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Und die Probleme fangen an

Mit dem Zettel in meiner rechten und den hellblauen Rollkoffer in meiner linken Hand laufe ich den nassen Asphalt entlang. Der kalte Wind weht mir mein dunkelbraunes Haar aus dem Gesicht und sorgt dafür dass ich noch mehr friere als ohnehin schon. Ich verschnelle meine Schritte etwas. Irgendwo muss diese doofe Wg doch endlich sein. Immer wieder schaue ich auf den ausgeschnittenen Zeitungsartikel in meiner rechten Hand. Irgendwo hier muss sie doch sein. Diese verdammte Bakerstreet 17. Dann wie aus dem nichts stehe ich vor der dort angegebenen Adresse. Als ich dort angerufen hatte, sagte man mir dass ich Glück gehabt habe und gerade noch ein Platz frei ist. Das Problem: es handelt sich um eine reine Jungen Wg und diese gemeinen Idioten haben angegeben das sie kein Mädchen in ihrer Wg aufnehmen werden. Was weiß ich warum. Ich bin wirklich verzweifelt das ich das mache. Total verrückt. Aber ich brauche eine Wohnung, auch wenn es vielleicht nur für kurze Zeit ist. Ich muss mich verstecken. 

 

Ich habe mir extra meine braunen Haare geschnitten und sie vorne so auftupiert das sie leicht wie ein kleiner Irokesenschnitt aussehen, nur das ich nichts abrasiert habe. Außerdem trage ich einen so langen schwarzen Pullover, dass meine ohnehin nicht sehr großen Brüste verborgen sind. Mit der Jeans und den Turnschuhen sehe ich wirklich aus wie ein waschechter Typ. Ich denke zwar nicht, dass ich mit dem Aufzug bei irgendwem sonderlich begehrt sein werde, aber das ist auch nicht Sinn und Zweck, ich mache das nur für eine bestimmte Zeit, dann verabschiede ich mich auch wieder. Ich atme die frische Morgenluft noch einmal tief ein und drücke dann auf die Klingel. „Wer ist da?“, höre ich eine tiefe unfreundliche Stimme aus dem Lautsprecher klingen. „Ich bins Alex“, sage ich in etwas tieferer Stimme als sonst. Würde irgendwas auffallen hatte ich mir schon ein paar Sachen überlegt. Zum Beispiel bei der Stimme, das ich noch im Stimmbruch bin, auch wenn das mit meinen 19 Jahren etwas peinlich wäre. Egal. Hier geht es ja nicht darum ihnen zu gefallen. Nachdem er mir die Tür geöffnet hat wackele ich hinein und fange an die Treppen zu laufen, da es hier keinen Fahrstuhl gibt. Mit dem Rolli ist das gar keine so einfache Sache, die Wohnung ist im 5. Stock. Keuchend komme ich irgendwann da oben an und ringe erst einmal nach Luft. Ich habe schon wirklich eine schlechte Kondition.

 

„Du bist Alex?“, ein Typ mit schwarzem Haar und giftig wirkenden grünen Augen starrt mich musternd an. „Ja, was dagegen?“, meine ich nur immer noch nach Luft schnappend. „Scheinst nicht gerade der sportlichste zu sein, was?“, der Typ regt mich jetzt schon auf mit seinem blöden Grinsen, am liebsten würde ich ihm in sein Gesicht springen. Aber abgesehen davon, dass ich durch die vielen Treppen leicht außer Gefecht geworfen bin, sieht der Junge mir gegenüber sehr stark und muskulös aus, was man an seinem schwarzen T-Shirt, welches sich über seine Muskeln spannt, gut erkennen kann. „Darf ich rein kommen?“, entgegne ich ihm somit nur und versuche ihm nicht in die Augen zu sehen. „Vielleicht“, er grinst immer noch so gemein und hält seinen rechten Arm so im Türrahmen das ich mich nicht an ihm vorbei drücken kann. So ein Idiot. „Was heißt hier Vielleicht?“, meine ich grimmig und knirsche mit meinen Zähnen. „Wenn du ganz lieb bitte sagst lasse ich dich rein“, er sieht mich ernst an. Als ob ich zu dem Typen bitte sagen würde. „Danke“, meine ich dann nur und ducke mich unter seinem Arm hindurch.

 

Die Wohnung ist ziemlich klein, vor allem da hier vier Personen und mit mir nun fünf hausten. Der Flur ist etwas eng und der Boden besteht nur aus Holz. Neben der Türe sind Haken befestigt an der ich meine schwarze große Regenjacke hänge und darunter stehen unordentlich Schuhe verstreut, ich beschließe meine einfach draufzuschmeißen. Ansonsten waren in dem Flur nur noch eine trostlose Kommode, welche mit allerlei Zeug beschmiert ist und viele Poster von halbnackten Frauen. Definitiv eine Männer Wg. Auf der rechten Seite sind drei Türen und auf der linken Seite zwei. Etwas komisch ist ein Schloss an der ersten Türe links. Aber ich achte einfach nicht weiter darauf und trotte unmotiviert nach hinten, denn am Ende des Flures ist ein Torbogen, welcher wie es aussieht in das Wohnzimmer führt. Ich gleite in das Wohnzimmer hinein. Wie erwartet ist es total unordentlich. Die Wand ist schwarz gestrichen, doch man kann erkennen dass sie dies wohl selbst versucht hatten. Das große schwarze Sofa ist mit Klamotten übersäht und auf dem Flachbildfernseher stehen leere Cola Dosen. Eine Play Station durfte natürlich auch nicht fehlen. Ansonsten sind hier nur große weiße Fenster und rechts sogar ein kleiner Balkon, da ich aber Höhenangst habe schaue ich lieber nicht raus. Ein weißer Teppichboden sorgt für Kontrast zu der Wand und passt sogar ziemlich gut zu den Fenstern. Es stehen eine Menge moderner weiß Holz Regale mit Magazinen, Dvds und sonst noch so Zeug herum und in einer Ecke stehen sogar ein weißer und ein schwarzer Sitzsack und dahinter eine Stehlampe.

 

„Hey, ich bin Ethan“, ich drehe mich um, ein dunkelbraunhaariger Junge steht mir gegenüber. Er hat so dunkelbraune Augen, dass ich gut hinsehen muss um sie nicht einfach als schwarz abzustempeln. Auch er ist ziemlich muskulös und scheint wohl so ein Frauenschwarm zu sein. Bisher waren die zwei Jungs denen ich begegnet bin total gutaussehend gewesen. Wenn der eine auch irgendwie ein Idiot war. Hoffentlich sind die anderen hässlicher. „Ich bin Alex“, antworte ich freundlich. „Ich weiß, willst du dein Zimmer sehen?“, er zeigt in die Richtung des Ganges. Ich nicke nur und folge ihm. „Wir haben leider nur zwei Zimmer als Schlafzimmer, deswegen wirst du mit zwei von uns in einem Raum auskommen müssen, ich hoffe dass das nicht schlimm ist?“, er hebt die Augenbrauen so, als ob er fragen wollte ob ich vom anderen Ufer bin. „Kein Problem“, sage ich nur und laufe in das Zimmer, welches er mir zuweist. Es ist noch unordentlicher als das Wohnzimmer. Auf dem Boden liegen überall Klamotten und Hefte herum. Die Betten waren auch etwas zugemüllt und die Regale, welche genauso aussehen wie die im Wohnzimmer, sind einfach nur vollgestopft. Es stehen drei Betten am Ende es Zimmers, zwei davon sind bezogen. Eines in einem schlichten schwarz und ist etwas ordentlicher als das andere, welches schwarz und mit einem dunkelblauen Strich verziert ist. Das in der Mitte ist weiß und unbezogen, daraus schlussfolgere ich das es wohl meins ist.

