienten kamen und mich eingeschlossen. Ich schaudere bei der Erinnerung daran. Josh beobachtet mich, wie ich die Kartoffeln hin und her schiebe. „Iss,“ flüstert er. „Nicht in seiner Gegenwart.“ Er sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

Kapitel 45

Nach dem Essen gehen die drei Männer im Wohnzimmer einen Scotch trinken. Josh haucht mir einen Kuss auf's Haar, ehe er mich verlässt. „Es tut mir so Leid, Alice. Unser Vater ist furchtbar.“ Alice winkt ab. Sie ist zierlich, noch kleiner als ich, wenn auch nur drei bis vier Zentimeter, dafür ist sie noch dünner. Ihr weißer Pullover ist weit und hängt an einer Schulter herunter. „Mein Vater war auch sehr streng, besonders mit uns Mädchen.“ Ihre hellbraunen Haare hat sie zu einem Dutt geschlungen. Sie erzählt uns mit leiser Stimme, dass sie Assistenzärztin ist und immer viel zu tun hat. Kaum Zeit für die Liebe. Aber wenn es mit ihr und Erik gut liefe, dann würde sie sich als Feldärztin ausbilden lassen. Ihre braunen Augen sind aufrichtig, aber blicken eher gelangweilt. „Wir sind vier Mädchen und ein Junge zu Hause. Natürlich wohne ich nicht mehr da. Ich kenne solche Familienprobleme nicht. Das muss echt schlimm sein für euch. Das, was mit eurer Mum passiert ist, ist echt furchtbar.“ Ich erstarre. Und ich merke auch Ella an, dass sie nicht begeistert ist darüber, dass Erik unsere Geschichte so früh einer Wildfremden bekannt gegeben hat. „Ja, was hat Erik dir denn erzählt?“ „Ach, ich glaube alles.“ Sie errötet. „Auch darüber, dass du immer Pech in der Liebe hast, Ella und dass Emily neulich von ihrem Ex-Freund betrogen und anschließend terrorisiert wurde. Nur, dass du einen neuen Freund hast, das wusste ich nicht.“ „Ja, weil die Tratschtante das auch nicht wusste.“ „Gabriella? Emily?“ Seufzend folge ich meiner humpelnden Schwester. Mein Vater zieht sich gerade seinen Mantel an. „Ich habe eine dringenden Termin morgen früh, der sich nicht verschieben ließ. Ihr werdet meine Weihnachtseinladungen noch bekommen.“ Er geht auf meine Schwester zu und drückt ihre einen Kuss auf die Stirn. „Tschüß, Ella. Werd wieder gesund.“ Er klatscht Erik ab und umarmt ihn. „Machen Sie es gut, Miss Montgomery. Josh, passen Sie auf meine Tochter auf. Sie sind ein guter Mann.“ Nun wendet er sich an mich und ich kann spüren, dass mein ganzer Körper eine abwehrende Haltung einnimmt. „Dir mache ich Vorwürfe, weil Ella sich verletzt hat. Wegen dir verletzen sich immer Menschen, oder schlimmer.“ Seine Stimme ist nur ein Flüstern, so dass ich weiß, dass das nur für mich bestimmt ist. „Das reicht, Edward,“ sagt Josh bestimmt. Er linst über die Schulter und funkelt ihn an. „Auf Wiedersehen, Emily.“ Damit verschwindet er aus der Türe. Ella und Erik atmen auf. „Selbst Schuld, wenn du ihn unbedingt einladen musst, du elender Lügner.“ „Emily,“ stöhnt Ella. „Lass es gut sein. Erik hat es nicht böse gemeint.“ „Vergesst es.“ Ich stapfe in die Küche. Vom Essen ist nicht mehr viel übrig. „Hey,“ sagt Josh und legt seine Arme um mich. „Du warst gut,“ hauche ich und Tränen treten in meine Augen. „Du auch.“ Ich schüttle vehement den Kopf. „Nein, war ich nicht.“ „Wieso kannst du nichts essen, wenn er in deiner Nähe ist?“ Die anderen kommen auch in die Küche. Ich schüttle wieder den Kopf. Ich schäme mich so sehr. „Sie war dick, als Kind. Sie hat den Frust wortwörtlich in sich hinein gefressen. Und Vater nutzte diese Schwäche, um sie noch mehr zu grämen. Nannte sie fettes, dickes und hässliches Entlein, du wirst ewig alleine sein. All so etwas.“ Erik sieht beschämt zu Boden. „Ich brauche kein Mitleid.“ „Das bekommst du auch nicht,“ sagt Josh und hebt mein Gesicht an. „Denn du hast die Kurve bekommen. Du bist stark geworden.“ „Ja,“ sage ich und mein Magen knurrt laut. „Und jetzt habe ich Hunger und nichts ist mehr da.“ „Ich kenne dich doch, Emily.“ Gudrun holt einen großen Teller aus dem Kühlschrank und stellt ihn in die Mikrowelle. „Danke, Gudrun.“

 

Da ich meinem Bruder nichts mehr zu sagen habe und mir ehrlich gesagt die Lust vergangen ist, seine neueste Eroberung kennen zu lernen, sind wir bald schon auf dem Weg nach Hause. Josh ist recht schweigsam, aber auch ich habe keine große Lust zu reden. Meine Gedanken schwenken immer wieder zurück in meine Kindheit. Mein Handy klingelt. „Lisa,“ sage ich zu Josh und nehme das Gespräch über die Freisprecheinrichtung an. „Seid ihr beiden unterwegs?“ „Ja, was gibt es denn?“ „Habt ihr Freitag denn schon was vor?“ „Ja, Lucas macht wieder eine Feier,“ sagt Josh und kratzt sich über seinen leichten Bartschatten. „Gut, ich wollte nur, dass ihr auf jeden Fall kommt. Denn Hailey kommt mit Pete und wir wollten sie schon mal mit nem Grundpackage für ihr Baby überraschen.“ „Süße Idee, klar kommen wir.“ „Gut, bis spätestens dahin.“ Bei Josh angekommen, will ich gerade in die Küche gehen, während er die Türe schließt, als er mich packt und gegen die Wand drückt. Er küsst mich innig und wie verrückt. Als sein harter Mund über meinen Hals wandert und er beginnt haltlos seine Hände über meinen Körper wandern zu lassen, sage ich: „Josh, langsam, was ist los?“ Es ist, als hätte ich ihn wach gerüttelt, er sieht mir ins Gesicht, dann erscheint Erkenntnis auf ebendiesem. „Entschuldige, ich weiß nicht. Stressabbau.“ Er stößt sich von der Wand neben mir ab, doch ich halte ihn am Kragen seines Hemdes fest. „Niemand hat gesagt, dass du aufhören sollst. Nur ein bisschen Zärtlichkeit wäre schön.“ Er lächelt anzüglich und hebt mich hoch. Ich wickle meine Beine um seine Hüfte, während er mich die Treppen hoch trägt. Enttäuscht stelle ich fest, dass er mich auf dem Sofa ablegt, statt auf dem Bett. Josh eröffnet mir, dass er leider noch arbeiten muss und setzt sich mit einem großen Glas Wein an die Küchentheke, während ich das Buch für die Firma weiterlese und es schlussendlich bewerte, als ich es gegen halb zwei nachts beende. Ich drehe mich um. Josh tippt wie wild auf dem Laptop herum, einhändig, weil ihn die rechte Hand dabei zu sehr schmerzt. „Willst du mir nicht diktieren, was du schreiben willst?“ „Mhm,“ macht er und dreht sich herum. „Ob du mir nicht diktieren willst?“ „Nein, das ist leider sogar für dich vertraulich.“ Er trinkt einen Schluck Wein. „Mach dir doch schon mal nen Plan und ne Liste für Australien.“ „Es ist halb zwei.“ „Sorry, ich bin noch nicht fertig. Sonderaufgabe von meinem Vater.“ „Okay,“ hauche ich und stehe auf. „Ich gehe ins Bett. Nacht,“ meine ich und hauche ihm einen Kuss auf die Schläfe, bevor ich mit Joker ins Schlafzimmer gehe.


Am nächsten Morgen erwache ich alleine. Die andere Hälfte des Bettes ist gemacht. Aus dem Wohnbereich höre ich leise Musik. Ich ziehe mich an, mache mich für die Arbeit fertig, drehe mir einen hohen Dutt auf dem Kopf, entscheide mich um und lasse meine Haare lang über mein Kostüm fallen. Langsam gehe ich mit Joker nach unten. Josh's Laptop liegt zugeklappt auf dem Wohnzimmertisch. Von ihm fehlt jede Spur. Die Musik kommt eindeutig aus dem Keller beziehungsweise dem Erdgeschoss. Ich öffne den Kühlschrank und finde ein Paket Eier, etwas Schinken und Paprika. Ich beschließe jedem von uns ein Omelette zu machen. Als ich gerade zu brutzeln beginne, kommt Josh die Treppe rauf. „Guten Morgen, Kätzchen.“ „Morgen, du Arbeitstier, brauchst du keinen Schlaf?“ „Doch, aber ich hab bis gerade eben noch gearbeitet.“ Er reibt sich mit einem Handtuch über den nassen Schopf und zieht dann sein enges schwarzes Shirt aus. „Mhm, hier riecht es köstlich.“ „Ja, das ist für dich, mein Großer.“ „Klasse,“ haucht er. „Schaffe ich noch eine fünf Minuten Dusche?“ „Sicher.“ Das sein Vater ihn so beansprucht gefällt mir nicht und ich bin neugierig, wieso ich nicht wissen darf, worum es geht. In Windeseile steht Josh wieder hinter mir. Nur eine Boxershort und ein offenes Hemd an. „Tadaa,“ ruft er. „Ist noch nicht ganz fertig.“ Ich gehe auf ihn zu und lege meine Wange an seine warme, breite Brust. „Für's Rasieren hab ich keine Zeit mehr.“ Ich sehe zu ihm hoch und er lächelt mich leicht an. „Ich mag dich verwegen, weißt du doch.“ Wir küssen uns kurz, bevor ich zurück an den Herd gehe. „Hast du Joker schon gefüttert?“ „Nein,“ antworte ich leise. „Dann mach ich das jetzt.“ Joker stürzt sich wie ausgehungert auf seinen Napf. „Was möchte mein Kätzchen heute Abend machen? Essen gehen? Einen gemütlichen Abend, als Ausgleich für gestern?“ „Mhm,“ mache ich, als ich ihm sein Omelette bringe und mein eigenes in die Pfanne werfe. „Gemütlich klingt gut.“ „Zu dir oder zu mir?“ „Gerne hier,“ hauche ich. „Du siehst müde aus,“ stellt er fest. „Ich hab auch schlecht geträumt. Du warst nicht bei mir, mein Vater der mich nervt, deiner, der dich nervt. Alles Faktoren, die mich nicht glücklich stimmen.“ Er kommt zu mir herüber, mit Teller und Gabel in der linken Hand. „Heute bin ich jede Minute bei dir, wenn du willst.“ Er küsst mich auf die Stirn. „Wir müssen nämlich deine erste Korrektur besprechen, heute. Und dem Autor dazu.“ Ich nicke geistesabwesend. „Du hast sie doch fertig, oder?“ „Ja,“ seufze ich.

