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Aurora Komplott von Stan Carry

 

 Stan Carry ist ein deutscher, pensionierter Kriminalhauptkommissar. Sein Roman „Aurora Komplott" spiegelt mit viel kriminalistischem Feingespür seine fast 40-jährige Diensterfahrung wider. Detailgetreu versteht er es, komplexe Zusammenhänge packend zu beschreiben und die kriminalistischen Gedankengänge eines routinierten Polizeibeamten in eine vielschichtige Geschichte zu verpacken. Ein authentischer Thriller von einem Mann, der als erfahrener Kriminalist detailverliebt aus dem inneren Zirkel der Ermittlungsbehörden berichtet.

 

 

Der Roman „Aurora Komplott“ erschien im Dezember 2012 bei Amazon als ebook und landete prompt unter den Top 10 Bestellern der Kategorie Krimi und Thriller. Ab Februar 2013 ist der Thriller auch als Taschenbuch bei Amazon erhältlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

Copyright ©2012 by Stan Carry

Alle Rechte vorbehalten

stan.carry@gmx.de

 

 

3. Auflage

Coverfoto: Margot Kessler (www.pixelio.de)

Artwork: Frank Schaub (www.creativgemeinschaft.de)

 

 

 

 

Für meinen Sohn, der mit seiner Fachkompetenz zum Entstehen dieser Geschichte beigetragen hat.

 

Regensburg, 02.12.2009

 

 

 

Diese Anatomie einer fiktiven Verschwörung erhebt keinen Anspruch auf Authentizität. Bis auf die politischen Größen sind alle handelnden Personen und deren Namen frei erfunden und in existierende Funktionen gesetzt worden.

 

Prolog

 

Freitag, 16.09.1994, 07.45 Uhr

 

Freilich, es gibt schönere Landschaften auf dieser Erdkugel. Aber kein Landstrich auf der Welt besitzt zu dieser Jahreszeit einen größeren Liebreiz. Dichte als auch lichte Wälder säumen in vollendeter Harmonie die meisten Zufahrtsstraßen, die von Süden in die Stadt führen. Die sanften Hügel verleihen der Gegend einen zauberhaften, anmutigen Charakter. Quirlige Bachläufe plätschern munter zu Tal, um dann beschaulich durch die weiten Auen dahinzufließen.

Die kühle Morgenluft war längst gesättigt vom nahen Herbst. In wenigen Wochen würde er die farbenreiche Laubfärbung der Ebereschen, Birken, Eichen, wie auch der Ahornbäume noch intensiver leuchten lassen. Und der erste Frost würde die Bäume bunt färben. Dann war Moskau von einem wogenden und funkelnden Meer bunten Laubes umgeben. Die augenblickliche Farbgebung ließ die kommende Pracht bereits erahnen.

Gleich hatte sein Lada die letzte Höhe vor Konkovo bezwungen, dann lag die Hauptstadt des ehemaligen Imperiums vor ihm. Folgte er dieser Einfallsstraße, würde er rechts den Gorki-Park passieren und dann die Innenstadt erreichen.

Obgleich heute die Entscheidung anstand, wusste er noch nicht, wie er votieren sollte. Er hatte sich noch nicht entschieden, konnte sich partout auch jetzt nicht entscheiden. Sein Kopf war benebelt von zu viel Wodka und zu wenig Schlaf. Er öffnete die Seitenscheibe und sog die frische Morgenluft begierig in sich hinein. Viel half es nicht, aber sein benebeltes Hirn nahm den frischen Luftschwall des jungen Tages dankbar auf. Seine Zunge klebte aber weiterhin am Gaumen. Er litt Durst, unstillbarer Nachdurst beherrschte ihn, als hätte er alle russischen Wodkabestände leergesoffen. Aber es war nur eine Flasche.

Er trank oft und meistens zu viel. Vielleicht hätte er gestern Abend auf die genießerischen Stunden mit dieser Flasche verzichten sollen. Nicht, dass er infolge der Nachwirkungen des edlen Stoffes nun mit einem schweren Kater hinter dem Lenkrad saß, nein, keineswegs, dafür reichte eine Flasche bei weitem nicht aus. Über alle Maßen reichte eine Flasche dieses süffigen Destillats, um seine russische Seele in eine bodenlose Melancholie zu stürzen. Diese alkoholgeschwängerte Schwermut war eben kein guter Ratgeber. Aber in Russland musste sich etwas ändern, er musste sich entscheiden.

Selbst Gorbatschow, die Galionsfigur von Perestroika und Glasnost, hat erst die Sowjetunion, dann Russland gelähmt und paralysiert. Dieser Umgestalter war erst zum Konkursverwalter und dann zum Totengräber des Landes geworden. Das Eine hatte das Andere bedingt. Eines war aus dem Anderen erwachsen. Auch Jelzin war fortwährend nur mit der Pflege seines Alkoholpegels beschäftigt und nicht fähig, dem Rad des russischen Schicksals in die Speichen zu greifen, damit sich Entscheidendes änderte. Und die neuen Apparatschiks stopften sich auch nur die eigenen Taschen voll. Es musste etwas geschehen, sollte Russland nicht auf dem Kehrichthaufen der Geschichte landen, wie andere Hochkulturen der Vergangenheit.

Langsam öffnete sich der Blick auf Moskau und die Silhouette der Hauptstadt erhob sich aus dem Bodennebel. Nun schien die Chaussee mit Hast in die Stadt zu stürzen. Noch ungefähr fünfundzwanzig Kilometer und die Peripherie der Außenbezirke war erreicht. Bis zur Akademie der Kunstwissenschaften bräuchte er mit seinem Lada dann noch eine Viertelstunde. Das Hotel „Petersburger Eremitage“ war eine Topadresse. Vom Parkplatz der Akademie der Künste höchstens noch acht bis zehn Minuten zu Fuß in Richtung Tolstoi-Museum, dann war er da. Seine Stimme im erweiterten Exekutivkomitee könnte heute bedeutsam werden. Eine Entscheidung hatte er noch immer nicht getroffen. Führe er bei der nächsten Abfahrt nicht nach Moskau rein, käme er nicht rechtzeitig zur Sitzung und die Beschlussfähigkeit des Kollegiums war dann nicht gegeben. Beschlüsse zur Rettung des Vaterlandes könnten dann nicht gefasst werden, die Verelendung breiter Volksschichten würde umso rascher fortschreiten.

Wohl war ihm nicht, sein Votum abzugeben. Es war schwer, zwischen Reform und Reaktion zu wählen. Wie er sich auch entschied, es konnte nur falsch sein. Falsch im Sinne des neuen Denkens, entschied er sich als Reaktionär. Und wählte er die Reform, würde das Land von weiteren, noch schwereren sozialen Erschütterungen erbeben und viele Bürger in ihrer Existenz bedrohen. Er sah keine Chance, diesem tragischen, fast schon klassischen Konflikt zu entfliehen.

Aber war er nicht angetreten, um Veränderungen herbeizuführen? Hatte er nicht monatelang die einschlägigen Akten und Dossiers, die ihm auf Grund seines Dienstgrades und seiner Funktion zur Verfügung standen, studiert und die fähigsten Männer gegeneinander abgewogen und schließlich eine Bestenauslese vorgenommen, bis er endlich seinen Mephisto gefunden hatte, einen exzellenten Praktiker des Kalten Krieges, der stets mit viel Geschick bemüht war, dass aus dem Kalten Krieg kein heißer wurde. Ja, diesen Oberst galt es heute dem Komiteevorsitzenden zu empfehlen. Nein, er konnte sich nicht drücken, er musste sich entscheiden. Langsam gewann das Pro über das Kontra die Vorherrschaft. Nun hatte er sich entschlossen, jetzt wollte er mit einem Ja für die alte, vergangene Ordnung stimmen. Die geheime Sitzung musste zu einem Erfolg geführt werden. Wie ein Dürstender, der immer nur ans Wasser denkt, dachte er als Entschlossener immer nur an den Erfolg. Ein Erfolg musste her. Nur dann ließen sich die Voraussetzungen zur Wiederherstellung der alten Verhältnisse in Russland schaffen. Und Russland war zu einem Erfolg verdammt, wollte es weiterhin die Rolle in der Welt spielen, die ihm zustand. Es gab keine andere Alternative. Nur ein Ja kam für ihn jetzt in Frage. Er würde den Oberst dem Komitee vorschlagen. Dieser ließ sich sicherlich dingen und war als ahnungsloses Werkzeug optimal geeignet.

Sein Lada folgte einem Wegweiser nach Moskau. Die Landstraße wand sich nun sanft in die geschwungene Ebene hinein, dann waren die ersten Häuser der Außenbezirke erreicht. Die grauen, verkommenen Plattenbauten, die früher wie an einer Schnur aufgezogene Perlen wirkten, verbreiteten jetzt nur Trostlosigkeit. Die Stadt zeigte sich wie ausgeschlachtet. Riesige Reklametafeln waren die einzigen Farbkleckse in dieser Tristesse. Wie es schien, waren Pepsi, McDonalds und Marlboro die neuen Götzen in seinem geliebten Land.

Die Sonne warf schon kürzere Schatten und würde in ungefähr drei Stunden ihren Zenit erreichen. Der Bodennebel hatte sich fast gelichtet, die restlichen Nebelbänke trieb der seichte Wind fort. Stattdessen machte sich nun der für Moskau typische Industriedunst breit. Alles in allem begann ein schöner Tag heraufzuziehen. Möglich, dass er noch prächtiger enden würde. Vielleicht endete er für Russland viel, viel segensreicher.

In der Innenstadt war der Verkehr dichter und der Fahrstil der Autofahrer aggressiver. Unter einem steinernen Lenin, dessen Sockel mit obszönen Graffitis besprüht war, kassierte ein tschetschenischer Zuhälter seine Nutten ab. Ein Revolvergriff lugte aus seinem Hosenbund hervor. Schlimmer konnte es kaum werden, höchste Zeit, dass sich in Russland etwas änderte. Mit festem Entschluss gab er unbewusst mehr Gas, als wollte er so schnell wie möglich das Hotel erreichen, um alles hinter sich zu bringen. Sein Lada bog mit quietschenden Reifen in den Puschkinprospekt ein und schoss über die Brücke der Moskwa in Richtung Kreml. Von der früher hier quirligen, lärmenden Eile und Hast war nichts mehr zu spüren. Wie in Trance schlichen die Fußgänger sorgenvoll auf dem breiten Boulevard ihren Zielen entgegen. Der ständige Kampf ums tagtägliche Überleben hatte ihre Gesichter gezeichnet. Ihre Sorgen waren nicht die seinen. Er hatte andere. Würde er noch rechtzeitig das Hotel erreichen?

Die sich auf dem Zebrastreifen balgenden Lausbuben sah er im letzten Augenblick.

Nur mit einer Vollbremsung brachte er seinen Lada noch rechtzeitig zum Stehen, was dem Fahrer der viertürigen Limousine hinter ihm nicht vergönnt war. Der schwere Wolga knallte mit lautem Getöse in seinen Lada. Auch die nachfolgende Rostlaube eines Kleintransporters kam nicht mehr zum Stehen und krachte in den Wolga. Jetzt war der Termin in der Erimetage nicht mehr zu halten. Er würde zu spät kommen. Plötzlich hatte er wieder einen trockenen Gaumen und ein unglaubliches Verlangen nach einem Wodka. In solchen Augenblicken vermisste er den Wodka, sehr sogar.

Seinem Dienstausweis, der ihn als Militärstaatsanwalt auswies, war es zu verdanken, dass ihn die Unfallaufnahme nicht lange aufhielt. Sein Wagen musste abgeschleppt werden. Ein dienstbeflissener Milizionär fuhr ihn mit seinem Streifenwagen zum Treffen ins Hotel, in dem die kleine verschworene Versammlung schon tagte. Die geschlossene Tür zum Konferenzzimmer öffnete er leise, schlüpfte hindurch und hörte den Vorsitzenden, der eine wirkungsvolle Pause einlegte und ihn mit hochgezogenen Brauen zu grüßen schien, sich in seinen Ausführungen aber nicht weiter stören ließ.

„und so stelle ich fest, das zwanzigste Jahrhundert hat sich jahrzehntelang über den Kampf des Kommunismus’ mit dem Kapitalismus definiert. Schon glauben weltweit alle Kapitalisten, der Kommunismus war einer der größten Irrtümer der Vergangenheit. Das stimmt so nicht. Leider haben wir die erste Runde verloren und sind vom Vorbild des gesamten ehemaligen Ostblocks nach dem Zusammenbruch zum Feindbild für unsere Anrainerstaaten geworden, ein unerträglicher Zustand. Diesen Status quo können wir nicht akzeptieren. Die Tentakel des Klassenfeindes reichen bis an unsere Einflusssphären, haben diese teilweise schon durchdrungen und infizieren unsere Werktätigen mit dem süßen Gift der so genannten Freiheit. Früher hatten wir Stolz und Arbeit, jetzt haben wir freie Märkte, einige Milliardäre und noch mehr Millionäre, Prostitution, Drogen und Aids. Unsere Wirtschaft hat wieder den frühen Manchester-Kapitalismus angenommen, der letzten Endes zur Oktoberrevolution führte.

Bislang hat sich in unserem Land der Kapitalismus gegenüber dem Kommunismus nicht als die überlegene Wirtschaftsform erwiesen, im Gegenteil.

Unsere Bevölkerung verarmt in immer höherem Maße. Kinder mit hungrigen Mäulern werden von ihren Eltern verstoßen, ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen. Sie säumen zu Hunderten die Straßen und Plätze in Moskau und in anderen großen Städten und tauchen im Winter in die wärmere Kanalisation ab. Lange vor ihrer Pubertät werden kleine Mädchen auf den Straßen westlichen Touristen feilgeboten. Eine Schande, wie wir mit unseren Kindern, unserer Zukunft umgehen. Den Krankenhäusern läuft das medizinische Personal davon und dient sich dem Westen an. Auf vielen Stationen ist eine Erstversorgung und stationäre Behandlung nicht mehr möglich. Angehörige müssen ihre Verwandten selbst in den großen Moskauer Krankenhäusern pflegen. Nicht nur die Disziplin in unserer glorreichen Armee, nein, auch die Armee selbst löst sich auf. Täglich desertieren in allen Waffengattungen Soldaten in Bataillonsstärke. Kein Wunder, wenn der Wehrsold nicht bezahlt werden kann.