 

„Deine Zimmerbewohner sind Luke und Jason“, sagt er mir. Obwohl mir das nicht viel weiterhilft, da ich keine Ahnung habe wer dieser Luke und der andere sein sollen. „Der Schrank ist für dich, komm einfach in das Wohnzimmer wenn du fertig bist“, er nickt mir zu und geht dann. Ich setze mich auf mein neues Bett. Es muffelt etwas und ich öffne das Fenster, unter welchem mein Schlafgerüst steht. Es ist wirklich hoch hier oben, trotzdem komme ich nicht umhin die frische Luft tief in mir aufzunehmen und für einen kurzen Moment alles zu vergessen. Dann reißt mich das aufknallen der Türe aus meinem Sorgenfreien Traum und die Realität kommt schlagartig zurück. Der Typ mit den schwarzen Haaren, welcher so freundlich war mir zu öffnen steht oben ohne und nur mit Handtuchbekleidet in der Tür. Ich versuche nicht auf seinen Oberkörper zu sehen und wende mich nur an sein Gesicht. „Willst du duschen?“, er sieht mich fragend an. Wieso eigentlich nicht, ich bin total weit gelaufen nur um hier her zu kommen also nicke ich nur und laufe dann Erhobenen Hauptes an ihm vorbei. Bis ich merke das ich gar nicht weiß, wo das Badezimmer ist. Doch mein Stolz erlaubt es mir nicht, den unfreundlichen Kerl, dessen Name entweder Luke oder Jason ist, danach zu fragen, weswegen ich einfach eine Türe öffne.

 

Falsch. Es war die Küche. Das Geschirr stapelt sich schon Meter hoch in dem Waschbecken und daneben steht ein großer weißer Kühlschrank und ein Herd. In der Mitte des Zimmers stehen ein mittelgroßer weißer Holztisch und fünf Stühle in dem gleichen Material. Ich schließe diese Türe wieder und gehe zu der nächsten. Auch hier Falsch. Es ist das zweite Schlafzimmer, das etwas besser aussieht, aber auch nur etwas besser, als das in dem ich ab sofort nächtigen sollte. Es sieht hier ziemlich ähnlich aus, die Wand ist ebenfalls weiß und es gibt ebenfalls nur ein Fenster. Allerdings stehen nur zwei Betten dort und eins davon mit hellblauem Überzug, sieht sogar sehr Ordentlich aus. Das andere in braun, ist genau wie die in meinem Zimmer, total unordentlich. Auch sonst nur Regale und ein Blondschopf der gerade auf dem Boden ein Magazin über Autos gelesen hatte und mich nun mit himmelblauen großen Kulleraugen ansieht. „Tut mir leid, ich wollte eigentlich duschen“, sage ich peinlich berührt und lächle verschmitzt. „Ach so, das Bad ist die zweite Tür links, wenn du von der Haustüre reinkommst“, er strahlt mich freundlich an. „Danke“, sage ich und gehe schnell wieder, da ich leicht rot geworden bin. Meine Güte war der süß! Er sieht aus wie 15. Bestimmt ist er der jüngste hier. Ich gehe also in besagtes Zimmer und muss feststellen dass es hier keinen Schlüssel gibt. Klar, sind ja nur Jungs hier. Vielleicht ist das der Grund warum sie keine Mädchen hier haben wollen. Aber dieses Problem kann man eigentlich beseitigen. Nein, das ist ein zu banaler Grund.

 

 Ich seufze nur und schäle mich aus meiner Kleidung, dann steige ich unter die Dusche und lasse das warme Wasser über mich laufen. Es war kein gutes Gefühl, da ich Angst habe, das jeder Zeit einer der Jungs reinkommen könnte. Deswegen schäume ich meine Haare nur schnell ein und bin auch nach 5 Minuten schon fertig. Ich erhasche mich kurz in einem sehr großen Spiegel. Mein braunes Haar tropft munter vor sich hin, während meine dunkelblauen Augen mich kurz kritisch mustern. Dann schlupfe ich schnell in die sicheren frischen Klamotten die ich mir mitgenommen habe - eine Jeans und einen grauen Kapuzenpulli – und mache mich dann auf zurück in mein Zimmer um mein Bett zu überziehen.

 

Als ich dies vollbracht habe gehe ich ins Wohnzimmer. Zwei Jungs sitzen auf der Couch und schauen Fußball, einer von ihnen ist Ethan. Der andere hat blaugefärbtes Haar und helle graue Augen. Er ist dünner als Ethen und der mysteriöse schwarzhaarige, aber auch bei ihm kann man sehen dass er nicht schwach ist.

 

Jetzt habe ich also alle meine neuen Mitbewohner gesehen und kann schlussfolgern: Verdammt sehen die gut aus. Das kann ja noch heiter werden, am Ende meinen sie wirklich das ich Schwul bin, egal. „Hey Alex! Das ist Jason“, lächelt mich Ethan an und zeigt auf seinen Couchkumpel, welcher mich schon die ganze Zeit irgendwie mit einem dunklen Blick anstarrt. „Wie steht der Spielstand?“, frage ich und versuche weniger desinteressiert zu klingen als ich es in Wirklichkeit war. Fußball. Ich verstehe nicht was man daran mögen kann. Okay wenn man es spielt ist das was anderes. Aber im Fernsehen zu zu sehen wie 22 Männer 90 Minuten einem Ball hinterherrennen ist einfach nur langweilig. Aber das ist auch nur meine Meinung. „0:1“, antwortet er mir und schaut dann weiter. Erst jetzt fällt mir auf das der grünäugige gemeine Typ dann wohl Luke heißen muss, wenn der da auf dem Sofa Jason heißt. Ich frage mich wie das nur gut gehen kann und setzte mich zu ihnen um noch mal genau über mein Vorhaben nachzudenken und mir klar zu machen, das ich mich auf keinen Fall, wirklich auf keinen Fall in einen von ihnen verlieben darf. Das würde alles kaputt machen. Dann wäre alles ruiniert.

Kochen und Ärger

„Sollen wir was kochen oder bestellen?“, will der blonde wissen als er sich zu uns setzt. „Wie heißt du eigentlich?“, frage ich ihn höflich. Er sieht mich geschockt an: „Habe ich das noch nicht gesagt?! Oh man wie unfreundlich von mir! Tut mir leid! Ich heiße Lenny aber meine Freunde nennen mich Len, also darfst du das auch“, er lächelt mich total süß über beide Backen an. Ich werde leicht rot und sehe schnell wieder auf den Bildschirm. „Kannst du denn kochen?“, Luke spaziert rein und lässt sich auf einen Sitzsack fallen. „Nicht wirklich“, das stimmt, ich kann das wirklich nicht. Ich hatte es sogar einmal geschafft eine Fertigpizza verbrennen zu lassen. Ich hoffe ich bin nicht die einzige der so etwas schon mal passiert ist. Aber abgesehen von Fertiggerichten kann ich wirklich nicht gut kochen. „Ich werde was machen“, opfert sich Lenny. „Schon wieder? Ich meine du kochst mega gut, aber wir wollen nicht das nur du ständig das an der backe hast“, meint Brownie und sieht ihn gekränkt an. „Keine Sorge, wenn ihr kocht isst das ohnehin niemand, bestellt haben wir uns schon oft was und außerdem haben wir einen Gast“, er strahlt mich an. „Wieso kocht Lenny nicht immer und ihr macht dafür was anderes, zum Beispiel den Abwasch oder aufräumen?“, schlage ich vor.

 

Alle sehen mich überrascht an, als ob sie noch nie auf so eine Idee gekommen wären. „Gut. Dann übernehme ich das kochen, was ihr macht könnt ihr ja noch ausmachen, ich gehe mal schauen was wir so im Kühlschrank haben“, Lenny springt vom Sofa auf und verlässt uns. „Ich hab doch keinen Bock hier einen auf Putzfrau zu machen“, meckert Luke und sieht mich verärgert an. „Ehrlichgesagt finde ich dass man sieht, das ihr hier nie sonderlich sauber macht“, meine ich ehrlich und sehe Luke auch mit einem bösen Blick an. „Das stimmt“, lacht Ethan und steht nun auch vom Sofa auf: „Ich werde mal schauen was Lenny so braucht und gehe das dann einkaufen, ihr könnt euch aussuchen wer spült und wer aufräumt“. „Was!? Aber das ist unfair! Ich würde auch lieber einkaufen gehen“, Luke springt auf und will ihn aufhalten einfach so zu gehen. „Tut mir leid, aber mir kam die Idee früher“, mit einem Grinsen läuft Ethan einfach zu Lenny in die Küche.

 

„Na super“, knurrt Luke sichtlich unzufrieden. Jason hat sich bis jetzt noch gar nicht von der Stelle gerührt und mich die ganze Zeit nur mit einem komischen Blick betrachtet: „Ich helfe Lenny beim Kochen“. Damit geht auch der blauhaarige.

