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Leseprobe

 

Der Bruder des Teufels erscheint bei erscheint bei Earl Warren, 63533 Mainhausen

 

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© Copyright 2013 aller Textbeiträge by Earl Warren

 

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E-Book-Erstellung: story2go

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur nach schriftlicher Genehmigung durch den Autor gestattet.

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

 

 

EARL WARREN

Der Bruder des Teufels

 

Romantic Thriller

 

 

 

1. Kapitel

 

Helen Dempsey trabte durch den sonnigen Sommerwald. Der Reitpfad war schmal, und durch das Laubdach einfallende Sonnenstrahlen übergössen ihn mit einem goldenen Glast, in dem Staubteilchen wie Goldstaub glitzerten und tanzten. Grün war der Wald, duftend und von Vogelgezwitscher erfüllt.

Helen fühlte sich einfach herrlich auf dem Rücken der rostbraunen Stute, deren Bewegungen sie sich anpasste. Das ist wie im Märchenwald, von dem ich in meiner Kindheit las, dachte sie glücklich. Jetzt fehlen nur noch ein paar Elfen oder Feen.

Sie war vom Pfad abgewichen. Plötzlich schnaubte ihr Pferd. Helen wendete den Kopf, und dann sprang genau vor ihr eine Gestalt hinter einem Busch hervor, die einem Alptraum entstammen musste.

Groß und gleichzeitig gedrungen, mit verfilztem Haar und einem entstellten, monsterartigen Gesicht.

Gutturale Töne drangen aus der Kehle des Ungeheuers. Zu all seiner sonstigen Hässlichkeit hatte es auch noch einen enormen Buckel und affenartig lange Arme mit klobigen, am Handrücken schwarzbehaarten Händen. Das Ungeheuer steckte in einem geflickten, zerlumpten Kittel.

Helen war starr vor Schreck. Ihr Herzschlag drohte für Sekunden auszusetzen. Entsetzt blickte sie die Schauergestalt an, die jetzt die unmenschlich langen Arme emporhob, um nach ihr zu greifen.

Verzweifelt schlug Helen mit der Reitpeitsche um sich, um den Unhold abzuwehren. Und jetzt erlitt sie den Schock ihres Lebens. Die Stute bäumte sich wiehernd auf. Helen konnte sich nicht mehr im Sattel halten. Wie in Großaufnahme sah sie den mächtigen Stamm einer Eiche auf sich zurasen – jedenfalls empfand sie es so. Helen wunderte sich noch, wie lange es dauerte, bis sie gegen die Eiche prallte. In so einem Moment liefen die Denkvorgänge wohl um mehrere Male schneller ab als sonst.

Dann löschte ein schmetternder Schlag Helens Bewusstsein aus. Ohnmächtig blieb die schlanke junge Frau im eleganten Reitanzug vor der Eiche im welken Vorjahreslaub liegen. Die Stute galoppierte wild wiehernd davon und verschwand zwischen den Bäumen.

Der Unhold beugte sich grunzend über Helen. Er kratzte sich in den verfilzten Haaren, lief planlos umher, entfernte sich ein Stück von der schönen Frau und kehrte wieder zurück. Er drehte Helen auf den Rücken und betastete ihre Stirn, auf der sich eine Beule bildete.

Dann schaute er zum Himmel, lud sich Helen mühelos über die Schulter und verschwand mit ihr im Unterholz.

 

*

Lady Amanda of Garsdale, die Herrin von Garsdale Castle, war eine der reichsten Frauen von England. Ihr gehörten Ländereien und mehrere Hotels am Südrand der Pennine Mountains, einem vielfrequentierten Ausflugsgebiet. Zudem besaß sie riesige Waldgebiete und noch vieles andere.

Garsdale Castle selbst war eines der schönsten Schlösser Englands, im spätmittelalterlichen Stil noch wie eine Trutzfeste errichtet, doch mehrmals um- und ausgebaut und modernisiert. Es bot jeden Komfort, vom Swimmingpool im Keller bis zu den vollklimatisierten Räumen der Lady.

Lady Amanda unterhielt sich gerade in ihrem Büro im Osttrakt, von dem aus sie einen wunderbaren Ausblick über die Umgebung und auch auf den äußeren Schlosshof genoss, mit dem Forstaufseher Tom Rawlins. Dieser war beim Staat angestellt, nicht bei der Lady, und war in der Grafschaft ein wichtiger Mann, was die Wälder betraf. Auch die Lady konnte mit ihren Wäldern nicht einfach anfangen, was sie wollte.