Meine Herren, wir wissen alle, dass Russland einem Staatsnotstand, einem Abgrund entgegenschlittert, wir wissen alle, dass gehandelt werden muss und zwar sofort. Wann, wenn nicht jetzt. Und wer, wenn nicht wir, sollte initiativ werden? Wir werden das Blatt wieder wenden.

Ich fasse also zusammen, dass wir sowohl dem Expansionsdrang der Nato als auch dem der Europäischen Union wirkungsvoll begegnen müssen. Wenn wir nicht handeln, fallen Estland, Lettland und Litauen zuerst der Europäischen Union und später auch der NATO anheim. Andere ehemalige Sowjetrepubliken werden folgen. In einigen Jahren wird unser Land von kapitalistischen Staaten umgeben und bis zur Bedeutungslosigkeit heruntergewirtschaftet sein.

Wir müssen handeln. Unter Hammer und Sichel, dem alten Emblem, wird unser geliebtes Russland wieder aufblühen und zur alten Größe erstarken. Unsere Hightech-Schmieden und der militärisch-industrielle Komplex haben wehrtechnische Spitzenprodukte von Weltruf hervorgebracht, die ihres gleichen suchen. Unser Land ist reich mit Bodenschätzen gesegnet, und wir besitzen das geistige Potential, alles sinnvoll zum Ruhme Mütterchen Russlands zu nutzen und einzusetzen.

Wenn uns die europäische Geschichte eines gelehrt hat, ist es die Tatsache, dass große Ziele nie, ich betone nie, mit Samthandschuhen erreicht worden sind. Wir werden Scherben zurücklassen, aber niemals auf einen Scherbenhaufen zurückblicken, das verspreche ich.

Und wenn wir den Staatsnotstand bejahen, ist unser Vorhaben ein Akt der Notwehr. Spätere Generationen und die Geschichte werden uns recht geben. Lasst uns daher den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Unsere Schläfer haben die erforderliche Infrastruktur für unser Vorhaben seit Monaten gelegt und fertig gestellt und können für den Tag X von jetzt auf gleich reaktiviert werden. Bleibt nur noch ein einstimmiges Ja-Votum, um den zweiten, entscheidenden Schritt zu tun. Nur so können wir zum Wohle Russlands das Ruder herumreißen. Unser Mann in Deutschland hat gegen eine Menge Valuta hervorragende Arbeit geleistet. Jetzt aber ist er entbehrlich. Wir können ihn abschalten.“

Der Vorsitzende ließ seine Worte verhallen und die Stille im Festsaal anwachsen.

Die mit flammender Leidenschaft gehaltene Rede verfehlte ihre Wirkung nicht. Jeder im Saal war bereit, dieser visionären Entschlossenheit mit kompromisslosem Engagement zu folgen.

„Da wir nun beschlussfähig sind“, meldete sich der Vorsitzende zurück, „bitte ich jetzt alle Anwesenden des Exekutivkomitees um das Handzeichen. Wollen wir mit dem Kreuzzug gegen das Elend in unserem Lande endlich beginnen?“

Applaus brandete durch den kleinen Festsaal. Der Applaus war eine deutliche Manifestation des Aufbegehrens gegen die in Russland herrschenden Verhältnisse. Wie konnte er sich da verweigern? Getragen von der allgemeinen Begeisterung, hob auch er wie alle anderen seinen Arm.

Wie auf Kommando, servierten ein halbes Dutzend Kellner geeisten Wodka in kristallenen, edlen Gläsern, aus denen sicher auch die Romanows vor langer Zeit schon getrunken haben dürften.

„Wie ich sehe, ist mein Vorschlag einstimmig akzeptiert worden.“ Wieder brach Applaus los, nur heftiger und lauter.

„Freunde, ich erhebe mein Glas und stoße auf ein gutes Gelingen der zweiten, entscheidenden Phase an. Nasdrowje!“

 

Endlich, die Entscheidung lag hinter ihm. Eine schwere Last fiel von ihm ab. Gierig griff er sein Glas und stürzte den Inhalt mit einem Zug in sich hinein. Wohlige Wärme breitete sich in seinem Inneren aus. Er war froh und erleichtert, seinem geliebten Russland einen patriotischen Dienst erwiesen zu haben. Nun musste er dem Vorsitzenden seinen ausgewählten Aspiranten präsentieren.

Kapitel 1

 

Moskau, Flughafen Wnukowo, Mittwoch, 11.01.1995, 21.00 Uhr

 

Der Schneesturm wütete in diesen Januartagen besonders kräftig. Wie ein Raubtier mit eisigem Atem fiel er über den Flughafen her und rüttelte mit zerstörerischer Gewalt an der gesamten Glasfront des Abfertigungsterminals. Eine solche Naturgewalt war schon lange nicht mehr über den Airport hereingebrochen. Große, gläserne Flügeltüren wurden spielend leicht aufgedrückt, und immer wieder wehten heftige Schneeböen in die riesige, für internationale Abflüge reservierte Abfertigungshalle. In der Cafeteria drückte der Sturm zwei große Glasscheiben ein; der Oberkellner wurde durch herumwirbelnde Glassplitter geringfügig verletzt. Fluchtartig verließen die Gäste das Lokal. Sie drängten sich nun mit anderen Passagieren in die hinteren Areale der Abfertigungshalle, dort waren sie ein wenig besser vor der schneidenden Kälte geschützt. Dieses zählebige Tiefdruckgebiet währte nun schon mehrere Tage und schaufelte immer mehr Schnee vom Osten heran. Mal musste doch Schluss sein. Aber ein Ende war nicht abzusehen. Manchmal, für wenige Sekunden, schienen die urwüchsigen Naturgewalten innezuhalten, um dann aber mit noch größerer Heftigkeit zurückzukommen.

Die Maschine der polnischen Luftfahrtgesellschaft LOT, Moskau via Warschau nach Berlin, hätte schon vor 50 Minuten starten müssen. Wegen zu starken Schneefalls konnte die Flugsicherheit nicht mehr gewährleistet werden. Starts und Landungen wurden nicht mehr genehmigt. Anfliegende Verkehrsmaschinen mussten auf andere, weit entfernte Flughäfen ausweichen. Der Airport war nun schon seit zwei Stunden vorübergehend geschlossen.

Alexander Konstantinowitsch Schukow, Oberst a.D. des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes, wurde langsam nervös. Sollten die Nachrichten, die von dpa, der deutschen Presseagentur, weltweit über den Ticker verbreitet wurden, stimmen, war, wie ihm bedeutet wurde, Eile geboten. Die Zielperson durfte den deutschen Ermittlungsbehörden nicht in die Hände fallen. Zuviel, wurde ihm gesagt, stünde auf dem Spiel. Aber Hast und Eile waren bei schwarzen Operationen, die geheim durchzuziehen waren, oftmals tödlich. Viel zu oft mussten Agenten seines Operationsdirektorates deswegen beerdigt werden. Es waren immer herbe Verluste für den KGB.

Für die eigentliche Ausführung des Unternehmens war der Zeitfaktor deshalb von nicht unerheblicher Bedeutung. Die Planungen, das Anschieben des Vorhabens, wollte er auch nicht übers Knie brechen, das könnte sich später bitter rächen. Nein, eine leichte Nervosität konnte er nicht mehr unterdrücken. In seiner aktiven Dienstzeit hatte er ein dickeres Fell, war auch in besserer Form, schlank und athletisch. Die Jahre und die Zeit nach seiner Pensionierung hatten aber vieles ins Gegenteil verkehrt. Jetzt fingen zum ersten Male seine Nerven an zu flattern. Vielleicht hatte es jedoch mehr mit seinem Alter als mit dem Auftrag zu tun, immerhin würde er in zehn Monaten sechzig Jahre alt werden. Aber er würde bei diesem Auftrag schließlich nur die Durchführung leiten, im Hintergrund agieren und die Fäden ziehen. Was sollte da schon passieren? Früher, als junger Leutnant bei der GRU, dem Nachrichtendienst der sowjetischen Streitkräfte, hatte er an operativen Feldaktionen teilgenommen. Sein methodisches Vorgehen hatte seinerzeit das Interesse seiner Vorgesetzten geweckt. Dieses Talent wollte man effektiver nutzen, er wurde zum größten Rivalen der GRU, ins Hauptquartier des KGB versetzt. Hier war sein Geschäft die exakte Planung internationaler Feldoperationen. Das geistige Know-how fast aller Unternehmungen des Dienstes spiegelten seine Handschrift wider. Da dieses jetzige Vorhaben aber keinen Aufschub duldete, musste er diesmal direkt vor Ort seinen Kontaktmann in Deutschland treffen. Er kannte ihn nicht, kannte seine Zuverlässigkeit nicht. Welche Stärken hatte er? Viel wichtiger aber war es, seine Schwächen zu kennen. Wo war er angreifbar? Für Schukow war dieser Mensch ein unbeschriebenes Blatt. Dossiers konnten oder wollten seine Auftraggeber nicht zur Verfügung stellen. War gar zu befürchten, in Deutschland einen mehr als unsicheren Kantonisten anzutreffen?

Ein anderes, viel größeres Problem für Schukow war die Geheimhaltung dieser schwarzen Operation. Die Geheimhaltung, das wusste er, war ein schwer einzuschätzendes Element. Wer, welcher Personenkreis wusste von seinem Einsatz?

War es klug oder närrisch, diesen Auftrag anzunehmen? Lange Zeit war er sich nicht im Klaren. Einerseits wurde er nobel honoriert, andererseits aber ... . Ach, scheiß drauf, er brauchte das Geld. Kopfzerbrechen bereitete ihm nur diese verdammte, fast schon manische Geheimniskrämerei seiner Auftraggeber. Sie war aber mehr ein störender als ein beängstigender Fakt, beruhigte sich Schukow. Er bestimmte die Regeln, er hatte das Heft des Handelns in der Hand. Sein Gegenüber in Deutschland würde keine Chance bekommen, zu reagieren, ein großer Vorteil bei Feldoperationen auf dem Gebiet des Klassenfeindes, der nicht unterschätzt werden durfte.

Und wenn das Unternehmen in Schieflage geraten sollte, müssten notfalls in Ostdeutschland die alten Seilschaften reaktiviert werden. Alle entsprechenden Telefonnummern waren codiert und auf hauchdünnem Pelürepapier in seinem Anzugsaum eingenäht. Zum Dechiffrieren bräuchte man schon einen sehr guten Kryptologen. Sicherlich ein großes Problem für die provinziellen Sicherheitsorgane in Deutschland.

Immer heftiger tobte der Schneesturm, immer länger wurde die Wartezeit, zuviel Zeit, um zu überlegen, was alles schief laufen könnte. Diese bevorstehende Aktion bereitete ihm immer größeres Unwohlsein, je öfter er alle notwendigen Schritte durchdachte. Sie ist, ja, von wem eigentlich?, das war ihm immer noch nicht klar, offensichtlich ad hoc entschieden worden. Per E-Mail ist ihm eine interessante Offerte anonym unterbreitet worden. Viel Geld wurde ihm geboten. Als er Interesse erkennen ließ, brachte der Geldbriefträger tags darauf einen ansehnlichen Betrag, den auszuschlagen er nicht wagte oder konnte. Viel zu schnell hatte er sich durch das Geld einbinden lassen. Wusste er doch genau, wie Agenten angeworben wurden. Mit dem vielen Geld hatte auch er sich jetzt ködern lassen. Was sollte er tun, er und seine Frau waren auf das Geld angewiesen. Seine wirtschaftliche Situation zwang ihn zu einem solchen Schritt. Die medizinisch notwendige Operation wollte er im Westen erledigen lassen. Daran war aber ohne Geld nicht zu denken. Ohne Operation prognostizierten ihm die Ärzte noch höchstens ein Jahr Schmerzfreiheit, dann würde der Bauchfellkrebs schnell zum Ende führen. Die Pension aber, die er nach dreißig Dienstjahren im KGB nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bekam, reichte für ihn und seine Frau kaum zum Leben. Wie sollte da noch eine Operation im Westen bezahlt werden können. Auch die monatlichen Mietkosten drückten gewaltig. Dreimal mussten sie umziehen, in immer miesere Wohnungen. Jetzt wohnte er mit seiner Frau in einem Viertel, das zu den weniger vorzeigbaren Stadtteilen Moskaus gehörte. Baufällige Villen aus den vergangenen Jahrhunderten. Sie mussten sich mit zwei anderen Mietparteien eine Etage in einer solchen Villa mit nur einem Telefonanschluss teilen. Ein Fernmeldetechniker seines ehemaligen Dienstes war bereit, von diesem Anschluss konspirativ eine Abzweigung in sein Schlafzimmer zu legen. So konnte er zumindest nachts, wenn kein anderer telefonierte, im Internet durch die weite Welt surfen. Andere Hobbys konnte er sich nicht leisten. Es war beschämend, so leben zu müssen. Heißblütig und voller Inbrunst sehnte er die alten Zeiten zurück. Wer aber sollte das Rad der Geschichte zurückdrehen?

Details und Fakten sowie die Flugtickets und die Ausweispapiere, Falsifikate versteht sich, die er für die Durchführung der Mission benötigte, wurden ihm anonym über das Internet oder per Post zugespielt. Als ehemaliger Geheimdienstler war es für ihn selbstverständlich, die Kontaktaufnahme dieser Gruppe zu ihm zu protokollieren und durch Originale und Kopien beweiskräftig belegen zu können. Alles ließ einen sehr geringen Standard an geheimdienstlichen Fähigkeiten erkennen, zeugte aber umso mehr von einem hohen Maß an ultrarechter Gesinnung. Sollte sich in Russland eine neue politische Kraft etablieren oder war gar eine neue Revolution im Werden? Es war zu hoffen!