 

Kapitel 46

Es ist Donnerstag Abend. Josh und ich haben uns auf dem Rückweg von der Arbeit etwas beim Chinesen geholt und essen dies nun. Dabei sehen wir Fern. Es läuft nichts wirklichen interessantes, doch ich bin bei einer Dokumentation über Wölfe hängen geblieben. Jedes Mal, wenn einer heult, hebt Joker den Kopf. Nach dem Essen, gehen wir beide, mit dicken Mänteln und Schuhen bewaffnet und jeder eine Taschenlampe in der Hand, mit Joker im Wald spazieren. Es ist düster, aber ruhig und absolut friedlich. „Freust du dich auf Australien?“ „Und wie,“ hauche ich. „Ich will unbedingt tauchen und Kängurus in freier Wildbahn sehen. „Du wirst so einiges sehen, da ich eine Safari gebucht habe. Und tauchen wird sich einrichten lassen.“ Josh war heute Nachmittag gemeinsam mit mir bei der Elektrotherapie. Man sah ihm förmlich an, dass er mit der Schnelligkeit der Behandlungserfolge nicht zufrieden ist. Jedes Mal, wenn er etwas länger in der rechten Hand hält verzieht er das Gesicht vor Schmerz und öffnet und schließt die Finger, so weit es geht. Laura wird nach dem Jahreswechsel bei uns ein Praktikum machen. Als Assistentin der Assistentin, hat Josh gescherzt. Es ist halb neun, als wieder wieder zu Hause hineinkommen. Ich klopfe mir den Schnee von der Jacke, der immer noch stetig fällt, als mir etwas siedend heiß einfällt. „Oh,“ mache ich und renne nach draußen zu meinem Auto. „Emily?“ „Komme, hab was vergessen. Vor lauter Vaterdrama.“ Ich schnappe mir das flache Geschenk, dass ich nun seit gestern mit mir herumfahre. Josh sieht mich neugierig an. Seine Wangen sind von der kalten Luft leicht gerötet, sein Haar von der dicken Mütze zerzaust. „Du siehst so süß aus,“ sage ich und greife an seine Wange. Er nimmt mir meinen Mantel ab und zieht die Mütze von meinem Kopf. „Und du zerzaust, kleines Kätzchen. Was hast du da?“ „Ein Geschenk. Ich weiß, es ist super lächerlich und wahrscheinlich findest du es total kindisch, aber...“ Er reißt es mir aus der Hand und das Papier ab. Ich habe einige Bilder aus Omaha Beach und aus Paris zusammen getragen, so wie von Lucas' Party und von ihm das Foto aus Manchester. Diese habe ich als Collage zusammen geklebt und in einem gläsernen Bilderrahmen verstaut. Am unteren Rand des Rahmens steht: „Damit du weißt, dass ich immer an dich denke.“ Auf zwei Bildern schläft Josh und ich küsse seine Stirn oder streiche durch sein Haar. „Du bist einfach toll.“ „Es gefällt dir?“ „Ja, mehr als das. Danke. Du bist traumhaft.“ Wir gehen gemeinsam die Treppen hoch und Josh bringt das Bild ins Schlafzimmer. Auf seiner kleinen Kommode stellt er es erst einmal provisorisch ab. „Komm her, du kleiner Eiszapfen.“ Er grinst breit. „Musst du gerade sagen.“ Ich schubse ihn lachend auf das Bett, habe aber nicht damit gerechnet, dass er mich mit sich zieht. So kommt es, dass ich auf ihm liege. Errötend wende ich meinen Blick von ihm ab. „Nicht, sieh mich ruhig an.“ Er küsst langsam meine Stirn, dann meine Wangen. Seine kühlen Lippen legen sich auf meine und setzen, bevor sie sich anwärmen können ihre Reise fort. Über meinen Hals, meine Schlüsselbeine, die er durch das Verschieben meines weißen Wollpullovers gut erreicht. Nun zieht er mir den Pullover über den Kopf, das Top folgt auf dem Fuße. Ich nessele währenddessen an seinen Hemdknöpfen herum, doch mit meinen kühlen Fingern ist das gar nicht so einfach. Ich stöhne, als seine Lippen sich um meine Brustwarzen schließen, die noch in ihrem BH verweilen. Er hebt mich hoch und begräbt mich unter sich. Sein Hemd streife ich von seinen Schultern, lasse meine Hände unaufhörlich über seinen Rücken und seine Brust wandern, vollkommen rastlos. „Oh, Josh,“ hauche ich, als er meinen Bauch liebkost. „Dein Bauch ist so flach, der schönste, den ich je gesehen habe.“ Meine Jeans zieht er mir eilig von den Beinen, deckt uns aber direkt zu. Blind öffne ich seine Jeans und warte, bis er sie sich selbst abstreift. Ich reiße leicht an seinem Haar, um seine Lippen zu meinen zu bekommen. Er lässt es zu, küsst mich zärtlich, wohingegen ich ihn dringlicher küsse, ihm meinen Körper entgegen recke. Oh ja, ich will ihn. So, wie ich ihn in Omaha Beach wollte oder sogar noch mehr. Sein Körper glüht. Ich habe das Gefühl unter ihm zu zerfließen. Geschickt öffnet er meinen BH und ich schließe die Augen vor Lust, als er mit seinen Händen meine Brüste wiegt. Zusätzlich setzt er nun seine Lippen und Zunge ein und bringt mich um den Verstand. Mutig strecke ich meine Hand aus. Er ist hart und noch heißer als der restliche Körper von Josh. Josh zischt und hält in seinen Bewegungen inne, während ich meine Hand an seinem Penis auf und ab fahren lasse, durch die Boxershorts. „Oh, Kätzchen, du machst mich wahnsinnig,“ haucht er mit rauer Stimme. Ich halte die Luft an und ziehe an seinen Shorts. Er sieht mich an, seine hellen, blauen Augen sind glasig und glänzen mit den Sternen vor den Fenstern um die Wette. Während er meinen Blick gefangen hält, lasse ich meinen Slip verschwinden. „Ich will dich, Josh,“ hauche ich und er schließt die Augen. Seine Hand findet meine Mitte, die er vorsichtig berührt. Ich schreie auf und um mich ist es vollends geschehen.

 


Ich hatte von so etwas in etlichen Büchern gelesen. Sei es Shades of Grey oder andere. Immer habe ich das belächelt. Atemlos liegen wir nebeneinander. Mein ganzer Körper zittert, während mein Innerstes sich immer noch zusammenzieht und wieder los lässt. Ich fühle mich, als wäre mein Körper schwer und rundum zufrieden. Mein Geist ist leicht und restlos glücklich. Ich seufzte tief und glücklich. Die Zeit verging im Flug, Hitze überspülte mich und meinen Geist. Josh so nah zu sein war einfach eine wunderbare Erfahrung. „Alles okay?“ Ich seufze wieder als Antwort. Er stützt sich auf den Ellenbogen neben mir auf und sieht mich an. Eine leichte Röte überzieht sein Gesicht und seine Halspartie, seine Augen glänzen. „Heißt das ja?“ Diesmal nicke ich und hänge ein Seufzen an. Ich drehe mich auf die Seite und wende mich ihm zu. Lächelnd und immer noch ein wenig verschüchtert sehe ich hinunter, nur um gleich wieder nach oben zu gucken. „Sorry,“ hauche ich. Er lacht heiser. „Du kannst mich so viel angucken, wie du willst. Ich gehöre dir. Ganz alleine dir,“ haucht er und küsst meine Stirn. „Wie war es für dich? Habe ich dir weh getan?“ Ich horche in mich hinein. Es gab einen kurzen Moment, der ein wenig weh tat, wobei die Wonne überwog. Mein Unterkörper kribbelt, wie zur Bestätigung. „Mhm, nein, nicht wirklich. Es war,“ beginne ich, nach den richtigen Worten suchend. „wunderschön. Traumhaft. Unvorstellbar toll.“ Ich spüre die deutliche Wärme in meinem Gesicht. „Dann ist es gut.“ Er küsst mich auf die Lippen. „Aber, wie war es für dich?“ Er denkt kurz nach, beinah so, als würde er abwägen, ob er antworten solle. „Es war wirklich schön, aber du treibst mich so in den Wahnsinn, dass es nicht sehr lange gedauert hat.“ „Och,“ mache ich. Er lacht. „Jetzt habe ich ein schlechtes Bild von deinem Ex.“ Liam! Er war mein erster gewesen. Hatte sich aber nie so viel Zeit gegeben mit mir. Gut, bei unserem ersten Mal. Genau das war es auch gerade, hörte ich meinen Kopf kritisch murmeln. „Zu Recht. Er war nicht sehr,“ sage ich. „Ausdauernd.“ „Oh, dann muss ich mich aber demnächst zusammenreißen, nicht dass du das gleiche sonst von mit denkst.“ „Demnächst?“, hauche ich verzückt. Josh grinst breit. „Ich hatte nicht vor es bei einem Mal zu belassen.“ Er fährt mit einem Finger über meine Schultern, hin zu meinem Busen. Ich erzittere. „Du bist wunderschön,“ sagt er und küsst mich abermals fordernd. Als er abermals über mich steigt, bin ich schon wieder vollends in seiner Schönheit und Anmut versunken.

Kapitel 47

Ich habe am nächsten Tag nach der Arbeit einiges zu tun. Unter anderem Wäsche waschen und bügeln, Sachen für Australien bereit legen, Pässe und andere wichtigen Dokumente zusammensuchen. Bücher kaufen für den Flug. Bei guten 15 Stunden Flug brauchte ich einiges an Material. Auch Musik. Die Zeitverschiebung war diesmal nicht so riesig, also würde der Jetlag nicht so schlimm ausfallen. Lautstark lief Musik in meiner Wohnung. Josh musste auch alles vorbereiten, also würden wir uns bei Lucas treffen, wobei ich mich fragte, wie er dort hin kommen wollte. Doch ich ließ mir meine Laune nicht vermiesen. Ich tanzte fröhlich, während ich meine Blusen und Hosen bügelte. In Australien herrschten gerade 26 bis 33 Grad, aber ich sollte auch etwas warmes zum Anziehen mitnehmen, falls wir eine Nacht in der Wüste verbringen würden, denn da würde es um einiges kälter sein. Gott sei Dank rief Lisa mich an und fragte, ob sie mich mitnehmen sollte, zu Lucas Party, da ich vor lauter bügeln, waschen und aufräumen total die Zeit vergessen hatte. Okay, ich hing den Tagträumen zur gestrigen Nacht nach. Es war einfach traumhaft. Ganz klein regte sich die Angst in meinem Hinterkopf, dass ich ihm nicht genügen könnte. Doch ich verbot mir den Gedanken. „Oh Mist,“ hauche ich ins Handy. „Was denn?“ „Wie spät ist es?“ „Halb acht. Bist du noch nicht fertig?“ „Nein, ich bin mitten im Bügel- und Waschrausch. Was soll ich anziehen?“ Das Smartphone zwischen Schulter und Ohr geklemmt, stöpsele ich das Bügeleisen aus und eile ins Bad. „Mhm, das lila Kleid. Deine hohen schwarzen Stiefel. Bin in zwanzig Minuten bei dir.“ Damit legt Lisa auf. „Oh Shit,“ rufe ich und beeile mich, mir in Windeseile die Haare zu glätten, Make-Up aufzutragen und dann in mein Kleid und eine Strumpfhose zu kommen. Als es klingelt, bin ich gerade fertig, fühle mich aber vollkommen gehetzt. Ich bin ein wenig wund, was mich bei jedem Schritt, den ich tue, freudig an den gestrigen Abend erinnert. Eilig stürme ich nach unten und springe gehetzt zu Lisa ins Auto. „Meine Güte. Du bist ja jetzt total abgehetzt.“ „Ja, fahr schon los.“ „Okay, okay,“ sagt Lisa und schlängelt sich in den Verkehr. „Ich bekomme noch dreißig Dollar von dir, für das Geschenk. Ich habe eine ganz besondere Wiege im Kofferraum. Mein Onkel hat sie gebaut.“ „Oh, coole Idee.“ „Warum grinst du so?“ „Ach, ich hab nur gute Laune.“ Lisa runzelt die Stirn, konzentriert sich aber weiter auf die Straße. „Gott, jetzt müssen wir noch am Allerwertesten der Welt parken, weil Lucas die komplette Highsociety eingeladen hat. Meine Haare.“ „Kenn ich.“ Wie auf Kommando fängt es wieder an zu schneiden. „Mann,“ jammert Lisa und hält sich ihre Handtasche über den Kopf. Ich ziehe die Kapuze meines Kleides über den Kopf. „Du hast es gut,“ murrt Lisa. „Hör auf zu Jammern, das ist ja schlimm.“ „Nein, schlimm ist, dass wir die Wiege rüber tragen müssen.“ Ich sehe drei dunkle Gestalten vor uns im Schneetreiben und meine einen als meinen Bruder zu erkennen. „Erik,“ rufe ich. Einer dreht sich herum. „Emi?“ „Ja, komm, du musst was tragen.“ Die drei kommen zu uns zurück und ich erkenne Chris und Jamie, die sich ihrerseits jeder die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatten. „Gute Idee, Em,“ flüsterte Lisa. Sie öffnete den Kofferraum. „Was ist das? Das ist riesig.“ „Und Massivholz. Wehe ihr stoßt damit irgendwo an. Das ist ein Geschenk.“ Die Jungs ächzen und schleppen los. Ein großer, weißer SUV fährt an uns vorbei und hält in der Auffahrt zu Josh's Haus. Cheyenne steigt aus, mit einer Frau, die genauso schlank und groß ist, wie sie selbst, lediglich in blond. Und zu meinem Entsetzen steigt auf der Beifahrerseite jemand aus, der verdächtig nach Josh aussieht. Doch durch das Schneetreiben vermag ich es nicht zu 100% zu sagen. Lisa hakt sich bei mir unter, um auf ihren hohen Schuhen nicht auszurutschen, obwohl meine beinah genau so hoch sind. „Du bist geübter,“ ist ihr Kommentar auf meinen fragenden Blick hin. Lucas steht gerade an der Türe und will sie schließen, als wir ankommen. „Achtung, schwer,“ ruft mein Bruder und Lucas lässt uns durch. Cat steht hinter ihm in einem hautengen schwarzen Kleid, mit durchsichtigen Bereichen an der linken und rechten Seite der Taille. „Oh, da seid ihr ja. Hailey und Pete sind schon da.“ „Wow, was ist das denn?“ „Eine handgemachte Wiege, für Hailey's Baby.“ „Hailey ist schwanger?“ „Pssst,“ zische ich zu Erik und ziehe meine Kapuze ab. Anhand der Kleidung, die Josh trägt, als er nun neben mich tritt, kann ich erkennen, das ich Recht hatte mit meiner Vermutung. Ich lasse mir meine Eifersucht hoffentlich nicht anmerken. „Ich gehe Hailey und Pete holen,“ sage ich und beachte Josh nicht. „Was hast du gemacht?“ Josh zuckt die Achseln, aber mit einem flüchtigen Blick auf sein Gesicht, kann ich genau sehen, dass er weiß, was mich stört. „Ahhh, Emi, da bist du ja.“ „Hi Süße,“ sage ich und drücke sie an mich. „Das ist Pete, Pete, das ist Emily.“ Wir begrüßen uns. „Wir haben eine „kleine“ Überraschung für euch.“ Sie folgen mir, während ich meinen Mantel ausziehe. „Wahnsinnig schönes Kleid mal wieder, Liebes,“ sagt Hailey hinter mir. „Danke.“ Lisa steht bereit, um das Papier von der Wiege zu reißen. „Wir gratulieren zum Baby und wünschen euch eine wundervolle Zukunft und viel Liebe.“ Damit reißt sie das Papier ab. Hailey's Augen weiten sich. Pete legt spontan seinen Arm um sie und sieht ebenfalls gerührt aus. „Oh mein Gott,“ haucht Hailey und Tränen rennen über ihr Gesicht. Die Wiege ist aus dunklem massiven Holz, hat Kufen, zum Schaukeln, wie ein Schaukelstuhl. Auf der Seite, die den baldigen Eltern zugewendet ist, sind Verschnörkelungen eingearbeitet, die zum einen den Blick auf das Innere der Wiege frei geben und zum anderen die Anfangsbuchstaben der Eltern bilden. Der obere Bereich ist noch zu. „Hier,“ sagt Lisa und zeigt darauf. „Kann mein Onkel noch den Anfangsbuchstaben eures Baby's hinein machen. Dann ist sie perfekt.“ Hailey fällt ihr mit Anlauf um den Hals. „Ihr seid so toll,“ jammert sie und die Jungs gratulieren dem verlegen wirkenden Pete. Sie umarmt und einen nach dem anderen und zieht dann Pete an sich. „Ich danke euch auch, wirklich.“ Er wirkt nett, aber richtig einschätzen kann ich ihn noch nicht.

