von Leyla Blue.
Jegliche Art von Feedback ist erwünscht!
Das Einzige, was ich sehe, sind hasserfüllte Augen. Sie blicken mich mit unverhohlener Abscheu, Entschlossenheit und ein klein wenig Angst an.
Die Angst in den Augen ist es, die mich stärker macht. Die in mir ein Gefühl von Überlegenheit weckt.
Ich lege eine Hand an den kühlen Spiegel und suche nach Liebe. Der Liebe, die früher immer in meinem Blick geleuchtet hat. Die mich erfüllt, am Leben erhalten hat.
Von ihr ist nichts mehr zu sehen.
Meine eigenen Augen blicken mich so eiskalt, so gefühllos an, dass ich selbst erschrocken bin. Wo ist sie geblieben? Wo ist meine Gelassenheit, die mal ein Großteil von mir gewesen ist?
Wo ist meine Hilfsbereitschaft, die sogar mal so ausgeprägt war, dass ich anderen nicht beim Weinen zuschauen konnte?
Wo ist der Respekt, den ich jedem entgegen gebracht habe?
Wo bin ich?
Ich erkenne mich in diesem abgemagerten, elenden Wesen nicht wieder. Mein eigenes Spiegelbild widert mich an.
Am liebsten würde ich ihn zerschlagen, in seine kleinsten Teile zerbrechen, nur um meinen Anblick nicht mehr ertragen zu müssen.
Ich kneife die Augen zusammen, in der Hoffnung, dass ich, wenn ich sie wieder öffne, mich sehen würde. Das Ich, auf das ich stolz war, das von allen bewundert wurde.
Doch als ich mich erneut anblicke, steht in meinen Augen nur unendliche Trauer.
Ich will es zurück. Ich will meine Freunde, meine Familie, mich selbst zurück. Ich will verdammt noch mal mein Leben zurück.
Tränen rinnen aus meinen Augen, verfangen sich in meinen Wimpern und rollen mir über die Wangen.
Ich streiche über mein entstelltes Gesicht im Spiegel. Ich fahre über Narben. Kratzer, dunkle, unerkennbare Flecken. Auf dem Glas sind sie alle genau gleich kalt und glatt.
Es ist seine Schuld.
Er hat mir mein Leben genommen.
Alles was ich hatte.
Langsam spüre ich, wie die Trauer sich in Wut und unendlichen Hass wandelt.
Er hat mich entführt, mitgenommen in eine Welt, in der der Hass über die Liebe dominiert. In der Macht mehr ist als Akzeptanz.
Meine Hände zittern unkontrolliert, als ich an das denke, was er mir angetan hat.
Er hat mehr getan als mich nur äußerlich verletzt. Er hat mir ganz langsam immer mehr meiner selbst genommen, bis nichts mehr übrig war als die leere Hülle, die ich hasserfüllt im Spiegel betrachte.
Emotionen kämpfen in mir. Hass mit Hoffnung, Trauer mit Angst.
Der Hass gewinnt.
Mit ungeahnter Stärke schlage ich auf den Spiegel ein, lege all meine Gefühle in meine Hand. Er zersplittert. Zersplittert wie mein Leben, zersplittert, wie ich sein Leben gerne zerstören würde.
Scherben regnen auf mich hinab, zerschneiden meine Haut. Blut läuft an unzähligen Stellen über meinen Körper, doch ich höre nicht auf. Kann nicht aufhören.
Ich sehe eine riesige, scharfkantige Scherbe auf mich herabfallen. Ich könnte ihr ausweichen, doch ich will es nicht.
Mit dem Tod würde ich diesem Dasein endlich entfliehen. Mit ihm abschließen und eventuell sogar mit mir selbst ins Reine kommen. Und wer weiß - vielleicht würde ich wiedergeboren werden, in einem besseren Leben.
Es ist fast wie eine Chance.
Nicht, dass ich mich überhaupt nicht mit dem Thema Selbstmord befasst hätte; nein, ganz und gar nicht. Aber bisher war ich immer zu feige. Hatte zu viel Angst vor dem Tod und dem, was kommen würde.
Aber durch das Zerschlagen des Spiegels scheine ich es überwunden zu haben. Es hat meine Seele irgendwie schon von meinem Körper losgelöst. Und dadurch, dass sie nun frei und ungebunden ist, kann sie sogar auch wieder etwas anderes empfinden.
Meine Augen, die sich ein letztes Mal in der Scherbe spiegeln, sind seit langem nicht mehr voller Hass.
Die Hoffnung strahlt in ihnen, erfüllt mich in den letzten Sekunden meines eigentlich schon vor langer Zeit beendeten Lebens.
Glaube, der mich eigentlich schon vor Jahren verlassen hat. Der Glaube an ein besseres, erfüllteres Leben. Jetzt leuchtet er aus meinen Augen, strahlt in meinem Herzen.
Dann trifft mich die Scherbe an der empfindlichsten Stelle des Halses. Ich spüre keinen Schmerz.
Langsam verschwimmt meine Sicht, meine Hände, die immer noch an den Scherben des Spiegels lagen, rutschen hinunter.
Ich spüre nicht mehr, wie ich zusammenbreche.
Ich sinke in ein tiefes, schwarzes Loch. Ich weiß nicht, wo ich hinfalle, aber ich blicke dem Ende mit Erwartung entgegen. Bevor ich meine Augen für immer schließe, habe ich noch einen letzten Gedanken.
Es kann nur besser werden.
Bildmaterialien: J.K.Bloom - danke für das tolle Cover!
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für euch.
Und für alle, die irgendwann mal aufgeben wollten.