Die Zeit brannte Schukow unter den Nägeln. Seiner Meinung nach hatten diese Nationalisten völlig versagt. Die Auslandsaufklärung der Ersten Hauptverwaltung in der Moskauer Lubjanka hätte zu seiner Zeit viel früher über den Fakt Kenntnis gehabt, der nunmehr über die Nachrichtenticker weltweit verbreitet wurde. Exakte Vorbereitungen hätten geplant werden können. Jetzt aber war eine schnelle Reaktionszeit nötig, jetzt musste es hopplahopp über die Bühne gezogen werden. Wenig Zeit für eine Gefahrenanalyse. Und wenn Schukow eines wusste, war es die Tatsache, dass Gefahren weniger schwer wiegen, wenn man sie kommen sieht und ergründen kann. Damit war er im Dienst alt geworden, das hatte vielen Mitarbeitern im Außendienst das Überleben gesichert. Aber im heutigen Russland war das gestaltende Element der exakten Vorbereitung verschüttet, es konnte nur noch reagiert werden.

Wo man auch hinsah oder hineinstach, überall zeigten sich Schwächen. Russland war marode geworden. Politik und Wirtschaft waren mafiös durchdrungen und die organisierte Kriminalität verbarg sich viel zu oft hinter den Fassaden von Großunternehmen. Die ehemaligen Parteikarrieristen des alten Systems waren wieder in Amt und Würden und schon lange nicht mehr die Sachwalter des Volkes. Im Gegenteil, diese Politkaste hatte in der postkommunistischen Zeit auf breiter Front versagt. Devisen aus den Öl- und Gasmärkten versickerten in Privatschatullen, die gesamte Energiewirtschaft unterlag nicht mehr der staatlichen Kontrolle. Dafür umso mehr die Prostitution und der Rauschgifthandel. Weltweit wurden Terroristen über dunkle Kanäle mit High-Tech-Waffen versorgt. Über Strohfirmen wuschen sie dann ihre Milliarden und transferierten sie ins westliche Ausland. Das viele Geld leistete ihnen Geburtshilfe in die Legalität. Längst waren diese Schurken der Organisierten Kriminalität in Bereiche vorgedrungen, in denen politische und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden, und viele dieser Figuren waren in der Lage, sich Protektion zu kaufen. Alle aber kleideten sich nun mit dem Mäntelchen der Rechtschaffenheit. Fast schien es, als seien sie alle unantastbar geworden. Keiner konnte oder wollte diese Typen aufhalten. In allen russischen Provinzen legte sich der Mehltau der Organisierten Kriminalität wie ein Leichentuch über das Land und drohte jedwede Aktivität in allen gesellschaftlichen Bereichen zu ersticken. Es ging seit Jahren moralisch und ökonomisch nur noch bergab. Schukow hoffte und setzte auf die neue Rechte, die sich in Russland zu bilden schien. Vielleicht ließe sich dann das Rad der Geschichte doch wieder zurückdrehen, dem russischen Bären wieder die alte Kraft zurückgeben. Dann, ja dann wäre sein Vorhaben in Deutschland nur ein vorgezogenes Regierungshandeln und fast schon legal. Jede Regierung, auch die der so genannten Demokratien, halten sich Geheimdienste. Und jeder Geheimdienst hält sich Klempner. Klempner, die oft mit feuchten, sprich blutigen Händen die schmutzigen Notwendigkeiten aller Regierenden erledigen, erledigen müssen.

Vom Ural trieb der kalte Nordost immer neue Schneestürme heran. Es schneite immer heftiger, die Räumfahrzeuge schafften es nicht, die Start- und Landebahnen des Flugfeldes zu räumen. Der Scheremetjewo-Flughafen war inzwischen auch geschlossen worden und dem Domodedowo-Airport stand die Schließung unmittelbar bevor. Das Luftkreuz Moskau wäre dann lahmgelegt, für Stunden, wenn sich das Wetter nicht änderte.

Schukows Gedanken schweiften in die längst verflossene Vergangenheit ab. Viel zu gerne erinnerte er sich an die Zeit in Frunse. Nach seiner Ausbildung in der Frunsener Militärakademie und dem Studium an der Parteihochschule begann seine Karriere. Sein größer werdender Einfluss erlaubte ihm, die ganz, ganz großen Räder zu drehen. Er war zwar nicht mit dem Oberbefehlshaber der Westgruppe der sowjetischen Armee in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Feldmarschall Schukow, dem späteren Verteidigungsminister, verwandt oder verschwägert, dennoch glaubte er, dass diese zufällige Namensgleichheit ein wenig zu seiner beispiellosen Karriere im Dienst beigetragen haben könnte. Im alltäglichen Miteinander waren gleichrangige Kollegen und untergeordnete Hierarchieebenen stets eine Spur beflissener, ja freundlicher, als er es aufgrund seines jeweiligen Dienstgrades erwarten durfte. In allen Abteilungen des ehemaligen Dienstes war es ein ungeschriebenes Gesetz, nie über familiäre und private Dinge zu sprechen. Warum also sollte Schukow die zufällige Namensgleichheit mit seinem berühmten Namensvetter aufklären. Nein, er hatte es nie getan.

Der Sturm schien an Gewalt nachzulassen.

Die Exemplare der Prawda und der Iswestija nochmals durchzublättern, erfolgte nur aus Langeweile. Neues würde er nicht entdecken. Die Eintönigkeit des Wartens ermüdete ihn, sein Kopf wurde ihm schwer und schwerer.

Aus dem Halbschlaf erwachte Schukow, als endlich die ersehnte Lautsprecherdurchsage durch das Gebäude dröhnte. Die Schneefront war nach Westen abgedriftet, die Start- und Landebahnen würden rasch geräumt werden, alle planmäßigen Flüge könnten voraussichtlich mit viereinhalb Stunden Verspätung starten.

Schukow, nein, der deutsche Staatsbürger, Kurt Schüßler, geb. 28. 10. 1943 in Finsterwalde, hatte sich einchecken lassen und legte nun an der Passkontrolle einen perfekt verfälschten deutschen Reisepass vor. Ein Bundespersonalausweis sowie ein Führerschein mit gleichen Personendaten steckten in seiner Brieftasche.

Schuhe, Anzug, Mantel sowie alle anderen Kleinutensilien, die ein westdeutscher Geschäftsmann auf Reisen mitzuführen pflegte, waren in Deutschland gekauft worden. Der prächtige Wendemantel wies ihn als sehr erfolgreichen Geschäftsmann aus. Er sprach ein makelloses Hochdeutsch, ohne irgendeinen Akzent, hatte er doch Germanistik und deutsche Literatur- und Theaterwissenschaften an der Ostberliner Humboldtuniversität studiert.

Seine Legende schien wasserdicht. Der wahre Kurt Schüßler war im Hafen von Petersburg mit einem Blutalkoholwert von 3,2 Promille als Wasserleiche vor zwei Jahren geborgen worden. Die deutsche Botschaft wurde hierüber nie informiert. Die Ausweispapiere dieser Wasserleiche trugen nun ein Lichtbild von Schukow.

Was Schukow nicht wusste, war die Tatsache, dass die deutschen Sicherheitsbehörden Kurt Schüßler als vermisste Person in der bundesweiten INPOL-Datei führten. Eine solche Datei, in der unter anderem alle per Haftbefehl gesuchten und vermissten Personen gespeichert sind, kannte er nicht, sie wurde erst nach seiner Pensionierung beim Bundeskriminalamt installiert. Seine Auftraggeber ließen ihn hierüber in Unkenntnis.

Ein gepflegter deutscher Geschäftsmann nahm in der Businessclass Platz, um mit dem LOT-Flug 334 nach Warschau zu fliegen. Schukow alias Schüßler ließ sich von dem Kabinensteward eine Wolldecke bringen und einen Whisky servieren und hoffte, bis zur Landung in Warschau noch ein bisschen schlafen zu können. Das eintönige Summen der Turbinen und der vorzügliche Whisky ließen Schukow schnell eindämmern. Kurz vor Warschau geriet die LOT-Maschine in heftige Turbulenzen. Der Flieger hatte wohl die Unwetterfront, die den Moskauer Flughafen vor Stunden lahm gelegte hatte, eingeholt.

Schüßler erwachte und sah sich sofort mit den kleinen, mit großer Wahrscheinlichkeit eintretenden Unwägbarkeiten, die leider mehr oder weniger jede Aktion begleiteten, konfrontiert.

Was, wenn sein deutscher Kontaktmann unzuverlässig war? Was, wenn das Foto der Zielperson im Schließfach des Warschauer Flughafens älteren Datums war, aus einer ungünstigen Kameraposition fotografiert wurde oder einfach nur Unschärfen aufwies? Instinktiv griff er in seine rechte Westentasche. Hinter seiner Taschenuhr aus Tulasilber fühlte er den Schließfachschlüssel des Warschauer Flughafens. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er in höchstens 20 Minuten in Warschau landen würde.

Von seiner Taschenuhr könnte er sich nie trennen, sie stammte noch aus einer zaristischen Uhrenmanufaktur und wurde innerhalb der Familie immer an die erstgeborenen Söhne weitervererbt. Aufgrund ihrer Spindelhemmung war sie alles andere als eine genau gehende Uhr. Zu seinen Gewohnheiten gehörte es deshalb, dieses alte Erbstück jeden Tag um 12 Uhr mittags neu einzustellen. Mal musste er die Uhr einige Minuten zurückstellen, das andere Mal hatte das gute Stück einige Minuten verloren und musste vorgestellt werden. Er liebte es, dieses Ritual durchzuführen und die Uhr in seinen Händen zu halten, dann fühlte er die lateinische Gravur in kyrillischer Schrift von seinem Ururgroßvater auf der Rückseite des Sprungdeckels. Quidquid agis, prudenter agas et respice finem (was immer du tust, tue es klug und denke ans Ende) hatte sein Ururgroßvater in den Sprungdeckel stechen lassen. Schukows Handeln richtete sich stets an diesem Leitmotiv aus. Ja, er hatte es gleichsam zu seinem Lebensprinzip erhoben und auch seine Familie darauf eingeschworen.

Dieser sinnreiche Spruch des Altvorderen hatte das alte Erbstück bei Schukow und den Seinen zu einer Leitreliquie werden lassen. Die Taschenuhr war das einzige Erinnerungsstück, das Schukow von seinem Vater geerbt hatte, der im großen vaterländischen Krieg gefallen war.

Am 20. November 1942 wurde er am Don-Brückenkopf in Kletskaja bei der Großoffensive unter Generalleutnant Rokossowski gegen die Deutschen und deren Verbündete als junger Rotarmist tödlich verletzt. Schukow kannte seinen Vater nur von einer Fotografie, die seine Mutter hütete wie ihren eigenen Augapfel.

Schukow alias Schüßler lehnte sich in seinem Sitz zurück und versuchte, in Bezug auf die bevorstehende Operation alle möglichen Eventualitäten gedanklich zu erfassen, um notfalls Lösungsmöglichkeiten parat zu haben. Er wusste, dass am Ende der Mission Tote zurückbleiben würden, diese waren zwar nicht eingeplant, wurden aber billigend in Kauf genommen. Die Frage nach Leben und Sterben stellte sich Schukow nicht. Diese Frage verlor im gleichen Maße an Bedeutung und Gewicht, wie der Grad seiner Dynamik, die er zur Rettung seines Vaterlandes einsetzen musste, wuchs. Die Mission entsprach weder seiner Passion noch seiner Neigung, vor Ort tätig zu werden. Aber der Missionserfolg war wichtig, nur darauf kam es an.

In der neuen Zeit war Schukow noch nicht angekommen, er wähnte sich immer noch im Kalten Krieg. Nein, in diesem Leben würde er auch nicht mehr ankommen. Die neue Ära der postkommunistischen Zeit hatte er noch nicht in sich aufgenommen, geschweige, überhaupt realisiert.

Dieses Fossil des Kalten Krieges war nach Meinung gewisser einflussreicher Moskauer Kreise für diesen Job geradezu prädestiniert.

Kapitel 2

 

Warschau, Flughafen, Donnerstag, 12.01.1995, 11.35 Uhr

 

Ein starkes Rumpeln erschütterte das Flugzeug, die Maschine hatte aufgesetzt, sie war in Warschau gelandet. Den Gong sowie die rotleuchtenden Piktogramme über den Sitzen „Anschnallen und das Rauchen einstellen“, hatte Schukow alias Schüßler nicht wahrgenommen. Gedankenverloren sinnierte er noch über die Lebensweisheit seines Ururgroßvaters nach, als er die Uhrzeit auf dem Zifferblatt seiner Taschenuhr ablas und die Gravur fühlte. Waren alle möglichen Szenarien berücksichtigt worden?

Erst als einige Passagiere sich erhoben und seine asthmatische Nachbarin links neben ihm aufzustehen versuchte, merkte Schüßler, dass er in Warschau angekommen war. Die beiden Armlehnen hielten den fülligen Leib der Frau wie in einem Schraubstock gefangen. Sie war im Sitz eingezwängt und musste sich mit beiden Armen aus dem Sitz stemmen. Mit sehr wenig Atem mühte sie sich schweißtriefend, das Handgepäck aus den oberen Staufächern zu kramen.

Die Pass- und Zollkontrolle waren völlig unproblematisch. Er musste sein Gepäck beim Zoll öffnen. Mit Gesichtsausdrücken des ständigen Argwohns kontrollierten die Beamten den Inhalt seines Gepäcks. Ohne Beanstandungen winkten sie den deutschen Geschäftsmann durch. Der im Koffergriff versteckte Doppellauf seines 38er Derringers sowie die anderen zerlegten Teile der Waffe wurden wie die im Kofferfutter eingenähten Geldbeträge und die anders lautenden Ausweispapiere nicht entdeckt. Zielstrebig eilte Schüßler nun zu den Schließfächern.