 

„Na schön ich erbarme mich und auch wenn du es nicht verdient hast werde ich aufräumen und du machst den Abwasch“, sage ich mit etwas genervtem Ton und sehe ihn dabei auch nicht an. „Als ob ich das nötig hätte das du mir was Gutes tun willst! Ich werde aufräumen und du machst gefälligst den Abwasch!“, schnaubt er in seinem Stolz gekränkt. Na bitte, geht doch. „Okay“, glücklich über meinen Triumph stolziere ich mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck an ihm vorbei, erst jetzt scheint er zu erkennen was er da gerade gesagt hat. „Warte!“, befiehlt er mir, doch ich strecke ihm nur neckisch die Zunge raus und begebe mich dann auf mehr oder weniger mein Zimmer.

 

Dort setze ich mich mit meinen Knien so auf mein Bett das ich durch das Fenster schauen kann. Ich öffne es und blicke auf die Stadt hinab. Schnell aber sehe ich einfach nur zum Himmel. Scheiße ist das hoch hier. Der Himmel ist immer noch grau und trist, aber die Wolken geben nun wenigstens den Blick auf die Sonne frei und die Luft ist einfach wunderbar erfrischend. Ich genieße den kurzen Moment bevor ein wütender Trottel in das Zimmer gestürmt kommt und den Augenblick nur durch seine nervende Existenz ruiniert. „Ich sagte du sollst warten!“, bringt er Wutschnaufend hervor.

 

Ich drehe mich in gespielter Zeitlupe zu ihm um und sehe ihn nur herablassend an: „Na und?“. „Du!“, ich kann erkennen wie sehr er sich zusammenreißen muss nicht einfach auf mich los zu rennen und zu verprügeln, aber das ist mir im Moment egal. Was erlaubt er sich eigentlich? „Ich?!“, jetzt bin ich auch sauer, ich habe gewonnen und das soll er gefälligst auch einsehen! „Du wirst gefälligst aufräumen und ich mache den Abwasch“, sagt er entschlossen. „Das glaubst du ja selbst nicht, du sagtest doch du wirst aufräumen“ „Ich hab‘s mir anders überlegt“, er legt sich auf sein Bett mit hinter seinem Kopf verschränkten Armen und macht die Augen zu. Ich bin entrüstet über so wenig Respekt und nehme kurzerhand mein Kissen und schlage es direkt in sein Gesicht, da er ja nur viel zu wenig Zentimeter neben mir liegt. Sofort springt er auf und funkelt mich böse an: „Was soll der Scheiß?!“ „Das könnte ich dich fragen!“ „Was ist dein Problem?!“ „Als ob das nicht Offensichtlich wäre, aber bitte, ich erläutere es dir: Deine Art ist mein Problem und das du jetzt gefälligst aufräumen sollst!“. Er sieht mich grinsend an: „Nö“. Ich könnte explodieren und balle meine Hände zu Fäusten um ihm nicht eine runter zu hauen. „Wenn du ein Mädchen wärst würde ich dich jetzt sofort flach legen“, kommt es plötzlich und ich bin wie erstarrt. Hat er etwa gemerkt dass ich ein Mädchen bin? Und was soll dieser Scheiß Kommentar?! Sofort überkommt mich die Angst. Was jetzt? „Bist du schwul oder was?“, sage ich dann nur und verstelle meine Stimme noch etwas tiefer als sonst. Er lacht lauthals auf: „Wäre ich das hätte ich das ja wohl gerade nicht gesagt“. Damit grinst er zufrieden und legt sich wieder in seine vorige Stellung auf das Bett: „Und nun husch husch Sklave und räum auf“, er macht eine wedelnde Handbewegung. Ich verdrehe nur die Augen. Erleichtert dass er das nur als Scherz gemeint und nichts erahnt hat.

 

Da es sehr wahrscheinlich ist das das so Stunden weiter gehen könnte ohne dass etwas passiert gebe ich auf. Wie sagt man so schön, der Klügere gibt nach. Da eindeutig klar ist wer der Klügere von uns beiden ist, war eigentlich von Anfang an klar auf was es hinauslaufen wird. Wie kann man auch nur so unnachgiebig sein?! Also beginne ich im Wohnzimmer damit die Klamotten in einem Korb den ich zufällig in dem Schlafzimmer rumliegen gesehen hab, einzusammeln. Erst nach ein paar Minuten sehe ich wie Luke grinsend am Türrahmen steht: „Na geht doch“. Mit einem Siegeslachen geht er auch schon wieder weg. Sein Ernst? Wenn es nach ihm gehen würde, dann würde hier doch nie was passieren, sonst hätte ich ja wohl nicht nachgegeben! Ich hohle tief Luft und atme diese wieder aus. Dann mache ich mich daran die Coladosen wegzuschmeißen und das Zimmer zu saugen. Aufräumen ist eine gute Art seine Wut rauszulassen. Danach nehme ich noch Spülmittel, einen Wassereimer und einen Lappen um die Fenster zu putzen. Nachdem ich fertig bin lasse ich mich auf dem Sofa nieder und bleibe dort erschöpft liegen. Das reicht fürs erste.

 

„Essen fertig“, kommt es von Lenny aus der Küche. Glücklich hobse ich auf und renne auch schon zu ihm. Luke, Jason und Ethan sitzen schon am gedeckten Tisch, wobei letzterer mit seinem Handy rumspielt, Jason mich nur kurz desinteressiert ansieht und sich dann wieder seinen Spagetti widmet und der schwarzhaarige mich mit fiesem Grinsen auf den Lippen begrüßt. Arschloch. „Ich hoffe du magst Spagetti mit Bolognese oder bist du Vegetarier?“, der Blondschopf sieht mich mit so süßen großen Augen an, das selbst wenn ich ein Vegetarier gewesen wäre, ich es trotzdem gegessen hätte: „Ich liebe Spagetti Bolognese“.

 

Er gibt mir strahlend einen großen Teller und dann setzen wir uns zu den anderen. „Schon wieder stress mit einem deiner Häschen?“, grinst Luke Ethen schadenfroh an. Angesprochener brummt nur, was wohl so viel hieß wie ja. Also auch ein Arschloch? „Habt ihr Freundinnen?“, frage ich dann ganz unvermittelt. Ich will das schon die ganze Zeit wissen. Vielleicht sind sie ja alle vergeben und wollen deswegen keine Mädchen in der Wg, weil ihre Freundinnen sonst eifersüchtig werden würden. Alle sehen mich schockiert an. „Nein“, kommt es nach einer ewigen Stille von dem braunhaarigen in der mich alle nur angestarrt haben und ich einfach meine Spagetti gegessen habe um mir nicht anmerken zu lassen wie rot ich geworden bin. Eine dumme Macke von mir die ich wirklich wie die Pest hasse. Ich werde immer total schnell rot wenn mir irgendetwas unangenehm ist. Das ist wirklich eine schlechte Eigenschaft an mir, weil man mir dann meine Beschämtheit immer so gut ansieht. „Ach so“, gebe ich nun etwas eingeschüchtert und nicht weiter interessiert von mir. „Du?“, Lenny sieht mich mit seinem wie immer freundlichen und weichen Lächeln an. „Nein“, meine ich auch nur so knapp wie es gerade von Ethan gekommen war. „Hattest du mal eine?“, will nun auch Luke interessiert wissen. Na super, jetzt hatte ich schon mal damit angefangen…. „Nein du?“, ich konnte ja schlecht zu geben das ich schon mal eine Beziehung mit einem Jungen hatte, für sie bin ich ja ein Junge, sonst halten die mich noch für schwul. „Nein, aber eine Menge One Night Stands“.

 

Ich verschlucke mich an einer großen Gabel Spagetti. Zu viel Information. „One Night Stands? Das sehen deine Häschen aber immer anders“, lacht Ethan laut grölend los. Wieso sagen sie eigentlich ständig Häschen statt Frauen? Luke zuckt nur locker mit den Achseln: „Ich kann doch nichts dafür wenn die mehr wollen“, jetzt grinst er mich wieder mit dem ich-bin-ja-so-begehrt-Grinsen an. Pff, als ob man sowas wie ihn begehrenswert finden könnte! „Hattest du schon mal… naja du weißt schon“, frägt mich Ethan mit ernsten Augen. Meint er etwa Sex? „Nein“, gebe ich stolz zu. Ich finde das es etwas positives ist, aber Luke und Ethan beginnen plötzlich lauthals an zu lachen, Jason guckt mich nur kurz überrascht an, isst dann aber weiter und Lenny mustert mich nur mitfühlend. „Was ist daran so witzig?“, meine ich nun empört. „Du bist also noch… Jungfrau?!“, presst Luke unter seinem Lachkrampf hervor und beginnt danach noch lauter zu lachen. „Ja? Und ich finde das ist nichts wofür ich mich schämen müsste, ich finde Jungs die ständig nur vögeln was nicht bei 3 auf dem Baum ist viel peinlicher“, meine ich ernst. Sofort hört Ethan auf zu lachen und sieht mich entschuldigend an. Luke wäre aber nicht Luke wenn er nicht weiter Lachen würde und sogar mit den Tränen kämpfen müsste. Das tue ich mir nicht länger an. Ich stehe auf und gehe in mein Zimmer.