Darüber gab es gerade einen Disput. Lady Amanda war schwarzhaarig und stand in der vollen Blüte ihrer Schönheit. Mit achtundvierzig Jahren konnte sie es mit jeder Jüngeren aufnehmen, ja, sie stellte sogar manche jüngere Frau bei weitem in den Schatten. Ihre gut ausgewählte, elegante Garderobe betonte ihre tadellose Figur hervorragend. Es gab wirklich nichts an ihrem Äußeren auszusetzen.

Lady Amanda hatte nie geheiratet. Sie konnte an jedem Finger Männer haben, soviel sie wollte, und hatte nie eingesehen, warum sie sich an einen einzelnen binden und seinetwegen Einschränkungen auf sich nehmen sollte.

Heute trug sie einen edlen Kaschmirpullover, der ihre strammen. Brüste betonte. Lady Amanda verkörperte stets eine Mischung von kühler Eleganz, Raffinesse und Sexappeal, die jeden Mann hinreißen musste. Sie war es gewöhnt, dass ihr die Männer zu Füßen lagen und sie sie nach Belieben um den Finger wickeln konnte. Doch Tom Rawlins bereitete ihr Schwierigkeiten.

Die grauen Augen der Lady verschleierten sich. Sie lächelte und zeigte ihre perlweißen Zähne.

»Warum wollen Sie sich denn unbedingt gegen diesen Skilift aussprechen, Mr. Rawlins?«, gurrte Amanda. Sie saß an einem zierlichen Tischchen in der Fensterecke dem Forstaufseher gegenüber. »Die Pennine Mountains sind ein bevorzugtes Wintersportgebiet geworden, das besser erschlossen gehört.«

»Nicht auf Kosten der Natur, die ohnehin schon genug strapaziert ist, Mylady«, entgegnete Tom Rawlins. Er war dreißig Jahre alt, groß, dunkelblond und sportlich. Seine Figur verriet Kraft und Gewandtheit, wie Lady Amanda mit Kennerblick feststellte. Rawlins kleidete sich leger; eine Uniform brauchte er nicht zu tragen. »Nein, Lady Amanda, ich kann dieses Projekt nicht befürworten.«

»Nun, durch Ihre Gegnerschaft dürfte es äußerst schwierig werden, es durchzubringen«, sagte Lady Amanda. »An dem Skilift und der neuen Piste hängt noch einiges andere. Ich hatte vor, ein neues Hotel in der Swale Range zu bauen, außerdem Ferienbungalows, und die Kapazität der zwei vorhandenen Hotels zu erweitern.«

Tom Rawlins schüttelte den Kopf. »Es ist mir grässlich, einer so schönen, charmanten Frau einen Wunsch abschlagen zu müssen, Lady Amanda. Doch ich kann Ihre geschäftlichen Interessen nicht über die der Allgemeinheit stellen.«

Lady Amanda war viel zu klug, um ihren Unmut zu zeigen. Außerdem reizte sie die Sprödigkeit dieses Mannes. Er wäre der erste gewesen, den sie nicht hätte umgarnen können.

»Aber, Tom, ich darf Sie doch so nennen?« Ohne die Antwort abzuwarten, tätschelte Lady Amanda Tom Rawlins' Hand. Er war, wie sie durch ihre ausgezeichneten Informanten bereits wusste, unverheiratet und hatte auch keine feste Freundin. Dennoch zählte er nicht etwa zu den Männern, die Frauen nichts abzugewinnen vermochten.

»Um meine Interessen geht es doch überhaupt nicht, sondern um die der erholungssuchenden Menschen aus den Industriestädten. Sie sollen hier relaxen, frische Energie schöpfen und nach ihrer Rückkehr umso besser zum Wohle unseres Landes tätig sein. Sie leben in dieser herrlichen Gegend und sind des Öfteren in unseren Wäldern und Bergen an der frischen Luft. Aber denken Sie doch bitte auch einmal an die in der Stadt eingepferchten armen Frauen und Kinder, die ständig von Lärm und Abgasen geplagt werden. Können Sie ihnen den Kontakt mit der schönen Natur In unserem Feriengebiet verwehren? Das kann nicht Ihr Ernst sein, Tom.«

»Arme werden sich die Preise in Ihren Luxushotels oder die Miete für einen Ferienbungalow kaum leisten können, Lady Amanda«, erwiderte der Forstaufseher unbeeindruckt. »Das ist doch dann auch wieder eine privilegierte Schicht.«

Lady Amanda lächelte nun noch charmanter.