Da, genau was er befürchtet hatte: die Schließfächer wurden videoüberwacht. Die vielen Kameras vermittelten nur eines: wir sehen alles. In Deutschland hätte ihn diese Tatsache weniger beunruhigt. Er wusste, dass dort aus datenschutzrechtlichen Gründen die Videoaufzeichnungen nur anlassbezogen aufbewahrt und ausgewertet werden durften. Ohne Anlass mussten alle Aufzeichnungen nach 24 Stunden gelöscht werden. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht, in ihrer Perfektion, alles zu regeln und in Verordnungen und Gesetze zu gießen, hatten es die Deutschen mal wieder geschafft, der gesamten Exekutive Fesseln anzulegen. Es konnte ihm nur recht sein.

Schüßler näherte sich mit dem Schließfachschlüssel in der Hand, die Überwachungskamera im Rücken, dem Schließfach 200 und entnahm ihm einen wattierten Briefumschlag, den er schleunigst in seiner Manteltasche verschwinden ließ.

Mit dem wattierten Briefumschlag eilte alias Schüßler in der Ankunftshalle den öffentlichen Toiletten entgegen. In einer freien Box schloss er sich ein und öffnete voller Neugier das Kuvert. Es enthielt die Porträtaufnahme eines Mannes und einen weiteren Schließfachschlüssel. Name, Vorname, Anschrift und Personenbeschreibung des abgebildeten Mannes waren auf der Rückseite der Aufnahme in kyrillischer Schrift notiert. Ein zusätzlich aufgeklebtes Label nannte ihm seinen Kontaktmann mit Vor- und Zunamen und die Berliner Anschrift sowie die Telefonnummer, unter der dieser zu erreichen war.

Dann verwandelte er sich von Schüßler in Wagner, indem er seinen Mantel wendete und nun die vornehme, hellbraune Kamelhaarseite außen trug. Verwandlungen solcher Art waren nichts Besonderes, sie gehörten zur Routine, waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Sie dienten nur dem Zweck, Spuren zu verwischen. Erinnerte sich ein Mitreisender des LOT-Fluges an ihn, lautete die Beschreibung: Businessman mit dunkelblauem Garbardinmantel. Auch war es ihm wichtig, in zwei Etappen nach Berlin zu fliegen. Seine Identität ließ sich so besser verschleiern, sollten tatsächlich die Passagierdaten beider Flüge miteinander verglichen werden. Höchstwahrscheinlich war alles, was er zu seiner Tarnung bislang getan hatte, überhaupt nicht nötig gewesen, wusste er doch, dass flüchtige und beiläufige Begegnungen als Erinnerungen rasch aus dem Gedächtnis, dem Neokortex, gestrichen werden und wieder der Vergessenheit anheim fielen.

Die Daten auf dem Label musste er auswendig lernen, um dann das Label selbst von der Fotografie zu entfernen, um es zu vernichten. Während des Fluges nach Berlin würde er genügend Zeit haben, die wenigen Labeldaten zu lernen. Es fiel ihm immer schwerer, Personaldaten zu lernen. Das Alter forderte eben doch schon seinen Tribut.

Ein kurzer Blick auf seine geerbte Taschenuhr verriet ihm, dass die SAS-Maschine der skandinavischen Luftverkehrslinie bereits in einer halben Stunde nach Berlin starten sollte. Höchste Zeit, sich am SAS-Schalter einchecken zu lassen. Aus seinem Koffer kramte er die Flugtickets und den zweiten Satz Ausweispapiere hervor. Schukow alias Schüßler würde nun als Bernd Wagner, geb. 22.01.1944 in Bremen, nach Berlin fliegen. Bernd Wagner war 1952 als kleiner Bub über Bremerhaven mit seinen Eltern in die USA ausgewandert. Von dieser Person dürften nach seiner Einschätzung nur noch die standesamtlichen Unterlagen in Deutschland existieren. Sollten noch Verwandte von Wagner in Deutschland leben, könnten sich diese mit großer Wahrscheinlichkeit nur an einen 8-jährigen Buben erinnern.

Schukows neue und falsche Identität würden diese Leute nicht aufklären können.

Die Passkontrolle verlief ohne Beanstandungen. Kein Wunder bei den untadeligen Papieren.

Das Wetter hatte sich beruhigt, die Schneefront war nach Westen weitergezogen. Die SAS-Maschine, in der er neben einem dänischen Geschäftsmann Platz genommen hatte, rollte auf die Startbahn, die Chefstewardess erklärte im Gang die üblichen Sicherheitshinweise, der Pilot gab Vollgas, Schukow alias Wagner wurde in seinen Sitz gedrückt; pünktlich hob der Flieger in Richtung Berlin ab.

In Englisch begrüßte der Pilot seine Fluggäste und verkündete, dass die Maschine die vorgeschriebene Flughöhe erreicht habe und der ständig von West nach Ost wehende Jetstream weniger stark als erwartet blase. Deshalb werde man voraussichtlich cirka fünfzehn Minuten eher in Berlin landen, wenn die Geschwindigkeit von 512 Knoten über Grund gehalten werden könne.

Es hätte ein ruhiger Flug werden können, wenn nicht sein dänischer Nachbar mit einem gewaltigen Körperumfang und einem Kampfgewicht von mindestens einhundertfünfzig Kilo in einem leidlichen Deutsch ununterbrochen geschwatzt hätte. Die Größe seines Kopfes stand im umgekehrten Verhältnis zu seiner Köperfülle und versank in einem übermächtigen Doppelkinn.

In kurzer Zeit kannte Wagner seine Lebensgeschichte, wusste, dass er studierter Mediziner war, nun aber als Handlungsreisender für eine große schwedische medizintechnische Firma durch Europa jettete und drei Kinder hatte, die in Deutschland und Österreich studierten. Es war zu anstrengend, aufmerksam zuzuhören. Diese gutturale, monotone Stimme drang wie das Rauschen eines Wasserfalls an sein Ohr und ermüdete ihn. Doch plötzlich, wie ein Schlüsselreiz, vernahm er das Wort Ambera.

Seine ganzen Sinne waren von einer zur anderen Sekunde geschärft. Tatsächlich, diese Quasselstrippe hatte das gleiche Hotel in Berlin wie er gebucht. Die etwaigen Konsequenzen und Folgen waren für Wagner noch nicht zu überblicken. Würde der Däne seinen Sitznachbarn später eventuell beschreiben oder gar identifizieren können? Bestimmt könnte er das, schließlich würden sie noch geraume Zeit hautnah zusammen hocken. Aber noch gab es ja keinen Anlass für solche Befürchtungen. Wer sollte denn schon diesen Fleischkloß mit derartigen Fragen belästigen? Und überhaupt war nicht Berlin, sondern Kiel sein Aktionsfeld. Er beschloss daher, erst einmal abzuwarten und sich so unauffällig wie irgend möglich zu verhalten. Wagner versuchte sich zu konzentrieren; wollte der Däne nicht erst im Flughafenhotel übernachten und tags darauf weiter nach Wien zu seinen Kindern fliegen? Er konnte sich nicht erinnern, er hätte aufmerksamer zu hören sollen. Richtig, er wollte im „Ambera“ nächtigen.

„Hier, für die Landung“, stieß ihn sein Nachbar an und übereichte ihm ein in Papier eingewickeltes Lutschbonbon, das Wagner dankend entgegennahm.

Wenig später verkündete der Pilot, dass er soeben den Sinkflug eingeleitet habe und in weniger als 10 Minuten in Berlin-Tegel landen werde. Berlin liege unter einer geschlossenen Schneedecke, die Temperaturen dort seien auf minus 6 Grad gesunken. Dann bedankte er sich im Namen seiner Crew, nicht ohne den Wunsch, alle demnächst wieder auf einer SAS-Maschine begrüßen zu können.

Die Passkontrolle in Berlin war ein Witz. Waren die Beamten einfältig, naiv oder einfach nur lustlos? Es war wohl eine Mischung aus allem. Müde schauten sie auf seinen Pass, hatten aber ihre Blicke schon auf den nächsten Reisenden gerichtet, als sie ihn durch die Kontrolle winkten.

Auch hier wurde die Ankunftshalle videoüberwacht. Hinter einem hünenhaften Passagier, den er sich schon während des Fluges in der Maschine für diesen Zweck ausgeguckt hatte, schlich Schukow alias Wagner durch die überwachte Zone. Am Gepäcklaufband wartete schon der dicke Däne auf seine Koffer. Wagner ließ zweimal sein Gepäckstück auf dem Kofferkarussell kreisen. Er wollte vermeiden, mit diesem Schwätzer wieder zusammenzutreffen. Kurz bevor sein Koffer wieder zur nächsten Runde ansetzte, hatte der leutselige Däne sein Gepäck vollständig zusammen und trottete mit einem Kofferkuli von dannen und reihte sich zur Zollkontrolle in die kurze Warteschlange ein. Durch eine große, gläserne Flügeltür war dann zu beobachten, wie er in ein Taxi stieg und davon fuhr.

Erleichtert griff sich Wagner seinen Koffer. Die Warteschlange an der Zollkontrolle hatte sich aufgelöst, er wurde durchgewunken.

Es war das erste Mal, dass Schukow in Berlin-Tegel und nicht wie sonst zu alten Zeiten in Schönefeld landete. Hier musste er sich erst einmal orientieren. Wo waren die Schließfächer?

Von der Decke hingen große Tafeln, die Piktogramme wiesen nach rechts in eine kleine Seitenhalle, an deren Kopfende die Wand mit Schließfächern verbarrikadiert schien. Eine Videoüberwachung konnte Wager nicht ausmachen.

 

Misstrauen beschlich ihn, nirgends waren Kameras installiert. Völlig arglos würde er diesen Bereich nicht betreten. Gewiss waren die Videokameras konspirativ hinter irgendwelchen Reklameschildern verborgen.

Nur die Hälfte eines zerbrochenen Knopfes würde er im Schließfach finden. Aber diese Knopfbruchkante hatte ein korrespondierendes Gegenstück, mit dem sich sein Kontaktmann ihm gegenüber legitimieren konnte.

Mit hochgestelltem Mantelkragen und gesenktem Kopf näherte er sich den Schließfächern und entnahm dem Schließfach 201 das Erkennungszeichen.

Von der Flughafen-Cafeteria aus rief Schukow die vom Label auswendig gelernte Telefonnummer an.

„Inkasso und Safty-Service, Berlin, Heinrich am Apparat“, meldete sich eine männliche Stimme.

Es waren genau die vereinbarten Erkennungsworte, die er vor Tagen per Internet genannt bekommen hatte.

„Hier ist Dimitri“, antwortete Schukow verabredungsgemäß in Russisch und fügte hinzu, „treffen uns in einer Stunde in der Cafeteria, Flughafen Tegel. Bestellen Sie vom zweiten Tisch links neben dem Eingang ein Fürst-Pückler-Eis mit Sahne, ich werde mich dann zu Ihnen an den Tisch setzen, und vergessen Sie nicht das Erkennungszeichen.“

Außerhalb der Cafeteria war für Besucher eine Wartezone eingerichtet worden. Von einem bequemen Einzelsitz aus konnte Schukow durch die Verglasung das Treiben im Lokal beobachten und hatte gleichzeitig den Ein- und Ausgang zum Warteraum im Auge. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Menschen aller Nationalitäten zogen an ihm vorüber. Eine Gruppe Muslime, mit Betperlen gewappnet und in weiße fließende Dschellabas gehüllt, zog an ihm vorbei. Die Ehefrauen, tief verschleiert, folgten ihren Männern im respektvollen Abstand. Ihre Burkas gaben nur ihre Stirnpartien frei. Langeweile beschlich Schukow, wie lange würde dieser Heinrich noch brauchen, um hier zu erscheinen? Es herrschte ein babylonisches Sprachgewirr. Russische Laute konnte Schukow nicht hören.

Dann, ein dandyhaft gekleideter junger Mann, fast noch ein Jüngling, höchstens Anfang dreißig, vielleicht ein wenig drunter, in Begleitung einer gut zehn Jahre älteren, gertenschlanken, mit langen Lackstiefeln und kurzer Pelzjacke bekleideten Frau, die ihre Jahre unter einem zu dick aufgetragenen Make-up zu verbergen suchte, betrat die Wartehalle.

Mit diesem Habitus und den langschäftigen Lackstiefeln würde diese verhinderte Dame in jedem Eroscenter eine gute Figur als Domina abgeben, dachte Schukow alias Wagner spöttisch.

Das Jüngelchen verabschiedete sich mit Küsschen von seiner älteren Begleiterin, schlüpfte durch die Tür in die Cafeteria und setzte sich an den zweiten Tisch links neben dem Eingang. Hatte es sich verlaufen oder war es tatsächlich sein Kontaktmann in Deutschland, auf den er wartete.

In der Tat, er war es, der Ober servierte nach wenigen Minuten ein Fürst-Pückler-Eis mit Sahne.

Schukow überlegte, ob er den Kontakt mit dieser Kanaille aufnehmen sollte. Sein Inneres, sein Bauchgefühl rebellierte gegen einen Kontakt. Stets war dieses Gefühl ein guter und verlässlicher Indikator für die Wirklichkeit und für die Zukunft gewesen. Das Verhalten dieses Menschen war viel zu sehr auf Außenwirkung angelegt. Ein Umstand, der bei einem solchen Vorhaben fatale Folgen nach sich ziehen könnte. Vielleicht sollte er den Auftrag sausen lassen. Aber Fakt war, er brauchte das Geld für sich und seine Familie.

Indes stolzierte die verhinderte Domina vor der Cafeteria auf und ab und ließ dabei ihren Begleiter nicht aus den Augen. Wenn das eine Observation sein sollte, war sie einfach nur dilettantisch, ausgesprochen stümperhaft aufgezogen, dachte alias Wagner mit bitterem Spott.

In seiner Manteltasche befummelte er den zerbrochenen Knopf, der nicht zufällig in seiner ursprünglichen Gänze mit seinen Mantelknöpfen ein identisches Aussehen hatte.

Den halben Knopf in der Hand, stellte er den Kontakt her und setzte sich mit dem Rücken zur Wartezone an den Tisch.

Mit kauderwelschendem Deutsch: „Ich Dimitri, du Henri sein“, sprach er den Eis essenden Gast an.

„Heinrich“, verbesserte der Blender und legte das Erkennungsstück mit einer gönnerhaften Geste auf den Tisch.