 

Es ist nicht so dass ich schmolle oder so, ich will mich nur einfach nicht länger dieser doofen Lache unterziehen müssen. Na toll, das war der erste Tag und schon bin ich richtig unzufrieden mit meiner ach so tollen Idee in eine Wg gezogen zu sein. Oh Mann. Ich hätte doch lieber weiter suchen sollen, das wäre bestimmt einfacher gewesen. „Hey“, Lenny kommt zu mir auf mein Bett, auf das ich mich gesetzt habe und mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf die Decke starre. „Das hat Luke nicht so gemeint, er ist ganz okay wenn man ihn erst mal richtig kennt“, er lächelt mich wieder mit diesem unschuldigen süßen Lächeln an, dem ich einfach nicht wiederstehen kann: „Es ist mir egal wie er es gemeint hat, ich habe nur einfach keinen Hunger mehr gehabt“, lüge ich ihn an. „Ach so? Isst du immer so wenig?“, er zieht die Augenbrauen hoch. „Mal so mal so“, lache ich. „Okay“, er strahlt wieder, glücklich darüber mich zum Lachen gebracht zu haben. „Ich glaube ich schlafe jetzt, bin noch ganz müde vom herkommen“, das stimmt wirklich. Ich musste zwei Stunden im Regen zu Fuß hier her finden und dann noch die Putzaktion. Ich bin definitiv zu nett zu diesem Pack aus Idioten, den süßen kleinen Engel neben mir ausgeschlossen und von Jason weiß ich noch nicht so genau was ich von ihm halten soll. „Das verstehe ich“, nickt er mir verständnisvoll zu, „Dann schlaf mal gut“, damit begibt er sich wieder aus dem Zimmer.

 

Es war einerseits Wahr dass ich müde bin, andererseits muss ich auch meine Gedanken sortieren. Ich kann hier nur so lange bleiben bis er mich oder zumindest die Stadt in der ich mich befinde gefunden hat. So lange muss ich es hier wohl aushalten. Das werde ich schon irgendwie schaffen und mit dem positiven Gedanken schlafe ich dann auch schon relativ bald ein.

 

Es ist dunkel. Dunkel und kalt. Ich kann nichts sehen, nicht mal mich selbst. Ich renne einfach nur wie verrückt weg. Weg von dem Ort. Weg ich will einfach nur weg und vergessen was ich dort gesehen habe. Weg. Weg. Weg. Erst jetzt bemerke ich dass mich jemand verfolgt. Oh mein Gott. Er ist hinter mir her! Ich muss entkommen, sonst ist es aus mit mir, er wird mich umbringen. Ich muss hier weg, ganz schnell. Ich renne und renne, doch er kommt immer näher und näher. Ich renne so schnell ich kann, doch es bringt nichts ich spüre seine Hand auf meiner Schulter und wie er mich durch seine kräftigen Arme zum Stehen bringt. Dann höre ich nur noch einen Schuss und wie etwas Warmes an meinem Bauch herunter läuft.

 

Ich setze mich aufrecht hin und starre mit weit aufgerissenen Augen die Türe vor mir an. Es ist noch dunkel und mit einem kurzen Blick auf den Wecker, welcher auf einem der Regale steht, weiß ich dass es erst 5 Uhr ist. Ich werfe meinen Kopf in den Nacken und versuche nicht mehr ganz so schnell und unregelmäßig zu Atmen. Nicht schon wieder. Ich habe schon wieder von dieser Nacht geträumt und immer sterbe ich am Schluss. Heißt das dass er mich finden und töten wird, egal wie sehr ich mich verstecke? Einen kurzen Augenblick, aber wirklich nur einen sehr kurzen, denke ich darüber nach mich ihm einfach zu stellen. Aber noch bin ich nicht Lebensmüde. Er wird nicht ruhen mich zu finden bis einer von uns beiden Tod ist. Das ist sicher. Ich atme die Luft erleichtert aus. Es war wieder nur so ein scheiß Traum. Alles wird gut, versuche ich mir einzureden. „Kannst du auch nicht schlafen?“, Jason sieht zu mir rüber. Ich erschrecke so sehr das ich zusammen zucke und mich für ein paar Sekunden nicht bewege. Er redet mit mir. Ich dachte schon er würde mich warum auch immer total hassen, ich meine er hat ja nicht einmal hallo oder so etwas zu mir gesagt. „Ja“, gebe ich nach gefühlten 5 Minuten von mir. „Was hast du geträumt?“, will er nun etwas ernster wissen. Wieso? „Nichts wichtiges, ich kann mich nicht mehr daran erinnern“, lüge ich. „Komisch“, er sieht mich mit einem Blick an, der mir sofort verrät das er mir nicht glaubt, „du hast immer wieder geschrien und so laut geatmet“, dann wendet er sich wieder von mir ab, „Aber es geht mich nichts an“. Das stimmt. Es geht in wirklich überhaupt nichts an. Wieso also habe ich dann so ein schlechtes Gewissen? „Tut mir leid“, sage ich dann ohne dass ich das vorhatte. Er sieht mich überrascht an: „Weswegen Entschuldigst du dich?“. Gute Frage. „Äh… ich weiß nicht“, ich lächle verschmitzt. Er muss anfangen zu lachen, versucht dies aber leise zu machen, da Luke immer noch schläft. Ich stimme leise mit ein. „Und wieso kannst du nicht schlafen?“, frage ich irgendwann. „Ich hab Schlafprobleme“, er sagt das so monoton, das ich sofort weiß, auch er hat Alpträume und will aber nicht sagen weswegen. Ich kann das gut nachvollziehen und greife dieses Thema nicht weiter auf. „Du bist gerannt stimmt‘s?“. Ich sehe ihn verstört an: „Wie meinst du das?“ „Im Traum. Du bist vor etwas weggerannt“, kann er etwa Gedankenlesen oder wie? „Keine Sorge ich werde nicht weiter nachfragen, ich dachte mir das nur, weil du irgendwas von ‚ich muss hier weg‘ gemurmelt hast“, er lächelt mich mit einem mysteriösen Lächeln an, ich kann nicht sagen was genau dieses Lächeln sagen soll, aber ich schließe darauf, dass es eine Entschuldigung sein soll das er mich wieder damit genervt hat. Ich nicke: „Das stimmt“. Er nickt auch und lehnt sich dann an die Wand. Er hat wohl nicht vor noch einmal zu schlafen. Bestimmt weil er Angst hat wieder davon zu träumen, denn genauso geht es mir gerade. Aber ich bin immer noch so müde das ich trotzdem irgendwann wieder einschlafe. 

Auf in den Freizeitpark

„Aufstehen Alex! Nach dem Frühstück gehen wir zum Rummel“, strahlt mich ein überglücklicher Blondschopf an, nachdem ich meine Augen mühsam dazu gezwungen habe sich zu öffnen. „Okay“, gebe ich verschlafen von mir und rappele mich auf. Ich torkle ins Bad um mich fertig zu machen. Nach einer ausgiebigen Dusche komme ich fertig angezogen wieder raus. „Was gibt’s denn zum Frühstücken?“, frage ich neugierig als ich in die Küche komme. „Wir haben Toast, Butter und Marmelade, such dir aus was du daraus zaubern willst“, grinst mich Luke an. Ich beachte ihn gar nicht und streiche mir ein Marmeladenbrot. „Magst du Achterbahnen?“, frägt mich Jason. Ethan sitzt wieder am Handy und hat seinen genervten Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Nein, ich habe Höhenangst“, gebe ich zu. „Was?!“, Luke muss natürlich wieder lachen, „Bist du noch ein Baby oder was?“ „Nein, aber ich stehe nun mal zu meinen Schwächen“. Dann ist er plötzlich ruhig, als würde er überlegen was er nun als nächstes machen könnte um mich zu nerven.