»Die Pennines sind auch für die Mittelklasse und die unteren Schichten da«, erklärte sie. »Da wird schon einiges geboten. Wir werden die Palette hoch erweitern. Das folgt dem Projekt nach, über das ich mit Ihnen rede.«

»Wollen Sie zudem noch Jugendherbergen und Billighotels aufstellen lassen?«, fragte Tom Rawlins ironisch.

Lady Amanda hob ihre Schultern.

»Der Massentourismus gewinnt an Bedeutung. Die Freizeitindustrie hat die höchsten Zuwachsraten. Darauf müssen wir uns einstellen. Wollen Sie dem Fortschritt im Weg stehen?«

»Es gibt einen Fortschritt, der sich in Rückschritt verwandelt, Mylady. Der Yorkshire National Park ist ein Naturschutzgebiet, das für die kommenden Generationen erhalten werden muss. Wir können es nicht aus kurzsichtigen Erwägungen heraus verschandeln. Meine Stellungnahme bei den Behörden ist und bleibt ablehnend. Damit ist nichts Persönliches verbunden, wie ich Ihnen versichere.«

Ein zäher Bursche, dachte Lady Amanda, und nicht so schnell aus dem Konzept zu bringen. Es war nicht ihr erstes Gespräch mit Tom Rawlins. Sie erhob sich.

»Aber Tom, daran habe ich auch nie nur im Entferntesten gedacht. Vergessen wir doch diese lästigen offiziellen Dinge einmal ganz. Ich lade sie zum Dinner ein. Das dürfen Sie mir einfach nicht abschlagen. Nur wir beide werden in meinem kleinen Salon speisen.«

Die Lady schaute dem Forstaufseher tief in die Augen. Tom Rawlins war gleichfalls aufgestanden. Er schnitt eine bedauernde Miene.

»Es tut mir außerordentlich leid, Lady Amanda, aber ich bin schon verabredet. Ein andermal vielleicht.«

Lady Amanda gab nicht auf. Jetzt wollte sie erst recht mit Tom Rawlins dinieren. Sie würde ihn nicht mehr aus ihren zierlichen manikürten Händen lassen.

»Mit wem sind Sie denn verabredet, Tom? Das können Sie doch sicher absagen. Wenn man will, kann man alles.«

»Mein Vorgänger als Forstaufseher hat mich nach Lancaster bestellt.« Das war eine Kleinstadt an der Küste. »Wir wollen über berufliche Dinge sprechen. Es ist wichtig.«

»Aber Tom, Sie werden mir doch wegen des grantigen alten Grimes keinen Korb geben! Er läuft Ihnen bestimmt nicht weg. Er ist doch inzwischen pensioniert, oder? Was macht denn seine Gicht?«

»Schlechter, deswegen will er bald in Kur und hat nicht mehr viel Zeit für mich.«

»Der gute alte Grimes. Wissen Sie was, Tom, ich rufe ihn jetzt gleich an und entschuldige Sie bei ihm. Mit Terence Grimes habe ich mich immer gut verstanden. Er wird vollstes Verständnis haben.«

Grimes hatte immer nach Lady Amandas Pfeife getanzt, im Gegensatz zu seinem Nachfolger, der sich erst seit einem knappen Jahr im Amt befand. Lady Amanda wünschte sich seinen Vorgänger manchmal zurück, was ihre geschäftlichen Interessen betraf. Andererseits konnte sich zwischen ihr und Tom Rawlins ja noch einiges ändern.

Die Lady war es gewöhnt, alle Mittel anzuwenden und ihren Kopf durchzusetzen. Rawlins konnte jetzt nicht mehr ablehnen, ohne grob und unhöflich zu erscheinen.

»Also gut, Lady Amanda. Dann nehme ich Ihre Einladung dankend an. Aber ich werde Terence selbst anrufen und ihm Bescheid sagen, dass ich heute nicht kommen kann.«

»Fein. Dann lasse ich den besten Wein aus dem Keller holen.«

Lady Amanda klingelte. Der Butler erschien sofort, als ob er schon vor der Tür gestanden hätte. Er war groß, hager und rothaarig. Die Koteletten wuchsen ihm fast bis zum Kinn. Seine Augen waren von unterschiedlicher Farbe, braun das eine, grün das andere. Das lange Gesicht dieses blässlichen Menschen hatte einen derart untergebenen Ausdruck, dass Tom Rawlins instinktiv abgestoßen war.