Passgenau ergänzten sich die Bruchstücke zu einem ehemaligen Ganzen. Schukows Kontaktmann in Deutschland hatte sich einwandfrei identifiziert.

Ein Gefühl der Beklemmung legte sich auf Wagners Brust, ihm war nicht wohl, sollte er diesem Menschen das erste Kuvert mit 50.000 Mark aushändigen? Auf Gedeih und Verderb wäre er diesem Typ zwar nicht ausgeliefert, er würde im Hintergrund bleiben. Aber eine Zusammenarbeit war unumgänglich. Dieser eingebildete Pinsel könnte ihn, wenn überhaupt, nur unzulänglich beschreiben, was Schukow mit seinem Dutzendgesicht nicht besonders beunruhigte. Fraglich war nur, ließ sich dieser Kerl an einer langen Leine führen oder stand ihm sein Machogehabe im Wege?

 

„Wollen wir uns in Russisch oder Deutsch unterhalten“, fragte Wagner sein Gegenüber mit einem devoten Unterton in seiner Muttersprache und fügte ohne die Antwort abzuwarten hinzu:

„Mir persönlich ist Russisch lieber, Deutsch beherrsche ich nur sehr schlecht.“

Gelangweilt, als wollte er sein Sprachgenie unter Beweis stellen, antwortete der Blender überheblich:

„Ist mir völlig gleichgültig, ich spreche beide Sprachen perfekt, von mir aus also in Russisch.“

Wagner legte das große Kuvert auf den Tisch und erklärte, „in diesem „Honigtopf“ sind zwei kleine Briefumschläge mit insgesamt einhunderttausend Mark, davon bekommen Sie Fünfzigtausend jetzt und den Rest später.“ Dann erklärte er bis zum allerletzten Detail den Auftrag, nicht ohne noch einmal resolut darauf hinzuweisen, dass nichts, aber auch gar nichts nach Auftragserledigung gefunden werden dürfe.

Nachdem sich Wagner die Kieler Telefonnummer notiert hatte, unter der dieser Heinrich in der Fördestadt zu erreichen sein würde, gab er ihm die Portraitaufnahme der Zielperson und einen Umschlag mit der ersten Geldtranche.

Dann erhob Schukow sich und flüsterte, als er sich zum Gehen abwandte:

„Den restlichen Inhalt des „Honigtopfes“ erhalten Sie, wenn der Auftrag erledigt ist. Ich werde mich unter der Kieler Telefonnummer bei Ihnen melden“, erklärte er rau.

Geld, dachte Schukow, ist immer eine starke Motivation. Da braucht keiner erpresst zu werden, da muss man niemanden hätscheln, muss man nicht auf ein verklemmtes Ego Rücksicht nehmen. Selbst die stärksten Charaktere knickten beim Geld ein. Es kam immer nur auf den Preis, auf die Höhe des Agentenlohnens an. Hatte doch auch er sich durch Geld zu diesem Job überzeugen lassen, schämte Schukow sich ein wenig.

Kapitel 3

 

Zwischen Bonn und Bosau, Freitag, 10.02.1995, 19.00 Uhr

 

Angst, nein, Angst hatte er nicht. Aber seitdem der schwere Volvo längere Zeit zurückgeblieben und nicht mehr in seinem Rückspiegel zu sehen war, war ihm wohler. Diese schwarzhaarigen, levantinischen Insassen mahnten ihn an seine dunklen Geschäfte, die im Nahen Osten das labile militärische Gleichgewicht erheblich verschieben würden. Was aber, wenn es keine Levantiner, sondern Kaukasier waren, die ihm gefolgt waren? Nein, Kaukasier konnten es nicht sein. Unmöglich, die hatten keinen Grund, ihm Böses zu wollen. Sie hatten pünktlich geliefert und waren fürstlich entlohnt worden. Die jüngsten Geschäfte mit ihnen waren nur zu ihrem eigenen Vorteil. Alles war vorbereitet, alles war in trockenen Tüchern, alles wartete geduldig und tickte vor sich hin.

Wenn ihm jemand folgte, dann waren es Typen aus dem Nahen Osten, vielleicht Israelis. Nur deren Mossad war zuzutrauen, seine Adresse in Bonn und Bosau recherchiert zu haben. Alle anderen würden an der Auskunftssperre scheitern, mit der alle Regierungsmitglieder in sämtlichen Dateien in dieser Republik belegt waren.

Aber wahrscheinlicher war es, dass der Zufall seine Hände im Spiel hatte. Dass ein Volvo seit seiner Abfahrt aus Bonn an seiner Stoßstange klebte, war kein Wunder bei der Verkehrsdichte, die sich jeden Freitag als Blechlawine aus dem Kölner Großraum Stoßstange an Stoßstange hinauswälzte.

Und seine privaten Telefon- und Handynummern kannte nur sein Freund, der sicher schon in Richtung Bosau unterwegs war. Vielleicht schaffte er es ja noch, rechtzeitig in Bosau einzutrudeln. Dann, ja dann hätten sie noch zwei gemeinsame Nächte, bevor sie sich in Hamburg für den Flug nach Kanada einchecken lassen mussten. Es war das erste Mal, dass er zusammen mit Roger in Urlaub fuhr. Roger hatte darauf bestanden, quasi als Probezeit für ihr zukünftiges gemeinsames Leben. Anschließend, wenn dieser Urlaub harmonisch verlief, würde er sich als Homosexueller outen und mit Roger zusammenziehen. Das gesellschaftliche Erdbeben würde seine Familie überleben. Für seine Mutter aber würde eine Welt zusammenbrechen, hoffte sie doch immer noch auf Enkelkinder von ihrem heißgeliebten Sohn. Aber verbiegen wollte er sich nicht mehr. Das hatte er viel zu lange getan. Jahr für Jahr hatte er nach außen ein anderes Leben führen müssen, um den Schein des Normalen wahren zu können. Seine Familie sollte endlich kapieren und akzeptieren, dass er schwul war.

Jetzt setzte der Volvo zum Überholen an und brauste an ihm vorbei. Dann, als die Rückleuchten nicht mehr zu sehen waren, wusste er, dass er sich wegen der Geschäfte mit dem Nahen Osten zu sehr sorgte. Ein schlechtes Gewissen lässt überall Gespenster erscheinen, dachte er.

Langsam wurde es Zeit zu demissionieren und seine politischen Ämter niederzulegen. Die Pension eines Staatssekretärs war ja auch nicht schlecht. Den heraufziehenden Skandal würde er sowieso ohne Blessuren politisch nicht überleben. Was soll´s, zu arbeiten brauchte er nicht mehr, der Deal mit dem Irak hatte ihn zu einem reichen Mann gemacht. Sicher, durch die bevorstehende Pressehatz, die seine Geschäfte mit dem Nahen Osten geißelten, würde seine Familie an Reputation verlieren. Sich aber jetzt darüber zu sorgen, würde nichts ändern.

Als er Lübeck schon lange hinter sich gelassen hatte und auf der Bundesstraße 76 noch circa dreißig Minuten bis zu seinem Chalet brauchte, fiel ihm siedendheiß ein, dass Roger noch nie in Bosau war. Rasch ließ er die lange Liste seiner Liebhaber Revue passieren und überlegte, welche Liebesutensilien sie zurückgelassen haben könnten. Es wäre ihm peinlich, wenn Roger sein Cottage gleich beim ersten Blick als Lasterhöhle erkennen könnte, hatte er doch alle seine Liebhaber seiner neuen Liebe bislang verheimlicht.

Kurz vor Bosau fing es zu nieseln an. Scheußlich, dachte er und schaute auf das Außenthermometer seines Daimlers. „Null Grad“, grummelte er vor sich hin, „eine Temperatur, bei der sich Glatteis bilden kann.“

Langsam glitt sein Wagen nach Bosau rein. Das Dorf lag wie ausgestorben vor ihm. Die trüben Straßenlaternen befunzelten schwach den schmalen Gehsteig. Nur gegenüber seines Chalets schien Licht durch die Fensterscheiben seines unmittelbaren Nachbarn. Nach der nächsten seichten Kurve würde das Chalet im Lichtkegel seiner Scheinwerfer liegen. Regenbogenfarben schillerten auf dem Asphalt, die Straße musste ölverschmiert sein. Langsam fuhr sein schwerer Wagen in die Kurve. Als er aufblendete, lag sein Haus im Lichtkegel goldgelb vor ihm. Vor dem Tor hielt er an.

Dann wurde die Beifahrertür aufgerissen, die großkalibrige Pistole zeigte auf seinen Kopf. Ein vermummter langer Kerl zwängte sich auf den Beifahrersitz und herrschte ihn an, nach Kiel zu fahren.

Auf der einstündigen Fahrt folgte ihnen ein großer Wagen. So sehr er sich auch bemühte, einen Volvo konnte er nicht erkennen. Es war vielmehr ein Geländewagen, vielleicht ein Toyota.

Kapitel 4

 

Kiel, Montag, 13.02.1995, 09.12 Uhr.

 

Die Schlechtwetterfront aus dem Osten hatte Norddeutschland erreicht. Die Meteorologen warnten vor starken Schneefällen. Das Thermometer fiel binnen weniger Stunden von drei Grad plus auf sieben Grad minus. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen bereiteten sich die Regierungsbezirke, die Landkreise, die Städte sowie alle Straßenmeistereien auf eine mögliche Schneekatastrophe vor. Der Dezember 1978, als Norddeutschland im Schneechaos versank, war allen noch in schrecklicher Erinnerung. Diesmal wollte man vorbereitet sein. Alle verfügbaren Räumfahrzeuge wurden mit einer Mischung aus Sand und Salz beladen, das Personal in eine Rufbereitschaft versetzt. Beängstigend schnell fiel nun auch das Barometer.

 

Dann war es soweit. Mit unbändiger Kraft stürmte es los. Vereinzelte Böen waren so heftig, dass Gischt von der Förde bis in die Innenstadt getragen wurde. Der Schnee aber machte das Sturmchaos erst komplett. Zarte und filigrane Schneeflocken, kaum größer als Reiskörner, wirbelten von überall heran. Im Nu waren alle Dächer, Straßen und Plätze eingeschneit. Der Verkehr bewegte sich nur noch im Schritttempo durch die Straßen. Sonst pulsierender Verkehrslärm war kaum noch wahrnehmbar. Stattdessen war umso mehr das Heulen und Tosen des Schneesturmes zu hören.

Im Vorgarten der Praxis duckten sich unter dem Unwetter die Büsche links und rechts neben dem Hauseingang. Die Kälte hatte die Blätter des immergrünen Rhododendrons eingerollt. Hanson stemmte sich gegen den Sturm und hüllte sich enger in seinen Trenchcoat ein. Das Winterfutter des Mantels hing in seinem Dienstzimmer. Er hatte vergessen, es einzuknüpfen. Mit hochgeschlagenem Kragen und bis in die Stirn gezogenem Hut stiefelte er auf der Zuwegung zu den Praxisräumen seines Zahnarztes. Der Sturm peitschte ihm die Schneeflocken und Eiskristalle ins Gesicht und zerrte an seinem Mantel. Die Kälte kroch ihm durch das dünne Tuch bis ins Mark. Eiskristalle als auch die schneidende Kälte schmerzten. Aber keine Frage, seine Zahnschmerzen quälten ihn mehr. Knöchelhoch lag schon der Schnee. Diverse vereiste Schuheindruckspuren zeichneten sich im Schnee deutlich ab, sie waren höllisch glatt.

„Bloß nicht noch vor dem beabsichtigten Winterurlaub ausrutschen und sich die Haxen brechen“, murmelte er in sich hinein und hoffte, dass die Zahnbehandlung nicht so schmerzhaft sein würde wie vor anderthalb Jahren.

Er hätte sich schon vor Wochen einen Termin von seinem Freund Jörg, dem Zahnarzt, geben lassen sollen. Aber immer wieder kamen dringende, dienstliche Angelegenheiten dazwischen. Nur zu gerne hatte er immer die festgesetzten Behandlungstermine aus purer Angst verschoben. Nun aber waren die Schmerzen nicht mehr auszuhalten. Nächtelang ließ ihn der verdammte untere rechte Weisheitszahn nicht schlafen. Missmutig ging er jeden Morgen mit Zahnschmerzen ins Büro. Seine Mitarbeiter litten unter seiner schlechten Laune, waren so etwas nicht gewohnt. Insbesondere sein Stellvertreter, der pfiffige, agile Hauptkommissar Jürgen Pellka, hatte dieser Tage viel zu erdulden. Obwohl Pellka die Bearbeitung der letzten Leichensachen logisch und mit großer Kompetenz durchermittelt hatte, fand Hanson immer wieder Kleinigkeiten, die er ihm unter die Nase rieb und darauf bestand, weitere, letztlich unnötige und überflüssige Nachermittlungen in die Wege zu leiten.

Just hatte er die letzte Treppenstufe erreicht, als sein Handy zu klingeln begann. Hanson sog die eisige Luft tief ein und überlegte, ob er das Gespräch annehmen sollte. Es konnte nur seine Dienststelle sein. Kein anderer kannte diese Handynummer. Ein kurzer Blick auf das Display genügte und er wusste, dass der Anruf mit dem Tod eines Menschen zusammenhing. Er zog seine Handschuhe aus, um den Knopf zu drücken, der die Verbindung zu seiner Dienststelle herstellte. Er konnte den Anruf nicht ignorieren, seine Leute brauchten ihn.

Kaum dass er sich meldete, quäkte die Stimme seiner Sekretärin ihm aufgeregt ins Ohr. Er hatte sie sofort an ihrer Fistelstimme erkannt. Ohne die Sätze vollständig zu beenden, versuchte sie ihm klarzumachen, dass im Klosterforst in der Nähe der Bundesstraße 76 ein Mercedes aus Bonn mit einer männlichen Leiche mittleren Alters von einer Gruppe Forstarbeiter gefunden worden war. Der Anrufer habe behauptet, den Leichnam aus der heutigen Bild-Zeitung zu kennen. Es solle sich um den Staatssekretär Dr. Helmut Beyer aus dem Bundeswirtschaftsministerium handeln.