 

Nach dem Essen machen wir uns auf zum Jahrmarkt. Dieser ist größer als ich dachte und es war auch kein Rummel so wir Lenny es mir gesagt hatte, sondern eher ein Freizeitpark mit Achterbahnen und all dem Zeug. Mir wird schon schlecht als ich das große Riesenrad sehe und ich muss überlegen was genau ich überhaupt fahren kann. Erst jetzt bemerke ich wie Ethan mit der Kartenverkäuferin redet. Okay reden ist nicht ganz das richtige Wort. Flirten wäre wohl schon besser. „Wie wär’s Süße, ich gebe dir meine Nummer und dafür bekommen wir einen kleinen Rabatt?“, er sieht sie so sexy an das sogar ich rot werde. „N-Na gut“, sagt sie total fasziniert von ihm und verlangt dann weniger als normal, bekommt dafür auch die vereinbarte Handynummer. Ich verdrehe die Augen, machen die Jungs das ständig? „Hast du ihr deine echte Nummer gegeben?“, Lenny mustert Ethan interessiert. „Nö, war nicht mein Typ“, meint dieser nur monoton. Armes Mädchen. Ich war kurz davor zu ihr zu rennen und ihr das zu sagen, aber dann entscheide ich mich dagegen, da ich bei den Jungs sonst unten durch wäre und wir dadurch wenigstens billiger reingekommen sind.

 

„Was fahren wir als erstes?“, Jason sieht erwartungsvoll zu den anderen. Ich glaube er kann sich gar nicht entscheiden und würde am liebsten alles fahren. „Wollen wir alle zusammen fahren oder teilen wir uns auf?“, frägt Ethan. „Wir losen“, kommt es dann bestimmt von Jason. „Gut, mit was?“, Lenny sieht sich hilfesuchend zu mir um, ich sehe ihn auch nur unwissend an. „Wir brauchen doch nicht losen, der kleine Hosenscheißer hier fährt mit mir, Lenny du fährst mit Ethan und Jason du musst auf die beiden aufpassen“, legt Luke einfach kurzerhand fest. „Ich bin kein Hosenscheißer! Ich ertrage nur keine großen Höhen“, meine ich beleidigt. „Doch bist du. Aus. Ende. Basta“. „Wieso muss der auf uns aufpassen?!“, regt sich Ethan gekünstelt auf. „Weil DU sonst mit jedem Mädchen rummachst und noch mehr schlechte Laune am Esstisch nicht gut ist und Lenny, weil er eben Lenny ist“, antwortet der grünäugige der sich demonstrativ zu mir gestellt hat. „Gut dann machen wir das so“, lächelt Lenny und die drei verschwinden in Richtung Achterbahn. Na super, warum kann ich nicht mit Lenny zusammen hier rumlaufen oder einfach nur essen? „Also dann fahren wir mal Riesenrad“, lachend zerrt mich Luke dort hin. Ich versuche mich zu wehren, aber er wirft mich einfach über seine rechte Schulter und schleppt mich in einen der Sitze. Abgesehen davon dass uns die ganzen Leute anstarren war ich wirklich erstaunt wie stark er ist.

 

„Lass den Mist! Verdammt ich habe Höhenangst!“, versuche ich ihn zu überzeugen, obwohl mir eigentlich klar ist das das nichts bringen wird. „Dann werde ich dich jetzt von dieser Angst befreien“, grinst er mich nur an. Kaum hat er das gesagt geht die Horrorfahrt auch schon los. Ich halte mich total panisch und angespannt am Geländer fest und versuche einfach den Himmel anzustarren. Aber wie es immer ist, sehe ich aus Gewohnheit dann doch runter. Oh Gott sind wir hoch. Vor lauter Panik krabble ich zur anderen Seite, genau neben meinem ab sofortigen Feind. „Hey Kleiner, alles okay?“, er weiß ganz genau das nichts okay ist und sieht mich noch mit diesem frechen Grinsen an. Einfach aus Protest setze ich mich wieder auf die andere Seite. Jetzt waren wir ganz oben und es hält an. Warum hält es an wenn WIR ganz oben sind?! „Alter jetzt mach dir nicht in die Hose, es passiert doch nix, siehst du?“, er steht auf und schaukelt mit dem Ding hin und her. „Hör auf!“, schreie ich ihn an, doch das scheint ihn nur dazu anzustacheln noch mehr zu schaukeln. Ich halte meine Hände über den Kopf und presse meine Augen zu. Es ist gleich vorbei. Gleich sind wir wieder auf dem Boden und ich kann ihm an die Gurgel springen. Dieser Gedanke bringt mich dazu mich wieder etwas zu entspannen. Dann geht es weiter und ich bin froh als wir unten sind. Doch als ob der Mann, welcher das Gerät steuert mich ärgern will, so geht es noch einmal hoch. Dieses Mal sind wir zumindest nur fast ganz oben. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. „Schau einer an, du hast überlebt“, grinst Luke nachdem ich meine Augen wieder geöffnet habe. „Haha, das ist echt nicht witzig“, sage ich nur sauer. „Jetzt puss nicht rum, bist du etwa eine Frau oder was?!“. Oh nein! Ahnt er etwas? Ohne das ich merke was ich da gerade tue steige ich auf den sitz und stehe nun völlig ohne Schutz auf dem Teil.

 

„Setzt dich sofort wieder hin!“, schreit Luke mich an. Doch es ist schon zu spät und das Riesenrad dreht sich weiter. Es kommt mir vor wie Zeitlupe als ich falle. Wieso bin ich überhaupt aufgestanden? Das war doch total Lebensmüde! Ich glaube mir sind einfach nur die Sicherungen durchgebrannt als er sagte, dass ich eine Frau bin. Ich dachte ich sei enttarnt und um das zu wiederlegen wollte ich ihm Mut beweisen. Ich habe ja nicht geahnt das das Rad sich daraufhin wieder in Bewegung setzten würde.

 

Mit einem Ruck ziehen mich zwei kräftige Arme wieder in Sicherheit und ich sitze mit Luke auf dem Boden. Dieser sieht total verstört auf den Plastikuntergurnd und redet bis wir wieder Erde unter unseren Füßen haben kein Wort mit mir. Okay, irgendwas geht hier falsch. Warum habe ICH jetzt das schlechte Gewissen? Das ist gemein! Er ist doch Schuld an der ganzen Sache. Er wusste dass ich Höhenangst habe! So ein Arsch! „Tut mir leid“, sagt Luke dann als wir gerade Ärger von dem Mann bekommen, der für die Aufsicht dieses Rades verantwortlich ist. Demnach bin ich mir nicht sicher ob er das zu mir oder dem kräftigen Kerl vor uns gesagt hat. Ich blicke die ganze Zeit nur auf den Boden und lasse das Geschimpfe auf mich einhämmern. Als er fertig ist nimmt mich Luke bei Seite und zieht mich so weit weg von diesem Rad, wie es nur geht. „Tut mir leid“, sagt er dann wieder. Ich sehe ihm in seine klaren grünen Augen. Er hat schon wirklich wunderschöne grüne Augen. Warte, was denke ich denn da?!

 

„Kein Problem“, murmele ich mit der Zeit. „Nein ehrlich, ich bin zu weit gegangen“. Ich hätte ja damit gerechnet das er sagt ich sei selbst schuld wenn ich so dumm bin und einfach aufstehe. „Das stimmt“, stimme ich ihm zu. „Ey, so geht das nicht! Du solltest jetzt sowas sagen von wegen: ‚Mach dir keine Gedanken, ich war ja selbst schuld weil ich so dumm war und aufgestanden bin‘ oder ‚Egal du hast mich ja gerettet, mein Held‘“ „Mein Held? Dein Ernst?“, ich muss anfangen zu lachen und er lächelt zufrieden. Komisch. Sein Lächeln ist diesmal… so nett? „Ich spendiere dir was als Entschuldigung okay?“ „Okay, ich will was essen“, teile ich ihm nun wieder ganz die Alte mit. „Haha, was darf es denn sein my Lady?“ „Ich bin ein Typ du Trottel“, grinse ich. „Ups, das hätte ich jetzt fast vergessen, aber stimmt. Sonst wärst du mir ja auch schon längst verfallen“, gibt er arrogant wie eh und je von sich. Auch wieder ganz der Alte. „Ich will doch nichts zu essen, ich will zusehen wie du dabei verlierst“, lache ich ihn böse an und zeige auf einen Stand, bei dem man mit Körbe werfen riesen Kuscheltiere gewinnen kann. „Okay“, sagt er nur mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen und bezahlt.