»Mylady wünschen?«, fragte der Butler mit einer tiefen Verbeugung.

Lady Amanda begann unverzüglich Anweisungen für das intime Dinner zu geben, als dröhnender Hufschlag vom Schlosshof heraufklapperte.

Sofort schauten alle drei aus dem Fenster. Eine rotbraune, reiterlose Stute galoppierte durch das Tor in den großen Innenhof.

»Das ist Juno!«, rief Lady Amanda überrascht, als sie das Pferd erkannte. »Unsere Restauratorin ist nach dem Lunch auf ihr ausgeritten und wollte schon längst zurück sein. Ihr muss etwas zugestoßen sein.«

»Wohin ist sie denn geritten?«, fragte Rawlins, der hier eine Chance sah, sich geschickt aus der Affäre mit der Dinnereinladung zu ziehen. »Bestimmt hat die Stute sie abgeworfen. Womöglich liegt die Ärmste mit gebrochenem Bein irgendwo und weiß sich nicht zu helfen.«

»Um sie zu suchen, sind andere da«, entgegnete Lady Amanda schnippisch. Nachdem sie Tom Rawlins endlich zum Dinner bewegt hatte, wollte sie ihn nicht mehr weglassen. »Leroy wird das Nötige veranlassen.«

Leroy war der Butler. Soviel Herzlosigkeit stieß Tom Rawlins ab. Er war ein warmherziger, tatkräftiger Mann. Der Gedanke, sich an einen gedeckten Tisch zu setzen, während die arme Frau eventuell schwerverletzt im Wald lag, war ihm unerträglich.

»Ich bin der Forstaufseher, Lady Amanda. Es ist meine Aufgabe, Verunglückte und Verirrte zu suchen. Ich muss sofort von hier aus die Rangerstation anrufen, damit meine Leute sich auf den Weg machen können.«

Tom Rawlins hatte mehrere Untergebene. Für einen Mann wären die komplexen Aufgaben, zu denen auch Jagd, Hege und Holzfällerei zählten, nicht zu bewältigen gewesen. Rawlins verabschiedete sich von Lady Amanda, die dagegen nichts einwenden konnte.

Weil weder die Lady noch der Butter wussten, wohin die junge Restauratorin Helen Dempsey geritten sein konnte, eilte Rawlins zunächst zu den Stallungen des Schlosses. Der Stallbursche, der Helens Pferd gesattelt hatte, konnte ihm Auskunft geben.

»Die junge Frau wollte zur Wensleydale Schlucht reiten«, sagte er. »Ich hatte ihr die schöne Aussicht vom Plateau dort empfohlen. Sie wird wohl den Weg durch den Eichenwald am Pickurt Hill genommen haben.«

Tom Rawlins kannte die Gegend bestens. Er lief zum nächsten Telefon, rief bei der Rangerstation an und fuhr kurz darauf in seinem Wagen vom Schloss weg. Lady Amanda schaute dem Forstaufseher von ihrem Büro aus nach, die zierlichen Hände zu Fäusten geballt.

Jetzt hatte sie sich solche Mühe gegeben, und dann war ihr alles verdorben worden.

»Diese dumme Gans!«, fauchte die Lady. »Hoffentlich hat sie sich das Genick gebrochen.«

 

*

Obwohl sein Aufbruch in aller Eile erfolgt war, hatte Tom Rawlins in Garsdale Castle einiges über die Vermisste gehört. Während der Fahrt überdachte er die Informationen. Helen Dempsey, die Ihm bis zu dem heutigen Tag völlig unbekannt gewesen war, war ins Schloss bestellt worden, um dort Decken- und Wandgemälde zu restaurieren.

Sie hielt sich seit knapp zwei Wochen in Garsdale Castle auf. Miss Dempsey führte die Arbeit, soweit Rawlins begriffen hatte, allein aus, was den Forstaufseher verwunderte. Normalerweise stellte man sich unter einem Restaurator nicht gerade eine junge Frau vor.

Wahrscheinlich ist sie flachbrüstig, trägt eine dicke Hornbrille und ist stockhässlich, dachte Tom Rawlins.

Plötzlich zuckte ein Blitz durch den bewölkten Himmel, und gleich danach folgte ein ohrenbetäubender Donnerschlag, der die Erde erbeben ließ. Als ob eine Schleuse zwischen den Wolken gebrochen sei, stürzte anschließend der Regen nieder.