Geistesabwesend drückte Hanson den Klingelknopf des Türöffners zu den Praxisräumen. Wie von Geisterhand öffnete sich die Praxistür.

Beyer? Beyer? Wer ist oder war Staatssekretär Dr. Beyer. Nun rächte sich seine Staatsverdrossenheit. Es rächte sich, dass er kein politisches Interesse mehr hatte, keine Kolumnen, keinen Leitartikel oder dergleichen mehr las. Die Politik in dieser Republik, insbesondere die Rechtspolitik, machte ihn krank, nagte schon seit Jahren an seiner Einstellung zu diesem Staat.

Seine Gedanken schweiften weiter ab.

Der von den 68ern gepredigte Marsch durch die Institutionen ist inzwischen vollzogen, war Hanson sich sicher. Einige der früheren Revoluzzer sitzen heute an den Hebeln der Macht und mästen sich in diesem Establishment, das sie früher aufs Blut bekämpften. Ihre Gesinnung, diesen Staat umzukrempeln, haben diese Typen nicht abgelegt. Nur ihre Mittel haben sich geändert, ihr Handwerkszeug ist subtiler geworden, mit dem sie diese Republik peu à peu verändern wollen. In der Justiz haben die 68er, die früher die Gewalt in die Straßen getragen haben, Schlüsselpositionen besetzt, mit der Folge, dass Justitia gegenüber Schwerverbrechern zuviel Milde walten lässt. Die Metapher, Nachsicht mit den Wölfen, hat immer ein paar tote Lämmer zur Folge, haben die verantwortlichen Richter und Staatsanwälte in dieser Justiz noch nicht verinnerlicht. Täter, die nicht oder nicht sofort verurteilt werden, produzieren immer mehr Opfer, manchmal sogar Tote. Diese Justiz ist von einem viel zu optimistischen Ethos durchdrungen und will einfach nicht wahrhaben, dass die Resozialisierung wenig erfolgreich ist.

Die unterschiedlichsten Formen der Organisierten Kriminalität haben sich bereits als Machtfaktoren in dieser Gesellschaft fest etabliert. Kriminalität ist in diesem Staat zu einem kalkulierbaren Risiko und zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. In der Wirtschaft ist Korruption und Bestechung zu einem Teil der Geschäftspolitik geworden. Hemmungslos und ungeniert füllt sich die so genannte staatstragende Elite die eigenen Taschen. Würden alle Freveltaten der Großkopferten aus Politik und Wirtschaft in dieser Gesellschaft als Fieberkurve dargestellt, spiegelte diese Kurve eine todkranke Gesellschaft wider. Noch schlimmer aber ist die Tatsache, dass Justitia mit ihren verbundenen Augen nicht sieht, dass diese gutbetuchten Figuren mit juristischen Tricks, überbezahlten Gutachten und ebensolchen Rechtsanwälten dem Recht immer ein Schnippchen schlagen. Wenn sich die Wahrheit nicht mehr verheimlichen lässt, wird sie von Instanz zu Instanz immer mehr verfremdet und mit Halbwahrheiten umrankt, bis letztlich der urteilende Richter die Wahrheit nicht mehr erkennt oder erkennen will. Dieses Rechtssystem schafft eine Atmosphäre der Unsicherheit, nach dem Motto „Summum jus summa injuria“ - das höchste Recht verkommt zum größten Unrecht.

Es gärte immer öfter in Hanson. Oftmals konnte er vor Wut über diese Figuren, die so genannten Volksrepräsentanten, die eine solche Politik zum angeblichen Wohle aller betreiben, nicht einschlafen.

Als junger Polizist war er zwar auf diesen Staat vereidigt worden, je älter er aber wurde, je mehr Dienstjahre er auf dem Buckel hatte, desto größer waren seine Intimkenntnisse über diesen so genannten Rechtsstaat, desto mehr war ihm dieses Gemeinwesen verhasst.

Vor der geöffneten Praxistür stampfte Hanson mehrmals kräftig mit den Füßen auf, um den Schnee unter seinen Schuhen nicht ins Haus zu tragen. Dann trat er in die warmen Praxisräume. Sein Gesicht war noch taub vom eiskalten Nordost. Trotzdem roch er ihren Duft, als die Tür hinter ihm mit hartem Scheppern ins Schloss fiel. Es war ein Duft, der betörend wirkte und ihn immer mit schlechtem Gewissen an seine verstorbene Frau denken ließ. Drei Jahre war Hellen jetzt tot und er konnte sich immer öfter an den Düften anderer Frauen berauschen.

Nach dem Tode von Hellen wollte er den Dienst quittieren. Es erschien ihm sinnlos, seine Haut für diese Gesellschaft zu Markte zu tragen. Für wen und für was rieb er sich Tag für Tag auf? Das Geld, diese wenigen Kröten, konnte er mit einem anderen Job leichter verdienen.

Hellen war an Brustkrebs elendig verreckt. Anfangs glaubten sie und die behandelnden Ärzte, den Krebs besiegen zu können. Sie sprachen von einer Spontanremission. Es war ein Irrtum, leider. Doch immer wieder keimte Hoffnung auf, immer vergebens. Immer öfter galt es, die Enttäuschung zu überwinden. Hellen bäumte sich auf, wollte kämpfen, doch Monate später offenbarte ein neuer Röntgenbefund, dass der Krebs metastasiert war und andere Organe befallen hatte. Ihr Traum von einem gemeinsamen Leben wandelte sich zu einem Albtraum. Gewährte ihr der Krebs dann und wann mal eine schmerzfreie Phase, wurde diese von der Chemotherapie zunichte gemacht. Ihr Siechen war schrecklich, ihr bevorstehender Tod absehbar. Er wurde von unvorstellbaren Schmerzen begleitet. Entsetzlich aber war, ihr nicht helfen zu können. Oft wünschte er ihr ein schnelles Ende, schämte sich dann aber seiner Gedanken und war entsetzt, dass sich eine solche Fiktion in seinem Kopf festsetzen konnte. Die letzten Wochen in der Palliativstation waren für Hellen, aber auch für ihn, die schlimmsten. Ohnmächtig musste er seiner Frau beim Sterben zusehen. Er konnte dies nur noch unter Alkohol ertragen. Zu Hause stapelten sich Batterien leerer Schnapsflaschen.

Hellen hatte sich aufgegeben, sie sehnte sich den Tod herbei. Ihre Schmerzen waren trotz der verabreichten Morphinpräparate nicht mehr auszuhalten. Zwei Tage vor ihrem Tod, fast schon der Agonie nahe, nahm sie ihn in den Arm, verabschiedete sich und bat durch einen Tränenschleier, er möge sie loslassen, auch dass er sich nach einer angemessenen Zeit eine neue Lebensgefährtin suchen müsse, die für ihn sorge. So zu handeln, musste er ihr geloben. Er alleine, ängstigte sie sich, würde sein Leben nicht packen, würde vergammeln. Dann bedankte sie sich, dass sie ein Stück ihres Weges in ihrem Leben mit ihm gehen durfte. „Ein Weg, der mich durch die glücklichste Zeit meines Lebens führte. Diese Erinnerungen kann mir keiner nehmen. Ich schaue gerne zurück, zurück zu unserer jungen Liebe“, hauchte sie ihm ins Ohr.

Über ihr Gesicht huschte damals ein glückliches Lächeln, als habe sie sich selbst in diese längst vergangene Zeit zurückversetzt, um die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen. Sie schien sich an den schlanken, hochgewachsenen, dunkelhaarigen jungen Polizisten zu entsinnen, dessen einziges Sinnen und Trachten war, bei der Kriminalpolizei Karriere zu machen. Seinetwegen war sie damals mit ihm nach Wiesbaden umgezogen, als eine interessante Stelle beim Bundeskriminalamt besetzt werden musste. Sie wollte seinem beruflichen Werdegang nicht im Wege stehen. Seine analytischen Fähigkeiten in diesem Amt, mit denen er präzise auch schwierige kriminelle Sachverhalte logisch miteinander zu verquicken verstand, erregten sehr schnell die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten. Gegen eine Versetzung in das geheime Auswertungs- und Analysezentrum konnte er sich nicht wehren. Von der Menge kaum zu bewältigende Leseleistungen mussten alltäglich bewerkstelligt werden. Todunglücklich, aber sehr erfolgreich war er in diesem Arbeitsbereich. Weil seine Analysen und Prognosen mit fast mathematischer Präzision sehr oft ins Schwarze trafen, avancierte er in der Abteilung zum heimlichen Liebling seiner Vorgesetzten. Gerne schmückten sie sich mit seinen Erfolgen. Er war unverzichtbar geworden. Die Abteilung wollte und konnte nicht auf seine Mitarbeit verzichten. Als ihn dann die Abordnung in das Kriminalistische Institut des Bundeskriminalamtes ereilte, kam es ihm wie eine Befreiung vor. Junge Abiturienten zu Kriminalkommissaren auszubilden, machte ihm Freude. Besonders dann, wenn er von den jungen Frauen eines jeden Lehrganges angehimmelt wurde. Es schmeichelte seiner Männlichkeit. Von Jahr zu Jahr erhöhte sich der Frauenanteil beim Bundeskriminalamt. Er fühlte sich wie ein Hecht im Karpfenteich.

Dieser Euphorie bereitete Wolff ein jähes Ende, als er ihn in seine Abteilung zur Bekämpfung der überörtlichen Schwerstkriminalität holte. Wolff, diesem kompromisslosen Isegrim, war es nach zähem Ringen gelungen, ihn aus dem Schulungsalltag wieder in die beklemmende und scheußliche Welt der Verbrechensbekämpfung zu holen. Er verpasste Hanson den kriminalistischen Feinschliff und formte ihn zu einem mit allen Wassern gewaschenen Kriminalisten, der die Scheu, in jedem Menschen das Böse zu vermuten, endgültig ablegen konnte. Fortan war sein Alltag nicht mehr das Grau des Alltäglichen. Das Erschreckende, das Befremdliche, das Außergewöhnliche wurde ihm nun zur Routine. Die Gratwanderung zwischen seinem Anspruch, eine bessere und gerechtere Welt zu schaffen und die dunklen Seiten seines Wirkungskreises außen vor zu lassen, hatte ihn geprägt, hatte ihn verändert, hatte ihn hart werden lassen. Dieser Kriminaldienst, wähnte Hanson schon damals, torpediert jede Ehe. Aber Karriere wollte er machen. Stress, purer Stress, der auch die Ehe streckenweise schwer belastete, war die Folge. Vielleicht eine Ursache ihrer Kinderlosigkeit, glaubte Hellen damals und ließ es oft durchblicken.

Hellen nahm seine Hand und drückte sie mit letzter Kraft. „Schade, dass wir keine Kinder haben, ich hätte dir gerne einen Sohn geboren, hätte ihn gerne heranwachsen sehn und seine eigene Hochzeit miterlebt.“ Ihr Lächeln erstarrte, ihr Händedruck ließ nach, Hellen war gestorben.

Vieles wollte er ihr noch sagen, doch viel zu viel blieb unausgesprochen, jetzt war es zu spät, leider. Gott gewährt keinem eine zweite Chance. Hanson wusste, die Tage werden fortan grau. Jeder Tag grauer als der Tag zuvor.

Wie seinerzeit konnte er sich auch jetzt kaum seiner Tränen erwehren. Jedes Mal, wenn sich Hanson dieser Situation erinnerte, schossen ihm Tränen in die Augen. Er hoffte inständig, dass seine privaten Pikanterien, die er sich als Lehrer beim Bundeskriminalamt geleistet hatte, Hellen verborgen geblieben waren, und dass sie in ihrer Ehe mit ihm mehr Glück empfand, als er selbst zu geben im Stande war.

Einmal hatte er Hellen betrogen. Nicht dass seine Ehe begann schal zu werden, nein, der raffinierten Verführungskunst der jungen Mitarbeiterin konnte er nicht widerstehen, wenn sie sich ihm mit rosiger Appetitlichkeit darbot. Es tat ihm leid. Einmal war aber bei den vielen Amüsements selten genug und fast schon ein Beweis seiner tugendhaften Treue. Aber das schlechte Gewissen plagte ihn Jahr und Tag. Alles was er um der Liebe willen hätte geben können, hatte er versäumt, ihr zu geben. Jetzt war es zu spät. Schade. Leider war er immer zu unbegabt, seine Liebe zu zeigen. Einst, erinnerte sich Hanson, war er mit Hellen glücklich, erinnerte sich, früher öfter fröhlich gewesen zu sein, erinnerte sich auch, häufig gut gelaunt, nach Dienstschluss nach Hause gekommen zu sein. Nach Hellens Tod war die Dienststelle ihm zur Heimstatt geworden. Nach diesem schweren Verlust arbeitete er gerne nach Feierabend alleine im Büro. Hier war die Einsamkeit nicht so quälend wie in seiner Wohnung.

Die Fistelstimme in seinem Handy vernahm Hanson nur noch aus großer Ferne. Sie riss ihn langsam in die Wirklichkeit zurück. Seine Sekretärin hielt sich wie immer mit Nebensächlichkeiten auf. Hanson hörte kaum noch zu.

So sehr er sich auch anstrengte, Staatssekretär Dr. Beyer war ihm unbekannt. Ein Gesicht konnte er diesem Namen nicht zuordnen. Sollte der Staatssekretär einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein, blieb nur zu hoffen, dass er nicht Opfer einer politisch motivierten Gewalttat war. Ja, dann konnte er nicht zu einer neuen Verbrecherjagd blasen, denn dann wäre er als Leiter der Mordkommission mit seiner Truppe nicht zuständig. Die Jagd aber hatte er lieben gelernt. Sie war nach Hellens Tod zu seinem Daseinszweck geworden. Dann konnte er ihren Tod vergessen.

Er beschloss spontan, Pellka den ersten Angriff zu überlassen. Bis jetzt war es ja nur eine ganz normale Leichensache mit einer Todesursachenermittlung, die durchermittelt und abgearbeitet werden musste. Der pfiffige Pellka würde als routinierter Ermittler die Angelegenheit in wenigen Stunden in trockenen Tüchern haben. Er bräuchte die Akte dann nur noch durchzulesen und sie, wie jede andere Leichensache, an die Staatsanwaltschaft abzuverfügen.