Cheyenne und ihre Modelfreundin schauen neugierig zu uns hinüber. Lucas steht neben Josh und unterhält sich eindringlich mit ihm, bevor Josh nun zu mir kommt. Ich nippe eilig an dem Champagner, den mir ein Kellner in die Hand gedrückt hat und versuche zu flüchten, doch Josh hält meine Hand fest. „Wohin so eilig, schöne Frau?“ „Ich glaube jemand hat mich gerufen?“ Doch Josh lässt mich nicht gehen, stattdessen zieht er mich zurück, dreht mich dabei so, dass ich mit meinem Gesicht an seiner Brust lande. „Es tut mir Leid,“ hallt seine Stimme durch seinen Brustkorb. „Ich bin mit ihr genau so lang befreundet, wie mit Lucas. Und als sie fragte, ob sie mich mitnehmen soll, hab ich einfach ja gesagt. Ich hab nicht nachgedacht, wie das für dich aussehen muss, es tut mir Leid.“ Nun komme ich mir blöde vor, wie eine alte, eifersüchtige Jungfer. „Nein, mir tut es Leid. Ich bin furchtbar.“ „Ja,“ erwidert er und ich sehe ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Furchtbar heiß, furchtbar sexy und furchtbar hübsch.“ Er grinst mich breit an und ich lächele schüchtern zurück, bevor ich meinen Kopf wieder an seine Brust lehne. „Ich muss lernen dir zu vertrauen. Du bist mit mir zusammen, nicht mit Cheyenne.“ „Genau, aber ich kann dich verstehen.“ Er hebt mein Gesicht an und ich recke mich ihm entgegen, so dass er mich küssen kann. „Mhm,“ sagt er. „Was?“ „Champagner auf den Lippen der schönsten Frau des Abends. Lecker. So könnte ich sogar Champagner-Trinker werden.“ „Du bist unmöglich.“ Erst jetzt bemerke ich, dass wir eng aneinander tanzen. „Und ich merke in deiner Nähe nicht mal, dass du mich dazu nötigst zu tanzen.“ Er zieht mich lächelnd von der provisorischen Tanzfläche und auf ein Sofa zu. Er küsst mich leidenschaftlich und ich erwidere es, wobei ich merke, dass mir beinah die Sinne schwinden. „Hi,“ haucht er, als er von mir ablässt. „Hallo, mein Großer,“ murmle ich verlegen, weil ich bemerke, dass Lisa, Hailey, Cat und Ava uns anstarren. „Oh mein Gott,“ sagt Ava gerade zu Cat. „Du hast Recht.“ „Was geht da vor?“ Josh reibt seine leicht kratzige Wange an meinem Schlüsselbein. Ich seufze und kraule sein Haar. „Sie haben gerade herausgefunden, dass wir miteinander geschlafen haben. Nun werde ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausgefragt werden, wie es war, wie du bist und wie,“ halte ich verlegen inne. Er lacht heiser. „Schon verstanden, kleine schüchterne Katze.“ Er sieht zu ihnen herüber, grinst anzüglich und sagt dann laut, so dass sie es hören können: „So schüchtern warst du aber heute Nacht nicht, Wildkätzchen.“ Mit diesen Worten steht er auf und lässt mich allein. Wenn Blicke töten könnten, wäre er noch auf der Stelle tot umgefallen.

Kapitel 48

„Ich hasse dich dafür,“ zische ich ihm zu, als ich ihn das nächste Mal aus der Nähe sehe. Er grinst nur und trinkt an seinem Glas, mit der verräterischen hellbraunen Flüssigkeit. Cheyenne grinst mich von der anderen Seite der Theke böse an, genau, wie ihre Freundin. Josh zieht mich in seine Arme und dreht den beiden Models den Rücken zu. „Lass dich nicht ärgern, Kätzchen.“ Ich presse mich fest an ihn und kratze ihm über den Rücken. Seine raue Stimme flüstert mir ins Ohr: „Aber, aber Kätzchen, doch nicht hier.“ Wir küssen uns kurz und bleiben dann nebeneinander stehen. Während ich auf meinen Champagner warte, liegt seine Hand auf meiner Hüfte und er streicht mit dem Daumen besitzergreifend über meine Haut. Cheyenne's Grinsen ist verschwunden. Sie funkelt mich böse an. Wir werden nie Freundinnen werden, aber ich muss Josh vertrauen, sonst ist doch alles umsonst oder?


Es wird bereits sehr spät und der Champagner zeigt bei Cat die erste Wirkung. Sie tanzt lasziv in der Mitte des Raumes. Ich stehe neben meinem Bruder und Chris, der ab und an schuldbewusst zu Josh sieht, der neben einem beinah sabbernden Lucas steht. Cheynne flüstert ständig in Josh's Ohr, was er nur mit ernsten Blicken quittiert. „Mensch, die würde mir ja derbe auf den Zeiger gehen,“ schreit Chris gerade in mein Ohr. „Danke,“ hauche ich. „Ich bin nicht taub.“ Er grinst und zeigt auf den Fusel in seiner Hand, als würde das als Entschuldigung genügen. „Schwesterherz, mir gefällt der Gedanke nicht, dass du deinen Geburtstag am anderen Ende der Welt verbringst.“ „Mir schon.“ „Und uns erst,“ sagt Ava. „Gönn deiner Schwester eine Weltreise. Gönne ihr den Himmel auf Erden. Du bist durch deinen Job viel gereist, wenn auch unfreiwillig.“ Er nickt und trinkt an seinem Bier. Plötzlich werde ich auf die Tanzfläche gezogen. „Cat, bitte ich tanze nur auf vollen Tanzflächen und sicher nicht mit dir in deinem Zustand.“ Eilig versuche ich ihr zu entkommen. Doch sie hält mich eisern bei sich. „Komm schon, ich hab mir you're the one that I want gewünscht, das musst du mit mir machen.“ „Nein,“ sage ich und schüttle vehement den Kopf. „Du bist eine Spaßbremse. So findet Josh dich sicher nicht lange sexy. So wie Lucas's Schwester.“ Autsch, das hatte gesessen. Sie schlug sich vor den Mund. „Em, es tut mir Leid, das war nicht so gemeint, bitte.“ „Doch, oh doch, das war es. Betrunkene und kleine Kinder sagen immer die Wahrheit. Oder wenigstens etwas, wo Wahrheit dahinter steckt.“ Ich will mich herumdrehen, als mir etwas einfällt. „Nur,“ beginne ich. „Was macht dich da so sicher, dass er sie immer noch sexy findet?“ Sie sieht auf ihre Füße. „Lucas hat es mir erzählt, dass sie noch Anfang diesen Jahres darüber gesprochen haben und Josh sagte, dass seine Schwester ja nach wie vor sexy sei. Aber das hat er sicher nur so gesagt, weil sie doch ein Model ist, natürlich ist sie dann sexy. Dein Bruder ist auch sexy oder Jamie.“ „Du redest dich um Kopf und Kragen, Catherine. Lass mich einfach in Ruhe.“ Ich verziehe mich von der Bühne. Cat läuft sofort zu Ava und ich zur Toilette. Wütend knalle ich die Türe zu und lasse mich an der Türe hinab sinken. An der Decke schräg über mir hängt ein Spiegel. Mein Blick gleitet über mein hektisch geflecktes Gesicht, große glasige Augen, in denen sich Tränen sammeln. Mein Mascara ist verschmiert, von meinen Smokey-Eyes kaum mehr etwas übrig. Eine einzelne Träne stiehlt sich aus meinem linken Augenwinkel und nimmt die verschmierte Mascara mit, auf ihrem Weg, meine Wange und mein Kinn entlang. Die roten Flecken setzen sich in meinem Dekolleté fort, auch an meinem Hals. Es sind Tränen der Wut, der Enttäuschung und auch ein wenig Angst liegt darin. Meine Lippen sind geschwollen, bemerke ich, als ich sie berühre. Mein Nagellack bereits an manchen Stellen abgeplatzt. Die Uhr klimpert verheißungsvoll und lenkt meine Gedanken auf Josh. Als würden sich meine Gedanken noch um etwas anderes als ihn drehen. Cheyenne war sexy! Was machte ich mir vor? Nur ich, ich war es nicht. Meine Beine lagen verheddert auf dem kalten Fliesenboden, wirkten weder grazil, noch stampfig. Eine weitere Träne folgte der ersten und tropfte mit einem leisen Klatschen auf den schwarz-weißen Fliesenboden. „Emi?“ Ich zog meine Beine undamenhaft an meinen Körper und barg mein Gesicht an den Knien. Auch Cheyenne's Freundin war sexy, ein Model, groß, schlank, wunderschön. Ich war winzig und absoluter Durchschnitt. Nicht sonderlich sportlich, aber auch nicht unsportlich. Normal eben. Ich hatte von Gott für so ein kleines Mädchen eine üppige Oberweite bekommen, ohne chirurgisch nachzuhelfen, das war es aber auch schon. Man konnte ihm noch dafür danken, dass ich die Schönheit meiner Mutter erhielt, was Augen und Lippen angeht. Aber der Rest? Nicht sonderlich begehrenswert. Ich hatte keine langen Gazellenbeine, die in kurzen Röcken gut aussahen. Sobald ich Ballerina's trug, wirkten sie noch kürzer und noch dicker. Ich kaufte Hosen in Kurzgröße oder musste sie umschlagen. Meine Haare, auf die war ich stolz. Ich pflegte und hegte sie, so gut es ging und war mit dickem, naturblondem Haar gesegnet. Aber das alleine machte noch keine Schönheit aus, oder? „Was ist los?“ Das war Josh, seine kratzig-raue Stimme würde ich unter tausenden erkennen. „Ich weiß nicht, sie hat sich mit Cat gestritten, glaub ich.“ Hailey, die wunderschöne, liebe Hailey. Was sollte aber dieser hinreißende Mann vor der Türe mit mir wollen? Ich hatte einen Freund, einen Schwarm. War sexuell unerfahren und hatte nichts erlebt oder von der Welt gesehen. Ich hatte keine Hobbies, keine reichen, tollen Freunde, keine intakte Familie. Ich und mein Leben, wir waren einfach kaputt, schon immer gewesen. Mein Vater hatte Recht. Ich war nichts, aber auch gar nichts wert. Cat hatte Recht! Wieso sollte er mich lange für sexy befinden, wenn ich nichts bot? „Emily?“ Seine Stimme war getränkt von Sorge. Ich machte ihm nur Ärger und Kummer. Schwankend stand ich auf. Übelkeit überfiel mich und ich beeilte mich, um mich geräuschvoll in die Toilette zu übergeben. Es schien, als würde ich all den angestauten Frust heraus lassen. Ich begann zu zittern und zu husten, bekam kaum Luft und dann wurde es dunkel um mich.