 

Nach zehn Körben ohne einen zu verfehlen gibt ihm der Besitzer einen pink-lilanen Teddybären. „Wie hast du das gemacht?“, frage ich ihn verwundert als er mir den Teddy gibt. „Ich bin im Basketballclub“, er grinst, weil ich ein Eigentor geschossen habe. „Das hättest du davor sagen sollen, ich brauch so was doch nicht, erst recht nicht in Pink“ „Tja jetzt hast du ihn, er ist doch süß oder nicht?“. Ich verdrehe die Augen: „Lass uns irgendwas ungefährliches machen“. „Ungefährlich? Was ist bitte bei dir ungefährlich?!“, wieder lacht er. Ich schmunzele nur, irgendwie hat er sogar etwas Recht. „Da! Lass uns Autoskooter fahren“ „Damit ich alle fertig mache? Gut, meinetwegen“ „Als ob du das Schaffen würdest, ich mache ja wohl mehr fertig“, sage ich nur leicht eingebildet. „Sicher? Gut dann lass uns Wetten, wer weniger Autos als der andere crasht muss dem Sieger das Mittagessen spendieren“. Ich willige sofort ein. Der soll mich ja nicht unterschätzen.

 

Letzten Endes habe ich ein Auto weniger gecrasht als er und musste ihm dann ein drei Gänge Menü bezahlen. Okay es war nur ein Hamburger mit Pommes und einer Cola. Aber mir kam es trotzdem so vor als wäre es viel mehr. Danach treffen wir auf die anderen drei. Es war schon ziemlich spät geworden. „Lasst uns noch etwas zusammen fahren bevor wir gehen!“, bittet Lenny und alle stimmen zu, sogar ich. „Wie wäre es mit Geisterbahn?“, schlägt Jason vor. „Wäre das okay Alex?“, Luke sieht mich forschend an. Ich bin ehrlichgesagt froh und gleichzeitig erstaunt dass er den anderen nichts von dem Vorfall am Riesenrad gesagt hat.

 

„Klar, meinet wegen können wir gerne Geisterbahn fahren“, ich versuche so mutig wie möglich zu klingen, ich will nicht wie ein Weichei da stehen und ich meine Geisterbahn, was kann da schon passieren? In den Wagons setzt sich Jason neben mich und sieht mich mit seinem geheimnisvollen Blick an, woraus ich einfach nicht schlau werde was dieser Blick zu sagen hat. Dann setzt sich die Bahn in Bewegung. Ich habe es mir definitiv schlimmer vorgestellt als mal hier mal da komische Gestalten von der Decke fliegen zu sehen, aber umso besser für mich. Am Ende kann ich sogar sagen das ich nur einmal ein bisschen erschrocken bin, als sich eine Hand nach mir ausgestreckt hatte. „War irgendwie lahm“, mault Luke und wir begeben uns zurück zum Auto. Jason nickt ihm nur zustimmend zu und kann sich sein Gähnen nicht unterdrücken. „Wir könnten ja noch in einen Club gehen und ein paar Frauen flach legen“, schlägt Ethan vor und ich komme nicht um rum ihn böse anzusehen. „Ich bin dabei“, kommt es sofort von Luke, „Kommt schon, das wird bestimmt lustig“, versucht er uns zu überreden. Haha genau, ich und Mädchen flach legen. Ich muss grinsen. „Aber was ist mit Alex? Er ist noch Jungfrau“, will Lenny mit einem Hauch Mitleid in der Stimme wissen. „Dann ist er es eben Morgen nicht mehr“, grinst Luke und ich boxe ihm an seinen Arm. „Aua“, sagt er monoton und grinst mich dann wieder so an. „Also gehen wir?“, frägt nun Jason und plötzlich sind alle Augenpaare auf mich gerichtet. Warum muss eigentlich ich das entscheiden?! „Von mir aus“, äußere ich mich dann schließlich. Lenny sieht mich glücklich an: „Also los!“. Oh du liebes bisschen… Ich versuche zwar gelassen zu wirken, doch innerlich hyperventiliere ich gerade. Das kann ja nur schief gehen.

Disko, Shooter & die Vergangeheit

Die Disko ist total überfüllt und wir quetschen uns durch die Menge der verschiedenen Menschen, welche alle ihre Körper aneinander schlingen und tanzen. Ich schlage mich bis zur Bar durch und setze mich dann auf einen der freien Hocker. Ethan und Luke kann ich nicht mehr sehen, wahrscheinlich tanzen sie mit irgendwelchen Mädchen. Lenny tanzt auch, das kann ich sehen, weil er relativ in meiner Nähe ist und Jason hat sich gerade neben mir niedergelassen und bestellt uns irgendetwas. „Warum tanzt du nicht?“, frage ich ihn. „Ich bin nicht so gut darin und will keinem Mädchen auf die Füße treten“, er lächelt irgendwie beschämt. Knuffig. „Ach was, ich glaube du unterschätzt dich“, ich lache ihm aufmunternd zu. „Wieso tanzt du denn nicht?“, kommt es dann von ihm. „Naja, also ich hasse es in so engen Räumen mit irgendwem ganz nah zu tanzen, das ist nichts für mich“ „Mir geht es da genauso. Es ist hier einfach zu viel los“, er nimmt einen Schluck von dem Bestelltem und schiebt mir meinen Drink hin. Ich vertrage nicht viel und nippe deswegen auch nur daran.

 

„Hast du eigentlich eine Arbeit?“, er sieht mir tief in die Augen, so dass ich wegsehen muss, weil ich Angst bekomme er könnte dadurch sehen das ich nicht der bin für den ich mich ausgebe: „Ich habe als Nebenjob gekellnert und ansonsten war ich Student“. „Warum hast du damit aufgehört, also mit dem studieren?“ „Ich habe herausgefunden dass das wohl doch nicht das richtige für mich ist“, lächle ich. Das ist gelogen. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, dennoch musste ich es abbrechen. „Ach so“, er trinkt sein Getränk aus und bestellt erneut. Ich nippe nur wieder daran. Es schmeckt gar nicht schlecht, irgendwie süß, aber mit viel Alkohol, denn es brennt stark in der Kehle. „Und du?“, ich blicke ihn an. „Ich jobbe in einem Imbiss, nicht gerade der Traumjob, aber bis ich nichts besseres finde eigentlich ganz gut“ „Oh, okay“, ich strahle ihn an und trinke einen Schluck. Dann kommt eine Blondine auf mich zu. Sie hat strahlend blaue Augen und wäre sie nicht so knapp bekleidet, könnte sie sogar nett aussehen. „Hey Süßer, Lust zu tanzen?“. Die meint ja wohl nicht mich?! „Was ist?“, sie steht direkt vor mir und starrt mich mit erwartenden Blick an. Jason beginnt zu kichern. Ja super. Ich muss auch grinsen: „Sorry, ich kann nicht tanzen“. „Ach komm schon, aber wenn du das nicht willst können wir natürlich auch sofort zu… du weißt schon… kommen?“, sie versucht wohl verführerisch auszusehen, denn sie wickelt sich eine ihrer langen Haarsträhnen um den Zeigefinger. Ich sehe wohl ziemlich verwirrt aus, denn Jason betrachtet mich forschend. „Okay dann lass uns mal tanzen“, er lächelt mir zu und packt sich dann die Blondine um mit ihr in der tanzenden Masse zu verschwinden. Ich schaue ihnen noch nach, aber schon bald kann ich sie nicht mehr sehen. Danke Jason. Ich trinke mehrere große Schlucke und versuche dann die laute Musik auszublenden. Irgendwie schon komisch, ich fühle mich in der Nähe dieser Idioten irgendwie so sicher.