Plötzlich stand er am Counter vor Rebecca. Sie hatte schon seine Karteikarte gezogen und grüßte ihn freundlich. Da war es wieder, dieses Knistern in der Luft, diese mit den Händen fühlbare Spannung. Jedes Mal, wenn er dieser wohlproportionierten Frau gegenüberstand, verspürte er einen trockenen Hals und musste dagegen anschlucken.

 

Sein Freund, der Zahnarzt, das traute er ihm zu, hatte wohl ein Verhältnis mit dieser gut aussehenden Frau. Sie war schon eine Sünde wert.

Noch bevor Rebecca seine Karteikarte geschickt an die erste Stelle auf dem Tresen placiert hatte, hatte er seiner Sekretärin die fernmündliche Anweisung erteilt, Pellka als Ermittlungsführer einzusetzen. Abrupt beendete er sodann das Gespräch. Handys waren für ihn nur Nachrichtenmittel. Er versenkte es in die Tasche seines verschlissenen Trenchcoats zurück und ließ sich von der Sprechstundenhilfe in das Wartezimmer führen. Täuschte er sich, war Rebecca heute eine Spur freundlicher als sonst? Begann sich zwischen ihnen die Chemie zu ändern? Nichts wünschte er sich mehr. Sie schenkte ihm ein wunderschönes Lächeln. Hanson lächelte verlegen zurück und hoffte, dass sie das Glühen, das er auf seinen Wangen spürte, nicht bemerkte. Als sie ihm die Tür zum Wartezimmer öffnete, blieb sie in der Türzarge stehen. Hanson musste sich an ihr vorbeizwängen, er spürte ihre prallen Brüste und roch ihren frischen Atem. Beides war ihm nicht unangenehm, im Gegenteil. Trotz seiner Zahnschmerzen regte diese flüchtige Berührung nicht nur seine sündige Phantasie, sondern auch ein gewisses Verlangen an. „Junge“, sagte er sich, „diese Schönheit ist mindestens zehn Jahre jünger und wird sich doch nicht mit einem kleinen Kriminalhauptkommissar abgeben wollen.“ Noch hielt Hansons Vernunft sein Herz gefangen, weil die Jahre ihn gelehrt hatten, in Herzensangelegenheiten nie das Unmögliche zu wollen und zu akzeptieren, dass seine besten Jahren weit zurück lagen. Auch fürchtete er, nicht ganz so gut zu riechen. Seit zwei Tagen hatte er nicht mehr die Unterwäsche und die Oberhemden gewechselt. Seine Waschmaschine war seit geraumer Zeit defekt und sein Konto gewaltig überzogen. Eine neue Maschine konnte er sich vorerst nicht leisten. Der Winterurlaub war bezahlt und hatte ein riesengroßes Loch in seine Kasse gerissen. Früher hatte Hellen alle finanziellen Regelungen getroffen und großes Geschick bewiesen. Er aber strauchelte von einer finanziellen Katastrophe in die nächste. Gerne hätte er noch die Nähe, die Tuchfühlung zu Rebecca genossen. Aus Sorge, Rebecca könnte seine männlich herben Ausdünstungen wahrnehmen, schlich er viel zu schnell an ihr vorbei in das Wartezimmer, nicht ohne nochmals den Duft ihrer Nähe durch beide Nasenflügel tief in sich einzuatmen. Sein Brustkorb blähte sich wie ein Blasebalg.

Was war da eben geschehen, in diesem flüchtigen Augenblick? Gar nichts war geschehen – und dennoch hatte Hanson die Gewissheit, dass viel, sehr viel passiert war. Etwas Aufregendes war geschehen. Rebecca musste doch wissen, dass er ihre Brüste streifen würde, die Tür war einfach zu schmal, als dass er ohne diesen engen Körperkontakt hätte hindurch schlüpfen können. Er war sich sicher, sie hatte es provoziert. Es behagte ihm, sehr sogar.

Aus dem Sprechzimmer hörte er den hochtourigen Zahnbohrer, sein Freund hatte wohl noch einen Patienten zu versorgen. Wohl oder übel nahm Hanson im Wartezimmer Platz und war über die vielen Patienten überrascht, die trotz des Scheißwetters den Weg nach hier gefunden hatten. Sein Weisheitszahn meldete sich wieder mit wahnsinnigen, pochenden Schmerzen. Staatssekretär Dr. Beyer war ihm schon nicht mehr im Gedächtnis, als sein Blick auf die Titelstory der im Wartezimmer ausgelegten Bild-Zeitung fiel. „Bestechungsskandal im Wirtschaftsministerium“ war in großen Lettern zu lesen. Ein Abbild in Postkartengröße zeigte einen etwas dicklichen Mann, quer darüber war die Frage notiert „War Dr. Beyer bestechlich?“

Hanson griff sich die Zeitung und begann den Artikel zu überfliegen. Dr. Beyer sollte nicht nur an einem Waffendeal mit einem nicht näher bezeichneten Staat des Nahen Ostens beteiligt gewesen sein, sondern auch Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe kassiert haben. Das Waffengeschäft war eben durch diesen Staatssekretär Dr. Beyer genehmigt worden und roch nach Bestechung. Weiter lesen konnte er nicht. Die Wartezimmertür öffnete sich, zwei wunderschöne Brüste schoben sich durch den Türspalt und er hörte Rebeccas freundliche Stimme: „Herr Hanson, Jörg erwartet Sie.“

Hatte er richtig gehört, die Sprechstundenhilfe duzte ihren Chef? Für Hanson war jetzt klar, die beiden hatten ein Verhältnis. Anders konnte es gar nicht sein. Neidisch konnte man schon werden, schoss es ihm durch den Kopf. Aber warum tat sein Freund das seiner Frau Irene an, mit der er über zwanzig Jahre glücklich verheiratet war. Glücklich? War die Ehe wirklich glücklich? Lückenhaft konnte Hanson sich an gelegentliche Ehekrisen erinnern, die ihm sein Freund gebeichtet hatte und seinen Rat erhoffte. Er musste seine Gedanken unterbrechen, sein Freund stand in der Tür des Sprechzimmers und winkte ihn zu sich.

Per Handschlag begrüßten sich die Freunde und verabredeten für den nächsten Dienstag eine neue Schachpartie. Zwar hatte der Doktor gegen ihn im Schach bislang immer verloren, obwohl sein ganzer, verbissener Ehrgeiz darin bestand, ihn zu schlagen. Hanson aber war ein zu guter Spieler. Er liebte das Schachspiel, liebte die vorausplanende Strategie, die Winkelzüge, die Fallen und die Hinterhalte. Mit den gleichen Eigenschaften, die ihn im Berufsleben zu einem meisterhaften Jäger werden ließen, gelang es ihm immer wieder, seinen Freund an die Wand zu spielen.

Kaum hatte Hanson im Behandlungsstuhl Platz genommen, kam Rebecca in das Behandlungszimmer gestürmt. „Herr Hanson, am Telefon ist der Herr Polizeipräsident, der Sie dringend zu sprechen wünscht“, schoss es aus ihr hervor. Der Präsident, sein höchster Chef, sein Mentor, den wollte und konnte er nicht warten lassen. Am Telefon meldete sich aber nicht der Polizeipräsident, sondern seine Vorzimmerdame, deren Stimme ihm bekannt vorkam, deren Namen er aber nicht verstanden hatte. Sogleich wurde die Verbindung hergestellt.

Sofort, ohne den Tagesgruß von Hanson zu erwidern, legte der Präsident los. Er gab kurze und knappe Anweisungen, den Fall Dr. Beyer betreffend.

Seit ihrer gemeinsamen Zeit beim Bundeskriminalamt hatte sich der Präsident kaum in seinen Umgangsformen mit Untergebenen geändert. Damals, als Abteilungspräsident beim Bundeskriminalamt, klangen seine Anweisungen barscher, heute waren sie etwas moderater, ja fast freundlich formuliert.

Hansons Gedanken drifteten wieder in die Vergangenheit zurück. Beim Bundeskriminalamt hatte er sich mit diesem Abteilungspräsidenten in dienstlicher Hinsicht nur gestritten, nichts fand seine Zustimmung, immer hatte er an seinen Ermittlungsergebnissen etwas auszusetzen. Der Zustand dauerte über Jahre, der Streit eskalierte. Äußerlich versuchte Hanson, sich diesen Stress nie anmerken zu lassen. Mental war er aber der Schwächere, Magenprobleme stellten sich ein. Mit Hellen hatte er besprochen, als Alternativlösung sich in die Provinz versetzen zu lassen. Nur weg von diesem Abteilungspräsidenten.

Als Gerüchte im Bundeskriminalamt die Runde machten, Abteilungspräsident Wolff werde zum Beginn des nächsten Jahres Polizeipräsident in Kiel, glaubte Hanson, beim Bundeskriminalamt bleiben zu können. In Wiesbaden hatte er seine Freunde, in Frankfurt lebten seine Eltern in einem Altersheim, seine beiden Schwestern wohnten in Mainz. Weshalb sollte er sich nun noch in die Provinz versetzen lassen; unter seinem Intimfeind würde er nicht mehr lange zu leiden haben.

 

An einem 13. Februar klingelte es dann an seiner Wohnungstür, Hellen öffnete. „Guten Abend, Herr Wolff“, hörte er sie sagen. Hanson erinnerte sich, wie elektrisiert er war, heftiges Magenkneifen stellte sich augenblicklich ein; sollte tatsächlich Wolff im Hausflur stehen? Oh Schreck, er war es. Hellen hatte ihn schon herein gebeten. Sie ging voraus und führte den Gast in das Arbeitszimmer. Als Hanson das Zimmer betrat, erhob sich Wolff, streckte ihm die Hand entgegen und umarmte ihn mit dem linken Arm. War das wirklich Wolff? Strenger war nie ein anderer Chef jemals zu ihm gewesen. Und jetzt die Freundlichkeit. Was war mit Wolff geschehen, hatte er eine Metamorphose durchgemacht? Wiederzuerkennen war er jedenfalls nicht.

Wie immer, kam der alte Haudegen schnell zur Sache: „Sie, Hanson, werden sich über meinen Besuch wundern“, eröffnete er das Gespräch. „Bestimmt haben Sie von meiner Berufung zum Polizeipräsidenten nach Kiel gehört. Hanson, ich halte Sie für einen der fähigsten Kriminalisten des gesamten Bundeskriminalamtes. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich nach Kiel begleiten würden. Dort können Sie die Leitung der Mordkommission übernehmen, dafür werde ich sorgen.“ Mit einem süffisanten Lächeln fuhr er fort und erklärte, dass alle Differenzen in der Vergangenheit von ihm provoziert worden waren.

„Die oftmals völlig überzogene und nicht gerechtfertigte Kritik meinerseits, Hanson, hatte nur eine Zielrichtung: Ich wollte Sie permanent unter Druck setzen und halten, um einfach Ihre Stressstabilität und Ihre mentalen Schwächen auszuloten. Sie haben den Druck gut weggesteckt und mir hervorragend Widerstand entgegengesetzt. Verbiegen konnte ich Sie nicht; auch sind Sie mir nie in den Allerwertesten gekrochen wie viele Salonkriminalisten in meinem Referat. Alle unsere Differenzen sollten Sie schnell vergessen. Mein Sinnen und Trachten war stets, Sie zu höheren und besseren Leistungen anzustacheln. Fordern heißt fördern. Ich habe Sie zu einem guten und hervorragenden Polizisten geformt und glaube, mein Ziel erreicht zu haben. Auch Ihr Charakter lässt den Schluss zu, dass Sie ein guter Leiter einer Mordkommission werden. Hanson, kommen Sie mit mir nach Kiel, ich habe Großes mit Ihnen vor. Lassen Sie sich Zeit, besprechen Sie alles mit Ihrer charmanten Frau und geben mir bis zum 1. März diesen Jahres Bescheid, denn bis zum 1. April muss die Stelle des Leiters der Mordkommission in Kiel wieder besetzt werden.“ Sprach’s, wünschte noch einen schönen Abend, bat Hellen noch zu grüßen, verabschiedete sich und war genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war.

Auf den Tag genau lag dieser Besuch von Wolff jetzt fünfzehn Jahre zurück. Aus einem vermeintlichen Intimfeind ist in Kiel ein väterlicher Freund geworden. Nein, diesen Präsidenten konnte er nicht warten lassen.

Als das Telefonat seitens des Präsidenten beendet wurde, schwante ihm, dass er sich über die kommenden Abende und Wochenenden keine Gedanken mehr zu machen brauchte, er würde sie auf der Dienststelle verbringen.

Mit knappen Sätzen wurde ihm erklärt, dass sein Stellvertreter Pellka vor Ort sei und an der Leiche eine blutende Kopfwunde, vermutlich einen Einschuss, festgestellt habe. In den Augäpfeln und an beiden Wangenknochen glaubte er, kaum sichtbare Staublutungen erkannt zu haben, die partiell durch eine Blutabrinnspur überlagert waren. Nunmehr sei von einem Kapitaldelikt auszugehen.

Der komplette Erkennungsdienst sei bereits in Marsch gesetzt worden, auch die Gerichtsmedizin wurde informiert und werde in circa einer Stunde am Tatort sein.

Kurz und knapp bat der Präsident, er möge sich schnellstens zum Tatort begeben.

Die Zahnbehandlung musste wieder einmal verschoben werden. Sein Freund narkotisierte den rechten Unterkiefer und gab ihm noch diverse Tablettenblister eines starken Schmerzmittels mit. Ein neuer Behandlungstermin wurde gar nicht erst verabredet. Die verabredete Schachpartie wurde gecancelt.

Gedanklich war Hanson schon am Tatort, die erforderlichen Maßnahmen würde er vor Ort nach analytischer Bewertung der gesamten Situation festlegen. Den geplanten und bezahlten Winterurlaub hatte er schon völlig vergessen.