Kapitel 49

Ich hatte einen furchtbaren Traum, dachte ich zumindest, bis ich die Augen aufschlug. Mein Kopf lag in Josh's Schoß und seine hellen, blauen Augen blickten mich voller Sorge an. Ich schlug mir die Hände vors Gesicht, rieb und zog und doch verschwand die Szene nicht. „Lass mich,“ sagte ich in meine Hand, weil ich fürchtete zu stinken. Ich musste stinken. Es konnte nicht anders sein. „Schht,“ machte er und strich mir über das Haar. Mir war todschlecht und ich fühlte mich elend. Beide Arme hob ich über mein Gesicht und ich spürte heiße Tränen in die Ärmel meines Kleides fließen. „Du bist total warm, wahrscheinlich hast du dir eine Grippe oder so etwas eingefangen.“ „Vielleicht,“ sage ich mich krächzender Stimme. „Soll ich dich nach Hause fahren, Süße?“ „Nein,“ hauche ich. „Ich nehme ein Taxi. Habt weiter Spaß.“ Als ich nun die Arme von meinem Gesicht hebe, sehe ich in sein Gesicht. Es ist finster. Die Augenbrauen nahezu aneinander gezogen. „Ich komme mit dir!“ Seine Stimme lässt keinen Widerspruch zu, doch ich bin nicht in der Lage einfach so alles hinzunehmen. Dafür ist meine Stimmung einfach zu hysterisch. „Nein, das wirst du nicht. Feiere hier deine Party, mit Leuten, die besser sind als ich. Die so sind, wie du und zu dir passen. Cat hat Recht, mein Vater hat Recht. Einfach alle haben Recht.“ Mit diesen Worte erhebe ich mich schwankend. Josh reicht mir wortlos meine Handtasche. Ich spüre, dass er mir folgt. Im Flur, als wir alleine sind und ich mein Smartphone mit bebenden Händen aus der Tasche wühle, packt er meine Arme und stemmt mich eisern gegen die Wand. „Hör zu,“ haucht er bedrohlich. „Ich weiß nicht, was Catherine dir gesagt hat. Aber ich habe mit alldem nichts zu tun. Dir geht es schlecht, du scheinst hohes Fieber zu haben und du weißt scheinbar nicht, was du redest.“ Er atmet tief und zitternd durch, die Augen fest geschlossen. „Ich lasse dich nicht alleine fahren. Und dein Vater hat in allem, was er über dich sagt Unrecht. Einfach in allem.“ Josh lockert den Griff um meine Arme und ich starre ihn an, die Luft beinah angehalten. „Vielleicht sollten wir ein Stück zu Fuß gehen, bevor wir ein Taxi rufen.“ Er lässt sich unsere Jacken bringen und ich stoße die Luft aus, reibe mir meine Arme. Er hilft mir in meinen Mantel und ich kann sehen, dass er die Zähne zusammenbeißt. „Josh, sie will doch gar nicht, dass du mit ihr kommst,“ höre ich Cheyenne flöten. Ich sehe buchstäblich rot und halte mich an Josh fest. „Cheyenne, verschwinde und misch dich bei jemandem ein, der auf deine Meinung wert legt.“ Cheyenne und ihre Freundin ziehen zischend die Luft ein. „Komm, Kätzchen, wir gehen.“


Ein paar Meter durch den eisigen Wind und den kalt-nassen Schnee, wird mein Kopf schon wieder um einiges klarer. Oh mein Gott, was war nur in mich gefahren? Das war ein klassischer Depressions-Rückfall. Bitte keine Therapien mehr, bitte, jammerte mein Kopf. Ja, es war in der Tat so, dass ich von Kindesalter an, bis ich etwa vierzehn wurde, mindestens einmal die Woche beim Psychologen war. Ich hatte Depressionen, kein Selbstwertgefühl und war absolut unsicher. „Ich bin so blöd, es tut mit Leid, Josh.“ „Schon okay. Du wirst deine Gründe haben. Aber es schmerzt, wenn ich sehe, dass du dich quälst und dir von mir nicht helfen lassen willst.“ „Es tut mir wirklich so Leid. Es,“ beginne ich, doch Josh hebt die Hand und bedeutet mir zu schweigen. „Du musst nicht darüber reden. Ich kann schon eins und eins zusammenzählen. Das Verhalten deines Vaters ging sicher nicht einfach so an dir vorbei, als du jünger warst und dass du früher dick gewesen sein sollst, wird nur eine Auswirkung oder Verschlimmerung sein. Ich kenne das selbst. Aber du bist nicht schlechter, als alle die, die da drin sind. Sie haben alle Probleme. Jeder einzelne von ihnen. Nehmen wir dein Feindbild Nr. 1. Sie war jahrelang Bulimie-Krank. Als ihre Modellkarriere mit zwölf richtig in Schwung kam, redete ihr jeder Designer und jeder Modeheini ein, sie sei zu dick. Aus Frust hat sie gegessen, Süß, Chips, Flips, Cola, alles was sie finden konnte und zusätzlich normales Essen, plus Nachschlag. Und dann, dann hat sie alles erbrochen. Jeden Tag. Bis sie eines Abends, als ich zufällig bei ihrer Familie mitaß, nicht mehr von der Toilette zurück kam. Da war sie in etwa dreiundzwanzig, also kaum älter als du. Ihr Vater hat die Türe aufgebrochen und den Notarzt gerufen. Ihre Luftröhre hatte etwas ab bekommen. Sie war schon grün und blau im Gesicht angelaufen, hatte keinerlei Kontrolle mehr. Sie ist ein Jahr zur Therapie gegangen. Wurde auf Schritt und Tritt von ihrer Mutter oder Lucas verfolgt. Damit sie ordentlich aß. Sie bekam eine Sonde eingesetzt, die Erbrechen verhindert, weil sie nicht einsichtig war. Ich glaub mittlerweile hat sie es überwunden. Aber wenn man sie darauf anspricht, zerbricht eine Welt für sie. So schlank wie damals wird sie laut ihrer Aussage nie wieder sein.“ „Oh,“ mache ich. „Ja, nehmen wir Cat. Cat hat mehr Männer durch, als Lucas Frauen und glaub mir, das waren verdammt viele. Es ist ein Hilferuf. Sie hilft sich so über ihre Unsicherheit. Sag, wie viele feste Freunde hatte sie?“ „Seit ich sie kenne? Einen, vielleicht!“ „Siehst du. Wie lang hat die Beziehung gedauert?“ Ich zucke die Achseln und sage: „3 Monate?“ Josh nickt. „Dachte ich mir. Also sind wir alle auf die ein oder andere Art gleich kaputt. Von mir muss ich nun mal gar nicht anfangen. Also wieso solltest du nicht passen? Weil du so jung bist?“ Er lacht bitter. „Ich glaube, dass uns eine beschissene Kindheit schneller altern lässt, also bist du mindestens 25 oder sogar älter.“ Ich sehe zu ihm auf. „Du bist einzigartig, weißt du das?“ „Jeder Mensch ist einzigartig, Kätzchen.“ Er meidet meinen Blick. „Cat meinte, dass ich mit ihr tanzen soll, weil du mich sonst nicht lange sexy finden würdest und dass du Anfang des Jahres noch zu Lucas gesagt hast, dass du Cheyenne immer noch sexy finden würdest. Und da sind mir einige Sicherungen durchgeknallt. Obwohl ich weiß, dass sexy finden ja nichts mit Liebe oder fremdgehen zu tun hat, aber ich kann nun mal vom Aussehen und Erfahrung nicht mit Cheyenne mithalten, machen wir uns nichts vor.“ Ich spüre im kalten Wind, dass mir abermals Tränen über das Gesicht rinnen, doch ich wische die wütend hinfort. „Immer muss ich heulen,“ jammere ich. Josh bleibt stehen und zieht mich zu sich. „Glaub mir,“ flüstert er. Sein Mantel riecht nach seinem Rasierwasser und kalter Winterluft. Ein Hauch Zimt entströmt ihm. Zimt, mhmm, denke ich. „Ich hätte nicht mit dir geschlafen, wenn du nicht sexy wärst und dein Alter interessiert mich nicht. Genauso wenig, wie deine Erfahrung. Glaub mir, das finde ich noch aufregender als alles andere, dass ich mit dir alles ausprobieren kann, sehen kann, was dir gefällt. Nicht bestimmt bekomme, was ich zu tun und zu lassen habe. Irgendwann, je länger wir zusammen sind, das verspreche ich, wirst du dir wünschen, dass du weniger Erfahrung hättest. Denn eine neue Erfahrung ist jedes Mal etwas Schönes.“ „Oh Josh, du bist einfach traumhaft. Weißt du was?“ „Was?“ Er haucht mir einen Kuss auf die Kapuze meines Kleides. „Ich wünschte ich wäre wieder Jungfrau, dann hätte ich diese Erfahrung auch dir zu verdanken. Ich will einfach jede Erfahrung mit dir machen, einfach jede.“ Dann küssen wir uns, zärtlich und lang, im dichten Schneetreiben unter einer Straßenlaterne.

Kapitel 50

Ich hatte wirklich Fieber und so kommt es, dass wir beide mit einem Tee auf meinem Sofa sitzen. Mein Kopf ruht an Josh's Schulter, während er einen Film guckt. „Ich muss noch packen und bügeln und waschen,“ murmle ich verschlafen. Er zieht die Wolldecke weiter über mich und küsst meinen Kopf. Sofort, als wir bei mir ankamen habe ich meine Zähne geputzt. Josh ebenfalls, obwohl er mir versprach, dass der Kuss nicht ekelhaft war. „Dazu ist morgen noch genug Zeit, Kätzchen.“


Als ich das nächste Mal die Augen öffne liege ich in meinem Bett. Mir ist warm, weil ich unter meiner dicken Daunendecke und einer Wolldecke liege. Ich kann den Fernseher aus dem Wohnzimmer hören. Leise krabbele ich aus dem Bett und schlüpfe zur Schlafzimmertüre hinaus. Josh sitzt auf dem Sofa, ein Glas Whisky in der Hand. Neben ihm liegt Joker, der sich den Kopf kraulen lässt und nun leicht die Augen öffnet. „Hey,“ sagt Josh. „Wieso schläfst du nicht?“ „Das gleiche könnte ich dich fragen.“ Er lächelt. „Nicht müde.“ „Zu warm,“ sagen wir beinah gleichzeitig. Wir lachen. „Komm her, kleines Kätzchen.“ Im Fernseher läuft ein Horrorfilm, weshalb ich meinen Kopf auf seinen Schoß bette und mich zu ihm herum drehe. Liebevoll streicht er mir über den Kopf,was Joker grummelnd quittiert, denn sein Kopf wird nun nicht mehr gestreichelt. „Schlaf, Emily.“ Ich will mich noch beschweren, dass er mich nicht herumkommandieren kann, doch die bleierne Schwere des Schlafs umfängt mich und zieht mich in die Tiefe.