 

Mit der Zeit beschließe ich frische Luft schnappen zu gehen. Es ist schon wirklich sehr stickig, in diesem für dieses Menschengedränge viel zu kleinem Raum. Draußen ist es relativ frisch und kühl, so dass ich meine Arme um mich schlinge, damit ich zumindest nicht ganz so stark friere. Der Nachthimmel ist schwarz und mit mehreren grauen Wolken und hellen Sternen bedeckt. Eigentlich ein schöner Anblick, wie sich die Wolken um den fast vollen Mond ranken. „Hey Süße, warum so alleine?“, kommt auf einmal ein Typ den ich in der Dunkelheit nicht sonderlich beschreiben kann auf mich zu. Er ist allerdings sehr groß und in schwarze Klamotten eingehüllt. „Ich bin ein Junge“, sage ich dann wieder mit etwas Tieferer Stimme als sonst. „Haha, auch gut“. Was soll das denn heißen?! „Ähm was wollen Sie?!“, ich gehe reflexartig ein paar Schritte von ihm weg.

 

„Hehe“, er lacht nur dumm und kommt weiter auf mich zu. Nach wenigen Schritten ist er mir bedrohlich nah. Ich zucke zusammen. „Der gehört zu mir“, eine Hand legt sich auf meine Schulter. Ich blicke hinter mich und erkenne Ethans Gesicht ganz nah an meinem. Ich werde wie immer rot und drehe mich deswegen etwas weg, auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, das er meine Hautfarbe in dieser Dunkelheit erkennen kann. „Ach so… na dann“, damit geht der Mann auch wieder. „Jetzt wirst du schon von Männern angemacht, gib ja auf dich Acht“, lacht Ethan und legt dann seine schwarze Lederjacke um mich. „Ich versuche es“, lächle ich ihn an. „Na dann, ich trommele mal die anderen zusammen. Pass ja die paar Sekunden auf dich auf!“, er grinst mich an und verschwindet auch schon wieder in der Disko. Ich schlüpfe in die viel zu großen Ärmel der Jacke und ziehe den Reißverschluss zu. Es ist wunderbar warm und riecht irgendwie nach After Shave, aber nicht so bissig wie ich es mir bei Jungs immer vorgestellt habe. Irgendwie duftet es sogar sehr gut, so vertraut. Ich kuschele mich noch weiter in die Wärme spendende Jacke und grinse so vor mich hin.

 

Nach zu kurzer Zeit trifft die Gruppe meiner Mitbewohner auch schon ein und Luke streitet gerade wegen irgendetwas mit Ethan. Zu Hause angekommen ist er sogar so mürrisch das er einfach sofort in sein Zimmer geht, ohne jemanden noch etwas zu sagen. „Was ist denn mit dem los?“, ich sehe etwas verwirrt in die Runde. „Ach der ist nur sauer, weil er gerade dabei war ein Mädchen ins Bett zu kriegen“, lacht Lenny. „Tja, so ein Idiot“, grinse ich Schadenfroh. „Wollen wir Playstation spielen?“, Ethan lächelt überlegen. „Klar! Ich muss dich unbedingt mal wieder töten“, grinst Jason vor lauter Vorfreude und stürmt zur Konsole um alles aufzubauen. „Bist du gut in Shooter spielen?“, Lenny hält mir einen Kontroller hin. Ich nehme ihn an und blicke auf die Tasten. Ich habe wohl seit ich 12 bin nicht mehr damit gespielt und wenn waren es nur so Sachen wie Singstar oder anderes, hoffentlich blamiere ich mich nicht. „Gut, wer ist mit wem im Team?“, Jason scheint total aufgeregt zu sein. „Ich will mit Alex!“, sagt Lenny und lächelt mich wieder so mega süß an. „Gut, wir machen euch fertig!“, Jason grinst etwas zu mordsüchtig für meine Verhältnisse, aber ich lache nur.

 

Ich bin nach den ersten 3 Minuten sofort Tod, obwohl Lenny mir alles ziemlich gut und ausführlich erklärt hat. Irgendwie ist mir das etwas peinlich. Somit haben dann natürlich Ethan und Jason gewonnen. In den weiteren drei Runden halte ich mich zumindest zehn Minuten recht standhaft. „Hast du es denn verstanden?“, der blauhaarige sieht mich fragend an. Ich nicke verlegen. Verstanden ja, ist auch nicht sonderlich schwer: Schieß einfach alles und jeden ab der sich dir in den Weg stellt und vor allem das gegnerische Team. Das dumme ist nur das ich irgendwie so meine Hemmungen habe was das betrifft und mich deswegen ständig nur versteckt habe. Außerdem kommt noch hinzu dass ich kein Blut sehen kann und das fließt bei diesem brutalen Spiel wirklich reichlich. Wir starten noch eine Runde. Dieses Mal nehme ich mir fest vor zumindest einmal zu schießen, egal ob ich jemanden treffe oder nicht – in dem Fall wäre es mir sogar lieber niemanden zu treffen, so dass ich kein Blut sehen muss- und mich nicht wie ein Feigling zu verstecken. „Na wie schlägt sich denn unser Hosenscheißer?“, kommt Luke ins Zimmer und setzt sich auf den Boden. „Naja er scheint es noch nicht ganz zu kapieren“, versucht Ethan es nett auszudrücken. „Aha“, Luke grinst nur, er weiß genau dass ich schlecht darin bin. „Wenn du es schaffst einen von ihnen abzuschießen dann werde ich den Rest des Hauses aufräumen UND spülen“, Luke scheint sich wirklich sicher damit zu sein das ich verliere. Das gibt mir nur noch mehr Willenskraft und somit ballere ich mit meiner Pistole einfach wie gestört in der Gegend herum.

 

Ich glaube das die drei weiteren Jungs einfach nur wollten das Luke mal die Aufbräumarbeit erledigt, denn ich habe es geschafft Lenny zu erschießen. Okay, für das Spiel an sich ist das nicht gut, immerhin ist er ja in meinem Team, aber ich habe jemanden erschossen und somit wird Luke nun aufräumen müssen. Ich lächle ihn gemein entgegen und er sieht nur überrascht auf das geschehene. Zugegeben, keine paar Sekunden später hat Jason mich erwischt, aber das ändert nichts an meiner guten Laune. „Viel Spaß beim Aufräumen“, ich grinse immer noch. „Pha! Len hat sich doch freiwellig von dir erschießen lassen und selbst wenn nicht ist es keine Kunst ständig nur in der Gegend rum zu schießen. Das zählt also nicht!“, versucht er sich herauszureden. Aber nicht mit mir Freundchen! „Du sagtest, wenn ich auch nur einen erschieße räumst du statt mir auf!“ „Alex hat Recht, Luke du musst aufräumen“, die drei anderen Jungs sehen ihn belustigt an. Grummelnd verzieht er sich wieder in das Zimmer, ich hoffe er fängt an aufzuräumen, aber bei dem Typen weiß man nie. „Wollen wir noch eine Runde?“, Ethan sieht uns an. „Tut mir leid, aber ich denke ich sollte dann mal kochen anfangen“, meint Lenny und geht in die Küche. „Ich helfe ihm dann mal wieder, ist ab jetzt ja meine Aufgabe“, sagt Jason, obwohl man sehen kann dass er wirklich gerne noch weiter gezockt hätte. „Und du Alex? Immerhin bist du dank Luke ja von deinen Pflichten erlöst, obwohl ich sagen muss das du echt gut aufgeräumt hast und ich mir leider nur zu gut vorstellen kann wie es aussehen wird nachdem Luke ‚aufgeräumt‘ hat“, er spricht das Wort „aufgeräumt“ extra etwas deutlicher, weswegen ich lachen muss. „Na gut, aber wie du gesehen hast bin ich wirklich schlecht in diesem Spiel“, sage ich dann. „Kein Problem, normaler weise gewinnt Jason immer, jetzt hab ich mal eine Chance“, er grinst. Also beginnen wir mehrere Spiele eins gegen eins, und immer bin ich schon nach wenigen Minuten oder Sekunden Tod. „Wollen wir zusammen gegen den Computer spielen?“, schlägt er nach meiner 7. Niederlage vor. Ich nicke nur schon ganz rot, weil mir das so peinlich ist so oft zu verlieren. Dieses Mal haben wir gewonnen. Bestimmt liegt es daran das Ethan alle fertig gemacht hat und der Computer wegen mir auf Anfänger gestellt ist, aber trotzdem habe ich mich danach etwas besser gefühlt als ständig nur zu verlieren wie vorhin. Ob Ethan das mit Absicht gemacht hat? „Weißt du was ich mir schon länger denke“, Ethan sieht mir auf einmal so tief in die Augen. „Du bist wirklich wie ein Mädchen, also manchmal kommt es mir so vor“. Ich bin für einen kurzen Augenblick wie versteinert. Ich weiß nicht was ich sagen soll?!