Tom Rawlins erschrak bei dem Gedanken daran, dass Helen Dempsey irgendwo schwerverletzt oder bewusstlos bei diesem Unwetter im Freien lag. Ein stürzender Baum oder abbrechender Ast konnte sie erschlagen. Oder, wenn sie in einer Bodenmulde lag, die sich vom Gewitterregen mit Wasser füllte, konnte sie sogar ertrinken.

Auf jeden Fall war es mörderisch, bei dem Gewitter im Wald zu sein, wenn sich jemand nicht helfen konnte. Die Aussichten für Tom Rawlins und seine Helfer, Helen während des Gewitters zu finden, waren schlecht. Trotzdem mussten sie es versuchen. Der Forstaufseher schaltete das Funkgerät ein. Doch wegen der atmosphärischen Störungen, die das Gewitter hervorrief .erhielt er keine Verbindung.

Auch das noch, dachte Tom Rawlins.

 

*

Der grollende Donner ließ Helen aufschrecken. Sie fasste sich an den Kopf. Zuvor hatte sie schon stechende, heftige Kopfschmerzen gespürt, war aber nicht fähig gewesen, sich aus der Ohnmacht zu lösen.

Nun hatte der Donner die Spinnweben über ihrem Bewusstsein zerrissen. Sie hörte das Rauschen des Regens, das Fauchen, mit dem die Windstöße durch den Wald fegten, und das Knarren der gepeinigten Bäume, die sich unter dem Gewittersturm bogen.

Schlagartig, wie von einem Blitz mitgebracht, kehrte Helens Erinnerung zurück. Sie entsann sich an den Ausritt, der zunächst so herrlich gewesen war, die plötzlich aufgetauchte Schreckensgestalt und das Scheuen ihres Pferdes. Dann waren da der Schmerz und danach die Dunkelheit gewesen.

Wo bin ich jetzt?, fragte sich Helen. Wer war das bucklige Ungeheuer, und hatte es ihr etwas angetan? Sie setzte sich auf und betastete ihre Glieder. Sie war vollständig angezogen, ihre Kleidung auch nicht in Unordnung geraten, und bis auf die Kopfschmerzen und eine mächtige Beule unverletzt.

Helen saß auf einer Pritsche in einem fast düsteren, sehr primitiven Raum. Es gab zwei Fenster, aber nur bei einem war der Laden geöffnet. Helen erhob sich und ging zu dem offenen Fenster. Sie sah, dass sie sich noch im Wald befand. Aber wo? Und wem gehörte diese Hütte?

Es roch muffig. Ganz dicht war das Dach nicht. An mehreren Stellen tröpfelten Rinnsale nieder. Helen überlegte sich, dass sie nur abzuwarten brauchte, bis das Unwetter endete. Dann würde sie schon wieder aus dem Wald herausgelangen. Sie setzte sich auf einen Stuhl nieder und presste die Hand fest an den Kopf. Das linderte die Kopfschmerzen ein wenig. Helen musste eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen habe. Ich hätte mir den Schädel zerschlagen oder das Genick brechen können, dachte sie. Wer mag bloß dieser Unhold gewesen sein, der mein Pferd so erschreckte?

Und wie war sie in die Waldhütte gelangt? Seit ihrem Sturz vom Pferd waren mehrere Stunden vergangen, wie ein Blick auf die Armbanduhr Helen verriet. Das verhielt sich alles sehr merkwürdig. Seltsame Geschichten erlebt man hier, dachte Helen.

Das Gewitter tobte mit unverminderter Wut weiter. Plötzlich fiel Helen ein, dass der Unhold vielleicht zu ihr zurückkehren und die Hütte aufsuchen konnte. Mutterseelenallein im Wald war sie ihm hilflos ausgeliefert. Der Kerl war ja ein wahrer Alptraum.

Nun lauschte Helen auf jedes Geräusch. Nach einer Weile vernahm sie einen Ton, den sie jedoch nicht mit dem Ungeheuer in Verbindung brachte. Es war Motorengeräusch, das sich näherte.

Helen lief ans Fenster. Im

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Bildmaterialien: Cover © Copyright Anna Kucherova | cynoclub – Fotolia.com E-Book-Erstellung: story2go
Lektorat: Walter Appel
Tag der Veröffentlichung: 28.07.2014
ISBN: 978-3-7368-2827-8

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