Der Samstag ist Stress pur. Waschen, trocknen, bügeln, packen, Anrufe von Cat wegdrücken, ihr Klingeln an der Türe ignorieren. Um 19:00 Uhr steht der Koffer fertig gepackt im Wohnzimmer. Nur die alltäglichen Morgenutensilien müssen noch hinein. Alles andere ist drin. Ich sehe aus dem Fenster. Leise fällt der Schnee stetig weiter und hüllt die Welt in seine Puderzuckerschicht ein. „Komm, Joker,“ sage ich und schlüpfe in Mütze, Schal, Handschuhe und dicke Boots mit rutschfester Sohle. Gähnend streife ich mir meinen Mantel über. Josh hatte mir Frühstück geholt, mich zum Mittagessen bekocht und mich fleißig mit Tee versorgt. Mein Fieber war gesunken. Ich fühlte mich nur noch etwas schlapp. Joker rannte vor mir durch die geöffnete Türe. Leichten Schrittes und noch meine Jacke schließend, nahm ich eilig die Treppe nach unten. Joker steht bereits an der Türe, die ich dann mit einem gemurmelten: „Ja, ja,“ öffne. Ich pralle gegen jemanden, der direkt vor der Türe steht. Cheyenne! „Woher weißt du wo ich wohne?“ „Von Lucas.“ „Und wieso wolltest du das wissen?“ Meine Stimme ähnelt Zischlauten und meine gute Laune ist schlagartig verschwunden. „Weil ich dir sagen wollte, dass Josh sich nicht mehr für mich interessiert. Das hat er mir mehrmals deutlich gesagt.“ „Und was ist mit dir?“ Ich verschränke die Arme vor der Brust und mustere die schwarzhaarige Schönheit. Sie streicht sich das seidige Haar aus dem Gesicht, welches ihr vom Wind, in eben jenes geweht wurde und seufzt. „Ich mag ihn sehr gerne, da mache ich auch für dich kein Geheimnis draus. Es wäre dir gegenüber nicht fair. Lucas hat mir erzählt, dass du es auch nicht einfach hattest oder hast, nachdem du gestern weg warst. Josh war früher schon immer für mich da und ich weiß, dass er es auch jetzt noch wäre, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber er liebt mich nicht. Ich dafür glaube, dass ich schon in ihn verliebt bin.“ Sie zuckt die Achseln und umschlingt ihren Körper, der lediglich in einer dünnen Strickjacke steckt, mit den Armen. „Gehen wir ein Stück?“ Mein Blick ruht auf ihrem Haar, das wie Spinnweben durch die kalte Luft weht. Sie nickt und geht die Stufen auf den Bürgersteig hinunter. Ich drücke auf das Licht der Taschenlampe und mache Joker's Halsband an. Es blinkt aufgeregt, während sein Träger mindestens genauso aufgeregt vor uns her läuft. „Ich weiß, du hasst mich. Ich habe es ehrlich gesagt auch nicht anders verdient. Ich habe mich dir gegenüber unmöglich benommen. Aber Josh, er ist für mich der perfekte Mann. Bis auf seinen Spleen, natürlich. Ich will dir nicht jedes kleinste Detail erzählen, weil ich mir vorstellen kann, dass dich das verletzt, aber es gab eine Zeit, da habe ich gedacht, er würde mich lieben. Nicht, wie seine Schwester, sondern wirklich wie die Frau, die er liebt. Aber ich habe mich getäuscht. Als Katie kam war ich abgemeldet. Ich hasste sie, ihn, aber andererseits habe ich mich für ihn gefreut. Bis ich sah, dass er, wenn sie nicht hinsah unglücklich war.“ Ein Windhauch ließ sie frösteln. „Er erzählte mir, dass es wieder so wäre, dass er sie nicht lieben könnte. Er würde sie mögen, aber lieben? Nein, das kann er nicht. Ich habe ihm damals, egoistisch wie ich war, geraten er solle Schluss machen. Sich nicht quälen. Doch er hörte nicht auf mich. Zumindest nicht direkt. Einige Monate später tat er es doch. Für Katie brach eine Welt zusammen, doch ich war,“ begann sie, atmete zitternd aus und hob ihre Hände in ihr Haar. „irgendwie glücklich. Josh verbrachte wieder mehr Zeit mit mir. Es kam eins zum andern, nun ja, du weißt schon. Aber ich wusste immer, dass er mich nicht liebt. Irgendwann, habe ich ihn kontrolliert, ihm hinterher spioniert, seine SMS gelesen, meinen Bruder ausgehorcht und dieser rief mich zur Vernunft. „Du bist in Josh verliebt, gib es zu.“ Widerwillig gestand ich es mir ein. Das war der Tag, bevor er mir sagte, dass nie wieder etwas zwischen uns laufen wird. Niemals wieder.“ „Das hat er zu deinem Schutz getan, oder?“ „Natürlich. Aber glaub mir, ich war hin und her gerissen. Nun, seit jenem Tag lief, außer dem aufgezwungenen Kuss nichts mehr. Und das was deine Freundin erzählt hat, das mag zwar stimmen, aber wer, sag mir welcher Mensch, findet nicht noch jemand anderen sexy, außer den oder die, mit der man liiert ist?“ Ich zucke die Achseln und streife meine Handschuhe von den Händen und reiche sie Cheyenne. Mit großen Augen sieht sie mich an. „Nimm, deine Hände sehen schon fast erfroren aus.“ Sie seufzte, nickte dankbar und zog sie über. „Und deshalb kommst du mitten im Schnee zu mir?“ „Ja, ich wollte, dass du weißt, dass er mich nicht will. Du bist ihm wichtig. Wichtiger als Katie es war. Ja, vielleicht bist du es, die es schafft, sein Herz zu berühren. Ich bin nur noch wie eine Schwester für ihn. Er kann da ganz rigoros sein.“ Ihr Blick richtet sich in die weite Ferne, die man nicht sehen kann. „Danke,“ haucht sie irgendwann. „Wofür?“, frage ich völlig perplex. „Dass du mir zugehört hast.“ Ich sehe zu Boden und bleibe stehen. „Weißt du, ich denke, dass wir nie richtige Freundinnen werden können, nicht solange ich weiß, dass du a) mit Josh geschlafen hast, b) ein Supermodel bist, das viel hübscher und reicher ist, als ich und besonders c), dass du in ihn verliebt bist. Aber ich glaube, dass ich dich wenigstens ansatzweise mögen könnte. Wenn du nicht so eine, entschuldige, arrogante Ziege bist und dich normal verhältst.“ Cheyenne lacht und zum ersten Mal sehe ich hinter ihre Supermodel-Maske. Kleine Grübchen graben sich in ihre Wangen und ihre grünen Augen strahlen heller, als die Taschenlampe. „Also egal, was du denkst. Ich mag dich irgendwie. Und Josh wirkt glücklich. Wenn er nicht grade Sorge um dich hat.“ Sie lächelt immer noch. „Komm, dir ist doch sicher kalt. Lass uns zurück gehen.“ Gemächlich gehen wir nebeneinander her durch den dichter werdenden Schnee.  

Kapitel 51

„Wahnsinn,“ hauche ich. „Wahnsinn.“ „Hat es deine Erwartungen übertroffen?“ Josh grinst mich gegen die Sonne blinzelnd an. Der Flughafen von Sydney ist riesig und absolut überfüllt und wunderschön. Ich schwitze bereits seit wir das Rollfeld erreicht haben. Von meiner kleinen Unterredung mit Cheyenne habe ich ihm nichts erzählt. Er zieht seinen Pullover über den Kopf und ich erhasche einen Blick auf seinen flachen Bauch. Errötet sehe ich weg. „Los, komm.“ Ich renne mit meinem Koffer im Schlepptau in Richtung Ausgang. Ich kann es kaum erwarten. Alles hier ist so schön. Ich wollte schon immer hier her. Josh beeilt sich hinter mir her zu kommen, schiebt sich eine Sonnenbrille auf die Nase, bevor er neben mir ins gleißende und heiße Sonnenlicht tritt. Mit einem Jeep fahren wir durch das Land. Es ist sehr trocken. Josh berichtet ein wenig über Australien, doch ich kann ihm kaum zuhören. Ich halte meine Kamera in der Hand, fast so, als wäre ich auf der Suche nach dem perfekten Schnappschuss. „Das da hinten ist unsere Lodge-Anlage. Davon gehört uns ein Bungalow. Die ganze Zeit über. Auch wenn wir nicht immer hier übernachten werden.“ Am Ankunftstag machen wir nicht mehr viel. Abends sitzt Josh mit einem Glas Wein an einem Schreibtisch in der Lodge, während ich meine Füße von der Veranda ins Wasser baumeln lasse und die Fische beobachte. Trotz unseres Schweigens sind wir zusammen. Es ist nicht belastet. Ich bin glücklich. „Morgen hast du Geburtstag,“ sagt Josh plötzlich hinter mir und setzt sich hinter mich und schiebt die Beine an meinen Beinen vorbei. Ich lehne mich gegen seine nackte Brust. „Genug gearbeitet, Mr. Dawson?“ Ich spüre sein Nicken an meinem Hals, als er einen Kuss darauf haucht. „Was machen wir morgen?“ „Ich hab den ganzen Tag als Überraschung durchgeplant.“ „So so,“ sage ich. Mir wird heiß, als er mit seinen zärtlichen Fingern meinen Nacken umfasst und ihn leicht massiert. „Wow, dass es noch nachts so heiß hier ist.“ „Das liegt bestimmt an dir,“ sagt er lachend. „Blödmann,“ necke ich ihn und lasse mich von der Veranda ins Wasser plumpsen. Ich ziehe ihn mit mir. „Danke, die Hose war trocken,“ sagt er und sieht mich finster an. „Oh je, deine Haare auch noch.“ Ich spritze ihn mit Wasser voll und er verfolgt mich. Kichernd versuche ich vor ihm zu Fliehen, doch es gelingt mir nicht. Schon nach kurzer Zeit fängt er mich an und wir küssen uns lange, zärtlich im Mondschein, bis mir mein Atem stockt und er mich aus dem Wasser in die Lodge trägt.