Als er die Praxis verließ, waren die Zahnschmerzen auf ein erträgliches Maß zurückgegangen. Er öffnete die Haustür zum Vorgarten und stellte mit Entsetzen fest, dass es noch heftiger zu schneien begonnen hatte. Der Erkennungsdienst und die Kriminaltechnik würden kaum noch Spuren am näheren und weiteren Tatort sichern können. Der Schnee dürfte wie ein Leichentuch alle relevanten Spuren zugedeckt haben.

Die Scheiße fängt ja gut an, dachte er und wollte zu seinem Wagen gehen. Am Straßenrand standen vier völlig eingeschneite Autos. Seinen Wagen konnte er auf den ersten Blick nicht erkennen. Die Schneehauben auf den Autos ließen keine Unterscheidung mehr zu.

Er fingerte in seinem Mantel nach dem Handy, über das Präsidium wollte er eine Polizeistreife anfordern, die ihn zum Tatort fahren sollte. Wegen seiner örtlichen Betäubung im Unterkiefer und seiner abgefahrenen Sommerreifen schien es ihm sicherer, als mit dem eigenen Wagen zu fahren.

Wo war denn bloß das verdammte Handy, es war verschwunden. Hanson eilte wieder in die Praxis, um von dort den notwendigen Anruf zu tätigen. Von der Praxis aus rief er die Einsatzleitstelle an. Der Diensthabende versprach ihm, sofort einen Wagen zur angegebenen Adresse zu entsenden. Während des Telefonates konnte Hanson das aufreizende Parfüm von Rebecca wahrnehmen. Sie musste es sich neu aufgelegt haben. Wieder stellte sich bei ihm eine Halstrockenheit ein. In der Nähe dieses wunderschönen Wesens wurde er immer nervös. Hanson spürte, wie ihm erneut die Röte ins Gesicht stieg. Verdammt, er war doch kein Oberprimaner mehr, solche Gefühlswallungen hatte er vor zig Jahren, als er Hellen kennenlernte. Aus purer Verlegenheit wandte er sich dem Fenster zu und hielt nach dem Streifenwagen Ausschau, auf den er mehr als eine halbe Stunde warten sollte. Eine halbe Stunde die er hätte nutzen können, um mit dieser Schönheit anzubandeln. Attraktiven Frauen gegenüber war Hanson gehemmt und verhielt sich manchmal etwas hölzern. Vielleicht, schalt er sich gedanklich, bist du es nicht mehr gewohnt, dich mit schönen Frauen zu unterhalten, vielleicht bist du schüchtern geworden. Sei es wie es sei, er brachte keinen Ton, geschweige einen belanglosen Smalltalk heraus. Statt dessen schaute er mit einer nach außen stoisch wirkenden Gelassenheit aus dem Fenster nach der Funkstreife. Tatsächlich aber beobachtete er ihr Spiegelbild, ihre anmutigen Bewegungen in der Glasscheibe.

Nach einer 40-minütigen Wartezeit sah Hanson den Streifenwagen vor der Gartenpforte halten. Der Streifenführer war ausgestiegen, schaute suchend die Gegend ab und entdeckte ihn am Fenster, von wo aus Hanson winkend auf sich aufmerksam machte.

„Die verschneiten Straßen ließen keine schnellere Fahrt zu“, entschuldigte sich der Streifenführer für die lange Wartezeit.

Hanson nannte das Fahrziel. Offensichtlich hatten die Beamten noch keine Ahnung, was im Klosterforst nahe der Bundesstraße 76 vorgefallen war.

„Herr Hauptkommissar, sollen wir Blaulicht und Martinshorn einschalten?“, frug der Streifenführer dienstbeflissen. Hanson ordnete normale Fahrt an und hatte somit Gelegenheit, sich gedanklich auf den Tatort einzustellen. Wie mochte es dort aussehen? War alles zugeschneit? Waren die benachrichtigten Kräfte schon vor Ort?

Den Gerber, den Leiter der Kriminaltechnik, wollte er unbedingt dabei haben. Er war eine Legende, auf seinem Fachgebiet die absolute Koryphäe, der Papst in der Kriminaltechnik. Mit ihm pflegte Hanson einen freundschaftlichen Umgang. Aber hatte der nicht einen Todesfall in seiner Familie und Sonderurlaub beantragt? Richtig, sein Halbbruder war tödlich verunglückt.

Hansons Gedanken schweiften ab, den Neubeginn in Kiel ließ er Revue passieren.

Als er die Mordkommission übernahm, schlug ihm nichts als eisige Kälte entgegen. Er hörte es förmlich in seinen Ohren dröhnen: „Was willst du Besserwisser vom BKA, wir können unsere Morde auch ohne deine Hilfe klären.“ Gerber war der einzige, der ihn ehrlichen Herzens willkommen hieß. Ihm eilte ein Ruf von einer imponierenden, fachlichen Reputation voraus. Anfangs verkehrten sie kollegial, mittlerweile waren sie gute Freunde geworden. Schwer war der Anfang, alle seine Handlungen wurden kritisch beäugt. Seine neuen Mitarbeiter von der Mordkommission machten da keine Ausnahmen. Wie sollte er sich verhalten, wie konnte er sich wehren. Eine der wichtigsten Prioritäten war damals, seine Mitarbeiter näher kennen zu lernen. Dazu musste er unbedingt Einsicht in die Personalakten seiner Mitarbeiter bekommen. Schwierig, da er kein Disziplinarvorgesetzter war, würde ihm das Polizeiverwaltungsamt die Personalakten vorenthalten. Sein Mentor, der Präsident, zeigte Verständnis und erklärte, gelegentlich darauf zurückzukommen. Drei Wochen später fand er eine handschriftliche Notiz seines Vertreters auf seinem Schreibtisch, wonach er sich anderntags morgens um halb zwölf in den Höhen des Olymps beim Präsidenten einzufinden habe.

11.25 Uhr des nächsten Tages klopfte er an die Vorzimmertür des Big Bosses. Durch die geschlossene Tür hörte er ein vertrautes „Herein.“

Da saß sie. Wolff, der Himmelhund, hatte seine ehemalige Vorzimmerdame von Wiesbaden mit nach Kiel genommen. Sie hatte zwischenzeitlich geheiratet und hieß jetzt Köhler, Rosemarie Köhler. Sie führte Hanson in das Dienstzimmer des Präsidenten. Hanson erinnerte sich, kalter Pfeifenrauch schlug ihm damals entgegen. Immer noch der gleiche englische Tabak, dachte Hanson zu jener Zeit und sah auch gleich den Pfeifenständer links neben dem Telefon. Die geliebte Bruyère-Pfeife, ein Hänger, lag auf dem Schreibtisch, als habe der Alte diese stark nach unten gebogene Pfeife gerade aus der Hand gelegt. Daneben stand ein Fabergé-Ei, sicher ein Gastgeschenk der russischen Delegation, dachte Hanson. Ansonsten gediegenes Ambiente, getäfelte Wände mit wertvollen Ölgemälden von Seeschlachten antiker Segelschiffe, Perserteppiche und -brücken auf dem blitzblanken Parkettfußboden, gegenüber einem mächtigen Schreibtisch ein Porträt von Bismarck. Der Reichskanzler wandte sich mit wachem Blick ständig dem Betrachter zu, egal in welcher Ecke man sich befand. Der riesige Konferenztisch, der von seiner Größe besser in einem Refektorium stände als hier, dominierte den Raum. Mitten drauf, unter einem Glaskolben, tickte leise eine antike Pendüle, die mit zartem Glockenklang die Mittagsstunde verkündete.

Nur vom Präsidenten keine Spur.

„Der Herr Präsident lässt sich entschuldigen. Er begrüßt die russische Delegation aus Moskau im Casino und wird in einer halben Stunde zurück sein. Sie, Herr Hanson, sollen unbedingt in seinem Büro auf ihn warten,“ flüsterte sie mit einem Augenzwinkern. Hanson begriff sofort, auf dem Couchtisch lagen die sechs Personalakten seiner Mitarbeiter, geordnet nach Dienstgraden.

Eine halbe Stunde, die Zeit war verdammt knapp. Alle Akten in Ruhe durchzulesen, würde er nicht schaffen. So wollte er die Akten rasch überfliegen und sich nur auf die Personalbögen konzentrieren. Vier Bögen erregten seine Aufmerksamkeit.

Juri Haller, Kriminaloberkommissar, Quereinsteiger, 35 Jahre alt, mit 22 Jahren aus Ostberlin geflüchtet, Witwer, Jurastudium in Rekordzeit an der Uni Göttingen, Abschluss mit summa cum laude, Strafverteidiger und Partner in der Sozietät Dr. Meyberg, Kiel.

Holger Peters, Kriminaloberkommissar, Quereinsteiger, 35 Jahre alt, ledig, graduierter Diplomingenieur und Archivar beim Deutschen Museum, München.

Jutta Einemann, Kriminalkommissarin, 30 Jahre alt, ledig, über Bereitschaftspolizei, Schutzpolizei zur Kriminalpolizei, 1993 Deutsche Polizeimeisterin im Pistolenschießen, 1994 Deutsche Polizeimeisterin im Biathlon. Versetzung von München nach Kiel auf eigenen Wunsch.

Axel Rütter, Kriminalhauptmeister, 31 Jahre alt, ledig, über Bereitschaftspolizei, Schutzpolizei zur Kriminalpolizei, Landesmeister in Judo und Karate, 5 Dan, Fernstudium Jura, 3 Semester.

Die anderen Personalbögen enthielten keine nennenswerten Informationen. Hanson war mehr als enttäuscht über die mageren Auskünfte, er hatte sich mehr Erkenntnisse über seine Mitarbeiter erhofft.

Aus dem Vorzimmer vernahm Hanson, wie Frau Köhler sich am Telefon meldete. Sekunden später hörte er, wie der Telefonhörer wieder in die Gabel zurückgelegt wurde. Sodann öffnete sich die Tür, Frau Köhler erschien mit einem DIN-A4-Kuvert, das sie ihm mit den Worten übergab: „Herr Hanson, der Herr Präsident rief eben an und bat mich, Ihnen diesen Briefumschlag zu geben. Er wird heute nicht mehr ins Präsidium zurück kommen können.“

Das Kuvert war versiegelt und handschriftlich an ihn persönlich adressiert. Er glaubte, die Handschrift seines Präsidenten erkannt zu haben, der gleiche energische Duktus, den er von früher her kannte. In seinem Büro riss Hanson das Kuvert auf. Auf den Rückseiten der kopierten Personalbögen standen handschriftliche Notizen. Eine von Wolff handgeschriebene Notiz flatterte ihm auf einem kleinen Zettel entgegen.

„Hanson, ich will Ihnen Gerüchte, Redereien, Klatschgeschichten, aber auch Tatsachen über Ihre Mitarbeiter zur Kenntnis bringen, die mir teilweise auch durch Zuträger bekannt geworden sind und nicht in den Personalakten vermerkt sind. Setzen Sie diese Erkenntnisse als erweitertes Führungsinstrument klug ein.“ Dann folgte mit Datum die Paraphe von Wolff.

Unter P.S. hatte Wolff noch vermerkt, alles nach Kenntnisnahme zu vernichten.

 

Der Funkstreifenwagen hatte die Innenstadt verlassen und fuhr nun etwas schneller auf der B 76 in Richtung Preetz dem Tatort entgegen. Es hatte aufgehört zu schneien. Die Landschaft sah aus, wie in Watte verpackt. Immer öfter schien die Sonne durch immer größer werdende Wolkenlücken hindurch. Das Wetter schien sich zu bessern.

„In fünfzehn Minuten, schätze ich, werden wir da sein“, hörte Hanson den Fahrzeuglenker sagen. Die Bundesstraße führte bereits durch den Klosterforst. Einige Baumäste waren durch die beträchtlichen Schneelasten abgebrochen oder hingen in die Fahrbahn hinein. Ansonsten fuhren sie durch eine wunderschöne Winterlandschaft. Die Schneekristalle auf den Baumästen warfen millionenfach das Sonnenlicht zurück. Viele Tannen glitzerten wie zu Weihnachten die Christbäume.

Über Funk teilte der Funkstreifenführer den Schneebruch der zuständigen Straßenmeisterei mit. Auf der schnurgeraden Landstraße sahen sie bereits aus der Ferne das Blitzen der Blaulichter mehrerer Polizeifahrzeuge. Beim Näherkommen zählte Hanson drei Einsatzwagen der Schutzpolizei, zwei Zivilfahrzeuge der Kriminalbereitschaft und den Tatortaufnahmewagen der Spurensicherung von der Kriminaltechnik.

Geschickt parkte der Fahrer den Funkstreifenwagen zwischen zwei Schneeverwehungen auf dem Seitenstreifen der Landstraße, als Gerber zwischen großen Kiefern aus dem Wald hervortrat und auf Hanson zusteuerte, der sich gerade mit seinem Mantel aus dem Fond des Wagens schälte. Die beiden Freunde nickten sich nur kurz zu. Wenn sich der Kriminaltechniker an einem Tatort befand und mit der Tatortaufnahme beschäftigt war, gab er niemandem, egal wer es war, zum Tagesgruß die Hand. Schnell, viel zu schnell würden Mikrospuren, welcher Art auch immer, von einer Person zur anderen übertragen. Seinen Mitarbeitern hatte er die gleichen Verhaltensregeln eingebläut. Hanson kondolierte zum tragischen Verlust des Bruders und wunderte sich, dass Gerber es kaum zu hören schien; er kam sofort zur Sache.

„Die gesamte Fläche, 200 Meter um das Fahrzeug, habe ich bereits absperren lassen. Wir brauchen ab jetzt eine ständige Tatortbewachung, denn solange dieser verdammte Schnee hier liegt, brauchen wir an eine Spurensuche nicht zu denken, wir können nur Däumchen drehen und auf

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Copyright ©2012 by Stan Carry
Bildmaterialien: Coverfoto: Margot Kessler (www.pixelio.de) Artwork: Frank Schaub (www.creativgemeinschaft.de)
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2013
ISBN: 978-3-7309-6870-3

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen Sohn, der mit seiner Fachkompetenz zum Entstehen dieser Geschichte beigetragen hat. Regensburg, 02.12.2009

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