 

„Essen fertig!“, kommt es von Jason. Gerettet. Ethan lächelt mich an und geht dann in die Küche. Ich folge ihm. Ich muss mich einfach ganz normal verhalten! Verdammt ich hätte irgendetwas sagen sollen, das ich dazu gar nix gesagt habe deutet doch nur darauf hin das seine Vermutung vielleicht richtig ist! Ich darf mich nicht auffliegen lassen, schon allein weil ich um das zu verhindern fast gestorben wäre. Es gibt selbstgebackene Pizza à la Lenny und Jason. Sie schmeckt ziemlich gut, vielleicht etwas scharf, aber ansonsten perfekt. Luke ist dann auch irgendwann dazu gekommen, ich bin gespannt ob er wirklich aufgeräumt hat oder nur beleidigt war. „Erzähl mal etwas aus deiner Vergangenheit Alex“, will Ethan wissen und irgendwie sehen ihn die anderen drei sofort komisch an. Fast als würden sie ihn ermahnen wollen. „Naja, ich hatte eigentlich eine normale Kindheit, aber mit 19 wollte ich selbstständig werden und habe deswegen nach einer Wg gesucht“, ich weiß selbst das das nicht wirklich kreativ ist, aber ich wollte nicht zu sehr lügen, denn dann würden sie Fragen stellen und das würde zu noch mehr Lügen führen und irgendwann kommen sie dann doch noch auf die Wahrheit. „Ach so, ziemlich cool“, sagt er nur und isst weiter ohne die Blicke der anderen zu beachten. „Und deine?“, ich bin schon irgendwie neugierig und wenn er schon mal angefangen hat? „Naja ich war früher nicht der hübscheste weißt du, also ich hatte eine Menge Pickel und eine schreckliche Brille und einen hässlichen Haarschnitt, sah echt nicht gut aus. Aber meine Schulkameraden waren deswegen oft wirklich scheiße zu mir, vor allem die Mädchen. Mädchen können wirklich schrecklich gemein sein, aber das ist nichts gegen Jasons Vergangenheit“, plötzlich stockt er, als er begreift was er da gerade gesagt hat und Jason lässt sein Pizzastück aus der Hand fallen.

 

Dann sind alle Blicke auf ihn und mich gerichtet. Jason steht auf und rennt in sein Zimmer. „Mensch Ethan!“, schreit Lenny ihn an. Das ist das erste Mal das ich diesen süßen Blondschopf wütend erlebe und er sieht trotz seiner roten Backen und zornigen Augen immer noch unglaublich niedlich aus und ich hasse mich dafür dass ich in so einer Situation an soetwas denke! „Tut mir leid. Ich wollte nicht…“, Ethans Stimme versagt. Ich bin total verwirrt. „Hör zu, du weißt doch wieso wir fast nie darüber reden!“, meint nun auch Luke sauer. Ich kann mir diesen kleinen Krieg nicht länger ansehen und gehe ebenfalls in unser Schlafzimmer.

 

Jason sitzt mit angewinkelten Beinen auf dem Bett und hat seinen Kopf an die Wand gelehnt. Er sieht mich gar nicht an, als ich hineinkomme, aber er sagt auch nicht dass ich wieder gehen soll. Ich setze mich einfach neben ihn, er beachtet mich immer noch nicht. Selbst als ich mich Räuspere scheine ich für ihn nur Luft zu sein. Dann umarme ich ihn einfach. Ich weiß selbst nicht so genau weshalb, aber irgendwie habe ich gerade das Bedürfnis etwas zu tun. Etwas gegen das rumgezicke der Jungs draußen und das kann ich nur wenn ich mit Jason rede. Außerdem scheint der ja ziemlich verletzt zu sein. Also muss ich ihn trösten, komme was wolle, egal ob er sich weigert. Doch zu meiner Verwunderung stößt er mich gar nicht weg. Er beginnt nur zu weinen. Aber nicht so ein Geheule wie ich es wohl täte. Nein ihm laufen nur Tränen an seinen bleichen Wangen hinunter. Ich habe das Licht im Raum nicht angemacht, weswegen nur der Mond das Zimmer etwas erhellt und dadurch scheinen seine Tränen etwas zu glänzen. „Sie hat mich gehasst“, gibt das Opfer meiner Umarmung ohne jegliche Vorwarnung einfach von sich. „Wer?“, ich sage das in einer so weichen und angenehmen Stimme das sogar ich selbst erschrecke. „Meine Mutter“. Ich sehe ihm nun direkt in seine klaren grauen Augen. Sie waren wirklich sehr schön und so rein. „Wenn du willst, dann kannst du es mir erzählen, aber es ist deine Entscheidung. Ich zwinge dich wirklich nicht, weil ich genau weiß wie sich das anfühlt. Außerdem kannst du mich ruhig wegstoßen wenn du das unangenehm findest oder so“, ich glaube ich habe in einem kurzen Augenblick seine Mundwinkel nach Oben zucken sehen. „Ich erzähle es dir, aber bitte bemitleide mich nicht, weißt du ich hasse sowas“, sagt er dann. „Kein Problem“ „Okay. Mein Vater war seit ich mich erinnern kann ein Alkoholiker und das führte dazu, dass er meine Mutter schwer misshandelte. Irgendwann hat er uns dann ohne einen Hinweis verlassen. Ich meine abgesehen davon dass wir keinen Unterhalt bekamen konnten wir eigentlich froh sein. Aber meine Mutter sah das irgendwie anders als ich und gab mir die Schuld an allem. Als ich dann 8 Jahre alt war brachte sie sich vor meinen Augen um“, er stockt kurz und sieht mich dann an. Ich kann ehrlichgesagt nicht so glauben was er da erzählt. „Ihre Letzten Worte waren“, wieder rollen Tränen über seine Wange, „Ich hasse dich. Das ist alles nur deine Schuld“.

 

Er hört auf, denn ich habe angefangen zu zittern. Keine Ahnung, vielleicht wird mir erst jetzt klar wie schlimm manche es hatten, in der Zeit in der ich noch keine Probleme hatte, war mir das gar nicht klar gewesen. Ich war immer ziemlich glücklich und hatte bis zu der einen Nacht immer eine wunderschöne Kindheit und als mir das dann passiert ist, dachte ich dass ich wohl das schlimmste Schicksal von allen hätte. Wie herzlos und egoistisch war ich eigentlich?! Jetzt kullern auch über meine Backen Tränen und ich drücke mich noch fester an ihn. Dann erwidert er meine Umarmung und lässt seinen Kopf auf meine Schulter sinken: „Weißt du. Ich sagte dir doch du sollst kein Mitleid haben, aber du bist der erste der weint nach dem er die Geschichte gehört hat. Die meisten sagen nur wie Leid ihnen das täte oder sehen mich mit einem Blick an, der verrät wie viel Mitleid sie im Moment für mich empfinden. Aber du. Du weinst und ich frage mich gerade, weinst du wegen mir oder wegen dir selbst?“. Das war eine ausgesprochen gute Frage. Eigentlich hätte ich sie sofort beantwortet in dem ich gesagt hätte, dass ich wegen ihm weinen würde. Aber irgendwie kann ich es nicht. Irgendwie weine ich wegen mir, weil ich so selbstbezogen war. Aber macht mich das nicht noch selbstsüchtiger? Die Tatsache dass mir mein falsches Verhalten immer noch wichtiger ist, als seine Vergangenheit. Ich bin total verwirrt. „Entschuldigung“, kommt es dann plötzlich von ihm. Ich sehe ihn nur mit rotangelaufenen Augen an: „W-wofür denn?“. „Keine Ahnung“, er grinst. Ich muss sofort anfangen zu lachen. „Danke, dafür das du mir zugehört hast“, sagt er dann und lächelt mich ermutigt an. Ich nicke und wische mir mit meinem Arm die Tränen weg. „Lass uns schnell den Zickenkrieg da draußen schlichten, bevor die sich noch gegenseitig anfallen“, Jason springt auf und schlendert gelassen zur Tür. Ich bin unsicher. Ist er wirklich okay? Aber ich entschließe mich einfach dazu ihm zu glauben. Was bleibt mir auch anderes übrig? Irgendwie sind diese Jungs alles Idioten, aber sehr liebenswerte Idioten. Ich muss grinsen.

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Tag der Veröffentlichung: 02.09.2014

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