Die Sonne kitzelt mein Gesicht und ich weiß instinktiv, dass ich alleine bin. Ich höre das Meer, rieche die Wärme und das Salz. Ein leichter Windhauch fährt über meine nackte, warme Haut. Ich liege in dem Kingsize-Bett mit Blick auf den Sonnenaufgang. Bis auf die Geräusche des Meeres und das leichte Brausen des Windes ist nichts zu hören. Ich ziehe den seidigen Morgenmantel an, der auf einem Sessel neben dem Bett liegt. Wie erwartet ist die andere Hälfte des Bettes leer. Sein Geruch hängt allerdings noch in der Luft. Was bedeutet, dass er noch nicht lang weg ist. Mein Blick fällt auf den Spiegel über dem Bett, in dem ich in der letzten Nacht mein Gesicht gesehen habe. „Das war dein erstes Geschenk, kleine Wildkatze,“ hatte Josh gegen Mitternacht in mein Ohr gehaucht. Ich erröte bei dem Gedanken daran, was er mit mir gemacht hat. Das hat noch nie jemand mit mir gemacht. Liam fand, dass sich das nicht gehört. Gedämpft höre ich mein Handy klingeln und eile durch das riesige Schlafzimmer, dass in der Mitte ein Stück Glasboden hat. Ich beobachte die auseinandertreibenden Fische, als ich darüber gehe. „Hallo,“ hauche ich atemlos in mein Handy. „Haaaaaaapppyyyy Birthday,“ hallt es mir vierstimmig ins Ohr. „Na, wie ist down under?“ „In jeglicher Hinsicht,“ fügt Cat hinzu und ich laufe rot an. „Es ist traumhaft,“ antworte ich knapp. „Heiß?“ Jetzt muss ich lachen. „Und wie.“ „Schon beschenkt worden?“ Ich erzähle, dass Josh heute den ganzen Tag verplant hat, aber bisher verschwunden ist und wir von daher nur ein Mitternachts-Erlebnis hatte. „Das reicht dir nicht?“ Lisa lacht mich aus und auch Hailey stimmt mit ein. „Lucas lässt dir auch Gratulation ausrichten.“ „Sag ihm danke.“ „Vergiss uns nicht, Süße und lass dich feiern.“ Im Schneidersitz sitze ich auf der Chaiselongue und sehe auf den immer heller werdenden Himmel. Ich ziehe meine Kamera hervor und schieße einige Bilder. Ein Delfin springt in weiter Entfernung aus dem Wasser, den ich eilig ebenfalls fotografiere. Traumhaft, einfach nur schön. Seufzend erhebe ich mich, recke meinen Rücken und gehe ins Bad. Eine Rose steht auf dem Badewannenrand und ein Brief lehnt daran. Lächelnd nehme ich ihn in die Hand. „Wildkätzchen. Ich hab noch was organisatorisches zu erledigen. Geh duschen, packe deinen Outback-Rucksack. Leichte Kleidung, Hotpants und Top, Sneaker. Bikini ist ein Muss. Große Flasche Wasser. Sonnenschutz und -brille. Bis gleich. J!“ Lächelnd stelle ich mich unter die kalte Dusche. Ich bin in Gedanken ständig bei ihm. Bei letzter Nacht. Sein Körper, unter meinen Händen, unter mir, zwischen meinen Beinen. Die leichte Schicht Schweiß, die ihn überzog. Das Gefühl von ihm in mir, verursacht schon bei dem Gedanken ein heilloses Kribbeln in mir. Ich betrachte meinen nackten Körper im Spiegel. Meine runden Brüste, meine schmale Taille, den kleinen Po, der meiner Meinung nach runder und fester sein könnte. Was habe ich, was andere nicht haben? Ich zuckte die Achseln und flechte meine Haare nach vorne über meinen Busen. Meine Haare sind alleine vom gestrigen Tag schon eine Nuance heller geworden, obwohl wir nur kurz in Sydney waren zum Abendessen und es dann bereits dunkel wurde. Ich schlüpfe in meinen Bikini, eine kurze Jeanshotpant mit Fransen und ein rosafarbenes Top. Meine große Sonnenbrille auf der Nase mache ich mich auf den Weg in den Wohn- und Essbereich. Frisches Obst und Brötchen stehen bereit. Ich setze mich und esse gedankenverloren, als jemand plötzlich seine Hände auf meine Hüften legt. „Guten Morgen, Sonnenschein.“ Ich lächele ihn an. Er trägt eine blaues T-Shirt und seine Haare hängen leicht feucht in seinem Gesicht. „Warst du laufen?“ Er nickt und zieht seine Sonnenbrille aus. „Dabei hab ich dann noch die letzten Schritte für heute abgeschlossen. Jetzt gehe ich duschen und dann können wir los.“ „Hast du schon gefrühstückt?“ Er nickt und zieht währenddessen sein Shirt über den Kopf. Ich stehe sofort auf, wie von einem Drang bemächtigt und fahre mit der Hand über seinen Rücken. Er dreht sich mit einer erhöhten Augenbraue zur mir herum. „Emily? So kommen wir nicht los.“ „Ist mir egal,“ hauche ich und presse mich an ihn. Seine Hände finden meinen Zopf und er zieht leicht daran. Bestimmt schiebe ich ihn auf das Sofa und hocke mich rittlings auf ihn, seinen Mund mit meinen Lippen umfangen und wir beginnen das Spiel der Nacht von vorne. Nur, dass ich diesmal all meinen Mut zusammennehme und etwas tue, dass ich niemals gedacht hätte tun zu können. Ich ziehe seine Hose aus und sehe seine Erektion direkt vor mir. Langsam fahre ich mit der Hand daran auf und ab. „Was hast du vor?“ Seine Stimme ist rau, seine Augen glänzen. Ich zucke die Achseln. „Du wolltest mir alles beibringen,“ sage ich kleinlaut und schlucke, aus Angst etwas falsch zu machen. „Du musst nichts tun, was du nicht willst oder wozu du, oh Gott,“ sagt er, als ich ihn nicht zu Ende sprechen lasse und abrupt seinen Penis in meinen Mund nehme. Herr Gott! Mir scheint, dass ich erst jetzt richtig bemerke wie groß er ist. Auch wenn ich nach unserem ersten Mal schon dachte er sei groß. Aber nun stößt er schon gegen meine Mandeln und ich muss ein Würgen unterdrücken. Langsam hebe ich den Kopf, schiebe ihn wieder hinab, stoße ihn wieder gegen meine Mandeln. Josh hat den Kopf in den Nacken geworfen und zuckt, als seine Eichel gegen meinen Kehlkopf stößt. „Sachte,“ haucht er und zieht leicht an meinen Haaren. Ich knie mich zwischen seine Beine, fühle mich peinlich berührt und unsicher. Panische Angst beherrscht mein Innerstes. Angst etwas falsch zu machen, immer begleitet von dem Gedanken, dass ich ihm nicht reiche. „Probier dich aus, es ist alles okay. Wenn mir etwas, oh,“ unterbricht er sich. Sein Stöhnen erregt mich. Ich lecke mit der Zunge einmal von ganz unten nach ganz oben und Josh windet sich unter mir. Es dauert nicht lange, bis ich in einen Rhythmus verfalle und noch kürzer, bis Josh mich weg schiebt. „Nicht, du musst das nicht tun!“ Ich sehe ihn verwirrt an. „Aber ich dachte,“ beginne ich. „Ja, du kannst es schlucken, ausspucken oder mich in dir kommen lassen, aber wenn du es nicht willst, dann ist das auch okay.“ „Ich hab das hier noch nie gemacht,“ stammele ich. „Dachte ich mir, aber es ist fantastisch. Mach dir keine Sorgen, aber ich will dich zu nichts zwingen oder dich überfordern.“ Ich denke nur ganz kurz nach und schließe meine Lippen wieder fest um seine Eichel. Er stöhnt laut auf und greift in mein Haar. Seine Hüfte zuckt, seine Erektion ebenfalls, gegen meinen Kehlkopf. Ich nehme all meinen Mut zusammen, greife an den unteren Teil seiner Erektion und bewege meinen Mund schneller und schneller auf und ab. Bis er sich schließlich versteift und sein Penis zuckt. Ich spüre die Wärme und gleichzeitig das Kribbeln in meinem Mund. Dieses Gefühl, diese Macht über ihn zu haben, dieses Zucken, das pumpende Gefühl, lässt mich leicht lächeln. Ich sehe zu ihm auf, wie er die Lippen aufeinander presst, genau wie seine Augen und seine Hände, die sich in das Sofa krallen. „Oh mein Gott,“ haucht er, nachdem das Zucken langsam nachlässt. Glasige, hellblaue Augen sehen mich an. Ich schlucke und wische mir leicht mit dem Handrücken über das Gesicht. „Emily,“ sagt er und umfasst mein Gesicht mit den Händen. Fast hoffe ich, dass er sagt, dass er mich liebt, doch das tut er nicht. „Du bist einfach wundervoll. Das war großartig, wow.“ Er zieht mich hoch und geht mit mir gemeinsam ins Bad. Während ich meine Zähne putze, duscht er. Das war das erste Mal, dass ich mich so machtvoll gefühlt habe. Und ich muss sagen, es gefiel mir. Cat wäre stolz auf mich. 

Kapitel 52

 Wir machen eine Safari, schlafen unter freiem Himmel, ich streichele Elefanten, mache gefühlte tausend Fotos. Es ist einfach traumhaft und immer ist dieser wunderschöne, große Mann bei mir, der mich so um den Verstand bringt. Gerade trage ich einen Koala durch den Zoo, den ich mit der Flasche gefüttert habe. Er klammert sich an mich und Josh schießt lächelnd Fotos von Duke und mir. Der Kleine lässt meine Haare kaum los, als ich ihn endlich abgeben soll. Nun sitzen wir uns beim Abendessen gegenüber. Ebenfalls unter freiem Himmel. Hinter uns ein kleines Zelt, zwischen uns ein Lagerfeuer, mit einem Topf, gefüllt mit Tortellini. Josh greift in seinen Rucksack und ich schieße gerade Bilder von dem großen, prallen Vollmond und dem sternenklaren Himmel. „Emily?“ Warum immer noch Emily, frage ich mich unwillkürlich. Ich sehe zu ihm auf, will ihm diese Frage stellen, doch sie bleibt mir im Halse stecken. Er hält eine Schachtel hoch. Nicht groß genug für eine Kette, maximal Ohrringe oder eben ein Ring! Er öffnet die Schachtel und im Schein des Feuers taucht ein Ring auf, der in den verschiedensten Nuancen leuchtet. Ein großer Stein ist in einer kleinen Fassung gerahmt. „Keine Sorge, ich will dich nicht heiraten, aber ich wollte dir diesen Ring schenken, er ist mit Gravur und ich trage das schlichte Gegenstück dazu. Ich will, dass jeder weiß, dass wir zusammen sind.“ Er hält die Schachtel immer noch fest und ich bin so baff, dass ich mich kaum rühren kann. „Emily?“ Seine Stimme klingt unsicher. „Ja,“ hauche ich und strecke zitternd die Hand aus. Ich bin verletzt. „Keine Sorge, ich will dich nicht heiraten,“ klingt seine Stimme in meinem Kopf. „Danke,“ sage ich und stecke mir den schweren Ring an den Ringfinger. Natürlich passt er perfekt. Er ist schwer, mit Sicherheit ein Diamant, kein langweiliger Zirkonia. Josh lässt seine rechte, zitternde Hand sinken. Er mustert mich nachdenklich . „Manchmal werde ich nicht schlau aus dir.“ Ich nicke. „So geht es vielen.“ Wir essen schweigend und das Licht spiegelt sich in dem Ring an seiner rechten Hand wider. Weißgold, bestimmt. Er hat gesagt, dass mein Ring eine Gravur hat, also ziehe ich ihn wieder ab. „Für die wichtigste Person in meinem Leben, die immer für mich da ist, immer an meiner Seite. <3 Josh.“Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich presse meine Augen auf die Knie. Nicht heulen, du blöde Kuh. Ich spüre den leichten Windzug, als Josh sich neben mich setzt und seinen Arm um meine Schultern legt. „Wenn es dir nicht gefällt gebe ich es zurück!“ „Nein,“ stammele ich. „Er ist wunderschön und auch eine super tolle Idee, danke. Ich bin nur ein bisschen überfordert, das ist alles. Du hast alles und gibst mir so viel.“ Ich weiß, dass da ein Funken Wahrheit ist, aber andererseits wünschte ich mir nur, dass er mir einen Ring geschenkt hätte auf dem steht: „Ich liebe dich.“ Oder nur eine Karte. Das hätte mir die Welt bedeutet. Doch er nimmt meine Ausrede auf, lächelt mich an und zieht mich fest an sich. „Ich würde dir die Welt geben, wenn ich könnte.“ Mir wird warm ums Herz und spüre seinen schnellen Herzschlag an meiner Seite. Wir schlafen nicht viel in dieser Nacht und doch bin ich mit meinen Gedanken die ganze Zeit bei der Frage, ob ich es wirklich kann. Mit ihm all das erleben und nicht wissen, ob er mich jemals liebt. Auch wenn er sich für mich mehr so verhält, als Liam es jemals tat. Und dieser hatte gesagt, dass er mich liebte. Ich war einfach nur verwirrt und lag die ganze Nacht wach, auch als Josh schon seelenruhig mit mir im Arm schlief.


Als der Mond langsam verschwand und ich immer noch nicht schlafen konnte, erhob ich mich von Josh's Brust und stand auf. Ich schnappte mir den Rest Wasser und meine Kamera. Ich wollte nicht weit weg gehen, aber mein Fotografen-Instinkt sagte mir, dass ich mich etwas umsehen sollte. Es war noch leicht dämmrig und so stoben allerhand kleinere Tiere durchs Unterholz. Hinter einer Biegung entdeckte ich eine Boa an einem Baum, die versuchte die ersten Sonnenstrahlen in sich aufzunehmen. Ich fotografierte sie und ging weiter, nur um auf ein Paar Zebra's zu stoßen. Es war einfach traumhaft, mitten in diesem Wildpark unter den Tieren zu sein. Ich beobachtete das kleine Zebra, dass bei seiner Mutter trank, die mich misstrauisch beäugte. Heute würden wir tauchen gehen, am Great Barrier Reef. Einmal generell und einmal geführt mit Walhaien. So, wie ich es mir gewünscht hatte und heute Abend würden wir eine Nachtsafari machen, aber geführt. Bis dahin würde ich meine Kamera aufladen müssen. Als es hinter mir knackte fuhr ich erschrocken herum. Josh stand hinter mir und sah mich ernst an. „Mein Herz ist fast stehen geblieben, als ich bemerkte, dass du weg warst,“ faucht er. „Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“ Hinter mir stoben die Zebra's davon. „Komm, wir müssen los.“ Er war sauer. Kontrolle war ihm ein wichtiges Gut. Mit gesenktem Kopf ging ich hinter ihm her, eilte dann neben ihn und zog ihn zur Seite. „Vorsicht!“ Er sah zu der Stelle, zu der ich sah. Eine Klapperschlange lag zusammengerollt im Gras und fing auch prompt zu Rasseln an. „Danke, meine kleine Survival-Katze.“ Ich lächelte leicht und führte ihn in einem weiten Bogen weg von der Giftschlange, hin zu unserem Jeep.


Auch dieser Tag verging im Flug, wie im Traum. Ich war noch nie getaucht, weshalb ich lange brauchte, um mich an die schwere Ausrüstung zu gewöhnen, während Josh schon fleißig mit der Unterwasserkamera tauchte. Mein Tauchlehrer bleibt die ganze Zeit bei mir und beobachtet mich misstrauisch. „Du wirkst bedrückt,“ sagt Josh beim Mittagessen, als ich mich mit meiner Sonnenbrille auf der Nase und nur einer kleinen Portion Salat in Richtung Sonne drehe. „Stimmt etwas nicht?“ „Alles ist okay, mach dir keine Sorgen.“ Er runzelt die Stirn und nimmt seine Brille ab. „Wirklich?“ Ich nicke. „Seit gestern Abend ist dir irgendwie etwas von deiner Freude verloren gegangen, hab ich im Gefühl.“ Du und Gefühle, denke ich und schäme mich alsbald dieser Gedanken. „Nein, wirklich. Ich konnte nur nicht schlafen, bin also ein wenig erschöpft. Du powerst mich zu sehr aus.“ Ich lächle ihn versöhnlich an und tätschle seine Hand. Sein Misstrauen ist spürbar, doch er sagt nichts und trinkt an seinem Bier. Die Nachtsafari ist unfassbar schön. Wir beobachten Löwen auf der Jagd, sehen einen Geparden in Aktion. Und wir heulen mit den Dingos. Für diese Zeit habe ich sogar all meine trüben Gedanken vergessen. Ich zeige Josh abends, bevor wir uns fertig machen, zum Essen und feiern in Sydney, das Video, wie wir mit den Dingos heulen. „Du kannst das sehr gut. Bist du vielleicht eine Aborigini?“ Ich lache. „Nein, aber wenn du mich hier lässt, kann ich es sicher werden.“ Nach dem Duschen cremt er meinen leichten Sonnenbrand auf dem Rücken ein und ich bin neidisch auf seine immer dunkler werdende Bräune. „Vielleicht bist du ein Aborigini und wirst deshalb so schnell braun?“ Er grinst. „Nein, aber meine Haut kennt Sonne. Im Gegensatz zu deiner Vampirhaut.“


In einem geblümten weit ausgeschnitten Kleid, mit offenen, heller werdenden Locken und hohen Sandalen schlendere ich mit ihm durch das belebte Sydney. Wir machen Fotos vor der Oper, sehen uns Speisekarten vor Restaurants an und landen schlussendlich in einer Karaoke Bar, wo man uns die besten Burger Australiens verspricht. Die Kellnerinnen sind gekleidet wie bei Hooters. Doch Josh hat nur Augen für mich. Er trägt ein schwarzes Poloshirt und eine dunkelblaue Bermuda, dazu weißblaue Slipper. Er sieht einfach toll aus. Leichte helle Strähnen durchziehen sein wirres Haar. „Willst du auch etwas singen?“ Seine Frage reißt mich unvermittelt aus meiner Schwärmerei. „Ähm, nein, lieber nicht.“ Er zuckt die Achseln. „Schade, dein Bruder meinte, dass du nicht die schlechteste Sängerin seist.“ „Mein Bruder muss das sagen, da ich ihm früher oft ausgeholfen hab in der Band und sei es nur im Background.“ Josh sieht die Liste durch und stützt dabei seine Hand in sein Haar. Dann geht er nach vorne. Und kurze Zeit darauf halte ich staunend meine Kamera in den Händen und filme Josh, wie er mir zum ersten Mal mit seiner rauen Stimme einen Song vorsingt. Dabei sieht er mich urverwandt an. „Oh mein Gott, er singt toll,“ sagt eine Frau neben mir. „So einen hätte ich auch gerne,“ höre ich eine weitere sagen. „Psst, ich glaube das ist ihr Freund.“ „Ach was,“ erwidert die andere. „Die ist doch viel zu langweilig für ihn.“ Deprimiert sehe ich weiter nach vorne, fixiere Josh's Blick. Sei selbstbewusst, Em. Als das Lied zu Ende ist, brandet Applaus los. „Und,“ beginnt er, als er zurück zum Tisch kommt. „hat es dir gefallen?“ Ich nicke und schalte die Kamera aus. Mir ist schlecht. Er runzelt die Stirn und hebt mein Kinn an. Tränen sammeln sich in meinen Augen. „Du warst toll, danke.“ Seine Augen sind besorgt und als er den Mund öffnet, um mich zu fragen, was los sei, rutsche ich von meinem Hocker und küsse ihn, schlinge mich um ihn und kralle mich in seinem Haar fest. Ganz so, als wäre er meine Luft zum Atmen, die er für mich auch war. Er war mein Anker. Und ich hoffte wirklich, dass ich immer seiner sein würde. „Ich will dich, zu Hause. Jetzt!“ „Oh, Wildkätzchen,“ krächzt er und zieht mich auch schon aus der Bar. 

Kapitel 53

Ich sitze an meinem Laptop, klicke die Fotos aus Australien durch. Wähle die aus, die an meine Wand kommen sollen. Kopiere einige auf mein Handy. Josh sitzt hinter mir und küsst meinen Nacken. Wir sind gerade erst wieder zu Hause, waren zusammen duschen, hatten Sex. Er knabbert an meiner Halsschlagader, was wohlige Schauer durch meinen Körper schickt. Wir sind beide nackt, nur mit einer Decke umhüllt und ich kann spüren, dass er mich will. Schon wieder. „Das Bild gefällt mir,“ sagt er plötzlich. Darauf zu sehen bin ich, mit dem Koala Duke. Ich strahle ein breites Lächeln in die Kamera. „Okay, ich drucke es dir aus.“ „Nein, ich will es als Leinwand. In meinem Schlafzimmer.“ „Wirklich?“ „Ja und daneben will ich noch eins. Das werde ich jetzt von dir machen,“ sagt er anzüglich grinsend und greift zu meiner Kamera. Dann zieht er mich auf die Beine, schiebt mich ins Schlafzimmer und knipst wild drauf los. Ich schäme mich und versuche immer wieder die Decke über mich zu ziehen. „Lass das Kätzchen. Nur wir beide gehen in mein Schlafzimmer und ich will dich immer sehen, wenn du nicht bei mir bist. Du bist traumhaft schön und ich liebe deinen Körper.“ Das sah man ihm an. Ich schluckte und leckte mir über die Lippen. Es dauerte eine Weile bis ich mich einigermaßen hübsch fühlte und die Positionen sicher ausführte und das Gefühl hatte sexy auszusehen. Irgendwann packte Josh mich und wir hatten wieder einmal vollkommen spontan Sex. Kichernd liege ich neben ihm und er küsst mich sanft. „Da sollte einiges bei sein.“

 

Die Party soll am Wochenende in meiner Wohnung statt finden. Es soll meine Geburtstagsparty sein. Ich schicke gerade die letzten Whatsapp-Nachrichten los, als Josh grimmig mein Büro betritt. Eilig lege ich mein privates Handy weg. „Morgen,“ grollt er. „Oh,“ sage ich und stehe schnell auf, um ihm Kaffee zu machen. Es wird eine Party mit Musik aus den 90er. Ich bin heute zum ersten Mal wieder wunschlos glücklich, auch wenn Josh's Laune, die meine etwas trübt. Vorbildlich klopfe ich an und warte bis er mich hineinlässt. „Dein Kaffee,“ hauche ich, weil er bereits ein Headset auf dem Kopf trägt und grimmig telefoniert. Ich schlüpfe durch die Türe wieder nach draußen. „Ich weiß nicht, was er hat,“ sage ich zu Joker, der den Kopf hebt, um mich anzusehen. Im Terminkalender sind keine Termine für heute vermerkt. Also müsste er eigentlich gut gelaunt sein. Ich zucke die Achseln und sehe auf mein Handy. Neun Nachrichten, alles Zusagen. Wunderbar! „Ich will nicht, dass du auf der Arbeit mit deinem privaten Handy beschäftigt bist,“ kläfft er und knallt seine leere Kaffeetasse auf meinen Tisch. „Ich brauche noch einen,“ fügt er hinzu und vergräbt die Hände in den Taschen. Ich erhebe mich, stütze die Hände in die Hüften und schürze die Lippen. „Meine Güte, sind wir heute liebevoll, Mr. Dawson. Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“ Als er mich weiterhin finster anstarrt, seufze ich und fülle seine Kaffeetasse auf. Plötzlich ist es dunkel in der Küche, die Türe hinter mir fest zu. Ich spüre Josh hinter mir. Sein Atem streicht über meinen Nacken. Sofort bin ich erregt. „Du bist frech, Miss Pierce.“ Ich höre, dass er seinen Gürtel öffnet. „Ich will nur wissen, wieso du so schlecht drauf bist.“ Meine Stimme ist kaum mehr als ein heiseres Flüstern. „Wir werden gleich sehen, ob ich schlecht drauf bin.“ Er hebt mich unvermittelt hoch, zieht mir meine Strumpfhose herunter, meinen Rock dagegen, schiebt er hoch. Mit eisernem Griff schiebt er meine Arme nach oben, hin zu den Wandschränken und macht sie mit dem Gürtel fest. Oh, denke ich und erstarre leicht. Er schiebt sich zwischen meine Beine, setzt meinen nackten Hintern auf der Theke ab und dringt in mich. Ich stöhne laut auf, was er zum Anlass nimmt mir den Mund zu zu halten. Ich bekomme kaum Luft, bin vollkommen eingeengt zwischen ihm und der Wand der kleinen Küche. Doch er nimmt keine Rücksicht. Das Missgefühl hält nicht lange an. Je schneller und härter sein Rhythmus und je keuchender sein Atem geht, desto näher komme ich meinem Höhepunkt. Ich koste ihn vollends aus und presste ihn an mich, als mein Orgasmus über mir zusammenbricht. Er kommt sofort, als ich Erlösung finde. Zuckend, leise keuchend. Sein Kopf liegt auf meiner Schulter. Das Wachs in seinen Haaren klebt an meinem Hals. Seine Hände lässt er sinken, so dass ich nun ebenfalls laut keuchend atme. Er zieht sich aus mir zurück, schaltet unvermittelt das Licht an. Ich blinzele gegen die plötzliche Helle an. Seine Augen sind gerädert. Er wirkt lädiert. Gerade zieht er seine Boxershorts hoch und sieht mich dann an. Hinab auf meine gespreizten Beine, dann hinauf in mein sicher rotes Gesicht. Er kommt auf mich zu und nimmt mir den Gürtel ab. Ich reibe meine Hände, sage aber nichts. „Entschuldige.“ „Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst, Josh.“ Ich springe von der Theke, beuge mich extra tief hinunter, um meinen Slip und meine Strumpfhose hoch zu ziehen. Ich höre, dass er die Luft einsaugt. „Also erzählst du mir jetzt was los ist?“ Ich schiebe meinen Rock herunter und nehme seinen Kaffee unter der Maschine hervor. In der Spiegelung der Maschine sehe ich meine roten Wangen. „Mein Vater. Er will Weihnachten zu meinen Großeltern kommen.“ „Nun ist das nicht sein gutes Recht, schließlich war er mit deiner Mutter verheiratet?“ Josh nimmt mir den Kaffee ab und streicht mir eine Strähne hinter die Ohren. Seine Haare sind zerzaust. Ich zeige darauf und er fährt sich mit der rechten, die immer noch keine Tasse Kaffee halten kann, darüber. „Ja, aber ich wollte dieses Jahr zu meinen Großeltern. Und sicher nicht wegen ihm. Er ruiniert immer alles. Obwohl er alleine kommt, da die Hochzeit mit Anja abgesagt ist. Vorerst zumindest.“ „Fahr trotzdem hin, immerhin hast du noch Großeltern und deine Mutter wird auch da sein, mit deinen Geschwistern.“ „Wer sagt denn, dass ich alleine nach Schweden fliege?“ Er legt einen Arm um mich und öffnet die Türe hinter uns. Ich sehe an mir hinab, prüfend, ob ich wirklich wieder vollständig bekleidet bin. Die Küche sieht aus, wie vorher und doch schäme ich mich. Sowas, einfach auf der Küchentheke. Ich schüttele den Kopf. „Emily? Willst du mit mir nach Schweden fliegen, oder nicht?“ „Entschuldige, war in Gedanken.“ Er grinst. „Ja, natürlich, wenn du das möchtest, begleite ich dich.“ Nachdenklich sieht er mich an. „Habe ich irgendwelche Termine heute?“ Ich glaube ihm nicht, dass es das war, was er eigentlich sagen wollte, aber sage: „Nein, hast du nicht.“ „Okay. Willst du Heiligabend zu meinen Großeltern oder lieber am ersten Weihnachtstag?“ Ich zucke die Achseln und setzte mich möglichst züchtig an meinen Schreibtisch zurück. Flüchtig sehe ich auf mein Handy. Cat fragt, ob sie Musik mitbringen soll. Mein Bruder ebenfalls. „Emily das gerade eben war kein Scherz! Ich will, dass du deinen Privatkram nach der Arbeit erledigst. Das rückt dich in kein gutes Licht, als meine Assistentin, wenn du ständig an deinem privaten Handy hängst.“ Seine Stimme ist kalt. Schneidend, wie die Luft, die mir aus dem offenen Fenster gegenüber entgegen strömt. Es schneit wieder. „Ah ja, okay!“ Wütend werfe ich mein Handy in meine Gucci Handtasche. „Dann muss ich heute überpünktlich Feierabend machen, Sir.“ Ich widme mich dem Stapel Arbeit auf meinem Schreibtisch. Monster, denke ich, was du launischer und mürrischer Kerl kannst, kann ich schon lange. Ich weiß, dass er mich immer noch beobachtet, höre sein tiefes Seufzen und danach, dass er in dem knarzenden Ledersessel hinter seinem Schreibtisch in seinem Büro Platz nimmt.

 

Kapitel 54

Gegen fünf beginne ich meine Tasche zu packen, fahre den Computer runter und will gerade Joker an die Leine nehmen, als ich Josh's Rufen höre. Seufzend erhebe ich mich wieder und stelle die Tasche ab. „Was?“ Meine Stimme ist laut und schnippisch. Die Arme habe ich vor der Brust verschränkt. In Josh's Büro ist es kalt und düster. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch. Sein Gesicht nur von dem Licht des Monitor beleuchtet. „Geht ihr ins Diner, heute?“ Ich nicke knapp. „Wann bist du da raus?“ Ich zucke die Achseln. „Keine Ahnung, da ich eine komplette Party planen muss.“ Er sieht auf seine Hände, die er ineinander verschränkt hat. „Kommst du noch zu mir? Nachher?“ Ich presse die Lippen aufeinander. Dieser Hundeblick, aus diesen liebevollen, blauen Augen. „Vielleicht,“ antworte ich. Er seufzt und fährt sich durch's Haar. „Bin ich auch auf diese Party eingeladen?“ Ich lasse die Arme hängen. „Eigentlich ja, aber wenn du dich weiterhin wie ein Arsch benimmst, dann muss ich dich leider ausladen.“ Abrupt steht er auf. „Provoziere mich nicht, Emily.“ Sein Körper ist hart gegen meinen gelehnt. Ich zucke zusammen, als er die Türe hinter mir ins Schloss zieht. „Schon wieder?“ „Sonst stört dich das auch nicht,“ raunt er. „Ja, aber da habe ich es auch nicht eilig und du bist nicht so angespannt.“ „Ich sagte dir, dass ich Weihnachten und davor immer unter Strom stehe.“ Als wäre das eine Entschuldigung für alles, denke ich. Doch er fasst mich nicht weiter an, steht nur da und sieht auf mich hinab, durchdringend, gierig. Ich öffne den Mund einen Spalt, spüre, dass mich diese Situation ebenfalls erregt. Mann, was macht er nur mit mir? Ich war ein reines Sexmonster. Okay, Dawson, spielen wir. Ich knöpfe betont langsam meinen Blazer auf, trete aber von ihm weg. Er sieht mir zu, das ist genau das, was ich will. Ich lasse meine Finger über seinen gläsernen Schreibtisch wandern, nehme hinter diesem Platz und ziehe die Strumpfhose aus, mein Slip folgt. Ich sehe auf die Beule in seiner Anzughose. „Schließ ab!“ Er tut, was ich ihm sage, ohne die glühenden Augen von mir zu nehmen. Betont langsam erhebe ich mich wieder, setze meine langsame Wanderung fort, knöpfe meine Bluse auf, ziehe sie aus dem Rock, bis sie offen um meinen BH liegt. Er macht einen Schritt auf mich zu. „Nein,“ sage ich und halte die Bluse wieder zu. „Du willst spielen? Du willst die Kontrolle? Heute nicht! Sonst gehe ich nach Hause, Boss.“ Ich sehe, das er schluckt. Um nun meine High Heels auszuziehen, beuge ich mich mit dem Hintern in seine Richtung, betont langsam hinunter. Meine Nippel drücken sich durch den leichten BH-Stoff. Zum einen auf Grund der Kälte und auf Grund meiner Erregung. Er mahlt mit den Kiefern, steht stocksteif da. Nun lasse ich mich auf die Chaiselounge fallen, schiebe die Träger meines BH's von den Schultern und öffne ihn dann. Ich spreize die Beine und sehe, wie Josh die Augen schließt. „Sieh mich an,“ fordere ich mit rauer Stimme. „So ist es gut,“ betone ich, als er seine Augen wieder öffnet. Ich streiche über meine nackten Brüste, öffne den Rock und stehe auf. Vollkommen nackt, bis auf meinen Schmuck stehe ich vor ihm. Mit kleinen, quälend langsamen Schritten gehe ich auf ihn zu. Schiebe ihm sein Jackett von den Schultern, öffne sein Hemd. Mit den Lippen und Zähnen umfange ich erst die eine und dann die andere Brustwarze. Ich fühle mich mächtig. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und ich zerre abrupt an seinen Haaren. „Entspann dich, Josh.“ Er lacht heiser. „Wildkätzchen, mit Entspannung hat das hier,“ sagt er und zeigt auf seine Erektion. „wenig zu tun.“ Ich knie mich hin und spüre, dass er die Luft anhält, während ich seinen Gürtel öffne und danach direkt seine Hose. Mit einem heftigen Ruck, der mich allen Mut kostet, zerre ich beide Hosen von seinem Körper. Bis auf das geöffnete Hemd steht er nun nackt vor mir. Ich ziehe ihn auf die Chaiselounge und gehe einmal um sie herum. Ich schlucke und hebe meine Bluse auf. Sie hat lange Ärmel, also wickele ich ihm einen über die Augen und binde sie an seinem Hinterkopf zu. „Oh Gott, Emily, was hast du vor?“ Seine Stimme ist so leise und rau, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich seine Worte wirklich gehört habe. Ich will ihn, sofort am liebsten. Langsam nähere ich mich ihm. Drücke ihm meine Brüste ins Gesicht. Er stöhnt auf und zuckt. Seine warme Männlichkeit drückt gegen meinem Bauch und mir ist urplötzlich nur noch heiß. So Emily, denke ich. Jetzt zeig, dass du nicht langweilig bist. Ich hebe seine Hand an und lecke an seinem Finger, sauge und lecke. Dann benutze ich ihn, um mich zu berühren. Josh explodiert beinah und zuckt. Lautes Stöhnen dringt aus seiner Kehle. Ich halte es nicht mehr aus und setze mich rittlings auf ihn. Er schiebt mir abrupt seine Hüften entgegen und ich komme sofort. Stöhnend rufe ich seinen Namen, ohne darauf zu achten, wo wir uns eigentlich befinden. „Berühre mich,“ flehe ich ihn an und erzittere unter seinen Händen erneut, als auch er seinen Höhepunkt erlebt.

 

„Du kommst spät und hast dich den ganzen Tag nicht gemeldet!“ Cat's Stimme ist vorwurfsvoll. „Sorry,“ murmele ich und werde rot. Meine rechte Brust pocht immer noch, weil Josh einen Knutschfleck genau neben meiner Brustwarze hinterlassen hat. Lisa grinst mich wissend an. „Wo ist Hailey?“ „Untersuchung, kommt aber gleich.“ Wir planen die Party. Als Hailey kommt, bin ich beinah überrascht, wie sehr ihr Bauch in gerade mal einer Woche gewachsen ist. Wir achten nicht auf die Uhrzeit und bald schon vibriert mein BlackBerry. „Gehe ins Bett. Wir sehen uns dann eher morgen. Josh.“ Es ist halb drei nachts. „Stimmt was nicht?“ Hailey ist sofort besorgt. „Ich weiß es nicht. Ich habe das Gefühl, dass alles den Bach hinunter geht.“ Stille. Ich zucke die Achseln. „Vielleicht ist er auch wirklich nur gestresst.“ Unbewusst streiche ich über den Ring. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er dich nicht liebt.“ Ich zucke die Achseln und lasse die Zeit verstreichen.


Josh's Laune besserte sich erst, als wir einen Abend vor Heiligabend auf dem Weg nach Schweden sind. Lächelnd liest er neben mir im Flugzeug die Zeitung. Ich habe mir einen hohen Pferdeschwanz gebunden und die Kopfhörer fest in den Ohren. Die letzte Zeit war hart. Ich habe ihn kaum zu Gesicht bekommen. Hauptsächlich auf der Arbeit. Da war er angespannt, kurz angebunden und meistens sehr förmlich. Ein Meeting nach dem anderen hat er nach der Arbeit abgehalten, Feiern von und mit Kunden und Partnern. Auf viele von ihnen ist er ohne mich gegangen. Ich muss sagen: Ich bin ein ziemliches Wrack. Meine Laune die letzten Wochen war unterirdisch. Und nun kann ich noch nicht so recht auf super toll umschalten. Josh greift nach meiner Hand und streicht mit dem Daumen über meinen Handrücken. Meine Gedanken schweifen wieder ab, als ich sehe, dass er weiterhin in die Zeitung blickt. Ich habe wieder viel Zeit mit den Mädels verbracht. Da Hailey mittlerweile im vierten Monat war wurde sie immer dicker und wir kümmerten uns rührend um sie. Es wurde ein Junge. Also nähte ich fleißig. Damit verbrachte ich nun meine Abende! Im dicken Schlabberpulli vor der Nähmaschine. Und dem Fernseher und meistens einer Flasche Wein. „Hast du ein Alkohl-Problem?“ Lisa's Blick war misstrauisch, als die Mädels gestern Abend zum Abschieds-Weihnachts-Essen vorbei kamen. Lisa hatte hinter der Türe den Karton mit den leeren Flaschen gesehen. „Nein, aber ein paar Gläser Wein haben noch niemandem geschadet.“ „Aber eine Flasche pro Abend schon.“ Ich habe abgewunken und Lisa ließ das Thema Zähne knirschend ruhen. Cat und Lucas waren glücklich, wie eh und je. Auch wenn ich das Gefühl nicht los wurde, dass auch meine gute katzengleiche Cat ein Geheimnis hatte. Ava war frisch verliebt, also vollkommen unerträglich. Somit war Lisa der einzige Single unserer Gruppe. War aber absolut glücklich damit. Ehrlich gesagt fühlte ich mich auch nicht, als hätte ich eine Beziehung. Ab und an hörte ich per SMS von ihm oder er rief kurz an, bevor ich ins Bett ging. Ich ließ ihn in Ruhe. Seine Stimme schwang durch meine Gedanken. „Vor Weihnachten habe ich wenig Zeit und bin sehr beschäftigt.“ Seufzend hole ich meinen Geist zurück in das Flugzeug. Ich blicke mich um. Viele Leute schlafen, da es mitten in der Nacht ist. Mein Blick fällt auf das Programmheft. Neugierig blättere ich die Filme durch, wähle einen aus und schalte ihn ein. Verwundert sehe ich zu Josh, als er mir einen meiner Kopfhörer aus dem Ohr zieht. „Darf ich mit gucken?“ Er hat die Ärmel seines Pullovers hoch geschoben und sieht mich mit seinen blauen Augen fragend an. Eine kleine Falte hat sich zwischen seinen Brauen gebildet. „Nein, kannst gerne mit schauen.“ Ein kleines Lächeln huscht über seine Lippen und er drückt meine Hand kurz etwas fester. Ich war beinah überrascht, als er gestern Abend beim Essen plötzlich auftauchte. Er trug einen blauen Kapuzenpulli, darüber eine graue Jacke mit aufgeschlagenem Kragen, dazu eine enge graue Chino und dicke braune Stiefel. Mit großen Augen hatte ich ihn angestarrt, im Mund noch etwas von unserem Essen. Ich musterte ihn von oben bis unten, hatte ich ihn doch lange nicht mehr in normaler Kleidung gesehen, geschweige denn mit einer Mütze, so wie jetzt. Joker rannte an mir vorbei und begrüßte Josh stürmisch. Das riss mich aus meiner Trance und ich bat ihn hinein. Keusch küsste er mich kurz auf die Lippen. „Lecker Gans.“ Ich berühre meine Lippen bei dem Gedanken daran. Auch gestern war er nicht über Nacht geblieben, sondern mit den anderen gegangen. Es hatte mich enttäuscht, aber nicht verwundert. Er müsse packen, hatte er gesagt. Und ich ja auch. Nun sitzen wir hier im Flieger in Richtung Schweden. Ich bin absolut aufgeregt seine Familie kennen zu lernen. Aber noch mehr, wieder Zeit mit ihm zu verbringen und ihm nah zu sein.

 

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Tag der Veröffentlichung: 19.04.2016

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